Kleines Marienlexikon - Una Voce Deutschland eV
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Expositio missae<br />
163<br />
Dieses Lied der Engel soll mit großer Herzensfreude und inniger Hingabe gesungen<br />
oder vorgetragen werden, was nur geschehen kann, wenn der Verstand in der Betrachtung<br />
Gottes unverbrüchlich und aufrichtig gefestigt ist. Je göttlicher die Worte sind,<br />
umso größer muss die ihnen zukommende Andacht und umso reiner die Erhebung des<br />
Gei stes sein; je liebreicher und tiefgründiger der Sinn der göttlichen Worte ist, desto<br />
stärker schadet und behindert eine geringfügige Unkonzentriertheit des Herzens.<br />
Schließlich gilt: Obgleich man Gott andächtig bitten muss, so muss man ihn doch<br />
andächtiger loben, und zwar umso andächtiger, je mehr Größe und Würde darin liegt,<br />
Gott zu loben als ihn zu bitten. Beides ist nämlich ein Akt der Religion bzw. der Latrie<br />
– doch in dem Maß, wie Objekt und Ziel des göttlichen Lobes Objekt und Ziel des<br />
Gebetes übersteigen, ist das Lob Gottes höherrangig und verdienstlicher als das Gebet<br />
zu ihm. Das Objekt des Gebetes ist ja irgendeine göttliche Gabe, das Ziel des Gebetes<br />
besteht nun im Erhalt dieser Gabe Gottes. Das Objekt des göttlichen Lobes aber ist die<br />
Vorzüglichkeit der göttlichen Güte, das Ziel ist Gott selbst. Ein solches Objekt und ein<br />
solches Ziel überragen Objekt und Ziel des Gebetes in ganz besonderem Maße. Schließlich<br />
wenden wir uns beim Bittgebet in gewisser Weise zu uns selbst zurück; wenn wir<br />
aber Gott loben, so versenken wir uns in der Betrachtung rein und ausschließlich in<br />
die Vorzüglichkeit der göttlichen Natur selbst. Auch besteht das Tun der Seligen in der<br />
ewigen Heimat bekanntlich darin, sich dem Lobpreis Gottes zu widmen, nicht aber<br />
für sich selbst zu bitten, zumal nach dem Tag des Gerichtes, gemäß dem Spruch des<br />
Johannes: An jenem Tag werdet ihr mich um nichts bitten (Joh 16,23).<br />
Wie wir zudem die Verpflichtung haben, Gott mehr zu lieben als uns selbst, so ist es<br />
gerechter, sich mit dem Lob Gottes zu beschäftigen als für sich selbst zu bitten. Ja, da<br />
nur dann jemand für das Lob Gottes geeignet ist, wenn sein Leben vor Gott Akzeptanz<br />
findet – denn die Schrift bezeugt von den Ungerechten: Dieses Volk ehrt mich mit den<br />
Lippen, ihr Herz ist aber fern von mir (Jes 29,13; Mt 15,8) –, deshalb ist das Gebet auf<br />
das göttliche Lob als Ziel hingeordnet. Das Ziel überragt ja die Dinge, die darauf bezogen<br />
sind. Es ist also offenkundig, dass es würdiger und göttlicher ist, Gott zu loben als<br />
zu bitten, wenn nur das Herz vom Nebel der Laster und von der Dunkelheit der Werke<br />
der Finsternis gereinigt ist. Solange es nämlich von den Leidenschaften des Zorns und<br />
des Hochmutes belastet wird, sowie von den fleischlichen Lastern und der geistlichen<br />
Trägheit bezwungen, ist es mehr von Nutzen, sich dem Gebet zu widmen als dem Lob.<br />
Daher bittet der Psalmist in der Erkenntnis, dass niemand für das Lob Gottes würdig<br />
ist, außer er hat sich von dem Umgang mit dem Volk und seinen Lastern getrennt, wie<br />
folgt: Rette uns, Herr, unser Gott, und sammle uns aus den (Heiden-)Völkern, damit wir<br />
Deinen heiligen Namen preisen und uns Deines Lobes rühmen (Ps 106(105),47).<br />
Außerdem ist es ein Zeichen von Tugend, wenn Freude mit dem Handeln verbunden<br />
ist. Wenn sich nämlich jemand darüber freut, Widerwärtigkeiten zu ertragen, so ist dies<br />
ein Zeichen dafür, dass er wahrhaft geduldig ist. Je mehr also das Lob Gottes das Ge-