Eine lange Weile
Eine lange Weile
Eine lange Weile
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Eine</strong><br />
<strong>lange</strong><br />
<strong>Weile</strong><br />
Frühling / PriMavera 2017<br />
Vom Glück<br />
der Langeweile<br />
Materialien<br />
der Muße<br />
Wer rettet das<br />
letzte Einhorn?
montessori.coop stellt sich vor<br />
fakten / Le attività<br />
Die Sozialgenossenschaft monetssori.coop<br />
wurde 2009 gegründet, als Erweiterung des<br />
Vereins „Die Pfütze“, der im Jahr 2000 mit<br />
einem privaten Kindergarten in Terlan startete.<br />
Zur Zeit hat die Genossenschaft 71 Mitglieder.<br />
Sie wird von einem Verwaltungsrat mit dem<br />
Präsidenten Peter Tomasi geführt.<br />
Kontakt: info@montessori.coop<br />
Die Genossenschaft leitet den Montessori &<br />
Natur Kindergarten mit 16 Kindern. Die Kinder<br />
halten sich viel im Wald, im Garten und auf der<br />
Wiese auf.<br />
Kontakt: kindergarten@montessori.coop<br />
In der Montessorischule werden 29 Schülerinnen<br />
und Schüler zwischen 6 und 16 Jahren<br />
begleitet. Zur Schule gehören auch 2 Pferde,<br />
2 Ziegen und 1 Besuchskatze.<br />
Kontakt: schule@montessori.coop<br />
Das Elternbildungsteam besteht aus: Thea<br />
Unteregger (Konzept, Organisation und Texte),<br />
Karin Micheli (Fotos), Cornelia Pichler<br />
(Organisation), Alice Hönigschmid (Graphik)<br />
und Christine Tschager (Sponsoring)<br />
Kontakt: seminare@montessori.coop<br />
Im Sommer bieten wir jedes Jahr den Waldkindergarten,<br />
den Abenteuerwald und die Sommerwochen<br />
für Kinder zwischen 6 und 16 Jahren an.<br />
Kontakt: kinderferien@montessori.coop<br />
La cooperativa sociale monetssori.coop è stata<br />
fondata nel 2009 come derivazione dell‘ associazione<br />
„Die Pfütze/La pozzanghera“ nata allo<br />
scopo di avviare una scuola dell‘ infanzia privata<br />
a Terlano. Attualmente la cooperativa conta<br />
71 soci ed è gestita da un consiglio di amministrazione<br />
con Peter Tomasi come presidente.<br />
Contatto: info@montessori.coop<br />
La cooperativa gestisce una scuola dell‘ infanzia<br />
secondo i principi di Maria Montessori e della<br />
pedagogia della natura, ed è frequentata da<br />
16 bambini e bambine che trascorrono gran<br />
parte del loro tempo nella natura, ossia nel<br />
bosco, nel giardino e nei prati.<br />
Contatto: kindergarten@montessori.coop<br />
La scuola Montessori è frequentata da 29 alunni<br />
e alunne tra i 6 e i 16 anni. Appartengono alla<br />
scuola anche 2 cavalli, 2 capre e una gattina.<br />
Contatto: schule@montessori.coop<br />
Il gruppo per la formazione dei genitori<br />
è costituito da Thea Unteregger (programmazione,<br />
organizzazione e testi), Cornelia Pichler<br />
(organizzazione), Karin Micheli (fotografia),<br />
Alice Hönigschmid (grafica) e Christine<br />
Tschager (sponsorizzazioni).<br />
Contatto: seminare@montessori.coop<br />
Durante l‘ estate vengono organizzate:<br />
l‘ estate nel bosco per bambini in età prescolare,<br />
l‘ avventura osco e le settimane estive presso la<br />
struttura del Colle per bambini e bambine tra<br />
i 6 e i 16 anni.<br />
Contatto: kinderferien@montessori.coop<br />
3
“<br />
Halt an, wo willst du hin?<br />
Der Himmel ist in dir -<br />
Suchst du ihn außerhalb,<br />
du fehlst ihn für und für.<br />
angeLUs siLesiUs
Frühling / primavera 2017<br />
editorial<br />
Inhalt<br />
veranstaltungen<br />
interviews<br />
Liebe Eltern, liebe Interessierte,<br />
13 Was Kinder und Jugendliche<br />
heute brauchen<br />
Vortrag mit Jan Uwe Rogge<br />
25 Materialien der Muße<br />
Seminar mit Thea Unteregger<br />
Titelthema<br />
8 Vom Glück der Langeweile<br />
von Jan Uwe Rogge<br />
16 Schöpferisches Tun<br />
von Verena Kast<br />
24 Materialien der Muße<br />
von Thea Unteregger<br />
32 „Was soll ich tun?“<br />
von Steve Heitzer<br />
42 Müßiggang oder das aktive<br />
Nichtstun.<br />
Ein Text von Siegfried Lenz<br />
IMpressum<br />
14 Was hast du als Kind getan<br />
wenn dir langweilig war?<br />
Kinder interviewen Erwachsene<br />
40 Wer rettet das letzte Einhorn?<br />
Rollenspiel bei Kindergartenkindern<br />
Ein Interview mit Ingrid Sinn<br />
Rubriken<br />
20 Zum Herausnehmen:<br />
Gutscheine<br />
29 Pädagoginnen kurz vorgestellt<br />
Mater Margarete Schörl<br />
30 Ich als Mutter:<br />
Mutter ohne Antwort<br />
31 Zitate und Büchertipps<br />
38 Ich als Vater:<br />
Le cose importanti dell‘<br />
essere padre<br />
46 Organisatorische Hinweise<br />
47 Wir eröffnen die Kita montessori.coop der<br />
im neu erbauten Grieserhof in Bozen!<br />
Sozialgenossenschaft montessori.coop, Kohlern 12, 39100 Bozen<br />
Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes: Peter Tomasi; E-Mail: info@montessori.coop<br />
Homepage: www.montessori.coop; Redaktion: Thea Unteregger; Fotos: Karin Micheli, außer privaten<br />
Autorenfotos und privat S. 14, 15, 28, 29, 31; Illustrationen: Thea Unteregger S. 4, 6, 14, 15, 30, 33, 37,<br />
Alice Hönigschmid S. 20-22; Layout: Alice Hönigschmid; Druck: Kraler Druck, 39040 Vahrn<br />
es ist mir eine große<br />
Freude, Ihnen die neue<br />
Broschüre zur Elternbildung<br />
der Sozialgenossenschaft montessori.coop<br />
vorzustellen!<br />
Seit mehr als einem Jahr<br />
arbeiten wir an diesem<br />
Neustart. Uns ist aufgefallen,<br />
dass es für Eltern zunehmend<br />
schwieriger ist sich für ein<br />
ganzes Wochenende frei zu<br />
nehmen und ein Seminar<br />
zu besuchen. Da oft beide<br />
Elternteile arbeiten, sind die<br />
Wochenenden noch mehr zur<br />
Familienzeit geworden.<br />
Mit der neuen Broschüre<br />
möchten wir Inspiration<br />
und Information direkt und<br />
bequem zu den Eltern nach<br />
Hause bringen.<br />
Unsere Seminartätigkeit wird<br />
sich auf circa zwei Veranstaltungen<br />
pro Halbjahr<br />
beschränken. Dabei wollen<br />
wir weiterhin internationale<br />
und lokale ReferentInnen<br />
einladen, die über unterschiedliche<br />
Aspekte des<br />
Zusammenseins mit Kindern<br />
und Jugendlichen erzählen.<br />
In den letzten Jahren haben<br />
wir erfahren, dass auch kleine<br />
Denkanstöße eine positive<br />
Wirkung im Erziehungsalltag<br />
haben können. In diese Richtung<br />
wollen wir weitergehen.<br />
Für diesen Frühling<br />
haben wir das Thema<br />
Langweile und Muße<br />
ausgewählt.<br />
Meine Erfahrung ist, dass<br />
wir Eltern auf den Satz „Mir<br />
ist aber langweilig!“ mit<br />
Vorschlägen und Aktivität<br />
reagieren und ich fand es<br />
interessant, mich nach alternativen<br />
Herangehensweisen<br />
umzuschauen. Andererseits<br />
könnten wir Eltern gut<br />
ein bisschen Langweile in<br />
unserem verplanten Alltag<br />
gebrauchen, damit wir uns<br />
entspannen und uns die<br />
Muse küssen kann. Auch<br />
hierzu gibt es Anregungen in<br />
dieser Broschüre.<br />
Falls Sie an einem Thema<br />
besonders interessiert sind,<br />
können Sie mir sehr gerne<br />
Ihre Vorschläge und Wünsche<br />
für die nächsten Broschüren<br />
via E-mail mitteilen:<br />
seminare@montessori.coop<br />
<strong>Eine</strong>n Frühling mit<br />
Momenten der Muße<br />
wünscht Ihnen<br />
Thea Unteregger<br />
6<br />
7
Langeweile als Glück<br />
Vom Glück der<br />
Langeweile<br />
In einem afrikanischen Sprichwort<br />
heißt es: “Man schaut dem Gras beim<br />
Wachsen zu. Wer am Halm zieht, damit<br />
es schneller wächst, der zieht ihn<br />
mitsamt seiner Wurzel aus der Erde.<br />
Der Halm welkt, er verdorrt.”<br />
Erziehung stellt sich als Begleitung<br />
der Kinder ins Leben dar, sie ist keine<br />
gezielte Vorbereitung auf das Leben.<br />
VON Jan Uwe Rogge<br />
Erziehung bedeutet, Kindern den<br />
Raum und die Zeit zu geben zu<br />
wachsen. Entschleunigung ist das<br />
Gebot der Stunde – nicht Beschleunigung.<br />
“<strong>Eine</strong> entschleunigte Gesellschaft”, so der<br />
Pädagoge Fritz Reheis in seinem Buch über<br />
“Die Kreativität der Langsamkeit”, “ist eine<br />
Gesellschaft, in der nicht das Haben von<br />
Sachen, sondern das Sein der Menschen<br />
im Mittelpunkt stehen wird. Alles wird sich<br />
um ihr Wohlbefinden, um die Entfaltung<br />
und Erfüllung ihrer Möglichkeiten drehen.<br />
Und das ist der Kern menschlichen Glücks.<br />
Die entschleunigte Gesellschaft wird eine<br />
Gesellschaft der Muße und der Faulheit<br />
sein, verstanden als ‘kluge Lust’.” Ein ganz<br />
und gar anarchistischer Satz, für manche<br />
Eltern eine Herausforderung, die man nicht<br />
aushalten kann – Muße und Faulheit als<br />
“kluge Lust”.<br />
