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Der Fürst. Der Dieb. Die Daten. - blog.börsennews.de

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<strong>Der</strong> <strong>Fürst</strong>.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Daten</strong>.<br />

<strong>Der</strong> <strong><strong>Die</strong>b</strong>.<br />

T A T S A C H E N B E R I C H T<br />

von HEINRICH KIEBER<br />

1


INHALT Seite<br />

Vorwort 4<br />

Urheberrechte / Hinweis / Erklärung / Abkürzungen 6<br />

Kapitel:<br />

K1 1997 – ANNUS HORRIBILIS MAXIMUS 9<br />

K2 Zimmer unter <strong>de</strong>n Alten 97<br />

K3 <strong>Die</strong> Jagd nach <strong>de</strong>n Verbrechern und <strong>de</strong>r Kampf ums Geld 101<br />

K4 Ein Kübel voll Schweineblut 124<br />

K5 <strong>Die</strong> Welt <strong>de</strong>s schmutzigen Gel<strong>de</strong>s 133<br />

K6 Heiligsprechung unter Vollnarkose 152<br />

K7 Dicke Post für Hans-Adam 167<br />

K8 Wenn Herr KIEBER eine Reise tut 196<br />

K9 Chaos-Tage ohne En<strong>de</strong> 252<br />

K10 Heinrich! Mir graut's vor Dir! 274<br />

K11 <strong>Die</strong> Polizei – Dein Freund & Helfer ! 284<br />

K12 Holländischer Käse 296<br />

K13 Ein Essen für Sechs Euros 318<br />

K14 Weisswein und Rotes Blut 323<br />

K15 Heinrich's Tod in Utrecht 335<br />

K16 Vier mal 9 mm 370<br />

K17 Explosives Gutachten und Freies Geleit 384<br />

K18 Ach wie gut das niemand weiss.... 388<br />

K19 Dickes Kissen und dünne Aktenmappe 398<br />

K20 Hochheilige Audienz bei Hans-Adam 408<br />

K21 Blutspur auf <strong>de</strong>m Rheindamm 425<br />

K22 Es muss sich was än<strong>de</strong>rn, damit... 452<br />

K23 Überraschung! Überraschung! 479<br />

2


K24 Führt die To<strong>de</strong>sstrafe wie<strong>de</strong>r ein 501<br />

K25 <strong>Der</strong> Feind hört mit 505<br />

K26 Gna<strong>de</strong> im Son<strong>de</strong>rangebot 524<br />

K27 Blaue Flecken und Herzinfarktsymptome 543<br />

K28 Listen, Listen - wer hat noch keine? 553<br />

K29 Zürcher Geschnetzeltes 571<br />

K30 Afrikanische Hitze 592<br />

K31 D A V I D 601<br />

K32 My BIG Brother is watching YOU! 613<br />

K33 Skandal! Skandal! Wirklich, <strong>de</strong>r Skandal? 620<br />

K34 Handbuch! Handbuch! Wer will noch eins? 623<br />

K35 Gib mir Deine Kohle! 630<br />

K36 Letzter Akt! Vorhang auf für ..... 636<br />

EPILOG 647<br />

INTERNETLISTE 650<br />

3


Vorwort<br />

Geschätzte Leserin,<br />

Geschätzter Leser<br />

Was haben wir in <strong>de</strong>n vergangenen Monaten nicht alles über <strong>de</strong>n<br />

„grössten Steuerskandal Deutschlands - die Liechtenstein-Affäre - die<br />

grösste Sensation 2008‚ weltweit lesen können. Je<strong>de</strong> und je<strong>de</strong>r hatte<br />

dazu etwas zu sagen. <strong>Die</strong> Steuerfahndung, <strong>de</strong>r BND, Finanzminister<br />

Peer Steinbrück, Kanzlerin Angela Merkel, Parteien von rechts bis links,<br />

diverse sonstige Behör<strong>de</strong>n, die Medien, ja selbst ein Bischof und<br />

natürlich <strong>Fürst</strong> Hans-Adam und sein Clan, plus seine Regierung in<br />

