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download - Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH

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Mensch – Tier (3)<br />

Muss es ein „wildes“ Wohnzimmer sein?<br />

In vielen Bereichen des Lebens stellt sich<br />

die Frage, ob es sinnvoll ist, alles zu tun,<br />

was theoretisch möglich ist, alles zu entwickeln,<br />

was die Wissenschaft entwickeln<br />

kann oder alles zu verkaufen/kaufen, was<br />

man verkaufen/kaufen darf? Dies ist eine<br />

durchaus sinnvolle Frage, im Geschäftsleben<br />

oder in der Forschung nennt man das<br />

Risikofolgeabschätzung. Eine Arbeitstechnik,<br />

die in Unternehmen üblich ist, scheint<br />

im Privatbereich leider nicht anzukommen.<br />

So entstehen in Wohn- <strong>und</strong> Kinderzimmern<br />

immer mehr Dschungel, Savannen oder<br />

Wüs tenlandschaften in denen Tiere leben,<br />

die als Haustiere noch vor wenigen Jahren<br />

für die meisten „Normaltierhalter“ <strong>und</strong>enkbar<br />

gewesen wären. Angeheizt wird dieser<br />

Trend von Dokusoaps <strong>und</strong> Verkaufsereignissen<br />

wie Terrarienbörsen oder schlicht<br />

dem stillen Weg übers Internet. Hier wird<br />

dem unbedarften Laien suggeriert, dass es<br />

„cool“ <strong>und</strong> „easy“ ist, solche Tiere zu halten.<br />

Affen, Schlangen, Skorpione, Schildkröten,<br />

Geckos, Agamen, Leguane, Großsittiche<br />

<strong>und</strong> Papageien oder auch Fische, die weder<br />

für ein Aquarium, noch für den Gartenteich<br />

geeignet sind, alles kann mehr oder weniger<br />

legal gekauft <strong>und</strong> gehalten werden. Leider<br />

verkennen viele Neuhalter die Probleme <strong>und</strong><br />

Gefahren, die mit der Anschaffung solcher<br />

Tiere verb<strong>und</strong>en sind:<br />

• Die artgerechte Haltung von exotischen<br />

Reptilien, Vögeln oder Säugetieren setzt<br />

enormes Fachwissen voraus, sonst ist<br />

eine artgerechte Haltung nicht möglich.<br />

• Die meisten der Tiere stellen hohe Anforderungen<br />

an die Haltungsbedingungen,<br />

die sind mit erheblichen finanziellen Aufwendungen<br />

verb<strong>und</strong>en.<br />

• Die tierärztliche Betreuung dieser Tiere<br />

sollte nur durch Fachärzte erfolgen, die<br />

nicht nur schwer zu finden, sondern auch<br />

entsprechend teuer sind.<br />

• Muss das Hobby aufgegeben werden,<br />

existiert für die meisten Tiere kein „Zweitmarkt“,<br />

das heißt, es ist oft unmöglich, diese<br />

Tiere in angemessener Zeit abzugeben.<br />

• Die meisten dieser Tiere unterliegen den<br />

Artenschutzbestimmungen <strong>und</strong> deshalb<br />

ist deren Haltung auch mit nicht zu unterschätzender<br />

Bürokratie verb<strong>und</strong>en.<br />

wohnzeit 4 / 2010<br />

Beachtet man diese Punkte als Mindestkriterien<br />

wird deutlich, dass der Personenkreis,<br />

der solche Tiere bedenkenlos anschaffen<br />

kann, überschaubar sein müsste. Dazu<br />

kommt, dass die Gefahren, die von solchen<br />

Tieren ausgehen, oft leichtsinnig unterschätzt<br />

werden. Wehrhafte Tiere, wie giftige<br />

Tiere <strong>und</strong> Würgeschlangen, gehören unserer<br />

Meinung nach nicht in die Privathaltung,<br />