Kinder im Zeitstress<br />
Wer Kinder in den Mittelpunkt seiner<br />
Erziehungshaltung stellt, tritt in Kontakt<br />
zu ihnen, hört ihnen zu, versucht, sich in<br />
sie hineinzuversetzen, weiß nicht alles und<br />
sofort besser, kann in den Kindern auch<br />
einen meist geduldigen Lehrer erblicken.<br />
Ja, die Kinder sind Lehrmeister.<br />
8<br />
9
Langeweile als Glück<br />
wertvolle Spiel, das achtlos in der Ecke<br />
liegt, weil man hier nur das spielen kann,<br />
was vorgeplant und vorbestimmt ist.<br />
Langeweile als Hilferuf<br />
der Kinder<br />
Wenn Kinder ständig formulieren,<br />
ihnen “sei so langweilig”, “einfach nur<br />
noch fad”, dass sie keine eigenen Ideen<br />
entwickeln, kann das in zwei Richtungen<br />
deuten: einerseits eine verdeckte Botschaft<br />
an die Eltern, sich mehr mit ihnen<br />
zu beschäftigen, in ihre Welt, ihre Träume<br />
einzutauchen, “mitzuspinnen”, Logik und<br />
Rationalität beiseitezulassen, sich mit den<br />
Kindern auf einen gemeinsamen Weg zu<br />
machen. Kinder mögen Eltern, die nicht<br />
als Vater und Mutter “vernünftig” daherkommen,<br />
nur den geraden, den richtigen<br />
Weg zu beschreiten, die versteckten Oasen,<br />
die jenseits liegen, unbeachtet lassen.<br />
Umwege, und seien sie noch so verrückt,<br />
erweitern nicht allein die Ortskenntnis,<br />
Umwege dienen zugleich dazu, Persönlichkeitsanteile<br />
– eben die Phantasie – in sich<br />
zu entdecken, die verschüttet sind, die man<br />
beiseitegeschoben hat. Phantasie, so hat es<br />
Unterhält man sich mit Kindern, dann<br />
wird Eltern, wird den Erwachsenen Respekt<br />
und Achtung entgegengebracht. Aber<br />
es werden fraglich auch kritische Töne<br />
laut. Sie fühlten sich ständig beobachtet<br />
und bewertet, so lautet ein Vorwurf. Ein<br />
anderer macht auf den Zeitstress aufmerksam,<br />
dem Kinder in einem durchorganisierten<br />
und verplanten Alltag unterworfen<br />
sind.<br />
Kinder artikulieren das nicht, weil sie<br />
es nicht können oder wollen. Aber Kinder<br />
zeigen durch ihr Handeln, dass ihnen manches<br />
nicht passt. Aus der Perspektive der<br />
Erwachsenen sind solch störende Hinweise<br />
dann “Unarten”, die es zu unterbinden<br />
gilt. Dabei ist es für den Erwachsenen viel<br />
bedeutsamer, die Botschaften hinter den<br />
“Unarten” zu erkennen. Um diesen Begriff<br />
nochmals kurz zu beleuchten: Viele<br />
Eltern wollen das Eigenständige, Mutige,<br />
Neugierige, Unangepasste, aber zu viel<br />
Autonomie, zu viel Mut, gar Übermut,<br />
zu viel forschendes Entdecken, zu viel<br />
“Gegen-den-Strich-Bürsten”, das will man<br />
dann doch nicht. Es existieren “Unarten”,<br />
die Eltern häufig verzweifeln lassen: Da ist<br />
die Zerstreuung, da ist die Langeweile, da<br />
gibt es den Rückzug, das Bedürfnis, nur für<br />
sich zu sein.<br />
Kinder sind eigenständig, sind widerständig.<br />
Sie eignen sich, wie es der Soziologe<br />
Rainer Zoll einmal für die Erwachsenen<br />
formuliert hat, ihre Zeit auf ihre Art und<br />
Weise an. Sie lassen sich nicht so ohne<br />
weiteres beschleunigen. Entschleunigen<br />
ist das Gebot der Stunde. Um das an den<br />
Begriffen der Zerstreuung und Langeweile<br />
zu veranschaulichen.<br />
Langeweile – woher<br />
kommt das eigentlich?<br />
Vor über 200 Jahren galt Langeweile als<br />
wichtig und notwendig. Nun ist sie wichtiger<br />
und notwendiger, aber verkannter und<br />
abgewerteter denn je. Sich aus den Vorgaben<br />
auszuklinken, der organisierten und<br />
vorgeplanten Freizeit die kalte Schulter zu<br />
zeigen, Zeit für eigene Ideen zu entwickeln,<br />
auf dem Bett zu liegen, die Hausaufgaben<br />
genauso zu ignorieren wie das pädagogisch<br />
10<br />
11
Vortrag<br />
veranstaltung<br />
Was Kinder und Jugendliche<br />
heute brauchen<br />
mit Jan Uwe Rogge<br />
der Neurologe Gerald Hüther ausgedrückt,<br />
ist das “Zusammenfügen von Erinnerungsspuren<br />
und Erfahrungen zur Kreation<br />
einer eigenen Gedankenwelt”. Das gilt für<br />
Kinder ebenso wie für Erwachsene.<br />
Doch weist der stereotyp formulierte<br />
Satz, es wäre alles so langweilig, noch auf<br />
einen anderen Sachverhalt hin. Es fällt<br />
auf: Kinder, bei denen alles verplant ist,<br />
oder aber jene, die keine Alltagsstrukturen<br />
erfahren, die nicht wissen, woran sie<br />
sind, die sich alleingelassen fühlen, diesen<br />
Kindern ist es eben auch sehr schnell<br />
langweilig, weil sie keine Bindung, keine<br />
Beziehung haben. Hier stellt Langeweile<br />
einen Hilferuf dar. Langeweile ist eben<br />
nicht Langeweile, es kommt darauf an, in<br />
welchen Bezügen sie erlebt wird.<br />
dem Kind gehört. Deshalb reagiert es so<br />
vehement, so barsch, wenn ihm vorgeworfen<br />
wird, es langweile sich wohl wieder.<br />
Solchen Satz deutet es als Eingriff in seinen<br />
Wunsch nach Autonomie, danach, die<br />
Eigenzeit so zu gestalten, wie man es selber<br />
möchte. Langeweile, das heißt, auf dem<br />
Bett zu liegen, an die Decke zu starren,<br />
das heißt, gedankenverloren im Sessel zu<br />
sitzen, vor sich hin zu träumen, das heißt,<br />
Zeit für eigene Ideen zu haben, diese zu<br />
vertiefen, Zeiten, in denen nichts, aber rein<br />
gar nichts ge- utnd verplant ist. Langeweile<br />
ist eine Quelle der Kraft. Aber wer<br />
zu dieser Quelle will, so heißt es in einem<br />
chinesischen Sprichwort, der muss gegen<br />
den Strom schwimmen.<br />
Freitag 9. Juni 2017<br />
20 Uhr<br />
Referent<br />
Jan Uwe Rogge,<br />
Bestsellerautor und<br />
Erziehungsberater<br />
Zielgruppe<br />
Eltern, pädagogische<br />
Fachkräfte, Interessierte<br />
Ort und Beitrag<br />
Kolpinghaus Bozen<br />
15€<br />
Informationen unter:<br />
seminare@montessori.coop<br />
www.montessori.coop<br />
Fragt man Kinder danach, was sie von ihren Eltern und<br />
Bezugspersonen wollen, so werde vier Wünsche genannt:<br />
- Nehmt uns so an, wie wir sind!<br />
- Vergleicht uns nicht immer!<br />
- Lasst uns Zeit für unsere Entwicklung!<br />
- Beobachtet und bewertet uns nicht immer!<br />
Daraus resultieren drei Grundhaltungen:<br />
- Erziehung ist Beziehung.<br />
- Erziehung ist nicht Vorbereitung auf das Leben,<br />
sondern das Leben selbst.<br />
- Erziehung vollzieht sich in der Spannung von Halten<br />
und Loslassen.<br />
Anhand von vielen Alltagssituationen will der Vortrag auf<br />
eine ebenso informative wie unterhaltsame Weise veranschaulichen,<br />
was Kinder heute brauchen.<br />
Langeweile ist<br />
Zeit für mich<br />
Fühlt ein Kind sich in Beziehungen<br />
aufgehoben, dann ist Langeweile für die<br />
Persönlichkeitsentwicklung ausgesprochen<br />
wichtig. Sie stellt eine Zeit dar, die nur<br />
Jan Uwe Rogge hat<br />
Germanistik, Witschafts- und<br />
Kulturwissenschaften studiert<br />
und ist Bestsellerautor und<br />
Erziehungsberater. Er ist Vater<br />
eines Sohnes. Weitere Artikel<br />
finden Sie zum Beispiel auf seinem<br />
Blog: www.jan-uwe-rogge.de/blog<br />
12<br />
13
KinDer interviewen erwachsene ...<br />
Was hast du als Kind gemacht,<br />
wenn dir langweilig war?<br />
Die interviews Führte ClaRa stUfflesseR (14)<br />
„Immer wenn uns Kindern<br />
im Dorf langweilig<br />
war, sind wir zur Anna<br />
gegangen. Das war eine<br />
Ledige, die hatte selbst<br />
keine Kinder. Die Anna hat<br />
mit uns die verrücktesten<br />
Sachen gemacht. Zum Beispiel<br />
haben wir Gerichtsverhandlung<br />
gespielt und<br />
der Verurteilte wurde mit<br />
Wasser überschüttet.“<br />
eLeonora, 71 Jahre<br />
„In der Schule habe ich<br />
oft angefangen zu lachen,<br />
wahrscheinlich aus Langeweile.<br />
Dann musste ich<br />
hinaus bis ich mich wieder<br />
beruhigt hatte. Das Problem<br />
war, dass ich, sobald<br />
ich die Tür öffnete, sofort<br />
wieder anfing zu lachen.<br />
Auch brachte ich gerne andere<br />
zum Lachen und dazu<br />
Blödsinn zu machen.“<br />
KaMiLa, 44 Jahre<br />
„Mein Vater hatte<br />
immer Papier und Stifte<br />
dabei. Wenn uns langweilig<br />
war oder wir irgendwo<br />
warten mussten, haben<br />
wir gemalt. Ob das einen<br />
Einfluss darauf hatte, dass<br />
ich Graphikerin geworden<br />
bin?“<br />
aLice, 46 Jahre<br />
„Ich erinner mich noch<br />
gut als ich mich mal vor<br />
Langeweile mit meiner<br />
Flöte an die Hausmauer<br />
gesetzt habe und<br />
gehofft habe, dass<br />
mir jemand<br />
Geld in meinen<br />
Hut wirft. Das<br />
hab ich bei<br />
den Musikanten<br />
in<br />
der Fußgängerzone<br />
so<br />
gesehen!“<br />
MoniKa,<br />
