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fBibliothek und Reformation. - Reformiert online

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Ich war geplagt doch all den Tag,<br />

morgendlich ward Züchtigung mir!<br />

Und doch bleibe ich stets bei dir,<br />

meine rechte Hand hast Du erfasst.<br />

Mit Deinem Rate leitest Du mich,<br />

<strong>und</strong> danach nimmst Du mich<br />

in Ehren hinweg.<br />

Wen habe ich im Himmel!<br />

aber bei Dir<br />

habe ich nicht Lust nach der Erde.<br />

Verendet mein Fleisch<br />

<strong>und</strong> mein Herz,<br />

der Fels meines Herzens, mein Teil,<br />

Gott bleibt in die Zeit.<br />

Ich aber, Gott nahn ist mir das Gute,<br />

in meinem Herrn, DICH,<br />

habe ich meine Bergung gesetzt:<br />

all deine Arbeiten zu erzählen.<br />

Psalm 73 (Auszüge)<br />

in der<br />

Verdeutschung<br />

Martin Bubers<br />

Konfliktträchtige Verhandlungen<br />

mit reformierten Kirchen<br />

in Kroatien <strong>und</strong> Siebenbürgen<br />

Lösungen für die Mittelvergabe<br />

der Evangelischen Partnerhilfe<br />

Evangelisch-reformierte<br />

Schlosskirchengemeinde Köpenick<br />

Eine Vorstellung aus aktuellem Anlass<br />

Kulturwirkungen des<br />

reformierten Protestantismus<br />

Tagungsbericht von zwei Symposien<br />

in der Johannes a Lasco Bibliothek Emden<br />

Thema:<br />

<strong>Reformiert</strong>es Seminar<br />

für pastorale Aus- <strong>und</strong> Fortbildung<br />

Eine Vorstellung des neuen Standortes<br />

<strong>und</strong> ein Gespräch mit Achim Reinstädtler<br />

Erneuerung des<br />

reformierten Gottesdienstes<br />

Eine Konsultation des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es in Genf<br />

Befreit zum Frieden<br />

Vierte Generalversammlung<br />

der Konferenz Lateinamerikanischer Kirchen<br />

<strong>Reformiert</strong> in<br />

Geschichte <strong>und</strong> Gegenwart<br />

Dritte Emder Tagung zur Geschichte<br />

des <strong>Reformiert</strong>en Protestantismus<br />

das reformierte quartalsmagazin – herausgegeben im auftrag des reformierten b<strong>und</strong>es – 2. jahrgang 2001, nr. 2 – juni 2001


Inhalt 2001.2<br />

Inhalt<br />

Editorial 3<br />

Aktuell 4<br />

Konfliktträchtige Verhandlungen<br />

mit reformierten Kirchen in Kroatien <strong>und</strong> in Siebenbürgen 5<br />

VON HERMANN SCHAEFER<br />

Manchmal überlagern kircheninterne Konflikte die Partnerschaft etwa mit Kirchen<br />

in Osteuropa. Von ersten Klärungsversuchen in Kroatien <strong>und</strong> in Siebenbürgen berichtet<br />

der Generalsekretär des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es.<br />

Gast-Kommentar: Aktive Sterbehilfe in den Niederlanden legalisiert 7<br />

von JAN ALBERTS (GRENZBOTE)<br />

Voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte tritt in den Niederlanden ein Gesetz zur<br />

aktiven Sterbehilfe in Kraft. J. Albers berichtet <strong>und</strong> kommentiert.<br />

Evangelisch-reformierte Schlosskirchengemeinde Köpenick 9<br />

von HORST UND MARIANNE GREULICH<br />

Seit Ende letzten Jahres kann die Refornierte Gemei<strong>und</strong>e in Berlin-Köpenick wieder<br />

ihre (Schloss-)Kirche benutzen, Anlass für einen Gemeindebericht.<br />

Die Bekanntheit steigt 11<br />

von FRAUKE BRAUNS<br />

Über die weltweit wachsende Popularität von »reformiert <strong>online</strong>« berichtet F. Brauns<br />

Zwei Symposien 12<br />

in der a Lasco Bibliothek zu den »Kulturwirkungen des reformierten Protestantismus«<br />

Johannes Calvin, der Despot aus Genf? 14<br />

Eine neue Lektion des Seminars »Gr<strong>und</strong>kurs <strong>Reformiert</strong>« über Johannes Calvin steht im Netz<br />

Thema: <strong>Reformiert</strong>es Seminar für pastorale Aus- <strong>und</strong> Fortbildung<br />

<strong>Reformiert</strong>es Predigerseminar Elberfeld hat die Seiten gewechselt 15<br />

von JÖRG SCHMIDT<br />

Ein Bericht über den Umzug <strong>und</strong> die Umbenennung des <strong>Reformiert</strong>en Predigerseminars<br />

Elberfeld<br />

Für die Gemeinde ausbilden 19<br />

GESPRÄCH MIT ACHIM REINSTÄDTLER, DOZENT AM REFORMIERTEN SEMINAR<br />

Gefüllt mit neuem Wein 21<br />

Eine Pfingstpredigt VON SETRI NYOMI<br />

Erneuerung des <strong>Reformiert</strong>en Gottesdienstes 22<br />

Eine Konsultation des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es befasste sich mit den Fragen vieler<br />

reformierter Kirchen zum Gottesdienst<br />

Befreit zum Frieden 24<br />

Vierte Generalversammlung der Konferenz Lateinamerikanischer Kirchen<br />

Vereint im Lobpreis 26<br />

VON PÁRAIC RÉAMONN<br />

<strong>Reformiert</strong>er Weltb<strong>und</strong> <strong>und</strong> <strong>Reformiert</strong>es Ökumenisches Konzil nähern sich an.<br />

Recht auf ein Leben ohne Hunger – <strong>und</strong> noch viel mehr 27<br />

VON PÁRAIC RÉAMONN<br />

Eine Eingabe des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es an die Menschenrechtskommission<br />

<strong>Reformiert</strong> in Geschichte <strong>und</strong> Gegenwart 27<br />

VON GESINE VON KLOEDEN<br />

Bericht von der 3. Emder Tagung zur Geschichte des reformierten Prtotestantismus<br />

Service: <strong>Reformiert</strong>er B<strong>und</strong> / Johannes a Lasco Bibliothek / Impressum 30<br />

Psalm 73 31<br />

2 die-reformierten.upd@te 01.2


In eigener Sache Editorial<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

seit Dezember vergangenen Jahres liegt nun<br />

»die-reformierten.upd@te« vor; diese Ausgabe<br />

ist die dritte. Die Resonanz, die bisher in<br />

der Geschäftsstelle des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es<br />

ankam, war durchweg positiv. Aber vielleicht<br />

gibt es auch ganz andere Reaktionen, von<br />

denen wir in Wuppertal nichts wissen. Bitte<br />

lassen Sie von sich hören: Gefällt Ihnen Aufmachung<br />

<strong>und</strong> Umfang? Gefällt Ihnen die Begrenzung<br />

auf wesentlich »<strong>Reformiert</strong>es«? Gefällt<br />

Ihnen die Erscheinungsweise (vierteljährlich)?<br />

Haben Sie Anregungen, Kritik? Es<br />

wäre für die »Macher« eine Hilfe, von Ihnen<br />

zu hören.<br />

Die »Vereinszeitschrift« »die-reformierten.upd@te«<br />

gehört zum Umbau des publizistischen<br />

Gesamtkonzeptes des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es.<br />

Dieser Umbau hat Zeit <strong>und</strong> Energie gekostet.<br />

Und die Arbeit in dem Bereich, den wir »Publizistik<br />

<strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit« nennen,<br />

hat darunter gelitten <strong>und</strong> leidet teilweise immer<br />

noch. Denn ges<strong>und</strong>heitliche Probleme<br />

desjenigen, der diesen Bereich gestaltet, haben<br />

zusätzlich für Verzögerungen gesorgt <strong>und</strong><br />

werden in diesem Herbst wahrscheinlich noch<br />

einmal für Verzögerungen sorgen. Das bedaure<br />

ich wie Sie <strong>und</strong> bitte zugleich um Verständnis.<br />

Der genannte Umbau geht weiter,<br />

auch wenn manches noch wie eine Baustelle<br />

aussieht.<br />

Noch in diesem Jahr werden die beiden ersten<br />

Ausgaben der neuen »<strong>Reformiert</strong>en Akzente«<br />

vorliegen. Und zum Umbau gehört ja auch,<br />

dass in Kooperation mit dem foedus-verlag<br />

manch reformiertes »Fündlein« erhältlich<br />

wird. So will ich wenigstens in diesem Zusammenhang<br />

auf den Tagungsband der zweiten<br />

Emder Tagung zur Erforschung des reformierten<br />

Protestantismus hinweisen, der im<br />

August endlich erscheinen wird (ein ausführlicher<br />

Bericht folgt).<br />

Ganz anders gelagerte Schwierigkeiten haben<br />

wir mit einer anderen »Säule« des neuen publizistischen<br />

Konzeptes: Viele ehemalige<br />

RKZ-Abonnentinnen <strong>und</strong> -<br />

Abonnenten haben sich entschieden,<br />

die Nachfolgezeitschrift<br />

»zeitzeichen« nicht<br />

weiter zu abonnieren. Wir<br />

respektieren die Gründe <strong>und</strong><br />

bedauern zugleich diese<br />

Entweicklung. Uns liegt<br />

daran, dass die »reformierte<br />

Stimme« auch über den reformierten<br />

bereich gut gehört<br />

wird. Und dazu ist eine<br />

Verankerung der Mitarbeit<br />

bei den »zeitzeichen« in der<br />

LeserInnenschaft eine gute<br />

Hilfe. Dieser Ausgabe von<br />

»die-reformierten.upd@te«<br />

liegt deshalb eine Bestellkarte<br />

für »zeitzeichen« bei.<br />

Wir bitten vor allem die, die dieses evangelische<br />

Monatsmagazin noch nicht kennen:<br />

Nutzen Sie die Chance eines verbilligten Probebezugs.<br />

Und entscheiden Sie sich dafür, mit<br />

der Stärkung der »reformierten Stimme« in<br />

den »zeitzeichen« auch diese, wie ich finde,<br />

gute evangelische Monatszeitschrift zu stärken.<br />

Ihnen, den Leserinnen <strong>und</strong> Lesern, wünsche<br />

ich einen guten Sommer.<br />

Ihr<br />

Jörg Schmidt<br />

PS: Der eine <strong>und</strong> die andere haben uns angesprochen,<br />

wie sie denn das Erscheinen von<br />

»die-reformierten.upd@te« unterstützen können.<br />

Das ist – gegen Spendenbescheinigung –<br />

möglich durch eine Überweisung auf das<br />

Konto des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es bei der Bank<br />

für Kirche <strong>und</strong> Diakonie Duisburg, Nr. 101<br />

144 0017 (BLZ 350 601 90), Stichwort »Publizistik«.<br />

Der Umbau des<br />

Bereiches<br />

»Publizistik <strong>und</strong><br />

Öffentlichkeitsarbeit«<br />

beim<br />

<strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong><br />

geht weiter,<br />

auch wenn<br />

manches noch<br />

wie eine Baustelle<br />

aussieht.<br />

die-reformierten.upd@te 01.2 3


Aktuell <strong>Reformiert</strong>er B<strong>und</strong><br />

Kirchenasyl in<br />

Braunschweig gut zu<br />

Ende gegangen<br />

Wie im Anschluss an das Gespräch mit<br />

Sabine Dreßler-Kromminga in der letzten<br />

Ausgabe von »die-reformierten.<br />

upd@te« schon kurz gemeldet, ist das<br />

Braunschweiger Kirchenasyl gut zu<br />

Ende gegangen: Die Familie Bashir<br />

konnte nach Kanada ausreisen.<br />

In einem Brief an das Presbyterium der<br />

reformierten Gemeinde vom 17. April<br />

hatte zuvor Landessuperintendent Herrenbrück<br />

(Ev.-reformierte Kirche) der<br />

Gemeindeleitung in ihrem Eintreten für<br />

die schutzsuchende Familie Bashir<br />

»Respekt <strong>und</strong> Anerkennung« bek<strong>und</strong>et.<br />

Herrenbrück wörtlich: »Wenn Kirchengemeinden,<br />

Presbyterien, Pastorinnen<br />

<strong>und</strong> Pastoren für Asylsuchende <strong>und</strong><br />

Flüchtlinge eintreten, so ist dieser Beistand<br />

nicht als Widerstand gegen die<br />

Rechtsordnung zu verstehen. ... Dass<br />

Sie der von Abschiebung bedrohten Familie<br />

in Ihrer Gemeinde Unterkunft,<br />

Betreuung <strong>und</strong> Rechtshilfe gewährten,<br />

muss als gewaltfreie, öffentliche <strong>und</strong><br />

symbolische Protesthandlung verstanden<br />

werden, keinesfalls aber als Infragestellung<br />

der Legitimation von<br />

Rechtsnormen. Dass die Evangelischreformierte<br />

Gemeinde Braunschweig –<br />

<strong>und</strong> die beiden in ihr Dienst tuenden<br />

Pastoren – den im Falle einer Abschiebung<br />

um ihr Leben fürchtenden Menschen<br />

Hilfe gewährten, ist eine von<br />

christlicher Glaubensüberzeugung geprägte<br />

Gewissensentscheidung.<br />

Diese durch das Gr<strong>und</strong>gesetz geschützte<br />

Gewissensentscheidung muss<br />

respektiert <strong>und</strong> geachtet werden. Ich<br />

bin darum überzeugt, dass das Presbyterium<br />

in Braunschweig sowie Pastorin<br />

Dreßler-Kromminga <strong>und</strong> Pastor Kuhlmann<br />

sich nicht aus mangelnder<br />

Rechtsgesinnung gegen die staatliche<br />

Rechtsordnung auflehnten, sondern<br />

dem Gebot ihres Glaubens folgten <strong>und</strong><br />

der Liebe zum Nächsten, zum bedrohten<br />

Nächsten entsprechend gehandelt<br />

haben.«<br />

»Was heißt aus reformierter Sicht: Kirche anerkennen?«<br />

Theologische Tagung des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es<br />

vom 9. – 10. November 2001 im Gustav Stresemann Institut in Bonn<br />

Vorläufiges Programm<br />

Freitag, den 9.11.<br />

16.00 Eröffnung der Tagung <strong>und</strong> Einführung in das Thema (D. Peter Bukowski)<br />

16.30 Hauptreferat von Prof. Dr. Christian Link<br />

»Was heißt aus reformierter Sicht: Kirche anerkennen?«<br />

Rückfragen aus katholischer <strong>und</strong> lutherischer Sicht<br />

20.00 Plenum (Moderation: Peter Bukowski)<br />

21.30 Tagesschluss<br />

Samstag, den 10.11.<br />

9.00 Morgenandacht: Dipl. theol. Katharina Müller<br />

9.30 Arbeitsgruppen:<br />

1. Als Kirche anerkennen?<br />

2. Leuenberg als Kirchen-Modell?<br />

3. Einheit durch ökumenische Dialogprogramme?<br />

4. Einheit im gemeinsamen Engagement für Gerechtigkeit?<br />

5. Einheit vorwegnehmen? Ökumene vor Ort<br />

11.30 Mittagessen<br />

13.30 Kaffee<br />

15.00 Schlussplenum<br />

16.00 Ende der Tagung<br />

Inzwischen nimmt das Programm für die diesjährige theologische Tagung<br />

Konturen an. Der Hauptreferent, Prof. Dr. Christian Link, Bochum, hat seine<br />

Mitarbeit zugesagt; andere sind angefragt für die Rückfragen ans Referat bzw. für<br />

die Leitung der Arbeitsgruppen.<br />

Voraussichtlich wird die Tagung ca. 100,- bis 120,- DMark kosten (bei Unterbringung<br />

im Einzelzimmer; im Doppelzimmer ca. 20,- DMark preiswerter).<br />

Interessierte sind schon jetzt gebeten, sich anzumelden bzw. sich für die Teilnahme<br />

vormerken zu lassen.<br />

Geschäftsstelle des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es<br />

Vogelsangstr. 20<br />

42109 Wuppertal<br />

fon 0202-2750086<br />

fax 0202- 754202<br />

4 die-reformierten.upd@te 01.2


Osteuropa <strong>Reformiert</strong>er B<strong>und</strong><br />

Kroatien<br />

Konfliktträchtige Verhandlungen mit reformierten<br />

Kirchen in Kroatien <strong>und</strong> in Siebenbürgen<br />

Dass es nicht leicht werden würde, eine gemeinsame<br />

Regelung zur Verteilung der Spenden<br />

der Evangelischen Partnerhilfe an die<br />

Pfarrerinnen <strong>und</strong> Pfarrer der gespaltenen Kirche<br />

in Kroatien zu finden, das hatten wir gewusst.<br />

Eine Delegation des Europäischen Gebietsausschusses<br />

des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es<br />

hatte erst im März diesen Jahres eine<br />

good-will-Tour zu den reformierten Gemeinden<br />

im Norden Kroatiens unternommen <strong>und</strong><br />

einen ausführlichen Bericht über die verfahrene<br />

Situation vorgelegt. Aber wie schwierig<br />

die Verhandlungen dann waren, das hatten<br />

wir (meine Frau, die mich auf dieser Reise begleitete,<br />

<strong>und</strong> ich) dann doch nicht geahnt.<br />

Zur Spaltung der lediglich 4000 – 6000 Mitglieder<br />

zählenden ungarisch-reformierten Kirche<br />

in Kroatien ist es im Zusammenhang mit<br />

den kriegerischen Konflikten in Jugoslawien<br />

gekommen. Vereinfacht gesagt: Die aus dem<br />

Kriegsgebiet nach Ungarn geflohenen <strong>und</strong><br />

nach Beendigung der Kampfhandlungen wieder<br />

in ihre Heimat zurückgekehrten Gemeindeglieder<br />

<strong>und</strong> Pfarrerinnen <strong>und</strong> Pfarrer gelten bei<br />

den im Lande Gebliebenen als Menschen, die<br />

nicht Stand gehalten <strong>und</strong> ihre Landsleute im<br />

Stich gelassen haben. Und im Urteil der Zurückgekehrten<br />

sind andererseits die im Land<br />

gebliebenen schlicht Kollaborateure.<br />

Mit solchen Leute mochte der zurückgekehrte<br />

Pfarrer Kettös jedenfalls nicht in einer Kirche<br />

bleiben. Er sammelte eine Gruppe Gleichgesinnter<br />

um sich <strong>und</strong> gründete eine neue reformierte<br />

Kirche, die »wahre« ungarisch-reformierte<br />

Kirche in Kroatien. Zu seiner Einsetzung<br />

als neuer Kirchenführer (mit dem Titel<br />

Superintendent) erschienen vor gut einem Jahr<br />

hohe ungarische kirchliche <strong>und</strong> politische<br />

Funktionäre. Dass »seine« Kirche zudem mit<br />

Mitteln des ungarischen Staates renoviert<br />

wurde – fast alle Kirchen haben im Krieg mehr<br />

oder weniger schwere Schäden erlitten – hat<br />

sich auch nicht gerade als Hilfe zur Versöh-<br />

nung der beiden Gruppen bzw. Kirchen erwiesen.<br />

Sein Kontrahent, der langjährige Bischof<br />

Andre Langh, fühlt sich vielmehr unter Druck<br />

gesetzt. Er meint seinerseits unter Beweis stellen<br />

zu müssen, dass er »seine« Kirche auf ungarischem<br />

Kurs hält. So kam es für ihn wohl<br />

nicht ungelegen, dass der einzige kroatisch<br />

sprechende Pfarrer in der einzigen kroatischsprachigen<br />

Gemeinde einen Formfehler beging<br />

<strong>und</strong> er ihn deshalb suspendieren konnte.<br />

Diesem Bischof <strong>und</strong> seinen acht Pfarrerinnen<br />

<strong>und</strong> Pfarrern saßen wir in einer Vormittagskonferenz<br />

gegenüber. Eingeladen hatte dazu<br />

der Bischof aus West-Ungarn, Dr. Michael<br />

Markus – langjähriger Partner in der Zusammenarbeit<br />

mit der Evangelischen Partnerhilfe<br />

–, der sich uns als Vermittler, Übersetzer <strong>und</strong><br />

Berater zur Verfügung gestellt hatte <strong>und</strong> uns<br />

mit seiner Frau zusammen begleitete.<br />

Sie hätten die Hilfe bitter nötig – so Bischof<br />

Langh. Denn die Gemeindeglieder hätten immer<br />

noch unter den Kriegsfolgen zu leiden,<br />

kämpften wirtschaftlich ums Überleben <strong>und</strong><br />

könnten somit keine Beiträge zur Finanzierung<br />

ihrer Pfarrer zahlen. Aber sie wollten<br />

sich nicht von außen unter Druck setzen <strong>und</strong><br />

durch Spenden zu faulen Kompromissen verleiten<br />

lassen.<br />

Die Spenden der Evangelischen Partnerhilfe<br />

seien gerade für Pfarrerinnen <strong>und</strong> Pfarrer <strong>und</strong><br />

Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter in Notlagen<br />

gedacht, wie sie derzeit in Kroatien herrschten,<br />

erläuterte ich in meinem Vortrag. Die Gelder<br />

stünden aber nicht der Kirchenleitung zur Gehaltszahlung<br />

zur Verfügung, sie gehörten vielmehr<br />

den Notleidenden in den Gemeinden.<br />

Darum müsse die Kirchenleitung einer Regelung<br />

zur Verteilung dieser persönlichen Spenden<br />

auch gar nicht zustimmen. Erst als ich den<br />

letzten Gedanken nochmals unterstrich, verstand<br />

der Bischof <strong>und</strong> verließ die R<strong>und</strong>e, mit<br />

der wir dann eine Regelung vereinbaren konnten:<br />

Zwei Vertreter der Langh-Kirche sollten<br />

mit zwei weiteren der Kettös-Kirche – unter<br />

der Regie von Bischof Markus – einen Vertei-<br />

VON HERMANN SCHAEFER<br />

Eine große<br />

Hilfe für die<br />

theologischen<br />

wie nichttheologischenMitarbeiterinnen<br />

<strong>und</strong><br />

Mitarbeiter<br />

(nicht nur) der<br />

reformierten<br />

MinderheitskirchenOsteuropas<br />

ist die<br />

Evangelische<br />

Partnerhilfe.<br />

Dass es nicht<br />

immer einfach<br />

ist bei der<br />

Verteilung der<br />

Hilfsmittel, weil<br />

hausgemachte<br />

Konflikte<br />

dominieren,<br />

davon berichtet<br />

D. Hermann<br />

Schaefer, der<br />

Generalsekretär<br />

des <strong>Reformiert</strong>en<br />

B<strong>und</strong>es,<br />

nach seiner<br />

Besuchsfahrt<br />

im Mai dieses<br />

Jahres.<br />

die-reformierten.upd@te 01.2 5


<strong>Reformiert</strong>er B<strong>und</strong> Osteuropa<br />

Allerdings ist<br />

mir nach den<br />

Gesprächsr<strong>und</strong>en<br />

klar geworden,<br />

dass ein R<strong>und</strong>er<br />

Tisch zu Versöhnungsgesprächen<br />

nur gelingen kann,<br />

wenn Vertreterinnen<br />

<strong>und</strong> Vertreter der<br />

Hilfsagenturen<br />

mit an den Tisch<br />

geladen werden <strong>und</strong><br />

endlich Transparenz<br />

in allen Finanzdingen<br />

hergestellt<br />

wird.<br />

lerschlüssel ausarbeiten <strong>und</strong> die Spenden dann<br />

– wiederum über Bischof Markus – an ihre<br />

Kollegen weiterleiten.<br />

Die gef<strong>und</strong>ene Regelung war der Gruppe mit<br />

Superintendent Kettös im Nachmittagstreffen<br />

aber keineswegs so einfach nahe zu bringen.<br />

Mit geradezu missionarischem Eifer wollte sie<br />

uns unsere Zustimmung zu ihrer Position in<br />

diesem Streit abringen. Nur mühsam gelang<br />

es in langwierigen R<strong>und</strong>en, die theologisch<br />

<strong>und</strong> moralisch hochgerüsteten Konfliktpositionen<br />

zu durchbrechen, zu der pragmatischen<br />

Regelung vorzustoßen <strong>und</strong> die R<strong>und</strong>e<br />

davon zu überzeugen, dass es auch für sie<br />

von Vorteil sei, zwei Vertreter für den gemeinsamen<br />

Ausschuss zu gewinnen.<br />

Wenn die Vereinbarungen umgesetzt werden,<br />

entsteht zumindest eine gemeinsame Struktur<br />

zwischen den beiden Kirchen. Allerdings ist<br />

mir nach den Gesprächsr<strong>und</strong>en klar geworden,<br />

dass ein R<strong>und</strong>er Tisch zu Versöhnungsgesprächen<br />

nur gelingen kann, wenn Vertreterinnen<br />

<strong>und</strong> Vertreter der Hilfsagenturen mit an den<br />

Tisch geladen werden <strong>und</strong> endlich Transparenz<br />

in allen Finanzdingen hergestellt wird.<br />

Siebenbürgen<br />

Die auf Einladung des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es<br />

im Diakoniezentrum Klausenburg in Siebenbürgen<br />

durchgeführte <strong>Reformiert</strong>e Rumänien-<br />

Konsultation hatte gleich zu Beginn mit Stolpersteinen<br />

zu kämpfen: Schon in der Vorkonferenz<br />

– mit Delegierten aller protestantischen<br />

Kirchen Rumäniens – über Fragen der<br />

Evangelischen Partnerhilfe griff Lazlo Tökes,<br />

Bischof des ungarisch-reformierten Distrikts<br />

Großwardein / Oradea, die Verteilungspraxis<br />

der Evangelischen Partnerhilfe scharf an: Seine<br />

Kirche habe im letzten Jahr deutlich weniger<br />

Spenden erhalten als im Vorjahr <strong>und</strong> prozentual<br />

auch weniger als die anderen Kirchen.<br />

Dafür konnte nach seiner Meinung nur der<br />

Kontaktmann für die reformierten Kirchen,<br />

der Generalsekretär des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es,<br />

verantwortlich sein!<br />

Von diesem war bei einem Treffen mit den<br />

Referenten beider Distrikte Hilfestellung bei<br />

der Erstellung der notwendigen Angaben angeboten<br />

worden. Die wurde vom Bischofsamt<br />

in Großwardein/Oradea jedoch nicht wahrgenommen,<br />

<strong>und</strong> so hat die Geschäftsstelle der<br />

Evangelischen Partnerhilfe die Zuschüsse<br />

nach offensichtlich fehlerhaften Angaben aus<br />

dem Bischofsamt berechnet.<br />

Gleich danach – bei der Eröffnung der <strong>Reformiert</strong>en<br />

Rumänien-Konsultation – verlangte<br />

Bischof Tökes, die zwei aus seinem Distrikt<br />

eingeladenen Experten sofort wieder auszuladen,<br />

da sie nicht von ihm bzw. seiner Kirche<br />

entsandt worden seien. Die beiden waren in<br />

den letzten Jahren beim Bischof »in Ungnade<br />

gefallen«, von ihren Ämtern suspendiert <strong>und</strong><br />

in die Opposition gedrängt worden. Sie hatten<br />

aber vor drei Jahren als die zuständigen Referenten<br />

des Distriktes an der letzten Konsultation<br />

teilgenommen <strong>und</strong> waren darum als Experten<br />

unerlässlich bei der Überprüfung der<br />

Empfehlungen der letzten Konsultation.<br />

Nach dem schwierigen Start – <strong>und</strong> dem Abschied<br />

des Bischofs am ersten Abend – haben<br />

die etwa 30 Teilnehmenden (die gesamte Leitung<br />

der beiden ungarisch-reformierten Distrikte,<br />

Delegierte der Hilfswerke <strong>und</strong> Partnerkirchen<br />

aus Rumänien selbst sowie aus den<br />

Niederlanden, aus der Schweiz <strong>und</strong> aus<br />

Deutschland) konzentriert <strong>und</strong> zielgerichtet an<br />

der Erarbeitung einer Struktur in der Projektzusammenarbeit<br />

gearbeitet. Es konnte schließlich<br />

vereinbart werden, dass die nächste Konsultation<br />

in Regie der ungarisch-reformierten<br />

Kirchen durchgeführt werden sollte. Möglich<br />

wird das, wenn – wie vereinbart – die beiden<br />

Distrikte ein eigenes Beratungs- <strong>und</strong> Entscheidungsgremium<br />

zur Sichtung <strong>und</strong> Bearbeitung<br />

von Projektanträgen aufgebaut haben – ein<br />

großer Schritt auf dem Weg zur Gestaltung<br />

gleichberechtigter Partnerschaft.<br />

Mit Sorgen betrachtet ein auswärtiger Begleiter<br />

der Geschicke der ungar.-ref. Kirche in Rumänien<br />

die Entwicklung des Verhältnisses zwischen<br />

den beiden Distikten: Wird es der neuen<br />

Leitung in Klausenburg gelingen, Bischof<br />

Tökes zu einer vernünftigen Zusammenarbeit<br />

zu verpflichten oder werden die Distrikte ganz<br />

<strong>und</strong> gar auseinanderbrechen?<br />

Und mit nicht geringerer Sorge betrachtet er<br />

die Entscheidung des Europäischen Gebietsausschusses<br />

des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es, die<br />

nächste Versammlug auf Einladung von Bischof<br />

Tökes im nächsten Jahr nach Großwardein<br />

/ Oradea einzuladen. Nicht nur die breite<br />

Opposition in der Pfarrerschaft befürchtet,<br />

dass der Bischof diese europäische Tagung<br />

nicht nur zu seiner Selbstdarstellung, sondern<br />

auch zur Disziplinierung seiner »Gegner« nutzen<br />

wird.<br />

6 die-reformierten.upd@te 01.2


Sterbehilfe Gast-Kommentar<br />

Aktive Sterbehilfe in den Niederlanden legalisiert<br />

In den Niederlanden dürfen Patienten auf<br />

Verlangen getötet werden. Ärzte, die unter<br />

Beachtung bestimmter Sorgfaltskriterien aktive<br />

Sterbehilfe leisten, bleiben straffrei. Damit<br />

sind Regelungen, die schon seit 1994 im Land<br />

galten, auf eine gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage gestellt.<br />

Wie ist das Gesetz zu werten? Sind<br />

Niederländer nur realistischer <strong>und</strong> ehrlicher<br />

als andere? Die Diskussion wird weitergehen<br />

– auch bei uns. Journalisten sind mit Meinungsumfragen<br />

schnell bei der Hand. Doch<br />

Meinungen werden gemacht. Durch wen <strong>und</strong><br />

aufgr<strong>und</strong> welcher Ausgangspunkte?<br />

Selbstbestimmungsrecht<br />

Die Sorgfaltskriterien sind im niederländischen<br />

Euthanasie-Gesetz genau definiert:<br />

Kranke müssen deutlich gemacht haben, dass<br />

sie den Tod wünschen; es muss ein freiwilliges<br />

<strong>und</strong> wohlüberlegtes Verlangen des Patienten<br />

vorliegen. Der Arzt muss sich dessen vergewissern<br />

<strong>und</strong> sicher sein, dass das Leiden »aussichtslos«<br />

<strong>und</strong> »unerträglich« ist. Er muss den<br />

Patienten informieren <strong>und</strong> mindestens einen<br />

weiteren Kollegen hinzuziehen, der den Patienten<br />

untersucht <strong>und</strong> sich ein Urteil bildet.<br />

Jeder Fall muss einem Ausschuss gemeldet<br />

werden, in dem mindestens ein Arzt, ein Jurist<br />

<strong>und</strong> ein Experte für ethische Fragen vertreten<br />

sind. Nur wenn dieser Ausschuss Zweifel am<br />

korrekten Vorgehen des Arztes hat, soll die<br />

Justiz eingeschaltet werden. In das Gesetz<br />

wurden auch Bestimmungen über den<br />

Wunsch von Minderjährigen nach Lebensbeendigung<br />

<strong>und</strong> Beihilfe zur Selbsttötung aufgenommen.<br />

Danach dürfen Sechzehn- bis Siebzehnjährige<br />

im Prinzip selbständig entscheiden,<br />

die Eltern müssen aber in die Entscheidungsfindung<br />

einbezogen werden. Bei Zwölfbis<br />

Sechzehnjährigen ist die Zustimmung der<br />

Erziehungsberechtigten erforderlich.<br />

Generell bleibt es nach dem niederländischen<br />

Strafgesetz auch weiterhin ein Strafdelikt, jemanden<br />

auf dessen Ersuchen hin des Lebens<br />

zu berauben. Das neue Gesetz wird als Aus-<br />

nahmeregelung in das Strafgesetz eingefügt.<br />

Die Zweite Parlamentskammer hat den Gesetzentwurf<br />

der sozialliberalen Koalition im<br />

November 2000 mit großer Mehrheit angenommen.<br />

In der Karwoche, am 10. April, hat<br />

die Erste Kammer das »Euthanasiegesetz« mit<br />

46 Ja-Stimmen <strong>und</strong> 28 Nein-Stimmen verabschiedet.<br />

Voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte<br />

wird das Gesetz in Kraft treten.<br />

Hilfe beim Sterben, aber nicht zum<br />

Sterben<br />

Vertreter der Evangelischen Kirche in<br />

Deutschland (EKD) <strong>und</strong> der Deutschen Bischofskonferenz<br />

haben das in den Niederlanden<br />

verabschiedete Gesetz kritisiert. Das Gesetz<br />

sei ein »Dammbruch«, das abendländische<br />

Menschenbild erfahre dadurch einen gefährlichen<br />

Wandel, dem Missbrauch sei Tor <strong>und</strong><br />

Tür geöffnet, sagte der Sprecher der Bischofskonferenz,<br />

Hammerschmidt. Die Kirchen lehnen<br />

die aktive Sterbehilfe ab. B<strong>und</strong>esjustizministerin<br />

Herta Däubler-Gmelin hält die Zulassung<br />

in Deutschland für <strong>und</strong>enkbar. Die Ausdehnung<br />

etwa der Schmerztherapie sei ein<br />

besserer Ansatz. Nach Ansicht des geschäftsführenden<br />

Vorstandes der Deutschen Hospiz<br />

Stiftung in Dortm<strong>und</strong> ist das Euthanasie-Gesetz<br />

in den Niederlanden eine »Reformblockade«.<br />

Anstatt für Verbesserungen im Ges<strong>und</strong>heitswesen<br />

zu sorgen, werde die »billigste Lösung«,<br />

die Tötung des Menschen, erlaubt.<br />

Aktive Sterbehilfe ist nach geltendem deutschen<br />

Recht stets strafbar. Eine Tötung auf<br />

Verlangen, also aktive Sterbehilfe, liegt nach<br />

der Rechtsprechung nicht vor, wenn eine<br />

Krankheit einen tödlichen Verlauf nimmt <strong>und</strong><br />

ein Arzt in aussichtsloser Lage die ärztliche<br />

Behandlung eines Patienten abbricht oder erst<br />

gar nicht beginnt. Doch ist die Abgrenzung<br />

oft schwierig. Die Rechtsordnung stellt unter<br />

bestimmten Umständen das Unterlassen<br />

einem Handeln gleich. Zum Beispiel besteht<br />

bei einem Selbsttötungsversuch die Pflicht<br />

zum Eingreifen <strong>und</strong> Retten.<br />

von JAN ALBERTS<br />

Am 10. April<br />

hat die Erste<br />

Kammer des<br />

Niederländischen<br />

Parlamentes<br />

einen Gesetzesentwurf<br />

zur<br />

aktiven<br />

Sterbehilfe<br />

angenommen;<br />

voraussichtlich<br />

in der zweiten<br />

Jahreshälfte tritt<br />

das Gesetz<br />

in Kraft.<br />

Ein Dammbruch?<br />

Oder eine<br />

realistische Sicht<br />

der Dinge,<br />

wie sie sind?<br />

Jan Alberts<br />

kommentiert.<br />

die-reformierten.upd@te 01.2 7


Gast-Kommentar Sterbehilfe<br />

Die Niederlande,<br />

erst recht<br />

die anderen<br />

europäischen<br />

Staaten sind noch<br />

weit davon entfernt,<br />

die Sterbehilfe zu<br />

einem anderen<br />

Zweck zu aktivieren<br />

als dem der<br />

Leidensverkürzung.<br />

Doch was das<br />

niederländische<br />

Gesetz an Schaden<br />

anrichtet, ist ebenso<br />

wenig abzusehen,<br />

als wenn man einen<br />

Meeresdamm<br />

gebrochen hätte.<br />

Das schlechte Gewissen<br />

Ich zitiere noch eine mahnende <strong>und</strong> kritische<br />

Stimme: Ausschnitte aus einem Kommentar,<br />

den Georg Paul Hefty für die »Frankfurter Allgemeine«<br />

vom 11. April geschrieben hat.<br />

»Die Niederländer haben einen Damm gebrochen.<br />

... Die Todesst<strong>und</strong>e <strong>und</strong> die Todesart<br />

sind das große Geheimnis der persönlichen<br />

Zukunft. Der Wunsch, am Ende nicht leiden<br />

zu müssen, ist gewiss jedermann zu eigen.<br />

Wenn schon das persönliche Schicksal nicht<br />

planbar ist, dann richtet sich von jeher doch<br />

alles menschliche Streben darauf, die Umstände<br />

des Todes so gut wie möglich zu ordnen.<br />

Die tief verwurzelte Ablehnung des Krieges<br />

<strong>und</strong> die Sehnsucht nach Frieden haben<br />

ihre Erklärung nicht nur in dem Hoffen, dass<br />

anderen kein Leid geschehe, sondern vor<br />

allem in dem Streben, nicht selbst erschossen,<br />

nicht in den Straßengraben gewalzt, nicht im<br />

Keller unter Bombenschutt begraben zu werden.<br />

Weniger anschaulich, aber nicht weniger<br />

intensiv richtet sich letztlich das ganze Streben<br />

des Einzelnen wie die Vorsorge der Gesellschaft<br />

auf einen möglichst späten Tod <strong>und</strong><br />

ein möglichst erträgliches Sterben. Dies hat<br />

über die Jahrtausende die medizinische Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Praxis vorangetrieben, <strong>und</strong><br />

