fBibliothek und Reformation. - Reformiert online
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Ich war geplagt doch all den Tag,<br />
morgendlich ward Züchtigung mir!<br />
Und doch bleibe ich stets bei dir,<br />
meine rechte Hand hast Du erfasst.<br />
Mit Deinem Rate leitest Du mich,<br />
<strong>und</strong> danach nimmst Du mich<br />
in Ehren hinweg.<br />
Wen habe ich im Himmel!<br />
aber bei Dir<br />
habe ich nicht Lust nach der Erde.<br />
Verendet mein Fleisch<br />
<strong>und</strong> mein Herz,<br />
der Fels meines Herzens, mein Teil,<br />
Gott bleibt in die Zeit.<br />
Ich aber, Gott nahn ist mir das Gute,<br />
in meinem Herrn, DICH,<br />
habe ich meine Bergung gesetzt:<br />
all deine Arbeiten zu erzählen.<br />
Psalm 73 (Auszüge)<br />
in der<br />
Verdeutschung<br />
Martin Bubers<br />
Konfliktträchtige Verhandlungen<br />
mit reformierten Kirchen<br />
in Kroatien <strong>und</strong> Siebenbürgen<br />
Lösungen für die Mittelvergabe<br />
der Evangelischen Partnerhilfe<br />
Evangelisch-reformierte<br />
Schlosskirchengemeinde Köpenick<br />
Eine Vorstellung aus aktuellem Anlass<br />
Kulturwirkungen des<br />
reformierten Protestantismus<br />
Tagungsbericht von zwei Symposien<br />
in der Johannes a Lasco Bibliothek Emden<br />
Thema:<br />
<strong>Reformiert</strong>es Seminar<br />
für pastorale Aus- <strong>und</strong> Fortbildung<br />
Eine Vorstellung des neuen Standortes<br />
<strong>und</strong> ein Gespräch mit Achim Reinstädtler<br />
Erneuerung des<br />
reformierten Gottesdienstes<br />
Eine Konsultation des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es in Genf<br />
Befreit zum Frieden<br />
Vierte Generalversammlung<br />
der Konferenz Lateinamerikanischer Kirchen<br />
<strong>Reformiert</strong> in<br />
Geschichte <strong>und</strong> Gegenwart<br />
Dritte Emder Tagung zur Geschichte<br />
des <strong>Reformiert</strong>en Protestantismus<br />
das reformierte quartalsmagazin – herausgegeben im auftrag des reformierten b<strong>und</strong>es – 2. jahrgang 2001, nr. 2 – juni 2001
Inhalt 2001.2<br />
Inhalt<br />
Editorial 3<br />
Aktuell 4<br />
Konfliktträchtige Verhandlungen<br />
mit reformierten Kirchen in Kroatien <strong>und</strong> in Siebenbürgen 5<br />
VON HERMANN SCHAEFER<br />
Manchmal überlagern kircheninterne Konflikte die Partnerschaft etwa mit Kirchen<br />
in Osteuropa. Von ersten Klärungsversuchen in Kroatien <strong>und</strong> in Siebenbürgen berichtet<br />
der Generalsekretär des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es.<br />
Gast-Kommentar: Aktive Sterbehilfe in den Niederlanden legalisiert 7<br />
von JAN ALBERTS (GRENZBOTE)<br />
Voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte tritt in den Niederlanden ein Gesetz zur<br />
aktiven Sterbehilfe in Kraft. J. Albers berichtet <strong>und</strong> kommentiert.<br />
Evangelisch-reformierte Schlosskirchengemeinde Köpenick 9<br />
von HORST UND MARIANNE GREULICH<br />
Seit Ende letzten Jahres kann die Refornierte Gemei<strong>und</strong>e in Berlin-Köpenick wieder<br />
ihre (Schloss-)Kirche benutzen, Anlass für einen Gemeindebericht.<br />
Die Bekanntheit steigt 11<br />
von FRAUKE BRAUNS<br />
Über die weltweit wachsende Popularität von »reformiert <strong>online</strong>« berichtet F. Brauns<br />
Zwei Symposien 12<br />
in der a Lasco Bibliothek zu den »Kulturwirkungen des reformierten Protestantismus«<br />
Johannes Calvin, der Despot aus Genf? 14<br />
Eine neue Lektion des Seminars »Gr<strong>und</strong>kurs <strong>Reformiert</strong>« über Johannes Calvin steht im Netz<br />
Thema: <strong>Reformiert</strong>es Seminar für pastorale Aus- <strong>und</strong> Fortbildung<br />
<strong>Reformiert</strong>es Predigerseminar Elberfeld hat die Seiten gewechselt 15<br />
von JÖRG SCHMIDT<br />
Ein Bericht über den Umzug <strong>und</strong> die Umbenennung des <strong>Reformiert</strong>en Predigerseminars<br />
Elberfeld<br />
Für die Gemeinde ausbilden 19<br />
GESPRÄCH MIT ACHIM REINSTÄDTLER, DOZENT AM REFORMIERTEN SEMINAR<br />
Gefüllt mit neuem Wein 21<br />
Eine Pfingstpredigt VON SETRI NYOMI<br />
Erneuerung des <strong>Reformiert</strong>en Gottesdienstes 22<br />
Eine Konsultation des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es befasste sich mit den Fragen vieler<br />
reformierter Kirchen zum Gottesdienst<br />
Befreit zum Frieden 24<br />
Vierte Generalversammlung der Konferenz Lateinamerikanischer Kirchen<br />
Vereint im Lobpreis 26<br />
VON PÁRAIC RÉAMONN<br />
<strong>Reformiert</strong>er Weltb<strong>und</strong> <strong>und</strong> <strong>Reformiert</strong>es Ökumenisches Konzil nähern sich an.<br />
Recht auf ein Leben ohne Hunger – <strong>und</strong> noch viel mehr 27<br />
VON PÁRAIC RÉAMONN<br />
Eine Eingabe des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es an die Menschenrechtskommission<br />
<strong>Reformiert</strong> in Geschichte <strong>und</strong> Gegenwart 27<br />
VON GESINE VON KLOEDEN<br />
Bericht von der 3. Emder Tagung zur Geschichte des reformierten Prtotestantismus<br />
Service: <strong>Reformiert</strong>er B<strong>und</strong> / Johannes a Lasco Bibliothek / Impressum 30<br />
Psalm 73 31<br />
2 die-reformierten.upd@te 01.2
In eigener Sache Editorial<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
seit Dezember vergangenen Jahres liegt nun<br />
»die-reformierten.upd@te« vor; diese Ausgabe<br />
ist die dritte. Die Resonanz, die bisher in<br />
der Geschäftsstelle des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es<br />
ankam, war durchweg positiv. Aber vielleicht<br />
gibt es auch ganz andere Reaktionen, von<br />
denen wir in Wuppertal nichts wissen. Bitte<br />
lassen Sie von sich hören: Gefällt Ihnen Aufmachung<br />
<strong>und</strong> Umfang? Gefällt Ihnen die Begrenzung<br />
auf wesentlich »<strong>Reformiert</strong>es«? Gefällt<br />
Ihnen die Erscheinungsweise (vierteljährlich)?<br />
Haben Sie Anregungen, Kritik? Es<br />
wäre für die »Macher« eine Hilfe, von Ihnen<br />
zu hören.<br />
Die »Vereinszeitschrift« »die-reformierten.upd@te«<br />
gehört zum Umbau des publizistischen<br />
Gesamtkonzeptes des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es.<br />
Dieser Umbau hat Zeit <strong>und</strong> Energie gekostet.<br />
Und die Arbeit in dem Bereich, den wir »Publizistik<br />
<strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit« nennen,<br />
hat darunter gelitten <strong>und</strong> leidet teilweise immer<br />
noch. Denn ges<strong>und</strong>heitliche Probleme<br />
desjenigen, der diesen Bereich gestaltet, haben<br />
zusätzlich für Verzögerungen gesorgt <strong>und</strong><br />
werden in diesem Herbst wahrscheinlich noch<br />
einmal für Verzögerungen sorgen. Das bedaure<br />
ich wie Sie <strong>und</strong> bitte zugleich um Verständnis.<br />
Der genannte Umbau geht weiter,<br />
auch wenn manches noch wie eine Baustelle<br />
aussieht.<br />
Noch in diesem Jahr werden die beiden ersten<br />
Ausgaben der neuen »<strong>Reformiert</strong>en Akzente«<br />
vorliegen. Und zum Umbau gehört ja auch,<br />
dass in Kooperation mit dem foedus-verlag<br />
manch reformiertes »Fündlein« erhältlich<br />
wird. So will ich wenigstens in diesem Zusammenhang<br />
auf den Tagungsband der zweiten<br />
Emder Tagung zur Erforschung des reformierten<br />
Protestantismus hinweisen, der im<br />
August endlich erscheinen wird (ein ausführlicher<br />
Bericht folgt).<br />
Ganz anders gelagerte Schwierigkeiten haben<br />
wir mit einer anderen »Säule« des neuen publizistischen<br />
Konzeptes: Viele ehemalige<br />
RKZ-Abonnentinnen <strong>und</strong> -<br />
Abonnenten haben sich entschieden,<br />
die Nachfolgezeitschrift<br />
»zeitzeichen« nicht<br />
weiter zu abonnieren. Wir<br />
respektieren die Gründe <strong>und</strong><br />
bedauern zugleich diese<br />
Entweicklung. Uns liegt<br />
daran, dass die »reformierte<br />
Stimme« auch über den reformierten<br />
bereich gut gehört<br />
wird. Und dazu ist eine<br />
Verankerung der Mitarbeit<br />
bei den »zeitzeichen« in der<br />
LeserInnenschaft eine gute<br />
Hilfe. Dieser Ausgabe von<br />
»die-reformierten.upd@te«<br />
liegt deshalb eine Bestellkarte<br />
für »zeitzeichen« bei.<br />
Wir bitten vor allem die, die dieses evangelische<br />
Monatsmagazin noch nicht kennen:<br />
Nutzen Sie die Chance eines verbilligten Probebezugs.<br />
Und entscheiden Sie sich dafür, mit<br />
der Stärkung der »reformierten Stimme« in<br />
den »zeitzeichen« auch diese, wie ich finde,<br />
gute evangelische Monatszeitschrift zu stärken.<br />
Ihnen, den Leserinnen <strong>und</strong> Lesern, wünsche<br />
ich einen guten Sommer.<br />
Ihr<br />
Jörg Schmidt<br />
PS: Der eine <strong>und</strong> die andere haben uns angesprochen,<br />
wie sie denn das Erscheinen von<br />
»die-reformierten.upd@te« unterstützen können.<br />
Das ist – gegen Spendenbescheinigung –<br />
möglich durch eine Überweisung auf das<br />
Konto des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es bei der Bank<br />
für Kirche <strong>und</strong> Diakonie Duisburg, Nr. 101<br />
144 0017 (BLZ 350 601 90), Stichwort »Publizistik«.<br />
Der Umbau des<br />
Bereiches<br />
»Publizistik <strong>und</strong><br />
Öffentlichkeitsarbeit«<br />
beim<br />
<strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong><br />
geht weiter,<br />
auch wenn<br />
manches noch<br />
wie eine Baustelle<br />
aussieht.<br />
die-reformierten.upd@te 01.2 3
Aktuell <strong>Reformiert</strong>er B<strong>und</strong><br />
Kirchenasyl in<br />
Braunschweig gut zu<br />
Ende gegangen<br />
Wie im Anschluss an das Gespräch mit<br />
Sabine Dreßler-Kromminga in der letzten<br />
Ausgabe von »die-reformierten.<br />
upd@te« schon kurz gemeldet, ist das<br />
Braunschweiger Kirchenasyl gut zu<br />
Ende gegangen: Die Familie Bashir<br />
konnte nach Kanada ausreisen.<br />
In einem Brief an das Presbyterium der<br />
reformierten Gemeinde vom 17. April<br />
hatte zuvor Landessuperintendent Herrenbrück<br />
(Ev.-reformierte Kirche) der<br />
Gemeindeleitung in ihrem Eintreten für<br />
die schutzsuchende Familie Bashir<br />
»Respekt <strong>und</strong> Anerkennung« bek<strong>und</strong>et.<br />
Herrenbrück wörtlich: »Wenn Kirchengemeinden,<br />
Presbyterien, Pastorinnen<br />
<strong>und</strong> Pastoren für Asylsuchende <strong>und</strong><br />
Flüchtlinge eintreten, so ist dieser Beistand<br />
nicht als Widerstand gegen die<br />
Rechtsordnung zu verstehen. ... Dass<br />
Sie der von Abschiebung bedrohten Familie<br />
in Ihrer Gemeinde Unterkunft,<br />
Betreuung <strong>und</strong> Rechtshilfe gewährten,<br />
muss als gewaltfreie, öffentliche <strong>und</strong><br />
symbolische Protesthandlung verstanden<br />
werden, keinesfalls aber als Infragestellung<br />
der Legitimation von<br />
Rechtsnormen. Dass die Evangelischreformierte<br />
Gemeinde Braunschweig –<br />
<strong>und</strong> die beiden in ihr Dienst tuenden<br />
Pastoren – den im Falle einer Abschiebung<br />
um ihr Leben fürchtenden Menschen<br />
Hilfe gewährten, ist eine von<br />
christlicher Glaubensüberzeugung geprägte<br />
Gewissensentscheidung.<br />
Diese durch das Gr<strong>und</strong>gesetz geschützte<br />
Gewissensentscheidung muss<br />
respektiert <strong>und</strong> geachtet werden. Ich<br />
bin darum überzeugt, dass das Presbyterium<br />
in Braunschweig sowie Pastorin<br />
Dreßler-Kromminga <strong>und</strong> Pastor Kuhlmann<br />
sich nicht aus mangelnder<br />
Rechtsgesinnung gegen die staatliche<br />
Rechtsordnung auflehnten, sondern<br />
dem Gebot ihres Glaubens folgten <strong>und</strong><br />
der Liebe zum Nächsten, zum bedrohten<br />
Nächsten entsprechend gehandelt<br />
haben.«<br />
»Was heißt aus reformierter Sicht: Kirche anerkennen?«<br />
Theologische Tagung des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es<br />
vom 9. – 10. November 2001 im Gustav Stresemann Institut in Bonn<br />
Vorläufiges Programm<br />
Freitag, den 9.11.<br />
16.00 Eröffnung der Tagung <strong>und</strong> Einführung in das Thema (D. Peter Bukowski)<br />
16.30 Hauptreferat von Prof. Dr. Christian Link<br />
»Was heißt aus reformierter Sicht: Kirche anerkennen?«<br />
Rückfragen aus katholischer <strong>und</strong> lutherischer Sicht<br />
20.00 Plenum (Moderation: Peter Bukowski)<br />
21.30 Tagesschluss<br />
Samstag, den 10.11.<br />
9.00 Morgenandacht: Dipl. theol. Katharina Müller<br />
9.30 Arbeitsgruppen:<br />
1. Als Kirche anerkennen?<br />
2. Leuenberg als Kirchen-Modell?<br />
3. Einheit durch ökumenische Dialogprogramme?<br />
4. Einheit im gemeinsamen Engagement für Gerechtigkeit?<br />
5. Einheit vorwegnehmen? Ökumene vor Ort<br />
11.30 Mittagessen<br />
13.30 Kaffee<br />
15.00 Schlussplenum<br />
16.00 Ende der Tagung<br />
Inzwischen nimmt das Programm für die diesjährige theologische Tagung<br />
Konturen an. Der Hauptreferent, Prof. Dr. Christian Link, Bochum, hat seine<br />
Mitarbeit zugesagt; andere sind angefragt für die Rückfragen ans Referat bzw. für<br />
die Leitung der Arbeitsgruppen.<br />
Voraussichtlich wird die Tagung ca. 100,- bis 120,- DMark kosten (bei Unterbringung<br />
im Einzelzimmer; im Doppelzimmer ca. 20,- DMark preiswerter).<br />
Interessierte sind schon jetzt gebeten, sich anzumelden bzw. sich für die Teilnahme<br />
vormerken zu lassen.<br />
Geschäftsstelle des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es<br />
Vogelsangstr. 20<br />
42109 Wuppertal<br />
fon 0202-2750086<br />
fax 0202- 754202<br />
4 die-reformierten.upd@te 01.2
Osteuropa <strong>Reformiert</strong>er B<strong>und</strong><br />
Kroatien<br />
Konfliktträchtige Verhandlungen mit reformierten<br />
Kirchen in Kroatien <strong>und</strong> in Siebenbürgen<br />
Dass es nicht leicht werden würde, eine gemeinsame<br />
Regelung zur Verteilung der Spenden<br />
der Evangelischen Partnerhilfe an die<br />
Pfarrerinnen <strong>und</strong> Pfarrer der gespaltenen Kirche<br />
in Kroatien zu finden, das hatten wir gewusst.<br />
Eine Delegation des Europäischen Gebietsausschusses<br />
des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es<br />
hatte erst im März diesen Jahres eine<br />
good-will-Tour zu den reformierten Gemeinden<br />
im Norden Kroatiens unternommen <strong>und</strong><br />
einen ausführlichen Bericht über die verfahrene<br />
Situation vorgelegt. Aber wie schwierig<br />
die Verhandlungen dann waren, das hatten<br />
wir (meine Frau, die mich auf dieser Reise begleitete,<br />
<strong>und</strong> ich) dann doch nicht geahnt.<br />
Zur Spaltung der lediglich 4000 – 6000 Mitglieder<br />
zählenden ungarisch-reformierten Kirche<br />
in Kroatien ist es im Zusammenhang mit<br />
den kriegerischen Konflikten in Jugoslawien<br />
gekommen. Vereinfacht gesagt: Die aus dem<br />
Kriegsgebiet nach Ungarn geflohenen <strong>und</strong><br />
nach Beendigung der Kampfhandlungen wieder<br />
in ihre Heimat zurückgekehrten Gemeindeglieder<br />
<strong>und</strong> Pfarrerinnen <strong>und</strong> Pfarrer gelten bei<br />
den im Lande Gebliebenen als Menschen, die<br />
nicht Stand gehalten <strong>und</strong> ihre Landsleute im<br />
Stich gelassen haben. Und im Urteil der Zurückgekehrten<br />
sind andererseits die im Land<br />
gebliebenen schlicht Kollaborateure.<br />
Mit solchen Leute mochte der zurückgekehrte<br />
Pfarrer Kettös jedenfalls nicht in einer Kirche<br />
bleiben. Er sammelte eine Gruppe Gleichgesinnter<br />
um sich <strong>und</strong> gründete eine neue reformierte<br />
Kirche, die »wahre« ungarisch-reformierte<br />
Kirche in Kroatien. Zu seiner Einsetzung<br />
als neuer Kirchenführer (mit dem Titel<br />
Superintendent) erschienen vor gut einem Jahr<br />
hohe ungarische kirchliche <strong>und</strong> politische<br />
Funktionäre. Dass »seine« Kirche zudem mit<br />
Mitteln des ungarischen Staates renoviert<br />
wurde – fast alle Kirchen haben im Krieg mehr<br />
oder weniger schwere Schäden erlitten – hat<br />
sich auch nicht gerade als Hilfe zur Versöh-<br />
nung der beiden Gruppen bzw. Kirchen erwiesen.<br />
Sein Kontrahent, der langjährige Bischof<br />
Andre Langh, fühlt sich vielmehr unter Druck<br />
gesetzt. Er meint seinerseits unter Beweis stellen<br />
zu müssen, dass er »seine« Kirche auf ungarischem<br />
Kurs hält. So kam es für ihn wohl<br />
nicht ungelegen, dass der einzige kroatisch<br />
sprechende Pfarrer in der einzigen kroatischsprachigen<br />
Gemeinde einen Formfehler beging<br />
<strong>und</strong> er ihn deshalb suspendieren konnte.<br />
Diesem Bischof <strong>und</strong> seinen acht Pfarrerinnen<br />
<strong>und</strong> Pfarrern saßen wir in einer Vormittagskonferenz<br />
gegenüber. Eingeladen hatte dazu<br />
der Bischof aus West-Ungarn, Dr. Michael<br />
Markus – langjähriger Partner in der Zusammenarbeit<br />
mit der Evangelischen Partnerhilfe<br />
–, der sich uns als Vermittler, Übersetzer <strong>und</strong><br />
Berater zur Verfügung gestellt hatte <strong>und</strong> uns<br />
mit seiner Frau zusammen begleitete.<br />
Sie hätten die Hilfe bitter nötig – so Bischof<br />
Langh. Denn die Gemeindeglieder hätten immer<br />
noch unter den Kriegsfolgen zu leiden,<br />
kämpften wirtschaftlich ums Überleben <strong>und</strong><br />
könnten somit keine Beiträge zur Finanzierung<br />
ihrer Pfarrer zahlen. Aber sie wollten<br />
sich nicht von außen unter Druck setzen <strong>und</strong><br />
durch Spenden zu faulen Kompromissen verleiten<br />
lassen.<br />
Die Spenden der Evangelischen Partnerhilfe<br />
seien gerade für Pfarrerinnen <strong>und</strong> Pfarrer <strong>und</strong><br />
Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter in Notlagen<br />
gedacht, wie sie derzeit in Kroatien herrschten,<br />
erläuterte ich in meinem Vortrag. Die Gelder<br />