42 Jahre<br />
„Meine Eltern sind<br />
eines Tages weggefahrten<br />
und haben mich und<br />
meinen kleinen Bruder<br />
Zuhause gelassen, denn<br />
die Nachbarn waren ja da.<br />
Uns war langweilig, da<br />
haben wir beschlossen ein<br />
Feuer anzuzünden. Es war<br />
ein wunderschöner Tag.<br />
Im Hof vor der Waschküche<br />
haben wir also Zeitungen<br />
und Holz zusammengesucht<br />
und angezündet. In<br />
der Sonne konnten wir die<br />
Flammen nicht sehen und<br />
dachten, es würde nicht<br />
gut brennen, deshalb habe<br />
ich das Feuerzeugbenzin<br />
meines Vaters geholt<br />
und in das Feuer geleert,<br />
damit es besser brennt. Die<br />
Flammen schlugen hoch<br />
und mein Kleid fing Feuer.<br />
Ich erschrak und lief sofort<br />
zum Brunnen, um die<br />
Flammen zu löschen. Ich<br />
habe mir nur die Hand<br />
leicht verbrannt, aber<br />
mein schönes Kleid war<br />
hin!“<br />
eLeonora, 71 Jahre<br />
„Ich habe mich auf<br />
die Schaukel gesetzt und<br />
geschaukelt bis mir Ideen<br />
kamen. Auch habe ich oft<br />
Lego gespielt und ich hatte<br />
ein Spiel mit Karten auf<br />
denen Straßen abgebildet<br />
waren in Rot, Blau und<br />
Schwarz, mit diesen spielte<br />
ich manchmal wenn mir<br />
langweilig war.“<br />
Mathias, 46 Jahre<br />
„Wenn mir fad war, habe<br />
ich mich auf mein Bett<br />
gelegt und Radio gehört.<br />
Radio war für mich sehr<br />
wichtig, einfach Musik<br />
hören.“<br />
anDreas, 51 Jahre<br />
14<br />
15
Langeweile als Quelle<br />
Schöpferische<br />
Kraft<br />
entdecken<br />
VON Verena Kast<br />
Auszug aus dem Buch „Schöpferische Kraft<br />
entdecken. Vom Interesse und vom<br />
Sinn der Langeweile“, Freiburg, 2015<br />
Fragt man Menschen, wann sie sich<br />
das letzte Mal gelangweilt haben,<br />
dann erklären sie meistens, sie würden<br />
sich nie langweilen. Insistiert man auf<br />
der Frage, dann werden etwa Erinnerungen<br />
an Team-Sitzungen wach, in denen sie<br />
nichts verändern konnten und die sie doch<br />
sehr gelangweilt hatten. Die Quintessenz ist<br />
dann: Wenn ich einer Situation aus irgendeinem<br />
Grunde nicht entfliehen kann, sie<br />
aber auch nicht so gestalten kann, dass sie<br />
für mich interessant wird, dann langweile<br />
ich mich. Wirklich nur dann?<br />
Es ist nämlich gar nicht so einfach, das<br />
äußerst unangenehme Gefühl der Langeweile<br />
zuzulassen; wir sind es gewohnt, die<br />
Langweile abzuwehren, ständig muss etwas<br />
„laufen“, damit wir uns bloß nicht langweilen.<br />
Wenn wir uns interessieren, da ruft uns<br />
irgend etwas aus der Welt, da springt uns<br />
etwas an, da kickt uns etwas an, dabei werden<br />
wir lebendig und vital, wir sind dann<br />
zwar auch gezwungen, unseren Interessen<br />
nachzugehen, aber das ist lustvoll, vitalisierend,<br />
und falls mühsam, empfinden wir<br />
es zumindest als sinnvoll.<br />
Langeweile ist uns<br />
unangenehm<br />
... da ruft uns<br />
irgendetwas aus der Welt,<br />
da springt uns etwas an,<br />
da kickt uns etwas an ...<br />
16<br />
17
Langeweile als Quelle<br />
Wenn wir uns langweilen, vermag nichts<br />
aus der Mitwelt in uns etwas hervorzurufen,<br />
nichts spricht uns an, keine Empfindung<br />
wird registriert, Überdruss macht<br />
sich breit, Ekel und eine große Trägheit<br />
verhindern, dass wir uns in Bewegung<br />
setzen. Wir fühlen uns nicht angesprochen<br />
von der Welt und sind deshalb auch nicht<br />
ansprechend. Langweile ist ein Gefühl<br />
der Öde, der Lustlosigkeit, der Leere, des<br />
Überdrusses; der Mensch ist ohne Lebendigkeit,<br />
ohne Antrieb, ohne Motivation zu<br />
handeln. Diese Leere weckt ein Grauen in<br />
uns - die Angst vor Leere, vielleicht sogar<br />
die Angst vor dem Tod - und muss deshalb<br />
abgewehrt werden. Wenn wir uns langweilen,<br />
dann wird uns die Zeit lang, sie scheint<br />
überhaupt nicht zu vergehen - eine <strong>lange</strong><br />
<strong>Weile</strong> erfasst uns, die in sich leer ist und<br />
sich geradezu auf uns selbst zu stürzen<br />
scheint. Kein Wunder, dass wir versuchen<br />
die <strong>lange</strong> <strong>Weile</strong> durch irgendeine Kurzweil<br />
abzuwehren.<br />
Was hinter der<br />
Langeweile verborgen ist<br />
Ist Interesse aber eine fundamentale<br />
Emotion, dann kann es gar nicht so ganz<br />
und gar verschwinden. Weist man einen<br />
sich langweilenden Menschen darauf hin,<br />
dass die Welt doch voller interessanter<br />
Dinge, Menschen, Begebenheiten sei und<br />
das Ärgernis doch eher, dass die Zeit nicht<br />
reicht, um sich für alles auch wirklich zu<br />
interessieren, wird der sich Langweilende<br />
erwidern, es gäbe kein einziges Ding<br />
in der Welt, das interessant wäre. Wo ist<br />
das Interesse hingekommen, was ist aus<br />
den verschiedenen Interessen geworden?<br />
Die Langweile lässt sich hier verstehen<br />
als Abwesenheit von Interesse, aber auch<br />
als Abwesenheit von Neugier und Kreativität.<br />
Insofern ist die Langweile eine sehr<br />
interessante Emotion, sie muss in sich ein<br />
Interesse haben, das es zu enthüllen gilt.<br />
Das gelingt, wenn man die Langweile nicht<br />
abwehrt, sondern sich auf sie konzentriert.<br />
Es gilt auch beim Umgang mit Langweile<br />
das Grundlegende, was in jedem Umgang<br />
mit Gefühlen gilt: Man muss sich auf sich,<br />
auf ein Gefühl einlassen, damit sich etwas<br />
verändert. Lassen wir uns auf die Langweile<br />
ein, haben wir plötzlich Einfälle. es<br />
werden solche darunter sein, die uns nicht<br />
passen und die wir deshalb abwehren, es<br />
werden aber auch solche da sein, die uns<br />
erstaunen und uns wiederum in Kontakt<br />
mit uns und auch mit anderen Gefühlen<br />
bringen. Wir haben dann Einfälle, die<br />
wirklich etwas mit uns zu tun haben. Wenn<br />
die Emotion „Interesse“ zentrale Selbstanteile<br />
weckt, dann heißt das auch, dass wir,<br />
sofern wir in einer Situation, indem wir<br />
uns langweilen, uns auf die Langeweile<br />
konzentrieren und warten, bis uns etwas<br />
einfällt, wieder mit etwas zentral Bedeutsamen<br />
von uns selber in Kontakt kommen<br />
werden.<br />
Verena Kast ist Professorin für<br />
Psychologie an der Universität<br />
Zürich sowie Dozentin am dortigen<br />
C. G. Jung-Institut. Sie ist<br />
Autorin zahlreicher Bücher, in denen<br />
sie unterschiedliche Themen<br />
wie Märchen, Ärger, Familienbeziehungen,<br />
Phantasie… tiefenpsychologisch<br />
beleuchtet.<br />
Mosum ad intessatis vius bonsul viviviv<br />
ilnendem quam Patum<br />
18<br />
19
ZUM heraUsnehMen / Da ritagLiare<br />
Gutscheine<br />
Buoni<br />
gUtschein Für · bUono Per<br />
10 MINUTEN NICHTSTUN<br />
10 MINUTI DI<br />
“DOLCE FAR NIENTE”<br />
Das Nichtstun hat in unserer Welt einen<br />
schlechten Ruf. Deshalb ist es gar nicht so<br />
leicht, sich die Zeit dafür zu nehmen. Diese<br />
Gutscheine sind als Hilfestellung für das<br />
Genießen der Langeweile gedacht - mit einem<br />
kleinen Augenzwinkern. Sie können die Gutscheine<br />
ausschneiden und verschenken oder<br />
sie für sich selbst verwenden, eventuell auch<br />
mehrmals :). Sie sind auch als pdf-Datei auf<br />
unserer Webseite verfügbar: www.montessori.coop.<br />
Die Inspiration für diese Gutscheine kommt<br />
von der kanadischen Künstlerin Keri Smith.<br />
gUtschein Für · bUono Per<br />
15 MINUTEN<br />
HINLEGEN UND<br />
VORSICHHINTRÄUMEN<br />
15 MINUTI DA TRASCORRE-<br />
RE SDRAIATI SOGNANDO AD<br />
OCCHI APERTI<br />
Viel Spaß wünscht<br />
Thea<br />
Il dolce far niente non è molto apprezzato nella<br />
nostra società. Ecco perché ci risulta spesso<br />
difficile prenderci del tempo per oziare.<br />
Questi buoni vogliono essere un impulso e<br />
un aiuto per permetterci senza sensi di colpa<br />
momenti di piacere e ozio. Potete ritagliare<br />
i buoni per regalarli oppure usarli per voi,<br />
eventualmente anche più volte : ). Si possono<br />
scaricare anche in formato PDF dal nostro<br />
sito: www.montessori.coop<br />
gUtschein Für · bUono Per<br />
HEUTE NICHTS SO ZU<br />
MACHEN, WIE DU ES GEPLANT<br />
HATTEST<br />
NON RISPETTARE UNA VOLTA<br />
TANTO IL PROGRAMMA<br />
GIORNALIERO<br />
Divertitevi!<br />
Thea<br />
gUtschein Für · bUono Per<br />
5 MINUTEN<br />
GARNICHTSDENKEN<br />
5 MINUTI DA TRASCOR-<br />
RERE SENZA DOVER<br />
PENSARE<br />
A NULLA<br />
20
gUtschein DaFür · bUono Per<br />
GERADE JETZT<br />
DEINEM EIGNEN RHYTHMUS<br />
ZU FOLGEN<br />
SEGUIRE SUBITO IL<br />
PROPRIO RITMO<br />
gUtschein Für · bUono Per<br />
