Blogtour Wir zwei in fremden Welten - Das Leben auf der Ventura

Anno Ventura Vieruntachtzig, Tag 130
Das Leben auf der Ventura könnte nicht falscher
sein. Die glauben doch selbst nicht, was sie von
sich geben. Immer wieder gauckeln sie uns vor,
wie glücklich wir uns schätzen können, nicht mehr
wie die wilden Tiere zu leben. Dass wir glücklich
sein sollen und uns um wahre Gefühle oder gar
Sex keine Gedanken mehr machen müssen.
Doch wie sieht dieses Glück aus?
Ich darf meinen Lebenspar tner nicht selbst wählen,
mir wird ein völlig fremder Mensch zugeteilt und
mit diesem muss ich den Rest meines Lebens
verbringen. Für Außenstehende scheint das sinnvoll
zu sein, doch das ist nicht der Fall. Denn eines
wird uns schon von Kindesbeinen an eingeprägt:
Die Mission steht über allem! Wir, die Bewohner
der Ventura, müssen uns beugen und alles für den
reibungslosen Ablauf tun. Ich weiß gar nicht
mehr genau, wer auf diese verdammte Idee mit
dem „Mehrgenerationenraumschiff“ kam.
Ob derjenige selber an das Konzept glaubte?
Ich kann es mir nur schwer vorstellen. Ich glaube, die
Erschaffer dieses Konzepts haben nicht mit den
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menschlichen Instinkten gerechnet, denn eben
diese Instinkte lassen sich nicht einfach abschalten.
In Familienverbänden zu leben ist sicherlich toll,
so kennt man es ja auch, doch alles wird hier
geplant. Einfach alles.
An sich leben wir hier auf der Ventura ganz normal,
wir stehen morgens auf und gehen zur Arbeit,
nach getaner Arbeit verbringen wir die restliche Zeit
mit unseren Familien oder Freunden, falls diese
denn vorhanden sind. Unsere Kinder gehen bereits
im Alter von sieben Jahren zur „Schule“. Hier
nennen wir es die „Erziehung“. Auch dor t gibt
es verschiedene Stationen, aber mit Abschluss
der Erziehung wird es dann ernst, denn dann
wird einem der entsprechende Lebenspar tner
zugeteilt.
Hier auf dem Raumschiff gibt es verschiedene
Bereiche, in denen man arbeiten kann. Ich für
meinen Teil hatte riesiges Glück und wurde der
Forschung zugeteilt. Wenn es nicht so gut läuft,
kann man aber zum Beispiel auch in der
Instanthaltung landen. Unsere Nahrung stellen
wir selbst her, aus Fischen und Eiern, um genau
zu sein. Abwechslung gibt es halt nicht, denn
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selbst der „Schweinebraten“ schmeckt leicht
nach Fisch.
Was mich in letzter Zeit sehr beunruhigt ist die
Tatsache, dass es auf der Ventura immer mehr
Leute gibt, die ein selbstbestimmtes Leben führen
wollen. Sie wollen selber aussuchen, mit wem sie
ihr Leben verbringen. Laut spricht das natürlich
niemand aus. Aber ich bin ein guter Beobachter
und erkenne deutlich die Zeichen des Wandels.
Lange wird das so nicht mehr funktionieren.
Es gab letzte Woche sogar schon einen schlimmen
Zwischenfall. Ein Mädchen und ein Junge haben
sich mehrfach heimlich getroffen, obwohl sie
andere Lebenspar tner haben. Natürlich kam es
raus und was geschah? Das Mädchen landete in
der Besserungsanstalt und von dem Jungen fehlt
seitdem jede Spur. So geht die Ventura mit
Leuten um, die sich gegen das System stellen.
Doch wie lange noch? So langsam bekomme
ich Angst, ich spüre, dass sich etwas veränder t.
- ein heimlicher Beobachter -
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