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Eine lange Weile

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<strong>Eine</strong><br />

<strong>lange</strong><br />

<strong>Weile</strong><br />

Frühling / PriMavera 2017<br />

Vom Glück<br />

der Langeweile<br />

Materialien<br />

der Muße<br />

Wer rettet das<br />

letzte Einhorn?


montessori.coop stellt sich vor<br />

fakten / Le attività<br />

Die Sozialgenossenschaft monetssori.coop<br />

wurde 2009 gegründet, als Erweiterung des<br />

Vereins „Die Pfütze“, der im Jahr 2000 mit<br />

einem privaten Kindergarten in Terlan startete.<br />

Zur Zeit hat die Genossenschaft 71 Mitglieder.<br />

Sie wird von einem Verwaltungsrat mit dem<br />

Präsidenten Peter Tomasi geführt.<br />

Kontakt: info@montessori.coop<br />

Die Genossenschaft leitet den Montessori &<br />

Natur Kindergarten mit 16 Kindern. Die Kinder<br />

halten sich viel im Wald, im Garten und auf der<br />

Wiese auf.<br />

Kontakt: kindergarten@montessori.coop<br />

In der Montessorischule werden 29 Schülerinnen<br />

und Schüler zwischen 6 und 16 Jahren<br />

begleitet. Zur Schule gehören auch 2 Pferde,<br />

2 Ziegen und 1 Besuchskatze.<br />

Kontakt: schule@montessori.coop<br />

Das Elternbildungsteam besteht aus: Thea<br />

Unteregger (Konzept, Organisation und Texte),<br />

Karin Micheli (Fotos), Cornelia Pichler<br />

(Organisation), Alice Hönigschmid (Graphik)<br />

und Christine Tschager (Sponsoring)<br />

Kontakt: seminare@montessori.coop<br />

Im Sommer bieten wir jedes Jahr den Waldkindergarten,<br />

den Abenteuerwald und die Sommerwochen<br />

für Kinder zwischen 6 und 16 Jahren an.<br />

Kontakt: kinderferien@montessori.coop<br />

La cooperativa sociale monetssori.coop è stata<br />

fondata nel 2009 come derivazione dell‘ associazione<br />

„Die Pfütze/La pozzanghera“ nata allo<br />

scopo di avviare una scuola dell‘ infanzia privata<br />

a Terlano. Attualmente la cooperativa conta<br />

71 soci ed è gestita da un consiglio di amministrazione<br />

con Peter Tomasi come presidente.<br />

Contatto: info@montessori.coop<br />

La cooperativa gestisce una scuola dell‘ infanzia<br />

secondo i principi di Maria Montessori e della<br />

pedagogia della natura, ed è frequentata da<br />

16 bambini e bambine che trascorrono gran<br />

parte del loro tempo nella natura, ossia nel<br />

bosco, nel giardino e nei prati.<br />

Contatto: kindergarten@montessori.coop<br />

La scuola Montessori è frequentata da 29 alunni<br />

e alunne tra i 6 e i 16 anni. Appartengono alla<br />

scuola anche 2 cavalli, 2 capre e una gattina.<br />

Contatto: schule@montessori.coop<br />

Il gruppo per la formazione dei genitori<br />

è costituito da Thea Unteregger (programmazione,<br />

organizzazione e testi), Cornelia Pichler<br />

(organizzazione), Karin Micheli (fotografia),<br />

Alice Hönigschmid (grafica) e Christine<br />

Tschager (sponsorizzazioni).<br />

Contatto: seminare@montessori.coop<br />

Durante l‘ estate vengono organizzate:<br />

l‘ estate nel bosco per bambini in età prescolare,<br />

l‘ avventura osco e le settimane estive presso la<br />

struttura del Colle per bambini e bambine tra<br />

i 6 e i 16 anni.<br />

Contatto: kinderferien@montessori.coop<br />

3


“<br />

Halt an, wo willst du hin?<br />

Der Himmel ist in dir -<br />

Suchst du ihn außerhalb,<br />

du fehlst ihn für und für.<br />

angeLUs siLesiUs


Frühling / primavera 2017<br />

editorial<br />

Inhalt<br />

veranstaltungen<br />

interviews<br />

Liebe Eltern, liebe Interessierte,<br />

13 Was Kinder und Jugendliche<br />

heute brauchen<br />

Vortrag mit Jan Uwe Rogge<br />

25 Materialien der Muße<br />

Seminar mit Thea Unteregger<br />

Titelthema<br />

8 Vom Glück der Langeweile<br />

von Jan Uwe Rogge<br />

16 Schöpferisches Tun<br />

von Verena Kast<br />

24 Materialien der Muße<br />

von Thea Unteregger<br />

32 „Was soll ich tun?“<br />

von Steve Heitzer<br />

42 Müßiggang oder das aktive<br />

Nichtstun.<br />

Ein Text von Siegfried Lenz<br />

IMpressum<br />

14 Was hast du als Kind getan<br />

wenn dir langweilig war?<br />

Kinder interviewen Erwachsene<br />

40 Wer rettet das letzte Einhorn?<br />

Rollenspiel bei Kindergartenkindern<br />

Ein Interview mit Ingrid Sinn<br />

Rubriken<br />

20 Zum Herausnehmen:<br />

Gutscheine<br />

29 Pädagoginnen kurz vorgestellt<br />

Mater Margarete Schörl<br />

30 Ich als Mutter:<br />

Mutter ohne Antwort<br />

31 Zitate und Büchertipps<br />

38 Ich als Vater:<br />

Le cose importanti dell‘<br />

essere padre<br />

46 Organisatorische Hinweise<br />

47 Wir eröffnen die Kita montessori.coop der<br />

im neu erbauten Grieserhof in Bozen!<br />

Sozialgenossenschaft montessori.coop, Kohlern 12, 39100 Bozen<br />

Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes: Peter Tomasi; E-Mail: info@montessori.coop<br />

Homepage: www.montessori.coop; Redaktion: Thea Unteregger; Fotos: Karin Micheli, außer privaten<br />

Autorenfotos und privat S. 14, 15, 28, 29, 31; Illustrationen: Thea Unteregger S. 4, 6, 14, 15, 30, 33, 37,<br />

Alice Hönigschmid S. 20-22; Layout: Alice Hönigschmid; Druck: Kraler Druck, 39040 Vahrn<br />