20 MINUTEN<br />
INNEHALTEN UND SICH VON<br />
DER MUSE KÜSSEN LASSEN<br />
20 MINUTI DA DEDICARE ALLA<br />
RIFLESSIONE E ALL‘OZIO<br />
CREATIVO<br />
yoga für dich!<br />
yogateam<br />
BOZEN // BOLZANO<br />
stundenplan<br />
AB 9. JAN. 2017<br />
MONTAG<br />
18:00 Medium Vinyasa - Shanti Om<br />
19:45 Anfänger Vinyasa - Shanti Om<br />
DIENSTAG<br />
17:45 Medium Jivamukti Vinyasa - Shanti Om<br />
18:30 RückenYoga - Freiraum<br />
19:30 Intensiv Jivamukti Vinyasa - Shanti Om<br />
20:15 Medium Sivananda - Freiraum<br />
MITTWOCH<br />
17:15 Medium Vinyasa - Shanti Om<br />
18:45 SchwangerenYoga - Shanti Om<br />
20:15 Intermedio Hatha Yoga IT - Shanti Om<br />
DONNERSTAG<br />
17:45 Medium Jivamukti Vinyasa - Freiraum<br />
18:30 Anfänger Vinyasa - Shanti Om<br />
19:15 Meditation (30min) - Freiraum<br />
20:00 Principianti Hatha Yoga IT - Shanti Om<br />
FREITAG / SAMSTAG / SONNTAG<br />
verschiedene Workshops<br />
siehe www.yogateam.bz<br />
SHANTI OM Obstmarkt 24/a, BZ<br />
FREIRAUM Claudia-de-Medici-Str. 1a, BZ<br />
ANMELDUNG und INFORMATION<br />
yoga@yogateam.bz, www.yogateam.bz<br />
gUtschein Für · bUono Per<br />
EINE KLEINE PAUSE, AUCH<br />
WENN NOCH VIEL ZU TUN IST<br />
UNA PICCOLA PAUSA, ANCHE<br />
SE SI È SOMMERSI DI LAVORO<br />
gUtschein Für · bUono Per<br />
EINE HALBE STUNDE LEERLAUF<br />
(OHNE AUF SMARTPHONE,<br />
COMPUTER UND FERNSEHER<br />
ZU BLICKEN)<br />
UNA MEZZ‘ORA DI TRAN-<br />
QUILLITÀ ASSOLUTA (SENZA<br />
SMARTPHONE, COMPUTER O<br />
TIVÙ)<br />
23
Langeweile kultivieren<br />
Materialien<br />
der Muße<br />
VON Thea Unteregger<br />
In unserem Leben gibt es viele Bedingungen.<br />
Wenn ich mit dieser Arbeit<br />
fertig bin, dann spiele ich mit dir.<br />
Wenn du die Aufgabe gemacht hast, dann<br />
darfst du in den Hof. Wenn du brav bist,<br />
bekommst du Schokolade. Wenn du so<br />
herumschreist, dann gehe ich. Wenn ich<br />
ein paar Kilo weniger hätte… Wenn ich<br />
erst erfolgreich bin, dann… Es ist eine<br />
Gewohnheit von uns, unser Glück an<br />
Bedingungen zu knüpfen. Wir glauben,<br />
etwas tun zu müssen, um<br />
sein zu dürfen.<br />
Wie wäre es, bedingungslos zu sein? Es<br />
fällt mir schwer, mir das vorzustellen. Da<br />
beschleicht mich sofort die Angst, dass<br />
dann alles liegen bliebe und ich mein Leben<br />
nicht meistern kann. Für den Anfang<br />
reicht es vielleicht, manchmal eine Pause<br />
zu machen, um die Muse wachzuküssen.<br />
Was kann mir und meinen Kindern dabei<br />
helfen aus dem Dschungel der Bedingungen<br />
herauszukommen, um mir und uns<br />
Muße zu erlauben? Wie kann ich meine Gewohnheit<br />
lockern, Lücken im Alltag finden,<br />
in denen Dasein möglich wird?<br />
Als Montessoripädagogin ist meine<br />
Antwort natürlich: mit Hilfe von Material.<br />
Maria Montessori hat „Übungen der Stille“<br />
angeregt und viele Pädagoginnen nach ihr<br />
Mehlbild<br />
Zutaten: ein Tablett und eine Schüssel mit<br />
Polentamehl oder Gries<br />
UND SO ENTSTEHT ES: <strong>Eine</strong> kleine Hand voll<br />
Polentamehl in die Hand nehmen und einen<br />
kleinen Strahl daraus auf das Tablett rieseln<br />
lassen. So entsteht eine Linie oder ein Punkt<br />
oder eine Fläche, die man nach Belieben gestalten<br />
kann. <strong>Eine</strong> Variante wäre, einen kleinen<br />
Haufen Polentamehl auf das Tablett zu schütten<br />
und mit den Fingern zu verstreichen und<br />
zusammenzuschieben, bis ein Muster entsteht.<br />
haben diese Idee weiterentwickelt. Was es<br />
dazu braucht sind Materialien, die unser<br />
ästhetisches Empfinden anregen und unsere<br />
musische Seite ansprechen. Man soll<br />
also mit dem Material schöne Dinge machen<br />
können, die aber keinen bestimmten<br />
Zweck, kein vorbestimmtes Ergebnis haben,<br />
sondern dazu dienen, um zu spielen,<br />
sich zu zentrieren, einfach da zu sein.<br />
Die Materialien, die ich hier beschreibe,<br />
regen uns an, aus dem zweckbestimmten<br />
Tun in ein zweckfreies Tun hineinzukommen,<br />
sich selbst zu spüren und sich dem<br />
„Sein“ zu nähern. Nicht umsonst haben<br />
einige dieser Materialien einen rituellen<br />
Hintergrund.<br />
Die Idee für dieses Material stammt von den<br />
südindischen Kolams, das sind wunderschöne<br />
Ornamente aus Reismehl, das indische Frauen<br />
traditionell am Morgen vor ihrer Haustür auf<br />
den Boden streuen, als Opfergabe an die kleinen<br />
Tiere dieser Erde. Dazu setzen sie zuerst<br />
Reihen aus Punkten auf, an denen sie sich<br />
orientieren.<br />
Beispiele für einfache Kolams:<br />
www.youtube.com/watch?v=caeXD4aia7Y<br />
24<br />
25
Kurz-<br />
Seminar<br />
veranstaltung<br />
Mandala<br />
Zutaten: eine runde Fläche, zum Beispiel aus<br />
Filz und schöne, kleine Teile zum darauflegen<br />
UND SO ENTSTEHT ES: Sammeln Sie schöne Naturmaterialien<br />
wie Latschentschurtschelen (kleine<br />
Zapfen), getrocknete Beeren, Steine, Muscheln,<br />
Bohnen und Kerne oder kaufen Sie hübsche<br />
Glitzersteine und Dekorationen und geben Sie sie<br />
gut sortiert in einen Behälter mit Unterteilungen.<br />
Als Unterlage eignet sich Filz oder ein bemalter<br />
Karton, dessen Oberfläche nicht rutschig ist. Bei<br />
diesem Material ist es besonders wichtig, dass sie<br />
es als schön und wertvoll empfinden.<br />
Legen Sie ein Mandala, ein Ornament für den Tag,<br />
für den Moment, einfach so. Vereinbaren Sie, wie<br />
<strong>lange</strong> das Mandala einer Person liegenbleiben<br />
darf. Wird es gleich einer weggeräumt? Darf es<br />
der/die Nächste wegräumen?<br />
Bienenwachs ist ein<br />
schönes Material,<br />
das Zeit und Wärme<br />
braucht, um verarbeitet<br />
zu werden. Das<br />
lädt uns ein, langsamer<br />
und ruhiger zu<br />
werden.<br />
Mandalas sind in vielen Kulturen dieser Welt, wie<br />
zum Beispiel in Indien, Teil der Religion, sie werden<br />
zur Meditation und zur Zentrierung verwendet. Sie<br />
können aus Linien und Farben, Symbolen, Schriftzeichen<br />
und Figuren bestehen.<br />
Figuren aus Bienenwachs<br />
Zutaten: 1-3 Platten aus Bienenwachs und ein<br />
stabiler Schachteldeckel als „Ausstellungsfläche“<br />
UND SO ENTSTEHT ES: Ein Stück vom Bienenwachs<br />
abreißen und kneten: durch die Wärme der<br />
Hände wird das Wachs geschmeidig und duftet.<br />
<strong>Eine</strong> Form kneten und gestalten und auf die Ausstellungsfläche<br />
stellen.<br />
In der Familie vereinbaren: Dürfen die anderen<br />
ihre Formen einfach dazustellen? Dürfen die<br />
anderen die geformte Figur verändern, wieder einkneten?<br />
Wie <strong>lange</strong> sollen die Formen unverändert<br />
stehengelassen werden?<br />
Materialien der Muße<br />
Kurzseminar<br />
Samstag, 8. April 2017<br />
14.30 - 17.30 Uhr<br />
ReferentIN<br />
Thea Unteregger,<br />
Kunsthistorikerin,<br />
Museumspädagogin<br />
und Montessoripädagogin<br />
Zielgruppe<br />
Eltern, pädagogisches Fachpersonal<br />
für Kindergarten und Grundschule,<br />
Interessierte<br />
Ort und Beitrag<br />
Kolpinghaus Bozen<br />
25€<br />
Informationen und Anmeldung unter:<br />
seminare@montessori.coop<br />
www.montessori.coop<br />
mit Thea Unteregger<br />
Ob Mandala oder Zen-Garten: Jede Kultur hat Hilfen gefunden,<br />
wie man ruhig werden und in die eigene Mitte finden<br />
kann.<br />
An diesem Nachmittag wollen wir neue Materialien und<br />
Möglichkeiten kennenlernen und erfahren wie man mit<br />
einfachen Mitteln Situationen schafft, die Erwachsene und<br />
Kinder in eine stille, schöpferische Stimmung bringen. Viele<br />
dieser Materialien kann man leicht selbst nachbauen und<br />
im Alltag verwenden. Die Materialien regen an, sich mit<br />
Schönheit zu befassen und sich selbst gut zu spüren. Das<br />
Fühlen, Hören, Sehen, Schmecken und Riechen hilft uns,<br />
aus der Anspannung heraus in eine feine Wahrnehmung zu<br />
kommen.<br />
Der Nachmittag ist auch eine Gelegenheit, um eine Zeit der<br />
Muße zu haben, sich mit schönen Dingen zu beschäftigen<br />
und zu entspannen.<br />
Thea Unteregger ist Kunsthistorikerin,<br />
Montessoripädagogin<br />
und Museumspädagogin. Sie ist<br />
freiberuflich in Museen, Schulen<br />
und in der Erwachsenenbildung<br />
tätig und erforscht seit vielen Jahren<br />
die Möglichkeiten der Arbeit mit<br />
Materialien. Sie ist Mutter von drei Kindern.<br />
26<br />
27
PÄDagoginnen KUrZ vorgesteLLt<br />
Selber denken macht gescheit!<br />
Mater Margarete Schörl<br />
Mater Margarete schÖrL<br />
* 1912 in wien<br />
+ 1991 in st. PÖLten<br />
war schwester im orden der<br />