dies hat die Entwicklung von Familien, Religionen<br />

<strong>und</strong> Gesetzen geprägt.<br />

Die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe in<br />

den Niederlanden bricht mit dieser Rechtstradition;<br />

sie missachtet die Werteordnung der<br />

Weltreligionen <strong>und</strong> verändert die Beziehung<br />

der Familienmitglieder zueinander. Die Seufzer<br />

eines Kranken: »Ach, könnt' ich nur sterben«<br />

steigern nicht mehr das Mitgefühl <strong>und</strong> das<br />

pflegende Umsorgen, sondern eröffnen die Gelegenheit,<br />

den Kranken auf diesen Satz festzunageln<br />

<strong>und</strong> einen staatlich legalisierten Prozess<br />

einzuleiten. Je alltäglicher die neue Gesetzeslage<br />

wird, desto mehr wird Klagen zum lebensbedrohenden<br />

Risiko, desto mehr wird<br />

auch jeglicher medizinische <strong>und</strong> pflegerische<br />

Aufwand zum Systemverstoß, für den sich in<br />

nicht allzu ferner Zeit Familienmitglieder oder<br />

Ärzte werden rechtfertigen müssen. ...<br />

Die niederländische Regelung verrät das<br />

schlechte Gewissen des Gesetzgebers. Wäre<br />

die aktive Sterbehilfe tatsächlich eine Art<br />

Gnadentod <strong>und</strong> die Erlösung von unerträglichem<br />

<strong>und</strong> die Würde des Menschen verletzendem<br />

Leid, könnte der Gesetzgeber es bei<br />

einer Absprache zwischen Arzt <strong>und</strong> Patient<br />

belassen. Da hätte es genügt, wenn das Parlament<br />

der ärztlichen Ethik (»Nie werde ich,<br />

auch nicht auf eine Bitte hin, ein tödliches<br />

Gift verabreichen oder auch nur einen Rat<br />

dazu erteilen« – Eid des Hippokrates, 400<br />

Jahre vor Christus), eine strafrechtliche Absolution<br />

für die Verkürzung des Todeskampfes<br />

entgegengestellt hätte. Statt dessen verlangt<br />

das Gesetz die Herbeiziehung eines zweiten<br />

Arztes <strong>und</strong> gesteht damit, dass dem behandelnden<br />

Arzt die Tür zu vielfachem Missbrauch<br />

geöffnet worden ist <strong>und</strong> sie mit Hilfe<br />

eines zweiten Arztes zugehalten werden<br />

muss.<br />

Seinen Schrecken offenbart das Gesetz bei der<br />

Regelung für Minderjährige. ... Da jede Tötung<br />

eine gewisse Zeit braucht – vom persönlichen<br />

Entschluss über die Entscheidung des<br />

ersten Arztes, über die Entscheidung des<br />

zweiten Arztes bis zur Ausführung, die Gespräche<br />

mit der Familie gar nicht mitgerechnet<br />

–, ist nicht von einem unabänderlichen<br />

Gemütszustand des Patienten auszugehen.<br />

Wer aber wollte sich da eingestehen, dass er<br />

Angst bekommt <strong>und</strong> nunmehr auf Zeitgewinn<br />

aus ist, wer den Ärzten zumuten, dass er es<br />

sich anders überlegt hat, wohl ahnend, dass er<br />

sie in zwei, drei Tagen dennoch brauchen<br />

könnte? Neue Lebenszuversicht ist da nicht<br />

der Wiedergewinn an Menschenwürde, sondern<br />

nährt den Verdacht der Feigheit vor dem<br />

selbstverantworteten Tod. Und wer kann da<br />

schon auf Verständnis in der Familie vertrauen,<br />

hat man doch die Pflege um ein Verfahren<br />

kompliziert, bei dem der zweite Arzt den Verdacht<br />

haben könnte, dass der Kollege <strong>und</strong> die<br />

erbberechtigten Angehörigen zu voreilig<br />

waren.<br />

Die Niederlande, erst recht die anderen europäischen<br />

Staaten sind noch weit davon entfernt,<br />

die Sterbehilfe zu einem anderen Zweck<br />

zu aktivieren als dem der Leidensverkürzung.<br />

Materielle Gesichtspunkte wie die Kosten der<br />

Krankenpflege gewinnen zwar in der öffentlichen<br />

Erörterung an Bedeutung, haben aber<br />

noch nicht im Gesetz Platz gef<strong>und</strong>en. Doch<br />

was das niederländische Gesetz an Schaden<br />

anrichtet, ist ebenso wenig abzusehen, als<br />

wenn man einen Meeresdamm gebrochen<br />

hätte.«<br />

aus: Grenzbote 08.2001<br />

8 die-reformierten.upd@te 01.2


Köpenick Ev.-reformierte Gemeinden<br />

Evangelisch-reformierte<br />

Schlosskirchengemeinde Köpenick<br />

Renovierung der Schlosskirche nach dreijähriger Bauzeit abgeschlossen<br />

von HORST <strong>und</strong> MARIANNE GREULICH<br />

Nach dreijähriger Bauzeit konnte die evangelisch-reformierte<br />

Schlosskirchengemeinde<br />

Berlin-Köpenick ihre Kirche auf der Schlossinsel<br />

wieder in Gebrauch nehmen. Wie das<br />

gesamte Schlossarenal gehört sie zur Stiftung<br />

Preußischer Kulturbesitz. Und die lässt<br />

den einstigen Sitz der Hohenzollern seit einigen<br />

Jahren für r<strong>und</strong> 90 Millionen DMark<br />

renovieren. Die Gemeinde hat ein Nutzungsrecht<br />

<strong>und</strong> muss deshalb nur für die Inneneinrichtung<br />

<strong>und</strong> die Reparatur der bei der<br />

Renovierung in Mitleidenschaft gezogenen<br />

Orgel aufkommen.<br />

Die aus dem 17. Jahrh<strong>und</strong>ert stammende<br />

Barockkirche war nahezu baufällig geworden,<br />

weil die Pfähle, die sie als F<strong>und</strong>ament tragen,<br />

zu verrotten drohten. Mit dem F<strong>und</strong>ament<br />

wurde auch die Fassade renoviert. Und als<br />

sich während der Renovierung herausstellte,<br />

dass die Deckenstützpfeiler an Tragfähigkeit<br />

verloren hatten, wurde auch hier nachgebessert.<br />

Das Dach erhielt eine Kupferdeckung,<br />

wie sie ursprünglich vorhanden, aber schon<br />

nach 10 Jahren wieder abgebaut worden war,<br />

weil König Friedrich I. das Kupfer für sein<br />

Charlottenburger Schloss zu verwenden in<br />

Auftrag gegeben hatte.<br />

Über die Grenzen der Berlin-Brandenburgischen<br />

Kirche hinaus, zu der die Gemeinde<br />

gehört, ist sie vielen Christinnen <strong>und</strong> Christen<br />

aus den neuen wie den alten B<strong>und</strong>esländern<br />

gut bekannt. Hier fanden regelmäßig<br />

Treffen im Rahmen von Gemeindepartnerschaften<br />

statt, im Gemeindehaus in der Freiheit<br />

14 wie in der Kirche trafen sich darüber<br />

hinaus immer wieder die <strong>Reformiert</strong>en aus<br />

dem Generalkonvent.<br />

Über die Gemeinde berichten im Folgenden<br />

Marianne <strong>und</strong> Horst Greulich, seit mehr als<br />

30 Jahren das Pfarrehepaar <strong>und</strong> der gute<br />

Geist in <strong>Reformiert</strong>-Köpenick. Nachfolger ist<br />

seit einigen Wochen Pfarrer Markus Happel,<br />

der vorher in Trier gearbeitet hat.<br />

Die Evangelisch-reformierte Schlosskirchengemeinde<br />

Köpenick hat ihr Gemeindezentrum<br />

in der Altstadt von Köpenick in der Freiheit<br />

14. Ihre Kirche ist die Schlosskirche auf der<br />

Schlossinsel Köpenick gegenüber dem<br />

Schloss. Sie gehört zur Evangelischen Kirche<br />

in Berlin-Brandenburg <strong>und</strong> mit ihr zur Evangelischen<br />

Kirche in Deutschland.<br />

Als reformierte Gemeinde geht sie – wie die<br />

lutherischen Gemeinden – auf die große <strong>Reformation</strong><br />

im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert zurück. Darum<br />

nennt sie sich »reformierte«, d. h. »erneuerte«<br />

Kirche. Sie gehört damit zu den etwa 600<br />

evangelischen Gemeinden reformierten Her-<br />

Seit Advent<br />

vergangenen<br />

Jahres kann die<br />

evangelischreformierteSchlosskirchengemeinde<br />

Köpenick<br />

wieder ihre<br />

Kirche nutzen –<br />

Anlass ,<br />

über die<br />

Gemeinde zu<br />

berichten<br />

die-reformierten.upd@te 01.2 9


Ev.-reformierte Gemeinden Köpenick<br />

Im Mittelpunkt<br />

steht die Kanzel<br />

mit Bibelsprüchen<br />

in Kelchform,<br />

daran erinnernd,<br />

dass in einer<br />

evangelischen<br />

Kirche das Abendmahl<br />

in beiderlei<br />

Gestalt, Brot <strong>und</strong><br />

Wein im Kelch,<br />

gereicht wird.<br />

kommens mit etwa 2,3 Millionen Mitgliedern<br />

unter insgesamt 26 Millionen evangelischen<br />

Christen.<br />

Das zweite Gebot der biblischen Zählung, sich<br />

kein Bild noch Gleichnis von Gott zu machen,<br />

wird in der Theologie, in der Frömmigkeit, im<br />

Unterricht <strong>und</strong> bei der Ausgestaltung der Gemeinderäume<br />

<strong>und</strong> Kirchen ernst genommen.<br />

So gibt es beispielsweise in der Schlosskirche<br />

keinen Altar, sondern nur einen Abendmahlstisch.<br />

Kruzifix, Leuchter mit Kerzen <strong>und</strong> Bilder<br />

sind in ihr nicht anzutreffen, nur ein blankes<br />

Kreuz auf dem Schalldeckel der Kanzel.<br />

Die Gemeinde wurde im Juni 1684 von Deutschen<br />

<strong>und</strong> Niederländern gegründet. Später<br />

kamen die eingewanderten Hugenotten aus<br />

Frankreich hinzu, die wegen ihres evangelischen<br />

Glaubens ihre Heimat verlassen mussten.<br />

Dann kamen vertriebene reformierte<br />

Christen aus der Pfalz, aus Böhmen <strong>und</strong> Mähren<br />

<strong>und</strong> Zuwanderer aus der Schweiz, Polen<br />

<strong>und</strong> den Niederlanden hinzu. Die Sprache im<br />

Gottesdienst <strong>und</strong> im täglichen Gemeindeleben<br />

wurde recht rasch die deutsche.<br />

Seit ihrem Bestehen kommen immer wieder<br />

evangelische Christen zu dieser Gemeinde,<br />

denen die Art des reformierten Zusammenlebens<br />

zusagt. Im »Dritten Reich« fanden in ihr<br />

die Gemeinden der Bekennenden Kirche –<br />

Gegner der Hitler’schen Kirchenpolitik – aus<br />

Köpenick, Adlershof <strong>und</strong> Friedrichshagen<br />

Heimat, weil sie aus ihren Kirchen <strong>und</strong> Gemeindehäusern<br />

durch die Deutschen Christen<br />

vertrieben wurden. Unsere Gemeinde nahm<br />

sie gerne auf, weil sie geschlossen zur Bekennenden<br />

Kirche gehörte.<br />

Schon viele Jahre tagt in unserer Gemeinde<br />

<strong>und</strong> Kirche die Vereinigte <strong>Reformiert</strong>e Synode<br />

Berlin-Brandenburg <strong>und</strong> trifft sich mit uns in<br />

der Schlosskirche. Seit über fünfzig Jahren<br />

haben die altlutherischen Christen der Köpenicker<br />

Teilgemeinde in ihr ihre Gottesdienste.<br />

Auch die kleine altkatholische Gemeinde hat<br />

in ihr Heimat.<br />

Wir sind sehr dankbar, dass wir mit der barocken<br />

Schlosskirche ein Kleinod in der Köpenicker<br />

Landschaft haben. Architekt der<br />

Schlosskirche war Johann Arnold Nering<br />

(1659-1695) aus Wesel, der maßgeblich auch<br />

am Bau zahlreicher Gebäude in <strong>und</strong> bei Berlin<br />

beteiligt war. Mit der Schlosskirche schuf dieser<br />

den ersten protestantischen Zentralbau mit<br />

Kuppel auf märkischen Boden, von vornherein<br />

als reformierte Gemeindekirche konzipiert.<br />

Im Mittelpunkt steht die Kanzel mit Bibelsprüchen<br />

in Kelchform, daran erinnernd, dass in<br />

einer evangelischen Kirche das Abendmahl in<br />

beiderlei Gestalt, Brot <strong>und</strong> Wein im Kelch, gereicht<br />

wird. Ein Altar fehlt ganz, da der eine<br />

Altar Gottes das Kreuz auf Golgatha war. So<br />

steht ein Abendmahltisch unter der Kanzel<br />

ohne Kruzifix <strong>und</strong> Kerzen, an den zum Abendmahl<br />

eingeladen wird. Der Kanzel gegenüber<br />

befindet sich eine Empore, die die 1987 von<br />

der Orgelbauanstalt Voigt aus Bad Liebenwerda<br />

gänzlich restaurierte Orgel trägt.<br />

Den Akanthusschmuck der Kanzel <strong>und</strong> der sie<br />

flankierenden freistehenden Wände findet<br />

man wieder im reichen Stuckdekor der Decke<br />

<strong>und</strong> der oberen Wände, sowohl im Fries unter<br />

dem Deckengesims als auch in den Kassetten<br />

des Gewölbes <strong>und</strong> der Rückwand.<br />

Die Pilaster (Wandpfeiler) an den Wänden,<br />

deren Kapitelle ebenfalls Akanthusblattwerk<br />

tragen, werden über dem Deckengesims fortgesetzt.<br />

Über der Orgel tragen zwei geflügelte<br />

Genien das brandenburgische Staatswappen.<br />

Die Stuckdekoration schuf vermutlich der Italiener<br />

Giovanni Carove. Ein Epitaph im Chor<br />

erinnert an die Erbprinzessin Henriette Marie<br />

von Württemberg-Teck, geboren 1702 als<br />

Prinzessin von Brandenburg-Schwedt, die als<br />

Witwe 1749-1782 das Schloss bewohnte <strong>und</strong><br />

in der Schlosskirche beigesetzt wurde.<br />

Das Portal hat einen Giebel mit einem Medaillon,<br />

das die verschlungenen Initialen des<br />

Kurfürsten Friedrich III. trägt <strong>und</strong> zwei Sandsteinfiguren:<br />

den Allegorien des Glaubens<br />

<strong>und</strong> der Liebe. Die Sandsteinfiguren am<br />

Dachabschluss stellen an der Vorderfront die<br />

vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas<br />

<strong>und</strong> Johannes, an den Seiten Moses <strong>und</strong><br />

Aaron dar. Über der Kanzel im Inneren befindet<br />

sich die Büste der Kurprinzessin Elisabeth<br />

Henriette von Brandenburg, welche den Bau<br />

der Kirche anregte.<br />

Wir laden herzlich ein, die Gemeinde, ihr Gemeindezentrum<br />

<strong>und</strong> die Schlosskirche zu besuchen.<br />

10 die-reformierten.upd@te 01.2


Neues Design reformiert <strong>online</strong><br />

Die Bekanntheit steigt<br />

»reformiert <strong>online</strong>« erhält Post von reformierten Christen in aller Welt<br />

von FRAUKE BRAUNS<br />

»Grüße aus Taiwan« beginnt eine Notiz im<br />

Gästebuch des Informations- <strong>und</strong> Kommunikationsservices<br />

»reformiert <strong>online</strong>«. Ein anderer<br />

Eintrag zeugt von dem Besuch eines Nutzers<br />

aus Pakistan, ein weiterer Surfer hinterlässt<br />

seine Anmerkungen auf Spanisch. »Diese<br />

Nachrichten ermutigen die Mitarbeiterinnen<br />

<strong>und</strong> Mitarbeitern, die das Projekt aufbauen«,<br />

erzählt Walter Schulz, Vorstand der Stiftung<br />

Johannes a Lasco Bibliothek Emden <strong>und</strong> Initiator<br />

des Projektes.<br />

Aber nicht nur diese Einträge zeugen davon,<br />

dass der Service immer bekannter wird. Von<br />

November 2000 bis Mai 2001 haben insgesamt<br />

13.098 Internetnutzerinnen <strong>und</strong> -nutzer<br />

reformiert <strong>online</strong> aufgerufen. Sie haben insgesamt<br />

43.607 Seiten abgefragt. Damit wird<br />

der Informationsdienst im Durchschnitt 70<br />

mal am Tag aufgerufen. Die meisten Besucherinnen<br />

<strong>und</strong> Besucher kommen laut Webstatistik<br />

am Donnerstag auf die Seite.<br />

Die Webstatistik weist außerdem aus, woher<br />

die Nutzerinnen <strong>und</strong> Nutzer kommen: Die<br />

meisten Anfragen kommen zur Zeit aus den<br />

USA, aus Deutschland <strong>und</strong> aus der Schweiz.<br />

Besonders gefragt sind die Informationen, die<br />

in den Rubriken »aktuell«, »Bibliothek/Zeitschriften«<br />

<strong>und</strong> »Lexikon« gespeichert sind.<br />

Viele, die einmal auf den Seiten gewesen<br />

sind, kommen wieder.<br />

Ein regelmäßiger oder häufiger Besucher<br />

sieht, dass sich seit dem Start der Kommunikationsplattform<br />

für weltweite reformierte<br />

Kirchen im vergangenen Jahr viel auf den<br />

Seiten getan hat. Das Design der Site ist verändert<br />

worden. Klare Linien, eine dezente<br />

Hintergr<strong>und</strong>farbe <strong>und</strong> eine Schmuckfarbe<br />

sorgen für Übersichtlichkeit. Struktur <strong>und</strong> Inhalte<br />

sind auf allen Seiten deutlich erkennbar<br />

<strong>und</strong> erleichtern die Navigation durch die einzelnen<br />

Abteilungen.<br />

Inzwischen ist die dritte Lektion des Gr<strong>und</strong>kurses<br />

für reformierte Geschichte <strong>und</strong> Theologie<br />

<strong>online</strong> (s. 14). Sie beschäftigt sich mit Johannes<br />

Calvin, der <strong>Reformation</strong> in Genf <strong>und</strong><br />

den Anfängen der <strong>Reformation</strong> in Frankreich.<br />

Die Rubrik »aktuell« ist erweitert worden um<br />

einen Veranstaltungskalender. <strong>Reformiert</strong>e<br />

Kirchen können hier ihre Synoden, Tagungen,<br />

Kongresse <strong>und</strong> besonderen Veranstaltungen<br />

ankündigen.<br />

Diese Termine sind ebenso wie alle anderen<br />

Informationen in Datenbanken gespeichert.<br />

Sie erleichtern die Verwaltung <strong>und</strong> Auffindbarkeit<br />

aller Texte, Dokumente, Bücher, Nachrichten<br />

oder statistischen Daten. Außerdem<br />

werden alle Texte als pdf-Dokumente archiviert<br />

<strong>und</strong> geordnet. Damit sind sie im Volltext<br />

gespeichert <strong>und</strong> suchbar. Die Suchergebnisse<br />

<strong>und</strong> Textzitate unterscheiden sich nicht von<br />

den gedruckten Ausgaben.<br />

Um reformiert <strong>online</strong> noch bekannter zu machen<br />

<strong>und</strong> um sich der öffentlichen Diskussion<br />

zu stellen, präsentiert das Team das Projekt<br />

auf dem 29. Deutschen Evangelischen Kirchentag<br />

in Frankfurt/Main. Vom 14. bis 16.<br />

Juni ist das Internet-Café, in dessen Rahmen<br />

sich Besucherinnen <strong>und</strong> Besucher über reformiert<br />

<strong>online</strong> informieren können, in der Zeit<br />

von 10 bis 18 Uhr in Halle 6.1 geöffnet. Einer<br />

internationalen Öffentlichkeit stellen Walter<br />

Schulz <strong>und</strong> Hanke Immega, Mitarbeiter des<br />

Projektes, die Informationsplattform Ende<br />

Juni in Belfast vor. Sie nehmen dann an der<br />

Vollversammlung der Leuenberger Kirchengemeinschaft<br />

teil.<br />

»reformiert<strong>online</strong>.net«<br />

hat<br />

nicht nur seinen<br />

Namen präzisiert<br />

(von »...de«<br />

zu »...net«),<br />

sondern auch<br />

sein Design<br />

angepasst.<br />

Und die in<br />

der Johannes a<br />

Lasco Bibliothek<br />

betreute Seite<br />

wird immer<br />

bekannter –<br />

weltweit.<br />

die-reformierten.upd@te 01.2 11


Johannes a Lasco Bibliothek <strong>Reformiert</strong>er Protestantismus<br />

Zwei Symposien<br />

im Rahmen des Forschungsprogramms »Kulturwirkungen des reformierten Protestantismus«<br />