stünden aber nicht der Kirchenleitung zur Gehaltszahlung<br />
zur Verfügung, sie gehörten vielmehr<br />
den Notleidenden in den Gemeinden.<br />
Darum müsse die Kirchenleitung einer Regelung<br />
zur Verteilung dieser persönlichen Spenden<br />
auch gar nicht zustimmen. Erst als ich den<br />
letzten Gedanken nochmals unterstrich, verstand<br />
der Bischof <strong>und</strong> verließ die R<strong>und</strong>e, mit<br />
der wir dann eine Regelung vereinbaren konnten:<br />
Zwei Vertreter der Langh-Kirche sollten<br />
mit zwei weiteren der Kettös-Kirche – unter<br />
der Regie von Bischof Markus – einen Vertei-<br />
VON HERMANN SCHAEFER<br />
Eine große<br />
Hilfe für die<br />
theologischen<br />
wie nichttheologischenMitarbeiterinnen<br />
<strong>und</strong><br />
Mitarbeiter<br />
(nicht nur) der<br />
reformierten<br />
MinderheitskirchenOsteuropas<br />
ist die<br />
Evangelische<br />
Partnerhilfe.<br />
Dass es nicht<br />
immer einfach<br />
ist bei der<br />
Verteilung der<br />
Hilfsmittel, weil<br />
hausgemachte<br />
Konflikte<br />
dominieren,<br />
davon berichtet<br />
D. Hermann<br />
Schaefer, der<br />
Generalsekretär<br />
des <strong>Reformiert</strong>en<br />
B<strong>und</strong>es,<br />
nach seiner<br />
Besuchsfahrt<br />
im Mai dieses<br />
Jahres.<br />
die-reformierten.upd@te 01.2 5
<strong>Reformiert</strong>er B<strong>und</strong> Osteuropa<br />
Allerdings ist<br />
mir nach den<br />
Gesprächsr<strong>und</strong>en<br />
klar geworden,<br />
dass ein R<strong>und</strong>er<br />
Tisch zu Versöhnungsgesprächen<br />
nur gelingen kann,<br />
wenn Vertreterinnen<br />
<strong>und</strong> Vertreter der<br />
Hilfsagenturen<br />
mit an den Tisch<br />
geladen werden <strong>und</strong><br />
endlich Transparenz<br />
in allen Finanzdingen<br />
hergestellt<br />
wird.<br />
lerschlüssel ausarbeiten <strong>und</strong> die Spenden dann<br />
– wiederum über Bischof Markus – an ihre<br />
Kollegen weiterleiten.<br />
Die gef<strong>und</strong>ene Regelung war der Gruppe mit<br />
Superintendent Kettös im Nachmittagstreffen<br />
aber keineswegs so einfach nahe zu bringen.<br />
Mit geradezu missionarischem Eifer wollte sie<br />
uns unsere Zustimmung zu ihrer Position in<br />
diesem Streit abringen. Nur mühsam gelang<br />
es in langwierigen R<strong>und</strong>en, die theologisch<br />
<strong>und</strong> moralisch hochgerüsteten Konfliktpositionen<br />
zu durchbrechen, zu der pragmatischen<br />
Regelung vorzustoßen <strong>und</strong> die R<strong>und</strong>e<br />
davon zu überzeugen, dass es auch für sie<br />
von Vorteil sei, zwei Vertreter für den gemeinsamen<br />
Ausschuss zu gewinnen.<br />
Wenn die Vereinbarungen umgesetzt werden,<br />
entsteht zumindest eine gemeinsame Struktur<br />
zwischen den beiden Kirchen. Allerdings ist<br />
mir nach den Gesprächsr<strong>und</strong>en klar geworden,<br />
dass ein R<strong>und</strong>er Tisch zu Versöhnungsgesprächen<br />
nur gelingen kann, wenn Vertreterinnen<br />
<strong>und</strong> Vertreter der Hilfsagenturen mit an den<br />
Tisch geladen werden <strong>und</strong> endlich Transparenz<br />
in allen Finanzdingen hergestellt wird.<br />
Siebenbürgen<br />
Die auf Einladung des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es<br />
im Diakoniezentrum Klausenburg in Siebenbürgen<br />
durchgeführte <strong>Reformiert</strong>e Rumänien-<br />
Konsultation hatte gleich zu Beginn mit Stolpersteinen<br />
zu kämpfen: Schon in der Vorkonferenz<br />
– mit Delegierten aller protestantischen<br />
Kirchen Rumäniens – über Fragen der<br />
Evangelischen Partnerhilfe griff Lazlo Tökes,<br />
Bischof des ungarisch-reformierten Distrikts<br />
Großwardein / Oradea, die Verteilungspraxis<br />
der Evangelischen Partnerhilfe scharf an: Seine<br />
Kirche habe im letzten Jahr deutlich weniger<br />
Spenden erhalten als im Vorjahr <strong>und</strong> prozentual<br />
auch weniger als die anderen Kirchen.<br />
Dafür konnte nach seiner Meinung nur der<br />
Kontaktmann für die reformierten Kirchen,<br />
der Generalsekretär des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es,<br />
verantwortlich sein!<br />
Von diesem war bei einem Treffen mit den<br />
Referenten beider Distrikte Hilfestellung bei<br />
der Erstellung der notwendigen Angaben angeboten<br />
worden. Die wurde vom Bischofsamt<br />
in Großwardein/Oradea jedoch nicht wahrgenommen,<br />
<strong>und</strong> so hat die Geschäftsstelle der<br />
Evangelischen Partnerhilfe die Zuschüsse<br />
nach offensichtlich fehlerhaften Angaben aus<br />
dem Bischofsamt berechnet.<br />
Gleich danach – bei der Eröffnung der <strong>Reformiert</strong>en<br />
Rumänien-Konsultation – verlangte<br />
Bischof Tökes, die zwei aus seinem Distrikt<br />
eingeladenen Experten sofort wieder auszuladen,<br />
da sie nicht von ihm bzw. seiner Kirche<br />
entsandt worden seien. Die beiden waren in<br />
den letzten Jahren beim Bischof »in Ungnade<br />
gefallen«, von ihren Ämtern suspendiert <strong>und</strong><br />
in die Opposition gedrängt worden. Sie hatten<br />
aber vor drei Jahren als die zuständigen Referenten<br />
des Distriktes an der letzten Konsultation<br />
teilgenommen <strong>und</strong> waren darum als Experten<br />
unerlässlich bei der Überprüfung der<br />
Empfehlungen der letzten Konsultation.<br />
Nach dem schwierigen Start – <strong>und</strong> dem Abschied<br />
des Bischofs am ersten Abend – haben<br />
die etwa 30 Teilnehmenden (die gesamte Leitung<br />
der beiden ungarisch-reformierten Distrikte,<br />
Delegierte der Hilfswerke <strong>und</strong> Partnerkirchen<br />
aus Rumänien selbst sowie aus den<br />
Niederlanden, aus der Schweiz <strong>und</strong> aus<br />
Deutschland) konzentriert <strong>und</strong> zielgerichtet an<br />
der Erarbeitung einer Struktur in der Projektzusammenarbeit<br />
gearbeitet. Es konnte schließlich<br />
vereinbart werden, dass die nächste Konsultation<br />
in Regie der ungarisch-reformierten<br />
Kirchen durchgeführt werden sollte. Möglich<br />
wird das, wenn – wie vereinbart – die beiden<br />
Distrikte ein eigenes Beratungs- <strong>und</strong> Entscheidungsgremium<br />
zur Sichtung <strong>und</strong> Bearbeitung<br />
von Projektanträgen aufgebaut haben – ein<br />
großer Schritt auf dem Weg zur Gestaltung<br />
gleichberechtigter Partnerschaft.<br />
Mit Sorgen betrachtet ein auswärtiger Begleiter<br />
der Geschicke der ungar.-ref. Kirche in Rumänien<br />
die Entwicklung des Verhältnisses zwischen<br />
den beiden Distikten: Wird es der neuen<br />
Leitung in Klausenburg gelingen, Bischof<br />
Tökes zu einer vernünftigen Zusammenarbeit<br />
zu verpflichten oder werden die Distrikte ganz<br />
<strong>und</strong> gar auseinanderbrechen?<br />
Und mit nicht geringerer Sorge betrachtet er<br />
die Entscheidung des Europäischen Gebietsausschusses<br />
des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es, die<br />
nächste Versammlug auf Einladung von Bischof<br />
Tökes im nächsten Jahr nach Großwardein<br />
/ Oradea einzuladen. Nicht nur die breite<br />
Opposition in der Pfarrerschaft befürchtet,<br />
dass der Bischof diese europäische Tagung<br />
nicht nur zu seiner Selbstdarstellung, sondern<br />
auch zur Disziplinierung seiner »Gegner« nutzen<br />
wird.<br />
6 die-reformierten.upd@te 01.2
Sterbehilfe Gast-Kommentar<br />
Aktive Sterbehilfe in den Niederlanden legalisiert<br />
In den Niederlanden dürfen Patienten auf<br />
Verlangen getötet werden. Ärzte, die unter<br />
Beachtung bestimmter Sorgfaltskriterien aktive<br />
Sterbehilfe leisten, bleiben straffrei. Damit<br />
sind Regelungen, die schon seit 1994 im Land<br />
galten, auf eine gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage gestellt.<br />
Wie ist das Gesetz zu werten? Sind<br />
Niederländer nur realistischer <strong>und</strong> ehrlicher<br />
als andere? Die Diskussion wird weitergehen<br />
– auch bei uns. Journalisten sind mit Meinungsumfragen<br />
schnell bei der Hand. Doch<br />
Meinungen werden gemacht. Durch wen <strong>und</strong><br />
aufgr<strong>und</strong> welcher Ausgangspunkte?<br />
Selbstbestimmungsrecht<br />
Die Sorgfaltskriterien sind im niederländischen<br />
Euthanasie-Gesetz genau definiert:<br />
Kranke müssen deutlich gemacht haben, dass<br />
sie den Tod wünschen; es muss ein freiwilliges<br />
<strong>und</strong> wohlüberlegtes Verlangen des Patienten<br />
vorliegen. Der Arzt muss sich dessen vergewissern<br />
<strong>und</strong> sicher sein, dass das Leiden »aussichtslos«<br />
<strong>und</strong> »unerträglich« ist. Er muss den<br />
Patienten informieren <strong>und</strong> mindestens einen<br />
weiteren Kollegen hinzuziehen, der den Patienten<br />
untersucht <strong>und</strong> sich ein Urteil bildet.<br />
Jeder Fall muss einem Ausschuss gemeldet<br />
werden, in dem mindestens ein Arzt, ein Jurist<br />
<strong>und</strong> ein Experte für ethische Fragen vertreten<br />
sind. Nur wenn dieser Ausschuss Zweifel am<br />
korrekten Vorgehen des Arztes hat, soll die<br />
Justiz eingeschaltet werden. In das Gesetz<br />
wurden auch Bestimmungen über den<br />
Wunsch von Minderjährigen nach Lebensbeendigung<br />
<strong>und</strong> Beihilfe zur Selbsttötung aufgenommen.<br />
Danach dürfen Sechzehn- bis Siebzehnjährige<br />
im Prinzip selbständig entscheiden,<br />
die Eltern müssen aber in die Entscheidungsfindung<br />
einbezogen werden. Bei Zwölfbis<br />
Sechzehnjährigen ist die Zustimmung der<br />
Erziehungsberechtigten erforderlich.<br />
Generell bleibt es nach dem niederländischen<br />
Strafgesetz auch weiterhin ein Strafdelikt, jemanden<br />
auf dessen Ersuchen hin des Lebens<br />
zu berauben. Das neue Gesetz wird als Aus-<br />
nahmeregelung in das Strafgesetz eingefügt.<br />
Die Zweite Parlamentskammer hat den Gesetzentwurf<br />
der sozialliberalen Koalition im<br />
November 2000 mit großer Mehrheit angenommen.<br />
In der Karwoche, am 10. April, hat<br />
die Erste Kammer das »Euthanasiegesetz« mit<br />
46 Ja-Stimmen <strong>und</strong> 28 Nein-Stimmen verabschiedet.<br />
Voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte<br />
wird das Gesetz in Kraft treten.<br />
Hilfe beim Sterben, aber nicht zum<br />
Sterben<br />
Vertreter der Evangelischen Kirche in<br />
Deutschland (EKD) <strong>und</strong> der Deutschen Bischofskonferenz<br />
haben das in den Niederlanden<br />
verabschiedete Gesetz kritisiert. Das Gesetz<br />
sei ein »Dammbruch«, das abendländische<br />
Menschenbild erfahre dadurch einen gefährlichen<br />
Wandel, dem Missbrauch sei Tor <strong>und</strong><br />
Tür geöffnet, sagte der Sprecher der Bischofskonferenz,<br />
Hammerschmidt. Die Kirchen lehnen<br />
die aktive Sterbehilfe ab. B<strong>und</strong>esjustizministerin<br />
Herta Däubler-Gmelin hält die Zulassung<br />
in Deutschland für <strong>und</strong>enkbar. Die Ausdehnung<br />
etwa der Schmerztherapie sei ein<br />
besserer Ansatz. Nach Ansicht des geschäftsführenden<br />
Vorstandes der Deutschen Hospiz<br />
Stiftung in Dortm<strong>und</strong> ist das Euthanasie-Gesetz<br />
in den Niederlanden eine »Reformblockade«.<br />
Anstatt für Verbesserungen im Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />
zu sorgen, werde die »billigste Lösung«,<br />
die Tötung des Menschen, erlaubt.<br />
Aktive Sterbehilfe ist nach geltendem deutschen<br />
Recht stets strafbar. Eine Tötung auf<br />
Verlangen, also aktive Sterbehilfe, liegt nach<br />
der Rechtsprechung nicht vor, wenn eine<br />
Krankheit einen tödlichen Verlauf nimmt <strong>und</strong><br />
ein Arzt in aussichtsloser Lage die ärztliche<br />
Behandlung eines Patienten abbricht oder erst<br />
gar nicht beginnt. Doch ist die Abgrenzung<br />
oft schwierig. Die Rechtsordnung stellt unter<br />
bestimmten Umständen das Unterlassen<br />
einem Handeln gleich. Zum Beispiel besteht<br />
bei einem Selbsttötungsversuch die Pflicht<br />
zum Eingreifen <strong>und</strong> Retten.<br />
von JAN ALBERTS<br />
Am 10. April<br />
hat die Erste<br />
Kammer des<br />
Niederländischen<br />
Parlamentes<br />
einen Gesetzesentwurf<br />
zur<br />
aktiven<br />
Sterbehilfe<br />
angenommen;<br />
voraussichtlich<br />
in der zweiten<br />
Jahreshälfte tritt<br />
das Gesetz<br />
in Kraft.<br />
Ein Dammbruch?<br />
Oder eine<br />
realistische Sicht<br />
der Dinge,<br />
wie sie sind?<br />
Jan Alberts<br />
kommentiert.<br />
die-reformierten.upd@te 01.2 7
Gast-Kommentar Sterbehilfe<br />
Die Niederlande,<br />
erst recht<br />
die anderen<br />
europäischen<br />
Staaten sind noch<br />
weit davon entfernt,<br />
die Sterbehilfe zu<br />
einem anderen<br />
Zweck zu aktivieren<br />
als dem der<br />
Leidensverkürzung.<br />
Doch was das<br />
niederländische<br />
Gesetz an Schaden<br />
anrichtet, ist ebenso<br />
wenig abzusehen,<br />
als wenn man einen<br />
Meeresdamm<br />
gebrochen hätte.<br />
Das schlechte Gewissen<br />
Ich zitiere noch eine mahnende <strong>und</strong> kritische<br />
Stimme: Ausschnitte aus einem Kommentar,<br />
den Georg Paul Hefty für die »Frankfurter Allgemeine«<br />
vom 11. April geschrieben hat.<br />
»Die Niederländer haben einen Damm gebrochen.<br />
... Die Todesst<strong>und</strong>e <strong>und</strong> die Todesart<br />
sind das große Geheimnis der persönlichen<br />
Zukunft. Der Wunsch, am Ende nicht leiden<br />
zu müssen, ist gewiss jedermann zu eigen.<br />
Wenn schon das persönliche Schicksal nicht<br />
planbar ist, dann richtet sich von jeher doch<br />
alles menschliche Streben darauf, die Umstände<br />
des Todes so gut wie möglich zu ordnen.<br />
Die tief verwurzelte Ablehnung des Krieges<br />
<strong>und</strong> die Sehnsucht nach Frieden haben<br />
ihre Erklärung nicht nur in dem Hoffen, dass<br />
anderen kein Leid geschehe, sondern vor<br />
allem in dem Streben, nicht selbst erschossen,<br />
nicht in den Straßengraben gewalzt, nicht im<br />
Keller unter Bombenschutt begraben zu werden.<br />
Weniger anschaulich, aber nicht weniger<br />
intensiv richtet sich letztlich das ganze Streben<br />
des Einzelnen wie die Vorsorge der Gesellschaft<br />
auf einen möglichst späten Tod <strong>und</strong><br />
ein möglichst erträgliches Sterben. Dies hat<br />
über die Jahrtausende die medizinische Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Praxis vorangetrieben, <strong>und</strong><br />
dies hat die Entwicklung von Familien, Religionen<br />
<strong>und</strong> Gesetzen geprägt.<br />
Die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe in<br />
den Niederlanden bricht mit dieser Rechtstradition;<br />
sie missachtet die Werteordnung der<br />
Weltreligionen <strong>und</strong> verändert die Beziehung<br />
der Familienmitglieder zueinander. Die Seufzer<br />
eines Kranken: »Ach, könnt' ich nur sterben«<br />
steigern nicht mehr das Mitgefühl <strong>und</strong> das<br />
pflegende Umsorgen, sondern eröffnen die Gelegenheit,<br />
den Kranken auf diesen Satz festzunageln<br />
<strong>und</strong> einen staatlich legalisierten Prozess<br />
einzuleiten. Je alltäglicher die neue Gesetzeslage<br />
wird, desto mehr wird Klagen zum lebensbedrohenden<br />
Risiko, desto mehr wird<br />
auch jeglicher medizinische <strong>und</strong> pflegerische<br />
Aufwand zum Systemverstoß, für den sich in<br />
nicht allzu ferner Zeit Familienmitglieder oder<br />
Ärzte werden rechtfertigen müssen. ...<br />
Die niederländische Regelung verrät das<br />
schlechte Gewissen des Gesetzgebers. Wäre<br />
die aktive Sterbehilfe tatsächlich eine Art<br />
Gnadentod <strong>und</strong> die Erlösung von unerträglichem<br />
<strong>und</strong> die Würde des Menschen verletzendem<br />
Leid, könnte der Gesetzgeber es bei<br />
einer Absprache zwischen Arzt <strong>und</strong> Patient<br />
belassen. Da hätte es genügt, wenn das Parlament<br />
der ärztlichen Ethik (»Nie werde ich,<br />
auch nicht auf eine Bitte hin, ein tödliches<br />
Gift verabreichen oder auch nur einen Rat<br />
dazu erteilen« – Eid des Hippokrates, 400<br />
Jahre vor Christus), eine strafrechtliche Absolution<br />
für die Verkürzung des Todeskampfes<br />
entgegengestellt hätte. Statt dessen verlangt<br />
das Gesetz die Herbeiziehung eines zweiten<br />
Arztes <strong>und</strong> gesteht damit, dass dem behandelnden<br />
Arzt die Tür zu vielfachem Missbrauch<br />
geöffnet worden ist <strong>und</strong> sie mit Hilfe<br />
eines zweiten Arztes zugehalten werden<br />
muss.<br />
Seinen Schrecken offenbart das Gesetz bei der<br />
Regelung für Minderjährige. ... Da jede Tötung<br />
eine gewisse Zeit braucht – vom persönlichen<br />
Entschluss über die Entscheidung des<br />
ersten Arztes, über die Entscheidung des<br />
zweiten Arztes bis zur Ausführung, die Gespräche<br />
mit der Familie gar nicht mitgerechnet<br />
–, ist nicht von einem unabänderlichen<br />
Gemütszustand des Patienten auszugehen.<br />
Wer aber wollte sich da eingestehen, dass er<br />
Angst bekommt <strong>und</strong> nunmehr auf Zeitgewinn<br />
aus ist, wer den Ärzten zumuten, dass er es<br />
sich anders überlegt hat, wohl ahnend, dass er<br />
sie in zwei, drei Tagen dennoch brauchen<br />
könnte? Neue Lebenszuversicht ist da nicht<br />
der Wiedergewinn an Menschenwürde, sondern<br />
nährt den Verdacht der Feigheit vor dem<br />
selbstverantworteten Tod. Und wer kann da<br />
schon auf Verständnis in der Familie vertrauen,<br />
hat man doch die Pflege um ein Verfahren<br />
kompliziert, bei dem der zweite Arzt den Verdacht<br />
haben könnte, dass der Kollege <strong>und</strong> die<br />
erbberechtigten Angehörigen zu voreilig<br />
waren.<br />
Die Niederlande, erst recht die anderen europäischen<br />
Staaten sind noch weit davon entfernt,<br />
die Sterbehilfe zu einem anderen Zweck<br />
zu aktivieren als dem der Leidensverkürzung.<br />
