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[ Kanupolo – Spiel mit riesigem Spaßfaktor ] [ Elegantes Verfahren ...

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Kultur auf dem Campus<br />

Die Kannibalen sind los<br />

Hergen Schulz im Kulturcafé<br />

Mit seinen Hörspielen sprengt der<br />

Autor Hergen Schulz immer wieder<br />

die Grenzen des Mediums. Live aufgeführt<br />

balancieren die phantastischen<br />

Stücke auf dem Grat zwischen<br />

Theater und klassischem Hörspiel.<br />

Dazu kommen außergewöhnliche<br />

<strong>Spiel</strong>orte von der Kraftfahrzeugwerkstatt<br />

bis zum Palmenhaus. Jetzt war<br />

Schulz <strong>mit</strong> seinem Hörspiel „Legenden“<br />

im Kulturcafé der Johannes<br />

Gutenberg-Universität unter der alten<br />

Mensa zu Gast.<br />

Die Kannibalen sind los im Kulturcafé unter der<br />

alten Mensa. Hergen Schulz, Hörspielautor und<br />

Schöpfer des Hörspielprojekts Kolportage.com<br />

hat den mythischen Dschungel seines Stücks „Legenden“<br />

in den Keller am Forum verlegt. Draußen<br />

tobt ein Gewittersturm, auf der Bühne zieht die<br />

Geschichte eines Flugzeugabsturzes das Publikum<br />

in ihren Bann.<br />

Das Grauen beginnt erst nach dem Unglück.<br />

Denn die Insel, auf der Linéa P'lau (Christin Wehner),<br />

Ramona Glas (Gabi Hof), Canedrine Harshey<br />

Hergen Schulz (2.v.r): Blutrausch im<br />

Kulturcafé unter der alten Mensa.<br />

[JOGU] 194/2005<br />

(Alexandra Schlüter), Siblin Sahlins (Linda-Moran<br />

Braun), Kapitän Arthur Morris (Stefan Migge) und<br />

Rubens Baldrum (Hergen Schulz) abstürzen,<br />

beherbergt ein furchtbares Monster. Die ausweglose<br />

Situation schält die Charaktere der Flugzeuginsassen<br />

aus dem Korsett ihrer gesellschaftlichen<br />

Konventionen und lässt die Figuren<br />

<strong>mit</strong>einander kollidieren. Im Zentrum der Handlung<br />

stehen Linéa P'lau und ihre Träume: Der<br />

Blutrausch bringt sie ihrem verschollenen Geliebten<br />

Clayton Jones (Michael Masek) näher. Und so<br />

wird aus der netten Stewardess plötzlich ein mordendes<br />

Wesen <strong>–</strong> ähnlich dem Monster, das auf<br />

der Insel seine Kreise zieht und die Überlebenden<br />

des Flugzeugabsturzes tötet. Die Legenden und<br />

Mythen haben am Ende die im Dschungel gestrandeten<br />

Menschen aus der postmodernen<br />

Zivilisation eingeholt, <strong>mit</strong> tödlicher Folge.<br />

Die einzelnen Figuren reißen<br />

sich auch immer wieder aus der<br />

starren Pose ihrer Stühle los,<br />

erobern sprechend und<br />

spielend den Saal.<br />

Was nach dem Plot eines Horrorfilms klingt, wird<br />

durch die doppelte Abstraktion von Hörspiel und<br />

statischer Bühnensituation zur Grundlage eines<br />

außergewöhnlichen Theaterabends. Obwohl <strong>–</strong> ist<br />

es denn Theater, wenn die Figuren an einem Tisch<br />

sitzen und ihre Rollen in Mikrofone sprechen? Für<br />

ein reines Hörspiel wiederum ist der Anteil des<br />

schauspielerischen Ausdrucks zu groß <strong>–</strong> und die<br />

einzelnen Figuren reißen sich auch immer wieder<br />

aus der starren Pose ihrer Stühle los, erobern<br />

26<br />

sprechend und spielend den Saal. Einer eindeutigen<br />

Zuordnung entziehen sich die Produktionen<br />

von Kolportage.com auf diese Weise. Das gibt Autor<br />

und Regisseur Hergen Schulz selbst zu und<br />

nennt „Legenden“ ein „Hörspiel zum Hinsehen“.<br />

Die Spannung zwischen Sprache und <strong>Spiel</strong> fasziniert<br />

die Zuschauer. Überhaupt kommen die Produktionen<br />

von Kolportage.com bei einem Publikum<br />

gut an, das an den Konsum elektronischer<br />

Medien gewöhnt ist. Daher legt der Wiesbadener<br />

Regisseur Schulz auch Wert darauf, seine Hörspiele<br />

nicht einfach als Tonkonserven zu produzieren,<br />

sondern immer live zu spielen.Am liebsten<br />

entdeckt Kolportage.com dabei ungewöhnliche<br />

<strong>Spiel</strong>orte. Zu diesen zählt das Kellercafé unter der<br />

alten Mensa kaum. Aber Live-Hörspiele von Kolportage.com<br />

waren schon zu Gast auf Ausflugsdampfern<br />

auf dem Main („Acht Glasen“), „Legenden“<br />

hatte Premiere in einem Gewächshaus<br />

für tropische Pflanzen. Und die kleine Kneipe um<br />

die Ecke hat Schulz seit der Gründung von Kolportage.com<br />

im Jahr 1996 ebenso bespielt (<strong>mit</strong><br />

„Uncoole Wortwechsel im SMS-Zeitalter) wie<br />

Kraftfahrzeugwerkstätten (zur Premiere von<br />

„Flucht aus der Fabrik“) und Programmkinos.<br />

Als Balanceakt zwischen Dampfradio und Modernem<br />

Theater, zwischen Musik,Videokunst und<br />

Brecht'scher Dramaturgie haben die Stücke <strong>mit</strong><br />

ihren schrägen Figuren und abgründigen Handlungen<br />

eine große Fan-Gemeinde in der Rhein-<br />

Main Region gewonnen. Aber auch über den<br />

Großraum hinaus ist Kolportage.com ein Name in<br />

der Hörspielszene. So war Hergen Schulz eingeladen<br />

zum Leipziger Hörspielsommer und gab<br />

ein Gastspiel auf der dortigen Buchmesse.<br />

Peter THOMAS ■<br />

Foto: Peter Thomas

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