Eine lange Weile
Eine lange Weile
Eine lange Weile
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Langeweile als Quelle<br />
Wenn wir uns langweilen, vermag nichts<br />
aus der Mitwelt in uns etwas hervorzurufen,<br />
nichts spricht uns an, keine Empfindung<br />
wird registriert, Überdruss macht<br />
sich breit, Ekel und eine große Trägheit<br />
verhindern, dass wir uns in Bewegung<br />
setzen. Wir fühlen uns nicht angesprochen<br />
von der Welt und sind deshalb auch nicht<br />
ansprechend. Langweile ist ein Gefühl<br />
der Öde, der Lustlosigkeit, der Leere, des<br />
Überdrusses; der Mensch ist ohne Lebendigkeit,<br />
ohne Antrieb, ohne Motivation zu<br />
handeln. Diese Leere weckt ein Grauen in<br />
uns - die Angst vor Leere, vielleicht sogar<br />
die Angst vor dem Tod - und muss deshalb<br />
abgewehrt werden. Wenn wir uns langweilen,<br />
dann wird uns die Zeit lang, sie scheint<br />
überhaupt nicht zu vergehen - eine <strong>lange</strong><br />
<strong>Weile</strong> erfasst uns, die in sich leer ist und<br />
sich geradezu auf uns selbst zu stürzen<br />
scheint. Kein Wunder, dass wir versuchen<br />
die <strong>lange</strong> <strong>Weile</strong> durch irgendeine Kurzweil<br />
abzuwehren.<br />
Was hinter der<br />
Langeweile verborgen ist<br />
Ist Interesse aber eine fundamentale<br />
Emotion, dann kann es gar nicht so ganz<br />
und gar verschwinden. Weist man einen<br />
sich langweilenden Menschen darauf hin,<br />
dass die Welt doch voller interessanter<br />
Dinge, Menschen, Begebenheiten sei und<br />
das Ärgernis doch eher, dass die Zeit nicht<br />
reicht, um sich für alles auch wirklich zu<br />
interessieren, wird der sich Langweilende<br />
erwidern, es gäbe kein einziges Ding<br />
in der Welt, das interessant wäre. Wo ist<br />
das Interesse hingekommen, was ist aus<br />
den verschiedenen Interessen geworden?<br />
Die Langweile lässt sich hier verstehen<br />
als Abwesenheit von Interesse, aber auch<br />
als Abwesenheit von Neugier und Kreativität.<br />
Insofern ist die Langweile eine sehr<br />
interessante Emotion, sie muss in sich ein<br />
Interesse haben, das es zu enthüllen gilt.<br />
Das gelingt, wenn man die Langweile nicht<br />
abwehrt, sondern sich auf sie konzentriert.<br />
Es gilt auch beim Umgang mit Langweile<br />
das Grundlegende, was in jedem Umgang<br />
mit Gefühlen gilt: Man muss sich auf sich,<br />
auf ein Gefühl einlassen, damit sich etwas<br />
verändert. Lassen wir uns auf die Langweile<br />
ein, haben wir plötzlich Einfälle. es<br />
werden solche darunter sein, die uns nicht<br />
passen und die wir deshalb abwehren, es<br />
werden aber auch solche da sein, die uns<br />
erstaunen und uns wiederum in Kontakt<br />
mit uns und auch mit anderen Gefühlen<br />
bringen. Wir haben dann Einfälle, die<br />
wirklich etwas mit uns zu tun haben. Wenn<br />
die Emotion „Interesse“ zentrale Selbstanteile<br />
weckt, dann heißt das auch, dass wir,<br />
sofern wir in einer Situation, indem wir<br />
uns langweilen, uns auf die Langeweile<br />
konzentrieren und warten, bis uns etwas<br />
einfällt, wieder mit etwas zentral Bedeutsamen<br />
von uns selber in Kontakt kommen<br />
werden.<br />
Verena Kast ist Professorin für<br />
Psychologie an der Universität<br />
Zürich sowie Dozentin am dortigen<br />
C. G. Jung-Institut. Sie ist<br />
Autorin zahlreicher Bücher, in denen<br />
sie unterschiedliche Themen<br />
wie Märchen, Ärger, Familienbeziehungen,<br />
Phantasie… tiefenpsychologisch<br />
beleuchtet.<br />
Mosum ad intessatis vius bonsul viviviv<br />
ilnendem quam Patum<br />
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