Blogtour Wir zwei in fremden Welten - Seren

Anno Ventura Vieruntachtzig, Tag 98
Ich beobachte das Mädchen schon recht lange.
Warum weiß ich nicht so genau, aber irgendwie
faszinier t sie mich. Schon immer. Die Mehrheit
der Ventura-Besatzung denkt, sie sei verrückt und
ich muss zugeben, dass auch ich zunächst an ihrem
Geisteszustand gezweifelt habe. Doch je länger
ich sie und ihr Verhalten studiere, desto mehr
komme ich zu dem Schluß, dass sie an Bord die
einzige normale Person zu sein scheint. Natürlich
darf ich das nicht laut aussprechen und eigentlich
ist es ziemlich heikel, dass ich dies hier
festhalte, wo es doch jeder lesen könnte. Allerdings
sind die Menschen hier aber so in ihrem
Alltagstrott gefangen und darauf bedacht, sich
in ihrer Pflichterfüllung glücklich zu fühlen, dass
meinem Eintrag vermutlich niemand Beachtung
schenkt.
Mich nervt diese ganze Struktur und dieses Gerede
von „Wir müssen den For tbestand sichern“.
Vielleicht fühle ich mich deshalb so von diesem
Mädchen angezogen, denn sie hat ebenfalls
erkannt, dass das Leben doch noch weit
mehr bieten müsste. Doch so mutig wie sie bin
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ich nicht, als dass ich mich wagen würde, die
Dinge öffentlich zu äußern, die mir missfallen.
Ich bewundere sie für ihre Stärke und ihren Mut.
Manchmal finde ich sie aber auch leichtsinnig.
Weiß sie denn nicht, dass sie sich mit solchen
Äußerungen in Gefahr bringen kann ?
Und dann ist da noch diese andere Sache, die
ich beobachtet habe. In letzter Zeit schleicht
sie sich immer in dunkle Ecken und Winkel der
Ventura. Ich weiß, dass sie sich dor t mit einem
Jungen trifft, der nicht ihr vorherbestimmter Lebenspar
tner ist. Ich beneide sie um die Blicke, die
der Junge ihr zuwirft und um all die kleinen
versteckten Berührungen, die die beiden austauschen.
Sieht so Liebe aus ? Wenn ja, dann
wünsche ich mir, dass auch ich irgendwann in
den Genuss dieses Gefühls und solcher Blicke
komme. Allerdings bete ich auch darum, dass
man die beiden nicht irgendwann erwischt,
denn das hätte verheerende Folgen.
Ob sie sich ein anderes Leben wünschen ?
Eines in dem sie frei sind ? In letzter Zeit sehe
ich das Mädchen immer wieder auf der Aussichtsplattform,
wo sie vor den Fenstern steht
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und wie gebannt auf Huxley-3 starr t. Ob sie
das Gleiche denkt wie ich ? Ob es wohl möglich
wäre dor t zu leben und ob wir in unserem Leben
jemals wieder auf einen Planeten treffen werden ?
Ich wette, das Mädchen könnte es schaffen.
Sie hat so viel Biss und Willensstärke, sie ist so
furchtlos und hat Schneid. Sie wird es schaffen,
die Fesseln unseres Systems zu durchbrechen. Und
dann können wir alle in eine bessere Zukunft blicken.
Daran muss und will ich ganz fest glauben.
- ein heimlicher Beobachter -
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