11.12.2012 Aufrufe

Kleines Marienlexikon - Una Voce Deutschland eV

Kleines Marienlexikon - Una Voce Deutschland eV

Kleines Marienlexikon - Una Voce Deutschland eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Konzilshermeneutik – Ein Beitrag des Vinzenz von Lérins 129<br />

nicht zum einen generell die ganze Kirche und dann speziell der ganze Stand der Vorgesetzten,<br />

die das unversehrte Wissen der Gottesverehrung sowohl selbst besitzen als auch<br />

anderen mitteilen müssen? … Was ist das ›anvertraute Gut‹? Das, was dir anvertraut,<br />

nicht was von dir erfunden worden ist, was du empfangen, nicht was du dir ausgedacht<br />

hast, keine Sache der Begabung, sondern der Lehre, keine der eigenen Anmaßung,<br />

sondern der öffentlichen Überlieferung; eine Sache, die zu dir gekommen ist, nicht<br />

aber von dir hervorgebracht wurde, in der du nicht Urheber, sondern Wächter, nicht<br />

Gründer, sondern Schüler, nicht Führer, sondern Nachfolger sein musst. ›Bewahre das<br />

anvertraute Gut‹, sagt er: Bewahre das Talent (Mt 25,15) des katholischen Glaubens<br />

unbeschadet und unvermindert. Was dir anvertraut wurde, das bleibe bei dir und das<br />

werde von dir weitergegeben. Gold hast du empfangen, Gold gib auch zurück. Ich will<br />

nicht, dass du mir etwas anderes unterschiebst, ich will nicht, dass du mir ohne Schamgefühl<br />

Blei oder mit Betrugsabsicht Kupfer unterschiebst; ich will kein falsches Gold,<br />

sondern ganz echtes.« 8<br />

Tradition bedeutet für Vinzenz primär die Bewahrung der inhaltlichen Identität des<br />

Glaubensgutes. Schon die eingangs zitierten Ausführungen des Autors über die Funktion<br />

der Konzilien unterstreichen mit ihrem dreimaligen hoc idem die unbedingt zu<br />

wahrende Identität des Depositum fidei. 9 Es war nicht zuletzt dieses Insistieren auf der<br />

strengen Bewahrung inhaltlicher Identität des Glaubens, die dem Verfasser des »Commonitorium«<br />

den Vorwurf einer »Umbiegung des dynamischen Entwicklungsbegriffs<br />

der Väterzeit zu einer ungeschichtlichen Starre« eintrug. 10 Gleichwohl besaß auch der<br />

Traditionsbegriff des Lérinsers durchaus eine dynamische Komponente. So schreibt er:<br />

»Aber vielleicht stellt jemand die Frage: Wird es also in der Kirche Christi keinen<br />

Fortschritt der Religion geben? Natürlich soll es einen geben, und zwar einen sehr<br />

bedeutenden. … Jedoch muss es wirklich ein Fortschritt (profectus) im Glauben sein,<br />

und keine Veränderung (permutatio). Zum Fortschritt gehört nämlich, dass eine jede<br />

Sache in sich selbst erweitert wird, zur Veränderung hingegen, dass etwas in etwas anderes<br />

verwandelt wird. Wachsen und gewaltig voranschreiten sollen also die Einsicht,<br />

das Wissen und die Weisheit, sowohl bei jedem einzelnen wie auch bei allen insgesamt,<br />

8 Vinzenz von Lérins, Commonitorium 22,1f.4 (262-265 Fiedrowicz / Barthold).<br />

9 Vinzenz von Lérins, Commonitorium 23,18 (272 Fiedrowicz / Barthold): Denique quid<br />

umquam aliud conciliorum decretis enisa est, nisi ut, quod antea simpliciter credebatur,<br />

hoc idem postea diligentius crederetur; quod antea lentius praedicabatur, hoc idem postea<br />

instantius praedicaretur; quod antea securius colebatur, hoc idem postea sollicitius excoleretur?<br />

10 J. Ratzinger, Das Problem der Dogmengeschichte in der Sicht der katholischen Theologie<br />

(VAFLNW.G 139), Köln / Opladen 1966, 9: »... einer ungeschichtlichen Starre, die sich seit<br />

der Wiederentdeckung des Vinzenz von Lérins am Ende des Mittelalters zu einer schwerwiegenden<br />

Belastung des Überlieferungsbegriffs und zu einer Sperre gegen ein geschichtliches<br />

Verständnis des Chistentums entwickelte.«

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!