Liechtenstein und die LGT Banken- und Treuhandgruppe.<br />

Pünktlich zum Karneval 2008 brach eine weltweite Fasnachts-<br />

Schnitzeljagd nach tausen<strong>de</strong>n Steuersün<strong>de</strong>rn aus. Völlig zu Recht, wie<br />

auch die soli<strong>de</strong> Mehrheit meint.<br />

Zu einer an<strong>de</strong>ren Hetze, ganz nach seinem Geschmack hat Hans-Adam<br />

schnell geblasen: die auf <strong>de</strong>n <strong><strong>Die</strong>b</strong>, <strong>de</strong>n Bankdaten-Terroristen, wie die<br />

hohen Finanz-Herren aus Vaduz ihn nun nannten.<br />

<strong>Der</strong> <strong><strong>Die</strong>b</strong>, ja <strong>de</strong>r war ich.<br />

<strong>Der</strong> kleine Tropfen Öl, na ja, vielleicht waren es doch ein paar Gallonen,<br />

die ich in das nur scheinbar lupenreine Trinkwasser <strong>de</strong>s<br />

<strong>Fürst</strong>enhaushaltes sowie <strong>de</strong>r Liechtensteiner Regierung geworfen hatte,<br />

hat unglaubliche Wellen geschlagen. Für viele Menschen ist es schon<br />

erstaunlich, ja gera<strong>de</strong>zu faszinierend beobachten zu können, mit welcher<br />

multimedialer Kraftanstrengung Hans-Adam und seine Marionetten-<br />

Regierung gera<strong>de</strong>zu paranoid und krankhaft ständig damit beschäftigt<br />

sind, die Weltöffentlichkeit und insbeson<strong>de</strong>re auch das eigene Volk zu<br />

täuschen, bzw. einer fortdauern<strong>de</strong>n Gehirnwäsche zu unterziehen. Beim<br />

Volk <strong>de</strong>n Hasspegel auf mich ja extrem hoch zu halten. Damit <strong>de</strong>r Fokus<br />

immer schön auf <strong>de</strong>n ‚bösen, bösen‚ Kieber bleibt. Und niemand<br />

wirklich einmal richtig <strong>de</strong>r Sache auf <strong>de</strong>n Grund geht und in Frage stellt.<br />

ERSTENS über die Art und Weise wie die Hohen-Finanz-Herren in<br />

Liechtenstein ihre oft schmutzigen Bank/Treuhand-Geschäfte tätigen,<br />

bzw. ausgeführt hatten.<br />

4


Und ZWEITENS über die Wahren Grün<strong>de</strong> seitens <strong>de</strong>s <strong>Daten</strong>diebs und<br />

die Wahren (illegalen und durchaus kriminellen) Handlungen von<br />

Hans-Adam und seiner Regierung in <strong>de</strong>r ganzen Angelegenheit<br />

‚<strong>de</strong>r <strong>Fürst</strong>- <strong>de</strong>r Kieber-die <strong>Daten</strong>‚ .<br />

Zu <strong>de</strong>m was in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Medien berichtet wur<strong>de</strong>, kann ich nur<br />

in ganz, ganz wenigen Fällen meine Zustimmung geben. Über vieles<br />

habe ich bloss <strong>de</strong>n Kopf schütteln können. Oft musste ich auch<br />

schmunzeln, <strong>de</strong>nn ganz ohne Humor lässt sich dieses eher traurige<br />

Multi-Akt-Drama nicht durchstehen. Ein paar Seiten in einer Zeitung<br />

o<strong>de</strong>r ein TV-Interview reichen einfach nicht aus, um die wahren<br />

Hintergrün<strong>de</strong>, die zu dieser einmaligen Sensation führten, aufzuzeigen.<br />

Knallharte Hintergrün<strong>de</strong>, <strong>de</strong>ren Veröffentlichung Hans-Adam und seine<br />

Vasallen unbedingt verhin<strong>de</strong>rn wollen.<br />

In diesem Buch, meinem Buch, gebe ich euch einen sehr tiefen und<br />

<strong>de</strong>taillierten Einblick in die Umstän<strong>de</strong>, wie es geschehen konnte, dass<br />

das was 1997 mit meiner Folter tief im südamerikanischen Kontinent<br />

begonnen hatte, elf Jahre später mit <strong>de</strong>r öffentlichen Zündung <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen <strong>Daten</strong>bombe en<strong>de</strong>te. Wie es soweit kommen konnte, dass z.B.<br />