„englische Fräulein“ und Kindergärtnerin.<br />
sie besuchte eine<br />
Montessori-ausbildung und<br />
lernte Mario Montessori auch<br />
persönlich kennen. außerdem<br />
stand sie in Kontakt mit hans<br />
asperger.<br />
ab 1945 leitete sie einen Kindergarten<br />
in Krems. Um den<br />
Kindern das spiel in kleineren<br />
gruppen zu ermöglichen,<br />
richtete sie verschiedene Plätze<br />
in den räumen ein: einen bauplatz,<br />
eine Puppenwohnung,<br />
einen bilderbuchplatz, usw.<br />
sie wehrte sich schon damals<br />
gegen die Didaktisierung und<br />
reizüberflutung der Kinder<br />
und unterstrich die heilsame<br />
wirkung des spieles und die<br />
bedeutung der entscheidungsfreiheit<br />
der Kinder. ihre gedanken<br />
entwickelte sie in enger<br />
Zusammenarbeit mit Margarete<br />
schmaus.<br />
„Spiel ist Aussage, Ausdruck,<br />
Sprache ohne Worte.<br />
Spiel ist Weltbewältigung.<br />
Spiel ist Selbstentdeckung,<br />
Selbsterschließung. Spiel<br />
ist Mitarbeit des Kindes an<br />
seinem menschlichen und<br />
mitmenschlichen Werden.<br />
Spiel ist ein äußerlich<br />
zweckfreies – aber innerliches<br />
Tun, durch das sich<br />
das Kind in adäquater<br />
Weise mit seinen Eindrücken<br />
und Erlebnissen<br />
auseinandersetzt, sie<br />
verarbeitet und damit<br />
bewältigt.“<br />
M. schÖrL<br />
„Jedes pädagogische<br />
System, und sei es noch so<br />
gut, ist eine Erstarrungsform<br />
und gerät damit in<br />
Widerspruch zu sich selbst<br />
und seinem Schöpfer... Die<br />
Pädagogik soll Dienst am<br />
Leben sein. Das Leben aber<br />
fließt, unentwegt verändert<br />
es sich, und damit<br />
ändern sich auch die<br />
pädagogischen Bedürfnisse<br />
und Notwendigkeiten, aber<br />
auch die pädagogischen<br />
Möglichkeiten. Die Festlegung<br />
der Erkenntnisse<br />
großer Erzieher auf in sich<br />
geschlossene Systeme wird<br />
zwar immer wieder erfolgen,<br />
und zwar vor allem<br />
zwecks Abgrenzung gegen<br />
Missverständnisse, aber<br />
eben deshalb muss immer<br />
wieder die Freilegung der<br />
ursprünglichen Werte versucht<br />
werden, denn solche<br />
sind an sich meist zeitlos<br />
gültig.“<br />
M. schÖrL 1956<br />
Mehr DaZU: www.unserekinder.at/images_content/Mater_schoerl_vortrag_von_Manfred_berger.pdf<br />
28<br />
29
ich aLs MUtter ...<br />
tiPPs<br />
Mutter ohne Antwort<br />
Zitate & Büchertipps<br />
von geRlinde halleR<br />
Es ist Samstag Abend.<br />
Wir sind auf dem Heimweg<br />
von einem wunderbaren<br />
Konzert. Es war die CD-<br />
Vorstellung eines Chores,<br />
bei dem zwei Tanten, zwei<br />
Onkels und die Patin mitsingen.<br />
Logisch, dass wir dort<br />
als gesamte Familie vertreten<br />
sind und den Abend unter<br />
Verwandten und Bekannten<br />
genießen. Es ist kurz nach 23<br />
Uhr als wir uns erfüllt und<br />
zufrieden auf den Heimweg<br />
machen. <strong>Eine</strong> Uhrzeit, zu der<br />
die Kinder, zwischen 7 und<br />
12 Jahre alt, müde sind und<br />
nur noch nach Hause ins Bett<br />
wollen. Es sind die Momente,<br />
in denen es gut ist, die<br />
Bedürfnisse der Kinder zu<br />
erfüllen, bevor ich als Mutter<br />
meine eigene Müdigkeit<br />
schlafen lege.<br />
Kurz vor einer Kreuzung<br />
hält uns die Straßenpolizei<br />
auf. Ich schüttle verwundert<br />
den Kopf, bin mir aber<br />
sicher, dass der Beamte uns<br />
weiterfahren lässt, wenn er<br />
die Situation erkennt: ein<br />
Elternpaar mit vier müden<br />
Kindern.<br />
Der Polizist fragt nach<br />
Führerschein, Identitätskarte<br />
und Autobüchlein, auch<br />
mein Partner muss seine<br />
Dokumente abgeben. Es ist<br />
alles in Ordnung. Ich bin<br />
langsam gefahren, habe die<br />
Verkehrsregeln eingehalten,<br />
bin nüchtern, habe einen<br />
gültigen Führerschein und<br />
auch das Auto und das<br />
Autobüchlein sind in<br />
Ordnung.<br />
Wir warten<br />
zwanzig Minuten.<br />
Zwanzig Minuten<br />
voller Fragen:<br />
„Wann fahren<br />
wir weiter?“<br />
„Wie <strong>lange</strong> müssen<br />
wir noch<br />
warten?“ „Mami,<br />
warum warten<br />
wir überhaupt?“ Was machen<br />
die so <strong>lange</strong>?“ „Haben die<br />
nichts anderes zu tun?“ Lauter<br />
Fragen auf die ich keine<br />
Antwort habe. Fragen, die<br />
aus dem Nichts auftauchen,<br />
in einem Moment, der gerade<br />
noch friedlich und freudig<br />
und voll in Ordnung war.<br />
Ich als Mutter bin müde und<br />
fühle mich der Beamtenwillkür<br />
ausgeliefert. Wie schön<br />
wäre Verständnis und ein<br />
wohlwollendes Lächeln mit<br />
„Bringen sie ruhig ihre Kinder<br />
nach Hause“ gewesen!<br />
Am nächsten Morgen<br />
erinnert sich der Jüngste<br />
„gestern Abend war es schön<br />
– nur die Polizei war nicht<br />
schön“. <strong>Eine</strong> Woche lang<br />
zeichnet er mir immer wieder<br />
neu meinen Führerschein<br />
auf ein Blatt Papier.<br />
gerLinDe haLLer ist Sozialwirtin,<br />
Mutter von 4 Kindern und<br />
autorin: Die Regenbogensterne<br />
– ein spirituelles Märchen, siehe<br />
auch www.kinderzentrum.it<br />
definition<br />
MuSSe sUbstantiv [Die]<br />
Freie Zeit, in Der Man in<br />
rUhe seinen interessen<br />
nachgehen Kann. Freie<br />
Zeit UnD [innere] rUhe,<br />
UM etwas ZU tUn, was<br />
Den eigenen interessen<br />
entsPricht<br />
"<strong>Eine</strong>n Tag ungestört<br />
in Muße zu verleben<br />
heißt, einen Tag lang<br />
ein Unsterblicher zu<br />
sein."<br />
internettiPP<br />
aUs china<br />
Ken robinsons<br />
2 Plädoyers für Kreativität:<br />
www.thersa.org/events/<br />
rsaanimate<br />
www.ted.com/talks/ken_<br />
robinson_says_schools_kill_<br />
creativity?language=de<br />
bUchtiPP<br />
herbert renz-Polster<br />
Menschen Kinder<br />
artgerechte erziehung -<br />
was unser nachwuchs<br />
wirklich braucht.<br />
Kösel verlag,<br />
neuauflage 2016<br />
internettiPP<br />
ressourcen für Eltern<br />
Zum thema schlafen, Kommunikation,<br />
grenzen setzen,<br />
usw. stellt der verein „Mit<br />
Kindern wachsen“ kurze texte<br />
und artikel zur verfügung.<br />
www.mit-kindern-wachsen.<br />
de/ressourcen<br />
Es braucht viel Zeit,<br />
ein Genie zu sein,<br />
man muss so viel<br />
herumsitzen und<br />
nichts tun, wirklich<br />
nichts tun.<br />
gertrUDe stein<br />
Muße, nicht Arbeit,<br />
ist das Ziel des<br />
Menschen.<br />
oscar wiLDe<br />
Der flexible Mensch,<br />
den der Turbokapitalismus<br />
braucht, ist<br />
überall, nur nicht bei<br />
sich.<br />
roger De wecK<br />
bUchtiPP<br />
Keri smith<br />
Wie man sich die<br />
Welt erlebt<br />
Das alltagsmuseum zum<br />
Mitnehmen,<br />
verlag<br />
antje Kunstmann<br />
2011<br />
30<br />
31
titelthema<br />
Langeweile als Einladung<br />
„Was soll ich<br />
tun?“….<br />
„Mir ist langweilig! Was soll ich tun?“ Wenn ich das von meiner 10-jährigen<br />
Tochter höre, entfährt mir meist eine Antwort, die interessant ist, sich näher<br />
anzuschauen: „Langweilig? Mir nicht. Ich wüsste, was du tun könntest:<br />
Staubsaugen, den Müll raustragen, Kochen, den Geschirrspüler ausräumen<br />
...“. Wenn ich es bis dahin überhaupt schaffe, ohne durch einen Rüffel<br />
seitens meiner Tochter abgewürgt zu werden („Ma Papa!“), seh ich mich<br />
selbst als diesen typischen Erwachsen, dem und nur dem solche Dinge einfallen<br />
können auf so eine Bemerkung.<br />
VON Steve Heitzer<br />
Was ist bei meinem Kind, wenn es<br />
sich langweilt? Und was ist bei<br />
mir, dass mir eine solche Antwort<br />
einfällt. Was können wir beide tun?<br />
Als Erwachsener in der „Rush-hour des<br />
Lebens“ (Kinder, Beruf, Haus und tausend<br />
Verpflichtungen und Bedürfnisse – nicht<br />
zuletzt eigene!) fällt es mir immer wieder<br />
schwer, mir vorzustellen, was Langeweile<br />
ist. Noch schwerer: mich hineinzufühlen<br />
in diese Langeweile, von der meine Tochter<br />
spricht. In der Achtsamkeitspraxis würden<br />
wir uns fragen: Wie fühlt sich das an,<br />
ganz konkret, wo und wie spüre ich das in<br />
meinem Körper? Wenn ich meine pubertierende<br />
Tochter so frage, schießt mich ihr<br />
Gesichtsausdruck endgültig auf den Mond.<br />
Natürlich schwingt auch der Gedanke<br />
mit: Kein Problem, tolle Gelegenheit, euch<br />
„nützlich“ zu machen, wenn ich meinen<br />
Mädels Haushaltsjobs anbiete. Es ist ständig<br />
so viel zu tun, dass ich gar nicht auf die<br />
Idee käme, es wäre mir langweilig. Es gibt<br />
eigentlich keinen Zeitpunkt, wo ich mal gerade<br />
nicht wüsste, was ich tun soll. Schon<br />
eher, was ich zuerst tun soll.<br />