Materielle Gesichtspunkte wie die Kosten der<br />
Krankenpflege gewinnen zwar in der öffentlichen<br />
Erörterung an Bedeutung, haben aber<br />
noch nicht im Gesetz Platz gef<strong>und</strong>en. Doch<br />
was das niederländische Gesetz an Schaden<br />
anrichtet, ist ebenso wenig abzusehen, als<br />
wenn man einen Meeresdamm gebrochen<br />
hätte.«<br />
aus: Grenzbote 08.2001<br />
8 die-reformierten.upd@te 01.2
Köpenick Ev.-reformierte Gemeinden<br />
Evangelisch-reformierte<br />
Schlosskirchengemeinde Köpenick<br />
Renovierung der Schlosskirche nach dreijähriger Bauzeit abgeschlossen<br />
von HORST <strong>und</strong> MARIANNE GREULICH<br />
Nach dreijähriger Bauzeit konnte die evangelisch-reformierte<br />
Schlosskirchengemeinde<br />
Berlin-Köpenick ihre Kirche auf der Schlossinsel<br />
wieder in Gebrauch nehmen. Wie das<br />
gesamte Schlossarenal gehört sie zur Stiftung<br />
Preußischer Kulturbesitz. Und die lässt<br />
den einstigen Sitz der Hohenzollern seit einigen<br />
Jahren für r<strong>und</strong> 90 Millionen DMark<br />
renovieren. Die Gemeinde hat ein Nutzungsrecht<br />
<strong>und</strong> muss deshalb nur für die Inneneinrichtung<br />
<strong>und</strong> die Reparatur der bei der<br />
Renovierung in Mitleidenschaft gezogenen<br />
Orgel aufkommen.<br />
Die aus dem 17. Jahrh<strong>und</strong>ert stammende<br />
Barockkirche war nahezu baufällig geworden,<br />
weil die Pfähle, die sie als F<strong>und</strong>ament tragen,<br />
zu verrotten drohten. Mit dem F<strong>und</strong>ament<br />
wurde auch die Fassade renoviert. Und als<br />
sich während der Renovierung herausstellte,<br />
dass die Deckenstützpfeiler an Tragfähigkeit<br />
verloren hatten, wurde auch hier nachgebessert.<br />
Das Dach erhielt eine Kupferdeckung,<br />
wie sie ursprünglich vorhanden, aber schon<br />
nach 10 Jahren wieder abgebaut worden war,<br />
weil König Friedrich I. das Kupfer für sein<br />
Charlottenburger Schloss zu verwenden in<br />
Auftrag gegeben hatte.<br />
Über die Grenzen der Berlin-Brandenburgischen<br />
Kirche hinaus, zu der die Gemeinde<br />
gehört, ist sie vielen Christinnen <strong>und</strong> Christen<br />
aus den neuen wie den alten B<strong>und</strong>esländern<br />
gut bekannt. Hier fanden regelmäßig<br />
Treffen im Rahmen von Gemeindepartnerschaften<br />
statt, im Gemeindehaus in der Freiheit<br />
14 wie in der Kirche trafen sich darüber<br />
hinaus immer wieder die <strong>Reformiert</strong>en aus<br />
dem Generalkonvent.<br />
Über die Gemeinde berichten im Folgenden<br />
Marianne <strong>und</strong> Horst Greulich, seit mehr als<br />
30 Jahren das Pfarrehepaar <strong>und</strong> der gute<br />
Geist in <strong>Reformiert</strong>-Köpenick. Nachfolger ist<br />
seit einigen Wochen Pfarrer Markus Happel,<br />
der vorher in Trier gearbeitet hat.<br />
Die Evangelisch-reformierte Schlosskirchengemeinde<br />
Köpenick hat ihr Gemeindezentrum<br />
in der Altstadt von Köpenick in der Freiheit<br />
14. Ihre Kirche ist die Schlosskirche auf der<br />
Schlossinsel Köpenick gegenüber dem<br />
Schloss. Sie gehört zur Evangelischen Kirche<br />
in Berlin-Brandenburg <strong>und</strong> mit ihr zur Evangelischen<br />
Kirche in Deutschland.<br />
Als reformierte Gemeinde geht sie – wie die<br />
lutherischen Gemeinden – auf die große <strong>Reformation</strong><br />
im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert zurück. Darum<br />
nennt sie sich »reformierte«, d. h. »erneuerte«<br />
Kirche. Sie gehört damit zu den etwa 600<br />
evangelischen Gemeinden reformierten Her-<br />
Seit Advent<br />
vergangenen<br />
Jahres kann die<br />
evangelischreformierteSchlosskirchengemeinde<br />
Köpenick<br />
wieder ihre<br />
Kirche nutzen –<br />
Anlass ,<br />
über die<br />
Gemeinde zu<br />
berichten<br />
die-reformierten.upd@te 01.2 9
Ev.-reformierte Gemeinden Köpenick<br />
Im Mittelpunkt<br />
steht die Kanzel<br />
mit Bibelsprüchen<br />
in Kelchform,<br />
daran erinnernd,<br />
dass in einer<br />
evangelischen<br />
Kirche das Abendmahl<br />
in beiderlei<br />
Gestalt, Brot <strong>und</strong><br />
Wein im Kelch,<br />
gereicht wird.<br />
kommens mit etwa 2,3 Millionen Mitgliedern<br />
unter insgesamt 26 Millionen evangelischen<br />
Christen.<br />
Das zweite Gebot der biblischen Zählung, sich<br />
kein Bild noch Gleichnis von Gott zu machen,<br />
wird in der Theologie, in der Frömmigkeit, im<br />
Unterricht <strong>und</strong> bei der Ausgestaltung der Gemeinderäume<br />
<strong>und</strong> Kirchen ernst genommen.<br />
So gibt es beispielsweise in der Schlosskirche<br />
keinen Altar, sondern nur einen Abendmahlstisch.<br />
Kruzifix, Leuchter mit Kerzen <strong>und</strong> Bilder<br />
sind in ihr nicht anzutreffen, nur ein blankes<br />
Kreuz auf dem Schalldeckel der Kanzel.<br />
Die Gemeinde wurde im Juni 1684 von Deutschen<br />
<strong>und</strong> Niederländern gegründet. Später<br />
kamen die eingewanderten Hugenotten aus<br />
Frankreich hinzu, die wegen ihres evangelischen<br />
Glaubens ihre Heimat verlassen mussten.<br />
Dann kamen vertriebene reformierte<br />
Christen aus der Pfalz, aus Böhmen <strong>und</strong> Mähren<br />
<strong>und</strong> Zuwanderer aus der Schweiz, Polen<br />
<strong>und</strong> den Niederlanden hinzu. Die Sprache im<br />
Gottesdienst <strong>und</strong> im täglichen Gemeindeleben<br />
wurde recht rasch die deutsche.<br />
Seit ihrem Bestehen kommen immer wieder<br />
evangelische Christen zu dieser Gemeinde,<br />
denen die Art des reformierten Zusammenlebens<br />
zusagt. Im »Dritten Reich« fanden in ihr<br />
die Gemeinden der Bekennenden Kirche –<br />
Gegner der Hitler’schen Kirchenpolitik – aus<br />
Köpenick, Adlershof <strong>und</strong> Friedrichshagen<br />
Heimat, weil sie aus ihren Kirchen <strong>und</strong> Gemeindehäusern<br />
durch die Deutschen Christen<br />
vertrieben wurden. Unsere Gemeinde nahm<br />
sie gerne auf, weil sie geschlossen zur Bekennenden<br />
Kirche gehörte.<br />
Schon viele Jahre tagt in unserer Gemeinde<br />
<strong>und</strong> Kirche die Vereinigte <strong>Reformiert</strong>e Synode<br />
Berlin-Brandenburg <strong>und</strong> trifft sich mit uns in<br />
der Schlosskirche. Seit über fünfzig Jahren<br />
haben die altlutherischen Christen der Köpenicker<br />
Teilgemeinde in ihr ihre Gottesdienste.<br />
Auch die kleine altkatholische Gemeinde hat<br />
in ihr Heimat.<br />
Wir sind sehr dankbar, dass wir mit der barocken<br />
Schlosskirche ein Kleinod in der Köpenicker<br />
Landschaft haben. Architekt der<br />
Schlosskirche war Johann Arnold Nering<br />
(1659-1695) aus Wesel, der maßgeblich auch<br />
am Bau zahlreicher Gebäude in <strong>und</strong> bei Berlin<br />
beteiligt war. Mit der Schlosskirche schuf dieser<br />
den ersten protestantischen Zentralbau mit<br />
Kuppel auf märkischen Boden, von vornherein<br />
als reformierte Gemeindekirche konzipiert.<br />
Im Mittelpunkt steht die Kanzel mit Bibelsprüchen<br />
in Kelchform, daran erinnernd, dass in<br />
einer evangelischen Kirche das Abendmahl in<br />
beiderlei Gestalt, Brot <strong>und</strong> Wein im Kelch, gereicht<br />
wird. Ein Altar fehlt ganz, da der eine<br />
Altar Gottes das Kreuz auf Golgatha war. So<br />
steht ein Abendmahltisch unter der Kanzel<br />
ohne Kruzifix <strong>und</strong> Kerzen, an den zum Abendmahl<br />
eingeladen wird. Der Kanzel gegenüber<br />
befindet sich eine Empore, die die 1987 von<br />
der Orgelbauanstalt Voigt aus Bad Liebenwerda<br />
gänzlich restaurierte Orgel trägt.<br />
Den Akanthusschmuck der Kanzel <strong>und</strong> der sie<br />
flankierenden freistehenden Wände findet<br />
man wieder im reichen Stuckdekor der Decke<br />
<strong>und</strong> der oberen Wände, sowohl im Fries unter<br />
dem Deckengesims als auch in den Kassetten<br />
des Gewölbes <strong>und</strong> der Rückwand.<br />
Die Pilaster (Wandpfeiler) an den Wänden,<br />
deren Kapitelle ebenfalls Akanthusblattwerk<br />
tragen, werden über dem Deckengesims fortgesetzt.<br />
Über der Orgel tragen zwei geflügelte<br />
Genien das brandenburgische Staatswappen.<br />
Die Stuckdekoration schuf vermutlich der Italiener<br />
Giovanni Carove. Ein Epitaph im Chor<br />
erinnert an die Erbprinzessin Henriette Marie<br />
von Württemberg-Teck, geboren 1702 als<br />
Prinzessin von Brandenburg-Schwedt, die als<br />
Witwe 1749-1782 das Schloss bewohnte <strong>und</strong><br />
in der Schlosskirche beigesetzt wurde.<br />
Das Portal hat einen Giebel mit einem Medaillon,<br />
das die verschlungenen Initialen des<br />
Kurfürsten Friedrich III. trägt <strong>und</strong> zwei Sandsteinfiguren:<br />
den Allegorien des Glaubens<br />
<strong>und</strong> der Liebe. Die Sandsteinfiguren am<br />
Dachabschluss stellen an der Vorderfront die<br />
vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas<br />
<strong>und</strong> Johannes, an den Seiten Moses <strong>und</strong><br />
Aaron dar. Über der Kanzel im Inneren befindet<br />
sich die Büste der Kurprinzessin Elisabeth<br />
Henriette von Brandenburg, welche den Bau<br />
der Kirche anregte.<br />
Wir laden herzlich ein, die Gemeinde, ihr Gemeindezentrum<br />
<strong>und</strong> die Schlosskirche zu besuchen.<br />
10 die-reformierten.upd@te 01.2
Neues Design reformiert <strong>online</strong><br />
Die Bekanntheit steigt<br />
»reformiert <strong>online</strong>« erhält Post von reformierten Christen in aller Welt<br />
von FRAUKE BRAUNS<br />
»Grüße aus Taiwan« beginnt eine Notiz im<br />
Gästebuch des Informations- <strong>und</strong> Kommunikationsservices<br />
»reformiert <strong>online</strong>«. Ein anderer<br />
Eintrag zeugt von dem Besuch eines Nutzers<br />
aus Pakistan, ein weiterer Surfer hinterlässt<br />
seine Anmerkungen auf Spanisch. »Diese<br />
Nachrichten ermutigen die Mitarbeiterinnen<br />
<strong>und</strong> Mitarbeitern, die das Projekt aufbauen«,<br />
erzählt Walter Schulz, Vorstand der Stiftung<br />
Johannes a Lasco Bibliothek Emden <strong>und</strong> Initiator<br />
des Projektes.<br />
Aber nicht nur diese Einträge zeugen davon,<br />
dass der Service immer bekannter wird. Von<br />
November 2000 bis Mai 2001 haben insgesamt<br />
13.098 Internetnutzerinnen <strong>und</strong> -nutzer<br />
reformiert <strong>online</strong> aufgerufen. Sie haben insgesamt<br />
43.607 Seiten abgefragt. Damit wird<br />
der Informationsdienst im Durchschnitt 70<br />
mal am Tag aufgerufen. Die meisten Besucherinnen<br />
<strong>und</strong> Besucher kommen laut Webstatistik<br />
am Donnerstag auf die Seite.<br />
Die Webstatistik weist außerdem aus, woher<br />
die Nutzerinnen <strong>und</strong> Nutzer kommen: Die<br />
meisten Anfragen kommen zur Zeit aus den<br />
USA, aus Deutschland <strong>und</strong> aus der Schweiz.<br />
Besonders gefragt sind die Informationen, die<br />
in den Rubriken »aktuell«, »Bibliothek/Zeitschriften«<br />
<strong>und</strong> »Lexikon« gespeichert sind.<br />
Viele, die einmal auf den Seiten gewesen<br />
sind, kommen wieder.<br />
Ein regelmäßiger oder häufiger Besucher<br />
sieht, dass sich seit dem Start der Kommunikationsplattform<br />
für weltweite reformierte<br />
Kirchen im vergangenen Jahr viel auf den<br />
Seiten getan hat. Das Design der Site ist verändert<br />
worden. Klare Linien, eine dezente<br />
Hintergr<strong>und</strong>farbe <strong>und</strong> eine Schmuckfarbe<br />
sorgen für Übersichtlichkeit. Struktur <strong>und</strong> Inhalte<br />
sind auf allen Seiten deutlich erkennbar<br />
<strong>und</strong> erleichtern die Navigation durch die einzelnen<br />
Abteilungen.<br />
Inzwischen ist die dritte Lektion des Gr<strong>und</strong>kurses<br />
für reformierte Geschichte <strong>und</strong> Theologie<br />
<strong>online</strong> (s. 14). Sie beschäftigt sich mit Johannes<br />
Calvin, der <strong>Reformation</strong> in Genf <strong>und</strong><br />
den Anfängen der <strong>Reformation</strong> in Frankreich.<br />
Die Rubrik »aktuell« ist erweitert worden um<br />
einen Veranstaltungskalender. <strong>Reformiert</strong>e<br />
Kirchen können hier ihre Synoden, Tagungen,<br />
Kongresse <strong>und</strong> besonderen Veranstaltungen<br />
ankündigen.<br />
Diese Termine sind ebenso wie alle anderen<br />
Informationen in Datenbanken gespeichert.<br />
Sie erleichtern die Verwaltung <strong>und</strong> Auffindbarkeit<br />
aller Texte, Dokumente, Bücher, Nachrichten<br />
oder statistischen Daten. Außerdem<br />
werden alle Texte als pdf-Dokumente archiviert<br />
<strong>und</strong> geordnet. Damit sind sie im Volltext<br />
gespeichert <strong>und</strong> suchbar. Die Suchergebnisse<br />
<strong>und</strong> Textzitate unterscheiden sich nicht von<br />
den gedruckten Ausgaben.<br />
Um reformiert <strong>online</strong> noch bekannter zu machen<br />
<strong>und</strong> um sich der öffentlichen Diskussion<br />
zu stellen, präsentiert das Team das Projekt<br />
auf dem 29. Deutschen Evangelischen Kirchentag<br />
in Frankfurt/Main. Vom 14. bis 16.<br />
Juni ist das Internet-Café, in dessen Rahmen<br />
sich Besucherinnen <strong>und</strong> Besucher über reformiert<br />
<strong>online</strong> informieren können, in der Zeit<br />
von 10 bis 18 Uhr in Halle 6.1 geöffnet. Einer<br />
internationalen Öffentlichkeit stellen Walter<br />
Schulz <strong>und</strong> Hanke Immega, Mitarbeiter des<br />
Projektes, die Informationsplattform Ende<br />
Juni in Belfast vor. Sie nehmen dann an der<br />
Vollversammlung der Leuenberger Kirchengemeinschaft<br />
teil.<br />
»reformiert<strong>online</strong>.net«<br />
hat<br />
nicht nur seinen<br />
Namen präzisiert<br />
(von »...de«<br />
zu »...net«),<br />
sondern auch<br />
sein Design<br />
angepasst.<br />
Und die in<br />
der Johannes a<br />
Lasco Bibliothek<br />
betreute Seite<br />
wird immer<br />
bekannter –<br />
weltweit.<br />
die-reformierten.upd@te 01.2 11
Johannes a Lasco Bibliothek <strong>Reformiert</strong>er Protestantismus<br />
Zwei Symposien<br />
im Rahmen des Forschungsprogramms »Kulturwirkungen des reformierten Protestantismus«<br />
Zwei Tagungen<br />
in der<br />
Johannes a<br />
Lasco Bibliothek<br />
fanden<br />
Zuspruch <strong>und</strong><br />
Anerkennung:<br />
die eine<br />
Martin Bucer<br />
gewidmet,<br />
dem Vermittler<br />
zwischen den<br />
theologischen<br />
Positionen<br />
Luthers <strong>und</strong><br />
Calvins;<br />
die andere der<br />
Bedeutung des<br />
Genfer Psalters.<br />
Immer wieder ein<br />
vorzüglicher Tagungsort:<br />
die Johannes a Lasco<br />
Bibliothek<br />
Internationales Symposium<br />
»Martin Bucer <strong>und</strong> das Recht«<br />
Als erste Veranstaltung des neueingerichteten<br />
Forschungsprojekts »Recht <strong>und</strong> Jurisprudenz<br />
im Bereich des reformierten Protestantismus<br />
1550-1650« fand in der Johannes a Lasco Bibliothek<br />
Emden vom 1. bis 3. März 2001 eine<br />
Tagung zum Thema »Martin Bucer <strong>und</strong> das<br />
Recht« statt. Den Anlass zu der Tagung bildete<br />
der 450. Todestag des Theologen <strong>und</strong> Reformators<br />
von Straßburg, der am 28.2.1551<br />
im Exil in Cambridge starb. Die in Zusammenarbeit<br />
mit der Bucer-Forschungsstelle<br />
der Heidelberger Akademie der Wissenschaften<br />
organisierte Veranstaltung war das wichtigste<br />
wissenschaftliche Ereignis zum diesjährigen<br />
Gedenken an Bucer in Deutschland.<br />
Martin Bucer war einer der bedeutendsten<br />
evangelischen Theologen seiner Zeit. Mit seiner<br />
Tätigkeit prägte er den Verlauf der <strong>Reformation</strong><br />
in Straßburg <strong>und</strong> Oberdeutschland. Er<br />
bemühte sich um eine theologische Vermittlung<br />
zwischen den Positionen Zwinglis <strong>und</strong><br />
Luthers <strong>und</strong> versuchte auch, mit Theologen<br />
der alten Kirche zu einem Ausgleich zu kommen.<br />
In zahlreichen Werken widmete er sich<br />
der Auslegung der Bibel, der Kirchenorgani-<br />
sation, aber auch Problemen des christlichen<br />
Lebens. In seiner theologischen Eigenständigkeit<br />
<strong>und</strong> der Originalität seines Denkens ist er<br />
heute – zu Unrecht – nur noch Wenigen bekannt.<br />
An der Tagung nahmen Experten von Universitäten<br />
<strong>und</strong> Forschungseinrichtungen in Europa<br />
<strong>und</strong> den USA teil, darunter Juristen,<br />
Theologen <strong>und</strong> Historiker. Sie hielten Vorträge<br />
zu einem Themenkomplex, der bislang<br />
noch wenig untersucht wurde: Martin Bucer<br />
hat sich in seinem reformatorischen Wirken<br />
häufig auf das römische <strong>und</strong> kanonische<br />
Recht bezogen. Er verwandte juristische Argumentationen<br />
in vielen seiner Werke, <strong>und</strong><br />
mit seiner Interpretation des Verhältnisses<br />
von Kirche <strong>und</strong> Staat übte er großen Einfluss<br />
aus. So widmeten die Vorträge sich etwa Bucers<br />
Auffassung des Widerstandsrechts, den<br />
Bezugnahmen auf römisches <strong>und</strong> kanonisches<br />
Recht in seinen wichtigsten Werken<br />
oder bestimmten Argumentationen, deren er<br />
sich etwa bei Verhandlungen auf Reichstagen<br />
bediente.<br />
In einer Abendveranstaltung am 1. März<br />
wurde Martin Bucer einer weiteren Öffentlichkeit<br />
bekannt gemacht. Dabei wurde der<br />
neueste Band in der Reihe seiner »Deutschen<br />
Werke« erstmals vorgestellt, in dem die<br />
Schriften zum Thema »Ehe <strong>und</strong> Eherecht«<br />
veröffentlicht werden. Der<br />
Bucer-Forscher <strong>und</strong> Verfasser seiner<br />
Biografie, Prof. Dr. Martin Greschat,<br />
hielt zudem einen Vortrag über »Martin<br />
Bucers Vorstellungen zur Erneuerung<br />
der Christenheit in Europa«. Er zeigte,<br />
dass Bucer in seinen Interessen <strong>und</strong><br />