es ist mir eine große<br />

Freude, Ihnen die neue<br />

Broschüre zur Elternbildung<br />

der Sozialgenossenschaft montessori.coop<br />

vorzustellen!<br />

Seit mehr als einem Jahr<br />

arbeiten wir an diesem<br />

Neustart. Uns ist aufgefallen,<br />

dass es für Eltern zunehmend<br />

schwieriger ist sich für ein<br />

ganzes Wochenende frei zu<br />

nehmen und ein Seminar<br />

zu besuchen. Da oft beide<br />

Elternteile arbeiten, sind die<br />

Wochenenden noch mehr zur<br />

Familienzeit geworden.<br />

Mit der neuen Broschüre<br />

möchten wir Inspiration<br />

und Information direkt und<br />

bequem zu den Eltern nach<br />

Hause bringen.<br />

Unsere Seminartätigkeit wird<br />

sich auf circa zwei Veranstaltungen<br />

pro Halbjahr<br />

beschränken. Dabei wollen<br />

wir weiterhin internationale<br />

und lokale ReferentInnen<br />

einladen, die über unterschiedliche<br />

Aspekte des<br />

Zusammenseins mit Kindern<br />

und Jugendlichen erzählen.<br />

In den letzten Jahren haben<br />

wir erfahren, dass auch kleine<br />

Denkanstöße eine positive<br />

Wirkung im Erziehungsalltag<br />

haben können. In diese Richtung<br />

wollen wir weitergehen.<br />

Für diesen Frühling<br />

haben wir das Thema<br />

Langweile und Muße<br />

ausgewählt.<br />

Meine Erfahrung ist, dass<br />

wir Eltern auf den Satz „Mir<br />

ist aber langweilig!“ mit<br />

Vorschlägen und Aktivität<br />

reagieren und ich fand es<br />

interessant, mich nach alternativen<br />

Herangehensweisen<br />

umzuschauen. Andererseits<br />

könnten wir Eltern gut<br />

ein bisschen Langweile in<br />

unserem verplanten Alltag<br />

gebrauchen, damit wir uns<br />

entspannen und uns die<br />

Muse küssen kann. Auch<br />

hierzu gibt es Anregungen in<br />

dieser Broschüre.<br />

Falls Sie an einem Thema<br />

besonders interessiert sind,<br />

können Sie mir sehr gerne<br />

Ihre Vorschläge und Wünsche<br />

für die nächsten Broschüren<br />

via E-mail mitteilen:<br />

seminare@montessori.coop<br />

<strong>Eine</strong>n Frühling mit<br />

Momenten der Muße<br />

wünscht Ihnen<br />

Thea Unteregger<br />

6<br />

7


Langeweile als Glück<br />

Vom Glück der<br />

Langeweile<br />

In einem afrikanischen Sprichwort<br />

heißt es: “Man schaut dem Gras beim<br />

Wachsen zu. Wer am Halm zieht, damit<br />

es schneller wächst, der zieht ihn<br />

mitsamt seiner Wurzel aus der Erde.<br />

Der Halm welkt, er verdorrt.”<br />

Erziehung stellt sich als Begleitung<br />

der Kinder ins Leben dar, sie ist keine<br />

gezielte Vorbereitung auf das Leben.<br />

VON Jan Uwe Rogge<br />

Erziehung bedeutet, Kindern den<br />

Raum und die Zeit zu geben zu<br />

wachsen. Entschleunigung ist das<br />

Gebot der Stunde – nicht Beschleunigung.<br />

“<strong>Eine</strong> entschleunigte Gesellschaft”, so der<br />

Pädagoge Fritz Reheis in seinem Buch über<br />

“Die Kreativität der Langsamkeit”, “ist eine<br />

Gesellschaft, in der nicht das Haben von<br />

Sachen, sondern das Sein der Menschen<br />

im Mittelpunkt stehen wird. Alles wird sich<br />

um ihr Wohlbefinden, um die Entfaltung<br />

und Erfüllung ihrer Möglichkeiten drehen.<br />

Und das ist der Kern menschlichen Glücks.<br />

Die entschleunigte Gesellschaft wird eine<br />

Gesellschaft der Muße und der Faulheit<br />

sein, verstanden als ‘kluge Lust’.” Ein ganz<br />

und gar anarchistischer Satz, für manche<br />

Eltern eine Herausforderung, die man nicht<br />

aushalten kann – Muße und Faulheit als<br />

“kluge Lust”.<br />

Kinder im Zeitstress<br />

Wer Kinder in den Mittelpunkt seiner<br />

Erziehungshaltung stellt, tritt in Kontakt<br />

zu ihnen, hört ihnen zu, versucht, sich in<br />

sie hineinzuversetzen, weiß nicht alles und<br />

sofort besser, kann in den Kindern auch<br />

einen meist geduldigen Lehrer erblicken.<br />

Ja, die Kinder sind Lehrmeister.<br />

8<br />

9


Langeweile als Glück<br />

wertvolle Spiel, das achtlos in der Ecke<br />

liegt, weil man hier nur das spielen kann,<br />

was vorgeplant und vorbestimmt ist.<br />

Langeweile als Hilferuf<br />

der Kinder<br />

Wenn Kinder ständig formulieren,<br />

ihnen “sei so langweilig”, “einfach nur<br />

noch fad”, dass sie keine eigenen Ideen<br />

entwickeln, kann das in zwei Richtungen<br />

deuten: einerseits eine verdeckte Botschaft<br />

an die Eltern, sich mehr mit ihnen<br />

zu beschäftigen, in ihre Welt, ihre Träume<br />

einzutauchen, “mitzuspinnen”, Logik und<br />

Rationalität beiseitezulassen, sich mit den<br />

Kindern auf einen gemeinsamen Weg zu<br />

machen. Kinder mögen Eltern, die nicht<br />

als Vater und Mutter “vernünftig” daherkommen,<br />

nur den geraden, den richtigen<br />

Weg zu beschreiten, die versteckten Oasen,<br />

die jenseits liegen, unbeachtet lassen.<br />

Umwege, und seien sie noch so verrückt,<br />

erweitern nicht allein die Ortskenntnis,<br />

Umwege dienen zugleich dazu, Persönlichkeitsanteile<br />

– eben die Phantasie – in sich<br />

zu entdecken, die verschüttet sind, die man<br />

beiseitegeschoben hat. Phantasie, so hat es<br />

Unterhält man sich mit Kindern, dann<br />

wird Eltern, wird den Erwachsenen Respekt<br />

und Achtung entgegengebracht. Aber<br />

es werden fraglich auch kritische Töne<br />

laut. Sie fühlten sich ständig beobachtet<br />

und bewertet, so lautet ein Vorwurf. Ein<br />

anderer macht auf den Zeitstress aufmerksam,<br />

dem Kinder in einem durchorganisierten<br />

und verplanten Alltag unterworfen<br />

sind.<br />

Kinder artikulieren das nicht, weil sie<br />

es nicht können oder wollen. Aber Kinder<br />

zeigen durch ihr Handeln, dass ihnen manches<br />

nicht passt. Aus der Perspektive der<br />

Erwachsenen sind solch störende Hinweise<br />

dann “Unarten”, die es zu unterbinden<br />

gilt. Dabei ist es für den Erwachsenen viel<br />

bedeutsamer, die Botschaften hinter den<br />

“Unarten” zu erkennen. Um diesen Begriff<br />

nochmals kurz zu beleuchten: Viele<br />

Eltern wollen das Eigenständige, Mutige,<br />

Neugierige, Unangepasste, aber zu viel<br />

Autonomie, zu viel Mut, gar Übermut,<br />

zu viel forschendes Entdecken, zu viel<br />

“Gegen-den-Strich-Bürsten”, das will man<br />

dann doch nicht. Es existieren “Unarten”,<br />

die Eltern häufig verzweifeln lassen: Da ist<br />

die Zerstreuung, da ist die Langeweile, da<br />

gibt es den Rückzug, das Bedürfnis, nur für<br />

sich zu sein.<br />

Kinder sind eigenständig, sind widerständig.<br />

Sie eignen sich, wie es der Soziologe<br />

Rainer Zoll einmal für die Erwachsenen<br />

formuliert hat, ihre Zeit auf ihre Art und<br />

Weise an. Sie lassen sich nicht so ohne<br />

weiteres beschleunigen. Entschleunigen<br />

ist das Gebot der Stunde. Um das an den<br />

Begriffen der Zerstreuung und Langeweile<br />

zu veranschaulichen.<br />

Langeweile – woher<br />

kommt das eigentlich?<br />

Vor über 200 Jahren galt Langeweile als<br />

wichtig und notwendig. Nun ist sie wichtiger<br />

und notwendiger, aber verkannter und<br />

abgewerteter denn je. Sich aus den Vorgaben<br />

auszuklinken, der organisierten und<br />

vorgeplanten Freizeit die kalte Schulter zu<br />

zeigen, Zeit für eigene Ideen zu entwickeln,<br />

auf dem Bett zu liegen, die Hausaufgaben<br />

genauso zu ignorieren wie das pädagogisch<br />

10<br />

11


Vortrag<br />

veranstaltung<br />

Was Kinder und Jugendliche<br />

heute brauchen<br />

mit Jan Uwe Rogge<br />

der Neurologe Gerald Hüther ausgedrückt,<br />

ist das “Zusammenfügen von Erinnerungsspuren<br />

und Erfahrungen zur Kreation<br />

einer eigenen Gedankenwelt”. Das gilt für<br />

Kinder ebenso wie für Erwachsene.<br />

Doch weist der stereotyp formulierte<br />

Satz, es wäre alles so langweilig, noch auf<br />

einen anderen Sachverhalt hin. Es fällt<br />

auf: Kinder, bei denen alles verplant ist,<br />

oder aber jene, die keine Alltagsstrukturen<br />

erfahren, die nicht wissen, woran sie<br />

sind, die sich alleingelassen fühlen, diesen<br />

Kindern ist es eben auch sehr schnell<br />

langweilig, weil sie keine Bindung, keine<br />

Beziehung haben. Hier stellt Langeweile<br />

einen Hilferuf dar. Langeweile ist eben<br />

nicht Langeweile, es kommt darauf an, in<br />

welchen Bezügen sie erlebt wird.<br />

dem Kind gehört. Deshalb reagiert es so<br />

vehement, so barsch, wenn ihm vorgeworfen<br />

wird, es langweile sich wohl wieder.<br />

Solchen Satz deutet es als Eingriff in seinen<br />

Wunsch nach Autonomie, danach, die<br />

Eigenzeit so zu gestalten, wie man es selber<br />

möchte. Langeweile, das heißt, auf dem<br />

Bett zu liegen, an die Decke zu starren,<br />

das heißt, gedankenverloren im Sessel zu<br />

sitzen, vor sich hin zu träumen, das heißt,<br />

Zeit für eigene Ideen zu haben, diese zu<br />

vertiefen, Zeiten, in denen nichts, aber rein<br />

gar nichts ge- utnd verplant ist. Langeweile<br />

ist eine Quelle der Kraft. Aber wer<br />

zu dieser Quelle will, so heißt es in einem<br />

chinesischen Sprichwort, der muss gegen<br />

den Strom schwimmen.<br />

Freitag 9. Juni 2017<br />

20 Uhr<br />

Referent<br />

Jan Uwe Rogge,<br />

Bestsellerautor und<br />

Erziehungsberater<br />

Zielgruppe<br />

Eltern, pädagogische<br />

Fachkräfte, Interessierte<br />

Ort und Beitrag<br />

Kolpinghaus Bozen<br />

15€<br />

Informationen unter:<br />

seminare@montessori.coop<br />

www.montessori.coop<br />

Fragt man Kinder danach, was sie von ihren Eltern und<br />

Bezugspersonen wollen, so werde vier Wünsche genannt:<br />

- Nehmt uns so an, wie wir sind!<br />

- Vergleicht uns nicht immer!<br />

- Lasst uns Zeit für unsere Entwicklung!<br />

- Beobachtet und bewertet uns nicht immer!<br />

Daraus resultieren drei Grundhaltungen:<br />

- Erziehung ist Beziehung.<br />

- Erziehung ist nicht Vorbereitung auf das Leben,<br />

sondern das Leben selbst.<br />

- Erziehung vollzieht sich in der Spannung von Halten<br />

und Loslassen.<br />

Anhand von vielen Alltagssituationen will der Vortrag auf<br />

eine ebenso informative wie unterhaltsame Weise veranschaulichen,<br />

was Kinder heute brauchen.<br />

Langeweile ist<br />

Zeit für mich<br />

Fühlt ein Kind sich in Beziehungen<br />

aufgehoben, dann ist Langeweile für die<br />

Persönlichkeitsentwicklung ausgesprochen<br />

wichtig. Sie stellt eine Zeit dar, die nur<br />

Jan Uwe Rogge hat<br />

Germanistik, Witschafts- und<br />

Kulturwissenschaften studiert<br />

und ist Bestsellerautor und<br />

Erziehungsberater. Er ist Vater<br />

eines Sohnes. Weitere Artikel<br />

finden Sie zum Beispiel auf seinem<br />

Blog: www.jan-uwe-rogge.de/blog<br />

12<br />

13


KinDer interviewen erwachsene ...<br />

Was hast du als Kind gemacht,<br />