Wir Erwachsene leben nicht selten mit<br />
dem permanenten Gefühl, es läuft uns die<br />
Zeit davon. Im Laufe eines Tages, eines<br />
Monats, eines Semesters, eines Jahres. Ja<br />
selbst im Urlaub erlebe ich manchmal, wie<br />
mir dieses psychologische Konstrukt „Zeit“<br />
im Nacken sitzt, um mich anzutreiben, um<br />
mich unglücklich zu machen, weil mir die<br />
Zeit davon läuft, die Dinge zu tun, die ich<br />
noch tun wollte. Und dabei sind wir vielleicht<br />
bei dem, was sich hier als Erkenntnis<br />
aufdrängt: Vielleicht lädt uns Langeweile<br />
ein, für jetzt aus dem Tun auszusteigen<br />
32<br />
33
Langeweile als Einladung<br />
und einfach zu sein. Wenn „Ich weiß nicht,<br />
was ich tun soll“ wie eine Definition von<br />
Langeweile ist, ist Muße die Einladung,<br />
gerade das Nicht(s)-Tun zu kosten, ja sich<br />
darin zu üben. In einem Vipassana Retreat<br />
vor zwei Jahren hat unsere Leiterin Nicole<br />
Stern Zeiten der Muße eingebaut, und ich<br />
habe das in meine eigenen kontemplativen<br />
Retreats übernommen. Warum? Selbst<br />
die Meditation kann uns zum Tun werden.<br />
Zum (mechanischen) Befolgen einer<br />
Anleitung (etwa, den Atem zu beobachten),<br />
zum Einhalten einer vorgegebenen Tagesstruktur,<br />
bis hin zu einer quasi „sportlichen“<br />
Haltung, möglichst viel, <strong>lange</strong>, oder<br />
„intensiv“ zu meditieren. Selbst das stille<br />
kontemplative Gebet als Meditation in der<br />
christlichen Tradition kann zu einem Tun<br />
werden, ähnlich wie ein mechanisches<br />
Beten von Texten.<br />
Und womöglich ist unser Geist währenddessen<br />
munter dabei, seinem eigenen Trip<br />
zu folgen. Und selbst und gerade wenn wir<br />
„beste Absichten haben“, sind wir beim<br />
Meditieren nicht gefeit davor, es „richtig<br />
machen“ zu wollen – womit wir schon<br />
wieder beim Machen sind. Deswegen halte<br />
ich es für eine wunderbare Übung, Zeiten<br />
einzurichten, wo nicht einmal meditieren<br />
am Programm steht. Uns selbst und das<br />
Nicht(s)-Tun aushalten. Uns nicht ablenken<br />
– weder durch eine Zeitung, das Handy<br />
oder einen Bildschirm, noch dadurch, dass<br />
wir etwas essen, spielen oder selbst meditieren.<br />
Da sein, sich treiben lassen und<br />
beobachten, was passiert: in mir und um<br />
mich herum.<br />
Ein Moment<br />
der Orientierung<br />
Kommen wir zurück zu unserem gelangweilten<br />
Kind. Manchmal kommt bei meiner<br />
jüngeren Tochter diese „Langeweile“ nach<br />
einer intensiven Zeit (viele Stunden oder<br />
sogar Tage) mit ihrer besten Freundin<br />
auf. Dann ist es vielleicht ein Moment der<br />
Neuorientierung: Jetzt war <strong>lange</strong> völlig<br />
klar, was dran war, aber was jetzt? Auch in<br />
unserem Kindergarten gibt es manchmal<br />
Kinder, die mit diesem Gefühl kommen<br />
und es auch sagen: „Mir ist langweilig. Ich<br />
weiß nicht, was ich tun soll.“ Wir nehmen<br />
dieses Gefühl in Kauf und schätzen es hier<br />
auch als wichtige Chance für das Kind, sich<br />
selbst zu orientieren. Dies ist eine wichtige<br />
Aufgabe, da wir mit unserem nicht-direktiven<br />
Ansatz nicht durchgehend Programm<br />
machen, sondern auf eine „vorbereitete<br />
Umgebung“ setzen, in der die Kinder ihren<br />
eigenen Bedürfnissen und Impulsen folgen<br />
können, und denen auch auf die Spur kommen<br />
müssen. So kommt es also vor, dass<br />
Kinder nicht wissen, was sie tun sollen.<br />
Umso mehr, wenn sie es zuhause mit sehr<br />
aktiven und animierenden Erwachsenen<br />
zu tun (!) haben. Was also tun, wenn die<br />
Kinder nicht wissen, was sie tun sollen?<br />
Vielleicht gelingt es uns – zumindest<br />
fürs Erste – dem Impuls zu widerstehen,<br />
mit dem Kind tatsächlich etwas zu tun, zu<br />
spielen, ihm was vorzulesen. Anstatt die<br />
Gelegenheit für eine Lektion, Darbietung,<br />
oder ein wie immer geartetes pädagogisches<br />
Angebot zu nützen (das ist dann fast<br />
wie mein Vorschlag an meine Mädels, sich<br />
im Haushalt nützlich zu machen), könnten<br />
wir es als Einladung nehmen, uns selbst<br />
aus unserem Getriebe herauszunehmen,<br />
den Gang sozusagen in den Leerlauf schalten,<br />
und uns dem Kind zuzuwenden. Wir<br />
müssen auch das Gefühl der Langeweile<br />
nicht (<strong>lange</strong>) thematisieren. Oft genügt es,<br />
sich einzulassen auf eine kurze Begegnung,<br />
ein Zuhören, vielleicht aber auch sich<br />
nur zuzuwenden, (bei einem kleinen oder<br />
auch beim eigenen größeren Kind) es auf<br />
den Schoß zu nehmen, kurz zusammen zu<br />
sitzen, vielleicht sogar in Stille. Wenn wir<br />
selbst Ruhe finden, aus unserem Hamsterrad<br />
aussteigen können und uns kurz<br />
34<br />
35
titelthema<br />
Langeweile als titelthema<br />
Einladung<br />
Ich bin mit zwei unserer Kindergartenkinder<br />
im Bewegungsraum im<br />
Keller. Anna, Michael und ich liegen<br />
auf den Turnmatten am Rücken. Wir<br />
reimen so vor uns hin. Manchmal berühren<br />
wir uns, manchmal balgen wir<br />
kurz, um dann wieder am Rücken zu<br />
landen und nichts zu tun.<br />
nicht treiben lassen von all dem, was noch<br />
zu tun ist, dann wird vielleicht auch das<br />
Kind einen Moment Ruhe finden. Und es<br />
erübrigt sich letztlich die Frage, was man<br />
tun könnte, weil für diesen Augenblick das<br />
schlichte Da-Sein im Vordergrund sein<br />
darf. In einer Zeit und einem Lebensgefühl<br />
der ständigen Beschleunigung entsteht ein<br />
eklatantes Ungleichgewicht zwischen dem<br />
Tun und dem Sein. Wir wissen das alle.<br />
Aber es ist so schwer, Ansatzpunkte zu finden<br />
für ein bisschen mehr Gleichgewicht.<br />
Wenn uns ein Kind mit seiner Langeweile<br />
konfrontiert, könnte das so eine Gelegenheit<br />
sein.<br />
Was also tun, wenn mein<br />
Kind mich fragt:<br />
„Was soll ich tun?“<br />
„Tu nicht einfach<br />
etwas, setz Dich<br />
lieber hin.“<br />
Vermutlich nicht Staubsaugen oder andere<br />
abenteuerliche Hausarbeiten anbieten.<br />
Vielleicht auch kein Spiel oder eines<br />
der üblichen Angebote. Eher das Tun weglassen.<br />
Es ist zu viel Tun in unserer Welt.<br />
In der langweiligen Langeweile steckt das<br />
Abenteuer des schlichten Daseins – nicht<br />
als moralische, erzieherische oder spirituelle<br />
Maßnahme, sondern als heilsame<br />
Leerstelle für uns Erwachsene mit unseren<br />
Kindern.<br />
Der große buddhistische Lehrer Thich<br />
Nhat Hanh sagte einmal: „Viele Leute werden<br />
aktiv, aber wenn ihr Geisteszustand<br />
nicht friedvoll oder glücklich ist, säen ihre<br />
Handlungen nur noch mehr Unruhe und<br />
Ärger und verschlimmern die Situation.<br />
Statt also zu sagen: ‚Sitz nicht einfach<br />
herum, tu lieber etwas‘, sollten wir im Gegenteil<br />
sagen: ‚Tu nicht einfach etwas, setz<br />
Dich lieber hin.“<br />
Ich widerstehe dem Impuls, jetzt irgendetwas<br />
(„Sinnvolles“?) mit ihnen<br />
tun zu müssen, oder nach oben zu<br />
schauen, wo meine Kollegin mit dem<br />
Rest der Gruppe alleine ist. Und ich<br />
bleibe jetzt doch einfach mit ihnen liegen.<br />
Exklusiv mit zwei Kindern, ohne<br />
etwas zu tun.<br />
Paula und Michael kommen oft nicht<br />
gut miteinander aus. Manchmal aber<br />
finden sich die beiden. So wie jetzt, wo<br />
wir miteinander nichts tun. Und doch<br />
zusammen sind, einfach da.<br />
Und ich spüre, dass in dieser „Leerstelle“<br />
Wichtiges geschehen kann. Paula<br />
sagt schließlich, sie möchte heute gern<br />
jemanden zu sich nach Hause einladen.<br />
„Aber wen?“, fragt sie.<br />
Wir liegen immer noch zu dritt auf dem<br />
Rücken und ich frage mich, ob sie ihre<br />
Frage jetzt indirekt an Michael richtet.<br />
Der jedenfalls meint vorsichtig:<br />
„Vielleicht mich?“<br />
Paula weiß nicht recht und sagt, sie<br />
möchte es sich noch überlegen.<br />
Soll ich sie ermutigen? Ich entscheide<br />
mich wieder dafür, nichts zu tun. Und<br />
bin berührt von dieser zarten Begegnung<br />
und Annäherung, aber auch von<br />
der Kompetenz einer Sechsjährigen,<br />
sich das noch einen Moment offen zu<br />
lassen, und der eines Fünfjährigen,<br />
mutig zu fragen und damit gut leben zu<br />
können, dass er noch auf eine Antwort<br />
warten muss. Am Ende vereinbaren sie<br />
tatsächlich, dass Michael mittags mit<br />
zu Paula geht.<br />
Steve Heitzer ist Vater von<br />
drei Kindern, Pädagoge und<br />
Theologe, Essentielle Gestaltarbeit<br />
bei Lienhard Valentin<br />
und Katharina Martin, Original<br />
Play Ausbildung bei Fred Donaldson.<br />
Er arbeitet seit 15 Jahren<br />