persönlichen Kontakten Anteil am Verlauf<br />
der <strong>Reformation</strong> in vielen europäischen<br />
Ländern nahm.<br />
Das Symposion, das erste große Zusammentreffen<br />
der Bucer-Forschung<br />
seit der Tagung zum 500. Geburtstag<br />
1991 in Straßburg, wurde von den Teilnehmern<br />
als großer Erfolg betrachtet.<br />
Es soll eine Phase intensiverer Zusammenarbeit<br />
der international über<br />
Bucer arbeitenden Forscher einleiten.<br />
12 die-reformierten.upd@te 01.2
<strong>Reformiert</strong>er Protestantismus Johannes a Lasco Bibliothek<br />
Interdisziplinäres Symposium<br />
»Der Genfer Psalter in seiner Zeit«<br />
Am 22. <strong>und</strong> 23. März 2001 fand in der Johannes<br />
a Lasco Bibliothek Emden eine öffentliche<br />
Tagung zum Thema »Der Genfer Psalter<br />
in seiner Zeit« statt. Musikwissenschaftler,<br />
Theologen, Philologen <strong>und</strong> Historiker aus<br />
Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz,<br />
den USA <strong>und</strong> aus Deutschland beschäftigten<br />
sich in ihren Vorträgen mit dem Psalmen-Gesangbuch<br />
der Genfer Gemeinde im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />
Die Tagung eröffnete die Aktivitäten<br />
des Forschungsprojekts »Der Hugenottenpsalter<br />
– Geschichte seiner Wirkung in Deutschland<br />
<strong>und</strong> Europa«, das eines von drei Projekten<br />
des Forschungsbereichs »Kulturwirkungen<br />
des reformierten Protestantismus« der Johannes<br />
a Lasco Bibliothek bildet.<br />
Zum Hintergr<strong>und</strong>: Der Genfer Reformator Johannes<br />
Calvin hatte Psalmen als einzigen Gemeindegesang<br />
im Gottesdienst vorgesehen<br />
<strong>und</strong> selbst auch einige Psalmlieder gedichtet.<br />
Bis 1562 entstanden französische Bereimungen<br />
mit Melodien von G. Franc, L. Bourgeois<br />
u.a. zu allen 150 Psalmen. In einer beispiellosen<br />
buchdruckerischen Kraftanstrengung<br />
wurden von 1562-1565 62 Auflagen des Genfer<br />
Gesangbuchs gedruckt <strong>und</strong> verbreitet.<br />
Durch die eingängigen Melodien <strong>und</strong> die<br />
leicht singbaren vierstimmigen Sätze von<br />
Claude Goudimel wurde der Genfer Psalter<br />
schnell populär. Übersetzungen ins Englische,<br />
Deutsche, Niederländische <strong>und</strong> andere Sprachen<br />
führten dazu, dass er sich als das Gesangbuch<br />
der reformierten Gemeinden in<br />
ganz Europa durchsetzte.<br />
Die Referate der Tagung widmeten sich dem<br />
Genfer Psalter unter verschiedenen Fragestellungen:<br />
nach einer Untersuchung der Vorgeschichte<br />
des Genfer Gesangbuchs standen<br />
zuerst theologische <strong>und</strong> praktische Fragen im<br />
Mittelpunkt. So wurde die Rolle der Musik in<br />
der Theologie Calvins untersucht, aber auch<br />
der praktische Umgang mit den Gesangbüchern<br />
<strong>und</strong> die Reaktion der katholischen Zensur<br />
behandelt. Am zweiten Tag lag dagegen<br />
der Schwerpunkt auf musikwissenschaftlichen<br />
Problemen. Die Melodik des Genfer Psalters<br />
wurde in ihrer Eigenart sowie in ihren Beziehungen<br />
zu humanistischen Odenvertonungen<br />
diskutiert. Die Vortragenden, international anerkannte<br />
Experten, forschen zum Teil schon<br />
seit Jahrzehnten über den Genfer Psalter.<br />
Die Tagung zu einem musikalischen Thema<br />
wurde natürlich auch musikalisch begleitet:<br />
Am Abend des ersten Veranstaltungstages<br />
kam Musik zum Genfer Psalter in der Neuen<br />
Kirche in Emden zur Aufführung. Das öffentliche<br />
Konzert bot musikalischen Hochgenuss:<br />
Der international renommierte japanische Organist<br />
<strong>und</strong> Dirigent Masaaki Suzuki hielt<br />
nicht nur einen<br />
kurzen<br />
Vortrag über<br />
die Rezeption<br />
des Genfer<br />
Psalters<br />
in Japan,<br />
sondern<br />
spielte auch<br />
Orgel <strong>und</strong><br />
begleitete<br />
eine Solistin<br />
seines Bach-<br />
Collegiums<br />
Japan, Yoshie<br />
Hida. Als<br />
weiterer Organist<br />
war<br />
der Organisator der Tagung, Dr. Jan R. Luth<br />
aus Groningen zu hören. Zudem erklang<br />
Chormusik zum Genfer Psalter, vorgetragen<br />
vom Projektchor der <strong>Reformiert</strong>en Kirche.<br />
Die Vorträge werden in einem Tagungsband<br />
veröffentlicht. Zudem ist eine weitere Veranstaltung,<br />
die sich inhaltlich unmittelbar anschließt,<br />
schon fest vorgesehen: Im April<br />
2002 wird, wieder in der Johannes a Lasco Bibliothek,<br />
eine Tagung über die Übersetzungen<br />
des Genfer Psalters ins Deutsche <strong>und</strong> Niederländische<br />
stattfinden.<br />
Am Rande der Tagung, die von allen Beteiligten<br />
als großer Erfolg betrachtet wurde, kam<br />
es zu regem wissenschaftlichen Austausch<br />
<strong>und</strong> persönlichen Gesprächen. So wurden<br />
auch die weiteren Projekte des Forschungsprogramms,<br />
darunter eine Bibliografie der<br />
deutschen <strong>und</strong> niederländischen Psalterdrucke<br />
<strong>und</strong> Faksimile-Veröffentlichungen<br />
wichtiger Gesangbücher, mit den anwesenden<br />
Experten diskutiert.<br />
Der reformierte Projektchor<br />
Die weiteren<br />
Projekte des<br />
Forschungsprogramms:<br />
u.a. eine Bibliografie<br />
der<br />
deutschen <strong>und</strong><br />
niederländischen<br />
Psalterdrucke<br />
<strong>und</strong> Faksimile-<br />
Veröffentlichungen<br />
wichtiger<br />
Gesangbücher.<br />
die-reformierten.upd@te 01.2 13
eformiert <strong>online</strong> Weiterbildung<br />
Johannes Calvin, der Despot aus Genf?<br />
Neue Lektion des Seminars »Gr<strong>und</strong>kurs <strong>Reformiert</strong>« steht im Netz<br />
Das Seminarangebot<br />
zur<br />
Weiterbildung<br />
für TheologInnen<br />
<strong>und</strong> NichttheologInnen,<br />
das »reformiert<strong>online</strong>.net«anbietet,<br />
wächst:<br />
Dr. Matthias<br />
Freudenberg <strong>und</strong><br />
Dr. Georg<br />
Plasger haben<br />
die dritte Lektion<br />
ins »Netz« gestellt.<br />
Um »Appetit«<br />
auf mehr zu<br />
machen,<br />
drucken wir im<br />
Folgenden die<br />
Einleitung ab.<br />
Über die Person Johannes Calvins<br />
ist etwas mehr bekannt als von der<br />
Person Huldreich Zwinglis. Und<br />
das ist insofern verständlich, als er<br />
ungleich wirkungsvoller gewesen<br />
ist als Zwingli; beinahe alle reformierten<br />
Kirchen auf der ganzen<br />
Welt beziehen sich auf ihn zurück;<br />
die <strong>Reformiert</strong>en werden häufig<br />
Calvinisten genannt, obwohl sie<br />
sich selber so nicht bezeichnen.<br />
Aber gleichzeitig ist es so, dass vor<br />
allem in Deutschland sehr negative<br />
Kennzeichnungen über Calvin<br />
immer noch häufig anzutreffen<br />
sind: Er sei der Despot aus Genf,<br />
der überaus streng <strong>und</strong> seiner<br />
Richtung alle anderen zu opfern<br />
bereit gewesen sei; er habe Servet<br />
hinrichten lassen; er habe die sogenannte<br />
doppelte Prädestinationslehre vertreten,<br />
nach der Gott die einen zum Heil, die<br />
anderen zum Unheil erwähle etc. Stefan<br />
Zweig hat 1936 in der Zeit des Nationalsozialismus<br />
ein Buch geschrieben: »Ein Gewissen<br />
gegen die Gewalt. Castellio gegen Calvin« <strong>und</strong><br />
hat in literarisch geschickter Art den Despoten<br />
Hitler gemeint <strong>und</strong> Calvin gesagt - auch<br />
das hat in den vergangenen Jahrzehnten eher<br />
dazu beigetragen, das Bild Calvins in düsteren<br />
Farben zu<br />
zeichnen.<br />
Es ist wahr,<br />
dass manche<br />
Züge Calvins<br />
den Menschen<br />
in der Moderne<br />
wohl eher<br />
fremd bleiben<br />
werden. Er ist<br />
ein Asket, der<br />
sein ganzes<br />
Leben in den<br />
Dienst der <strong>Reformation</strong><br />
stellte <strong>und</strong><br />
dabei streng<br />
vorgehen<br />
konnte. Aber wir werden uns bemühen müssen,<br />
ein differenziertes Bild wahrzunehmen.<br />
Denn dass von Calvin ein so verzeichnetes<br />
Bild existiert, liegt auch an den Konfessionsstreitigkeiten<br />
bis ins 20. Jahrh<strong>und</strong>ert hinein.<br />
Im 17. Jahrh<strong>und</strong>ert vor allem gab es Querelen<br />
<strong>und</strong> Streitereien zwischen den Konfessionen,<br />
gerade auch zwischen reformierten <strong>und</strong> lutherischen<br />
Christen. Es wurde diffamiert,<br />
unterstellt <strong>und</strong> nicht mehr fair dargestellt.<br />
Von allen Seiten ist viel Unrecht geschehen,<br />
auch von reformierter. Und in diesem Zusammenhang<br />
entstand vor allem in Deutschland<br />
aufgr<strong>und</strong> vieler Schriften der insgesamt<br />
einflussreicheren Lutheraner ein Bild Calvins,<br />
das noch über Jahrh<strong>und</strong>erte fortwirkt <strong>und</strong><br />
auch heute noch - wenn auch in abgeschwächter<br />
Form - in manchen Kirchengeschichtsdarstellungen<br />
<strong>und</strong> populären Darstellungen<br />
weiterlebt.<br />
Deswegen ist es gut, sich nicht von den Vorurteilen<br />
bestimmen zu lassen, sondern genauer<br />
hinzuschauen <strong>und</strong> zu fragen, wie Calvin<br />
gelebt, gelehrt <strong>und</strong> gewirkt hat.<br />
14 die-reformierten.upd@te 01.2
<strong>Reformiert</strong>es Seminar Thema<br />
<strong>Reformiert</strong>es Predigerseminar Elberfeld, Mainzerstr.<br />
16. Für Generationen nicht nur reformierter<br />
Theologinnen <strong>und</strong> Theologen<br />
ist das bis heute eine »gute Adresse«:<br />
Sie sind in ihrer zweiten Ausbildungsphase,<br />
dem Vikariat, hier ausgebildet<br />
worden. Die Dozentinnen <strong>und</strong> Dozenten<br />
haben sie auf dem Weg in ihren<br />
Beruf begleitet. Und sie haben das gut<br />
getan – sagen jedenfalls viele, wenn<br />
sie über ihre Erfahrungen im Predigerseminar<br />
sich äußern. Die das tun sind<br />
nicht nur Theologinnen <strong>und</strong> Theologen<br />
der Ev.-reformierten Kirche oder<br />
der Lippischen Landeskirche. Auch<br />
viele Pfarrerinnen <strong>und</strong> Pfarrer der Ev.<br />
Kirche im Rheinland <strong>und</strong> der Ev. Kirche<br />
in Westfalen haben hier »Praxis<br />
gelernt«. Und sie denken gerne zurück<br />
an ihre Zeit in der Mainzerstraße.<br />
Aber das ist seit Anfang Mai »Geschichte«.<br />
Das Predigerseminar Elber-<br />
<strong>Reformiert</strong>es Predigerseminar Elberfeld<br />
hat die Seiten gewechselt<br />
Mit neuem Namen an neuem Ort:<br />
<strong>Reformiert</strong>es Seminar für pastorale Aus- <strong>und</strong> Fortbildung residiert in Barmen<br />
Auf der »KiHo«<br />
angekommen<br />
feld ist »über die Wupper« gegangen, wie es<br />
Anna Neumann in einem Kommentar im<br />
Übernahme der neuen Räume durch den<br />
Vorsitzenden des Kuratoriums, Landessuperintendent<br />
Noltensmeier (Lippische Landeskirche)<br />
»Weg« geschrieben hat. Trauergesänge allerdings<br />
oder Beileidbek<strong>und</strong>ungen sind nicht<br />
angesagt. Denn das Predigerseminar hat ganz<br />
real »die Seiten gewechselt« im Tal der Wupper:<br />
Von der Südseite in Elberfeld ist es auf<br />
die Nordseite in Barmern gezogen, auf den<br />
sog. »Heiligen Berg«, auf das Gelände der<br />
Kirchlichen Hochschule.<br />
Schon lange hat diese Veränderung sich abgezeichnet.<br />
Das Haus in der Mainzerstraße<br />
war renovierungsbedürftig. Nicht nur dass die<br />
Feuerwehr aus baupolizeilichen Gründen die<br />
dritte Etage schon geschlossen hatte. Auch<br />
das Innere, von der Bausubstanz bis hin zum<br />
Stil der Einrichtungen war nicht mehr angemessen.<br />
Das etwas »Gruftige«, aber auch<br />
Kirchlich-Heimelige der 70er Jahre ließ schon<br />
lange grüßen, trotz vieler Bemühungen, das<br />
Haus in Stil <strong>und</strong> Möglichkeiten den modernen<br />
Anforderungen anzupassen.<br />
VON JÖRG SCHMIDT<br />
Am 21. Mai<br />
wurden in<br />
Wuppertal<br />
die neuen<br />
Räume des<br />
<strong>Reformiert</strong>en<br />
Predigerseminars<br />
in<br />
Gebrauch<br />
genommen –<br />
Anlass für die<br />
Thema-Artikel<br />
dieses Heftes.<br />
die-reformierten.upd@te 01.2 15
Thema <strong>Reformiert</strong>es Seminar<br />
Die Nähe von<br />
erster <strong>und</strong> zweiter<br />
Ausbildungsphase<br />
reizt zu weit gehenden<br />
Fantasien, was<br />
die gegenseitige<br />
Lernbedürftigkeit<br />
<strong>und</strong> Lernfähigkeit<br />
<strong>und</strong> also auch<br />
Zusammenarbeit<br />
angeht.<br />
Die Dozentinnen <strong>und</strong> Dozenten hatten gelernt,<br />
aus dem Mangel das Beste zu machen:<br />
Aus finanziellen Gründen konnte die kleine<br />
Bibliothek nicht so ausgebaut werden, wie sie<br />
ursprünglich einmal angelegt worden war.<br />
Für die Dozierenden gab es nicht genug Arbeitszimmer.<br />
Und der immer etwas enge,<br />
etwas niedrige Lehrsaal taugte auch nur noch<br />
begrenzt. Aber die Arbeit war über Wuppertal<br />
hinaus so angesehen, dass eine Schließung<br />
des Standortes Wuppertal nicht in Frage kam.<br />
Inzwischen waren in den letzten Jahren auch<br />
die Kurszahlen der teilnehmenden Vikarinnen<br />
<strong>und</strong> Vikare deutlich zurück gegangen. Es<br />
zeichnete sich ab, dass auch mit einem Direktor,<br />
einem weiteren Dozenten <strong>und</strong> einigen<br />
Gastlehrenden der Betrieb gut aufrecht erhalten<br />
werden konnte. Aber lohnten dann noch<br />
die hohen Investitionskosten der notwendigen<br />
Renovierung <strong>und</strong> auch die zu erwartenden<br />
relativ hohen laufenden Kosten, auch<br />
durch das Haus-Personal <strong>und</strong> anderes mehr?<br />
In dieser Situation bot die Ev. Kirche im<br />
Rheinland eine andere Lösung an, die in vielerlei<br />
Hinsicht für die das Predigerseminar<br />
tragenden Kirchen verlockend war: Das Predigerseminar<br />
kommt auf das Gelände der<br />
Kirchlichen Hochschule. Interessant <strong>und</strong> ver-<br />
Der Lehrsaal<br />
In Gebrauch genommen<br />
lockend war das Angebot für alle Beteiligten<br />
in jeder Beziehung: Die Kirchliche Hochschule<br />
erhält einen Um- <strong>und</strong> Ausbau ihrer Bibliothek<br />
<strong>und</strong> festigt ihren Standort in Wuppertal.<br />
Das Predigerseminar erhält zwei moderne,<br />
klug ausgebaute Etagen im frei werdenden<br />
Haus 15 der Kirchlichen Hochschule<br />
– in den alten Räumen der<br />
Bibliothek; <strong>und</strong> das bei relativ vernünftigen<br />
<strong>und</strong> langfristig vereinbarten<br />
Mietkosten. Das Catering<br />
übernimmt – ebenfalls zu günstigen<br />
Konditionen – die Vereinte<br />
Evangelische Mission mit ihrem<br />
Gästehaus. Dazu kann jetzt die gut<br />
sortierte Bibliothek der Kirchlichen<br />
Hochschule mit genutzt werden.<br />
Und die Nähe von erster <strong>und</strong> zweiter<br />
Ausbildungsphase reizt zu weit<br />
gehenden Fantasien, was die gegenseitige<br />
Lernbedürftigkeit <strong>und</strong><br />
Lernfähigkeit <strong>und</strong> also auch Zusammenarbeit<br />
angeht.<br />
So war dann schließlich entschieden<br />
<strong>und</strong> jetzt, nach intensiver Umbauphase,<br />
vollzogen: Das Predigerseminar<br />
zog auf das Gelände der<br />
Kirchlichen Hochschule, nachdem<br />
auch die Bibliothek ihre neuen Nutzerinnen<br />
<strong>und</strong> Nutzer gef<strong>und</strong>en hat.<br />
Sie wurde – im Rahmen einer Studienfahrt<br />
des letzten, im alten Haus<br />
16 die-reformierten.upd@te 01.2
<strong>Reformiert</strong>es Seminar<br />
ausgebildeten Jahrgangs – nach Ungarn<br />
verbracht. In Papa hilft sie jetzt,<br />
die ungarischen Vikare <strong>und</strong> Vikarinnen<br />
auszubilden.<br />
Wer die beiden Etagen in der Missionsstr.<br />
15a – so lautet die genaue<br />
Adresse – besucht, der wird nicht<br />
umhin kommen, allen Beteiligten zu<br />
diesem Neuanfang zu gratulieren.<br />
Klar, nüchtern <strong>und</strong> doch voll Atmosphäre<br />
ist die Anmutung der Räume,<br />
vom Schnitt bis zum Inventar. Ein<br />
großzügiger »Lehrsaal« ist vorhanden;<br />
dazu eine entsprechende Anzahl von<br />
gut eingerichteten Gruppenräumen<br />
<strong>und</strong> Arbeitszimmern für den Direktor<br />
– D. Peter Bukowski – <strong>und</strong> den Dozenten<br />
– Achim Reinstädtler. Auf den<br />
ersten Blick wirken einige Zimmer<br />
vielleicht etwas klein; zudem sind –<br />
bei voller Belegung – auch Doppelzimmer<br />
vorgesehen. Und die Zimmer<br />
haben auch keine eigene Nasszelle.<br />
Aber nicht nur, dass das die »Tradition«<br />
des Predigerseminars schon in<br />
der Mainzer Straße war. Auch im Hinblick<br />
auf die zukünftigen finanziellen<br />
Möglichkeiten der beteiligten Kirchen<br />
ist dieser Charme der stilvollen Einfachheit<br />
durchaus sinnvoll.<br />
Mit dem Umzug vollzog sich allerdings<br />
nicht nur eine Adressenänderung.<br />
Auch der alte Name fiel, aus<br />
ganz verschiedenen Gründen. Allein<br />
formal schon konnte es nicht mehr<br />
Predigerseminar Elberfeld heißen,<br />
liegt doch der neue Standort auf Barmer<br />
Gebiet. Und auch das hat sich ja<br />
inzwischen herum gesprochen: dass<br />
hier nicht nur Prediger ausgebildet<br />
werden, sondern auch Predigerinnen.<br />
Aber das hat sich verändert in den<br />
letzten Jahrzehnten, auch wenn es<br />
vielleicht <strong>Reformiert</strong>e nicht so gerne<br />
wahrhaben wollen: Nicht mehr das Predigen<br />
ist das Paradigma für den Beruf des Pfarrers<br />
<strong>und</strong> der Pfarrerin, sondern eher sind es die<br />
pastoralen Fähigkeiten als Seelsorgerin oder<br />
als Seelsorger. Zudem werden die Fähigkeiten<br />
der Ausbilder zunehmend für die Fortbildung<br />
in den ersten Amtsjahren der Pfarrerinnen<br />
<strong>und</strong> Pfarrer abgerufen. Und so heißt das »<strong>Reformiert</strong>e<br />
Predigerseminar Elberfeld« seit 1.<br />
Mai »<strong>Reformiert</strong>es Seminar für pastorale Aus-<br />