wenn dir langweilig war?<br />

Die interviews Führte ClaRa stUfflesseR (14)<br />

„Immer wenn uns Kindern<br />

im Dorf langweilig<br />

war, sind wir zur Anna<br />

gegangen. Das war eine<br />

Ledige, die hatte selbst<br />

keine Kinder. Die Anna hat<br />

mit uns die verrücktesten<br />

Sachen gemacht. Zum Beispiel<br />

haben wir Gerichtsverhandlung<br />

gespielt und<br />

der Verurteilte wurde mit<br />

Wasser überschüttet.“<br />

eLeonora, 71 Jahre<br />

„In der Schule habe ich<br />

oft angefangen zu lachen,<br />

wahrscheinlich aus Langeweile.<br />

Dann musste ich<br />

hinaus bis ich mich wieder<br />

beruhigt hatte. Das Problem<br />

war, dass ich, sobald<br />

ich die Tür öffnete, sofort<br />

wieder anfing zu lachen.<br />

Auch brachte ich gerne andere<br />

zum Lachen und dazu<br />

Blödsinn zu machen.“<br />

KaMiLa, 44 Jahre<br />

„Mein Vater hatte<br />

immer Papier und Stifte<br />

dabei. Wenn uns langweilig<br />

war oder wir irgendwo<br />

warten mussten, haben<br />

wir gemalt. Ob das einen<br />

Einfluss darauf hatte, dass<br />

ich Graphikerin geworden<br />

bin?“<br />

aLice, 46 Jahre<br />

„Ich erinner mich noch<br />

gut als ich mich mal vor<br />

Langeweile mit meiner<br />

Flöte an die Hausmauer<br />

gesetzt habe und<br />

gehofft habe, dass<br />

mir jemand<br />

Geld in meinen<br />

Hut wirft. Das<br />

hab ich bei<br />

den Musikanten<br />

in<br />

der Fußgängerzone<br />

so<br />

gesehen!“<br />

MoniKa,<br />

42 Jahre<br />

„Meine Eltern sind<br />

eines Tages weggefahrten<br />

und haben mich und<br />

meinen kleinen Bruder<br />

Zuhause gelassen, denn<br />

die Nachbarn waren ja da.<br />

Uns war langweilig, da<br />

haben wir beschlossen ein<br />

Feuer anzuzünden. Es war<br />

ein wunderschöner Tag.<br />

Im Hof vor der Waschküche<br />

haben wir also Zeitungen<br />

und Holz zusammengesucht<br />

und angezündet. In<br />

der Sonne konnten wir die<br />

Flammen nicht sehen und<br />

dachten, es würde nicht<br />

gut brennen, deshalb habe<br />

ich das Feuerzeugbenzin<br />

meines Vaters geholt<br />

und in das Feuer geleert,<br />

damit es besser brennt. Die<br />

Flammen schlugen hoch<br />

und mein Kleid fing Feuer.<br />

Ich erschrak und lief sofort<br />

zum Brunnen, um die<br />

Flammen zu löschen. Ich<br />

habe mir nur die Hand<br />

leicht verbrannt, aber<br />

mein schönes Kleid war<br />

hin!“<br />

eLeonora, 71 Jahre<br />

„Ich habe mich auf<br />

die Schaukel gesetzt und<br />

geschaukelt bis mir Ideen<br />

kamen. Auch habe ich oft<br />

Lego gespielt und ich hatte<br />

ein Spiel mit Karten auf<br />

denen Straßen abgebildet<br />

waren in Rot, Blau und<br />

Schwarz, mit diesen spielte<br />

ich manchmal wenn mir<br />

langweilig war.“<br />

Mathias, 46 Jahre<br />

„Wenn mir fad war, habe<br />

ich mich auf mein Bett<br />

gelegt und Radio gehört.<br />

Radio war für mich sehr<br />

wichtig, einfach Musik<br />

hören.“<br />

anDreas, 51 Jahre<br />

14<br />

15


Langeweile als Quelle<br />

Schöpferische<br />

Kraft<br />

entdecken<br />

VON Verena Kast<br />

Auszug aus dem Buch „Schöpferische Kraft<br />

entdecken. Vom Interesse und vom<br />

Sinn der Langeweile“, Freiburg, 2015<br />

Fragt man Menschen, wann sie sich<br />

das letzte Mal gelangweilt haben,<br />

dann erklären sie meistens, sie würden<br />

sich nie langweilen. Insistiert man auf<br />

der Frage, dann werden etwa Erinnerungen<br />

an Team-Sitzungen wach, in denen sie<br />

nichts verändern konnten und die sie doch<br />

sehr gelangweilt hatten. Die Quintessenz ist<br />

dann: Wenn ich einer Situation aus irgendeinem<br />

Grunde nicht entfliehen kann, sie<br />

aber auch nicht so gestalten kann, dass sie<br />

für mich interessant wird, dann langweile<br />

ich mich. Wirklich nur dann?<br />

Es ist nämlich gar nicht so einfach, das<br />

äußerst unangenehme Gefühl der Langeweile<br />

zuzulassen; wir sind es gewohnt, die<br />

Langweile abzuwehren, ständig muss etwas<br />

„laufen“, damit wir uns bloß nicht langweilen.<br />

Wenn wir uns interessieren, da ruft uns<br />

irgend etwas aus der Welt, da springt uns<br />

etwas an, da kickt uns etwas an, dabei werden<br />

wir lebendig und vital, wir sind dann<br />

zwar auch gezwungen, unseren Interessen<br />

nachzugehen, aber das ist lustvoll, vitalisierend,<br />

und falls mühsam, empfinden wir<br />

es zumindest als sinnvoll.<br />

Langeweile ist uns<br />

unangenehm<br />

... da ruft uns<br />

irgendetwas aus der Welt,<br />

da springt uns etwas an,<br />

da kickt uns etwas an ...<br />

16<br />

17


Langeweile als Quelle<br />

Wenn wir uns langweilen, vermag nichts<br />

aus der Mitwelt in uns etwas hervorzurufen,<br />

nichts spricht uns an, keine Empfindung<br />

wird registriert, Überdruss macht<br />

sich breit, Ekel und eine große Trägheit<br />

verhindern, dass wir uns in Bewegung<br />

setzen. Wir fühlen uns nicht angesprochen<br />

von der Welt und sind deshalb auch nicht<br />

ansprechend. Langweile ist ein Gefühl<br />

der Öde, der Lustlosigkeit, der Leere, des<br />

Überdrusses; der Mensch ist ohne Lebendigkeit,<br />

ohne Antrieb, ohne Motivation zu<br />

handeln. Diese Leere weckt ein Grauen in<br />

uns - die Angst vor Leere, vielleicht sogar<br />

die Angst vor dem Tod - und muss deshalb<br />

abgewehrt werden. Wenn wir uns langweilen,<br />

dann wird uns die Zeit lang, sie scheint<br />

überhaupt nicht zu vergehen - eine <strong>lange</strong><br />

<strong>Weile</strong> erfasst uns, die in sich leer ist und<br />

sich geradezu auf uns selbst zu stürzen<br />

scheint. Kein Wunder, dass wir versuchen<br />

die <strong>lange</strong> <strong>Weile</strong> durch irgendeine Kurzweil<br />

abzuwehren.<br />

Was hinter der<br />

Langeweile verborgen ist<br />

Ist Interesse aber eine fundamentale<br />

Emotion, dann kann es gar nicht so ganz<br />

und gar verschwinden. Weist man einen<br />

sich langweilenden Menschen darauf hin,<br />

dass die Welt doch voller interessanter<br />

Dinge, Menschen, Begebenheiten sei und<br />

das Ärgernis doch eher, dass die Zeit nicht<br />

reicht, um sich für alles auch wirklich zu<br />

interessieren, wird der sich Langweilende<br />

erwidern, es gäbe kein einziges Ding<br />

in der Welt, das interessant wäre. Wo ist<br />

das Interesse hingekommen, was ist aus<br />

den verschiedenen Interessen geworden?<br />

Die Langweile lässt sich hier verstehen<br />

als Abwesenheit von Interesse, aber auch<br />

als Abwesenheit von Neugier und Kreativität.<br />

Insofern ist die Langweile eine sehr<br />

interessante Emotion, sie muss in sich ein<br />

Interesse haben, das es zu enthüllen gilt.<br />

Das gelingt, wenn man die Langweile nicht<br />

abwehrt, sondern sich auf sie konzentriert.<br />

Es gilt auch beim Umgang mit Langweile<br />

das Grundlegende, was in jedem Umgang<br />

mit Gefühlen gilt: Man muss sich auf sich,<br />

auf ein Gefühl einlassen, damit sich etwas<br />

verändert. Lassen wir uns auf die Langweile<br />

ein, haben wir plötzlich Einfälle. es<br />

werden solche darunter sein, die uns nicht<br />

passen und die wir deshalb abwehren, es<br />

werden aber auch solche da sein, die uns<br />

erstaunen und uns wiederum in Kontakt<br />

mit uns und auch mit anderen Gefühlen<br />

bringen. Wir haben dann Einfälle, die<br />

wirklich etwas mit uns zu tun haben. Wenn<br />

die Emotion „Interesse“ zentrale Selbstanteile<br />

weckt, dann heißt das auch, dass wir,<br />

sofern wir in einer Situation, indem wir<br />

uns langweilen, uns auf die Langeweile<br />

konzentrieren und warten, bis uns etwas<br />

einfällt, wieder mit etwas zentral Bedeutsamen<br />

von uns selber in Kontakt kommen<br />

werden.<br />

Verena Kast ist Professorin für<br />

Psychologie an der Universität<br />

Zürich sowie Dozentin am dortigen<br />

C. G. Jung-Institut. Sie ist<br />

Autorin zahlreicher Bücher, in denen<br />

sie unterschiedliche Themen<br />

wie Märchen, Ärger, Familienbeziehungen,<br />

Phantasie… tiefenpsychologisch<br />

beleuchtet.<br />

Mosum ad intessatis vius bonsul viviviv<br />

ilnendem quam Patum<br />

18<br />

19


ZUM heraUsnehMen / Da ritagLiare<br />

Gutscheine<br />

Buoni<br />

gUtschein Für · bUono Per<br />

10 MINUTEN NICHTSTUN<br />

10 MINUTI DI<br />

“DOLCE FAR NIENTE”<br />

Das Nichtstun hat in unserer Welt einen<br />

schlechten Ruf. Deshalb ist es gar nicht so<br />

leicht, sich die Zeit dafür zu nehmen. Diese<br />

Gutscheine sind als Hilfestellung für das<br />

Genießen der Langeweile gedacht - mit einem<br />

kleinen Augenzwinkern. Sie können die Gutscheine<br />

ausschneiden und verschenken oder<br />

sie für sich selbst verwenden, eventuell auch<br />

mehrmals :). Sie sind auch als pdf-Datei auf<br />

unserer Webseite verfügbar: www.montessori.coop.<br />

Die Inspiration für diese Gutscheine kommt<br />

von der kanadischen Künstlerin Keri Smith.<br />

gUtschein Für · bUono Per<br />

15 MINUTEN<br />

HINLEGEN UND<br />

VORSICHHINTRÄUMEN<br />

15 MINUTI DA TRASCORRE-<br />

RE SDRAIATI SOGNANDO AD<br />

OCCHI APERTI<br />

Viel Spaß wünscht<br />

Thea<br />

Il dolce far niente non è molto apprezzato nella<br />

nostra società. Ecco perché ci risulta spesso<br />

difficile prenderci del tempo per oziare.<br />

Questi buoni vogliono essere un impulso e<br />

un aiuto per permetterci senza sensi di colpa<br />

momenti di piacere e ozio. Potete ritagliare<br />

i buoni per regalarli oppure usarli per voi,<br />

eventualmente anche più volte : ). Si possono<br />

scaricare anche in formato PDF dal nostro<br />

sito: www.montessori.coop<br />

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yogateam<br />

BOZEN // BOLZANO<br />

stundenplan<br />

AB 9. JAN. 2017<br />

MONTAG<br />

18:00 Medium Vinyasa - Shanti Om<br />

19:45 Anfänger Vinyasa - Shanti Om<br />

DIENSTAG<br />

17:45 Medium Jivamukti Vinyasa - Shanti Om<br />

18:30 RückenYoga - Freiraum<br />

19:30 Intensiv Jivamukti Vinyasa - Shanti Om<br />

20:15 Medium Sivananda - Freiraum<br />

MITTWOCH<br />

17:15 Medium Vinyasa - Shanti Om<br />

18:45 SchwangerenYoga - Shanti Om<br />

20:15 Intermedio Hatha Yoga IT - Shanti Om<br />

DONNERSTAG<br />

17:45 Medium Jivamukti Vinyasa - Freiraum<br />

18:30 Anfänger Vinyasa - Shanti Om<br />

19:15 Meditation (30min) - Freiraum<br />

20:00 Principianti Hatha Yoga IT - Shanti Om<br />

FREITAG / SAMSTAG / SONNTAG<br />

verschiedene Workshops<br />

siehe www.yogateam.bz<br />

SHANTI OM Obstmarkt 24/a, BZ<br />

FREIRAUM Claudia-de-Medici-Str. 1a, BZ<br />

ANMELDUNG und INFORMATION<br />

yoga@yogateam.bz, www.yogateam.bz<br />

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EINE KLEINE PAUSE, AUCH<br />

