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Risikomanagement nach ISO 31.000 zur Vermeidung von ...

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17 <strong>Risikomanagement</strong> <strong>nach</strong> <strong>ISO</strong> 31000 <strong>zur</strong> <strong>Vermeidung</strong> <strong>von</strong><br />

Mehrkostenforderungen<br />

Mag. Markus Schlamadinger<br />

Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft mbH/Graz, Österreich<br />

Viele Baufirmen betreiben Mehrkostenforderungen, sogenannte „Claims“ mittlerweile<br />

systematisch und mit viel Aufwand, um knappe Gewinnspannen „aufzufetten“. Öffentliche<br />

Auftraggeber sollten darauf mit systematischem Anti-Claim-Management reagieren.<br />

Einerseits, um Kosten zu sparen. Andererseits, um Mitarbeiter, die über Claims entscheiden<br />

müssen, vor strafrechtlichen Verdächtigungen oder Konsequenzen zu schützen.<br />

Als „Claim“ wird eine Forderung eines Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber<br />

bezeichnet. Claims kommen vorwiegend im Baubereich vor und haben ihren Ursprung<br />

zumeist in der unterschiedlichen Auslegung <strong>von</strong> Vertragsbestimmungen bzw. in Vertragsänderungen<br />

und Vertragsstörungen. Den Umgang mit solchen und den Versuch solche<br />

Claims durch den Auftraggeber abzuwehren, bezeichnet man als Claim-Abwehr bzw. Anti-<br />

Claiming. Ein solches Anti-Claiming kann punktuell, Anlassfall bezogen passieren oder<br />

flächendeckend bereits vorrausschauend und frühzeitig durch betreiben <strong>von</strong> Anti-Claim-<br />

Management (ACM).<br />

Systematisches Anti-Claim-Management<br />

versus Schadensbegrenzung<br />

Der Vorteil <strong>von</strong> Anti-Claim-Management<br />

gegenüber einfachem Anti-Claiming besteht<br />

darin, dass eine Abwehr <strong>von</strong> Claims nicht als<br />

reine „Schadensbegrenzung“ betrieben wird,<br />

sondern frühzeitig und vorrausschauend in<br />

der Art, noch vor Entstehen eines Claims,<br />

betrieben wird, dass bereits ein solches Entstehen<br />

möglichst erschwert bzw. verhindert<br />

wird. Dass Anti-Claim-Management einem<br />

bloß einfachen Anti-Claiming vorzuziehen<br />

ist, scheint also prinzipiell auf der Hand zu<br />

liegen. Naturgemäß ist Anti-Claim-<br />

Management als weitreichenderes und komplexeres<br />

„System“ zeit- und kostenintensiver.<br />

In gegenständlichem Beitrag soll das<br />

Hauptaugenmerk auf sogenannte „Öffentliche<br />

Auftraggeber“ im Sinne des Bundesvergabegesetzes<br />

2006 (BVergG 2006) gelegt<br />

werden. Solche Auftraggeber haben sich bei<br />

der Vergabe <strong>von</strong> Liefer-, Dienstleistungs-<br />

und eben auch den hier interessierenden<br />

Bauaufträgen an die strengen und formalistischen<br />

Regeln des Bundesvergabegesetzes zu<br />

halten. Dies bringt mit sich, dass – und <strong>nach</strong>stehend<br />

wird hier auf Bauleistungen und<br />

Bauaufträge einschränkend ausgeführt – die<br />

Absicht, solche Bauaufträge zu vergeben öffentlich<br />

bekannt gemacht und in der Folge<br />

ausgeschrieben werden müssen. In dieser<br />

Ausschreibungsunterlage befinden sich kurz<br />

gesagt Vertragsbestimmungen für den abzuschließenden<br />

Auftrag, sowie ein (technisches)<br />

Leistungsverzeichnis, welches die<br />

einzelnen Positionen der zu erbringenden<br />

(Bau-) Leistung umfasst.<br />

Claims als Geschäft<br />

Um bei einer solchen Ausschreibung eines<br />

öffentlichen Auftraggebers als Bestbieter uns<br />

somit in der Folge als Auftragnehmer hervorzugehen,<br />

muss der Bieter naturgemäß ein<br />

entsprechend günstig kalkuliertes Angebot


186 <strong>Risikomanagement</strong> <strong>nach</strong> <strong>ISO</strong> 31000 <strong>zur</strong> <strong>Vermeidung</strong> <strong>von</strong> Mehrkostenforderungen<br />