im Kindergarten Gräteschenwinkel bei Innsbruck<br />
und hat im letzten Jahr sein erstes Buch herausgebracht:<br />
Kinder sind nichts für Feiglinge, siehe<br />
auch: arbor-verlag.de/buch/kinder-sind-nichts-fürfeiglinge<br />
36<br />
37
io come padre ...<br />
Le cose importanti<br />
dell' essere padre<br />
di Andrea dal PrÁ<br />
Il sostegno<br />
Voglio accompagnare<br />
senza guidare, trasformarmi<br />
in quello che manca come<br />
Barbapapà, ricordare quello<br />
che c è, aiutare a fare da sé.<br />
Voglio esserci per permettere<br />
ai miei figli di sentirsi.<br />
38<br />
L' esempio<br />
Sono esempio ai loro occhi,<br />
anche quando non vorrei.<br />
Sono esempio quando porto<br />
nel mondo i valori in cui mi<br />
riconosco, per il modo in cui<br />
li porto, non per quello in cui<br />
vorrei portarli. Sono esempio<br />
di ciò che può cambiare, delle<br />
trasformazioni possibili, ma<br />
anche di ciò che resta fermo.<br />
Sono esempio di come<br />
si vince e di come si<br />
perde.<br />
La condivisione<br />
Voglio condividere<br />
le mie<br />
passioni, le<br />
mie riflessioni,<br />
quello che mi<br />
fa stare bene.<br />
La mia vitalità.<br />
Ma non voglio<br />
nascondere<br />
ciò che mi<br />
preoccupa.<br />
Alla compassione<br />
preferisco<br />
l‘empatia.<br />
Bello.<br />
Peccato che più che sostenere<br />
spesso giudico.<br />
Che le mie incoerenze<br />
siano esempio della mia<br />
debolezza.<br />
Che talvolta invece di<br />
condividere i miei pensieri<br />
scelgo di restarmene solo coi<br />
miei problemi.<br />
E allora?<br />
Padre imperfetto, resto<br />
in ascolto: il mio strumento<br />
di navigazione, la bussola<br />
interiore alla quale mi affido<br />
nella navigazione sconosciuta<br />
dell essere babbo.<br />
“Yes, and how many times<br />
must a man/ look up/ before<br />
he can see the sky ? “<br />
(B. Dylan)<br />
Andrea Del Prà laureato<br />
in filosofia, è un ideatore e<br />
conduttore di attività indoor e<br />
outdoor per ragazzi e padre di<br />
tre figli. Per saperne di più contatta:<br />
https://donkeyexperience.<br />
wordpress.com<br />
Heute backen wir...<br />
mit den Mehlklassikern von RIEPER. Seit über 100 Jahren<br />
ist Mehl die Leidenschaft der RIEPER Mühle im Pustertal.<br />
39<br />
Überzeugen Sie sich selbst von der hohen Qualität!<br />
A. RIEPER AG - www.rieper.com
expertinnenInterview<br />
Wer rettet das letzte Einhorn?<br />
Rollenspiel bei Kindergartenkindern<br />
Was bedeutet<br />
„Rollenspiel“?<br />
Bei dieser Art von Spiel<br />
schlüpfen Kinder in Rollen<br />
und „tun so als ob“ - sie<br />
reisen in eine fiktive Welt.<br />
Sie werden zu Heldinnen<br />
und Helden, zu Monstern<br />
und Dieben, zu Babys<br />
und Papis. Sie spielen<br />
alleine oder mit anderen.<br />
Manchmal verarbeiten<br />
sie etwas, was sie in der<br />
Familie erlebt haben,<br />
manchmal tauchen sie<br />
in ihre Fantasiewelt ein.<br />
Das Rollenspiel beginnt<br />
mit etwa drei Jahren, die<br />
Sprache ist für das Spiel<br />
sehr wichtig.<br />
Wie ist das bei euch im<br />
Kindergarten?<br />
Wir sind viel draußen, im<br />
Wald und im Garten. Das<br />
Rollenspiel der Kinder<br />
wird dabei intensiver und<br />
noch konzentrierter. Wir<br />
haben kein Spielzeug, die<br />
Kinder erfinden alles<br />
selbst. Ein Stock<br />
mit zwei<br />
Ästen wird<br />
Interview mit Ingrid Sinn<br />
zum Baby, dann wird er<br />
benutzt, um ein Loch zu<br />
bohren und dann wird er<br />
zum Feuerholz in einem<br />
fiktiven Herd. Im Wald<br />
gibt es die Grenzen der<br />
Puppenecke nicht, ich habe<br />
beobachtet, dass viele Kinder<br />
gemeinsam an einem<br />
Rollenspiel teilnehmen.<br />
Verarbeiten Kinder<br />
nicht auch Filme oder<br />
Computerspiele?<br />
Ich habe einmal gelesen,<br />
dass es für eine Stunde<br />
Fernsehen mindestens<br />
zwei Stunden Rollenspiel<br />
braucht.<br />
Wir haben beobachtet, dass<br />
Figuren aus den Computerspielen<br />
oder aus Fernsehsendungen<br />
im Spiel<br />
vorkommen, auch Zeichentrickfiguren<br />
wie Spider<br />
Man oder Einhörner… Fest<br />
steht, dass Rollenspiele<br />
eine sehr gute Möglichkeit<br />
sind, um sich mit Gesehenem<br />
oder Gedachtem<br />
auseinanderzusetzen. Im<br />
Spiel können die Kinder<br />
Situationen erleben, ohne<br />
wirklich gefährdet zu<br />
sein, sie können jederzeit<br />
ins Geschehen eingreifen<br />
und „Regieanweisungen“<br />
geben und mit den anderen<br />
MitspielerInnen verhandeln.<br />
So können sie auch<br />
in schwierige Themen hineingehen:<br />
Entführungen,<br />
Kämpfe, Streit, Abenteuer.<br />
Wir haben im Kindergartenraum<br />
eine Sandkiste,<br />
in der Rollenspiele mit<br />
Plastiktieren und Naturmaterialien<br />
stattfinden.<br />
Ein Kind hat zum Beispiel<br />
den Wolf vor dem Spielen<br />
aussortiert und versteckt.<br />
So hat es die Gefahr von<br />
vorn herein gebannt.<br />
Wozu ist das Rollenspiel<br />
gut? Können sich Kinder<br />
nicht auch in ihrer Fantasie<br />
verlieren?<br />
Kinder lernen im Rollenspiel<br />
unglaublich viel, weil<br />
es so komplex ist. Ein Kind<br />
muss sich während so<br />
eines Spiels positionieren,<br />
für sich selbst einsetzen,<br />
sich in die anderen MitspielerInnen<br />
hineinfühlen.<br />
Meistens verhandeln die<br />
Kinder während des Spiels:<br />
Wer welche Rolle spielt,<br />
was er oder sie dabei tun<br />
soll oder nicht machen<br />
darf, wie das Spiel weitergeht…<br />
Ganz zentral ist<br />
dabei die Sprache, die sich<br />
im Rollenspiel entwickelt<br />
und entfaltet. Die Kinder<br />
lernen in eine Welt hineinzugehen,<br />
ja, sich die<br />
Welt zu erschaffen und<br />
konzentriert zu bleiben.<br />
Ich hatte nie das Problem,<br />
dass ein Kind sich<br />
verliert, irgendwann hat<br />
es von seiner Rolle genug<br />
und kommt von alleine<br />
wieder heraus. Es kann<br />
sein, dass es etwas Geduld<br />
erfordert, wenn das Kind<br />
im Prinzessinnennachthemd<br />
in den Kindergarten<br />
möchte oder die tollen Heldenstiefel<br />
in der Sommerhitze<br />
anbehalten will.<br />
Was können Eltern tun,<br />
um das Rollenspiel zu<br />
fördern?<br />
Diese Art von Spiel braucht<br />
Freiräume: einen Platz,<br />
an dem die Kinder ungestört<br />
spielen und auch mal<br />
etwas bauen können und<br />
vor allem Zeit. Spielzeug<br />
ist nicht nötig, aber die Eltern<br />
können eine Kiste mit<br />
Tüchern zum Verkleiden<br />
und Decken zum Bauen<br />
zur Verfügung stellen. Wir<br />
werden manchmal von<br />
Eltern gefragt, ob sie da<br />
mitspielen müssen und die<br />
Antwort darauf ist: Nein,<br />
ihr müsst nicht, aber wenn<br />
ihr wollt, dürft ihr. Es ist<br />
wichtig, authentisch zu<br />
sein und nicht mitzumachen,<br />
obwohl man keine<br />
Lust hat. Es gibt Spiele, da<br />
fällt den Eltern eine leichte<br />
Rolle zu: Sie<br />
sollen Essen bestellen<br />
oder einkaufen kommen<br />
oder im Zug sitzen. Eltern<br />
können auch aktiv am<br />
Spiel teilnehmen, wichtig<br />
ist nur, dass die Spielleitung<br />
bei den Kindern<br />
bleibt. Für uns Erwachsene<br />
ist es interessant, uns die<br />
Zeit zu nehmen und den<br />
Kindern zuzuschauen,<br />
denn im Spiel zeigen sie<br />
Facetten davon, wie sie die<br />
Welt sehen und wie sie uns<br />
wahrnehmen.<br />
Herzlichen Dank für das<br />
Interview!<br />
Ingrid Sinn<br />
ist Erzieherin,<br />
Montessoripädagogin,<br />
Wildnispädagogin<br />
und Kräuterfrau.<br />
Sie ist Mutter eines<br />
Sohnes und Pädagogische<br />
Leiterin sowie Begleiterin im<br />
Montessori & Natur Kindergarten<br />
in Kohlern<br />
40<br />
41
LangeweiLe aLs wert<br />
Müßiggang<br />
oder<br />
das<br />
aktive<br />
Nichtstun<br />
Niemand wird übersehen, wie genüsslich<br />
überbeanspruchte Leute von ihrer Erschöpfung<br />
reden. Die Leute haben nicht mehr<br />
ihre Arbeit, sondern die Arbeit hat sie, und<br />
je härter und heftiger man schuftet, desto<br />
größer sind oftmals die Genugtuungen. In<br />
gewissen Kreisen wird denn auch über den<br />
Herzinfarkt gesprochen, als handle es sich<br />
um einen Ritterschlag, um die Aufnahmeein<br />
teXt von siegfRied lenZ<br />
30. März 1962<br />
Das hätte ein Grieche zur Zeit des<br />
Platon hören müssen, ein Mann<br />
im antiken Rom oder ein florentinischer<br />
Zeitgenosse der erlesenen Medici:<br />
Man hätte ihnen einmal sagen sollen, dass<br />
unser Leben durch Arbeit geadelt, versüßt<br />
oder sogar geheiligt werde; man hätte ihnen<br />
gegenüber behaupten sollen, dass der<br />