WENN NOCH VIEL ZU TUN IST<br />

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23


Langeweile kultivieren<br />

Materialien<br />

der Muße<br />

VON Thea Unteregger<br />

In unserem Leben gibt es viele Bedingungen.<br />

Wenn ich mit dieser Arbeit<br />

fertig bin, dann spiele ich mit dir.<br />

Wenn du die Aufgabe gemacht hast, dann<br />

darfst du in den Hof. Wenn du brav bist,<br />

bekommst du Schokolade. Wenn du so<br />

herumschreist, dann gehe ich. Wenn ich<br />

ein paar Kilo weniger hätte… Wenn ich<br />

erst erfolgreich bin, dann… Es ist eine<br />

Gewohnheit von uns, unser Glück an<br />

Bedingungen zu knüpfen. Wir glauben,<br />

etwas tun zu müssen, um<br />

sein zu dürfen.<br />

Wie wäre es, bedingungslos zu sein? Es<br />

fällt mir schwer, mir das vorzustellen. Da<br />

beschleicht mich sofort die Angst, dass<br />

dann alles liegen bliebe und ich mein Leben<br />

nicht meistern kann. Für den Anfang<br />

reicht es vielleicht, manchmal eine Pause<br />

zu machen, um die Muse wachzuküssen.<br />

Was kann mir und meinen Kindern dabei<br />

helfen aus dem Dschungel der Bedingungen<br />

herauszukommen, um mir und uns<br />

Muße zu erlauben? Wie kann ich meine Gewohnheit<br />

lockern, Lücken im Alltag finden,<br />

in denen Dasein möglich wird?<br />

Als Montessoripädagogin ist meine<br />

Antwort natürlich: mit Hilfe von Material.<br />

Maria Montessori hat „Übungen der Stille“<br />

angeregt und viele Pädagoginnen nach ihr<br />

Mehlbild<br />

Zutaten: ein Tablett und eine Schüssel mit<br />

Polentamehl oder Gries<br />

UND SO ENTSTEHT ES: <strong>Eine</strong> kleine Hand voll<br />

Polentamehl in die Hand nehmen und einen<br />

kleinen Strahl daraus auf das Tablett rieseln<br />

lassen. So entsteht eine Linie oder ein Punkt<br />

oder eine Fläche, die man nach Belieben gestalten<br />

kann. <strong>Eine</strong> Variante wäre, einen kleinen<br />

Haufen Polentamehl auf das Tablett zu schütten<br />

und mit den Fingern zu verstreichen und<br />

zusammenzuschieben, bis ein Muster entsteht.<br />

haben diese Idee weiterentwickelt. Was es<br />

dazu braucht sind Materialien, die unser<br />

ästhetisches Empfinden anregen und unsere<br />

musische Seite ansprechen. Man soll<br />

also mit dem Material schöne Dinge machen<br />

können, die aber keinen bestimmten<br />

Zweck, kein vorbestimmtes Ergebnis haben,<br />

sondern dazu dienen, um zu spielen,<br />

sich zu zentrieren, einfach da zu sein.<br />

Die Materialien, die ich hier beschreibe,<br />

regen uns an, aus dem zweckbestimmten<br />

Tun in ein zweckfreies Tun hineinzukommen,<br />

sich selbst zu spüren und sich dem<br />

„Sein“ zu nähern. Nicht umsonst haben<br />

einige dieser Materialien einen rituellen<br />

Hintergrund.<br />

Die Idee für dieses Material stammt von den<br />

südindischen Kolams, das sind wunderschöne<br />

Ornamente aus Reismehl, das indische Frauen<br />

traditionell am Morgen vor ihrer Haustür auf<br />

den Boden streuen, als Opfergabe an die kleinen<br />

Tiere dieser Erde. Dazu setzen sie zuerst<br />

Reihen aus Punkten auf, an denen sie sich<br />

orientieren.<br />

Beispiele für einfache Kolams:<br />

www.youtube.com/watch?v=caeXD4aia7Y<br />

24<br />

25


Kurz-<br />

Seminar<br />

veranstaltung<br />

Mandala<br />

Zutaten: eine runde Fläche, zum Beispiel aus<br />

Filz und schöne, kleine Teile zum darauflegen<br />

UND SO ENTSTEHT ES: Sammeln Sie schöne Naturmaterialien<br />

wie Latschentschurtschelen (kleine<br />

Zapfen), getrocknete Beeren, Steine, Muscheln,<br />

Bohnen und Kerne oder kaufen Sie hübsche<br />

Glitzersteine und Dekorationen und geben Sie sie<br />

gut sortiert in einen Behälter mit Unterteilungen.<br />

Als Unterlage eignet sich Filz oder ein bemalter<br />

Karton, dessen Oberfläche nicht rutschig ist. Bei<br />

diesem Material ist es besonders wichtig, dass sie<br />

es als schön und wertvoll empfinden.<br />

Legen Sie ein Mandala, ein Ornament für den Tag,<br />

für den Moment, einfach so. Vereinbaren Sie, wie<br />

<strong>lange</strong> das Mandala einer Person liegenbleiben<br />

darf. Wird es gleich einer weggeräumt? Darf es<br />

der/die Nächste wegräumen?<br />

Bienenwachs ist ein<br />

schönes Material,<br />

das Zeit und Wärme<br />

braucht, um verarbeitet<br />

zu werden. Das<br />

lädt uns ein, langsamer<br />

und ruhiger zu<br />

werden.<br />

Mandalas sind in vielen Kulturen dieser Welt, wie<br />

zum Beispiel in Indien, Teil der Religion, sie werden<br />

zur Meditation und zur Zentrierung verwendet. Sie<br />

können aus Linien und Farben, Symbolen, Schriftzeichen<br />

und Figuren bestehen.<br />

Figuren aus Bienenwachs<br />

Zutaten: 1-3 Platten aus Bienenwachs und ein<br />

stabiler Schachteldeckel als „Ausstellungsfläche“<br />

UND SO ENTSTEHT ES: Ein Stück vom Bienenwachs<br />

abreißen und kneten: durch die Wärme der<br />

Hände wird das Wachs geschmeidig und duftet.<br />

<strong>Eine</strong> Form kneten und gestalten und auf die Ausstellungsfläche<br />