abgeben, um überhaupt konkurrenzfähig sein<br />

zu können. Dies und die Tatsache, dass Baufirmen<br />

in Deutschland und Österreich eine<br />

Gewinnmarge <strong>von</strong> nur 0,2 – 0,5 % erreichen 1<br />

führt dazu, dass über ein „normales“ Angebot<br />

kaum noch Gewinne realisierbar sind.<br />

Ergebnis daraus ist der in letzter Zeit sehr<br />

bemerkenswerte Trend, dass Baufirmen versuchen<br />

(müssen?) über andere Wege Einnahmen<br />

zu lukrieren. Auftragnehmer beschäftigen<br />

dabei große interne Abteilungen,<br />

externe Sachverständige und Experten mit<br />

der Betreibung <strong>von</strong> Claims.<br />

Dabei werden bereits vor Abschluss eines<br />

Vertrages, nämlich zum Zeitpunkt in dem<br />

noch mehrere Bieter am Vergabeverfahren<br />

beteiligt sind Analysen der Ausschreibung,<br />

der vertraglichen Bestimmungen und des<br />

Leistungsverzeichnisses durch die Baufirmen<br />

vorgenommen um zu identifizieren, wo<br />

mögliche Claims in Form <strong>von</strong> Mehrkostenforderungen<br />

(MKF) gestellt werden können.<br />

Unabhängig da<strong>von</strong>, ob ein solcher Claim zu<br />

Recht oder nicht zu Recht besteht wurde<br />

festgestellt, dass die Kosten für Auftraggeber<br />

<strong>zur</strong> Abwehr solcher Mehrkostenforderungen<br />

5-10 % der Höhe der jeweiligen Forderung<br />

betragen. 2 Diese durchaus beachtlichen Kosten<br />

fallen für den Auftraggeber somit jedenfalls<br />

an.<br />

Rechnungshof fordert Anti-Claiming<br />

Strategie<br />

Diese Gegebenheiten haben den österreichischen<br />

Bundesrechnungshof veranlasst sich<br />

diesem Thema zu widmen. Der Bundesrechnungshof<br />

hat auf Grund der obbezeichneten<br />

Praxis ein hohes Gefahrenpotential für öffentliche<br />

Auftraggeber festgestellt, weil einerseits<br />

diese Aktivitäten der Auftragnehmer<br />

in der Mehrzahl der Fälle überproportional<br />

hohe Auswirkungen auf die Kostenentwicklung<br />

haben und andererseits die jeweils mit<br />

Nachdruck – durch Unterstützung durch<br />

Gutachter und Rechtsberater – erhobenen<br />

Mehrkostenforderungen Streitfragen und<br />

Probleme auslösen, die sich auf den Bauab-<br />

1 Lechner, AntiClaimManagement.<br />

2 Lechner, AntiClaimManagement.<br />

lauf <strong>nach</strong>teilig auswirken. Aus diesen Gründen<br />

hat der Bundesrechnungshof empfohlen,<br />

rasche personelle und organisatorische Maßnahmen<br />

<strong>zur</strong> professionellen Betreibung <strong>von</strong><br />

Anti-Claiming-Strategien durch öffentliche<br />

Auftraggeber zu setzen.<br />

Bei einer Nichtbeachtung dieser Empfehlungen<br />

besteht die Gefahr des Setzens eines<br />

Organisationsverschuldens durch das jeweilige<br />

Unternehmen. Dies erbringt quasi die<br />

Verpflichtung für öffentliche Auftraggeber<br />

mit sich, ein Anti-Claim-Management-<br />

System zu implementieren.<br />

Claims in den Griff bekommen<br />

Dabei stellen sich neben den inhaltlichen juristischen<br />

und technischen Spezialfragestellungen,<br />

auf welche in diesem Beitrag nicht<br />

eingegangen wird, die Frage, wie bzw. <strong>nach</strong><br />

welchem System ein solches Anti-Claim-<br />

Management erfolgen kann und soll. Andererseits<br />

stellen sich generell im Bereich Anti-<br />

Claim-Management besonders heikle Fragen,<br />

nämlich dann, wenn einem Claim ganz<br />

oder teilweise entsprochen wird, da in diesen<br />

Fällen der jeweils Verantwortliche über<br />

fremdes Vermögen verfügt.<br />

Wie betreibt man systematisches<br />

ACM<br />

Anti-Claim-Management ist in Wirklichkeit<br />

eine spezielle Ausprägung <strong>von</strong> <strong>Risikomanagement</strong>,<br />

