Kleines Marienlexikon - Una Voce Deutschland eV
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198 Ioanne Georgio Bertram<br />
Alles, was über die christliche Hymnendichtung geschrieben wurde, ihre Entstehung,<br />
ihre Entwicklung und Pflege durch fast zwei Jahrtausende, ihren musikalischen Vortrag<br />
usw. muß in dieser kurzen Abhandlung unberücksichtigt bleiben; der Interessierte sei<br />
auf das großartige noch gültige Werk von Dreves-Blume »Ein Jahrtausend lateinischer<br />
Hymnendichtung«, Leipzig 1909, und auf Dominicus Johners »Neue Schule des gregorianischen<br />
Choralgesanges«, Regensburg 1921 (s. 108 ff.), hingewiesen.<br />
Daß seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, etwa seit dem Tode des großen Papstes Leos<br />
XIII., der selbst ein vorzüglicher lateinischer Odendichter war, der Faden der Entwicklung<br />
plötzlich abreißt, dürfte verschiedene Ursachen haben, läßt aber besonders bedauerliche<br />
Schlüsse auf das seitdem immer mehr zum Erliegen kommende Glaubens-und<br />
Frömmigkeitsleben zu und zeigt wieder einmal, wie eng die lex orandi mit der lex credendi<br />
verknüpft ist. –Daß die Geschichte der christlichen Hymnendichtung insofern ihren<br />
beklagenswerten Abschluß gefunden hat, wie Hans Rosenberg in »Ecclesia Orans« (Bd.<br />
XI, S. 3) behauptet, ist sicher zutreffend. Andererseits ist festzuhalten, daß der Geist weht,<br />
wo (und wann!) er will, und daß ein »Niemehr« nur nach menschlichem Ermessen ausgesprochen<br />
werden kann, welches sich erwiesenermaßen nicht selten getäuscht hat.<br />
Zu dieser Ausgabe des Hymnarium Suppletivum<br />
»Was? Sie schreiben noch lateinische Hymnen? Ja, gibt’s denn so was noch!!« Diese Frage<br />
aus dem Munde eines höheren Geistlichen, begleitet von einem verwunderten Blick und<br />
einem mitleidigen Lächeln, dürfte eine der ungewollten genüßlichen Zurschaustellungen<br />
der Ignorantia Crassa sein, wie sie heute vorzukommen pflegen. Ich hoffe, daß wenigstens<br />
der Leserkreis dieser Zeitschrift von mir keine rechtfertigende Erklärung für die leider<br />
abgerissene Fortsetzung einer Jahrtausende alten literarischen Tradition erwartet.<br />
Der Hymnus als Lob-und Preisgesang Gottes und seiner Heiligen ist die höchste und<br />
feierlichste Form des Gebetes und schon nach der Benediktusregel für jede einzelne<br />
Tageshore vorgeschrieben. Nur die höchste Sprachebene ist ihm stilistisch angemessen,<br />
die Doxologie in der letzten Strophe obligat. Zur Metrik ist wenigstens das Folgende<br />
zu sagen: Die über zwei Jahrtausende alten antiken Strophen fanden nach einigem anfänglichen<br />
Widerstreben schnell Eingang in das Beten der Kirche.<br />
»Wären die antiken Strophen nicht Überlieferungsgut«, so sagt Josef Weinheber,<br />
»hätte man sie erfinden müssen. Sie sind die edlen, kostbaren Gefäße für die tiefsten,<br />
zartesten und zugleich leidenschaftlichsten Empfindungen des menschlichen Geistes.«<br />
Da die antike Metrik im Gegensatz zum deutschen, ganz auf betonte und unbetonte<br />
Silben ausgerichteten rhythmischen Gefühl, eine quantitierende, also eine die Länge<br />
oder Kürze einer Silbe messende ist, verlangt jedes von beiden vom Dichter bzw. Übersetzer<br />
eine ganz andere Aufgabe. Daß unter den ihr eigenen Voraussetzungen aber auch<br />
die deutsche Ode an Schwung, Dichte und Flexibilität gewinnen kann, haben schon