stellen.<br />

In der Familie vereinbaren: Dürfen die anderen<br />

ihre Formen einfach dazustellen? Dürfen die<br />

anderen die geformte Figur verändern, wieder einkneten?<br />

Wie <strong>lange</strong> sollen die Formen unverändert<br />

stehengelassen werden?<br />

Materialien der Muße<br />

Kurzseminar<br />

Samstag, 8. April 2017<br />

14.30 - 17.30 Uhr<br />

ReferentIN<br />

Thea Unteregger,<br />

Kunsthistorikerin,<br />

Museumspädagogin<br />

und Montessoripädagogin<br />

Zielgruppe<br />

Eltern, pädagogisches Fachpersonal<br />

für Kindergarten und Grundschule,<br />

Interessierte<br />

Ort und Beitrag<br />

Kolpinghaus Bozen<br />

25€<br />

Informationen und Anmeldung unter:<br />

seminare@montessori.coop<br />

www.montessori.coop<br />

mit Thea Unteregger<br />

Ob Mandala oder Zen-Garten: Jede Kultur hat Hilfen gefunden,<br />

wie man ruhig werden und in die eigene Mitte finden<br />

kann.<br />

An diesem Nachmittag wollen wir neue Materialien und<br />

Möglichkeiten kennenlernen und erfahren wie man mit<br />

einfachen Mitteln Situationen schafft, die Erwachsene und<br />

Kinder in eine stille, schöpferische Stimmung bringen. Viele<br />

dieser Materialien kann man leicht selbst nachbauen und<br />

im Alltag verwenden. Die Materialien regen an, sich mit<br />

Schönheit zu befassen und sich selbst gut zu spüren. Das<br />

Fühlen, Hören, Sehen, Schmecken und Riechen hilft uns,<br />

aus der Anspannung heraus in eine feine Wahrnehmung zu<br />

kommen.<br />

Der Nachmittag ist auch eine Gelegenheit, um eine Zeit der<br />

Muße zu haben, sich mit schönen Dingen zu beschäftigen<br />

und zu entspannen.<br />

Thea Unteregger ist Kunsthistorikerin,<br />

Montessoripädagogin<br />

und Museumspädagogin. Sie ist<br />

freiberuflich in Museen, Schulen<br />

und in der Erwachsenenbildung<br />

tätig und erforscht seit vielen Jahren<br />

die Möglichkeiten der Arbeit mit<br />

Materialien. Sie ist Mutter von drei Kindern.<br />

26<br />

27


PÄDagoginnen KUrZ vorgesteLLt<br />

Selber denken macht gescheit!<br />

Mater Margarete Schörl<br />

Mater Margarete schÖrL<br />

* 1912 in wien<br />

+ 1991 in st. PÖLten<br />

war schwester im orden der<br />

„englische Fräulein“ und Kindergärtnerin.<br />

sie besuchte eine<br />

Montessori-ausbildung und<br />

lernte Mario Montessori auch<br />

persönlich kennen. außerdem<br />

stand sie in Kontakt mit hans<br />

asperger.<br />

ab 1945 leitete sie einen Kindergarten<br />

in Krems. Um den<br />

Kindern das spiel in kleineren<br />

gruppen zu ermöglichen,<br />

richtete sie verschiedene Plätze<br />

in den räumen ein: einen bauplatz,<br />

eine Puppenwohnung,<br />

einen bilderbuchplatz, usw.<br />

sie wehrte sich schon damals<br />

gegen die Didaktisierung und<br />

reizüberflutung der Kinder<br />

und unterstrich die heilsame<br />

wirkung des spieles und die<br />

bedeutung der entscheidungsfreiheit<br />

der Kinder. ihre gedanken<br />

entwickelte sie in enger<br />

Zusammenarbeit mit Margarete<br />

schmaus.<br />

„Spiel ist Aussage, Ausdruck,<br />

Sprache ohne Worte.<br />

Spiel ist Weltbewältigung.<br />

Spiel ist Selbstentdeckung,<br />

Selbsterschließung. Spiel<br />

ist Mitarbeit des Kindes an<br />

seinem menschlichen und<br />

mitmenschlichen Werden.<br />

Spiel ist ein äußerlich<br />

zweckfreies – aber innerliches<br />

Tun, durch das sich<br />

das Kind in adäquater<br />

Weise mit seinen Eindrücken<br />

und Erlebnissen<br />

auseinandersetzt, sie<br />

verarbeitet und damit<br />

bewältigt.“<br />

M. schÖrL<br />

„Jedes pädagogische<br />

System, und sei es noch so<br />

gut, ist eine Erstarrungsform<br />

und gerät damit in<br />

Widerspruch zu sich selbst<br />

und seinem Schöpfer... Die<br />

Pädagogik soll Dienst am<br />

Leben sein. Das Leben aber<br />

fließt, unentwegt verändert<br />

es sich, und damit<br />

ändern sich auch die<br />

pädagogischen Bedürfnisse<br />

und Notwendigkeiten, aber<br />

auch die pädagogischen<br />

Möglichkeiten. Die Festlegung<br />

der Erkenntnisse<br />

großer Erzieher auf in sich<br />

geschlossene Systeme wird<br />

zwar immer wieder erfolgen,<br />

und zwar vor allem<br />

zwecks Abgrenzung gegen<br />

Missverständnisse, aber<br />

eben deshalb muss immer<br />

wieder die Freilegung der<br />

ursprünglichen Werte versucht<br />

werden, denn solche<br />

sind an sich meist zeitlos<br />

gültig.“<br />

M. schÖrL 1956<br />

Mehr DaZU: www.unserekinder.at/images_content/Mater_schoerl_vortrag_von_Manfred_berger.pdf<br />

28<br />

29


ich aLs MUtter ...<br />

tiPPs<br />

Mutter ohne Antwort<br />

Zitate & Büchertipps<br />

von geRlinde halleR<br />

Es ist Samstag Abend.<br />

Wir sind auf dem Heimweg<br />

von einem wunderbaren<br />

Konzert. Es war die CD-<br />

Vorstellung eines Chores,<br />

bei dem zwei Tanten, zwei<br />

Onkels und die Patin mitsingen.<br />

Logisch, dass wir dort<br />

als gesamte Familie vertreten<br />

sind und den Abend unter<br />

Verwandten und Bekannten<br />

genießen. Es ist kurz nach 23<br />

Uhr als wir uns erfüllt und<br />

zufrieden auf den Heimweg<br />

machen. <strong>Eine</strong> Uhrzeit, zu der<br />

die Kinder, zwischen 7 und<br />

12 Jahre alt, müde sind und<br />

nur noch nach Hause ins Bett<br />

wollen. Es sind die Momente,<br />

in denen es gut ist, die<br />

Bedürfnisse der Kinder zu<br />

erfüllen, bevor ich als Mutter<br />

meine eigene Müdigkeit<br />

schlafen lege.<br />

Kurz vor einer Kreuzung<br />

hält uns die Straßenpolizei<br />

auf. Ich schüttle verwundert<br />

den Kopf, bin mir aber<br />

sicher, dass der Beamte uns<br />

weiterfahren lässt, wenn er<br />

die Situation erkennt: ein<br />

Elternpaar mit vier müden<br />

Kindern.<br />

Der Polizist fragt nach<br />

Führerschein, Identitätskarte<br />

und Autobüchlein, auch<br />

mein Partner muss seine<br />

Dokumente abgeben. Es ist<br />

alles in Ordnung. Ich bin<br />

langsam gefahren, habe die<br />

Verkehrsregeln eingehalten,<br />

bin nüchtern, habe einen<br />

gültigen Führerschein und<br />

auch das Auto und das<br />

Autobüchlein sind in<br />

Ordnung.<br />

Wir warten<br />

zwanzig Minuten.<br />

Zwanzig Minuten<br />

voller Fragen:<br />

„Wann fahren<br />

wir weiter?“<br />

„Wie <strong>lange</strong> müssen<br />

wir noch<br />

warten?“ „Mami,<br />

warum warten<br />

wir überhaupt?“ Was machen<br />

die so <strong>lange</strong>?“ „Haben die<br />

nichts anderes zu tun?“ Lauter<br />

Fragen auf die ich keine<br />

Antwort habe. Fragen, die<br />

aus dem Nichts auftauchen,<br />

in einem Moment, der gerade<br />

noch friedlich und freudig<br />

und voll in Ordnung war.<br />

Ich als Mutter bin müde und<br />

fühle mich der Beamtenwillkür<br />

ausgeliefert. Wie schön<br />

wäre Verständnis und ein<br />

wohlwollendes Lächeln mit<br />

„Bringen sie ruhig ihre Kinder<br />

nach Hause“ gewesen!<br />

Am nächsten Morgen<br />

erinnert sich der Jüngste<br />

„gestern Abend war es schön<br />

– nur die Polizei war nicht<br />

schön“. <strong>Eine</strong> Woche lang<br />

zeichnet er mir immer wieder<br />

neu meinen Führerschein<br />

auf ein Blatt Papier.<br />

gerLinDe haLLer ist Sozialwirtin,<br />

Mutter von 4 Kindern und<br />

autorin: Die Regenbogensterne<br />

– ein spirituelles Märchen, siehe<br />

auch www.kinderzentrum.it<br />

definition<br />

MuSSe sUbstantiv [Die]<br />

Freie Zeit, in Der Man in<br />

rUhe seinen interessen<br />

nachgehen Kann. Freie<br />

Zeit UnD [innere] rUhe,<br />

UM etwas ZU tUn, was<br />

Den eigenen interessen<br />

entsPricht<br />

"<strong>Eine</strong>n Tag ungestört<br />

in Muße zu verleben<br />

heißt, einen Tag lang<br />

ein Unsterblicher zu<br />

sein."<br />

internettiPP<br />

aUs china<br />

Ken robinsons<br />

2 Plädoyers für Kreativität:<br />

www.thersa.org/events/<br />

rsaanimate<br />

www.ted.com/talks/ken_<br />

robinson_says_schools_kill_<br />

creativity?language=de<br />

bUchtiPP<br />

herbert renz-Polster<br />

Menschen Kinder<br />

artgerechte erziehung -<br />

was unser nachwuchs<br />

wirklich braucht.<br />

Kösel verlag,<br />

neuauflage 2016<br />

internettiPP<br />

ressourcen für Eltern<br />

Zum thema schlafen, Kommunikation,<br />

grenzen setzen,<br />

usw. stellt der verein „Mit<br />

Kindern wachsen“ kurze texte<br />

und artikel zur verfügung.<br />

www.mit-kindern-wachsen.<br />

de/ressourcen<br />

Es braucht viel Zeit,<br />

ein Genie zu sein,<br />

man muss so viel<br />

herumsitzen und<br />

nichts tun, wirklich<br />

nichts tun.<br />

gertrUDe stein<br />

Muße, nicht Arbeit,<br />

ist das Ziel des<br />

Menschen.<br />

oscar wiLDe<br />

Der flexible Mensch,<br />

den der Turbokapitalismus<br />

braucht, ist<br />

überall, nur nicht bei<br />

sich.<br />

roger De wecK<br />

bUchtiPP<br />

Keri smith<br />

Wie man sich die<br />

Welt erlebt<br />

Das alltagsmuseum zum<br />

Mitnehmen,<br />

verlag<br />

antje Kunstmann<br />

2011<br />

30<br />

31


titelthema<br />

Langeweile als Einladung<br />

„Was soll ich<br />

tun?“….<br />

„Mir ist langweilig! Was soll ich tun?“ Wenn ich das von meiner 10-jährigen<br />

Tochter höre, entfährt mir meist eine Antwort, die interessant ist, sich näher<br />

anzuschauen: „Langweilig? Mir nicht. Ich wüsste, was du tun könntest:<br />

Staubsaugen, den Müll raustragen, Kochen, den Geschirrspüler ausräumen<br />

...“. Wenn ich es bis dahin überhaupt schaffe, ohne durch einen Rüffel<br />

seitens meiner Tochter abgewürgt zu werden („Ma Papa!“), seh ich mich<br />

selbst als diesen typischen Erwachsen, dem und nur dem solche Dinge einfallen<br />