es gilt nämlich zu analysieren, welche<br />

Risiken bestehen und in Zukunft auftreten<br />

können, wie diese Risiken zu bewerten<br />

sind und wie mit diesen Risiken umgegangen<br />

wird. Wie überhaupt im Bereich des <strong>Risikomanagement</strong>s<br />

stellt sich auch im Bereich<br />

Anti-Claim-Management die Frage, <strong>nach</strong><br />

welchem System man dieses betreibt. Hierbei<br />

zeigt sich die ÖNORM <strong>ISO</strong> 31000 (<strong>ISO</strong><br />

31000) als besonders geeignete und etablierte<br />

Norm, <strong>nach</strong> welcher Anti-Claim-Management<br />

als Ausgestaltung eines speziellen <strong>Risikomanagement</strong>systems<br />

betrieben werden<br />

kann. Die <strong>ISO</strong> 31000 wurde Anfang 2010<br />

vom Austrian Standard Institut zum Thema<br />

<strong>Risikomanagement</strong> herausgegeben. Dabei<br />

handelt es sich um ein Normenwerk für Or-


<strong>Risikomanagement</strong> <strong>nach</strong> <strong>ISO</strong> 31000 <strong>zur</strong> <strong>Vermeidung</strong> <strong>von</strong> Mehrkostenforderungen 187<br />

ganisationen, Systeme, Prozesse und Projekte,<br />

das den verschiedensten gesetzlichen<br />

Vorgaben Rechnung trägt und sicherstellen<br />

soll, dass Risiken in Unternehmen Projekten,<br />

aber auch in gemeinnützigen Organisationen<br />

systematisch identifiziert, bewertet und bewältigt<br />

werden.<br />

Der <strong>Risikomanagement</strong>rahmen der <strong>ISO</strong><br />

31000 beginnt mit der Gestaltung des Rahmens<br />

für die Behandlung <strong>von</strong> Risiken, wozu<br />

das Verstehen der Organisation und ihres<br />

Zusammenhangs, die Festlegung der <strong>Risikomanagement</strong>politik,<br />

eine Zuordnung der<br />

Verantwortlichkeiten, etc. gehören. Sodann<br />

kommt es zu einer Umsetzung des <strong>Risikomanagement</strong>s,<br />

wobei der Rahmen für die<br />

Behandlung <strong>von</strong> Risiken und der <strong>Risikomanagement</strong>prozess<br />

