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Eine lange Weile

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Langeweile als Glück<br />

wertvolle Spiel, das achtlos in der Ecke<br />

liegt, weil man hier nur das spielen kann,<br />

was vorgeplant und vorbestimmt ist.<br />

Langeweile als Hilferuf<br />

der Kinder<br />

Wenn Kinder ständig formulieren,<br />

ihnen “sei so langweilig”, “einfach nur<br />

noch fad”, dass sie keine eigenen Ideen<br />

entwickeln, kann das in zwei Richtungen<br />

deuten: einerseits eine verdeckte Botschaft<br />

an die Eltern, sich mehr mit ihnen<br />

zu beschäftigen, in ihre Welt, ihre Träume<br />

einzutauchen, “mitzuspinnen”, Logik und<br />

Rationalität beiseitezulassen, sich mit den<br />

Kindern auf einen gemeinsamen Weg zu<br />

machen. Kinder mögen Eltern, die nicht<br />

als Vater und Mutter “vernünftig” daherkommen,<br />

nur den geraden, den richtigen<br />

Weg zu beschreiten, die versteckten Oasen,<br />

die jenseits liegen, unbeachtet lassen.<br />

Umwege, und seien sie noch so verrückt,<br />

erweitern nicht allein die Ortskenntnis,<br />

Umwege dienen zugleich dazu, Persönlichkeitsanteile<br />

– eben die Phantasie – in sich<br />

zu entdecken, die verschüttet sind, die man<br />

beiseitegeschoben hat. Phantasie, so hat es<br />

Unterhält man sich mit Kindern, dann<br />

wird Eltern, wird den Erwachsenen Respekt<br />

und Achtung entgegengebracht. Aber<br />

es werden fraglich auch kritische Töne<br />

laut. Sie fühlten sich ständig beobachtet<br />

und bewertet, so lautet ein Vorwurf. Ein<br />

anderer macht auf den Zeitstress aufmerksam,<br />

dem Kinder in einem durchorganisierten<br />

und verplanten Alltag unterworfen<br />

sind.<br />

Kinder artikulieren das nicht, weil sie<br />

es nicht können oder wollen. Aber Kinder<br />

zeigen durch ihr Handeln, dass ihnen manches<br />

nicht passt. Aus der Perspektive der<br />

Erwachsenen sind solch störende Hinweise<br />

dann “Unarten”, die es zu unterbinden<br />

gilt. Dabei ist es für den Erwachsenen viel<br />

bedeutsamer, die Botschaften hinter den<br />

“Unarten” zu erkennen. Um diesen Begriff<br />

nochmals kurz zu beleuchten: Viele<br />

Eltern wollen das Eigenständige, Mutige,<br />

Neugierige, Unangepasste, aber zu viel<br />

Autonomie, zu viel Mut, gar Übermut,<br />

zu viel forschendes Entdecken, zu viel<br />

“Gegen-den-Strich-Bürsten”, das will man<br />

dann doch nicht. Es existieren “Unarten”,<br />

die Eltern häufig verzweifeln lassen: Da ist<br />

die Zerstreuung, da ist die Langeweile, da<br />

gibt es den Rückzug, das Bedürfnis, nur für<br />

sich zu sein.<br />

Kinder sind eigenständig, sind widerständig.<br />

Sie eignen sich, wie es der Soziologe<br />

Rainer Zoll einmal für die Erwachsenen<br />

formuliert hat, ihre Zeit auf ihre Art und<br />

Weise an. Sie lassen sich nicht so ohne<br />

weiteres beschleunigen. Entschleunigen<br />

ist das Gebot der Stunde. Um das an den<br />

Begriffen der Zerstreuung und Langeweile<br />

zu veranschaulichen.<br />

Langeweile – woher<br />

kommt das eigentlich?<br />

Vor über 200 Jahren galt Langeweile als<br />

wichtig und notwendig. Nun ist sie wichtiger<br />

und notwendiger, aber verkannter und<br />

abgewerteter denn je. Sich aus den Vorgaben<br />

auszuklinken, der organisierten und<br />

vorgeplanten Freizeit die kalte Schulter zu<br />

zeigen, Zeit für eigene Ideen zu entwickeln,<br />

auf dem Bett zu liegen, die Hausaufgaben<br />

genauso zu ignorieren wie das pädagogisch<br />

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