können auf so eine Bemerkung.<br />

VON Steve Heitzer<br />

Was ist bei meinem Kind, wenn es<br />

sich langweilt? Und was ist bei<br />

mir, dass mir eine solche Antwort<br />

einfällt. Was können wir beide tun?<br />

Als Erwachsener in der „Rush-hour des<br />

Lebens“ (Kinder, Beruf, Haus und tausend<br />

Verpflichtungen und Bedürfnisse – nicht<br />

zuletzt eigene!) fällt es mir immer wieder<br />

schwer, mir vorzustellen, was Langeweile<br />

ist. Noch schwerer: mich hineinzufühlen<br />

in diese Langeweile, von der meine Tochter<br />

spricht. In der Achtsamkeitspraxis würden<br />

wir uns fragen: Wie fühlt sich das an,<br />

ganz konkret, wo und wie spüre ich das in<br />

meinem Körper? Wenn ich meine pubertierende<br />

Tochter so frage, schießt mich ihr<br />

Gesichtsausdruck endgültig auf den Mond.<br />

Natürlich schwingt auch der Gedanke<br />

mit: Kein Problem, tolle Gelegenheit, euch<br />

„nützlich“ zu machen, wenn ich meinen<br />

Mädels Haushaltsjobs anbiete. Es ist ständig<br />

so viel zu tun, dass ich gar nicht auf die<br />

Idee käme, es wäre mir langweilig. Es gibt<br />

eigentlich keinen Zeitpunkt, wo ich mal gerade<br />

nicht wüsste, was ich tun soll. Schon<br />

eher, was ich zuerst tun soll.<br />

Wir Erwachsene leben nicht selten mit<br />

dem permanenten Gefühl, es läuft uns die<br />

Zeit davon. Im Laufe eines Tages, eines<br />

Monats, eines Semesters, eines Jahres. Ja<br />

selbst im Urlaub erlebe ich manchmal, wie<br />

mir dieses psychologische Konstrukt „Zeit“<br />

im Nacken sitzt, um mich anzutreiben, um<br />

mich unglücklich zu machen, weil mir die<br />

Zeit davon läuft, die Dinge zu tun, die ich<br />

noch tun wollte. Und dabei sind wir vielleicht<br />

bei dem, was sich hier als Erkenntnis<br />

aufdrängt: Vielleicht lädt uns Langeweile<br />

ein, für jetzt aus dem Tun auszusteigen<br />

32<br />

33


Langeweile als Einladung<br />

und einfach zu sein. Wenn „Ich weiß nicht,<br />

was ich tun soll“ wie eine Definition von<br />

Langeweile ist, ist Muße die Einladung,<br />

gerade das Nicht(s)-Tun zu kosten, ja sich<br />

darin zu üben. In einem Vipassana Retreat<br />

vor zwei Jahren hat unsere Leiterin Nicole<br />

Stern Zeiten der Muße eingebaut, und ich<br />

habe das in meine eigenen kontemplativen<br />

Retreats übernommen. Warum? Selbst<br />

die Meditation kann uns zum Tun werden.<br />

Zum (mechanischen) Befolgen einer<br />

Anleitung (etwa, den Atem zu beobachten),<br />

zum Einhalten einer vorgegebenen Tagesstruktur,<br />

bis hin zu einer quasi „sportlichen“<br />

Haltung, möglichst viel, <strong>lange</strong>, oder<br />

„intensiv“ zu meditieren. Selbst das stille<br />

kontemplative Gebet als Meditation in der<br />

christlichen Tradition kann zu einem Tun<br />

werden, ähnlich wie ein mechanisches<br />

Beten von Texten.<br />

Und womöglich ist unser Geist währenddessen<br />

munter dabei, seinem eigenen Trip<br />

zu folgen. Und selbst und gerade wenn wir<br />

„beste Absichten haben“, sind wir beim<br />

Meditieren nicht gefeit davor, es „richtig<br />

machen“ zu wollen – womit wir schon<br />

wieder beim Machen sind. Deswegen halte<br />

ich es für eine wunderbare Übung, Zeiten<br />

einzurichten, wo nicht einmal meditieren<br />

am Programm steht. Uns selbst und das<br />

Nicht(s)-Tun aushalten. Uns nicht ablenken<br />

– weder durch eine Zeitung, das Handy<br />

oder einen Bildschirm, noch dadurch, dass<br />

wir etwas essen, spielen oder selbst meditieren.<br />

Da sein, sich treiben lassen und<br />

beobachten, was passiert: in mir und um<br />

mich herum.<br />

Ein Moment<br />

der Orientierung<br />

Kommen wir zurück zu unserem gelangweilten<br />

Kind. Manchmal kommt bei meiner<br />

jüngeren Tochter diese „Langeweile“ nach<br />

einer intensiven Zeit (viele Stunden oder<br />

sogar Tage) mit ihrer besten Freundin<br />

auf. Dann ist es vielleicht ein Moment der<br />

Neuorientierung: Jetzt war <strong>lange</strong> völlig<br />

klar, was dran war, aber was jetzt? Auch in<br />

unserem Kindergarten gibt es manchmal<br />

Kinder, die mit diesem Gefühl kommen<br />

und es auch sagen: „Mir ist langweilig. Ich<br />

weiß nicht, was ich tun soll.“ Wir nehmen<br />

dieses Gefühl in Kauf und schätzen es hier<br />

auch als wichtige Chance für das Kind, sich<br />

selbst zu orientieren. Dies ist eine wichtige<br />

Aufgabe, da wir mit unserem nicht-direktiven<br />

Ansatz nicht durchgehend Programm<br />

machen, sondern auf eine „vorbereitete<br />

Umgebung“ setzen, in der die Kinder ihren<br />

eigenen Bedürfnissen und Impulsen folgen<br />

können, und denen auch auf die Spur kommen<br />

müssen. So kommt es also vor, dass<br />

Kinder nicht wissen, was sie tun sollen.<br />

Umso mehr, wenn sie es zuhause mit sehr<br />

aktiven und animierenden Erwachsenen<br />

zu tun (!) haben. Was also tun, wenn die<br />

Kinder nicht wissen, was sie tun sollen?<br />

Vielleicht gelingt es uns – zumindest<br />

fürs Erste – dem Impuls zu widerstehen,<br />

mit dem Kind tatsächlich etwas zu tun, zu<br />

spielen, ihm was vorzulesen. Anstatt die<br />

Gelegenheit für eine Lektion, Darbietung,<br />

oder ein wie immer geartetes pädagogisches<br />

Angebot zu nützen (das ist dann fast<br />

wie mein Vorschlag an meine Mädels, sich<br />

im Haushalt nützlich zu machen), könnten<br />

wir es als Einladung nehmen, uns selbst<br />

aus unserem Getriebe herauszunehmen,<br />

den Gang sozusagen in den Leerlauf schalten,<br />

und uns dem Kind zuzuwenden. Wir<br />

müssen auch das Gefühl der Langeweile<br />

nicht (<strong>lange</strong>) thematisieren. Oft genügt es,<br />

sich einzulassen auf eine kurze Begegnung,<br />

ein Zuhören, vielleicht aber auch sich<br />

nur zuzuwenden, (bei einem kleinen oder<br />

auch beim eigenen größeren Kind) es auf<br />

den Schoß zu nehmen, kurz zusammen zu<br />

sitzen, vielleicht sogar in Stille. Wenn wir<br />

selbst Ruhe finden, aus unserem Hamsterrad<br />

aussteigen können und uns kurz<br />

34<br />

35


titelthema<br />

Langeweile als titelthema<br />

Einladung<br />

Ich bin mit zwei unserer Kindergartenkinder<br />

im Bewegungsraum im<br />

Keller. Anna, Michael und ich liegen<br />

auf den Turnmatten am Rücken. Wir<br />

reimen so vor uns hin. Manchmal berühren<br />

wir uns, manchmal balgen wir<br />

kurz, um dann wieder am Rücken zu<br />

landen und nichts zu tun.<br />

nicht treiben lassen von all dem, was noch<br />

zu tun ist, dann wird vielleicht auch das<br />

Kind einen Moment Ruhe finden. Und es<br />

erübrigt sich letztlich die Frage, was man<br />

tun könnte, weil für diesen Augenblick das<br />

schlichte Da-Sein im Vordergrund sein<br />

darf. In einer Zeit und einem Lebensgefühl<br />

der ständigen Beschleunigung entsteht ein<br />

eklatantes Ungleichgewicht zwischen dem<br />

Tun und dem Sein. Wir wissen das alle.<br />

Aber es ist so schwer, Ansatzpunkte zu finden<br />

für ein bisschen mehr Gleichgewicht.<br />

Wenn uns ein Kind mit seiner Langeweile<br />

konfrontiert, könnte das so eine Gelegenheit<br />

sein.<br />

Was also tun, wenn mein<br />

Kind mich fragt:<br />

„Was soll ich tun?“<br />

„Tu nicht einfach<br />

etwas, setz Dich<br />

lieber hin.“<br />

Vermutlich nicht Staubsaugen oder andere<br />

abenteuerliche Hausarbeiten anbieten.<br />

Vielleicht auch kein Spiel oder eines<br />

der üblichen Angebote. Eher das Tun weglassen.<br />

Es ist zu viel Tun in unserer Welt.<br />

In der langweiligen Langeweile steckt das<br />

Abenteuer des schlichten Daseins – nicht<br />

als moralische, erzieherische oder spirituelle<br />

Maßnahme, sondern als heilsame<br />

Leerstelle für uns Erwachsene mit unseren<br />

Kindern.<br />

Der große buddhistische Lehrer Thich<br />

Nhat Hanh sagte einmal: „Viele Leute werden<br />

aktiv, aber wenn ihr Geisteszustand<br />

nicht friedvoll oder glücklich ist, säen ihre<br />

Handlungen nur noch mehr Unruhe und<br />

Ärger und verschlimmern die Situation.<br />

Statt also zu sagen: ‚Sitz nicht einfach<br />

herum, tu lieber etwas‘, sollten wir im Gegenteil<br />

sagen: ‚Tu nicht einfach etwas, setz<br />

Dich lieber hin.“<br />

Ich widerstehe dem Impuls, jetzt irgendetwas<br />

(„Sinnvolles“?) mit ihnen<br />

tun zu müssen, oder nach oben zu<br />

schauen, wo meine Kollegin mit dem<br />

Rest der Gruppe alleine ist. Und ich<br />

bleibe jetzt doch einfach mit ihnen liegen.<br />

Exklusiv mit zwei Kindern, ohne<br />

etwas zu tun.<br />

Paula und Michael kommen oft nicht<br />

gut miteinander aus. Manchmal aber<br />

finden sich die beiden. So wie jetzt, wo<br />

wir miteinander nichts tun. Und doch<br />

zusammen sind, einfach da.<br />

Und ich spüre, dass in dieser „Leerstelle“<br />

Wichtiges geschehen kann. Paula<br />

sagt schließlich, sie möchte heute gern<br />

jemanden zu sich nach Hause einladen.<br />

„Aber wen?“, fragt sie.<br />

Wir liegen immer noch zu dritt auf dem<br />

Rücken und ich frage mich, ob sie ihre<br />

Frage jetzt indirekt an Michael richtet.<br />

Der jedenfalls meint vorsichtig:<br />

„Vielleicht mich?“<br />

Paula weiß nicht recht und sagt, sie<br />