umgesetzt werden. Dies erfolgt<br />

durch anschließende Überwachung und<br />

Überprüfung des Rahmens und kontinuierliche<br />

Verbesserung desselben. Durch diesen<br />

Kreislauf, welcher noch in weitere Unterbereiche<br />

zergliedert wird, kann ein entsprechendes<br />

<strong>Risikomanagement</strong>system ermöglicht<br />

werden.<br />

Der <strong>Risikomanagement</strong>prozess gemäß<br />

<strong>ISO</strong> 31000 besteht aus verschiedensten Tätigkeiten,<br />

welcher im Kernbereich eine Risikobeurteilung,<br />

welche wiederum in Risikoidentifikation,<br />

Risikoanalyse und Risikobewertung<br />

unterteilt ist, enthält. Die darauf<br />

folgende Risikobewältigung korrespondiert<br />

wieder mit der Kommunikation und Konsultation<br />

mit internen und externen Stakeholdern,<br />

welche in jeder Phase des <strong>Risikomanagement</strong>prozesses<br />

stattfinden sollte.<br />

Unter Anwendung dieses Systems, wobei<br />

auch eine entsprechende Zertifizierung erfolgen<br />

kann, wird ein durchgehendes Anti-<br />

Claim-Managementsystem gewährleistet.<br />

Wie schützt man seine Mitarbeiter<br />

Die zweite Problematik die sich für öffentliche<br />

Auftraggeber im Sinne des Bundesvergabegesetztes<br />

stellt ist, dass schlussendlich<br />

Einzelpersonen, Mitarbeiter des Auftraggebers<br />

darüber entscheiden, ob ein solcher<br />

Claim zu Recht besteht bzw. in welcher<br />

Höhe dieser zu Recht besteht. Durch das Fällen<br />

einer entsprechenden Entscheidung<br />

übernimmt der jeweilige Mitarbeiter quasi<br />

die Verantwortung für diese Entscheidung,<br />

was aber noch viel wesentlicher ist, ist die<br />

Gefahr, dass sich der jeweilige Mitarbeiter<br />

dem Verdacht der Untreue des § 153 Strafgesetzbuch<br />

(StGB) aussetzt. Gemäß § 153<br />

StGB ist, wer die im durch Gesetz, behördlichen<br />

Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte<br />

Befugnis, über fremdes Vermögen zu<br />

verfügen oder einen anderen zu verpflichten,<br />

wissentlich missbraucht und dadurch dem<br />

anderen einen Vermögens<strong>nach</strong>teil zufügt,<br />

mit Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder mit<br />

Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.<br />

Wer durch die Tat einen € 3.000,00<br />

übersteigenden Schaden herbeiführt ist mit<br />

Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren, wer einen €<br />

50.000,00 übersteigenden Schaden herbeiführt,<br />

ist mit Freiheitsstrafe <strong>von</strong> bis zu 10<br />

Jahren zu bestrafen.<br />

Mitarbeiter sollten daher Interesse haben,<br />

in Systemen zu arbeiten die ihnen eine solche<br />

Entscheidung nicht direkt aufbürden und<br />

Unternehmen sollten anstreben Systeme zu<br />

schaffen, die einerseits ihre Mitarbeiter im<br />

Sinne einer Sorgfaltspflicht vor einem solchen<br />

Verdacht schützen bzw. ihnen solchen<br />

Entscheidungen nicht alleine überlassen und<br />

andererseits im Sinne der <strong>Vermeidung</strong> <strong>von</strong><br />

Organisationsverschulden gewährleisten,<br />

dass ein solcher Missbrauch in Form <strong>von</strong><br />

Untreue nicht möglich bzw. erschwert wird.<br />

Diesbezüglich wird hier auch auf die Verantwortlichkeit<br />

<strong>von</strong> Unternehmen im Rahmen<br />

des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes,<br />

umgangssprachlich: Unternehmensstrafrecht,<br />

verwiesen, auf welches hier nicht näher<br />

eingegangen wird.<br />

Es ist geboten auch ein entsprechendes<br />

Bewusstsein bei den Mitarbeitern zu schaffen,<br />

die sich oft der Tragweite ihrer Handlungen<br />

insbesondere im Bereich des Anti-<br />

Claiming nicht voll bewusst sind.<br />

Ähnliches gilt für die strafrechtlichen Tatbestände,<br />

Amtsmissbrauch und Geschenkannahme,<br />

die gerade in Bereichen, in welchen<br />

mit großen Geldsummen umzugehen ist,<br />

nicht zuletzt auf Grund <strong>von</strong> einschlägiger<br />

Medienberichterstattung, ständig in der Luft<br />

hängen. Hier greifen eine durchgehende Un-


188 <strong>Risikomanagement</strong> <strong>nach</strong> <strong>ISO</strong> 31000 <strong>zur</strong> <strong>Vermeidung</strong> <strong>von</strong> Mehrkostenforderungen<br />

ternehmens-Compliance und systematisches<br />

Anti-Claim-Management in Form <strong>von</strong> <strong>Risikomanagement</strong><br />

als Lösung dieser Probleme<br />

Hand in Hand.<br />

Dadurch werden naturgemäß Zusatzkosten<br />

generiert, die in den nunmehr ohnedies<br />

knappen Budgets untergebracht werden<br />

müssten. Tatsache ist jedoch, dass durch das<br />

Anziehen und Umsetzten eines systematischen<br />

Anti-Claim-Managements „Kosteneinsparungen“<br />

bei öffentlichen Auftraggebern<br />

in beträchtlicher Höhe erziehbar sind.<br />

Fazit<br />

Zusammenfassend kann daher festgehalten<br />

werden, dass öffentliche Auftraggeber zukünftig<br />

an einem systematischen Anti-<br />

Claim-Management aus wirtschaftlicher<br />

Sicht, als auch aus Erwägungen der Unternehmens-Compliance<br />

nicht umhinkommen<br />

werden.

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