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Kleines Marienlexikon - Una Voce Deutschland eV

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132 Michael Fiedrowicz<br />

zilsväter wie Kardinal Ruffini und Erzbischof Philippe, aber auch eine Gruppe von<br />

175 Vätern, viele aus dem konservativ eingestellten »Coetus internationalis Patrum« 20 ,<br />

die Aufnahme des wichtigen Vinzenz-Zitates (eodem dogmate eodem sensu eademque<br />

sententia: comm. 23, 3) in diesen Passus gefordert, da der Fortschritt nicht die Tradition<br />

selbst, sondern ihr Verständnis und ihre Erkenntnis betreffe. Die Theologenkommission<br />

lehnte dies mit der lapidaren Begründung ab: interpretatio autem Vinc. Lirin.<br />

controvertitur (»Das Verständnis des Vinzenz von Lérins ist aber umstritten«). 21 Der<br />

damalige Konzilsperitus J. Ratzinger bot in seinem Kommentar zur Offenbarungskonstitution<br />

eine ausführlichere Erklärung der Stellungnahme der Theologischen Kommission.<br />

22 Deren Argumentation, wie sie Ratzinger wiedergibt, blieb hingegen nicht<br />

unwidersprochen. Zunächst würde nämlich ein vermeintlicher – durch die historische<br />

Forschung inzwischen klar widerlegter 23 – Semipelagianismus des Lériner Theologen<br />

ein einwandfrei katholisches Verständnis seines Traditions- und Fortschrittsprinzips<br />

keineswegs in Frage stellen, sodann war für die betreffende Passage des Konzilstextes<br />

nicht der als zu statisch kritisierte sogenannte Kanon des Vinzenz (quod ubique, quod<br />

semper, quod ab omnibus creditum est: comm. 2, 5), sondern primär sein Gedanke eines<br />

Glaubensfortschritts (profectus fidei) von Belang. 24 Zu Recht wurde daher vermutet,<br />

dass Vinzenz der Theologenkommission nicht genehm war, weil man – im Unterschied<br />

zum Vatikanum I – Elemente wie Dynamik, Wachstum und Veränderung verstärkt<br />

20 Acta Synodalia Concilii Oecumenici Vaticani II, vol. 4/5, Vatikanstadt 1978, 696: 175 Patres<br />

rogant ut profectus affirmetur non de Traditione sed de eius intelligentia vel cognitione;<br />

et insuper ut insistatur super munus Ecclesiae, allatis citationibus ex S. Iren. adv. haer.<br />

IV, 26,2 et III,1, necnon Vinc. Lirinensi. Common. I, 23.<br />

21 Acta Synodalia Concilii Oecumenici Vaticani II, vol. 4/5, 697.<br />

22 Vgl. J. Ratzinger, Kommentar zur Dogmatischen Konstitution Dei Verbum (2. Kapitel): Das<br />

Zweite Vatikanische Konzil 2 (LThK), Freiburg i. Br. 1967, 521: »Die Theologische Kommission<br />

... lehnte es ab, den von den vergangenen Konzilien angeführten Text wiederum zu<br />

zitieren angesichts des Zwielichtes, in das dieser Kirchenschriftsteller von der historischen<br />

Forschung inzwischen getaucht worden ist: Er erscheint nicht länger als authentischer Vertreter<br />

des katholischen Überlieferungsbegriffs, sondern sein Kanon der Tradition ist von<br />

einem semipelagianischen Leitgedanken her entworfen; er versucht, die Gnadenlehre Augustins<br />

als Überschreitung des ›immer Geglaubten‹ zu denunzieren, und erweist sich vor<br />

diesem Hintergrund nun doch als ein unangemessener Versuch, das Verhältnis von Beständigkeit<br />

und Wachstum in der Bezeugung des Glaubens zur Aussage zu bringen. Die Abweisung<br />

des Vorschlags, den bekannten und durch zwei Konzilien gewissermaßen geheiligten<br />

Text des Lerinensers aufzunehmen, zeigt freilich wieder die Überschreitung von Trient und<br />

Vaticanum I, die weiterführende ›relecture‹ ihrer Texte ... Das Vaticanum II nimmt zwar das<br />

mit jenen Zitierungen Gemeinte nicht zurück ..., aber es hat eine andere Vorstellung davon,<br />

wie geschichtliche Identität und Kontinuität stattfindet. Das statische ›semper‹ des Vinzenz<br />

von Lérins scheint ihm zum Ausdruck diese Problems nicht mehr geeignet.«<br />

23 Vgl. Vinzenz von Lérins, Commonitorium: Einleitung (49-77 Fiedrowicz / Barthold).<br />

24 Vgl. Barth, Traditionsbegriff, 312-318.

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