07.02.2017 Aufrufe

Eine lange Weile

Eine lange Weile

Eine lange Weile

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Langeweile als Quelle<br />

Wenn wir uns langweilen, vermag nichts<br />

aus der Mitwelt in uns etwas hervorzurufen,<br />

nichts spricht uns an, keine Empfindung<br />

wird registriert, Überdruss macht<br />

sich breit, Ekel und eine große Trägheit<br />

verhindern, dass wir uns in Bewegung<br />

setzen. Wir fühlen uns nicht angesprochen<br />

von der Welt und sind deshalb auch nicht<br />

ansprechend. Langweile ist ein Gefühl<br />

der Öde, der Lustlosigkeit, der Leere, des<br />

Überdrusses; der Mensch ist ohne Lebendigkeit,<br />

ohne Antrieb, ohne Motivation zu<br />

handeln. Diese Leere weckt ein Grauen in<br />

uns - die Angst vor Leere, vielleicht sogar<br />

die Angst vor dem Tod - und muss deshalb<br />

abgewehrt werden. Wenn wir uns langweilen,<br />

dann wird uns die Zeit lang, sie scheint<br />

überhaupt nicht zu vergehen - eine <strong>lange</strong><br />

<strong>Weile</strong> erfasst uns, die in sich leer ist und<br />

sich geradezu auf uns selbst zu stürzen<br />

scheint. Kein Wunder, dass wir versuchen<br />

die <strong>lange</strong> <strong>Weile</strong> durch irgendeine Kurzweil<br />

abzuwehren.<br />

Was hinter der<br />

Langeweile verborgen ist<br />

Ist Interesse aber eine fundamentale<br />

Emotion, dann kann es gar nicht so ganz<br />

und gar verschwinden. Weist man einen<br />

sich langweilenden Menschen darauf hin,<br />

dass die Welt doch voller interessanter<br />

Dinge, Menschen, Begebenheiten sei und<br />

das Ärgernis doch eher, dass die Zeit nicht<br />

reicht, um sich für alles auch wirklich zu<br />

interessieren, wird der sich Langweilende<br />

erwidern, es gäbe kein einziges Ding<br />

in der Welt, das interessant wäre. Wo ist<br />

das Interesse hingekommen, was ist aus<br />

den verschiedenen Interessen geworden?<br />

Die Langweile lässt sich hier verstehen<br />

als Abwesenheit von Interesse, aber auch<br />

als Abwesenheit von Neugier und Kreativität.<br />

Insofern ist die Langweile eine sehr<br />

interessante Emotion, sie muss in sich ein<br />

Interesse haben, das es zu enthüllen gilt.<br />

Das gelingt, wenn man die Langweile nicht<br />

abwehrt, sondern sich auf sie konzentriert.<br />

Es gilt auch beim Umgang mit Langweile<br />

das Grundlegende, was in jedem Umgang<br />

mit Gefühlen gilt: Man muss sich auf sich,<br />

auf ein Gefühl einlassen, damit sich etwas<br />

verändert. Lassen wir uns auf die Langweile<br />

ein, haben wir plötzlich Einfälle. es<br />

werden solche darunter sein, die uns nicht<br />

passen und die wir deshalb abwehren, es<br />

werden aber auch solche da sein, die uns<br />

erstaunen und uns wiederum in Kontakt<br />

mit uns und auch mit anderen Gefühlen<br />

bringen. Wir haben dann Einfälle, die<br />

wirklich etwas mit uns zu tun haben. Wenn<br />

die Emotion „Interesse“ zentrale Selbstanteile<br />

weckt, dann heißt das auch, dass wir,<br />

sofern wir in einer Situation, indem wir<br />

uns langweilen, uns auf die Langeweile<br />

konzentrieren und warten, bis uns etwas<br />

einfällt, wieder mit etwas zentral Bedeutsamen<br />

von uns selber in Kontakt kommen<br />

werden.<br />

Verena Kast ist Professorin für<br />

Psychologie an der Universität<br />

Zürich sowie Dozentin am dortigen<br />

C. G. Jung-Institut. Sie ist<br />

Autorin zahlreicher Bücher, in denen<br />

sie unterschiedliche Themen<br />

wie Märchen, Ärger, Familienbeziehungen,<br />

Phantasie… tiefenpsychologisch<br />

beleuchtet.<br />

Mosum ad intessatis vius bonsul viviviv<br />

ilnendem quam Patum<br />

18<br />

19

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!