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Kleines Marienlexikon - Una Voce Deutschland eV

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130 Michael Fiedrowicz<br />

beim Individuum wie bei der Gesamtkirche, entsprechend den Stufen der Lebensalter<br />

wie der Zeitalter – jedoch nur in der eigenen Art, nämlich in derselben Glaubenslehre,<br />

in demselben Sinn und in derselben Bedeutung (vgl. 1 Kor 1,10).« 11<br />

Nicht umsonst gilt Vinzenz aufgrund dieser Überlegungen, denen er im »Commonitorium«<br />

ein umfangreiches Kapitel widmete, als »erster Theoretiker der<br />

Dogmenentwicklung« 12 , der durchaus ein deutliches Verständnis für die geschichtliche<br />

Dimension des Glaubens besaß, insofern dazu ebenso ein wirkliches Voranschreiten<br />

und Sich-Entfalten wie eine in der Entwicklung gewahrte Identität gehören. Mit der<br />

Aussage, authentischen Fortschritt könne es nur in homogener Weise (in suo genere)<br />

geben, und zwar »in derselben Glaubenslehre, in demselben Sinn und in derselben<br />

Bedeutung« (in eodem dogmate, eodem sensu eademque sententia), hatte Vinzenz eine<br />

klassische Formel geprägt, der eine reiche Wirkungsgeschichte folgte. Bis in jüngste<br />

Verlautbarungen hinein rekurrierte das kirchliche Lehramt auf diesen Grundsatz, um<br />

das katholische Verständnis der Dogmenentwicklung zu umschreiben. 13<br />

Dies galt allerdings nur in bedingter Weise für das Vatikanum II. Schon die Eröffnungsansprache<br />

von Papst Johannes XXIII. »Gaudet Mater Ecclesia« (8. Dez. 1962) ist<br />

hierfür symptomatisch. 14 In der Rede, die eine zeitgemäße Verkündigung der überkommenen<br />

Glaubenslehre forderte, wird ein knapper formelhafter Passus aus dem »Commonitorium«<br />

zitiert: »Etwas anderes ist nämlich das hinterlegte Glaubensgut selbst<br />

bzw. die Wahrheiten, die in unserer ehrwürdigen Glaubenslehre enthalten sind, etwas<br />

anderes die Art, in der sie verkündet werden, jedoch ›im selben Sinn und derselben<br />

Bedeutung‹. Dieser Art wird man sehr großes Gewicht beilegen und ihre Ausgestaltung<br />

– wenn nötig – mit Geduld betreiben müssen. Es sollen nämlich solche Methoden angewandt<br />

werden, die dem Lehramt, das primär einen Hirten-Charakter besitzt, mehr<br />

entsprechen.« 15 Im Originalmanuskript der Rede von Johannes XXIII. war allerdings<br />

der modifizierende Zusatz eodem tamen sensu eademque sententia noch nicht vorhanden.<br />

Die auf den päpstlichen Haustheologen Luigi Ciappi OP zurückgehende Einfügung<br />

wurde deshalb vorgenommen, weil der Satz ohne diesen Zusatz im Sinne einer bezie-<br />

11 Vinzenz von Lérins, Commonitorium 23,1-3 (266f Fiedrowicz / Barthold).<br />

12 Vgl. Fiedrowicz, Theologie der Kirchenväter, 359-363; Vinzenz von Lérins, Commonitorium:<br />

Einleitung (114-121 Fiedrowicz / Barthold).<br />

13 Die Rezeptionsgeschichte dieser Formel wird eingehend nachgezeichnet in Vinzenz von<br />

Lérins, Commonitorium: Einleitung (157f, 169-177 Fiedrowicz / Barthold).<br />

14 Vgl. Vinzenz von Lérins, Commonitorium: Einleitung (170f Fiedrowicz / Barthold).<br />

15 Johannes XXIII., Gaudet Mater Ecclesia (AAS 54 [1962] 792): Est enim aliud ipsum depositum<br />

fidei, seu veritates, quae veneranda doctrina nostra continentur, aliud modus, quo eadem<br />

enuntiantur, eodem tamen sensu eademque sententia. Huic quippe modo plurimum<br />

tribuendum erit et patienter, si opus fuerit, in eo elaborandum; scilicet eae inducendae<br />

erunt rationes res exponendi, quae cum magisterio, cuius indoles praesertim pastoralis est,<br />

magis congruant.

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