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Ausgabe 04 / 2007 - BankPraktiker

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2. Vertrauensverhältnis<br />

Die Anwendbarkeit des AGG auf Bankdienstleistungen<br />

scheidet aus, wenn zwischen Bank<br />

und Kunde ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis<br />

vorliegt. Dies soll verhindern,<br />

dass nicht unverhältnismäßig in den<br />

engsten Lebensbereich der durch das Benachteiligungsverbot<br />

verpflichteten Partei eingegriffen<br />

wird. Dieses besondere Nähe- oder Vertrauensverhältnis<br />

erfordert mehr als den<br />

üblichen Kontakt des Kundenbetreuers mit<br />

dem Kunden. Es kann z.B. vorliegen im Rahmen<br />

einer höchstpersönlich zugeschnittenen Projektfinanzierung<br />

und im Falle einer individuell<br />

gestalteten Vermögensverwaltung (Family<br />

Office).<br />

3. Massengeschäft<br />

Während das zivilrechtliche Diskriminierungsverbot<br />

für die Merkmale Rasse und ethnische Herkunft<br />

für sämtliche Bankdienstleistungen Geltung<br />

beansprucht, gilt das Diskriminierungsverbot<br />

bezüglich der Merkmale Geschlecht, Religion,<br />

Behinderung, Alter und sexuelle Identität nur für<br />

Massengeschäfte. Ein solches liegt im Bankgeschäft<br />

vor, wenn die Bankdienstleistung<br />

ß<br />

ß<br />

in einer Vielzahl von Fällen zu vergleichbaren<br />

Bedingungen und<br />

ohne Ansehen der Person des Vertragspartners<br />

zustande kommt. Entscheidend dabei ist,<br />

dass es beim Bankkunden gerade nicht auf<br />

die Person als solche ankommt. Bei vermögenden<br />

Privatkunden sowie bei individuell<br />

zugeschnittenen Vermögensverwaltungen<br />

scheidet demnach ein Massengeschäft aus.<br />

Sollten beim Bankvertrag AGB Verwendung<br />

finden, wird man ein Massengeschäft anzunehmen<br />

haben.<br />

Nachfolgend sollen die wichtigsten Bankdienstleistungen<br />

auf das Merkmal Massengeschäft<br />

untersucht werden.<br />

a) Kredit- und Avalgeschäft<br />

Hierbei hilft der Gesetzgeber weiter. In der<br />

Gesetzesbegründung wird das Merkmal Massengeschäft<br />

verneint, wenn der Vertrag aufgrund<br />

einer individuellen Risikoprüfung des<br />

Kunden zustande kommt. Der Realkredit scheidet<br />

als Massengeschäft demnach von vornherein<br />

aus, da derartige Kredite ausschließlich<br />

nach einer Bonitätsprüfung vergeben werden.<br />

Selbst der Ratenkredit oder Überziehungskredit<br />

hängt von der Bonitätsprüfung des Kunden<br />

ab. Dabei reicht die SCHUFA-Abfrage bereits<br />

aus. Kritisch wird es beim Einsatz von Kredit-<br />

Scoring-Verfahren. Der gefundene Scorewert<br />

stellt zwar lediglich eine Aussage über die Ausfallwahrscheinlichkeit<br />

einer gewissen Gruppe<br />

von Kreditnehmern dar. Man kann hier den<br />

Massengeschäftscharakter ebenfalls verneinen,<br />

da der Scorewert dem jeweiligen Kreditantragsteller<br />

zugeordnet wird und es üblicherweise<br />

zusammen mit weiteren Informationen<br />

zu einer individuellen Kreditentscheidung<br />

kommt. Selbst wenn die Bank im Außenverhältnis<br />

den Anschein erweckt, dass es auf die<br />

Person des Kunden überhaupt nicht ankommt<br />

und der Konsument keinerlei Bonitätsprüfung<br />

unterzogen wird (werbemäßige Herausstellung<br />

des „Kredits für jedermann“, „easy<br />

credit“) wird hieraus kein Massengeschäft, da<br />

intern eine Bonitätsprüfung stattfindet. Auch<br />

bei der Avalvergabe findet eine Bonitätsprüfung<br />

statt, so dass kein Massengeschäft vorliegen<br />

kann.<br />

Entscheidend für die Bejahung des Tatbestandsmerkmals<br />

Massengeschäft durch<br />

die Gerichte wird es sein, ob auf den Empfängerhorizont<br />

beim Bankkunden abzustellen<br />

ist oder objektive Kriterien Anwendung<br />

finden. Für Letzteres spricht weniger<br />

der Wortlaut des Gesetzes, wohl aber die<br />

Gesetzesbegründung 2 .<br />

b) Girokonto<br />

Soweit eine Überziehungsmöglichkeit bzw.<br />

die Teilnahme am Lastschriftverkehr eingeräumt<br />

wird, scheidet ein Massengeschäft<br />

aus, da eine Bonitätsprüfung erfolgt. Sollte<br />

das Girokonto ausschließlich kreditorisch<br />

geführt werden, liegt ein Massengeschäft<br />

vor, da es an einer Bonitätsprüfung mangelt.<br />

Auch eine SCHUFA-Abfrage steht dem nicht<br />

entgegen, da diese nur für eine zukünftige<br />

Überziehungsmöglichkeit eingeholt worden<br />

ist. Sollte die Überziehung nachträglich eingeräumt<br />

werden, so wäre zwar der Kontovertrag<br />

Massengeschäft, jedoch nicht der (spätere)<br />

Überziehungskredit.<br />

<strong>04</strong> / <strong>2007</strong> <strong>BankPraktiker</strong><br />

Beitrag<br />

» Während das<br />

zivilrechtliche Diskriminierungsverbot<br />

für die Merkmale<br />

Rasse und ethnische<br />

Herkunft für sämtlicheBankdienstleistungen<br />

Geltung<br />

beansprucht, gilt<br />

das Diskriminierungsverbotbezüglich<br />

der Merkmale<br />

Geschlecht, Religion,<br />

Behinderung, Alter<br />

und sexuelle Identität<br />

nur für Mas-<br />

sengeschäfte. «<br />

2 Vgl. Bauer/Göpfert/Krieger, § 19 AGG, Rdn. 9; BT-<br />

Drs. 16/1780 S. 42.<br />

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