Noch einmal der Lehrsaal Blick in Richtung Bibliothek <strong>und</strong> VEM<br />
Anja Werth (Assistentin im Generalsekretariat<br />
des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es; ); Angelika Kalcker;<br />
Brigitte Krahe (von links)<br />
<strong>und</strong> Fortbildung«. Im übrigen ist es das einzige<br />
reformierte Seminar für die Ausbildung<br />
von Theologinnen <strong>und</strong> Theologen im Vikariat<br />
in Deutschland.<br />
Kein tränenreicher Abschied, auch wenn<br />
manche <strong>und</strong> mancher vielleicht etwas wehmütig<br />
an das Haus <strong>und</strong> an die Zeit in der<br />
Mainzerstraße zurückdenken wird. Ein Abschied,<br />
der ein Neuanfang ist <strong>und</strong> in gewissem<br />
Sinn ein Aufbruch, wenn man an die<br />
die-reformierten.upd@te 01.2 17
Thema <strong>Reformiert</strong>es Seminar<br />
... dass der<br />
<strong>Reformiert</strong>e B<strong>und</strong><br />
noch einmal neu<br />
im Hinblick auf<br />
den Ort seiner<br />
Studien- <strong>und</strong><br />
anderen Tagungen<br />
plant.<br />
Fortbildung der jungen Pfarrerinnen <strong>und</strong><br />
Pfarrer denkt, wenn man an die Möglichkeiten<br />
der Zusammenarbeit mit der<br />
Kirchlichen Hochschule denkt. Und auch<br />
das ist eine Perspektive, die schon für die<br />
nahe Zukunft Beachtung finden sollte:<br />
Die Räumlichkeiten auf dem Gelände der<br />
Kirchlichen Hochschule, die Übernachtungsmöglichkeiten<br />
im Gästehaus der<br />
VEM, der unmittelbare Zugang zu einer<br />
neu gestalteten <strong>und</strong> gut sortierten Bibliothek<br />
– alles das lässt auch daran denken,<br />
dass der <strong>Reformiert</strong>e B<strong>und</strong> noch einmal<br />
neu im Hinblick auf den Ort seiner Stu-<br />
Das Geschenk der Vereinten Evangelischen Mission (VEM),<br />
überreicht von Jutta Beldermann <strong>und</strong> Reiner Groth,<br />
dem Direktor der VEM<br />
Brot <strong>und</strong> Salz, überreicht vom Rektor<br />
der »KiHo«, Prof. Klaus Haacker<br />
Genug Lektüre zum Lesen<br />
<strong>und</strong> Studieren<br />
dien- <strong>und</strong> anderen Tagungen<br />
plant.<br />
Ein Abschied wird jetzt<br />
jedoch endgültig vollzogen:<br />
Brigitte Krahe,<br />
langjährige Mitarbeiterin<br />
im Sekretariat des<br />
Predigerseminars, geht<br />
in den Ruhestand. Fast<br />
zehn Jahre hat sie die Geschicke des Hauses<br />
mit gestaltet, hat verschiedene Direktoren erlebt,<br />
etliche Generationen an Vikarinnen <strong>und</strong><br />
Vikaren, manche Veränderung mit durchlitten.<br />
Und nimmt nun Abschied.<br />
Nicht nur die Mitarbeitenden im »<strong>Reformiert</strong>en<br />
Seminar« danken ihr ihren Einsatz. Auch<br />
die Mitarbeitenden in der Geschäftsstelle des<br />
<strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es, hat sie doch in den<br />
letzten Jahren den Moderator des B<strong>und</strong>es<br />
unterstützt <strong>und</strong> war so etwas wie eine<br />
Schnittstelle zwischen verschiedenen Aufgabenbereichen<br />
von Peter Bukowski.<br />
Ihre Nachfolgerin wird Angelika Kalcker,<br />
mancher Leserin, manchem Leser vielleicht<br />
auch nicht ganz unbekannt, hat sie doch einige<br />
Jahre im Büro der <strong>Reformiert</strong>en Kirchen-<br />
Zeitung gearbeitet. Der einen – Brigitte Krahe<br />
– eine gute Zeit »nach« dem Predigerseminar,<br />
der anderen – Angelika Kalcker – eine gute<br />
Zeit im »<strong>Reformiert</strong>en Seminar«.<br />
18 die-reformierten.upd@te 01.2
Ausbildung im <strong>Reformiert</strong>en Seminar Thema<br />
?: Herr Reinstädtler, 10 Jahre lang haben Sie<br />
als Pastor in zwei Bereichen gearbeitet, in der<br />
Gemeinde <strong>und</strong> im Seminar. Waren Sie eigentlich<br />
froh, als Sie mit ganzer Stelle an das Seminar<br />
kamen?<br />
!: Zweifellos war <strong>und</strong> ist es eine Arbeitserleichterung,<br />
nur noch in einem Bereich zu arbeiten.<br />
Wenn ich früher nach einem ganzen<br />
Arbeitstag das Seminar verließ, hatte ich oft<br />
noch Veranstaltungen in der Gemeinde vor<br />
mir. Das war schon belastend. Aber dass ich<br />
froh gewesen wäre, kann ich nicht sagen.<br />
Denn andererseits ist das ja auch die Realität<br />
vieler derer, die in den Gemeinden ehrenamtlich<br />
tätig sind: nach einem Arbeitstag abends<br />
sich für die Gemeinde zu engagieren. Da gab<br />
es also Erfahrungen, die mich mit vielen in<br />
der Gemeinde verbanden.<br />
Und es gab eine Parallele zu den Erfahrungen<br />
der Vikarinnen <strong>und</strong> Vikare. Wie sie kam ich<br />
aus der Gemeinde für einen begrenzten Zeitraum<br />
an das Seminar, wie sie ging ich nach<br />
dem Abschluss einer Kurswoche wieder in die<br />
Gemeinde.<br />
Im gewissen Sinn habe ich so die Erfahrung<br />
gemacht, dass Theorie <strong>und</strong> Praxis nicht notwendig<br />
auseinander fallen müssen: wenn die<br />
»Praxis« mich begleitet in meiner Lehrtätigkeit<br />
<strong>und</strong> die »Theorie« dasselbe tut, wenn ich<br />
in der Gemeinde arbeite.<br />
?: Das klingt so, als vermissten Sie die Erfahrungen<br />
der Gemeindearbeit ...<br />
!: ... ja, manches vermisse ich: den Konfirmandenunterricht<br />
etwa als, wenn ich so sagen<br />
darf, Härtetest: Jugendlichen verstehbar <strong>und</strong><br />
nachvollziehbar zu machen, was christlicher<br />
Glaube ist; oder nach einem Gottesdienst beim<br />
Kaffee bei den Leuten zu sitzen, ihnen zuzuhören,<br />
auch wenn ich ihre Geschichten vielleicht<br />
schon mehrfach gehört hatte; oder etwa bei<br />
Vorgesprächen zu Beerdigungen mit »normalen«<br />
Leuten zusammen zu sein, das sind einige<br />
der Dinge, an die ich gerne zurück denke. Oder<br />
– <strong>und</strong> nicht zuletzt – die Erfahrung, eine Gemeinde<br />
mit anderen zusammen zu entwickeln,<br />
aufzubauen. Denn ich habe die Gemeinde <strong>und</strong><br />
auch das Presbyterium immer als Rückhalt er-<br />
Für die Gemeinde ausbilden<br />
Gespräch mit Achim Reinstädtler, Dozent am <strong>Reformiert</strong>en Seminar<br />
lebt, die mit mir gemeinsam<br />
Verantwortung tragen.<br />
Diese Erfahrungen haben bei<br />
mir die nicht nur reformierte<br />
Einsicht bestärkt, dass die<br />
Gemeinde das Wichtigste in<br />
der Kirche ist. Für sie habe ich studiert. Für<br />
sie bilde ich aus.<br />
?: Haben Ihre Gemeindeerfahrungen Konsequenzen<br />
für Ihre Ausbildungsziele als Dozent?<br />
!: Zunächst einmal sind die Ausbildungsziele<br />
in den einzelnen Fächern natürlich vorgegeben.<br />
Aber bestimmte Gr<strong>und</strong>erfahrungen<br />
fließen mit Sicherheit in meine Lehrtätigkeit<br />
ein. Ich habe meine Arbeit in der Gemeinde<br />
immer stärker verstanden als die des »professionellen<br />
Nachbarn« <strong>und</strong> des Fachmannes für<br />
Religion <strong>und</strong> christlichen Glauben. Gerade<br />
diese beiden Pole mit dieser Spannung möchte<br />
ich gerne verstehbar machen <strong>und</strong> die oft<br />
theologisch verbrämte Angst vor Beidem nehmen,<br />
um die Chancen sich nicht zu verstellen,<br />
die beides bietet.<br />
Zum anderen habe ich im Rückblick auf die<br />
10 Jahre Gemeindearbeit auch gesehen, wie<br />
viele Fehler ich gemacht habe, welches »Chaos«<br />
manchmal in meiner Arbeit herrschte. Die<br />
Anforderungen des Pfarrberufes haben auch<br />
Seit 1989<br />
arbeitet Achim<br />
Reinstädtler als<br />
Dozent am<br />
<strong>Reformiert</strong>en<br />
Predigerseminar<br />
Elberfeld, bis<br />
Ende 1999 mit<br />
einer halben<br />
Stelle, seither<br />
mit einer<br />
ganzen. Mit der<br />
anderen Hälfte<br />
seiner Pfarrstelle<br />
war er als<br />
Gemeindepastor<br />
an der Alten<br />
<strong>Reformiert</strong>en<br />
Kirche in<br />
Wuppertal-<br />
Elberfeld tätig.<br />
Reinstädtler ist<br />
zuständig für<br />
die AusbildungsbereicheGemeindeaufbau,<br />
Katechetik<br />
<strong>und</strong> Seelsorge.<br />
Mit ihm sprach<br />
Jörg Schmidt.<br />
die-reformierten.upd@te 01.2 19
Thema Ausbildung im <strong>Reformiert</strong>en Seminar<br />
sehr viel damit<br />
zu tun, die<br />
Arbeit zu organisieren.<br />
Der Pfarrer ist<br />
eben auch<br />
sein eigener<br />
Mitarbeiter.<br />
Die Pfarrerin<br />
muss eben<br />
auch an sich<br />
selbst Perso-<br />
nalentwicklung<br />
betreiben. Die<br />
Fähigkeit in diesemZusammenhang,Schwerpunkte<br />
zu setzen,<br />
halte ich –<br />
gerade aus eigenen<br />
Erfahrungen<br />
– für wesentlich<br />
im Pfarrberuf.<br />
Und das versuche<br />
ich auch zu<br />
vermitteln.<br />
?: Aber ist das denn schon im Vikariat zu<br />
vermitteln? Gehört nicht das Erleben von<br />
»Chaos« dazu, um diese Konsequenz zu verstehen<br />
<strong>und</strong> ziehen zu wollen?<br />
!: Deswegen hat ja auch unser Angebot für<br />
die Fortbildung in den ersten Amtsjahren eine<br />
gute Resonanz gef<strong>und</strong>en. Jetzt kommen die<br />
Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen <strong>und</strong> fragen: Wie war<br />
das damals noch beim Thema Gemeindeaufbau<br />
mit den Schwerpunkten? Wie war das mit meiner<br />
Rolle als »professioneller Nachbar«?<br />
Sie haben jetzt selbst erlebt: Was ich in der<br />
Gemeinde brauche, das sind Neugier <strong>und</strong> Zeit.<br />
Aber Zeit ist ganz schnell verplant <strong>und</strong> verbraucht.<br />
Und dann liegt ein entscheidender<br />
Fehler ganz nahe: Ich beginne über die Zeitknappheit<br />
zu philosophieren oder zu räsonieren.<br />
Und ich vertue so weiterhin viel Zeit,<br />
indem ich nicht lösungsorientiert arbeite, sondern<br />
problemorientiert. Übrigens etwas, was<br />
sich in vielen Arbeitsfeldern<br />
in der<br />
Gemeinde wieder findet,<br />
vor allem in der<br />
Arbeit etlicher Ausschüsse.<br />
Die sind im<br />
übrigen für mich so<br />
etwas wie ein Stau<br />
auf der Autobahn:<br />
Alle wollen irgendwie<br />
weiter, aber völlig<br />
unkoordiniert.<br />
Was ich versuchen<br />
möchte ist also, jungen<br />
Kolleginnen <strong>und</strong><br />
jungen Kollegen zu<br />
helfen, lösungsorientiert<br />
zu arbeiten.<br />
?: Herr Reinstädtler, mit dem Umzug des Seminars<br />
war mit Sicherheit viel zusätzliche Arbeit<br />
verb<strong>und</strong>en. Hat sie sich Ihrer Meinung<br />
nach gelohnt?<br />
!: Auf jeden Fall! Ich bin gerne umgezogen.<br />
Und eigentlich muss ich sagen: Wir alle sind<br />
gerne umgezogen.<br />
Viele haben immer vom Charme des Hauses in<br />
der Mainzerstraße gesprochen. Ohne Zweifel<br />
hatte das alte Seminar diesen gewissen Charme.<br />
Schon der Gedanke, wie viele Pfarrer- <strong>und</strong><br />
Pfarrerinnengenerationen dort ausgebildet<br />
wurden <strong>und</strong> wer das Haus mitgeprägt hat: Jeder<br />
Direktor hat das getan, von Helmut Tacke<br />
über Walter Herrenbrück <strong>und</strong> Eberhard Mechels<br />
bis hin zu Peter Bukowski; <strong>und</strong> jede<br />
»Hausmutter« hat das getan, ob es nun Frau<br />
Weidner war oder Rose Falkenroth oder Yvonne<br />
Johann oder zum Schluss Frau Heltewig.<br />
Und wie viele Geschichten dort zwischen den<br />
Wänden hingen.<br />
Aber im Mobiliar war das auch der mittlerweile<br />
etwas muffig gewordene Charme der<br />
70er. Und das Haus hatte für mich auch so<br />
etwas von einer höhlenartigen Atmosphäre.<br />
Hier dagegen haben wir angemessene Räume,<br />
die eine klaren, offenen <strong>und</strong> hellen Charakter<br />
haben. Hier bilden wir alle gerne aus, hier fällt<br />
es uns leicht, junge Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />
in einer neuen Lebensphase zu begrüßen <strong>und</strong><br />
sie ernst zu nehmen als solche, die sich in der<br />
Praxis versuchen.<br />
!: Herr Reinstädtler, ich danke Ihnen für das<br />
Gespräch.<br />
20 die-reformierten.upd@te 01.2
Generalsekretär rwb<br />
Die Zeit des ersten Pfingstfestes, so steht es in<br />
der Apostelgeschichte, ist die Zeit, in der die<br />
Jünger, erfüllt vom Heiligen Geist ihre Angst<br />
ablegten <strong>und</strong> mutig hinausgingen, um das<br />
Evangelium zu verkünden. Die Rede des Petrus<br />
basiert auf der Prophezeiung des Joel von<br />
einer neuen Zeit, in der der Geist ausgegossen<br />
würde über alles Fleisch; <strong>und</strong> Söhne <strong>und</strong> Töchter<br />
würden prophetisch reden, junge Leute<br />
würden Visionen haben <strong>und</strong> die Alten würden<br />
Träume träumen. Niemand solle ausgeschlossen<br />
sein von dieser versprochenen Ausgießung<br />
des Heiligen Geistes – auch die Sklaven sollten<br />
vom Heiligen Geist <strong>und</strong> von Prophezeiungen<br />
erfüllt sein. Dieses Pfingstfest ist die Erfüllung<br />
von Gottes Versprechen die Schranken niederzureißen<br />
– Schranken des Alters, der sozialen<br />
Schicht, des Geschlechtes oder der Sprache –<br />
<strong>und</strong> alle einzubeziehen.<br />
Es ist interessant festzustellen, dass also auch<br />
in den damaligen patriarchalen Kulturen beide<br />
– Joels Prophezeiung <strong>und</strong> in Anlehnung<br />
daran Petrus in der Apostelgeschichte – betonen,<br />
dass das Versprechen an Frauen <strong>und</strong><br />
Männer gerichtet ist. Es ist gerichtet an Söhne<br />
<strong>und</strong> Töchter. An Sklaven. An jung <strong>und</strong> alt.<br />
Niemand wird außen vor gelassen.<br />
Die Jünger Jesu, die das Pfingstfest erlebten,<br />
waren ängstliche Menschen. Im Johannes-<br />
Evangelium verstecken sie sich hinter verschlossenen<br />
Türen – so konnten sie aber die<br />
Schranken einreißende gute Nachricht nicht<br />
predigen. Die Erfahrung des Pfingstfestes allerdings<br />
änderte alles für sie.<br />
Heute, wenn wir Pfingsten 2001 feiern erscheint<br />
es uns, als ob viele in der <strong>Reformiert</strong>en<br />
Familie immer noch ängstlich wären <strong>und</strong><br />
sich nicht trauen würden die gute Nachricht<br />
zu verkünden, dass unser Herr Jesus Christus<br />
erschienen ist, auf dass alle Leben in Fülle<br />
haben. Das Leben Vieler scheint ein Kompromiss<br />
zu sein in geistlicher, sozialer, ökonomischer<br />
oder kultureller Hinsicht – aber diese<br />
Vielen bleiben stumm. Einige von uns wiederum<br />
leben, als seien sie sich nicht bewusst,<br />
Gefüllt mit neuem Wein<br />
dass die Ausgießung des Heiligen Geistes das<br />
Niederreißen der Schranken <strong>und</strong> Vorurteile<br />
bedeutet <strong>und</strong> uns auffordert, Gottes gute Gaben<br />
an allen seinen Kindern zu erkennen.<br />
Es ist an der Zeit innezuhalten, Bilanz zu ziehen<br />
<strong>und</strong> zu sehen, wo wir enttäuschen. Wir<br />
müssen erkennen, dass der Geist Gottes ausgegossen<br />
wurde auf alle: Frauen <strong>und</strong> Männer,<br />
jung <strong>und</strong> alt, Sklaven <strong>und</strong> Freie. Es ist an der<br />
Zeit sich furchtlos zu engagieren für <strong>und</strong> in<br />
Handlungen, die allen zur Fülle des Lebens<br />
verhelfen. Es ist an der Zeit klar zu sagen, in<br />
welchen Bereichen der Kirche die Gaben Gottes<br />
brach liegen <strong>und</strong> nicht genutzt werden. Es<br />
ist an der Zeit, prophetisch den Ungerechtigkeiten<br />
entgegen zu treten die dem Leben widersprechen,<br />
das wir verkünden. Gottes Geist<br />
wird uns darin bestärken. Wir sind aufgerufen<br />
die Ketten der Angst <strong>und</strong> der Ungerechtigkeit<br />
zu zerbrechen.<br />
Pfingsten erinnert uns daran, dass Kirche zuvorderst<br />
eine geistliche Bewegung ist. Darum<br />
legen wir im <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong> auch besonders<br />
Wert auf die Spiritualität innerhalb<br />
unserer Familie. Es ist unsere Hoffnung, dass<br />
wir alle unser Glauben <strong>und</strong> Handeln vor Gott<br />
verantworten. Das bedeutet nun aber keine<br />
Rückkehr zum Pietismus, der sich abkehrt von<br />
den Herausforderungen, die das tägliche<br />
Leben an uns stellt. Es ist der tiefgreifende<br />
Sinn des Unterwegs-Seins mit Gott, des Hörens<br />
auf Gott, dass wir gestärkt werden: anders<br />
zu sein <strong>und</strong> zu unterscheiden in einer<br />
Welt, die oft genug vergisst, dass wir alle Gott<br />
verantwortlich sind.<br />
Das bedeutet aber auch, dass wir beständig<br />
auf uns selbst achten müssen, um heraus zu<br />
finden, wie wir dem entsprechen. Wir laden<br />
Sie ein, dies in Ihren Kirchen <strong>und</strong> Gemeinden<br />
zu tun - <strong>und</strong> Ihre Antworten, die Sie finden<br />
mit uns zu teilen <strong>und</strong> uns mitzuteilen – mit<br />
Hilfe von »update«. Das neue Gesicht, dass<br />
»die reformierten.update« nun hat, ist kein<br />
Selbstzweck: Es ist das sichtbare Zeichen unseres<br />
Engagements, »update« zu einem Forum<br />
Eine Pfingstpredigt<br />
VON SETRI NYOMI<br />
Die Ausgießung<br />
des Heiligen<br />
Geistes bedeutet<br />
das Niederreißen<br />
der<br />
Schranken <strong>und</strong><br />
Vorurteile <strong>und</strong><br />
fordert uns auf,<br />
Gottes gute<br />
Gaben an allen<br />
seinen Kindern<br />
zu erkennen –<br />
eine zutiefst<br />
spirituelle<br />
Aufgabe, der<br />
sich die<br />
<strong>Reformiert</strong>e<br />
Welt-Familie zu<br />
stellen hat.<br />
die-reformierten.upd@te 01.2 21
wb Gottesdienst<br />
Durch das<br />
Pfingstfest sind<br />
wir beseelt von<br />
dem Geist, die<br />
Schranken der<br />
Ungerechtigkeit<br />
<strong>und</strong> Vorurteile<br />
niederzureißen.<br />
zu machen, in dem wir Erfahrungen miteinander<br />
teilen. Niemand ist davon ausgeschlossen,<br />
denn dieses neue Format wurde eben<br />
auch geschaffen um Ihnen die Möglichkeit<br />
zum Austausch zu geben.<br />
Durch das Pfingstfest sind wir beseelt von<br />
dem Geist, die Schranken der Ungerechtigkeit<br />
<strong>und</strong> Vorurteile niederzureißen. Lasst uns an<br />