Leute wie Klaus Zumwinkel live im Frühstücksfernsehen abgeführt<br />

wur<strong>de</strong>n. Es ist eine bewegen<strong>de</strong> Geschichte, bitter für alle Seiten,<br />

obendrein oft peinlich. Ich kann enthüllen wie Hans-Adam seine<br />

heiligste aller heiligen Kühe, die LGT Gruppe, krampfhaft schützte und<br />

seinen mittelalterlichen Herrschaftsanspruch verteidigte. Wie er sein<br />

Geld, seine Macht und Position als Staatsoberhaupt missbrauchte, um<br />

mit Hilfe <strong>de</strong>r Marionetten-Regierung in Vaduz die Veröffentlichung <strong>de</strong>r<br />

<strong>Daten</strong> zu verhin<strong>de</strong>rn und sie alle nicht davor zurückschreckten, dafür<br />

Metho<strong>de</strong>n anzuwen<strong>de</strong>n, die meilenweit entfernt von Gut und Böse<br />

waren. Natürlich kriege auch ich mein Fett im Buch ab. Ehrenwerte<br />

Personen gibt es in dieser Geschichte wenige.<br />

Ich bin zuversichtlich, dass je<strong>de</strong>r von euch am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Buchs ein<br />

eigenes, komplettes Bild über diesen Skandal machen kann.<br />

Nun <strong>de</strong>nn, ich wünsche euch reichlich Lesevergnügen.<br />

Vielen Dank Heinrich Kieber<br />

Washington, D.C. Valentinstag, 15.Februar 2009<br />

PS Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Buches fin<strong>de</strong>t ihr eine Liste mit interessanten Internetwebseiten.<br />

5


Urheberrechte/ Hinweis / Erklärung / Abkürzungen<br />

Urheberrechte<br />

© Heinrich Kieber 2009<br />

Alle möglichen Rechte (Copyright) zu diesem Buch und <strong>de</strong>n Fotos /<br />

Zeichnungen liegen ausschliesslich bei Heinrich KIEBER. Das Buch<br />

darf nur für <strong>de</strong>n PRIVATEN Gebrauch verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

Ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung vom Rechteinhaber<br />

darf für KOMMERZIELLE Zwecke aus diesem Buch nichts kopiert,<br />

weitergegeben, veröffentlicht, zitiert o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rweitig verwen<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Hinweis<br />

Für dieses Buch habe ich so oft wie möglich Originaltexte verwen<strong>de</strong>t.<br />

Alle Originaltexte haben als Unterscheidung zur restlichen Nie<strong>de</strong>rschrift<br />

links und rechts einen b r e i t e r e n Seitenrand, sind<br />

also als Textblock beidseitig nach innen verschoben.<br />

Kurze Originalzitate haben jeweils am Anfang das Zeichen OZA- und<br />

am En<strong>de</strong> das Zeichen -OZE.<br />

Bei <strong>de</strong>m in Buch genannten BANKDIREKTOR han<strong>de</strong>lt es sich um Herrn<br />

Dr. Pius Schlachter <strong>de</strong>r LGT Bank.<br />

Bei <strong>de</strong>m in Buch genannten PROFESSOR han<strong>de</strong>lt es sich um <strong>de</strong>n<br />

Kriminalpsychologen Herrn Dr. Thomas MUELLER.<br />

Als unterstützen<strong>de</strong> Hilfe für meine LeserInnen fin<strong>de</strong>t ihr oft kurze<br />

Anmerkungen. <strong>Die</strong>se sind kursiv geschrieben und fangen immer mit<br />

„ Anm.: “ an.<br />

An wenigen Stellen musste ich – von Dritten angeordnet - aus<br />

rechtlichen Grün<strong>de</strong>n und in einigen Fällen aus Sicherheitsüberlegungen<br />

6


diverse Originalnamen und/o<strong>de</strong>r Originalindizien abkürzen o<strong>de</strong>r ganz<br />

umbenennen.<br />

Auch musste ich Textstellen ganz o<strong>de</strong>r teilweise weglassen, was dann<br />

mit <strong>de</strong>m Zeichen ‚OT Entfernt‚ gekennzeichnet ist. Alle erwähnten<br />