möchte es sich noch überlegen.<br />

Soll ich sie ermutigen? Ich entscheide<br />

mich wieder dafür, nichts zu tun. Und<br />

bin berührt von dieser zarten Begegnung<br />

und Annäherung, aber auch von<br />

der Kompetenz einer Sechsjährigen,<br />

sich das noch einen Moment offen zu<br />

lassen, und der eines Fünfjährigen,<br />

mutig zu fragen und damit gut leben zu<br />

können, dass er noch auf eine Antwort<br />

warten muss. Am Ende vereinbaren sie<br />

tatsächlich, dass Michael mittags mit<br />

zu Paula geht.<br />

Steve Heitzer ist Vater von<br />

drei Kindern, Pädagoge und<br />

Theologe, Essentielle Gestaltarbeit<br />

bei Lienhard Valentin<br />

und Katharina Martin, Original<br />

Play Ausbildung bei Fred Donaldson.<br />

Er arbeitet seit 15 Jahren<br />

im Kindergarten Gräteschenwinkel bei Innsbruck<br />

und hat im letzten Jahr sein erstes Buch herausgebracht:<br />

Kinder sind nichts für Feiglinge, siehe<br />

auch: arbor-verlag.de/buch/kinder-sind-nichts-fürfeiglinge<br />

36<br />

37


io come padre ...<br />

Le cose importanti<br />

dell' essere padre<br />

di Andrea dal PrÁ<br />

Il sostegno<br />

Voglio accompagnare<br />

senza guidare, trasformarmi<br />

in quello che manca come<br />

Barbapapà, ricordare quello<br />

che c è, aiutare a fare da sé.<br />

Voglio esserci per permettere<br />

ai miei figli di sentirsi.<br />

38<br />

L' esempio<br />

Sono esempio ai loro occhi,<br />

anche quando non vorrei.<br />

Sono esempio quando porto<br />

nel mondo i valori in cui mi<br />

riconosco, per il modo in cui<br />

li porto, non per quello in cui<br />

vorrei portarli. Sono esempio<br />

di ciò che può cambiare, delle<br />

trasformazioni possibili, ma<br />

anche di ciò che resta fermo.<br />

Sono esempio di come<br />

si vince e di come si<br />

perde.<br />

La condivisione<br />

Voglio condividere<br />

le mie<br />

passioni, le<br />

mie riflessioni,<br />

quello che mi<br />

fa stare bene.<br />

La mia vitalità.<br />

Ma non voglio<br />

nascondere<br />

ciò che mi<br />

preoccupa.<br />

Alla compassione<br />

preferisco<br />

l‘empatia.<br />

Bello.<br />

Peccato che più che sostenere<br />

spesso giudico.<br />

Che le mie incoerenze<br />

siano esempio della mia<br />

debolezza.<br />

Che talvolta invece di<br />

condividere i miei pensieri<br />

scelgo di restarmene solo coi<br />

miei problemi.<br />

E allora?<br />

Padre imperfetto, resto<br />

in ascolto: il mio strumento<br />

di navigazione, la bussola<br />

interiore alla quale mi affido<br />

nella navigazione sconosciuta<br />

dell essere babbo.<br />

“Yes, and how many times<br />

must a man/ look up/ before<br />

he can see the sky ? “<br />

(B. Dylan)<br />

Andrea Del Prà laureato<br />

in filosofia, è un ideatore e<br />

conduttore di attività indoor e<br />

outdoor per ragazzi e padre di<br />

tre figli. Per saperne di più contatta:<br />

https://donkeyexperience.<br />

wordpress.com<br />

Heute backen wir...<br />

mit den Mehlklassikern von RIEPER. Seit über 100 Jahren<br />

ist Mehl die Leidenschaft der RIEPER Mühle im Pustertal.<br />

39<br />

Überzeugen Sie sich selbst von der hohen Qualität!<br />

A. RIEPER AG - www.rieper.com


expertinnenInterview<br />

Wer rettet das letzte Einhorn?<br />

Rollenspiel bei Kindergartenkindern<br />

Was bedeutet<br />

„Rollenspiel“?<br />

Bei dieser Art von Spiel<br />

schlüpfen Kinder in Rollen<br />

und „tun so als ob“ - sie<br />

reisen in eine fiktive Welt.<br />

Sie werden zu Heldinnen<br />

und Helden, zu Monstern<br />

und Dieben, zu Babys<br />

und Papis. Sie spielen<br />

alleine oder mit anderen.<br />

Manchmal verarbeiten<br />

sie etwas, was sie in der<br />

Familie erlebt haben,<br />

manchmal tauchen sie<br />

in ihre Fantasiewelt ein.<br />

Das Rollenspiel beginnt<br />

mit etwa drei Jahren, die<br />

Sprache ist für das Spiel<br />

sehr wichtig.<br />

Wie ist das bei euch im<br />

Kindergarten?<br />

Wir sind viel draußen, im<br />

Wald und im Garten. Das<br />

Rollenspiel der Kinder<br />

wird dabei intensiver und<br />

noch konzentrierter. Wir<br />

haben kein Spielzeug, die<br />

Kinder erfinden alles<br />

selbst. Ein Stock<br />

mit zwei<br />

Ästen wird<br />

Interview mit Ingrid Sinn<br />

zum Baby, dann wird er<br />

benutzt, um ein Loch zu<br />

bohren und dann wird er<br />

zum Feuerholz in einem<br />

fiktiven Herd. Im Wald<br />

gibt es die Grenzen der<br />

Puppenecke nicht, ich habe<br />

beobachtet, dass viele Kinder<br />

gemeinsam an einem<br />

Rollenspiel teilnehmen.<br />

Verarbeiten Kinder<br />

nicht auch Filme oder<br />

Computerspiele?<br />

Ich habe einmal gelesen,<br />

dass es für eine Stunde<br />

Fernsehen mindestens<br />

zwei Stunden Rollenspiel<br />

braucht.<br />

Wir haben beobachtet, dass<br />

Figuren aus den Computerspielen<br />

oder aus Fernsehsendungen<br />

im Spiel<br />

vorkommen, auch Zeichentrickfiguren<br />

wie Spider<br />

Man oder Einhörner… Fest<br />

steht, dass Rollenspiele<br />

eine sehr gute Möglichkeit<br />

sind, um sich mit Gesehenem<br />

oder Gedachtem<br />

auseinanderzusetzen. Im<br />

Spiel können die Kinder<br />

Situationen erleben, ohne<br />

wirklich gefährdet zu<br />

sein, sie können jederzeit<br />

ins Geschehen eingreifen<br />

und „Regieanweisungen“<br />

geben und mit den anderen<br />

MitspielerInnen verhandeln.<br />

So können sie auch<br />

in schwierige Themen hineingehen:<br />

Entführungen,<br />

Kämpfe, Streit, Abenteuer.<br />

Wir haben im Kindergartenraum<br />

eine Sandkiste,<br />

in der Rollenspiele mit<br />

Plastiktieren und Naturmaterialien<br />

stattfinden.<br />

Ein Kind hat zum Beispiel<br />

den Wolf vor dem Spielen<br />

aussortiert und versteckt.<br />

So hat es die Gefahr von<br />

vorn herein gebannt.<br />

Wozu ist das Rollenspiel<br />

gut? Können sich Kinder<br />

nicht auch in ihrer Fantasie<br />

verlieren?<br />

Kinder lernen im Rollenspiel<br />

unglaublich viel, weil<br />

es so komplex ist. Ein Kind<br />

muss sich während so<br />

eines Spiels positionieren,<br />

für sich selbst einsetzen,<br />

sich in die anderen MitspielerInnen<br />

hineinfühlen.<br />

Meistens verhandeln die<br />

Kinder während des Spiels:<br />

Wer welche Rolle spielt,<br />

was er oder sie dabei tun<br />

soll oder nicht machen<br />

darf, wie das Spiel weitergeht…<br />

Ganz zentral ist<br />

dabei die Sprache, die sich<br />

im Rollenspiel entwickelt<br />

und entfaltet. Die Kinder<br />

lernen in eine Welt hineinzugehen,<br />

ja, sich die<br />

Welt zu erschaffen und<br />

konzentriert zu bleiben.<br />

Ich hatte nie das Problem,<br />

dass ein Kind sich<br />

verliert, irgendwann hat<br />

es von seiner Rolle genug<br />

und kommt von alleine<br />

wieder heraus. Es kann<br />

sein, dass es etwas Geduld<br />

erfordert, wenn das Kind<br />

im Prinzessinnennachthemd<br />

in den Kindergarten<br />

möchte oder die tollen Heldenstiefel<br />

in der Sommerhitze<br />

anbehalten will.<br />

Was können Eltern tun,<br />

um das Rollenspiel zu<br />

fördern?<br />

Diese Art von Spiel braucht<br />

Freiräume: einen Platz,<br />

an dem die Kinder ungestört<br />

spielen und auch mal<br />

etwas bauen können und<br />

vor allem Zeit. Spielzeug<br />

ist nicht nötig, aber die Eltern<br />

können eine Kiste mit<br />

Tüchern zum Verkleiden<br />

und Decken zum Bauen<br />

zur Verfügung stellen. Wir<br />

werden manchmal von<br />

Eltern gefragt, ob sie da<br />

mitspielen müssen und die<br />

Antwort darauf ist: Nein,<br />

ihr müsst nicht, aber wenn<br />

ihr wollt, dürft ihr. Es ist<br />

wichtig, authentisch zu<br />

sein und nicht mitzumachen,<br />

obwohl man keine<br />

Lust hat. Es gibt Spiele, da<br />

fällt den Eltern eine leichte<br />

Rolle zu: Sie<br />

sollen Essen bestellen<br />

oder einkaufen kommen<br />

oder im Zug sitzen. Eltern<br />

können auch aktiv am<br />

Spiel teilnehmen, wichtig<br />

ist nur, dass die Spielleitung<br />

bei den Kindern<br />

bleibt. Für uns Erwachsene<br />

ist es interessant, uns die<br />

Zeit zu nehmen und den<br />

Kindern zuzuschauen,<br />

denn im Spiel zeigen sie<br />

Facetten davon, wie sie die<br />

Welt sehen und wie sie uns<br />

wahrnehmen.<br />

Herzlichen Dank für das<br />

Interview!<br />

Ingrid Sinn<br />

ist Erzieherin,<br />

Montessoripädagogin,<br />

Wildnispädagogin<br />

und Kräuterfrau.<br />

Sie ist Mutter eines<br />

Sohnes und Pädagogische<br />

Leiterin sowie Begleiterin im<br />

Montessori & Natur Kindergarten<br />

in Kohlern<br />

40<br />

41


LangeweiLe aLs wert<br />

Müßiggang<br />

oder<br />

das<br />

aktive<br />

Nichtstun<br />

Niemand wird übersehen, wie genüsslich<br />

überbeanspruchte Leute von ihrer Erschöpfung<br />

reden. Die Leute haben nicht mehr<br />

ihre Arbeit, sondern die Arbeit hat sie, und<br />

je härter und heftiger man schuftet, desto<br />

größer sind oftmals die Genugtuungen. In<br />

gewissen Kreisen wird denn auch über den<br />

Herzinfarkt gesprochen, als handle es sich<br />

um einen Ritterschlag, um die Aufnahmeein<br />