Zwei Tagungen<br />

in der<br />

Johannes a<br />

Lasco Bibliothek<br />

fanden<br />

Zuspruch <strong>und</strong><br />

Anerkennung:<br />

die eine<br />

Martin Bucer<br />

gewidmet,<br />

dem Vermittler<br />

zwischen den<br />

theologischen<br />

Positionen<br />

Luthers <strong>und</strong><br />

Calvins;<br />

die andere der<br />

Bedeutung des<br />

Genfer Psalters.<br />

Immer wieder ein<br />

vorzüglicher Tagungsort:<br />

die Johannes a Lasco<br />

Bibliothek<br />

Internationales Symposium<br />

»Martin Bucer <strong>und</strong> das Recht«<br />

Als erste Veranstaltung des neueingerichteten<br />

Forschungsprojekts »Recht <strong>und</strong> Jurisprudenz<br />

im Bereich des reformierten Protestantismus<br />

1550-1650« fand in der Johannes a Lasco Bibliothek<br />

Emden vom 1. bis 3. März 2001 eine<br />

Tagung zum Thema »Martin Bucer <strong>und</strong> das<br />

Recht« statt. Den Anlass zu der Tagung bildete<br />

der 450. Todestag des Theologen <strong>und</strong> Reformators<br />

von Straßburg, der am 28.2.1551<br />

im Exil in Cambridge starb. Die in Zusammenarbeit<br />

mit der Bucer-Forschungsstelle<br />

der Heidelberger Akademie der Wissenschaften<br />

organisierte Veranstaltung war das wichtigste<br />

wissenschaftliche Ereignis zum diesjährigen<br />

Gedenken an Bucer in Deutschland.<br />

Martin Bucer war einer der bedeutendsten<br />

evangelischen Theologen seiner Zeit. Mit seiner<br />

Tätigkeit prägte er den Verlauf der <strong>Reformation</strong><br />

in Straßburg <strong>und</strong> Oberdeutschland. Er<br />

bemühte sich um eine theologische Vermittlung<br />

zwischen den Positionen Zwinglis <strong>und</strong><br />

Luthers <strong>und</strong> versuchte auch, mit Theologen<br />

der alten Kirche zu einem Ausgleich zu kommen.<br />

In zahlreichen Werken widmete er sich<br />

der Auslegung der Bibel, der Kirchenorgani-<br />

sation, aber auch Problemen des christlichen<br />

Lebens. In seiner theologischen Eigenständigkeit<br />

<strong>und</strong> der Originalität seines Denkens ist er<br />

heute – zu Unrecht – nur noch Wenigen bekannt.<br />

An der Tagung nahmen Experten von Universitäten<br />

<strong>und</strong> Forschungseinrichtungen in Europa<br />

<strong>und</strong> den USA teil, darunter Juristen,<br />

Theologen <strong>und</strong> Historiker. Sie hielten Vorträge<br />

zu einem Themenkomplex, der bislang<br />

noch wenig untersucht wurde: Martin Bucer<br />

hat sich in seinem reformatorischen Wirken<br />

häufig auf das römische <strong>und</strong> kanonische<br />

Recht bezogen. Er verwandte juristische Argumentationen<br />

in vielen seiner Werke, <strong>und</strong><br />

mit seiner Interpretation des Verhältnisses<br />

von Kirche <strong>und</strong> Staat übte er großen Einfluss<br />

aus. So widmeten die Vorträge sich etwa Bucers<br />

Auffassung des Widerstandsrechts, den<br />

Bezugnahmen auf römisches <strong>und</strong> kanonisches<br />

Recht in seinen wichtigsten Werken<br />

oder bestimmten Argumentationen, deren er<br />

sich etwa bei Verhandlungen auf Reichstagen<br />

bediente.<br />

In einer Abendveranstaltung am 1. März<br />

wurde Martin Bucer einer weiteren Öffentlichkeit<br />

bekannt gemacht. Dabei wurde der<br />

neueste Band in der Reihe seiner »Deutschen<br />

Werke« erstmals vorgestellt, in dem die<br />

Schriften zum Thema »Ehe <strong>und</strong> Eherecht«<br />

veröffentlicht werden. Der<br />

Bucer-Forscher <strong>und</strong> Verfasser seiner<br />

Biografie, Prof. Dr. Martin Greschat,<br />

hielt zudem einen Vortrag über »Martin<br />

Bucers Vorstellungen zur Erneuerung<br />

der Christenheit in Europa«. Er zeigte,<br />

dass Bucer in seinen Interessen <strong>und</strong><br />

persönlichen Kontakten Anteil am Verlauf<br />

der <strong>Reformation</strong> in vielen europäischen<br />

Ländern nahm.<br />

Das Symposion, das erste große Zusammentreffen<br />

der Bucer-Forschung<br />

seit der Tagung zum 500. Geburtstag<br />

1991 in Straßburg, wurde von den Teilnehmern<br />

als großer Erfolg betrachtet.<br />

Es soll eine Phase intensiverer Zusammenarbeit<br />

der international über<br />

Bucer arbeitenden Forscher einleiten.<br />

12 die-reformierten.upd@te 01.2


<strong>Reformiert</strong>er Protestantismus Johannes a Lasco Bibliothek<br />

Interdisziplinäres Symposium<br />

»Der Genfer Psalter in seiner Zeit«<br />

Am 22. <strong>und</strong> 23. März 2001 fand in der Johannes<br />

a Lasco Bibliothek Emden eine öffentliche<br />

Tagung zum Thema »Der Genfer Psalter<br />

in seiner Zeit« statt. Musikwissenschaftler,<br />

Theologen, Philologen <strong>und</strong> Historiker aus<br />

Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz,<br />

den USA <strong>und</strong> aus Deutschland beschäftigten<br />

sich in ihren Vorträgen mit dem Psalmen-Gesangbuch<br />

der Genfer Gemeinde im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />

Die Tagung eröffnete die Aktivitäten<br />

des Forschungsprojekts »Der Hugenottenpsalter<br />

– Geschichte seiner Wirkung in Deutschland<br />

<strong>und</strong> Europa«, das eines von drei Projekten<br />

des Forschungsbereichs »Kulturwirkungen<br />

des reformierten Protestantismus« der Johannes<br />

a Lasco Bibliothek bildet.<br />

Zum Hintergr<strong>und</strong>: Der Genfer Reformator Johannes<br />

Calvin hatte Psalmen als einzigen Gemeindegesang<br />

im Gottesdienst vorgesehen<br />

<strong>und</strong> selbst auch einige Psalmlieder gedichtet.<br />

Bis 1562 entstanden französische Bereimungen<br />

mit Melodien von G. Franc, L. Bourgeois<br />

u.a. zu allen 150 Psalmen. In einer beispiellosen<br />

buchdruckerischen Kraftanstrengung<br />

wurden von 1562-1565 62 Auflagen des Genfer<br />

Gesangbuchs gedruckt <strong>und</strong> verbreitet.<br />

Durch die eingängigen Melodien <strong>und</strong> die<br />

leicht singbaren vierstimmigen Sätze von<br />

Claude Goudimel wurde der Genfer Psalter<br />

schnell populär. Übersetzungen ins Englische,<br />

Deutsche, Niederländische <strong>und</strong> andere Sprachen<br />

führten dazu, dass er sich als das Gesangbuch<br />

der reformierten Gemeinden in<br />

ganz Europa durchsetzte.<br />

Die Referate der Tagung widmeten sich dem<br />

Genfer Psalter unter verschiedenen Fragestellungen:<br />

nach einer Untersuchung der Vorgeschichte<br />

des Genfer Gesangbuchs standen<br />

zuerst theologische <strong>und</strong> praktische Fragen im<br />

Mittelpunkt. So wurde die Rolle der Musik in<br />

der Theologie Calvins untersucht, aber auch<br />

der praktische Umgang mit den Gesangbüchern<br />

<strong>und</strong> die Reaktion der katholischen Zensur<br />

behandelt. Am zweiten Tag lag dagegen<br />

der Schwerpunkt auf musikwissenschaftlichen<br />

Problemen. Die Melodik des Genfer Psalters<br />

wurde in ihrer Eigenart sowie in ihren Beziehungen<br />

zu humanistischen Odenvertonungen<br />

diskutiert. Die Vortragenden, international anerkannte<br />

Experten, forschen zum Teil schon<br />

seit Jahrzehnten über den Genfer Psalter.<br />

Die Tagung zu einem musikalischen Thema<br />

wurde natürlich auch musikalisch begleitet:<br />

Am Abend des ersten Veranstaltungstages<br />

kam Musik zum Genfer Psalter in der Neuen<br />

Kirche in Emden zur Aufführung. Das öffentliche<br />

Konzert bot musikalischen Hochgenuss:<br />

Der international renommierte japanische Organist<br />

<strong>und</strong> Dirigent Masaaki Suzuki hielt<br />

nicht nur einen<br />

kurzen<br />

Vortrag über<br />

die Rezeption<br />

des Genfer<br />

Psalters<br />

in Japan,<br />

sondern<br />

spielte auch<br />

Orgel <strong>und</strong><br />

begleitete<br />

eine Solistin<br />

seines Bach-<br />

Collegiums<br />

Japan, Yoshie<br />

Hida. Als<br />

weiterer Organist<br />

war<br />

der Organisator der Tagung, Dr. Jan R. Luth<br />

aus Groningen zu hören. Zudem erklang<br />

Chormusik zum Genfer Psalter, vorgetragen<br />

vom Projektchor der <strong>Reformiert</strong>en Kirche.<br />

Die Vorträge werden in einem Tagungsband<br />

veröffentlicht. Zudem ist eine weitere Veranstaltung,<br />

die sich inhaltlich unmittelbar anschließt,<br />

schon fest vorgesehen: Im April<br />

2002 wird, wieder in der Johannes a Lasco Bibliothek,<br />

eine Tagung über die Übersetzungen<br />

des Genfer Psalters ins Deutsche <strong>und</strong> Niederländische<br />

stattfinden.<br />

Am Rande der Tagung, die von allen Beteiligten<br />

als großer Erfolg betrachtet wurde, kam<br />

es zu regem wissenschaftlichen Austausch<br />

<strong>und</strong> persönlichen Gesprächen. So wurden<br />

auch die weiteren Projekte des Forschungsprogramms,<br />

darunter eine Bibliografie der<br />

deutschen <strong>und</strong> niederländischen Psalterdrucke<br />

<strong>und</strong> Faksimile-Veröffentlichungen<br />

wichtiger Gesangbücher, mit den anwesenden<br />

Experten diskutiert.<br />

Der reformierte Projektchor<br />

Die weiteren<br />

Projekte des<br />

Forschungsprogramms:<br />

u.a. eine Bibliografie<br />

der<br />

deutschen <strong>und</strong><br />

niederländischen<br />

Psalterdrucke<br />

<strong>und</strong> Faksimile-<br />

Veröffentlichungen<br />

wichtiger<br />

Gesangbücher.<br />

die-reformierten.upd@te 01.2 13


eformiert <strong>online</strong> Weiterbildung<br />

Johannes Calvin, der Despot aus Genf?<br />

Neue Lektion des Seminars »Gr<strong>und</strong>kurs <strong>Reformiert</strong>« steht im Netz<br />

Das Seminarangebot<br />

zur<br />

Weiterbildung<br />

für TheologInnen<br />

<strong>und</strong> NichttheologInnen,<br />

das »reformiert<strong>online</strong>.net«anbietet,<br />

wächst:<br />

Dr. Matthias<br />

Freudenberg <strong>und</strong><br />

Dr. Georg<br />

Plasger haben<br />

die dritte Lektion<br />

ins »Netz« gestellt.<br />

Um »Appetit«<br />

auf mehr zu<br />

machen,<br />

drucken wir im<br />

Folgenden die<br />

Einleitung ab.<br />

Über die Person Johannes Calvins<br />

ist etwas mehr bekannt als von der<br />

Person Huldreich Zwinglis. Und<br />

das ist insofern verständlich, als er<br />

ungleich wirkungsvoller gewesen<br />

ist als Zwingli; beinahe alle reformierten<br />

Kirchen auf der ganzen<br />

Welt beziehen sich auf ihn zurück;<br />

die <strong>Reformiert</strong>en werden häufig<br />

Calvinisten genannt, obwohl sie<br />

sich selber so nicht bezeichnen.<br />

Aber gleichzeitig ist es so, dass vor<br />

allem in Deutschland sehr negative<br />

Kennzeichnungen über Calvin<br />

immer noch häufig anzutreffen<br />

sind: Er sei der Despot aus Genf,<br />

der überaus streng <strong>und</strong> seiner<br />

Richtung alle anderen zu opfern<br />

bereit gewesen sei; er habe Servet<br />

hinrichten lassen; er habe die sogenannte<br />

doppelte Prädestinationslehre vertreten,<br />

nach der Gott die einen zum Heil, die<br />

anderen zum Unheil erwähle etc. Stefan<br />

Zweig hat 1936 in der Zeit des Nationalsozialismus<br />

ein Buch geschrieben: »Ein Gewissen<br />

gegen die Gewalt. Castellio gegen Calvin« <strong>und</strong><br />

hat in literarisch geschickter Art den Despoten<br />

Hitler gemeint <strong>und</strong> Calvin gesagt - auch<br />

das hat in den vergangenen Jahrzehnten eher<br />

dazu beigetragen, das Bild Calvins in düsteren<br />

Farben zu<br />

zeichnen.<br />

Es ist wahr,<br />

dass manche<br />

Züge Calvins<br />

den Menschen<br />

in der Moderne<br />

wohl eher<br />

fremd bleiben<br />

werden. Er ist<br />

ein Asket, der<br />

sein ganzes<br />

Leben in den<br />

Dienst der <strong>Reformation</strong><br />

stellte <strong>und</strong><br />

dabei streng<br />

vorgehen<br />

konnte. Aber wir werden uns bemühen müssen,<br />

ein differenziertes Bild wahrzunehmen.<br />

Denn dass von Calvin ein so verzeichnetes<br />

Bild existiert, liegt auch an den Konfessionsstreitigkeiten<br />

bis ins 20. Jahrh<strong>und</strong>ert hinein.<br />

Im 17. Jahrh<strong>und</strong>ert vor allem gab es Querelen<br />

<strong>und</strong> Streitereien zwischen den Konfessionen,<br />

gerade auch zwischen reformierten <strong>und</strong> lutherischen<br />

Christen. Es wurde diffamiert,<br />

unterstellt <strong>und</strong> nicht mehr fair dargestellt.<br />

Von allen Seiten ist viel Unrecht geschehen,<br />

auch von reformierter. Und in diesem Zusammenhang<br />

entstand vor allem in Deutschland<br />

aufgr<strong>und</strong> vieler Schriften der insgesamt<br />

einflussreicheren Lutheraner ein Bild Calvins,<br />

das noch über Jahrh<strong>und</strong>erte fortwirkt <strong>und</strong><br />

auch heute noch - wenn auch in abgeschwächter<br />

Form - in manchen Kirchengeschichtsdarstellungen<br />

<strong>und</strong> populären Darstellungen<br />

weiterlebt.<br />

Deswegen ist es gut, sich nicht von den Vorurteilen<br />

bestimmen zu lassen, sondern genauer<br />

hinzuschauen <strong>und</strong> zu fragen, wie Calvin<br />

gelebt, gelehrt <strong>und</strong> gewirkt hat.<br />

14 die-reformierten.upd@te 01.2


<strong>Reformiert</strong>es Seminar Thema<br />

<strong>Reformiert</strong>es Predigerseminar Elberfeld, Mainzerstr.<br />

16. Für Generationen nicht nur reformierter<br />

Theologinnen <strong>und</strong> Theologen<br />

ist das bis heute eine »gute Adresse«:<br />

Sie sind in ihrer zweiten Ausbildungsphase,<br />

dem Vikariat, hier ausgebildet<br />

worden. Die Dozentinnen <strong>und</strong> Dozenten<br />

haben sie auf dem Weg in ihren<br />

Beruf begleitet. Und sie haben das gut<br />

getan – sagen jedenfalls viele, wenn<br />

sie über ihre Erfahrungen im Predigerseminar<br />

sich äußern. Die das tun sind<br />

nicht nur Theologinnen <strong>und</strong> Theologen<br />

der Ev.-reformierten Kirche oder<br />

der Lippischen Landeskirche. Auch<br />

viele Pfarrerinnen <strong>und</strong> Pfarrer der Ev.<br />

Kirche im Rheinland <strong>und</strong> der Ev. Kirche<br />

in Westfalen haben hier »Praxis<br />

gelernt«. Und sie denken gerne zurück<br />

an ihre Zeit in der Mainzerstraße.<br />

Aber das ist seit Anfang Mai »Geschichte«.<br />

Das Predigerseminar Elber-<br />

<strong>Reformiert</strong>es Predigerseminar Elberfeld<br />

hat die Seiten gewechselt<br />

Mit neuem Namen an neuem Ort:<br />

<strong>Reformiert</strong>es Seminar für pastorale Aus- <strong>und</strong> Fortbildung residiert in Barmen<br />

Auf der »KiHo«<br />

angekommen<br />

feld ist »über die Wupper« gegangen, wie es<br />

Anna Neumann in einem Kommentar im<br />

Übernahme der neuen Räume durch den<br />

Vorsitzenden des Kuratoriums, Landessuperintendent<br />

Noltensmeier (Lippische Landeskirche)<br />

»Weg« geschrieben hat. Trauergesänge allerdings<br />

oder Beileidbek<strong>und</strong>ungen sind nicht<br />

angesagt. Denn das Predigerseminar hat ganz<br />

real »die Seiten gewechselt« im Tal der Wupper:<br />

Von der Südseite in Elberfeld ist es auf<br />

die Nordseite in Barmern gezogen, auf den<br />

sog. »Heiligen Berg«, auf das Gelände der<br />

Kirchlichen Hochschule.<br />

Schon lange hat diese Veränderung sich abgezeichnet.<br />

Das Haus in der Mainzerstraße<br />

war renovierungsbedürftig. Nicht nur dass die<br />

Feuerwehr aus baupolizeilichen Gründen die<br />

dritte Etage schon geschlossen hatte. Auch<br />

das Innere, von der Bausubstanz bis hin zum<br />

Stil der Einrichtungen war nicht mehr angemessen.<br />

Das etwas »Gruftige«, aber auch<br />

Kirchlich-Heimelige der 70er Jahre ließ schon<br />

lange grüßen, trotz vieler Bemühungen, das<br />

Haus in Stil <strong>und</strong> Möglichkeiten den modernen<br />

Anforderungen anzupassen.<br />

VON JÖRG SCHMIDT<br />

Am 21. Mai<br />

wurden in<br />

Wuppertal<br />

die neuen<br />

Räume des<br />

<strong>Reformiert</strong>en<br />

Predigerseminars<br />

in<br />

Gebrauch<br />

genommen –<br />

Anlass für die<br />

Thema-Artikel<br />

dieses Heftes.<br />

die-reformierten.upd@te 01.2 15


Thema <strong>Reformiert</strong>es Seminar<br />

Die Nähe von<br />

erster <strong>und</strong> zweiter<br />

Ausbildungsphase<br />

reizt zu weit gehenden<br />

Fantasien, was<br />

die gegenseitige<br />

Lernbedürftigkeit<br />

<strong>und</strong> Lernfähigkeit<br />

<strong>und</strong> also auch<br />

Zusammenarbeit<br />

angeht.<br />

Die Dozentinnen <strong>und</strong> Dozenten hatten gelernt,<br />

aus dem Mangel das Beste zu machen:<br />

Aus finanziellen Gründen konnte die kleine<br />

Bibliothek nicht so ausgebaut werden, wie sie<br />

ursprünglich einmal angelegt worden war.<br />

Für die Dozierenden gab es nicht genug Arbeitszimmer.<br />

Und der immer etwas enge,<br />

etwas niedrige Lehrsaal taugte auch nur noch<br />

begrenzt. Aber die Arbeit war über Wuppertal<br />

hinaus so angesehen, dass eine Schließung<br />

des Standortes Wuppertal nicht in Frage kam.<br />

Inzwischen waren in den letzten Jahren auch<br />

die Kurszahlen der teilnehmenden Vikarinnen<br />

<strong>und</strong> Vikare deutlich zurück gegangen. Es<br />

zeichnete sich ab, dass auch mit einem Direktor,<br />

einem weiteren Dozenten <strong>und</strong> einigen<br />

Gastlehrenden der Betrieb gut aufrecht erhalten<br />

werden konnte. Aber lohnten dann noch<br />

die hohen Investitionskosten der notwendigen<br />

Renovierung <strong>und</strong> auch die zu erwartenden<br />

relativ hohen laufenden Kosten, auch<br />

durch das Haus-Personal <strong>und</strong> anderes mehr?<br />

In dieser Situation bot die Ev. Kirche im<br />

Rheinland eine andere Lösung an, die in vielerlei<br />

Hinsicht für die das Predigerseminar<br />

tragenden Kirchen verlockend war: Das Predigerseminar<br />

kommt auf das Gelände der<br />

Kirchlichen Hochschule. Interessant <strong>und</strong> ver-<br />

Der Lehrsaal<br />

In Gebrauch genommen<br />

lockend war das Angebot für alle Beteiligten<br />

in jeder Beziehung: Die Kirchliche Hochschule<br />

erhält einen Um- <strong>und</strong> Ausbau ihrer Bibliothek<br />

<strong>und</strong> festigt ihren Standort in Wuppertal.<br />

Das Predigerseminar erhält zwei moderne,<br />

klug ausgebaute Etagen im frei werdenden<br />

Haus 15 der Kirchlichen Hochschule<br />

– in den alten Räumen der<br />

Bibliothek; <strong>und</strong> das bei relativ vernünftigen<br />

<strong>und</strong> langfristig vereinbarten<br />

Mietkosten. Das Catering<br />

übernimmt – ebenfalls zu günstigen<br />

Konditionen – die Vereinte<br />

Evangelische Mission mit ihrem<br />

Gästehaus. Dazu kann jetzt die gut<br />

sortierte Bibliothek der Kirchlichen<br />

Hochschule mit genutzt werden.<br />

Und die Nähe von erster <strong>und</strong> zweiter<br />

Ausbildungsphase reizt zu weit<br />

gehenden Fantasien, was die gegenseitige<br />

Lernbedürftigkeit <strong>und</strong><br />

Lernfähigkeit <strong>und</strong> also auch Zusammenarbeit<br />

angeht.<br />

So war dann schließlich entschieden<br />

<strong>und</strong> jetzt, nach intensiver Umbauphase,<br />

vollzogen: Das Predigerseminar<br />

zog auf das Gelände der<br />

Kirchlichen Hochschule, nachdem<br />

auch die Bibliothek ihre neuen Nutzerinnen<br />

<strong>und</strong> Nutzer gef<strong>und</strong>en hat.<br />

Sie wurde – im Rahmen einer Studienfahrt<br />

des letzten, im alten Haus<br />

16 die-reformierten.upd@te 01.2


<strong>Reformiert</strong>es Seminar<br />

ausgebildeten Jahrgangs – nach Ungarn<br />

verbracht. In Papa hilft sie jetzt,<br />

die ungarischen Vikare <strong>und</strong> Vikarinnen<br />

auszubilden.<br />

Wer die beiden Etagen in der Missionsstr.<br />

15a – so lautet die genaue<br />

Adresse – besucht, der wird nicht<br />

umhin kommen, allen Beteiligten zu<br />

diesem Neuanfang zu gratulieren.<br />

Klar, nüchtern <strong>und</strong> doch voll Atmosphäre<br />

ist die Anmutung der Räume,<br />

vom Schnitt bis zum Inventar. Ein<br />

großzügiger »Lehrsaal« ist vorhanden;<br />

dazu eine entsprechende Anzahl von<br />

gut eingerichteten Gruppenräumen<br />

<strong>und</strong> Arbeitszimmern für den Direktor<br />

– D. Peter Bukowski – <strong>und</strong> den Dozenten<br />

– Achim Reinstädtler. Auf den<br />

ersten Blick wirken einige Zimmer<br />

vielleicht etwas klein; zudem sind –<br />

bei voller Belegung – auch Doppelzimmer<br />

vorgesehen. Und die Zimmer<br />

haben auch keine eigene Nasszelle.<br />

Aber nicht nur, dass das die »Tradition«<br />

des Predigerseminars schon in<br />

der Mainzer Straße war. Auch im Hinblick<br />

auf die zukünftigen finanziellen<br />

Möglichkeiten der beteiligten Kirchen<br />

ist dieser Charme der stilvollen Einfachheit<br />

durchaus sinnvoll.<br />

Mit dem Umzug vollzog sich allerdings<br />

nicht nur eine Adressenänderung.<br />

Auch der alte Name fiel, aus<br />

ganz verschiedenen Gründen. Allein<br />

formal schon konnte es nicht mehr<br />

Predigerseminar Elberfeld heißen,<br />

liegt doch der neue Standort auf Barmer<br />

Gebiet. Und auch das hat sich ja<br />

inzwischen herum gesprochen: dass<br />

hier nicht nur Prediger ausgebildet<br />

werden, sondern auch Predigerinnen.<br />

Aber das hat sich verändert in den<br />

letzten Jahrzehnten, auch wenn es<br />

vielleicht <strong>Reformiert</strong>e nicht so gerne<br />

wahrhaben wollen: Nicht mehr das Predigen<br />

ist das Paradigma für den Beruf des Pfarrers<br />

<strong>und</strong> der Pfarrerin, sondern eher sind es die<br />

pastoralen Fähigkeiten als Seelsorgerin oder<br />

als Seelsorger. Zudem werden die Fähigkeiten<br />

der Ausbilder zunehmend für die Fortbildung<br />

in den ersten Amtsjahren der Pfarrerinnen<br />

<strong>und</strong> Pfarrer abgerufen. Und so heißt das »<strong>Reformiert</strong>e<br />

Predigerseminar Elberfeld« seit 1.<br />

Mai »<strong>Reformiert</strong>es Seminar für pastorale Aus-<br />

Noch einmal der Lehrsaal Blick in Richtung Bibliothek <strong>und</strong> VEM<br />

Anja Werth (Assistentin im Generalsekretariat<br />

des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es; ); Angelika Kalcker;<br />