Inbegriff des menschlichen Lebens in der<br />
Leistungssteigerung liege – ich fürchte, all<br />
die kulturbegabten und kulturstolzen Leute<br />
von einst hätte es geschaudert. Sie wären<br />
in Versuchung gekommen, diese Ansicht<br />
für eine krankhafte Besessenheit zu halten,<br />
eine Form undiskutabler Verrücktheit.<br />
Generationen aufgeklärter und produktiver<br />
Müßiggänger hätten durch nichts tiefer<br />
erschreckt werden können als durch die<br />
heute sprichwörtliche Behauptung, nach<br />
der Arbeit unser Leben versüßt. Denn sie<br />
maßen das Niveau einer Kultur unter anderem<br />
auch daran, wie hoch die Muße, das<br />
aktive Nichtstun, eingeschätzt wurde.<br />
Galt es einst als Zeichen von Urbanität,<br />
von Lebensmeisterschaft, wenn man seine<br />
Muße hervorkehren und sie gleichsam<br />
als Gewinn „ausstellen“ konnte, so gilt es<br />
heute als zeitgemäß, wenn man sich auf<br />
seine Arbeitslast beruft, seine Arbeitswut<br />
hervorkehrt.<br />
42<br />
43
gebühr in einen Orden der Rastlosen,<br />
der entschlossen ist, sich der Arbeit<br />
zu opfern. Wir haben wirklich keinen<br />
Grund, über Stachanow zu lächeln;<br />
Stachanow ist bereits in uns, er ist eine<br />
Schlüsselfigur dieser Epoche, sein Name<br />
lässt sich auch amerikanisieren.<br />
Weil die Arbeitswut eine weitgehend<br />
internationale Erscheinung ist und<br />
ohne Rücksicht auf politische Systeme<br />
besteht, darum ist eine Verteidigung des<br />
Müßiggangs heutzutage bereits ein müßiges<br />
Unternehmen: Es ist verschwendet,<br />
es muss wirkungslos bleiben – eine<br />
Feststellung übrigens, die nur von einem<br />
Mann getroffen werden kann, der seinerseits<br />
von der Arbeit besessen ist.<br />
Denn natürlich wird ein leidenschaftlicher<br />
Müßiggänger nicht nach Wirkung<br />
und Zweck fragen, nach kalkuliertem<br />
Nutzen, vielmehr wird er sich gerade<br />
für das erklären, was ihm verschwendet<br />
erscheint, er wird das Müßige als das<br />
einzig Schätzenswerte ansehen. Und das<br />
bezeichnet nun auch die Qualität seines<br />
„Tuns“. Es ist nicht blinde Geschäftigkeit,<br />
die nur die Zeit füllt oder an einem<br />
Zweck gemessen wird, sondern schöpferische<br />
Nichtarbeit, produktives Träumen,<br />
eben: Müßiggang.<br />
Danke!<br />
Grazie!<br />
Wir danken unseren ehrenamtlichen<br />
HelferInnen. Ihre Mitarbeit hilft uns, eine<br />
gute Umgebung für Kinder zu schaffen.<br />
Wir danken unseren SponsorInnen. Mit<br />
ihrem Beitrag können wir verschiedene<br />
Projekte starten, die unsere Kinder und<br />
Jugendlichen unterstützen und fördern.<br />
Spenden für montessori.coop:<br />
Jeder Beitrag kommt den Kindern zugute.<br />
Ihre Spende ist steuerlich absetzbar.<br />
Widmen Sie die 5 Promille der Einkommenssteuer<br />
der Sozialgenossenschaft<br />
montessori.coop: „montessori.coop“,<br />
Steuernummer 02635390210<br />
Bankverbindung: montessori.coop Sozialgenossenschaft,<br />
Kohlern 12, I-39100 Bozen<br />
IBAN: IT 76 B 08255 58162 000304002822<br />
SWIFT/BIC: RZS BIT 21448 bei der<br />
Raiffeisenkasse Überetsch, Filiale Frangart<br />
Siegfried Lenz<br />
war ein deutscher Schriftsteller<br />
der Nachkriegszeit<br />
mit einem scharfen Blick für<br />
gesellschaftliche Zusammenhänge.<br />
Er verfasste Romane<br />
und Kurzgeschichten und mischte<br />
sich auch immer wieder politisch ein.<br />
44<br />
45
Organisatorische<br />
Hinweise<br />
Anmeldungen<br />
Ihre Anmeldung kann online erfolgen:<br />
www.montessori.coop oder über E-Mail:<br />
seminare@montessori.coop<br />
Tel.: +39 349 417 17 30<br />
(Montag bis Freitag von 9.00 – 13.00 Uhr)<br />
Bitte melden Sie sich rechtzeitig zu unseren<br />
Veranstaltungen an! Denken Sie daran, dass<br />
die Veranstaltungen nur mit einer MindestteilnehmerInnenzahl<br />
von 8 Personen durchgeführt<br />
werden können. Der Anmeldeschluss<br />
ist beim jeweiligen Seminar angegeben.<br />
Mitglieder-Ermäßigung<br />
bei Kursen<br />
Die Mitglieder der Genossenschaft montessori.coop<br />
erhalten 50 % Ermäßigung auf alle<br />
Veranstaltungen, die über 10 Euro kosten.<br />
Geschäftsbedingungen<br />
Die Anmeldung ist mit Eingang der Zahlung<br />
gültig. Bitte zahlen Sie die Kursgebühren innerhalb<br />
der jeweiligen Anmeldefrist mit Angabe<br />
des Kurstitels und Ihres Namens auf folgendes<br />
Konto ein:<br />
Sozialgenossenschaft montessori.coop<br />
IBAN: IT 76 B 08255 58162 000304002822<br />
SWIFT/BIC: RZS BIT 21448 Raiffeisenkasse<br />
Überetsch, Filiale Frangart<br />
Bei Rücktritt bis 10 Tage vor dem Seminar<br />
wird eine Stornogebühr von 15 Euro einbehalten.<br />
Bei späterer Absage erhalten Sie den Seminarbetrag<br />
abzüglich Stornogebühr nur dann<br />
zurück, wenn jemand Ihren Platz übernimmt,<br />
beziehungsweise im Falle einer Erkrankung.<br />
Bei Abwesenheit ohne Abmeldung wird der<br />
gesamte Kursbeitrag einbehalten.<br />
Sollte das Seminar aus organisatorischen<br />
Gründen nicht stattfinden (z.B. bei zu wenig<br />
Anmeldungen, Erkrankung der Referentin/<br />
des Referenten), erhalten Sie von uns selbstverständlich<br />
die volle Kursgebühr zurück.<br />
Mit der Anmeldung zu unseren Veranstaltungen<br />
erklären Sie sich mit diesen Geschäftsbedingungen<br />
einverstanden. Für Rückfragen<br />
stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.<br />
Wir eröffnen die Kita der<br />
Sozialgenossenschaft<br />
montessori.coop im neu<br />
erbauten Grieserhof in Bozen!<br />
Wie lassen sich unsere pädagogischen<br />
Grundsätze für die ganz kleinen Kinder<br />
umsetzen? Wie können wir auch Säuglingen<br />
den Rahmen für ganzheitliche Entwicklung,<br />
Selbständigkeit und Einfühlungsvermögen<br />
bieten? Diesen Fragen sind wir in den letzten<br />
Monaten und Jahren intensiv nachgegangen.<br />
Wir haben uns bei Maria Montessori und<br />
Emmi Pikler Anregungen geholt. Wir haben<br />
den neu gebauten Grieserhof mit seiner Parkanlage<br />
entdeckt, und jetzt sind wir so weit:<br />
Unsere Kindertagesstätte eröffnet im Herbst<br />
2017 ihre Tore!<br />
Unser Ziel ist es, die Kleinkinder nicht nur zu<br />
betreuen, wir wollen ihnen einen gut vorbereiteten<br />
Raum geben, in dem sie sich bewegen<br />
und begegnen können. Wir stellen ihnen<br />
gut ausgebildete Pädagoginnen zur<br />
Seite, die sie liebevoll begleiten, ihre<br />
Bedürfnisse bemerken, ihre Wege beobachten<br />
und mit den Kindern<br />
gemeinsam den Tag<br />
gestalten.<br />
erleben und direkte Erfahrungen mit der<br />
Natur machen können. Wir sind überzeugt,<br />
dass der Gebrauch der Sinne eine fruchtbare<br />
Grundlage für das Lernen und Leben ist.<br />
Durch die Begegnungen mit den SeniorInnen<br />
im selben Haus erhält das Projekt einen generationsübergreifenden<br />
Aspekt.<br />
Wir wollen einen Ort schaffen, an dem sich<br />
Kleinkinder sicher und geborgen fühlen. Ein<br />
Ort, der sie darin unterstützt, zu wachsen, zu<br />
forschen und die Welt zu entdecken.<br />
Nähere Infos zu unserer Kleinkindbetreuung<br />
im Grieser Hof erhalten Sie unter:<br />
kita@montessori.coop<br />
datenschutz<br />
Wir weisen darauf hin, dass bei unseren Veranstaltungen Fotos von Einzelpersonen oder Gruppen<br />
angefertigt werden. Diese werden zur Abbildung in Broschüren, im Internet und zur Dokumentation<br />
verwendet. Stimmen Sie einer Veröffentlichung von Fotomaterial zu, so können Sie keinen finanziellen,<br />
urheberrechtlichen oder datenschutzrechtlichen Anspruch geltend machen. Der Sozialgenossenschaft<br />
entsteht aus der Veröffentlichung solcher Lichtbildwerke kein finanzieller Vorteil, sie dienen einzig<br />
dazu, die Gesamtatmosphäre wiederzugeben und zu dokumentieren.<br />
Die personenbezogenen Daten werden zwecks Erfüllung gesetzlicher Pflichten verwaltet. Sie können<br />
jederzeit von den im Artikel 7 des Gesetzesdekretes vom 30. Juni 2003, Nr. 196 festgelegten Rechten<br />
Gebrauch machen. Detaillierte Informationen sind auf unserer Homepage www.montessori.coop zu<br />
finden. Durch die Preisgabe Ihrer persönlichen Daten ermächtigen Sie uns, die Daten zum erwähnten<br />
Zweck zu verarbeiten.<br />
In der Kita wird der<br />
200 m 2 große Garten<br />
und der umliegende<br />
Park<br />
eine zentrale<br />
Rolle spielen,<br />
denn es ist<br />
uns wichtig,<br />
dass sich die<br />
Kinder draußen<br />
aufhalten,<br />
die Jahreszeiten<br />
46<br />
47
AUTONOME PROVINZ BOZEN - SÜDTIROL<br />
Familienagentur<br />
PROVINCIA AUTONOMA DI BOLZANO - ALTO ADIGE<br />
Agenzia per la famiglia<br />
48