Gemeinschaften in der <strong>Reformiert</strong>en Familie<br />
Die Erneuerung des Gottesdienstes steht<br />
momentan auf der Tagesordnung vieler<br />
reformierten Kirchen. Im Januar diesen<br />
Jahres fand eine Konsultation im John Knox<br />
International Reformed Centre in Genf statt<br />
mit dem Titel »Geschichte <strong>und</strong> Erneuerung<br />
des Gottesdienstes in den reformierten<br />
Kirchen«.<br />
25 Teilnehmende aus 15 Ländern befassten<br />
sich mit einem breiten Spektrum von Fragestellungen:<br />
von der Calvin'schen Gottesdienstreform<br />
bis hin zum koreanischpresbyterianischen<br />
Gottesdienst im 20.<br />
Jahrh<strong>und</strong>ert, von den bildenden Künsten <strong>und</strong><br />
dem Umgang mit Sakramenten bis hin zur<br />
Rolle der Frau im Gottesdienst <strong>und</strong> der<br />
sozialen Dimension des Gottesdienstes.<br />
Ein Ziel der Konsultation war die Vorbereitung<br />
eines Buches, das sich mit der<br />
Geschichte, den Erneuerungen <strong>und</strong> den<br />
aktuellen Formen des reformierten Gottesdienstes<br />
befasst. Die für diese Konsultation<br />
verfassten Beiträge werden in den nächsten<br />
Monaten von den Autoren überarbeitet, so<br />
dass man die Hoffnung hegt, dass das Buch<br />
bald erscheinen kann.<br />
Alan Falconer bietet eine reformierte Antwort<br />
auf die Fragestellung der Konsultation,<br />
während Paivi Jussila aus der Perspektive<br />
der lutherischen Schwesterorganisation<br />
Stellung bezieht.<br />
bauen, in denen jung <strong>und</strong> alt, Frauen <strong>und</strong><br />
Männer, Laien <strong>und</strong> Ordinierte ihre von Gott<br />
gegebenen Gaben nutzen, um Träume zu<br />
träumen <strong>und</strong> Visionen zu haben.<br />
Die gute Nachricht von Pfingsten ist Gottes<br />
Gabe an uns, wirksame Profeten zu sein<br />
durch den Heiligen Geist, der uns an Pfingsten<br />
gegeben wurde.<br />
Erneuerung des <strong>Reformiert</strong>en Gottesdienstes<br />
Eine Konsultation des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es im John-Knox-Centre in Genf<br />
Viele<br />
reformierten<br />
Kirchen<br />
beschäftigen<br />
sich zur Zeit mit<br />
Fragen des<br />
Gottesdienstes.<br />
Eine Konsultation<br />
in Genf nahm<br />
jetzt die Fragen<br />
auf <strong>und</strong> wagte<br />
einige Hinweise<br />
– etwa den auf<br />
den Zusammenhang<br />
von Wort<br />
<strong>und</strong> Sakrament<br />
im sonntäglichen<br />
Gottesdienst.<br />
Die Konsultation bot eine gute <strong>und</strong> umfassende<br />
Darstellung der gottesdienstlichen Vielfalt<br />
in den reformierten Kirchen – suchend nach<br />
Formen, die Gottes Offenbarung getreu <strong>und</strong><br />
gleichzeitig relevant in heutigen Kontexten<br />
sind.<br />
Die Auseinandersetzung mit den historischen<br />
Fragestellungen war faszinierend: Es war die<br />
Tendenz bei den KonsultationsteilnehmerInnen<br />
wahrnehmbar, eher einer Bestätigung der<br />
Ansätze <strong>und</strong> Perspektiven Calvins zuzuneigen<br />
als denen anderer Reformatoren.<br />
Durch die verschiedenen Darstellungen im<br />
Laufe der Tagung wurde eine verwirrende<br />
Vielfalt von Formen, Stilen <strong>und</strong> Inhalten des<br />
Gottesdienstes sichtbar, <strong>und</strong> die verschiedenen<br />
geografischen <strong>und</strong> kulturellen Kontexte,<br />
innerhalb derer die reformierten Gemeinden<br />
versuchen, in angemessener Weise Gott die<br />
Ehre zu geben.<br />
Ungeachtet dessen war aber bei den reformierten<br />
Kirchen immer eine unverwechselbare<br />
Art des Zugehens auf mögliche Änderungen<br />
im christlichen Gottesdienst.<br />
Berichte über zeitgenössische Fragestellungen<br />
an die reformierten Kirchen waren anregend<br />
<strong>und</strong> eröffneten neue Einsichten, die die Erfahrung<br />
eines Gottesdienst für viele verstärken<br />
können.<br />
Alan Falconer, Faith and Order Sekretariat<br />
22 die-reformierten.upd@te 01.2
Gottesdienst rwb<br />
Was macht den reformierten<br />
Gottesdienst zu einem reformierten<br />
Gottesdienst?<br />
Vielerlei Veränderungen hat es in letzter Zeit<br />
gegeben im gottesdienstlichen Leben der reformierten<br />
Kirchen, auf Gr<strong>und</strong> von sozialen<br />
Veränderungen ebenso wie auf Bestreben der<br />
liturgischen Bewegung oder des ökumenischen<br />
Dialogs.<br />
Hausandachten nehmen einen geringeren<br />
Stellenwert ein als in früheren Zeiten; Das<br />
klassische reformierte Prinzip »wir feiern Gottesdienst<br />
zu jeder Zeit <strong>und</strong> an jedem Ort« hat<br />
nicht mehr Gültigkeit <strong>und</strong> es gibt Zeichen<br />
eines neuen Bewusstseins <strong>und</strong> Umgehens mit<br />
Symbolen <strong>und</strong> Vorstellungen.<br />
<strong>Reformiert</strong>e Gottesdiensttraditionen werden<br />
mehrstimmiger; eine Pluralität der Stimmen<br />
gab es allerdings auch schon im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />
Was ist es also, das den reformierten<br />
Gottesdienst zu einem reformierten Gottesdienst<br />
macht? Ist es der vielseitige Umgang<br />
mit dem Alten Testament oder der gemeindliche<br />
Psalmgesang? Ist es die Wortbesessenheit?<br />
Oder ist es vielleicht die Tendenz, sich in<br />
vielfältige Richtungen zu zersplittern?<br />
Auf dieser Konsultation haben wir reformierte<br />
Gottesdienst-Traditionen erkannt als lebendige<br />
Traditionen, die sich in Beziehung zu<br />
anderen Traditionen entwickelt haben. Es<br />
scheint keine normative historische Periode<br />
gegeben haben, von der her sich der reformierte<br />
Gottesdienst begründen ließe für alle<br />
Zeiten <strong>und</strong> alle Orte.<br />
Die Konsultation versuchte, einer kontextuellen<br />
Sehnsucht Ausdruck zu verleihen, die in<br />
manchen reformierten Kirchen zu finden ist:<br />
Die Sehnsucht der pazifischen Bevölkerung,<br />
Gottesdienst als Insulaner zu feiern, die Sehnsucht<br />
der Australier, Gottesdienst im Kontext<br />
<strong>und</strong> in Bezugnahme auf ihre Landschaft zu<br />
feiern, die Sehnsucht der Deutschen, Gott ohne<br />
Weitschweifigkeit zu ehren, <strong>und</strong> die Sehnsucht<br />
der Kongolesen, den Klang ihrer traditionellen<br />
Instrumente im Gottesdienst zu vernehmen.<br />
Es gibt eine wachsende Unzufriedenheit<br />
über den Mangel an lokalen Umsetzungen<br />
im reformierten Gottesdienst. Die Gamelan,<br />
ein traditionelles Begleitinstrument<br />
der javanischen Tänze wird immer noch nicht<br />
für würdig erachtet, einen Platz im Gottesdienst<br />
einzunehmen; viele afrikanischen<br />
Sprachen haben das Nachsehen gegenüber<br />
dem King-James-Englisch; <strong>und</strong> Kokospalmen<br />
konkurrieren unter der Sonne Afrikas mit gothischen<br />
Türmen. Dies alles führte zum Nachdenken<br />
<strong>und</strong> zur Suche nach einer Form des<br />
christlichen Gottesdienstes der einerseits Gottes<br />
Wort getreu ist <strong>und</strong> andererseits den verschiedenen<br />
Kulturen gerecht wird. In den reformierten<br />
Kirchen, eigentlich in allen christlichen<br />
Kirchen, stellt die Kontextualisierung<br />
des Gottesdienstes eine der größten Herausforderungen<br />
dar.<br />
Die Konsultation bezeugte, dass Gottes Wort<br />
<strong>und</strong> Sakrament das Herz des kirchlichen Lebens<br />
ist. Es wurde aber auch eingeräumt, dass<br />
die reformierten Kirchen in dieser Beziehung<br />
zu Einseitigkeit neigen. Wenn man die Sakramente<br />
vernachlässigt, dann besteht immer die<br />
Gefahr der Degeneration in eine Kirche des<br />
reinen Wortes. »Es mag sein, dass unsere Geschichte<br />
der wachsenden Trennungen, die<br />
immer aus Disputen um das Wort entstanden<br />
sind, <strong>und</strong> mit dem Wort ausgefochten wurden«,<br />
räumte Joseph D. Small von der Presbyterian<br />
Church (USA) ein, »ein Resultat ist unseres<br />
Mangels, unseres Versäumnisses, eine<br />
Kirche von Wort <strong>und</strong> Sakrament zu sein«.<br />
Ausdrückliche Unterstützung erfuhr (auf der<br />
Konsultation) die Bestrebung hin zu einer reformierten<br />
Wiederentdeckung der Fülle von<br />
Wort <strong>und</strong> Sakrament. Aber zu diesem Zweck<br />
muss die lebenssprühende sakramentale<br />
Theologie <strong>und</strong> Praxis bewahrt werden. Ein<br />
konkretes <strong>und</strong> angemessenes Zeichen für<br />
diese Erneuerungsbewegung wäre ein häufigeres<br />
Feiern des Heiligen Abendmahls in den<br />
reformierten Kirchen.<br />
Paivi Jussila, Lutherischer Weltb<strong>und</strong><br />
»Es mag sein, dass<br />
unsere Geschichte<br />
der wachsenden<br />
Trennungen, die<br />
immer aus Disputen<br />
um das Wort<br />
entstanden sind,<br />
<strong>und</strong> mit dem Wort<br />
ausgefochten<br />
wurden, ein<br />
Resultat ist unseres<br />
Mangels, unseres<br />
Versäumnisses,<br />
eine Kirche von<br />
Wort <strong>und</strong> Sakrament<br />
zu sein«.<br />
die-reformierten.upd@te 01.2 23
wb Lateinamerika<br />
Befreit zum Frieden<br />
Vierte Generalversammlung der Konferenz Lateinamerikanischer Kirchen<br />
In Kolumbien<br />
trafen sich im<br />
Januar<br />
Vertreterinnen<br />
<strong>und</strong> Vertreter<br />
reformierter<br />
Kirchen Lateinamerikas.<br />
Die<br />
sozialen Probleme<br />
der Region<br />
bildeten einen<br />
Schwerpunkt.<br />
Ein anderer war<br />
die Frage, was<br />
die theologische<br />
Aufgabe dieses<br />
Zusammenschlussesreformierter<br />
Kirchen<br />
sein könne.<br />
Schließlich ging<br />
es auch um eine<br />
mögliche<br />
Öffnung gegenüber<br />
den stark<br />
wachsenden<br />
pfingstlerischen<br />
Gemeinden in<br />
Lateinamerika.<br />
»Hier in Kolumbien haben wir die Brutalität<br />
eines Bruderkrieges gesehen, der Frauen zu<br />
Witwen <strong>und</strong> Kinder zu Waisen macht, der die<br />
Freiheit attackiert, die Lebensvielfalt zerstört<br />
<strong>und</strong> die gesamte Gesellschaft militarisiert«, so<br />
steht es im Abschlussdokument der vierten<br />
Generalversammlung der Konferenz Lateinamerikanischer<br />
Kirchen (CLAI), die im Januar<br />
in Barranquilla, Kolumbien stattgef<strong>und</strong>en hat.<br />
Der anhaltende Krieg zwischen den Regierungstruppen,<br />
den rechten paramilitärischen<br />
Truppen <strong>und</strong> der linken Guerilla hat Zehntausenden<br />
das Leben gekostet <strong>und</strong> mehr als zwei<br />
Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben.<br />
»Es ist sündhaft <strong>und</strong> pervers«, so heißt es<br />
weiter, »dass einige Teile der kolumbianischen<br />
Gesellschaft es so darstellen, als sei Krieg der<br />
einzige Weg aus dem Konflikt, dessen Wurzeln<br />
in einer sozioökonomischen Ungleichheit<br />
liegt« – <strong>und</strong> drückt damit die Besorgnis aus,<br />
die Regierungsstrategie könne dazu führen,<br />
dass der Krieg auch in die benachbarten Länder,<br />
wie Ecuador, getragen wird.<br />
Zur Generalversammlung hatten sowohl der<br />
Präsident Andras Pastrana als auch die Nationale<br />
Befreiungsarmee, eine der zwei großen<br />
Guerilla-Truppen, ihre schriftlichen Grüße<br />
übermittelt. Aber Milciades Pua, presbyterianischer<br />
Pfarrer in Barranquilla, warnte, vorsichtig<br />
mit den Grüßen des Präsidenten umzugehen:<br />
»Die Hand, die diesen Brief unterzeichnet<br />
hat, ist die gleiche Hand, die auch<br />
den Plan Columbia unterzeichnet hat – einen<br />
Plan der unsere Bevölkerung tötet, den Krieg<br />
intensiviert, die Bauern <strong>und</strong> ihr Land zerstört<br />
<strong>und</strong> der verantwortlich ist für noch mehr<br />
Flüchtlinge innerhalb unserer Gesellschaft«.<br />
Plan Columbia ist ein von den USA unterstützte<br />
Anti-Drogen <strong>und</strong> Anti-Krieg-Strategie,<br />
die von Pastrana verfochten wird. Ursprünglich<br />
lag der Schwerpunkt des Planes<br />
auf möglichen ökonomischen Alternativen in<br />
den ländlichen Gegenden. Hier ist die Wirtschaft<br />
immer noch abhängig vom Anbau von<br />
Coca, das die Basis zur Kokain-Herstellung<br />
bildet. Der Plan Columbia sieht in der Version<br />
der USA eine Unterstützung der Strategie<br />
durch das Militär vor. Der größte Teil der 1,3<br />
Mrd. Dollar Hilfe der USA wird auf 63 hochtechnisierte<br />
Hubschrauber für das kolumbianische<br />
Militär <strong>und</strong> die Polizei verwandt <strong>und</strong><br />
für die Verstärkung der Militärpräsenz der<br />
USA. »Im Plan Columbia kommt alles zu kurz,<br />
was einen Krieg verhindern bzw. beenden<br />
könnte: Menschenrechte, Gerechtigkeit <strong>und</strong><br />
ein demokratisches System«, so erläutert Lilia<br />
Solano, Präsidentin der Lateinamerikanischen<br />
Bruderschaft der Theologen, vor der Generalversammlung,<br />
»daher dient die Hilfe der USA<br />
nicht dazu, den Krieg zu beenden, sondern<br />
vielmehr, ihn zu intensivieren <strong>und</strong> zu verschlimmern«.<br />
Ein Großteil der Hilfe aus Washington<br />
würde letztlich wieder auf US-Bankkonten<br />
landen.<br />
»Die Kirchen Kolumbiens haben sehr diskret<br />
<strong>und</strong> ängstlich begonnen, aber sie haben begonnen,<br />
zur Konfliktlösung beizutragen«, so<br />
erklärte Milton Mejia, Generalsekretär der<br />
Presbyterian Church of Columbia. Die Kirchen<br />
sind von je her direkt betroffen von der anhaltenden<br />
Gewalt: Kirchengebäude wurden<br />
geschlossen, Pfarrer ermordet <strong>und</strong> ganze Gemeinden<br />
vertrieben. »Wir können am besten<br />
zu einem möglichen Frieden beitragen, wenn<br />
wir uns in der zivilen Gesellschaft engagieren<br />
<strong>und</strong> dort die Suche nach Lösungen unterstützen«,<br />
so Mejia, »Kolumbien muss mit einbezogen<br />
werden in die Lösung der Probleme, man<br />
darf es nicht nur der Regierung, der Armee,<br />
den Guerilla <strong>und</strong> den paramilitärischen Truppen<br />
überlassen«.<br />
Die Konferenz Lateinamerikanischer Kirchen<br />
(CLAI) wurde 1978 in Oaxtepec, Mexiko gegründet<br />
<strong>und</strong> hat mittlerweile mehr als 150<br />
Mitgliedskirchen in 21 Ländern in Lateinamerika<br />
<strong>und</strong> in der Karibik.<br />
»Diese Kirchen«, so betont der theologische<br />
Sekretär des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es, der<br />
Brasilianer Odair Pedroso Mateus, »teilen eine<br />
gemeinsame ökonomische Ausgangssituation,<br />
die gekennzeichnet ist von Unterentwicklung;<br />
sie teilen einen kulturellen backgro<strong>und</strong>, der<br />
gekennzeichnet ist von der iberischen (<strong>und</strong><br />
später englischen <strong>und</strong> nordamerikanischen)<br />
Gewalt gegen Eingeborene <strong>und</strong> afrikanische<br />
Menschen; <strong>und</strong> sie teilen eine religiöse Situa-<br />
24 die-reformierten.upd@te 01.2
Lateinamerika rwb<br />
tion, die gekennzeichnet ist von einer Vormachtstellung<br />
der römisch-katholischen Kirche,<br />
die heute mehr denn je in Frage gestellt<br />
wird angesichts der Entwicklung eines religiösen<br />
Pluralismus – was sich auch am rapiden<br />
Wachstum der Pfingst-Gemeinden erkennen<br />
lässt <strong>und</strong> – wenig beachtet aber sehr signifikant<br />
– am Anwachsen der afro-amerikanischen<br />
Religionen.«<br />
In seiner programmatischen Rede auf einer<br />
Missionskonsultation, die der CLAI-Versammlung<br />
voranging, konfrontierte Arturo<br />
Piedra den CLAI mit einigen unangenehmen<br />
Wahrheiten: Es sei unpassend, neue oder alternative<br />
Möglichkeiten zu diskutieren, zumal<br />
in Kombination mit »arrogantem Bestreben«,<br />
den historisch-gewachsenen Kirchen zu erklären,<br />
»wo's lang geht«. CLAI habe sich auch<br />
weder einen Gefallen damit getan, den Eindruck<br />
zu erwecken, dass man – teilweise<br />
reichlich unkritisch – die Agenda der politischen<br />
Linken übernehme, noch durch soziale<br />
Veränderungen, ohne damit Nutzen <strong>und</strong> Sinn<br />
von Glauben angemessen Ausdruck zu verleihen.<br />
»Es scheint aus dem Blickfeld verschw<strong>und</strong>en<br />
zu sein, dass die Verkündigung<br />
des Evangeliums Einzelne ebenso betrifft wie<br />
gesellschaftliche Gruppen, Familien ebenso<br />
wie politische Institutionen«, so ergänzte er.<br />
Piedra, Professor für Theologie <strong>und</strong> Kirchengeschichte<br />
an der lateinamerikanischen Universität<br />
in San Jose, Costa Rica, hat im vergangenen<br />
Jahr bei der »mobilen Theologischen<br />
Fakultät« mitgearbeitet, einer vom <strong>Reformiert</strong>en<br />
Weltb<strong>und</strong> unterstützten Einrichtung,<br />
die Klassen in ganz Äquatorial-Guinea<br />
unterrichtete. Piedra, der den <strong>Reformiert</strong>en<br />
Weltb<strong>und</strong> bei den Gesprächen mit den Siebenten-Tags-Adventisten<br />
vertreten wird,<br />
wurde 1985 von der nationalen Vereinigung<br />
der Costa Ricanischen Kirchen ausgezeichnet<br />
für seine progressiven Ansichten. Er ist Mitbegründer<br />
der Bruderschaft der Evangelischen<br />
Kirchen von Costa Rica, die seit 1992<br />
Mitglied des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es ist.<br />
Piedra lobte CLAI für den »Einsatz für marginalisierte<br />
Mehrheiten sowie für die Bewertung<br />
des theologischen Denkens in Lateinamerika«.<br />
Aber, so fügte er hinzu, es sei »absurd«, Positionen<br />
zu vertreten, die letztlich in einem<br />
Profetentum ohne Menschen <strong>und</strong> einem Radikalismus<br />
enden würden, dessen Angebote<br />
<strong>und</strong> dessen Sprache von nur wenigen verstanden<br />
würde.<br />
CLAI müsse »den Horizont der Kirchen erweitern«,<br />
aber eher mit seelsorgerlichem Weitblick<br />
als im Besetzen von Vorreiterpositionen<br />
<strong>und</strong> rhetorischem Messianismus <strong>und</strong> vor<br />
allem ohne denjenigen ein Etikett anzuhängen,<br />