Brigitte Krahe (von links)<br />

<strong>und</strong> Fortbildung«. Im übrigen ist es das einzige<br />

reformierte Seminar für die Ausbildung<br />

von Theologinnen <strong>und</strong> Theologen im Vikariat<br />

in Deutschland.<br />

Kein tränenreicher Abschied, auch wenn<br />

manche <strong>und</strong> mancher vielleicht etwas wehmütig<br />

an das Haus <strong>und</strong> an die Zeit in der<br />

Mainzerstraße zurückdenken wird. Ein Abschied,<br />

der ein Neuanfang ist <strong>und</strong> in gewissem<br />

Sinn ein Aufbruch, wenn man an die<br />

die-reformierten.upd@te 01.2 17


Thema <strong>Reformiert</strong>es Seminar<br />

... dass der<br />

<strong>Reformiert</strong>e B<strong>und</strong><br />

noch einmal neu<br />

im Hinblick auf<br />

den Ort seiner<br />

Studien- <strong>und</strong><br />

anderen Tagungen<br />

plant.<br />

Fortbildung der jungen Pfarrerinnen <strong>und</strong><br />

Pfarrer denkt, wenn man an die Möglichkeiten<br />

der Zusammenarbeit mit der<br />

Kirchlichen Hochschule denkt. Und auch<br />

das ist eine Perspektive, die schon für die<br />

nahe Zukunft Beachtung finden sollte:<br />

Die Räumlichkeiten auf dem Gelände der<br />

Kirchlichen Hochschule, die Übernachtungsmöglichkeiten<br />

im Gästehaus der<br />

VEM, der unmittelbare Zugang zu einer<br />

neu gestalteten <strong>und</strong> gut sortierten Bibliothek<br />

– alles das lässt auch daran denken,<br />

dass der <strong>Reformiert</strong>e B<strong>und</strong> noch einmal<br />

neu im Hinblick auf den Ort seiner Stu-<br />

Das Geschenk der Vereinten Evangelischen Mission (VEM),<br />

überreicht von Jutta Beldermann <strong>und</strong> Reiner Groth,<br />

dem Direktor der VEM<br />

Brot <strong>und</strong> Salz, überreicht vom Rektor<br />

der »KiHo«, Prof. Klaus Haacker<br />

Genug Lektüre zum Lesen<br />

<strong>und</strong> Studieren<br />

dien- <strong>und</strong> anderen Tagungen<br />

plant.<br />

Ein Abschied wird jetzt<br />

jedoch endgültig vollzogen:<br />

Brigitte Krahe,<br />

langjährige Mitarbeiterin<br />

im Sekretariat des<br />

Predigerseminars, geht<br />

in den Ruhestand. Fast<br />

zehn Jahre hat sie die Geschicke des Hauses<br />

mit gestaltet, hat verschiedene Direktoren erlebt,<br />

etliche Generationen an Vikarinnen <strong>und</strong><br />

Vikaren, manche Veränderung mit durchlitten.<br />

Und nimmt nun Abschied.<br />

Nicht nur die Mitarbeitenden im »<strong>Reformiert</strong>en<br />

Seminar« danken ihr ihren Einsatz. Auch<br />

die Mitarbeitenden in der Geschäftsstelle des<br />

<strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es, hat sie doch in den<br />

letzten Jahren den Moderator des B<strong>und</strong>es<br />

unterstützt <strong>und</strong> war so etwas wie eine<br />

Schnittstelle zwischen verschiedenen Aufgabenbereichen<br />

von Peter Bukowski.<br />

Ihre Nachfolgerin wird Angelika Kalcker,<br />

mancher Leserin, manchem Leser vielleicht<br />

auch nicht ganz unbekannt, hat sie doch einige<br />

Jahre im Büro der <strong>Reformiert</strong>en Kirchen-<br />

Zeitung gearbeitet. Der einen – Brigitte Krahe<br />

– eine gute Zeit »nach« dem Predigerseminar,<br />

der anderen – Angelika Kalcker – eine gute<br />

Zeit im »<strong>Reformiert</strong>en Seminar«.<br />

18 die-reformierten.upd@te 01.2


Ausbildung im <strong>Reformiert</strong>en Seminar Thema<br />

?: Herr Reinstädtler, 10 Jahre lang haben Sie<br />

als Pastor in zwei Bereichen gearbeitet, in der<br />

Gemeinde <strong>und</strong> im Seminar. Waren Sie eigentlich<br />

froh, als Sie mit ganzer Stelle an das Seminar<br />

kamen?<br />

!: Zweifellos war <strong>und</strong> ist es eine Arbeitserleichterung,<br />

nur noch in einem Bereich zu arbeiten.<br />

Wenn ich früher nach einem ganzen<br />

Arbeitstag das Seminar verließ, hatte ich oft<br />

noch Veranstaltungen in der Gemeinde vor<br />

mir. Das war schon belastend. Aber dass ich<br />

froh gewesen wäre, kann ich nicht sagen.<br />

Denn andererseits ist das ja auch die Realität<br />

vieler derer, die in den Gemeinden ehrenamtlich<br />

tätig sind: nach einem Arbeitstag abends<br />

sich für die Gemeinde zu engagieren. Da gab<br />

es also Erfahrungen, die mich mit vielen in<br />

der Gemeinde verbanden.<br />

Und es gab eine Parallele zu den Erfahrungen<br />

der Vikarinnen <strong>und</strong> Vikare. Wie sie kam ich<br />

aus der Gemeinde für einen begrenzten Zeitraum<br />

an das Seminar, wie sie ging ich nach<br />

dem Abschluss einer Kurswoche wieder in die<br />

Gemeinde.<br />

Im gewissen Sinn habe ich so die Erfahrung<br />

gemacht, dass Theorie <strong>und</strong> Praxis nicht notwendig<br />

auseinander fallen müssen: wenn die<br />

»Praxis« mich begleitet in meiner Lehrtätigkeit<br />

<strong>und</strong> die »Theorie« dasselbe tut, wenn ich<br />

in der Gemeinde arbeite.<br />

?: Das klingt so, als vermissten Sie die Erfahrungen<br />

der Gemeindearbeit ...<br />

!: ... ja, manches vermisse ich: den Konfirmandenunterricht<br />

etwa als, wenn ich so sagen<br />

darf, Härtetest: Jugendlichen verstehbar <strong>und</strong><br />

nachvollziehbar zu machen, was christlicher<br />

Glaube ist; oder nach einem Gottesdienst beim<br />

Kaffee bei den Leuten zu sitzen, ihnen zuzuhören,<br />

auch wenn ich ihre Geschichten vielleicht<br />

schon mehrfach gehört hatte; oder etwa bei<br />

Vorgesprächen zu Beerdigungen mit »normalen«<br />

Leuten zusammen zu sein, das sind einige<br />

der Dinge, an die ich gerne zurück denke. Oder<br />

– <strong>und</strong> nicht zuletzt – die Erfahrung, eine Gemeinde<br />

mit anderen zusammen zu entwickeln,<br />

aufzubauen. Denn ich habe die Gemeinde <strong>und</strong><br />

auch das Presbyterium immer als Rückhalt er-<br />

Für die Gemeinde ausbilden<br />

Gespräch mit Achim Reinstädtler, Dozent am <strong>Reformiert</strong>en Seminar<br />

lebt, die mit mir gemeinsam<br />

Verantwortung tragen.<br />

Diese Erfahrungen haben bei<br />

mir die nicht nur reformierte<br />

Einsicht bestärkt, dass die<br />

Gemeinde das Wichtigste in<br />

der Kirche ist. Für sie habe ich studiert. Für<br />

sie bilde ich aus.<br />

?: Haben Ihre Gemeindeerfahrungen Konsequenzen<br />

für Ihre Ausbildungsziele als Dozent?<br />

!: Zunächst einmal sind die Ausbildungsziele<br />

in den einzelnen Fächern natürlich vorgegeben.<br />

Aber bestimmte Gr<strong>und</strong>erfahrungen<br />

fließen mit Sicherheit in meine Lehrtätigkeit<br />

ein. Ich habe meine Arbeit in der Gemeinde<br />

immer stärker verstanden als die des »professionellen<br />

Nachbarn« <strong>und</strong> des Fachmannes für<br />

Religion <strong>und</strong> christlichen Glauben. Gerade<br />

diese beiden Pole mit dieser Spannung möchte<br />

ich gerne verstehbar machen <strong>und</strong> die oft<br />

theologisch verbrämte Angst vor Beidem nehmen,<br />

um die Chancen sich nicht zu verstellen,<br />

die beides bietet.<br />

Zum anderen habe ich im Rückblick auf die<br />

10 Jahre Gemeindearbeit auch gesehen, wie<br />

viele Fehler ich gemacht habe, welches »Chaos«<br />

manchmal in meiner Arbeit herrschte. Die<br />

Anforderungen des Pfarrberufes haben auch<br />

Seit 1989<br />

arbeitet Achim<br />

Reinstädtler als<br />

Dozent am<br />

<strong>Reformiert</strong>en<br />

Predigerseminar<br />

Elberfeld, bis<br />

Ende 1999 mit<br />

einer halben<br />

Stelle, seither<br />

mit einer<br />

ganzen. Mit der<br />

anderen Hälfte<br />

seiner Pfarrstelle<br />

war er als<br />

Gemeindepastor<br />

an der Alten<br />

<strong>Reformiert</strong>en<br />

Kirche in<br />

Wuppertal-<br />

Elberfeld tätig.<br />

Reinstädtler ist<br />

zuständig für<br />

die AusbildungsbereicheGemeindeaufbau,<br />

Katechetik<br />

<strong>und</strong> Seelsorge.<br />

Mit ihm sprach<br />

Jörg Schmidt.<br />

die-reformierten.upd@te 01.2 19


Thema Ausbildung im <strong>Reformiert</strong>en Seminar<br />

sehr viel damit<br />

zu tun, die<br />

Arbeit zu organisieren.<br />

Der Pfarrer ist<br />

eben auch<br />

sein eigener<br />

Mitarbeiter.<br />

Die Pfarrerin<br />

muss eben<br />

auch an sich<br />

selbst Perso-<br />

nalentwicklung<br />

betreiben. Die<br />

Fähigkeit in diesemZusammenhang,Schwerpunkte<br />

zu setzen,<br />

halte ich –<br />

gerade aus eigenen<br />

Erfahrungen<br />

– für wesentlich<br />

im Pfarrberuf.<br />

Und das versuche<br />

ich auch zu<br />

vermitteln.<br />

?: Aber ist das denn schon im Vikariat zu<br />

vermitteln? Gehört nicht das Erleben von<br />

»Chaos« dazu, um diese Konsequenz zu verstehen<br />

<strong>und</strong> ziehen zu wollen?<br />

!: Deswegen hat ja auch unser Angebot für<br />

die Fortbildung in den ersten Amtsjahren eine<br />

gute Resonanz gef<strong>und</strong>en. Jetzt kommen die<br />

Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen <strong>und</strong> fragen: Wie war<br />

das damals noch beim Thema Gemeindeaufbau<br />

mit den Schwerpunkten? Wie war das mit meiner<br />

Rolle als »professioneller Nachbar«?<br />

Sie haben jetzt selbst erlebt: Was ich in der<br />

Gemeinde brauche, das sind Neugier <strong>und</strong> Zeit.<br />

Aber Zeit ist ganz schnell verplant <strong>und</strong> verbraucht.<br />

Und dann liegt ein entscheidender<br />

Fehler ganz nahe: Ich beginne über die Zeitknappheit<br />

zu philosophieren oder zu räsonieren.<br />

Und ich vertue so weiterhin viel Zeit,<br />

indem ich nicht lösungsorientiert arbeite, sondern<br />

problemorientiert. Übrigens etwas, was<br />

sich in vielen Arbeitsfeldern<br />

in der<br />

Gemeinde wieder findet,<br />

vor allem in der<br />

Arbeit etlicher Ausschüsse.<br />

Die sind im<br />

übrigen für mich so<br />

etwas wie ein Stau<br />

auf der Autobahn:<br />

Alle wollen irgendwie<br />

weiter, aber völlig<br />

unkoordiniert.<br />

Was ich versuchen<br />

möchte ist also, jungen<br />

Kolleginnen <strong>und</strong><br />

jungen Kollegen zu<br />

helfen, lösungsorientiert<br />

zu arbeiten.<br />

?: Herr Reinstädtler, mit dem Umzug des Seminars<br />

war mit Sicherheit viel zusätzliche Arbeit<br />

verb<strong>und</strong>en. Hat sie sich Ihrer Meinung<br />

nach gelohnt?<br />

!: Auf jeden Fall! Ich bin gerne umgezogen.<br />

Und eigentlich muss ich sagen: Wir alle sind<br />

gerne umgezogen.<br />

Viele haben immer vom Charme des Hauses in<br />

der Mainzerstraße gesprochen. Ohne Zweifel<br />

hatte das alte Seminar diesen gewissen Charme.<br />

Schon der Gedanke, wie viele Pfarrer- <strong>und</strong><br />

Pfarrerinnengenerationen dort ausgebildet<br />

wurden <strong>und</strong> wer das Haus mitgeprägt hat: Jeder<br />

Direktor hat das getan, von Helmut Tacke<br />

über Walter Herrenbrück <strong>und</strong> Eberhard Mechels<br />

bis hin zu Peter Bukowski; <strong>und</strong> jede<br />

»Hausmutter« hat das getan, ob es nun Frau<br />

Weidner war oder Rose Falkenroth oder Yvonne<br />

Johann oder zum Schluss Frau Heltewig.<br />

Und wie viele Geschichten dort zwischen den<br />

Wänden hingen.<br />

Aber im Mobiliar war das auch der mittlerweile<br />

etwas muffig gewordene Charme der<br />

70er. Und das Haus hatte für mich auch so<br />

etwas von einer höhlenartigen Atmosphäre.<br />

Hier dagegen haben wir angemessene Räume,<br />

die eine klaren, offenen <strong>und</strong> hellen Charakter<br />

haben. Hier bilden wir alle gerne aus, hier fällt<br />

es uns leicht, junge Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />

in einer neuen Lebensphase zu begrüßen <strong>und</strong><br />

sie ernst zu nehmen als solche, die sich in der<br />

Praxis versuchen.<br />

!: Herr Reinstädtler, ich danke Ihnen für das<br />

Gespräch.<br />

20 die-reformierten.upd@te 01.2


Generalsekretär rwb<br />

Die Zeit des ersten Pfingstfestes, so steht es in<br />

der Apostelgeschichte, ist die Zeit, in der die<br />

Jünger, erfüllt vom Heiligen Geist ihre Angst<br />

ablegten <strong>und</strong> mutig hinausgingen, um das<br />

Evangelium zu verkünden. Die Rede des Petrus<br />

basiert auf der Prophezeiung des Joel von<br />

einer neuen Zeit, in der der Geist ausgegossen<br />

würde über alles Fleisch; <strong>und</strong> Söhne <strong>und</strong> Töchter<br />

würden prophetisch reden, junge Leute<br />

würden Visionen haben <strong>und</strong> die Alten würden<br />

Träume träumen. Niemand solle ausgeschlossen<br />

sein von dieser versprochenen Ausgießung<br />

des Heiligen Geistes – auch die Sklaven sollten<br />

vom Heiligen Geist <strong>und</strong> von Prophezeiungen<br />

erfüllt sein. Dieses Pfingstfest ist die Erfüllung<br />

von Gottes Versprechen die Schranken niederzureißen<br />

– Schranken des Alters, der sozialen<br />

Schicht, des Geschlechtes oder der Sprache –<br />

<strong>und</strong> alle einzubeziehen.<br />

Es ist interessant festzustellen, dass also auch<br />

in den damaligen patriarchalen Kulturen beide<br />

– Joels Prophezeiung <strong>und</strong> in Anlehnung<br />

daran Petrus in der Apostelgeschichte – betonen,<br />

dass das Versprechen an Frauen <strong>und</strong><br />

Männer gerichtet ist. Es ist gerichtet an Söhne<br />

<strong>und</strong> Töchter. An Sklaven. An jung <strong>und</strong> alt.<br />

Niemand wird außen vor gelassen.<br />

Die Jünger Jesu, die das Pfingstfest erlebten,<br />

waren ängstliche Menschen. Im Johannes-<br />

Evangelium verstecken sie sich hinter verschlossenen<br />

Türen – so konnten sie aber die<br />

Schranken einreißende gute Nachricht nicht<br />

predigen. Die Erfahrung des Pfingstfestes allerdings<br />

änderte alles für sie.<br />

Heute, wenn wir Pfingsten 2001 feiern erscheint<br />

es uns, als ob viele in der <strong>Reformiert</strong>en<br />

Familie immer noch ängstlich wären <strong>und</strong><br />

sich nicht trauen würden die gute Nachricht<br />

zu verkünden, dass unser Herr Jesus Christus<br />

erschienen ist, auf dass alle Leben in Fülle<br />

haben. Das Leben Vieler scheint ein Kompromiss<br />

zu sein in geistlicher, sozialer, ökonomischer<br />

oder kultureller Hinsicht – aber diese<br />

Vielen bleiben stumm. Einige von uns wiederum<br />

leben, als seien sie sich nicht bewusst,<br />

Gefüllt mit neuem Wein<br />

dass die Ausgießung des Heiligen Geistes das<br />

Niederreißen der Schranken <strong>und</strong> Vorurteile<br />

bedeutet <strong>und</strong> uns auffordert, Gottes gute Gaben<br />

an allen seinen Kindern zu erkennen.<br />

Es ist an der Zeit innezuhalten, Bilanz zu ziehen<br />

<strong>und</strong> zu sehen, wo wir enttäuschen. Wir<br />

müssen erkennen, dass der Geist Gottes ausgegossen<br />

wurde auf alle: Frauen <strong>und</strong> Männer,<br />

jung <strong>und</strong> alt, Sklaven <strong>und</strong> Freie. Es ist an der<br />

Zeit sich furchtlos zu engagieren für <strong>und</strong> in<br />

Handlungen, die allen zur Fülle des Lebens<br />

verhelfen. Es ist an der Zeit klar zu sagen, in<br />

welchen Bereichen der Kirche die Gaben Gottes<br />

brach liegen <strong>und</strong> nicht genutzt werden. Es<br />

ist an der Zeit, prophetisch den Ungerechtigkeiten<br />

entgegen zu treten die dem Leben widersprechen,<br />

das wir verkünden. Gottes Geist<br />

wird uns darin bestärken. Wir sind aufgerufen<br />

die Ketten der Angst <strong>und</strong> der Ungerechtigkeit<br />

zu zerbrechen.<br />

Pfingsten erinnert uns daran, dass Kirche zuvorderst<br />

eine geistliche Bewegung ist. Darum<br />

legen wir im <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong> auch besonders<br />

Wert auf die Spiritualität innerhalb<br />

unserer Familie. Es ist unsere Hoffnung, dass<br />

wir alle unser Glauben <strong>und</strong> Handeln vor Gott<br />

verantworten. Das bedeutet nun aber keine<br />

Rückkehr zum Pietismus, der sich abkehrt von<br />

den Herausforderungen, die das tägliche<br />

Leben an uns stellt. Es ist der tiefgreifende<br />

Sinn des Unterwegs-Seins mit Gott, des Hörens<br />

auf Gott, dass wir gestärkt werden: anders<br />

zu sein <strong>und</strong> zu unterscheiden in einer<br />

Welt, die oft genug vergisst, dass wir alle Gott<br />

verantwortlich sind.<br />

Das bedeutet aber auch, dass wir beständig<br />

auf uns selbst achten müssen, um heraus zu<br />

finden, wie wir dem entsprechen. Wir laden<br />

Sie ein, dies in Ihren Kirchen <strong>und</strong> Gemeinden<br />

zu tun - <strong>und</strong> Ihre Antworten, die Sie finden<br />

mit uns zu teilen <strong>und</strong> uns mitzuteilen – mit<br />

Hilfe von »update«. Das neue Gesicht, dass<br />

»die reformierten.update« nun hat, ist kein<br />

Selbstzweck: Es ist das sichtbare Zeichen unseres<br />

Engagements, »update« zu einem Forum<br />

Eine Pfingstpredigt<br />

VON SETRI NYOMI<br />

Die Ausgießung<br />

des Heiligen<br />

Geistes bedeutet<br />

das Niederreißen<br />

der<br />

Schranken <strong>und</strong><br />

Vorurteile <strong>und</strong><br />

fordert uns auf,<br />

Gottes gute<br />

Gaben an allen<br />

seinen Kindern<br />

zu erkennen –<br />

eine zutiefst<br />

spirituelle<br />

Aufgabe, der<br />

sich die<br />

<strong>Reformiert</strong>e<br />

Welt-Familie zu<br />

stellen hat.<br />

die-reformierten.upd@te 01.2 21


wb Gottesdienst<br />

Durch das<br />

Pfingstfest sind<br />

wir beseelt von<br />

dem Geist, die<br />

Schranken der<br />

Ungerechtigkeit<br />

<strong>und</strong> Vorurteile<br />

niederzureißen.<br />

zu machen, in dem wir Erfahrungen miteinander<br />

teilen. Niemand ist davon ausgeschlossen,<br />

denn dieses neue Format wurde eben<br />

auch geschaffen um Ihnen die Möglichkeit<br />

zum Austausch zu geben.<br />

Durch das Pfingstfest sind wir beseelt von<br />

dem Geist, die Schranken der Ungerechtigkeit<br />

<strong>und</strong> Vorurteile niederzureißen. Lasst uns an<br />

Gemeinschaften in der <strong>Reformiert</strong>en Familie<br />

Die Erneuerung des Gottesdienstes steht<br />

momentan auf der Tagesordnung vieler<br />

reformierten Kirchen. Im Januar diesen<br />

Jahres fand eine Konsultation im John Knox<br />

International Reformed Centre in Genf statt<br />

mit dem Titel »Geschichte <strong>und</strong> Erneuerung<br />

des Gottesdienstes in den reformierten<br />

Kirchen«.<br />

25 Teilnehmende aus 15 Ländern befassten<br />

sich mit einem breiten Spektrum von Fragestellungen:<br />

von der Calvin'schen Gottesdienstreform<br />

bis hin zum koreanischpresbyterianischen<br />

Gottesdienst im 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert, von den bildenden Künsten <strong>und</strong><br />

dem Umgang mit Sakramenten bis hin zur<br />

Rolle der Frau im Gottesdienst <strong>und</strong> der<br />

sozialen Dimension des Gottesdienstes.<br />

Ein Ziel der Konsultation war die Vorbereitung<br />

eines Buches, das sich mit der<br />

Geschichte, den Erneuerungen <strong>und</strong> den<br />

aktuellen Formen des reformierten Gottesdienstes<br />

befasst. Die für diese Konsultation<br />

verfassten Beiträge werden in den nächsten<br />

Monaten von den Autoren überarbeitet, so<br />

dass man die Hoffnung hegt, dass das Buch<br />

bald erscheinen kann.<br />

Alan Falconer bietet eine reformierte Antwort<br />

auf die Fragestellung der Konsultation,<br />

während Paivi Jussila aus der Perspektive<br />

der lutherischen Schwesterorganisation<br />

Stellung bezieht.<br />

bauen, in denen jung <strong>und</strong> alt, Frauen <strong>und</strong><br />

Männer, Laien <strong>und</strong> Ordinierte ihre von Gott<br />

gegebenen Gaben nutzen, um Träume zu<br />

träumen <strong>und</strong> Visionen zu haben.<br />

Die gute Nachricht von Pfingsten ist Gottes<br />

Gabe an uns, wirksame Profeten zu sein<br />

durch den Heiligen Geist, der uns an Pfingsten<br />

gegeben wurde.<br />

Erneuerung des <strong>Reformiert</strong>en Gottesdienstes<br />

Eine Konsultation des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es im John-Knox-Centre in Genf<br />