teXt von siegfRied lenZ<br />

30. März 1962<br />

Das hätte ein Grieche zur Zeit des<br />

Platon hören müssen, ein Mann<br />

im antiken Rom oder ein florentinischer<br />

Zeitgenosse der erlesenen Medici:<br />

Man hätte ihnen einmal sagen sollen, dass<br />

unser Leben durch Arbeit geadelt, versüßt<br />

oder sogar geheiligt werde; man hätte ihnen<br />

gegenüber behaupten sollen, dass der<br />

Inbegriff des menschlichen Lebens in der<br />

Leistungssteigerung liege – ich fürchte, all<br />

die kulturbegabten und kulturstolzen Leute<br />

von einst hätte es geschaudert. Sie wären<br />

in Versuchung gekommen, diese Ansicht<br />

für eine krankhafte Besessenheit zu halten,<br />

eine Form undiskutabler Verrücktheit.<br />

Generationen aufgeklärter und produktiver<br />

Müßiggänger hätten durch nichts tiefer<br />

erschreckt werden können als durch die<br />

heute sprichwörtliche Behauptung, nach<br />

der Arbeit unser Leben versüßt. Denn sie<br />

maßen das Niveau einer Kultur unter anderem<br />

auch daran, wie hoch die Muße, das<br />

aktive Nichtstun, eingeschätzt wurde.<br />

Galt es einst als Zeichen von Urbanität,<br />

von Lebensmeisterschaft, wenn man seine<br />

Muße hervorkehren und sie gleichsam<br />

als Gewinn „ausstellen“ konnte, so gilt es<br />

heute als zeitgemäß, wenn man sich auf<br />

seine Arbeitslast beruft, seine Arbeitswut<br />

hervorkehrt.<br />

42<br />

43


gebühr in einen Orden der Rastlosen,<br />

der entschlossen ist, sich der Arbeit<br />

zu opfern. Wir haben wirklich keinen<br />

Grund, über Stachanow zu lächeln;<br />

Stachanow ist bereits in uns, er ist eine<br />

Schlüsselfigur dieser Epoche, sein Name<br />

lässt sich auch amerikanisieren.<br />

Weil die Arbeitswut eine weitgehend<br />

internationale Erscheinung ist und<br />

ohne Rücksicht auf politische Systeme<br />

besteht, darum ist eine Verteidigung des<br />

Müßiggangs heutzutage bereits ein müßiges<br />

Unternehmen: Es ist verschwendet,<br />

es muss wirkungslos bleiben – eine<br />

Feststellung übrigens, die nur von einem<br />

Mann getroffen werden kann, der seinerseits<br />

von der Arbeit besessen ist.<br />

Denn natürlich wird ein leidenschaftlicher<br />

Müßiggänger nicht nach Wirkung<br />

und Zweck fragen, nach kalkuliertem<br />

Nutzen, vielmehr wird er sich gerade<br />

für das erklären, was ihm verschwendet<br />

erscheint, er wird das Müßige als das<br />

einzig Schätzenswerte ansehen. Und das<br />

bezeichnet nun auch die Qualität seines<br />

„Tuns“. Es ist nicht blinde Geschäftigkeit,<br />

die nur die Zeit füllt oder an einem<br />

Zweck gemessen wird, sondern schöpferische<br />

Nichtarbeit, produktives Träumen,<br />

eben: Müßiggang.<br />

Danke!<br />

Grazie!<br />

Wir danken unseren ehrenamtlichen<br />

HelferInnen. Ihre Mitarbeit hilft uns, eine<br />

gute Umgebung für Kinder zu schaffen.<br />

Wir danken unseren SponsorInnen. Mit<br />

ihrem Beitrag können wir verschiedene<br />

Projekte starten, die unsere Kinder und<br />

Jugendlichen unterstützen und fördern.<br />

Spenden für montessori.coop:<br />

Jeder Beitrag kommt den Kindern zugute.<br />

Ihre Spende ist steuerlich absetzbar.<br />

Widmen Sie die 5 Promille der Einkommenssteuer<br />

der Sozialgenossenschaft<br />

montessori.coop: „montessori.coop“,<br />

Steuernummer 02635390210<br />

Bankverbindung: montessori.coop Sozialgenossenschaft,<br />

Kohlern 12, I-39100 Bozen<br />

IBAN: IT 76 B 08255 58162 000304002822<br />

SWIFT/BIC: RZS BIT 21448 bei der<br />

Raiffeisenkasse Überetsch, Filiale Frangart<br />

Siegfried Lenz<br />

war ein deutscher Schriftsteller<br />

der Nachkriegszeit<br />

mit einem scharfen Blick für<br />

gesellschaftliche Zusammenhänge.<br />

Er verfasste Romane<br />

und Kurzgeschichten und mischte<br />

sich auch immer wieder politisch ein.<br />

44<br />

45


Organisatorische<br />

Hinweise<br />

Anmeldungen<br />

Ihre Anmeldung kann online erfolgen:<br />

www.montessori.coop oder über E-Mail:<br />

seminare@montessori.coop<br />

Tel.: +39 349 417 17 30<br />

(Montag bis Freitag von 9.00 – 13.00 Uhr)<br />

Bitte melden Sie sich rechtzeitig zu unseren<br />

Veranstaltungen an! Denken Sie daran, dass<br />

die Veranstaltungen nur mit einer MindestteilnehmerInnenzahl<br />

von 8 Personen durchgeführt<br />

werden können. Der Anmeldeschluss<br />

ist beim jeweiligen Seminar angegeben.<br />

Mitglieder-Ermäßigung<br />

bei Kursen<br />

Die Mitglieder der Genossenschaft montessori.coop<br />

erhalten 50 % Ermäßigung auf alle<br />

Veranstaltungen, die über 10 Euro kosten.<br />

Geschäftsbedingungen<br />

Die Anmeldung ist mit Eingang der Zahlung<br />

gültig. Bitte zahlen Sie die Kursgebühren innerhalb<br />

der jeweiligen Anmeldefrist mit Angabe<br />

des Kurstitels und Ihres Namens auf folgendes<br />

Konto ein:<br />

Sozialgenossenschaft montessori.coop<br />

IBAN: IT 76 B 08255 58162 000304002822<br />

SWIFT/BIC: RZS BIT 21448 Raiffeisenkasse<br />

Überetsch, Filiale Frangart<br />

Bei Rücktritt bis 10 Tage vor dem Seminar<br />

wird eine Stornogebühr von 15 Euro einbehalten.<br />

Bei späterer Absage erhalten Sie den Seminarbetrag<br />

abzüglich Stornogebühr nur dann<br />

zurück, wenn jemand Ihren Platz übernimmt,<br />

beziehungsweise im Falle einer Erkrankung.<br />

Bei Abwesenheit ohne Abmeldung wird der<br />

gesamte Kursbeitrag einbehalten.<br />

Sollte das Seminar aus organisatorischen<br />

Gründen nicht stattfinden (z.B. bei zu wenig<br />

Anmeldungen, Erkrankung der Referentin/<br />

des Referenten), erhalten Sie von uns selbstverständlich<br />

die volle Kursgebühr zurück.<br />

Mit der Anmeldung zu unseren Veranstaltungen<br />

erklären Sie sich mit diesen Geschäftsbedingungen<br />

einverstanden. Für Rückfragen<br />

stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.<br />

Wir eröffnen die Kita der<br />

Sozialgenossenschaft<br />

montessori.coop im neu<br />

erbauten Grieserhof in Bozen!<br />

Wie lassen sich unsere pädagogischen<br />

Grundsätze für die ganz kleinen Kinder<br />

umsetzen? Wie können wir auch Säuglingen<br />

den Rahmen für ganzheitliche Entwicklung,<br />

Selbständigkeit und Einfühlungsvermögen<br />

bieten? Diesen Fragen sind wir in den letzten<br />

Monaten und Jahren intensiv nachgegangen.<br />

Wir haben uns bei Maria Montessori und<br />

Emmi Pikler Anregungen geholt. Wir haben<br />

den neu gebauten Grieserhof mit seiner Parkanlage<br />

entdeckt, und jetzt sind wir so weit:<br />

Unsere Kindertagesstätte eröffnet im Herbst<br />

2017 ihre Tore!<br />

Unser Ziel ist es, die Kleinkinder nicht nur zu<br />

betreuen, wir wollen ihnen einen gut vorbereiteten<br />

Raum geben, in dem sie sich bewegen<br />

und begegnen können. Wir stellen ihnen<br />

gut ausgebildete Pädagoginnen zur<br />

Seite, die sie liebevoll begleiten, ihre<br />

Bedürfnisse bemerken, ihre Wege beobachten<br />

und mit den Kindern<br />

gemeinsam den Tag<br />

gestalten.<br />

erleben und direkte Erfahrungen mit der<br />

Natur machen können. Wir sind überzeugt,<br />

dass der Gebrauch der Sinne eine fruchtbare<br />

Grundlage für das Lernen und Leben ist.<br />

Durch die Begegnungen mit den SeniorInnen<br />

im selben Haus erhält das Projekt einen generationsübergreifenden<br />

Aspekt.<br />

Wir wollen einen Ort schaffen, an dem sich<br />

Kleinkinder sicher und geborgen fühlen. Ein<br />

Ort, der sie darin unterstützt, zu wachsen, zu<br />

forschen und die Welt zu entdecken.<br />

Nähere Infos zu unserer Kleinkindbetreuung<br />

im Grieser Hof erhalten Sie unter:<br />

kita@montessori.coop<br />

datenschutz<br />

Wir weisen darauf hin, dass bei unseren Veranstaltungen Fotos von Einzelpersonen oder Gruppen<br />

angefertigt werden. Diese werden zur Abbildung in Broschüren, im Internet und zur Dokumentation<br />

verwendet. Stimmen Sie einer Veröffentlichung von Fotomaterial zu, so können Sie keinen finanziellen,<br />

urheberrechtlichen oder datenschutzrechtlichen Anspruch geltend machen. Der Sozialgenossenschaft<br />

entsteht aus der Veröffentlichung solcher Lichtbildwerke kein finanzieller Vorteil, sie dienen einzig<br />

dazu, die Gesamtatmosphäre wiederzugeben und zu dokumentieren.<br />

Die personenbezogenen Daten werden zwecks Erfüllung gesetzlicher Pflichten verwaltet. Sie können<br />

jederzeit von den im Artikel 7 des Gesetzesdekretes vom 30. Juni 2003, Nr. 196 festgelegten Rechten<br />

Gebrauch machen. Detaillierte Informationen sind auf unserer Homepage www.montessori.coop zu<br />

finden. Durch die Preisgabe Ihrer persönlichen Daten ermächtigen Sie uns, die Daten zum erwähnten<br />

Zweck zu verarbeiten.<br />

In der Kita wird der<br />

200 m 2 große Garten<br />

und der umliegende<br />

Park<br />

eine zentrale<br />

Rolle spielen,<br />

denn es ist<br />

uns wichtig,<br />

dass sich die<br />

Kinder draußen<br />

aufhalten,<br />

die Jahreszeiten<br />

46<br />

47


AUTONOME PROVINZ BOZEN - SÜDTIROL<br />

Familienagentur<br />

PROVINCIA AUTONOMA DI BOLZANO - ALTO ADIGE<br />

Agenzia per la famiglia<br />

48

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