die mit diesen Standpunkten nicht übereinstimmten.<br />
Die Zukunft von CLAI hänge<br />
maßgeblich von deren Relevanz für die Kirchen<br />
ab.<br />
Die Schritte, CLAI zu öffnen, etwa auch für<br />
die pfingstlerischen Kirchen, deren Anzahl<br />
einen rasanten Anstieg in ganz Lateinamerika<br />
verzeichnet, wurden von der Generalversammlung<br />
unterschiedlich aufgenommen.<br />
»Der Pfingstglaube hat auch den ›alten‹ Kirchen<br />
viel zu bieten«, so Carlos Tamez, Professor<br />
am presbyterianischen Theologischen Seminar<br />
in Mexiko. »Die Kirchen haben sich<br />
immer mehr festgelegt in liturgischer Struktur,<br />
in Doktrin <strong>und</strong> Disziplin – was uns daran<br />
gehindert hat, das Evangelium wirklich zu<br />
leben. Pfingstglaube kann uns helfen, näher<br />
zur Spiritualität der Menschen, der armen<br />
Menschen zu gelangen«. Pfingstler seien nicht<br />
alle gleich, so betonte Tamez. »Es gibt neue<br />
Strömungen: Neo-Pfingstler oder jene, die an<br />
den spirituellen Krieg glauben, jene die eine<br />
Theologie des Wohlstandes vertreten – mit<br />
der man sich genau auseinandersetzen muss<br />
<strong>und</strong> die man gegebenenfalls auch zu kritisieren<br />
haben wird«, so führte er aus. »Wir müssen<br />
uns den neuen Dimensionen des Glaubens<br />
in unserer Region stellen«, fuhr er fort,<br />
»was aber nicht heißt, dass wir die Projekte<br />
von CLAI aufgeben, deren Schwerpunkt Gerechtigkeit<br />
<strong>und</strong> Solidarität sind. ... Aber wir<br />
müssen uns öffnen für neue Kontexte <strong>und</strong><br />
neue Möglichkeiten, die dieses neue Millennium<br />
mit sich bringt«.<br />
Die reformierten TeilnehmerInnen der Generalversammlung<br />
zeigten sich verhalten optimistisch<br />
gegenüber den Ergebnissen der Tagung:<br />
»Wir haben zu akzeptieren, dass die<br />
Öffnung von CLAI hin auf die jungen Kirchen<br />
nichts ist, das unser traditionelles Zeugnis<br />
verwässern wird«, so drückte es Noemi Espinoza,<br />
Delegierte der reformierten Kirche der<br />
Honduras <strong>und</strong> erste Vizepräsidentin des<br />
neuen Exekutivausschusses aus, »sondern wir<br />
müssen diese Hoffnung begreifen als etwas,<br />
das unseren Glauben vertieft, unsere soziale<br />
Zeugenschaft stärkt <strong>und</strong> Widerhall findet in<br />
unserer profetischen Stimme.«<br />
Die Kirchen teilen<br />
eine gemeinsame<br />
ökonomische Ausgangssituation,<br />
die<br />
gekennzeichnet ist<br />
von Unterentwicklung;<br />
sie teilen<br />
einen kulturellen<br />
backgro<strong>und</strong>, der<br />
gekennzeichnet ist<br />
von der iberischen<br />
(<strong>und</strong> später englischen<br />
<strong>und</strong> nordamerikanischen)<br />
Gewalt gegen<br />
Eingeborene <strong>und</strong><br />
afrikanische Menschen;<br />
<strong>und</strong> sie<br />
teilen eine religiöse<br />
Situation, die<br />
gekennzeichnet<br />
ist von einer<br />
Vormachtstellung<br />
der römisch-katholischen<br />
Kirche.<br />
die-reformierten.upd@te 01.2 25
wb <strong>Reformiert</strong>e Ökumene<br />
Vereint im Lobpreis<br />
Treffen von <strong>Reformiert</strong>em Weltb<strong>und</strong> (RWB) <strong>und</strong> <strong>Reformiert</strong>em Ökumenischem Konzil (REC)<br />
VON PÁRAIC RÉAMONN<br />
Neben dem<br />
<strong>Reformiert</strong>en<br />
Weltb<strong>und</strong> gibt es<br />
auf Weltebene<br />
auch noch das<br />
kleinere <strong>Reformiert</strong>eÖkumenische<br />
Konzil,<br />
den Zusammenschluss<br />
von 38<br />
reformierten<br />
Kirchen. Über<br />
sinnvolle wie<br />
notwendige<br />
Kooperationen<br />
haben sich jetzt<br />
Vertreter beider<br />
Kirchen verständigt.<br />
Vertreter des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es <strong>und</strong><br />
des Reformed Ecumenical Council – <strong>Reformiert</strong>es<br />
Ökumenisches Konzil – (REC) trafen<br />
sich im Januar in Genf zu einer gemeinsamen<br />
Arbeitsgruppe.<br />
»Wir waren sehr erfreut über die fre<strong>und</strong>liche<br />
Aufnahme durch unsere Gastgeber«, sagte Richard<br />
van Houten, Generalsekretär des REC,<br />
das seinen Sitz in Grand Rapids, Michigan<br />
(USA) hat. »Wir glauben, dass eine neue Offenheit<br />
für eine Kooperation oder auch Zusammenarbeit<br />
zwischen unseren beiden Organisatioen<br />
besteht!«<br />
»Wir betonen, was wir als reformierte Organisationen<br />
gemeinsam haben <strong>und</strong> die Komplementarität<br />
unserer Arbeitsformen«, sagte Setri<br />
Nyomi, der Generalsekretär des <strong>Reformiert</strong>en<br />
Weltb<strong>und</strong>es. »Dieses Treffen – <strong>und</strong> auch das<br />
vorangegangene vor zwei Jahren – ist ein<br />
Zeichen des wiederholten Engagements des<br />
RWB <strong>und</strong> des REC, unsere Mitgliedskirchen<br />
zu unterstützen, verfügbare Ressourcen nutzbar<br />
zu machen <strong>und</strong> nicht die Anstrengungen<br />
doppelt zu betreiben.«<br />
Die beiden internationalen Gemeinschaften<br />
haben zwar recht unterschiedliche Wurzeln,<br />
fanden aber in den letzten 50 Jahren immer<br />
näher zusammen.<br />
Ein Zeichen der Gemeinsamkeit<br />
ist die<br />
anwachsende Zahl<br />
von Übereinstimmungen<br />
bei ihren<br />
jeweiligen Mitgliedern:<br />
23 der 38<br />
REC-Mitgliedskirchen<br />
sind auch Mitglied<br />
beim RWB<br />
(214 Mitgliedskirchen).<br />
»Dies unterstreicht die Notwendigkeit<br />
einer Zusammenarbeit«, betonte Setri Nyomi.<br />
Von Seiten des REC nahmen an dem Treffen<br />
Douwe Visser vom REC-Exekutivausschuss<br />
<strong>und</strong> Jim Lont, REC-Sekretär für Jugendarbeit<br />
<strong>und</strong> christliche Erziehung, teil. Den Reformier-<br />
ten Weltb<strong>und</strong> vertraten Pieter Holtrup <strong>und</strong> Gunilla<br />
Gunner vom Exekutivausschuss.<br />
Das Treffen war das zweite dieser Art: Bereits<br />
im Oktober 1998 hatte man das Gespräch<br />
wieder aufgenommen, nachdem man zuvor<br />
bereits zweimal, 1967 <strong>und</strong> 1987 Versuche<br />
unternommen hatte, ins Gespräch zu kommen.<br />
Aber bei den beiden zurückliegenden<br />
Treffen schien das Interesse bereits nach<br />
einem Treffen zu »erlahmen«, nunmehr<br />
scheint das gegenseitige Interesse jedoch<br />
tragfähiger zu sein.<br />
Gemeinsame Programme für verschiedene<br />
Arbeitsfelder könnten das Ergebnis der Treffen<br />
sein, etwa für das Projekt »Mission in<br />
Unity«, in dem REC <strong>und</strong> RWB ein langjähriges<br />
gemeinsames Interesse verbindet, oder für<br />
Themen wie Jugendarbeit, internationale Dialoge,<br />
christliche Erziehung, theologische Ausbildung,<br />
Frauen im Amt, das kirchliche Engagement<br />
für Gerechtigkeit in Ökonomie <strong>und</strong><br />
Ökologie <strong>und</strong> die interreligiösen Beziehungen.<br />
Verbesserte Kommunikationsstrukturen <strong>und</strong><br />
eine Vernetzung werden ebenso ein Ergebnis<br />
des Treffens sein wie die Beteiligung an verschiedenen<br />
Studienprozessen.<br />
Beide, REC <strong>und</strong> RWB, planen für das Jahr<br />
2004 die nächste Generalversammlung bzw.<br />
das nächste Generalkonzil. Daher lag es auf<br />
der Hand, dass bei dem Treffen in Genf auch<br />
über Chancen <strong>und</strong> Möglichkeiten der gemeinsamen<br />
Planung nachgedacht wurde. Gemeinsame<br />
Themen wären eine Möglichkeit, die Organisationen<br />
einander näher zu bringen.<br />
Die Vertreter des REC, die an diesem Treffen<br />
teilnahmen, nutzten die Möglichkeit, nicht<br />
nur das organisatorische »Gegenstück«, den<br />
<strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong> zu besuchen, sondern<br />
auch ganz direkt die Mitarbeitenden <strong>und</strong> die<br />
Büros in Augenschein zu nehmen. »Menschen,<br />
Orte, Papier«, so sinnierte Jim Lont,<br />
»man kann zwar das Geschriebene zu Kenntnis<br />
nehmen, aber man kann es erst wirklich<br />
verstehen, wenn man den Menschen an ihrem<br />
jeweiligen Ort begegnet ist. Diese Möglichkeit<br />
26 die-reformierten.upd@te 01.2
Menschenrechte rwb<br />
hatten wir in Genf. Unsere Gebet füreinander<br />
haben nun ›ein Gesicht bekommen‹ <strong>und</strong> Gott<br />
weiß, dass wir nunmehr wissen, von was wir<br />
sprechen. Wir können die fre<strong>und</strong>lichen <strong>und</strong><br />
hart arbeitenden Menschen hier in Genf nur<br />
wenig unterstützen, aber sie in unser Herz<br />
schließen – denn sie sind wie wir.«<br />
Richard van Houten schlägt aber auch vorsichtigere<br />
Töne an: »Dieses Treffen waren ein<br />
guter Beginn, aber wirkliche Zusammenarbeit<br />
benötigt mehr Kommunikation <strong>und</strong> auch vertrauensbildende<br />
Maßnahmen. Die Mitglieder<br />
des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es sollten vor<br />
Augen haben, dass der Größenunterschied<br />
dazu führt, dass der REC immer etwas in eine<br />
Situation zu geraten befürchtet, in der seine<br />
Interessen vom größeren Partner schlicht ge-<br />
Der <strong>Reformiert</strong>e Weltb<strong>und</strong> nimmt bereits seit<br />
Jahren an den jährlichen Treffen des UN-<br />
Kommissars für Menschenrechte teil <strong>und</strong> hat<br />
auch bereits mehrfach von der Möglichkeit<br />
Gebrauch gemacht, mündliche Eingaben zu<br />
machen. Seit dem letzten Jahr gewährt uns<br />
das Ökonomische <strong>und</strong> Soziale Konzil einen<br />
»besonderen konsultativen Status«, der es uns<br />
gestattet, schriftliche Eingaben an die Menschenrechtskommission<br />
zu machen. In der ersten<br />
Eingabe, die wir für das diesjährige Treffen<br />
der Kommission vorbereitet hatten, hat<br />
der Weltb<strong>und</strong> die Herausforderung, die die<br />
Globalisierung für die Internationale Übereinkunft<br />
über ökonomische, soziale <strong>und</strong> kulturelle<br />
Rechte (1966), hier insbesondere Artikel<br />
11 (das Recht Aller auf einen adäquaten Lebensstandard)<br />
<strong>und</strong> Artikel 15 (das Recht Aller<br />
auf Teilhabe am kulturellen Leben <strong>und</strong> an den<br />
Fortschritten auf wissenschaftlichen Gebiet),<br />
bedeutet, als Schwerpunkt benannt.<br />
schluckt werden könnten. Wir freuen uns auf<br />
eine gute zukünftige Zusammenarbeit, aber<br />
wir werden Zeit brauchen um einen Weg zu<br />
finden, der beiden Organisationen dienlich<br />
ist.«<br />
»In einer Welt, die nur zu oft verwirrt ist über<br />
die verschiedenen Teile <strong>und</strong> Aufteilungen innerhalb<br />
der <strong>Reformiert</strong>en Familie beschreibt<br />
dieses Treffen ein deutliches Engagement der<br />
beiden Organisationen auf dem Weg zur Zusammenarbeit<br />
zur Ehre Gottes«, so Setri Nyomi.<br />
»Ich begrüße diesen Schritt <strong>und</strong> bleibe<br />
offen für den Weg, den unsere Gespräche<br />
nehmen werden - unter Führung des Heiligen<br />
Geistes«.<br />
Das nächste gemeinsame Treffen wird im<br />
Oktober 2002 stattfinden.<br />
»In der jüdisch-christlichen Tradition gibt es<br />
eine Vision, gemäß der alle 50 Jahre – regelmäßig<br />
– die Erde vom Fruchtertrag ruht, in<br />
der Schulden erlassen <strong>und</strong> Sklaven freigelassen<br />
werden <strong>und</strong> das Land an die ursprünglichen<br />
Besitzer zurück gegeben wird. (3. Mose<br />
28, 8-54)«, heißt es in der Eingabe des Weltb<strong>und</strong>es.<br />
Diese Tradition des »Jobeljahres« ist<br />
eng verknüpft mit dem Bestreben nach einer<br />
Erneuerung von wirtschaftlichem Verhalten<br />
<strong>und</strong> damit auch mit dem Bestreben, die<br />
gr<strong>und</strong>legenden Lebensressourcen allen zugänglich<br />
zu machen, nicht nur den Privilegierten.<br />
Der Weltb<strong>und</strong> schließt sich hier der Äußerung<br />
von Papst Johannes Paul II an, die besagt, das<br />
»die Förderung von Gerechtigkeit eine Herzensangelegenheit<br />
einer solidarischen Kultur«<br />
sei <strong>und</strong> zitiert aus der Enzyklika Centesimus<br />
Annus: es bedarf »der Hilfe für die Menschen,<br />
die von einem Zugang zu ökonomischen <strong>und</strong><br />
»In einer Welt, die<br />
nur zu oft verwirrt<br />
ist über die die<br />
verschiedenen<br />
Aufteilungen<br />
innerhalb der<br />
<strong>Reformiert</strong>en<br />
Familie beschreibt<br />
dieses Treffen ein<br />
deutliches<br />
Engagement auf<br />
dem Weg zur<br />
Zusammenarbeit<br />
zur Ehre Gottes«<br />
Recht auf ein Leben ohne Hunger –<br />
<strong>und</strong> noch viel mehr<br />
Eine Eingabe des RWB an die Menschenrechtskommission<br />
VON PÁRAIC RÉAMONN<br />
Sein<br />
Engagement für<br />
die Menschenrechte<br />
nimmt<br />
der RWB auch<br />
wahr in der UN-<br />
Menschenrechts<br />
kommission, für<br />
deren Sitzung er<br />
eine Eingabe<br />
vorgelegt hat.<br />
die-reformierten.upd@te 01.2 27
wb Menschenrechte<br />
Als eine<br />
Gemeinschaft der<br />
Gläubigen <strong>und</strong> als<br />
ein Teil der zivilen<br />
Gesellschaft ist der<br />
Weltb<strong>und</strong> betroffen<br />
über die<br />
Auswirkungen der<br />
Globalisierung auf<br />
den größten Teil der<br />
Weltbevölkerung.<br />
menschlichen Entwicklungsmöglichkeiten<br />
ausgeschlossen sind. Dafür reicht es aber<br />
nicht, auf die überschüssigen Güter zurückzugreifen,<br />
die unsere Erde so überreichlich produziert;<br />
es bedarf einer Änderung des Lebensstils,<br />
der Produktionsformen <strong>und</strong> des Konsumverhaltens<br />
<strong>und</strong> es bedarf einer Änderung<br />
der etablierten Machtstrukturen derer, die die<br />
Gesellschaft derzeit beherrschen«.<br />
Als eine Gemeinschaft der Gläubigen <strong>und</strong> als<br />
ein Teil der zivilen Gesellschaft ist der Weltb<strong>und</strong><br />
betroffen über die Auswirkungen der<br />
Globalisierung auf den größten Teil der Weltbevölkerung.<br />
Es ist offensichtlich, dass die Liberalisierung<br />
des Handels, den die Welthandelsorganisation<br />
(WTO) betreibt, nicht unwesentlich<br />
beiträgt zur Verarmung <strong>und</strong> zu den<br />
unhaltbaren Zuständen in den Ländern der<br />
südlichen Hemisphere <strong>und</strong> zu den wachsenden<br />
Ungleichheiten der Einkommensstrukturen<br />
in allen Ländern der Erde.<br />
Dies habe Auswirkungen auf die Anwendung<br />
des Art. 11, so der <strong>Reformiert</strong>e Weltb<strong>und</strong>:<br />
»Obwohl lediglich der Art. 11 explizit ausdrückt:<br />
›Die Staaten werden die geeigneten<br />
Schritte unternehmen, um die Realisierung<br />
dieses Rechtes sicherzustellen, in Anerkennung<br />
der gr<strong>und</strong>legenden Wichtigkeit internationaler<br />
Kooperation, basierend auf freier Zustimmung‹,<br />
müsste dies, als Folge, auch für<br />
die anderen Artikel gelten, wo immer das<br />
Handeln eines Landes Auswirkungen auf Teilhabe<br />
an ökonomischen, sozialen <strong>und</strong> kulturellen<br />
Rechten in anderen Ländern hat«.<br />
Dadurch veranlasst die Übereinkunft die unterzeichnenden<br />
Staaten nicht nur zum Tätigwerden<br />
innerhalb der eigenen Grenzen, sondern<br />
auch zur internationalen Zusammenarbeit,<br />
um eine Umsetzung sicherzustellen.<br />
Artikel 11,2 befasst sich ausdrücklich mit dem<br />
Recht, frei von Hunger zu sein – aber neoliberale<br />
Marktmechanismen regeln den Zugang zu<br />
Nahrung mittels Kaufkraft – so gehen die Armen<br />
zwangsläufig »leer aus«. Der globalisierte<br />
Handel mit Nahrung führt zu einer langen<br />
Kette von Kauf <strong>und</strong> Weiterverkauf, während<br />
die Ärmsten der Armen auf kurze Wege der<br />
Nahrung angewiesen sind <strong>und</strong> auf Schutz vor<br />
einer Abhängigkeit von Wechselkursen: Die<br />
Nahrung, die innerhalb des eigenen Landes<br />
wächst <strong>und</strong> verkauft <strong>und</strong> verbraucht wird,<br />
»verschlingt« keine teuer importierten Devisen.<br />
Das Recht auf geistiges Eigentum ist Gegenstand<br />
von Artikel 11.5.c. Der <strong>Reformiert</strong>e Welt-<br />
b<strong>und</strong> macht darauf aufmerksam, dass ein<br />
mögliches Patent auf Leben den Zugang zu<br />
agrikulturellen Gütern für die Armen stark beschränken<br />
würde: Zugang zu Gütern, die sie<br />
brauchen <strong>und</strong> die normaler Weise auch in ihrer<br />
Kultur <strong>und</strong> Umgebung verwurzelt sind. Dies<br />
bedeutet vor allem eine Gefahr für die gewachsenen<br />
eingeborenen Gemeinschaften.<br />
Der Weltb<strong>und</strong> bedauert die von der WTO<br />
unterstützte Tendenz, das Recht auf geistiges<br />
Eigentum vom Autor auf den Verleger oder<br />
Vertrieb zu verlagern <strong>und</strong> stimmt daher eher<br />
mit der Sicht überein, die die Weltorganisation<br />
für geistiges Besitztum (WIPO) vertritt:<br />
»Unsere Stellungnahme beruht auf der Überlegung,<br />
was das Herz des intellektuellen Besitzes<br />
ist: Das Schaffen, das kreative Element,<br />
nicht der Vertrieb. Das Ziel muss letztlich<br />
sein, den Autor zu entlohnen, nicht den Vertrieb<br />
oder die Ausbeutung der kreativen Arbeit<br />
zu privilegieren.«<br />
Die Eingabe des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es<br />
unterstreicht die Verbindung zwischen den<br />
Artikel 11 <strong>und</strong> 15: »Die christliche Tradition<br />
kennt <strong>und</strong> erkennt die zentrale Rolle, die die<br />
Nahrung in einer Gemeinschaft spielt. Gemeinschaft<br />
<strong>und</strong> Wohlergehen sind gr<strong>und</strong>legende<br />
Element einer jeden Kultur«. Im Johannes-Evangelium<br />
ist die erste Zeichenhandlung<br />
Jesu’, die Verwandlung von Wasser in<br />
Wein (Joh. 2,1-11).<br />
Die Vereinbarungen der WTO widersprechen<br />
an manchen Stellen der Übereinkunft der UN-<br />
Menschenrechtskommission. Die Vereinbarung<br />
enthält auch Bestimmungen, die dem<br />
kategorischen Schutz der Menschenrechte (s.<br />