Viele<br />

reformierten<br />

Kirchen<br />

beschäftigen<br />

sich zur Zeit mit<br />

Fragen des<br />

Gottesdienstes.<br />

Eine Konsultation<br />

in Genf nahm<br />

jetzt die Fragen<br />

auf <strong>und</strong> wagte<br />

einige Hinweise<br />

– etwa den auf<br />

den Zusammenhang<br />

von Wort<br />

<strong>und</strong> Sakrament<br />

im sonntäglichen<br />

Gottesdienst.<br />

Die Konsultation bot eine gute <strong>und</strong> umfassende<br />

Darstellung der gottesdienstlichen Vielfalt<br />

in den reformierten Kirchen – suchend nach<br />

Formen, die Gottes Offenbarung getreu <strong>und</strong><br />

gleichzeitig relevant in heutigen Kontexten<br />

sind.<br />

Die Auseinandersetzung mit den historischen<br />

Fragestellungen war faszinierend: Es war die<br />

Tendenz bei den KonsultationsteilnehmerInnen<br />

wahrnehmbar, eher einer Bestätigung der<br />

Ansätze <strong>und</strong> Perspektiven Calvins zuzuneigen<br />

als denen anderer Reformatoren.<br />

Durch die verschiedenen Darstellungen im<br />

Laufe der Tagung wurde eine verwirrende<br />

Vielfalt von Formen, Stilen <strong>und</strong> Inhalten des<br />

Gottesdienstes sichtbar, <strong>und</strong> die verschiedenen<br />

geografischen <strong>und</strong> kulturellen Kontexte,<br />

innerhalb derer die reformierten Gemeinden<br />

versuchen, in angemessener Weise Gott die<br />

Ehre zu geben.<br />

Ungeachtet dessen war aber bei den reformierten<br />

Kirchen immer eine unverwechselbare<br />

Art des Zugehens auf mögliche Änderungen<br />

im christlichen Gottesdienst.<br />

Berichte über zeitgenössische Fragestellungen<br />

an die reformierten Kirchen waren anregend<br />

<strong>und</strong> eröffneten neue Einsichten, die die Erfahrung<br />

eines Gottesdienst für viele verstärken<br />

können.<br />

Alan Falconer, Faith and Order Sekretariat<br />

22 die-reformierten.upd@te 01.2


Gottesdienst rwb<br />

Was macht den reformierten<br />

Gottesdienst zu einem reformierten<br />

Gottesdienst?<br />

Vielerlei Veränderungen hat es in letzter Zeit<br />

gegeben im gottesdienstlichen Leben der reformierten<br />

Kirchen, auf Gr<strong>und</strong> von sozialen<br />

Veränderungen ebenso wie auf Bestreben der<br />

liturgischen Bewegung oder des ökumenischen<br />

Dialogs.<br />

Hausandachten nehmen einen geringeren<br />

Stellenwert ein als in früheren Zeiten; Das<br />

klassische reformierte Prinzip »wir feiern Gottesdienst<br />

zu jeder Zeit <strong>und</strong> an jedem Ort« hat<br />

nicht mehr Gültigkeit <strong>und</strong> es gibt Zeichen<br />

eines neuen Bewusstseins <strong>und</strong> Umgehens mit<br />

Symbolen <strong>und</strong> Vorstellungen.<br />

<strong>Reformiert</strong>e Gottesdiensttraditionen werden<br />

mehrstimmiger; eine Pluralität der Stimmen<br />

gab es allerdings auch schon im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />

Was ist es also, das den reformierten<br />

Gottesdienst zu einem reformierten Gottesdienst<br />

macht? Ist es der vielseitige Umgang<br />

mit dem Alten Testament oder der gemeindliche<br />

Psalmgesang? Ist es die Wortbesessenheit?<br />

Oder ist es vielleicht die Tendenz, sich in<br />

vielfältige Richtungen zu zersplittern?<br />

Auf dieser Konsultation haben wir reformierte<br />

Gottesdienst-Traditionen erkannt als lebendige<br />

Traditionen, die sich in Beziehung zu<br />

anderen Traditionen entwickelt haben. Es<br />

scheint keine normative historische Periode<br />

gegeben haben, von der her sich der reformierte<br />

Gottesdienst begründen ließe für alle<br />

Zeiten <strong>und</strong> alle Orte.<br />

Die Konsultation versuchte, einer kontextuellen<br />

Sehnsucht Ausdruck zu verleihen, die in<br />

manchen reformierten Kirchen zu finden ist:<br />

Die Sehnsucht der pazifischen Bevölkerung,<br />

Gottesdienst als Insulaner zu feiern, die Sehnsucht<br />

der Australier, Gottesdienst im Kontext<br />

<strong>und</strong> in Bezugnahme auf ihre Landschaft zu<br />

feiern, die Sehnsucht der Deutschen, Gott ohne<br />

Weitschweifigkeit zu ehren, <strong>und</strong> die Sehnsucht<br />

der Kongolesen, den Klang ihrer traditionellen<br />

Instrumente im Gottesdienst zu vernehmen.<br />

Es gibt eine wachsende Unzufriedenheit<br />

über den Mangel an lokalen Umsetzungen<br />

im reformierten Gottesdienst. Die Gamelan,<br />

ein traditionelles Begleitinstrument<br />

der javanischen Tänze wird immer noch nicht<br />

für würdig erachtet, einen Platz im Gottesdienst<br />

einzunehmen; viele afrikanischen<br />

Sprachen haben das Nachsehen gegenüber<br />

dem King-James-Englisch; <strong>und</strong> Kokospalmen<br />

konkurrieren unter der Sonne Afrikas mit gothischen<br />

Türmen. Dies alles führte zum Nachdenken<br />

<strong>und</strong> zur Suche nach einer Form des<br />

christlichen Gottesdienstes der einerseits Gottes<br />

Wort getreu ist <strong>und</strong> andererseits den verschiedenen<br />

Kulturen gerecht wird. In den reformierten<br />

Kirchen, eigentlich in allen christlichen<br />

Kirchen, stellt die Kontextualisierung<br />

des Gottesdienstes eine der größten Herausforderungen<br />

dar.<br />

Die Konsultation bezeugte, dass Gottes Wort<br />

<strong>und</strong> Sakrament das Herz des kirchlichen Lebens<br />

ist. Es wurde aber auch eingeräumt, dass<br />

die reformierten Kirchen in dieser Beziehung<br />

zu Einseitigkeit neigen. Wenn man die Sakramente<br />

vernachlässigt, dann besteht immer die<br />

Gefahr der Degeneration in eine Kirche des<br />

reinen Wortes. »Es mag sein, dass unsere Geschichte<br />

der wachsenden Trennungen, die<br />

immer aus Disputen um das Wort entstanden<br />

sind, <strong>und</strong> mit dem Wort ausgefochten wurden«,<br />

räumte Joseph D. Small von der Presbyterian<br />

Church (USA) ein, »ein Resultat ist unseres<br />

Mangels, unseres Versäumnisses, eine<br />

Kirche von Wort <strong>und</strong> Sakrament zu sein«.<br />

Ausdrückliche Unterstützung erfuhr (auf der<br />

Konsultation) die Bestrebung hin zu einer reformierten<br />

Wiederentdeckung der Fülle von<br />

Wort <strong>und</strong> Sakrament. Aber zu diesem Zweck<br />

muss die lebenssprühende sakramentale<br />

Theologie <strong>und</strong> Praxis bewahrt werden. Ein<br />

konkretes <strong>und</strong> angemessenes Zeichen für<br />

diese Erneuerungsbewegung wäre ein häufigeres<br />

Feiern des Heiligen Abendmahls in den<br />

reformierten Kirchen.<br />

Paivi Jussila, Lutherischer Weltb<strong>und</strong><br />

»Es mag sein, dass<br />

unsere Geschichte<br />

der wachsenden<br />

Trennungen, die<br />

immer aus Disputen<br />

um das Wort<br />

entstanden sind,<br />

<strong>und</strong> mit dem Wort<br />

ausgefochten<br />

wurden, ein<br />

Resultat ist unseres<br />

Mangels, unseres<br />

Versäumnisses,<br />

eine Kirche von<br />

Wort <strong>und</strong> Sakrament<br />

zu sein«.<br />

die-reformierten.upd@te 01.2 23


wb Lateinamerika<br />

Befreit zum Frieden<br />

Vierte Generalversammlung der Konferenz Lateinamerikanischer Kirchen<br />

In Kolumbien<br />

trafen sich im<br />

Januar<br />

Vertreterinnen<br />

<strong>und</strong> Vertreter<br />

reformierter<br />

Kirchen Lateinamerikas.<br />

Die<br />

sozialen Probleme<br />

der Region<br />

bildeten einen<br />

Schwerpunkt.<br />

Ein anderer war<br />

die Frage, was<br />

die theologische<br />

Aufgabe dieses<br />

Zusammenschlussesreformierter<br />

Kirchen<br />

sein könne.<br />

Schließlich ging<br />

es auch um eine<br />

mögliche<br />

Öffnung gegenüber<br />

den stark<br />

wachsenden<br />

pfingstlerischen<br />

Gemeinden in<br />

Lateinamerika.<br />

»Hier in Kolumbien haben wir die Brutalität<br />

eines Bruderkrieges gesehen, der Frauen zu<br />

Witwen <strong>und</strong> Kinder zu Waisen macht, der die<br />

Freiheit attackiert, die Lebensvielfalt zerstört<br />

<strong>und</strong> die gesamte Gesellschaft militarisiert«, so<br />

steht es im Abschlussdokument der vierten<br />

Generalversammlung der Konferenz Lateinamerikanischer<br />

Kirchen (CLAI), die im Januar<br />

in Barranquilla, Kolumbien stattgef<strong>und</strong>en hat.<br />

Der anhaltende Krieg zwischen den Regierungstruppen,<br />

den rechten paramilitärischen<br />

Truppen <strong>und</strong> der linken Guerilla hat Zehntausenden<br />

das Leben gekostet <strong>und</strong> mehr als zwei<br />

Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben.<br />

»Es ist sündhaft <strong>und</strong> pervers«, so heißt es<br />

weiter, »dass einige Teile der kolumbianischen<br />

Gesellschaft es so darstellen, als sei Krieg der<br />

einzige Weg aus dem Konflikt, dessen Wurzeln<br />

in einer sozioökonomischen Ungleichheit<br />

liegt« – <strong>und</strong> drückt damit die Besorgnis aus,<br />

die Regierungsstrategie könne dazu führen,<br />

dass der Krieg auch in die benachbarten Länder,<br />

wie Ecuador, getragen wird.<br />

Zur Generalversammlung hatten sowohl der<br />

Präsident Andras Pastrana als auch die Nationale<br />

Befreiungsarmee, eine der zwei großen<br />

Guerilla-Truppen, ihre schriftlichen Grüße<br />

übermittelt. Aber Milciades Pua, presbyterianischer<br />

Pfarrer in Barranquilla, warnte, vorsichtig<br />

mit den Grüßen des Präsidenten umzugehen:<br />

»Die Hand, die diesen Brief unterzeichnet<br />

hat, ist die gleiche Hand, die auch<br />

den Plan Columbia unterzeichnet hat – einen<br />

Plan der unsere Bevölkerung tötet, den Krieg<br />

intensiviert, die Bauern <strong>und</strong> ihr Land zerstört<br />

<strong>und</strong> der verantwortlich ist für noch mehr<br />

Flüchtlinge innerhalb unserer Gesellschaft«.<br />

Plan Columbia ist ein von den USA unterstützte<br />

Anti-Drogen <strong>und</strong> Anti-Krieg-Strategie,<br />

die von Pastrana verfochten wird. Ursprünglich<br />

lag der Schwerpunkt des Planes<br />

auf möglichen ökonomischen Alternativen in<br />

den ländlichen Gegenden. Hier ist die Wirtschaft<br />

immer noch abhängig vom Anbau von<br />

Coca, das die Basis zur Kokain-Herstellung<br />

bildet. Der Plan Columbia sieht in der Version<br />

der USA eine Unterstützung der Strategie<br />

durch das Militär vor. Der größte Teil der 1,3<br />

Mrd. Dollar Hilfe der USA wird auf 63 hochtechnisierte<br />

Hubschrauber für das kolumbianische<br />

Militär <strong>und</strong> die Polizei verwandt <strong>und</strong><br />

für die Verstärkung der Militärpräsenz der<br />

USA. »Im Plan Columbia kommt alles zu kurz,<br />

was einen Krieg verhindern bzw. beenden<br />

könnte: Menschenrechte, Gerechtigkeit <strong>und</strong><br />

ein demokratisches System«, so erläutert Lilia<br />

Solano, Präsidentin der Lateinamerikanischen<br />

Bruderschaft der Theologen, vor der Generalversammlung,<br />

»daher dient die Hilfe der USA<br />

nicht dazu, den Krieg zu beenden, sondern<br />

vielmehr, ihn zu intensivieren <strong>und</strong> zu verschlimmern«.<br />

Ein Großteil der Hilfe aus Washington<br />

würde letztlich wieder auf US-Bankkonten<br />

landen.<br />

»Die Kirchen Kolumbiens haben sehr diskret<br />

<strong>und</strong> ängstlich begonnen, aber sie haben begonnen,<br />

zur Konfliktlösung beizutragen«, so<br />

erklärte Milton Mejia, Generalsekretär der<br />

Presbyterian Church of Columbia. Die Kirchen<br />

sind von je her direkt betroffen von der anhaltenden<br />

Gewalt: Kirchengebäude wurden<br />

geschlossen, Pfarrer ermordet <strong>und</strong> ganze Gemeinden<br />

vertrieben. »Wir können am besten<br />

zu einem möglichen Frieden beitragen, wenn<br />

wir uns in der zivilen Gesellschaft engagieren<br />

<strong>und</strong> dort die Suche nach Lösungen unterstützen«,<br />

so Mejia, »Kolumbien muss mit einbezogen<br />

werden in die Lösung der Probleme, man<br />

darf es nicht nur der Regierung, der Armee,<br />

den Guerilla <strong>und</strong> den paramilitärischen Truppen<br />

überlassen«.<br />

Die Konferenz Lateinamerikanischer Kirchen<br />

(CLAI) wurde 1978 in Oaxtepec, Mexiko gegründet<br />

<strong>und</strong> hat mittlerweile mehr als 150<br />

Mitgliedskirchen in 21 Ländern in Lateinamerika<br />

<strong>und</strong> in der Karibik.<br />

»Diese Kirchen«, so betont der theologische<br />

Sekretär des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es, der<br />

Brasilianer Odair Pedroso Mateus, »teilen eine<br />

gemeinsame ökonomische Ausgangssituation,<br />

die gekennzeichnet ist von Unterentwicklung;<br />

sie teilen einen kulturellen backgro<strong>und</strong>, der<br />

gekennzeichnet ist von der iberischen (<strong>und</strong><br />

später englischen <strong>und</strong> nordamerikanischen)<br />

Gewalt gegen Eingeborene <strong>und</strong> afrikanische<br />

Menschen; <strong>und</strong> sie teilen eine religiöse Situa-<br />

24 die-reformierten.upd@te 01.2


Lateinamerika rwb<br />

tion, die gekennzeichnet ist von einer Vormachtstellung<br />

der römisch-katholischen Kirche,<br />

die heute mehr denn je in Frage gestellt<br />

wird angesichts der Entwicklung eines religiösen<br />

Pluralismus – was sich auch am rapiden<br />

Wachstum der Pfingst-Gemeinden erkennen<br />

lässt <strong>und</strong> – wenig beachtet aber sehr signifikant<br />

– am Anwachsen der afro-amerikanischen<br />

Religionen.«<br />

In seiner programmatischen Rede auf einer<br />

Missionskonsultation, die der CLAI-Versammlung<br />

voranging, konfrontierte Arturo<br />

Piedra den CLAI mit einigen unangenehmen<br />

Wahrheiten: Es sei unpassend, neue oder alternative<br />

Möglichkeiten zu diskutieren, zumal<br />

in Kombination mit »arrogantem Bestreben«,<br />

den historisch-gewachsenen Kirchen zu erklären,<br />

»wo's lang geht«. CLAI habe sich auch<br />

weder einen Gefallen damit getan, den Eindruck<br />

zu erwecken, dass man – teilweise<br />

reichlich unkritisch – die Agenda der politischen<br />

Linken übernehme, noch durch soziale<br />

Veränderungen, ohne damit Nutzen <strong>und</strong> Sinn<br />

von Glauben angemessen Ausdruck zu verleihen.<br />

»Es scheint aus dem Blickfeld verschw<strong>und</strong>en<br />

zu sein, dass die Verkündigung<br />

des Evangeliums Einzelne ebenso betrifft wie<br />

gesellschaftliche Gruppen, Familien ebenso<br />

wie politische Institutionen«, so ergänzte er.<br />

Piedra, Professor für Theologie <strong>und</strong> Kirchengeschichte<br />

an der lateinamerikanischen Universität<br />

in San Jose, Costa Rica, hat im vergangenen<br />

Jahr bei der »mobilen Theologischen<br />

Fakultät« mitgearbeitet, einer vom <strong>Reformiert</strong>en<br />

Weltb<strong>und</strong> unterstützten Einrichtung,<br />

die Klassen in ganz Äquatorial-Guinea<br />

unterrichtete. Piedra, der den <strong>Reformiert</strong>en<br />

Weltb<strong>und</strong> bei den Gesprächen mit den Siebenten-Tags-Adventisten<br />