ob dies nun gesetzlich reglementiert ist<br />

oder nicht. Da es sich bei der Haltung von<br />

Exoten in Leipzig um eine noch recht neue<br />

Tendenz handelt, wir beobachten mit Sorge<br />

diese Entwicklung seit etwa drei Jahren,<br />

sind juristische Anpassungen bezüglich der<br />

Wasserschildkröten sind die am meisten vertretenen<br />

exotischen F<strong>und</strong>tiere im Tierheim Leipzig.<br />

Heimtierhaltung noch nicht erfolgt. Ist die<br />

Genehmigungserteilung bei H<strong>und</strong>en recht<br />

eindeutig geregelt, sieht dies bei einem<br />

Skorpion ganz anders aus. Der erst vor wenigen<br />

Wochen in den Medien dargestellte<br />

Fall der entwichenen Kobra zeigt die Problematik.<br />

Jeder Mieter sollte sich fragen, womit<br />

er besser umgehen könnte, wenn Nachbars<br />

Lumpi aus der Wohnung entwischt oder<br />

wenn dies eine Schlange ist.<br />

Der Tierschutzverein Leipzig beobachtet<br />

nicht nur den Trend zu exotischen „Haustieren“<br />

mit Sorge, sondern ist durch die<br />

Tierheimträgerschaft auch unmittelbar betroffen.<br />

Dabei landen Land- <strong>und</strong> Wasserschildkröten,<br />

Leguane, Agamen, Papageien<br />

<strong>und</strong> Schlangen nicht aus Privatabgaben im<br />

Leben & wohnen<br />

Tierheim, dazu fehlen die Kapazitäten. Sie<br />

kommen als F<strong>und</strong>tiere (ja, es sind tatsächlich<br />

auch in Leipzig nichtheimische Reptilien<br />

frei unterwegs), aus schlechter Haltung<br />

durch Fortnahme des Amtstierarztes <strong>und</strong><br />

nach <strong>Wohnungs</strong>räumungen im Auftrag von<br />

Gerichtsvollziehern. Zwei Beispiele dazu:<br />

Haiwelse, die Wasserbecken von mindestens<br />

6.000 Liter benötigen, vegetierten<br />

in einem Aquarium 120 x 60 x 60 cm. Mit<br />

viel Mühe gelang die Aufnahme im Zoo in<br />

Halle. Bei einer <strong>Wohnungs</strong>räumung kam<br />

ein Tigerpython, eine Riesenschlange, in<br />

erbärmlicher Haltung in einem Aquarium<br />

80 x 60 x 60 cm, ungesichert, ans Licht.<br />

Die Tigerpython, eine fast Vier-Meter-Schönheit,<br />

hat eine gewaltige Kraft <strong>und</strong> Schnelligkeit. Dieses<br />

Exemplar lebt in der Tierheim-Außenstelle<br />

Max-Liebermann-Straße.<br />

Die Schlange war zu diesem Zeitpunkt etwa<br />

dreieinhalb Meter lang, schwer krank <strong>und</strong><br />

fast verhungert. Inzwischen ist sie 3,80 m<br />

<strong>und</strong> wieder in einem guten ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

<strong>und</strong> pflegerischen Zustand. Durch<br />

den Amtstierarzt wurde eine, im Zimmer mit<br />

einem Säugling, gehalte Schlange wegen<br />

schlechter Haltung entnommen. Die finanziellen<br />

Aufwendungen für die artgerechte<br />

Unterbringung, tierärztliche Versorgung <strong>und</strong><br />

Qualifizierung des Personals für den Tierschutzverein<br />

sind enorm. s<br />

Im Interesse der Tiere sollte deshalb die<br />

Antwort auf die Eingangs gestellte Frage<br />

lauten: NEIN, DAS MUSS NICHT SEIN!<br />

MicHael SpeRlicH, geScHäftSfüHReR, VoRStandSMitglied,<br />

eRSteR fReieR tieRScHutzVeRein, leipzig <strong>und</strong> uMgebung e. V.<br />

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