Art. XX des GATT-Abkommens) entsprechen<br />
– aber sie wurden nicht gemäß den Prinzipien<br />
des Internationalen Rechts <strong>und</strong> der bindenden<br />
rechtlichen Normen der Übereinkunft umgesetzt<br />
<strong>und</strong> interpretiert.<br />
»Dem Schutz der Menschenrechte muss innerhalb<br />
der UN-Organisationen wieder der adäquate<br />
Stellenwert eingeräumt werden«, so<br />
schreibt der Weltb<strong>und</strong> in seiner Eingabe an<br />
die UN-Menschenrechtskommission im Blick<br />
auf die Welthandelsorganistaion WTO. »Wir<br />
brauchen hierfür ein Kontrollsystem <strong>und</strong> wir<br />
brauchen UN-Organisationen, die verantwortlich<br />
für die Umsetzung der Menschenrechte<br />
sind – <strong>und</strong> die die Stärke haben, dies<br />
auch zu tun. Die UN-Kommission für Menschenrechte<br />
ist besonders geeignet, diesen<br />
Gegenpart zu übernehmen.<br />
28 die-reformierten.upd@te 01.2
Frühjahrstagung Geschichte des <strong>Reformiert</strong>en Protestantismus<br />
<strong>Reformiert</strong> in Geschichte <strong>und</strong> Gegenwart<br />
Dritte Emder Tagung zur Geschichte des <strong>Reformiert</strong>en Protestantismus<br />
VON GESINE VON KLOEDEN<br />
Die Johannes a Lasco Bibliothek zu Emden<br />
umfasst Bücher aus einem über 450 Jahre<br />
alten Archiv bis hin zu einem Internet-Informationssystem<br />
für den weltweiten reformierten<br />
Protestantismus. Ihr Gebäude, die Ruine<br />
der ehemaligen Großen Kirche, ist eine gelungene<br />
Kombination aus altem Klinker <strong>und</strong><br />
modernster Glasbautechnik. Beide, die Bibliothek<br />
<strong>und</strong> ihr Gebäude, sind ein Zeichen für<br />
die Kohärenz von Geschichte <strong>und</strong> Moderne<br />
<strong>und</strong> haben Symbolwert für die Dritte Emder<br />
Tagung zur Geschichte des <strong>Reformiert</strong>en Protestantismus,<br />
die vom 18.-20.3.2001 ebendort<br />
stattfand.<br />
Über h<strong>und</strong>ert Interessierte, nicht nur reformierter<br />
Prägung, befassten sich mit reformierter<br />
Kirchen- <strong>und</strong> Theologiegeschichte aus<br />
fünf Jahrh<strong>und</strong>erten. Sie begannen mit der<br />
Moderne: »<strong>Reformiert</strong>e Theologie <strong>und</strong> Kirche<br />
an der Schwelle zum neuen Millenium«, reflektiert<br />
<strong>und</strong> pointiert durch Prof. Dr. Jörg<br />
Haustein (Bonn). Sie richteten dann während<br />
zwanzig folgender Kurzreferate den Blick zurück<br />
in das reiche Erbe des reformierten Protestantismus.<br />
Dabei stellten die Vortragenden<br />
entweder einzelne Persönlichkeiten vor (z.B.<br />
Johannes Zwick, Johann Caspar Lavater, Carl<br />
Bernhard H<strong>und</strong>eshagen, Tullio Vinay, Heinrich<br />
Oltmann), fokussierten Ausschnitte aus<br />
dem Werk großer reformierter Theologen (so<br />
Zwinglis Haltung gegenüber den Juden, das<br />
»promissio«-Verständnis Bullingers, Calvins<br />
Predigten zum Deuteronomium, Karl Barths<br />
Ablehnung eines Bekenntnisses im Oktober<br />
1933) oder zeigten anhand einer systematisch-theologischen<br />
Frage Besonderheiten des<br />
reformierten Protestantismus auf, wobei die<br />
Prädestinationslehre eine hervorgehobene<br />
Rolle spielte.<br />
Erfreulich war nicht nur, dass die Tagungsteilnehmenden<br />
durch den Wechsel von Gruppe<br />
zu Gruppe wie schon in den anderen Jahren<br />
Gelegenheit zu einem Streifzug durch die<br />
Jahrh<strong>und</strong>erte hatten; erfreulich war auch,<br />
dass viele Referate in Klarheit<br />
<strong>und</strong> Verständlichkeit auch<br />
dem Nichttheologen zugänglich<br />
waren. Mehr als bei den<br />
ersten beiden Tagungen nutzten<br />
einige Referent/-innen<br />
dieses Forum auch, um ihre<br />
Projekte als »Werkstattberichte«<br />
vorzustellen. Sie nahmen<br />
dabei Fragen <strong>und</strong> Anregungen<br />
des Publikums zur Weiterarbeit<br />
dankbar auf. Dies ist<br />
für Vortragende <strong>und</strong> Zuhörende<br />
bereichernd. Für kommende Tagungen<br />
wäre es wünschenswert, gezielt auch Referenten<br />
aus anderen Kontexten um Vorträge zu<br />
bitten. So könnte die Erforschung des reformierten<br />
Protestantismus auch geographisch<br />
in die Breite gehen <strong>und</strong> Impulse etwa aus<br />
Mittel- <strong>und</strong> Osteuropa oder aus Korea aufnehmen.<br />
Die Kooperation zwischen Kirche<br />
<strong>und</strong> Universität, zwischen dem <strong>Reformiert</strong>en<br />
B<strong>und</strong> <strong>und</strong> ausländischen Stipendiaten reformierter<br />
Prägung könnte dafür gestärkt <strong>und</strong><br />
genutzt werden.<br />
Ein Hauch des europäischen Protestantismus<br />
umwehte die Zuhörenden durch den Vortrag<br />
von Prof. Dr. Emidio Campi (Zürich), der die<br />
bisher unbekannte Korrespondenz zwischen<br />
Pietro Paolo Vergerio <strong>und</strong> Heinrich Bullinger<br />
vorstellte. Hier traten neben den theologischen<br />
auch »mentale« <strong>und</strong> »psychologische«<br />
Faktoren hervor, die den Gang der <strong>Reformation</strong><br />
beeinflussten.<br />
Ein weiterer Hauptvortrag von Prof. Gerlinde<br />
Strohmaier-Wiederanders (Berlin) über »<strong>Reformiert</strong>e<br />
Kirchenbaukonzepte vom 16.-18.<br />
Jahrh<strong>und</strong>ert in Deutschland« wurde ergänzt<br />
durch den Ausflug zur reformierten Kirche in<br />
Eilsum <strong>und</strong> zu zwei Kirchen in Norden, darunter<br />
die Ludgeri-Kirche, in der die berühmte<br />
Arp Schnitger Orgel zu hören war.<br />
Prof. Dr. Alasdair Heron (Erlangen) bündelte<br />
in seinem Schlussreferat reformierte Theolo-<br />
Zum dritten Mal<br />
trafen sich über<br />
100 historisch<br />
Interessierte<br />
zur Tagung in<br />
der a Lasco<br />
Bibliothek in<br />
Emden, um sich<br />
Perspektiven des<br />
reformierten<br />
Protestantismus<br />
in Geschichte<br />
<strong>und</strong> Gegenwart<br />
zu vergegenwärtigen.<br />
Die »Erfolgsstory«<br />
wird<br />
weiter<br />
geschrieben.<br />
die-reformierten.upd@te 01.2 29
Service <strong>Reformiert</strong>er B<strong>und</strong> – A Lasco Bibliothek<br />
gie anhand eines zentralen Themas:<br />
»Zum Begriff des B<strong>und</strong>es im reformierten<br />
Protestantismus« reformierte<br />
Theologiegeschichte. In der sich anschließenden<br />
Diskussion zeigte sich<br />
noch einmal deutlich das Interesse<br />
der Zuhörenden: die historischen Positionen<br />
für ihre reformierte Identität<br />
heute fruchtbar zu machen. Wie<br />
lesen wir heute den B<strong>und</strong>esschluss in<br />
1. Mose 9 vor dem Hintergr<strong>und</strong> der<br />
bedrohten Erde? Wie zukunftsfähig<br />
ist der B<strong>und</strong>esbegriff für ein verpflichtetes<br />
Bündnis in der Ökumene?<br />
Wie interpretieren wir den B<strong>und</strong>esbegriff<br />
im Hinblick auf das Gespräch<br />
mit jüdischen Geschwistern <strong>und</strong> innerhalb<br />
der eigenen Gemeinde?<br />
Die Gesellschaft für die Geschichte<br />
des reformierten Protestantismus<br />
(www.ref-kirchengeschichte.de) mit<br />
ihrem neuen Vorsitzenden, dem Gemeindepfarrer<br />
Dr. Jan Marius Lange<br />
van Ravenswaay (Neermoorpolder),<br />
wird auch in Zukunft mit der Auswahl<br />
der Referenten <strong>und</strong> Themen<br />
Sorge dafür tragen, dass die Geschichte<br />
auf ihre aktuelle Bedeutung<br />
hin befragt werden kann. Durch ihre<br />
Namensänderung von der »Historischen<br />
Kommission« zur »Gesellschaft«<br />
wird deutlich, dass reformierter<br />
Protestantismus in die Öffentlichkeit,<br />
zuerst in die Gemeinden, wirken<br />
will. Dass dabei die Wissenschaftlichkeit<br />
keineswegs zu kurz kommt,<br />
zeigt der erstmals in diesem Jahr verliehene<br />
<strong>und</strong> mit 3000,- DM dotierte J.<br />
F. Gerhard Goeters Preis, mit dem die<br />
Promotionsschrift »Infiniti Contemplatio.<br />
Gr<strong>und</strong>züge der Scotus- <strong>und</strong><br />
Scotismusrezeption im Werk Huldrych<br />
Zwinglis« des Schweizer Nachwuchswissenschaftlers<br />
Daniel Bolliger<br />
ausgezeichnet wurde.<br />
Die Preisverleihung <strong>und</strong> die Vorträge,<br />
die Exkursion, die Diskussionen <strong>und</strong><br />
nicht zuletzt der Empfang durch die<br />
Evangelische Kirche im Rheinland,<br />
vertreten durch ihren Präses Manfred<br />
Kock, machten die dritte Emder Tagung<br />
zu einem Ort der Begegnung<br />
für alle, deren Interesse am reformierten<br />
Protestantismus geweckt ist.<br />
JOHANNES A LASCO<br />
BIBLIOTHEK<br />
Große Kirche Emden<br />
Adresse:<br />
Kirchstr. 22<br />
D 26721 Emden<br />
Telefon +49.(0)4921.91500<br />
Telefax +49.(0)4921.915050<br />
Allgemeine Auskunft<br />
<strong>und</strong> Fachinformation:<br />
lasco@jalb.de<br />
Öffnungszeiten<br />
Dienstag bis Freitag 11 - 18 Uhr<br />
Samstag 11 - 13.30 Uhr<br />
<strong>und</strong> 14.30 - 17 Uhr<br />
(nur Museum)<br />
Sonntag 14.30 - 17 Uhr<br />
(nur Museum)<br />
Bitte beachten Sie:<br />
Die Öffnungszeiten können bei Veranstaltungen<br />
eingeschränkt sein!<br />
Führungen<br />
Samstag 11.00 <strong>und</strong> 14.30 Uhr<br />
Sonntag 14.30 Uhr<br />
zusätzlich Gruppenführungen nach<br />
Anmeldung<br />
<strong>Reformiert</strong>er B<strong>und</strong> in<br />
Deutschland<br />
Generalsekretär<br />
Pfarrer D. Hermann Schaefer<br />
Referent für Publizistik <strong>und</strong><br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Pfarrer Jörg Schmidt<br />
Geschäftsstelle<br />
Anja Werth<br />
Vogelsangstr. 20<br />
42109 Wuppertal<br />
Tel.: (0202) 755111<br />
Fax (0202) 754202<br />
e-mail: reformierter.b<strong>und</strong>@wtal.de<br />
Impressum<br />
»die-reformierten.upd@te« wird herausgegeben<br />
im Auftrag des Moderamens<br />
des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es.<br />
»Das reformierte Quartalsmagazin«<br />
erscheint jeweils Anfang März, Juni,<br />
September <strong>und</strong> Dezember eines Jahres.<br />
Verantwortlich (i.S.d.P.):<br />
Jörg Schmidt (js)<br />
Vogelsangstr. 18<br />
42109 Wuppertal<br />
Telefon 0202-2750086<br />
Telefax 0202-2750087<br />
e-mail: rekiz@aol.com<br />
Mitgearbeitet haben:<br />
D. Hermann Schaefer, Generalsekretär<br />
des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es<br />
Jan Alberts, Pfarrer der Ev.-altreformierten<br />
Kirche in Nordhorn<br />
Horst u. Marianne Greulich, Berlin<br />
Frauke Brauns, freie Journalistin<br />
Dr. Setri Nyomi, Alan Falconer,<br />
Páraic Réamonn, Mitarbeiter des<br />
<strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es, Genf<br />
Paivi Jussila, Mitarbeiter des Lutherischen<br />
Weltb<strong>und</strong>es<br />
Dr. Gesine von Kloeden, Pfarrerin der<br />
Lippischen Landeskirche<br />
Übersetzungen:<br />
Anja Werth, <strong>Reformiert</strong>er B<strong>und</strong><br />
Fotos:<br />
privat: 2, 3<br />
RB: 2, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 23<br />
RWB: 2, 26<br />
Schlosskirchengemeinde Köpenick: 9<br />
reformiert <strong>online</strong>: 11, 13, 14<br />
Rolf Leding: 12, 29<br />
30 die-reformierten.upd@te 01.1
Ich bin doch täglich geplagt,<br />
<strong>und</strong> meine Züchtigung ist alle Morgen da.<br />
Dennoch bleibe ich stets an dir;<br />
denn du hältst mich bei meiner rechten Hand,<br />
du leitest mich nach deinem Rat<br />
<strong>und</strong> nimmst mich am Ende mit Ehren an.<br />
Wenn ich nur dich habe,<br />
so frage ich nichts nach Himmel <strong>und</strong> Erde.<br />
Wenn mir gleich Leib <strong>und</strong> Seele verschmachtet,<br />
so bist du doch, Gott, allezeit<br />
meines Herzens Trost <strong>und</strong> mein Teil.<br />
Aber das ist meine Freude,<br />
dass ich mich zu Gott halte<br />
<strong>und</strong> meine Zuversicht setze auf Gott,<br />
den HERRN,<br />
dass ich verkündige all dein Tun.<br />
Psalm 73, 14.23-26.28<br />
Wochenpsalm am 5. Sonntag nach Trinitatis<br />
Der Nominalsatz (in Vers 23, j.s.) äußert keinen<br />
Glaubenstrotz, kein dynamisches Geschehen,<br />
keine Tat der Überwindung, sondern einen<br />
Zustand: »Doch ich bin ja stets bei dir«.<br />
Angesichts des Vergehenden <strong>und</strong> Verwehenden<br />
aller Mächtigkeit des Gott-abgewandten<br />
Wesens ist hier von dem Bleibenden, Beständigen<br />
<strong>und</strong> Festen die Rede. Stets weiß der<br />
Beter sich bei Jahwe geborgen, in der Treue<br />
der von Gott gestifteten <strong>und</strong> erhaltenen Gemeinschaft.<br />
Nicht das Dennoch des Glaubens<br />
oder der Trotz der Frömmigkeit, sondern das<br />
– geradezu überraschte - Innewerden der Unverbrüchlichkeit<br />
des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der durch<br />
nichts zu zerstörenden communio cum Deo<br />
kommen in V. 23 zur Sprache. So wird man<br />
an dieser Stelle irgendeinen dramatischen<br />
Durchbruch zu völlig neuer Erkenntnis nicht<br />
annehmen dürfen. Das im Bekenntnis geäußerte<br />
Vertrauen weiß sich in der Treue <strong>und</strong><br />
Verlässlichkeit Gottes gegründet.<br />
Hans-Joachim Kraus, Theologie der Psalmen,<br />
S. 218<br />
Das »Dennoch des Glaubens« ist oft genug beschworen<br />
worden. Vor allem anderen gegenüber:<br />
Denen gegenüber, die zweifeln; denen,<br />
die Leid tragen; denen, die trauern; denen, die<br />
nicht weiter wissen. Wer glaubt, bleibt dennoch!<br />
Und der Umkehrschluss wurde mindestens<br />
ebenso oft gezogen: Wer nicht bleibt, der<br />
glaubt auch nicht.<br />
Und ebenso oft wurde so das Leid der Leid<br />
Tragenden verdoppelt. Wurden sie auch noch<br />
unter Druck gesetzt durch die Erwartung,<br />
auch das Unheil geduldig aus Gottes Hand zu<br />
nehmen, ihr Leid geduldig zu tragen – <strong>und</strong><br />
bei Gott zu bleiben.<br />
Wer das kann <strong>und</strong> tut wie die Beterin des Psalmes,<br />
dem ist Gnade widerfahren. Der hat Gottes<br />
Hand in seiner rechten Hand gespürt. Der<br />
kann aus sich heraus sagen: »Ich bin ja stets<br />
bei dir«, wie Kraus den Vers 23 übersetzt.<br />
Aber das bleibt Geschenk. Und nicht zurechenbar.<br />
Nicht als Erwartung formulierbar.<br />
Auch die Klage gegen Gott hat ihr Recht.<br />
Auch das Schreien angesichts eigener oder<br />
fremder Not hat sein Recht. Auch die gottesferne<br />
Verzweiflung angesichts widerfahrenen<br />
Elends hat ihr Recht.<br />
»Ich bin ja stets bei dir« – das kann ich nur<br />
dann beten, wenn ich es erfahre: »denn du<br />
hältst mich bei meiner rechten Hand«. Manche<br />
Glaubenden erfahren das. Nicht alle.<br />
Manche Glaubenden erfahren diesen Halt.<br />
Manche Glaubenden finden dann zu diesem<br />
Bekenntnis:<br />
Wenn mir gleich Leib <strong>und</strong> Seele verschmachtet,<br />
so bist du doch, Gott, allezeit<br />
meines Herzens Trost <strong>und</strong> mein Teil.<br />
Wir anderen hören es. Und bitten Gott um<br />
seine Hilfe. Wir anderen schreien unsere Not<br />
heraus vor Gott.<br />
Und Gott bleibt treu. Gott bleibt verlässlich.<br />
Gott bleibt menschen-zugewandt.<br />
Bleibe du, Gott, bei mir!<br />
j.s.<br />
Psalm 73<br />
Dann bleibe du dennoch bei mir<br />
»Dennoch bleibe<br />
ich stets an dir.«<br />
Gott,<br />
das fällt mir<br />
schwer nachzusprechen,<br />
wenn mir das Leben<br />
wie ein Rätsel<br />
erscheint,<br />
wenn eigenes oder<br />
fremdes Leid alles<br />
in Frage stellt,<br />
was einmal<br />
Halt bot,<br />
oder wenn mir<br />
andere schnelle<br />
Lösungen für<br />
meine Probleme<br />
versprechen.<br />
Dennoch bei dir<br />
bleiben<br />
gegen die Zweifel,<br />
gegen den Zeitgeist,<br />
gegen meine<br />
Ungeduld,<br />
Gott, das möchte<br />
ich versuchen.<br />
Aber wenn ich<br />
damit scheitere,<br />
dann bleibe du<br />
dennoch bei mir!<br />
Sylvia Bukowski<br />
aus: Lass mich<br />
blühen unter<br />
deiner Liebe, S. 7<br />
die-reformierten.upd@te 01.2 31
Postvertriebsnummer G 54900<br />
ISSN 1617-7177<br />
Herausgegeben von:<br />
<strong>Reformiert</strong>er B<strong>und</strong><br />
Vogelsangstr. 20<br />
42 109 Wuppertal<br />
<strong>fBibliothek</strong> <strong>und</strong> <strong>Reformation</strong>. Miszellen aus der<br />
Johannes a Lasco Bibliothek Emden<br />
hrsg. von Christoph Strohm<br />
foedus-verlag 2001<br />
(Veröffentlichungen der Johannes a Lasco Bibliothek<br />
Große Kirche Emden; Bd. 4)<br />
ISBN 3-932735-54-4<br />
DM 29,80 – ATS 218,- – CHF 27,50<br />
Der vorliegende Band enthält Vorträge, die<br />
größtenteils im Laufe der vergangenen Jahre in<br />
der Johannes a Lasco Bibliothek Emden gehalten<br />
wurden. Sie behandeln Aspekte der Geschichte<br />
des frühen reformierten Protestantismus <strong>und</strong><br />
gehen auf die Entstehung der Johannes a Lasco<br />
Bibliothek ein.<br />
Bisher in dieser Reihe erschienen:<br />
Henning P. Jürgens, Johannes a Lasco.<br />
Ein Leben in Büchern <strong>und</strong> Briefen.<br />
Eine Ausstellung der Johannes a Lasco Bibliothek vom 15.10. bis 28.11.1999, herausgegeben von<br />
der Johannes a Lasco Bibliothek Große Kirche Emden <strong>und</strong> der Evangelisch-reformierten Kirche<br />
(Synode evangelisch-reformierter Kirchen in Bayern <strong>und</strong> Nordwestdeutschland), Veröffentlichungen<br />
der Johannes a Lasco Bibliothek; Bd. 1, Katalog, 148 Seiten, zahlreiche Farbreproduktionen,<br />
ISBN 3-932735-32-3, DM 36,-<br />
oedus<br />
Henning P. Jürgens, Johannes a Lasco 1499-1560. Ein Europäer des <strong>Reformation</strong>szeitalters<br />
(Veröffentlichungen der Johannes a Lasco Bibliothek; Bd. 2), 48 Seiten, engl. Broschur,<br />
ISBN 3-932735-33-1, DM 9,80<br />
Jan Rohls, Zwischen Bildersturm <strong>und</strong> Kapitalismus. Der Beitrag des reformierten Protestantismus<br />
zur Kulturgeschichte Europas (Veröffentlichungen der Johannes a Lasco Bibliothek; Bd. 3),<br />
38 Seiten, ISBN 3-932735-34-x, DM 9,80