vertreten wird,<br />

wurde 1985 von der nationalen Vereinigung<br />

der Costa Ricanischen Kirchen ausgezeichnet<br />

für seine progressiven Ansichten. Er ist Mitbegründer<br />

der Bruderschaft der Evangelischen<br />

Kirchen von Costa Rica, die seit 1992<br />

Mitglied des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es ist.<br />

Piedra lobte CLAI für den »Einsatz für marginalisierte<br />

Mehrheiten sowie für die Bewertung<br />

des theologischen Denkens in Lateinamerika«.<br />

Aber, so fügte er hinzu, es sei »absurd«, Positionen<br />

zu vertreten, die letztlich in einem<br />

Profetentum ohne Menschen <strong>und</strong> einem Radikalismus<br />

enden würden, dessen Angebote<br />

<strong>und</strong> dessen Sprache von nur wenigen verstanden<br />

würde.<br />

CLAI müsse »den Horizont der Kirchen erweitern«,<br />

aber eher mit seelsorgerlichem Weitblick<br />

als im Besetzen von Vorreiterpositionen<br />

<strong>und</strong> rhetorischem Messianismus <strong>und</strong> vor<br />

allem ohne denjenigen ein Etikett anzuhängen,<br />

die mit diesen Standpunkten nicht übereinstimmten.<br />

Die Zukunft von CLAI hänge<br />

maßgeblich von deren Relevanz für die Kirchen<br />

ab.<br />

Die Schritte, CLAI zu öffnen, etwa auch für<br />

die pfingstlerischen Kirchen, deren Anzahl<br />

einen rasanten Anstieg in ganz Lateinamerika<br />

verzeichnet, wurden von der Generalversammlung<br />

unterschiedlich aufgenommen.<br />

»Der Pfingstglaube hat auch den ›alten‹ Kirchen<br />

viel zu bieten«, so Carlos Tamez, Professor<br />

am presbyterianischen Theologischen Seminar<br />

in Mexiko. »Die Kirchen haben sich<br />

immer mehr festgelegt in liturgischer Struktur,<br />

in Doktrin <strong>und</strong> Disziplin – was uns daran<br />

gehindert hat, das Evangelium wirklich zu<br />

leben. Pfingstglaube kann uns helfen, näher<br />

zur Spiritualität der Menschen, der armen<br />

Menschen zu gelangen«. Pfingstler seien nicht<br />

alle gleich, so betonte Tamez. »Es gibt neue<br />

Strömungen: Neo-Pfingstler oder jene, die an<br />

den spirituellen Krieg glauben, jene die eine<br />

Theologie des Wohlstandes vertreten – mit<br />

der man sich genau auseinandersetzen muss<br />

<strong>und</strong> die man gegebenenfalls auch zu kritisieren<br />

haben wird«, so führte er aus. »Wir müssen<br />

uns den neuen Dimensionen des Glaubens<br />

in unserer Region stellen«, fuhr er fort,<br />

»was aber nicht heißt, dass wir die Projekte<br />

von CLAI aufgeben, deren Schwerpunkt Gerechtigkeit<br />

<strong>und</strong> Solidarität sind. ... Aber wir<br />

müssen uns öffnen für neue Kontexte <strong>und</strong><br />

neue Möglichkeiten, die dieses neue Millennium<br />

mit sich bringt«.<br />

Die reformierten TeilnehmerInnen der Generalversammlung<br />

zeigten sich verhalten optimistisch<br />

gegenüber den Ergebnissen der Tagung:<br />

»Wir haben zu akzeptieren, dass die<br />

Öffnung von CLAI hin auf die jungen Kirchen<br />

nichts ist, das unser traditionelles Zeugnis<br />

verwässern wird«, so drückte es Noemi Espinoza,<br />

Delegierte der reformierten Kirche der<br />

Honduras <strong>und</strong> erste Vizepräsidentin des<br />

neuen Exekutivausschusses aus, »sondern wir<br />

müssen diese Hoffnung begreifen als etwas,<br />

das unseren Glauben vertieft, unsere soziale<br />

Zeugenschaft stärkt <strong>und</strong> Widerhall findet in<br />

unserer profetischen Stimme.«<br />

Die Kirchen teilen<br />

eine gemeinsame<br />

ökonomische Ausgangssituation,<br />

die<br />

gekennzeichnet ist<br />

von Unterentwicklung;<br />

sie teilen<br />

einen kulturellen<br />

backgro<strong>und</strong>, der<br />

gekennzeichnet ist<br />

von der iberischen<br />

(<strong>und</strong> später englischen<br />

<strong>und</strong> nordamerikanischen)<br />

Gewalt gegen<br />

Eingeborene <strong>und</strong><br />

afrikanische Menschen;<br />

<strong>und</strong> sie<br />

teilen eine religiöse<br />

Situation, die<br />

gekennzeichnet<br />

ist von einer<br />

Vormachtstellung<br />

der römisch-katholischen<br />

Kirche.<br />

die-reformierten.upd@te 01.2 25


wb <strong>Reformiert</strong>e Ökumene<br />

Vereint im Lobpreis<br />

Treffen von <strong>Reformiert</strong>em Weltb<strong>und</strong> (RWB) <strong>und</strong> <strong>Reformiert</strong>em Ökumenischem Konzil (REC)<br />

VON PÁRAIC RÉAMONN<br />

Neben dem<br />

<strong>Reformiert</strong>en<br />

Weltb<strong>und</strong> gibt es<br />

auf Weltebene<br />

auch noch das<br />

kleinere <strong>Reformiert</strong>eÖkumenische<br />

Konzil,<br />

den Zusammenschluss<br />

von 38<br />

reformierten<br />

Kirchen. Über<br />

sinnvolle wie<br />

notwendige<br />

Kooperationen<br />

haben sich jetzt<br />

Vertreter beider<br />

Kirchen verständigt.<br />

Vertreter des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es <strong>und</strong><br />

des Reformed Ecumenical Council – <strong>Reformiert</strong>es<br />

Ökumenisches Konzil – (REC) trafen<br />

sich im Januar in Genf zu einer gemeinsamen<br />

Arbeitsgruppe.<br />

»Wir waren sehr erfreut über die fre<strong>und</strong>liche<br />

Aufnahme durch unsere Gastgeber«, sagte Richard<br />

van Houten, Generalsekretär des REC,<br />

das seinen Sitz in Grand Rapids, Michigan<br />

(USA) hat. »Wir glauben, dass eine neue Offenheit<br />

für eine Kooperation oder auch Zusammenarbeit<br />

zwischen unseren beiden Organisatioen<br />

besteht!«<br />

»Wir betonen, was wir als reformierte Organisationen<br />

gemeinsam haben <strong>und</strong> die Komplementarität<br />

unserer Arbeitsformen«, sagte Setri<br />

Nyomi, der Generalsekretär des <strong>Reformiert</strong>en<br />

Weltb<strong>und</strong>es. »Dieses Treffen – <strong>und</strong> auch das<br />

vorangegangene vor zwei Jahren – ist ein<br />

Zeichen des wiederholten Engagements des<br />

RWB <strong>und</strong> des REC, unsere Mitgliedskirchen<br />

zu unterstützen, verfügbare Ressourcen nutzbar<br />

zu machen <strong>und</strong> nicht die Anstrengungen<br />

doppelt zu betreiben.«<br />

Die beiden internationalen Gemeinschaften<br />

haben zwar recht unterschiedliche Wurzeln,<br />

fanden aber in den letzten 50 Jahren immer<br />

näher zusammen.<br />

Ein Zeichen der Gemeinsamkeit<br />

ist die<br />

anwachsende Zahl<br />

von Übereinstimmungen<br />

bei ihren<br />

jeweiligen Mitgliedern:<br />

23 der 38<br />

REC-Mitgliedskirchen<br />

sind auch Mitglied<br />

beim RWB<br />

(214 Mitgliedskirchen).<br />

»Dies unterstreicht die Notwendigkeit<br />

einer Zusammenarbeit«, betonte Setri Nyomi.<br />

Von Seiten des REC nahmen an dem Treffen<br />

Douwe Visser vom REC-Exekutivausschuss<br />

<strong>und</strong> Jim Lont, REC-Sekretär für Jugendarbeit<br />

<strong>und</strong> christliche Erziehung, teil. Den Reformier-<br />

ten Weltb<strong>und</strong> vertraten Pieter Holtrup <strong>und</strong> Gunilla<br />

Gunner vom Exekutivausschuss.<br />

Das Treffen war das zweite dieser Art: Bereits<br />

im Oktober 1998 hatte man das Gespräch<br />

wieder aufgenommen, nachdem man zuvor<br />

bereits zweimal, 1967 <strong>und</strong> 1987 Versuche<br />

unternommen hatte, ins Gespräch zu kommen.<br />

Aber bei den beiden zurückliegenden<br />

Treffen schien das Interesse bereits nach<br />

einem Treffen zu »erlahmen«, nunmehr<br />

scheint das gegenseitige Interesse jedoch<br />

tragfähiger zu sein.<br />

Gemeinsame Programme für verschiedene<br />

Arbeitsfelder könnten das Ergebnis der Treffen<br />

sein, etwa für das Projekt »Mission in<br />

Unity«, in dem REC <strong>und</strong> RWB ein langjähriges<br />

gemeinsames Interesse verbindet, oder für<br />

Themen wie Jugendarbeit, internationale Dialoge,<br />

christliche Erziehung, theologische Ausbildung,<br />

Frauen im Amt, das kirchliche Engagement<br />

für Gerechtigkeit in Ökonomie <strong>und</strong><br />

Ökologie <strong>und</strong> die interreligiösen Beziehungen.<br />

Verbesserte Kommunikationsstrukturen <strong>und</strong><br />

eine Vernetzung werden ebenso ein Ergebnis<br />

des Treffens sein wie die Beteiligung an verschiedenen<br />

Studienprozessen.<br />

Beide, REC <strong>und</strong> RWB, planen für das Jahr<br />

2004 die nächste Generalversammlung bzw.<br />

das nächste Generalkonzil. Daher lag es auf<br />

der Hand, dass bei dem Treffen in Genf auch<br />

über Chancen <strong>und</strong> Möglichkeiten der gemeinsamen<br />

Planung nachgedacht wurde. Gemeinsame<br />

Themen wären eine Möglichkeit, die Organisationen<br />

einander näher zu bringen.<br />

Die Vertreter des REC, die an diesem Treffen<br />

teilnahmen, nutzten die Möglichkeit, nicht<br />

nur das organisatorische »Gegenstück«, den<br />

<strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong> zu besuchen, sondern<br />

auch ganz direkt die Mitarbeitenden <strong>und</strong> die<br />

Büros in Augenschein zu nehmen. »Menschen,<br />

Orte, Papier«, so sinnierte Jim Lont,<br />

»man kann zwar das Geschriebene zu Kenntnis<br />

nehmen, aber man kann es erst wirklich<br />

verstehen, wenn man den Menschen an ihrem<br />

jeweiligen Ort begegnet ist. Diese Möglichkeit<br />

26 die-reformierten.upd@te 01.2


Menschenrechte rwb<br />

hatten wir in Genf. Unsere Gebet füreinander<br />

haben nun ›ein Gesicht bekommen‹ <strong>und</strong> Gott<br />

weiß, dass wir nunmehr wissen, von was wir<br />

sprechen. Wir können die fre<strong>und</strong>lichen <strong>und</strong><br />

hart arbeitenden Menschen hier in Genf nur<br />

wenig unterstützen, aber sie in unser Herz<br />

schließen – denn sie sind wie wir.«<br />

Richard van Houten schlägt aber auch vorsichtigere<br />

Töne an: »Dieses Treffen waren ein<br />

guter Beginn, aber wirkliche Zusammenarbeit<br />

benötigt mehr Kommunikation <strong>und</strong> auch vertrauensbildende<br />

Maßnahmen. Die Mitglieder<br />

des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es sollten vor<br />

Augen haben, dass der Größenunterschied<br />

dazu führt, dass der REC immer etwas in eine<br />

Situation zu geraten befürchtet, in der seine<br />

Interessen vom größeren Partner schlicht ge-<br />

Der <strong>Reformiert</strong>e Weltb<strong>und</strong> nimmt bereits seit<br />

Jahren an den jährlichen Treffen des UN-<br />

Kommissars für Menschenrechte teil <strong>und</strong> hat<br />

auch bereits mehrfach von der Möglichkeit<br />

Gebrauch gemacht, mündliche Eingaben zu<br />

machen. Seit dem letzten Jahr gewährt uns<br />

das Ökonomische <strong>und</strong> Soziale Konzil einen<br />

»besonderen konsultativen Status«, der es uns<br />

gestattet, schriftliche Eingaben an die Menschenrechtskommission<br />

zu machen. In der ersten<br />

Eingabe, die wir für das diesjährige Treffen<br />

der Kommission vorbereitet hatten, hat<br />

der Weltb<strong>und</strong> die Herausforderung, die die<br />

Globalisierung für die Internationale Übereinkunft<br />

über ökonomische, soziale <strong>und</strong> kulturelle<br />

Rechte (1966), hier insbesondere Artikel<br />

11 (das Recht Aller auf einen adäquaten Lebensstandard)<br />

<strong>und</strong> Artikel 15 (das Recht Aller<br />

auf Teilhabe am kulturellen Leben <strong>und</strong> an den<br />

Fortschritten auf wissenschaftlichen Gebiet),<br />

bedeutet, als Schwerpunkt benannt.<br />

schluckt werden könnten. Wir freuen uns auf<br />

eine gute zukünftige Zusammenarbeit, aber<br />

wir werden Zeit brauchen um einen Weg zu<br />

finden, der beiden Organisationen dienlich<br />

ist.«<br />

»In einer Welt, die nur zu oft verwirrt ist über<br />

die verschiedenen Teile <strong>und</strong> Aufteilungen innerhalb<br />

der <strong>Reformiert</strong>en Familie beschreibt<br />

dieses Treffen ein deutliches Engagement der<br />

beiden Organisationen auf dem Weg zur Zusammenarbeit<br />

zur Ehre Gottes«, so Setri Nyomi.<br />

»Ich begrüße diesen Schritt <strong>und</strong> bleibe<br />

offen für den Weg, den unsere Gespräche<br />

nehmen werden - unter Führung des Heiligen<br />

Geistes«.<br />

Das nächste gemeinsame Treffen wird im<br />

Oktober 2002 stattfinden.<br />

»In der jüdisch-christlichen Tradition gibt es<br />

eine Vision, gemäß der alle 50 Jahre – regelmäßig<br />

– die Erde vom Fruchtertrag ruht, in<br />

der Schulden erlassen <strong>und</strong> Sklaven freigelassen<br />

werden <strong>und</strong> das Land an die ursprünglichen<br />

Besitzer zurück gegeben wird. (3. Mose<br />

28, 8-54)«, heißt es in der Eingabe des Weltb<strong>und</strong>es.<br />

Diese Tradition des »Jobeljahres« ist<br />

eng verknüpft mit dem Bestreben nach einer<br />

Erneuerung von wirtschaftlichem Verhalten<br />

<strong>und</strong> damit auch mit dem Bestreben, die<br />

gr<strong>und</strong>legenden Lebensressourcen allen zugänglich<br />

zu machen, nicht nur den Privilegierten.<br />

Der Weltb<strong>und</strong> schließt sich hier der Äußerung<br />

von Papst Johannes Paul II an, die besagt, das<br />

»die Förderung von Gerechtigkeit eine Herzensangelegenheit<br />

einer solidarischen Kultur«<br />

sei <strong>und</strong> zitiert aus der Enzyklika Centesimus<br />

Annus: es bedarf »der Hilfe für die Menschen,<br />

die von einem Zugang zu ökonomischen <strong>und</strong><br />

»In einer Welt, die<br />

nur zu oft verwirrt<br />

ist über die die<br />

verschiedenen<br />

Aufteilungen<br />

innerhalb der<br />

<strong>Reformiert</strong>en<br />

Familie beschreibt<br />

dieses Treffen ein<br />

deutliches<br />

Engagement auf<br />

dem Weg zur<br />

Zusammenarbeit<br />

zur Ehre Gottes«<br />

Recht auf ein Leben ohne Hunger –<br />

<strong>und</strong> noch viel mehr<br />

Eine Eingabe des RWB an die Menschenrechtskommission<br />

VON PÁRAIC RÉAMONN<br />

Sein<br />

Engagement für<br />

die Menschenrechte<br />

nimmt<br />

der RWB auch<br />

wahr in der UN-<br />

Menschenrechts<br />

kommission, für<br />

deren Sitzung er<br />

eine Eingabe<br />

vorgelegt hat.<br />

die-reformierten.upd@te 01.2 27


wb Menschenrechte<br />

Als eine<br />

Gemeinschaft der<br />

Gläubigen <strong>und</strong> als<br />

ein Teil der zivilen<br />

Gesellschaft ist der<br />

Weltb<strong>und</strong> betroffen<br />

über die<br />

Auswirkungen der<br />

Globalisierung auf<br />

den größten Teil der<br />

Weltbevölkerung.<br />

menschlichen Entwicklungsmöglichkeiten<br />

ausgeschlossen sind. Dafür reicht es aber<br />

nicht, auf die überschüssigen Güter zurückzugreifen,<br />

die unsere Erde so überreichlich produziert;<br />

es bedarf einer Änderung des Lebensstils,<br />

der Produktionsformen <strong>und</strong> des Konsumverhaltens<br />

<strong>und</strong> es bedarf einer Änderung<br />

der etablierten Machtstrukturen derer, die die<br />

Gesellschaft derzeit beherrschen«.<br />

Als eine Gemeinschaft der Gläubigen <strong>und</strong> als<br />

ein Teil der zivilen Gesellschaft ist der Weltb<strong>und</strong><br />

betroffen über die Auswirkungen der<br />

Globalisierung auf den größten Teil der Weltbevölkerung.<br />

Es ist offensichtlich, dass die Liberalisierung<br />

des Handels, den die Welthandelsorganisation<br />

(WTO) betreibt, nicht unwesentlich<br />

beiträgt zur Verarmung <strong>und</strong> zu den<br />

unhaltbaren Zuständen in den Ländern der<br />

südlichen Hemisphere <strong>und</strong> zu den wachsenden<br />

Ungleichheiten der Einkommensstrukturen<br />

in allen Ländern der Erde.<br />

Dies habe Auswirkungen auf die Anwendung<br />

des Art. 11, so der <strong>Reformiert</strong>e Weltb<strong>und</strong>:<br />

»Obwohl lediglich der Art. 11 explizit ausdrückt:<br />

›Die Staaten werden die geeigneten<br />

Schritte unternehmen, um die Realisierung<br />

dieses Rechtes sicherzustellen, in Anerkennung<br />

der gr<strong>und</strong>legenden Wichtigkeit internationaler<br />

Kooperation, basierend auf freier Zustimmung‹,<br />

müsste dies, als Folge, auch für<br />

die anderen Artikel gelten, wo immer das<br />

Handeln eines Landes Auswirkungen auf Teilhabe<br />

an ökonomischen, sozialen <strong>und</strong> kulturellen<br />

Rechten in anderen Ländern hat«.<br />

Dadurch veranlasst die Übereinkunft die unterzeichnenden<br />

Staaten nicht nur zum Tätigwerden<br />

innerhalb der eigenen Grenzen, sondern<br />

auch zur internationalen Zusammenarbeit,<br />

um eine Umsetzung sicherzustellen.<br />

Artikel 11,2 befasst sich ausdrücklich mit dem<br />

Recht, frei von Hunger zu sein – aber neoliberale<br />

Marktmechanismen regeln den Zugang zu<br />

Nahrung mittels Kaufkraft – so gehen die Armen<br />

zwangsläufig »leer aus«. Der globalisierte<br />

Handel mit Nahrung führt zu einer langen<br />

Kette von Kauf <strong>und</strong> Weiterverkauf, während<br />

die Ärmsten der Armen auf kurze Wege der<br />

Nahrung angewiesen sind <strong>und</strong> auf Schutz vor<br />

einer Abhängigkeit von Wechselkursen: Die<br />

Nahrung, die innerhalb des eigenen Landes<br />

wächst <strong>und</strong> verkauft <strong>und</strong> verbraucht wird,<br />

»verschlingt« keine teuer importierten Devisen.<br />

Das Recht auf geistiges Eigentum ist Gegenstand<br />

von Artikel 11.5.c. Der <strong>Reformiert</strong>e Welt-<br />

b<strong>und</strong> macht darauf aufmerksam, dass ein<br />

mögliches Patent auf Leben den Zugang zu<br />

agrikulturellen Gütern für die Armen stark beschränken<br />

würde: Zugang zu Gütern, die sie<br />

brauchen <strong>und</strong> die normaler Weise auch in ihrer<br />

Kultur <strong>und</strong> Umgebung verwurzelt sind. Dies<br />

bedeutet vor allem eine Gefahr für die gewachsenen<br />

eingeborenen Gemeinschaften.<br />

Der Weltb<strong>und</strong> bedauert die von der WTO<br />

unterstützte Tendenz, das Recht auf geistiges<br />

Eigentum vom Autor auf den Verleger oder<br />

Vertrieb zu verlagern <strong>und</strong> stimmt daher eher<br />

mit der Sicht überein, die die Weltorganisation<br />

für geistiges Besitztum (WIPO) vertritt:<br />

»Unsere Stellungnahme beruht auf der Überlegung,<br />

was das Herz des intellektuellen Besitzes<br />

ist: Das Schaffen, das kreative Element,<br />

nicht der Vertrieb. Das Ziel muss letztlich<br />

sein, den Autor zu entlohnen, nicht den Vertrieb<br />

oder die Ausbeutung der kreativen Arbeit<br />

zu privilegieren.«<br />

Die Eingabe des <strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es<br />

unterstreicht die Verbindung zwischen den<br />

Artikel 11 <strong>und</strong> 15: »Die christliche Tradition<br />

kennt <strong>und</strong> erkennt die zentrale Rolle, die die<br />

Nahrung in einer Gemeinschaft spielt. Gemeinschaft<br />

<strong>und</strong> Wohlergehen sind gr<strong>und</strong>legende<br />

Element einer jeden Kultur«. Im Johannes-Evangelium<br />

ist die erste Zeichenhandlung<br />

Jesu’, die Verwandlung von Wasser in<br />

Wein (Joh. 2,1-11).<br />

Die Vereinbarungen der WTO widersprechen<br />

an manchen Stellen der Übereinkunft der UN-<br />

Menschenrechtskommission. Die Vereinbarung<br />

enthält auch Bestimmungen, die dem<br />

kategorischen Schutz der Menschenrechte (s.<br />

Art. XX des GATT-Abkommens) entsprechen<br />

– aber sie wurden nicht gemäß den Prinzipien<br />

des Internationalen Rechts <strong>und</strong> der bindenden<br />

rechtlichen Normen der Übereinkunft umgesetzt<br />

<strong>und</strong> interpretiert.<br />

»Dem Schutz der Menschenrechte muss innerhalb<br />

der UN-Organisationen wieder der adäquate<br />

Stellenwert eingeräumt werden«, so<br />

schreibt der Weltb<strong>und</strong> in seiner Eingabe an<br />

die UN-Menschenrechtskommission im Blick<br />

auf die Welthandelsorganistaion WTO. »Wir<br />

brauchen hierfür ein Kontrollsystem <strong>und</strong> wir<br />

brauchen UN-Organisationen, die verantwortlich<br />

für die Umsetzung der Menschenrechte<br />

sind – <strong>und</strong> die die Stärke haben, dies<br />

auch zu tun. Die UN-Kommission für Menschenrechte<br />

ist besonders geeignet, diesen<br />

Gegenpart zu übernehmen.<br />

28 die-reformierten.upd@te 01.2


Frühjahrstagung Geschichte des <strong>Reformiert</strong>en Protestantismus<br />

