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Eine lange Weile

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Langeweile als Einladung<br />

und einfach zu sein. Wenn „Ich weiß nicht,<br />

was ich tun soll“ wie eine Definition von<br />

Langeweile ist, ist Muße die Einladung,<br />

gerade das Nicht(s)-Tun zu kosten, ja sich<br />

darin zu üben. In einem Vipassana Retreat<br />

vor zwei Jahren hat unsere Leiterin Nicole<br />

Stern Zeiten der Muße eingebaut, und ich<br />

habe das in meine eigenen kontemplativen<br />

Retreats übernommen. Warum? Selbst<br />

die Meditation kann uns zum Tun werden.<br />

Zum (mechanischen) Befolgen einer<br />

Anleitung (etwa, den Atem zu beobachten),<br />

zum Einhalten einer vorgegebenen Tagesstruktur,<br />

bis hin zu einer quasi „sportlichen“<br />

Haltung, möglichst viel, <strong>lange</strong>, oder<br />

„intensiv“ zu meditieren. Selbst das stille<br />

kontemplative Gebet als Meditation in der<br />

christlichen Tradition kann zu einem Tun<br />

werden, ähnlich wie ein mechanisches<br />

Beten von Texten.<br />

Und womöglich ist unser Geist währenddessen<br />

munter dabei, seinem eigenen Trip<br />

zu folgen. Und selbst und gerade wenn wir<br />

„beste Absichten haben“, sind wir beim<br />

Meditieren nicht gefeit davor, es „richtig<br />

machen“ zu wollen – womit wir schon<br />

wieder beim Machen sind. Deswegen halte<br />

ich es für eine wunderbare Übung, Zeiten<br />

einzurichten, wo nicht einmal meditieren<br />

am Programm steht. Uns selbst und das<br />

Nicht(s)-Tun aushalten. Uns nicht ablenken<br />

– weder durch eine Zeitung, das Handy<br />

oder einen Bildschirm, noch dadurch, dass<br />

wir etwas essen, spielen oder selbst meditieren.<br />

Da sein, sich treiben lassen und<br />

beobachten, was passiert: in mir und um<br />

mich herum.<br />

Ein Moment<br />

der Orientierung<br />

Kommen wir zurück zu unserem gelangweilten<br />

Kind. Manchmal kommt bei meiner<br />

jüngeren Tochter diese „Langeweile“ nach<br />

einer intensiven Zeit (viele Stunden oder<br />

sogar Tage) mit ihrer besten Freundin<br />

auf. Dann ist es vielleicht ein Moment der<br />

Neuorientierung: Jetzt war <strong>lange</strong> völlig<br />

klar, was dran war, aber was jetzt? Auch in<br />

unserem Kindergarten gibt es manchmal<br />

Kinder, die mit diesem Gefühl kommen<br />

und es auch sagen: „Mir ist langweilig. Ich<br />

weiß nicht, was ich tun soll.“ Wir nehmen<br />

dieses Gefühl in Kauf und schätzen es hier<br />

auch als wichtige Chance für das Kind, sich<br />

selbst zu orientieren. Dies ist eine wichtige<br />

Aufgabe, da wir mit unserem nicht-direktiven<br />

Ansatz nicht durchgehend Programm<br />

machen, sondern auf eine „vorbereitete<br />

Umgebung“ setzen, in der die Kinder ihren<br />

eigenen Bedürfnissen und Impulsen folgen<br />

können, und denen auch auf die Spur kommen<br />

müssen. So kommt es also vor, dass<br />

Kinder nicht wissen, was sie tun sollen.<br />

Umso mehr, wenn sie es zuhause mit sehr<br />

aktiven und animierenden Erwachsenen<br />

zu tun (!) haben. Was also tun, wenn die<br />

Kinder nicht wissen, was sie tun sollen?<br />

Vielleicht gelingt es uns – zumindest<br />

fürs Erste – dem Impuls zu widerstehen,<br />

mit dem Kind tatsächlich etwas zu tun, zu<br />

spielen, ihm was vorzulesen. Anstatt die<br />

Gelegenheit für eine Lektion, Darbietung,<br />

oder ein wie immer geartetes pädagogisches<br />

Angebot zu nützen (das ist dann fast<br />

wie mein Vorschlag an meine Mädels, sich<br />

im Haushalt nützlich zu machen), könnten<br />

wir es als Einladung nehmen, uns selbst<br />

aus unserem Getriebe herauszunehmen,<br />

den Gang sozusagen in den Leerlauf schalten,<br />

und uns dem Kind zuzuwenden. Wir<br />

müssen auch das Gefühl der Langeweile<br />

nicht (<strong>lange</strong>) thematisieren. Oft genügt es,<br />

sich einzulassen auf eine kurze Begegnung,<br />

ein Zuhören, vielleicht aber auch sich<br />

nur zuzuwenden, (bei einem kleinen oder<br />

auch beim eigenen größeren Kind) es auf<br />

den Schoß zu nehmen, kurz zusammen zu<br />

sitzen, vielleicht sogar in Stille. Wenn wir<br />

selbst Ruhe finden, aus unserem Hamsterrad<br />

aussteigen können und uns kurz<br />

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