<strong>Reformiert</strong> in Geschichte <strong>und</strong> Gegenwart<br />

Dritte Emder Tagung zur Geschichte des <strong>Reformiert</strong>en Protestantismus<br />

VON GESINE VON KLOEDEN<br />

Die Johannes a Lasco Bibliothek zu Emden<br />

umfasst Bücher aus einem über 450 Jahre<br />

alten Archiv bis hin zu einem Internet-Informationssystem<br />

für den weltweiten reformierten<br />

Protestantismus. Ihr Gebäude, die Ruine<br />

der ehemaligen Großen Kirche, ist eine gelungene<br />

Kombination aus altem Klinker <strong>und</strong><br />

modernster Glasbautechnik. Beide, die Bibliothek<br />

<strong>und</strong> ihr Gebäude, sind ein Zeichen für<br />

die Kohärenz von Geschichte <strong>und</strong> Moderne<br />

<strong>und</strong> haben Symbolwert für die Dritte Emder<br />

Tagung zur Geschichte des <strong>Reformiert</strong>en Protestantismus,<br />

die vom 18.-20.3.2001 ebendort<br />

stattfand.<br />

Über h<strong>und</strong>ert Interessierte, nicht nur reformierter<br />

Prägung, befassten sich mit reformierter<br />

Kirchen- <strong>und</strong> Theologiegeschichte aus<br />

fünf Jahrh<strong>und</strong>erten. Sie begannen mit der<br />

Moderne: »<strong>Reformiert</strong>e Theologie <strong>und</strong> Kirche<br />

an der Schwelle zum neuen Millenium«, reflektiert<br />

<strong>und</strong> pointiert durch Prof. Dr. Jörg<br />

Haustein (Bonn). Sie richteten dann während<br />

zwanzig folgender Kurzreferate den Blick zurück<br />

in das reiche Erbe des reformierten Protestantismus.<br />

Dabei stellten die Vortragenden<br />

entweder einzelne Persönlichkeiten vor (z.B.<br />

Johannes Zwick, Johann Caspar Lavater, Carl<br />

Bernhard H<strong>und</strong>eshagen, Tullio Vinay, Heinrich<br />

Oltmann), fokussierten Ausschnitte aus<br />

dem Werk großer reformierter Theologen (so<br />

Zwinglis Haltung gegenüber den Juden, das<br />

»promissio«-Verständnis Bullingers, Calvins<br />

Predigten zum Deuteronomium, Karl Barths<br />

Ablehnung eines Bekenntnisses im Oktober<br />

1933) oder zeigten anhand einer systematisch-theologischen<br />

Frage Besonderheiten des<br />

reformierten Protestantismus auf, wobei die<br />

Prädestinationslehre eine hervorgehobene<br />

Rolle spielte.<br />

Erfreulich war nicht nur, dass die Tagungsteilnehmenden<br />

durch den Wechsel von Gruppe<br />

zu Gruppe wie schon in den anderen Jahren<br />

Gelegenheit zu einem Streifzug durch die<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte hatten; erfreulich war auch,<br />

dass viele Referate in Klarheit<br />

<strong>und</strong> Verständlichkeit auch<br />

dem Nichttheologen zugänglich<br />

waren. Mehr als bei den<br />

ersten beiden Tagungen nutzten<br />

einige Referent/-innen<br />

dieses Forum auch, um ihre<br />

Projekte als »Werkstattberichte«<br />

vorzustellen. Sie nahmen<br />

dabei Fragen <strong>und</strong> Anregungen<br />

des Publikums zur Weiterarbeit<br />

dankbar auf. Dies ist<br />

für Vortragende <strong>und</strong> Zuhörende<br />

bereichernd. Für kommende Tagungen<br />

wäre es wünschenswert, gezielt auch Referenten<br />

aus anderen Kontexten um Vorträge zu<br />

bitten. So könnte die Erforschung des reformierten<br />

Protestantismus auch geographisch<br />

in die Breite gehen <strong>und</strong> Impulse etwa aus<br />

Mittel- <strong>und</strong> Osteuropa oder aus Korea aufnehmen.<br />

Die Kooperation zwischen Kirche<br />

<strong>und</strong> Universität, zwischen dem <strong>Reformiert</strong>en<br />

B<strong>und</strong> <strong>und</strong> ausländischen Stipendiaten reformierter<br />

Prägung könnte dafür gestärkt <strong>und</strong><br />

genutzt werden.<br />

Ein Hauch des europäischen Protestantismus<br />

umwehte die Zuhörenden durch den Vortrag<br />

von Prof. Dr. Emidio Campi (Zürich), der die<br />

bisher unbekannte Korrespondenz zwischen<br />

Pietro Paolo Vergerio <strong>und</strong> Heinrich Bullinger<br />

vorstellte. Hier traten neben den theologischen<br />

auch »mentale« <strong>und</strong> »psychologische«<br />

Faktoren hervor, die den Gang der <strong>Reformation</strong><br />

beeinflussten.<br />

Ein weiterer Hauptvortrag von Prof. Gerlinde<br />

Strohmaier-Wiederanders (Berlin) über »<strong>Reformiert</strong>e<br />

Kirchenbaukonzepte vom 16.-18.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert in Deutschland« wurde ergänzt<br />

durch den Ausflug zur reformierten Kirche in<br />

Eilsum <strong>und</strong> zu zwei Kirchen in Norden, darunter<br />

die Ludgeri-Kirche, in der die berühmte<br />

Arp Schnitger Orgel zu hören war.<br />

Prof. Dr. Alasdair Heron (Erlangen) bündelte<br />

in seinem Schlussreferat reformierte Theolo-<br />

Zum dritten Mal<br />

trafen sich über<br />

100 historisch<br />

Interessierte<br />

zur Tagung in<br />

der a Lasco<br />

Bibliothek in<br />

Emden, um sich<br />

Perspektiven des<br />

reformierten<br />

Protestantismus<br />

in Geschichte<br />

<strong>und</strong> Gegenwart<br />

zu vergegenwärtigen.<br />

Die »Erfolgsstory«<br />

wird<br />

weiter<br />

geschrieben.<br />

die-reformierten.upd@te 01.2 29


Service <strong>Reformiert</strong>er B<strong>und</strong> – A Lasco Bibliothek<br />

gie anhand eines zentralen Themas:<br />

»Zum Begriff des B<strong>und</strong>es im reformierten<br />

Protestantismus« reformierte<br />

Theologiegeschichte. In der sich anschließenden<br />

Diskussion zeigte sich<br />

noch einmal deutlich das Interesse<br />

der Zuhörenden: die historischen Positionen<br />

für ihre reformierte Identität<br />

heute fruchtbar zu machen. Wie<br />

lesen wir heute den B<strong>und</strong>esschluss in<br />

1. Mose 9 vor dem Hintergr<strong>und</strong> der<br />

bedrohten Erde? Wie zukunftsfähig<br />

ist der B<strong>und</strong>esbegriff für ein verpflichtetes<br />

Bündnis in der Ökumene?<br />

Wie interpretieren wir den B<strong>und</strong>esbegriff<br />

im Hinblick auf das Gespräch<br />

mit jüdischen Geschwistern <strong>und</strong> innerhalb<br />

der eigenen Gemeinde?<br />

Die Gesellschaft für die Geschichte<br />

des reformierten Protestantismus<br />

(www.ref-kirchengeschichte.de) mit<br />

ihrem neuen Vorsitzenden, dem Gemeindepfarrer<br />

Dr. Jan Marius Lange<br />

van Ravenswaay (Neermoorpolder),<br />

wird auch in Zukunft mit der Auswahl<br />

der Referenten <strong>und</strong> Themen<br />

Sorge dafür tragen, dass die Geschichte<br />

auf ihre aktuelle Bedeutung<br />

hin befragt werden kann. Durch ihre<br />

Namensänderung von der »Historischen<br />

Kommission« zur »Gesellschaft«<br />

wird deutlich, dass reformierter<br />

Protestantismus in die Öffentlichkeit,<br />

zuerst in die Gemeinden, wirken<br />

will. Dass dabei die Wissenschaftlichkeit<br />

keineswegs zu kurz kommt,<br />

zeigt der erstmals in diesem Jahr verliehene<br />

<strong>und</strong> mit 3000,- DM dotierte J.<br />

F. Gerhard Goeters Preis, mit dem die<br />

Promotionsschrift »Infiniti Contemplatio.<br />

Gr<strong>und</strong>züge der Scotus- <strong>und</strong><br />

Scotismusrezeption im Werk Huldrych<br />

Zwinglis« des Schweizer Nachwuchswissenschaftlers<br />

Daniel Bolliger<br />

ausgezeichnet wurde.<br />

Die Preisverleihung <strong>und</strong> die Vorträge,<br />

die Exkursion, die Diskussionen <strong>und</strong><br />

nicht zuletzt der Empfang durch die<br />

Evangelische Kirche im Rheinland,<br />

vertreten durch ihren Präses Manfred<br />

Kock, machten die dritte Emder Tagung<br />

zu einem Ort der Begegnung<br />

für alle, deren Interesse am reformierten<br />

Protestantismus geweckt ist.<br />

JOHANNES A LASCO<br />

BIBLIOTHEK<br />

Große Kirche Emden<br />

Adresse:<br />

Kirchstr. 22<br />

D 26721 Emden<br />

Telefon +49.(0)4921.91500<br />

Telefax +49.(0)4921.915050<br />

Allgemeine Auskunft<br />

<strong>und</strong> Fachinformation:<br />

lasco@jalb.de<br />

Öffnungszeiten<br />

Dienstag bis Freitag 11 - 18 Uhr<br />

Samstag 11 - 13.30 Uhr<br />

<strong>und</strong> 14.30 - 17 Uhr<br />

(nur Museum)<br />

Sonntag 14.30 - 17 Uhr<br />

(nur Museum)<br />

Bitte beachten Sie:<br />

Die Öffnungszeiten können bei Veranstaltungen<br />

eingeschränkt sein!<br />

Führungen<br />

Samstag 11.00 <strong>und</strong> 14.30 Uhr<br />

Sonntag 14.30 Uhr<br />

zusätzlich Gruppenführungen nach<br />

Anmeldung<br />

<strong>Reformiert</strong>er B<strong>und</strong> in<br />

Deutschland<br />

Generalsekretär<br />

Pfarrer D. Hermann Schaefer<br />

Referent für Publizistik <strong>und</strong><br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Pfarrer Jörg Schmidt<br />

Geschäftsstelle<br />

Anja Werth<br />

Vogelsangstr. 20<br />

42109 Wuppertal<br />

Tel.: (0202) 755111<br />

Fax (0202) 754202<br />

e-mail: reformierter.b<strong>und</strong>@wtal.de<br />

Impressum<br />

»die-reformierten.upd@te« wird herausgegeben<br />

im Auftrag des Moderamens<br />

des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es.<br />

»Das reformierte Quartalsmagazin«<br />

erscheint jeweils Anfang März, Juni,<br />

September <strong>und</strong> Dezember eines Jahres.<br />

Verantwortlich (i.S.d.P.):<br />

Jörg Schmidt (js)<br />

Vogelsangstr. 18<br />

42109 Wuppertal<br />

Telefon 0202-2750086<br />

Telefax 0202-2750087<br />

e-mail: rekiz@aol.com<br />

Mitgearbeitet haben:<br />

D. Hermann Schaefer, Generalsekretär<br />

des <strong>Reformiert</strong>en B<strong>und</strong>es<br />

Jan Alberts, Pfarrer der Ev.-altreformierten<br />

Kirche in Nordhorn<br />

Horst u. Marianne Greulich, Berlin<br />

Frauke Brauns, freie Journalistin<br />

Dr. Setri Nyomi, Alan Falconer,<br />

Páraic Réamonn, Mitarbeiter des<br />

<strong>Reformiert</strong>en Weltb<strong>und</strong>es, Genf<br />

Paivi Jussila, Mitarbeiter des Lutherischen<br />

Weltb<strong>und</strong>es<br />

Dr. Gesine von Kloeden, Pfarrerin der<br />

Lippischen Landeskirche<br />

Übersetzungen:<br />

Anja Werth, <strong>Reformiert</strong>er B<strong>und</strong><br />

Fotos:<br />

privat: 2, 3<br />

RB: 2, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 23<br />

RWB: 2, 26<br />

Schlosskirchengemeinde Köpenick: 9<br />

reformiert <strong>online</strong>: 11, 13, 14<br />

Rolf Leding: 12, 29<br />

30 die-reformierten.upd@te 01.1


Ich bin doch täglich geplagt,<br />

<strong>und</strong> meine Züchtigung ist alle Morgen da.<br />

Dennoch bleibe ich stets an dir;<br />

denn du hältst mich bei meiner rechten Hand,<br />

du leitest mich nach deinem Rat<br />

<strong>und</strong> nimmst mich am Ende mit Ehren an.<br />

Wenn ich nur dich habe,<br />

so frage ich nichts nach Himmel <strong>und</strong> Erde.<br />

Wenn mir gleich Leib <strong>und</strong> Seele verschmachtet,<br />

so bist du doch, Gott, allezeit<br />

meines Herzens Trost <strong>und</strong> mein Teil.<br />

Aber das ist meine Freude,<br />

dass ich mich zu Gott halte<br />

<strong>und</strong> meine Zuversicht setze auf Gott,<br />

den HERRN,<br />

dass ich verkündige all dein Tun.<br />

Psalm 73, 14.23-26.28<br />

Wochenpsalm am 5. Sonntag nach Trinitatis<br />

Der Nominalsatz (in Vers 23, j.s.) äußert keinen<br />

Glaubenstrotz, kein dynamisches Geschehen,<br />

keine Tat der Überwindung, sondern einen<br />

Zustand: »Doch ich bin ja stets bei dir«.<br />

Angesichts des Vergehenden <strong>und</strong> Verwehenden<br />

aller Mächtigkeit des Gott-abgewandten<br />

Wesens ist hier von dem Bleibenden, Beständigen<br />

<strong>und</strong> Festen die Rede. Stets weiß der<br />

Beter sich bei Jahwe geborgen, in der Treue<br />

der von Gott gestifteten <strong>und</strong> erhaltenen Gemeinschaft.<br />

Nicht das Dennoch des Glaubens<br />

oder der Trotz der Frömmigkeit, sondern das<br />

– geradezu überraschte - Innewerden der Unverbrüchlichkeit<br />

des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der durch<br />

nichts zu zerstörenden communio cum Deo<br />

kommen in V. 23 zur Sprache. So wird man<br />

an dieser Stelle irgendeinen dramatischen<br />

Durchbruch zu völlig neuer Erkenntnis nicht<br />

annehmen dürfen. Das im Bekenntnis geäußerte<br />

Vertrauen weiß sich in der Treue <strong>und</strong><br />

Verlässlichkeit Gottes gegründet.<br />

Hans-Joachim Kraus, Theologie der Psalmen,<br />

S. 218<br />

Das »Dennoch des Glaubens« ist oft genug beschworen<br />

worden. Vor allem anderen gegenüber:<br />

Denen gegenüber, die zweifeln; denen,<br />

die Leid tragen; denen, die trauern; denen, die<br />

nicht weiter wissen. Wer glaubt, bleibt dennoch!<br />

Und der Umkehrschluss wurde mindestens<br />

ebenso oft gezogen: Wer nicht bleibt, der<br />

glaubt auch nicht.<br />

Und ebenso oft wurde so das Leid der Leid<br />

Tragenden verdoppelt. Wurden sie auch noch<br />

unter Druck gesetzt durch die Erwartung,<br />

auch das Unheil geduldig aus Gottes Hand zu<br />

nehmen, ihr Leid geduldig zu tragen – <strong>und</strong><br />

bei Gott zu bleiben.<br />

Wer das kann <strong>und</strong> tut wie die Beterin des Psalmes,<br />

dem ist Gnade widerfahren. Der hat Gottes<br />

Hand in seiner rechten Hand gespürt. Der<br />

kann aus sich heraus sagen: »Ich bin ja stets<br />

bei dir«, wie Kraus den Vers 23 übersetzt.<br />

Aber das bleibt Geschenk. Und nicht zurechenbar.<br />

Nicht als Erwartung formulierbar.<br />

Auch die Klage gegen Gott hat ihr Recht.<br />

Auch das Schreien angesichts eigener oder<br />

fremder Not hat sein Recht. Auch die gottesferne<br />

Verzweiflung angesichts widerfahrenen<br />

Elends hat ihr Recht.<br />

»Ich bin ja stets bei dir« – das kann ich nur<br />

dann beten, wenn ich es erfahre: »denn du<br />

hältst mich bei meiner rechten Hand«. Manche<br />

Glaubenden erfahren das. Nicht alle.<br />

Manche Glaubenden erfahren diesen Halt.<br />

Manche Glaubenden finden dann zu diesem<br />

Bekenntnis:<br />

Wenn mir gleich Leib <strong>und</strong> Seele verschmachtet,<br />

so bist du doch, Gott, allezeit<br />

meines Herzens Trost <strong>und</strong> mein Teil.<br />

Wir anderen hören es. Und bitten Gott um<br />

seine Hilfe. Wir anderen schreien unsere Not<br />

heraus vor Gott.<br />

Und Gott bleibt treu. Gott bleibt verlässlich.<br />

Gott bleibt menschen-zugewandt.<br />

Bleibe du, Gott, bei mir!<br />

j.s.<br />

Psalm 73<br />

Dann bleibe du dennoch bei mir<br />

»Dennoch bleibe<br />

ich stets an dir.«<br />

Gott,<br />

das fällt mir<br />

schwer nachzusprechen,<br />

wenn mir das Leben<br />

wie ein Rätsel<br />

erscheint,<br />

wenn eigenes oder<br />

fremdes Leid alles<br />

in Frage stellt,<br />

was einmal<br />

Halt bot,<br />

oder wenn mir<br />

andere schnelle<br />

Lösungen für<br />

meine Probleme<br />

versprechen.<br />

Dennoch bei dir<br />

bleiben<br />

gegen die Zweifel,<br />

gegen den Zeitgeist,<br />

gegen meine<br />

Ungeduld,<br />

Gott, das möchte<br />

ich versuchen.<br />

Aber wenn ich<br />

damit scheitere,<br />

dann bleibe du<br />

dennoch bei mir!<br />

Sylvia Bukowski<br />

aus: Lass mich<br />

blühen unter<br />

deiner Liebe, S. 7<br />

die-reformierten.upd@te 01.2 31


Postvertriebsnummer G 54900<br />

ISSN 1617-7177<br />

Herausgegeben von:<br />

<strong>Reformiert</strong>er B<strong>und</strong><br />

Vogelsangstr. 20<br />

42 109 Wuppertal<br />

<strong>fBibliothek</strong> <strong>und</strong> <strong>Reformation</strong>. Miszellen aus der<br />

Johannes a Lasco Bibliothek Emden<br />

hrsg. von Christoph Strohm<br />

foedus-verlag 2001<br />

(Veröffentlichungen der Johannes a Lasco Bibliothek<br />

Große Kirche Emden; Bd. 4)<br />

ISBN 3-932735-54-4<br />

DM 29,80 – ATS 218,- – CHF 27,50<br />

Der vorliegende Band enthält Vorträge, die<br />

größtenteils im Laufe der vergangenen Jahre in<br />

der Johannes a Lasco Bibliothek Emden gehalten<br />

wurden. Sie behandeln Aspekte der Geschichte<br />

des frühen reformierten Protestantismus <strong>und</strong><br />

gehen auf die Entstehung der Johannes a Lasco<br />

Bibliothek ein.<br />

Bisher in dieser Reihe erschienen:<br />

Henning P. Jürgens, Johannes a Lasco.<br />

Ein Leben in Büchern <strong>und</strong> Briefen.<br />

Eine Ausstellung der Johannes a Lasco Bibliothek vom 15.10. bis 28.11.1999, herausgegeben von<br />

der Johannes a Lasco Bibliothek Große Kirche Emden <strong>und</strong> der Evangelisch-reformierten Kirche<br />

(Synode evangelisch-reformierter Kirchen in Bayern <strong>und</strong> Nordwestdeutschland), Veröffentlichungen<br />

der Johannes a Lasco Bibliothek; Bd. 1, Katalog, 148 Seiten, zahlreiche Farbreproduktionen,<br />

ISBN 3-932735-32-3, DM 36,-<br />

oedus<br />

Henning P. Jürgens, Johannes a Lasco 1499-1560. Ein Europäer des <strong>Reformation</strong>szeitalters<br />

(Veröffentlichungen der Johannes a Lasco Bibliothek; Bd. 2), 48 Seiten, engl. Broschur,<br />

ISBN 3-932735-33-1, DM 9,80<br />

Jan Rohls, Zwischen Bildersturm <strong>und</strong> Kapitalismus. Der Beitrag des reformierten Protestantismus<br />

zur Kulturgeschichte Europas (Veröffentlichungen der Johannes a Lasco Bibliothek; Bd. 3),<br />

38 Seiten, ISBN 3-932735-34-x, DM 9,80

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