Plätze, Städte, Län<strong>de</strong>r, Sach<strong>de</strong>tails und Zeitangaben entsprechen <strong>de</strong>n<br />

wahren Örtlichkeiten o<strong>de</strong>r Gegebenheiten.<br />

In meiner nächsten, kommen<strong>de</strong>n Veröfftenlichung wer<strong>de</strong> ich eine<br />

unzensierte Version frei vorlegen können.<br />

Erklärung zu Zeichnungen, Fotos und <strong>de</strong>m Diagramm<br />

<strong>Die</strong> drei Bleistiftzeichnung im Buch sind Originalabdrucke von<br />

Handzeichnungen, die ich im September 1997 für das Landgericht<br />

Vaduz habe anfertigen lassen. Alle Fotos in diesem Buch (Ausnahme<br />

Titelseite) sind Originalabzüge von <strong>de</strong>n Fotos die ich im Dezember 1997<br />

(Kette und ich) o<strong>de</strong>r Februar 1998 (Turmnachbau) für das Gericht habe<br />

herstellen lassen. <strong>Die</strong> abgebil<strong>de</strong>te Person auf <strong>de</strong>n Fotos bin ich selber.<br />

Alle Fotos wur<strong>de</strong>n von meinem Vater Alfons erstellt. Wie tief die<br />

Wun<strong>de</strong>n (zwei run<strong>de</strong> Verbrennungspunkte und horizontale<br />

Schürfwun<strong>de</strong>) waren, kann man auf einigen Fotos noch sehr gut sehen,<br />

obwohl die Wun<strong>de</strong>n damals schon neun Monate alt waren und auch<br />

medizinisch behan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>n. Das Drei-Seiten-Diagramm wur<strong>de</strong> an<br />

Ostern 1998 von mir für das Gericht angefertigt. <strong>Der</strong> Originaltitel:<br />

"Psychogramm vom Opfer - Grafik über <strong>de</strong>n Psychoterror und die<br />

seelische Grausamkeit während <strong>de</strong>r Gefangenschaft".<br />

Abkürzungen (in alphabetischer Reihenfolge)<br />

AVOR = Arbeitsvorbereitung (fürs Scannen von<br />

Treuhanddokumente)<br />

BAK = Belegartenkatalog (In<strong>de</strong>x zu je<strong>de</strong>m Treuhanddokument)<br />

DB = Drittbegünstigter (einer Stiftung)<br />

DL / LF = Durchlaucht / Lan<strong>de</strong>sfürst Hans-Adam<br />

7


EB = Erstbegünstigter (z.B. einer Stiftung)<br />

FL = <strong>Fürst</strong>entum Liechtenstein<br />

IT = EDV / IT Abteilung<br />

KKZ = Kriegskommandozentrale (in Vaduz)<br />

KYC = (Englisch) Know Your Customer („Kenne Deine Kun<strong>de</strong>n‚-<br />

Profile)<br />

LG = Landgericht Vaduz<br />

LR = Landrichter<br />

LTV = LGT Treuhand Vaduz (alte firmeninterne Abkürzung)<br />

NGO’s = Nicht-Regierungs-Organisationen<br />

OG = Obergericht Vaduz<br />

OGH = Oberster Gerichtshof Vaduz<br />

OT = Originaltext<br />

OT Entfernt = Weggelassene Textstellen (siehe unter Hinweis)<br />

OZA- = Start Original-Kurzzitat<br />

-OZE = En<strong>de</strong> Original-Kurzzitat<br />

RA = Rechtsanwalt / Rechtsanwälte<br />

SR = Stiftungsrat (einer Liechtensteiner Stiftung)<br />

STA = Staatsanwaltschaft / Staatsanwalt / Staatsanwältin<br />

StGB = Strafprozessgesetzbuch<br />

StPO = Strafprozessordnung<br />

UR = Untersuchungsrichter o<strong>de</strong>r- richterin<br />

VR = Verwaltungsrat (bei Liechtensteiner Anstalten, AG’s)<br />

WB = Wirtschaftlicher Berechtigter (z.B. einer Stiftung)<br />

ZB = Zweitbegünstigter (z.B. einer Stiftung)<br />

8


Kapitel 1 1997 - ANNUS HORRIBILIS MAXIMUS<br />

SWISSAIR Flug Nr. SR 143, von Buenos Aires nach Zürich, 30 Minuten<br />

seit Take-Off, C-Class, 1. Reihe rechts, Fensterplatz. Ein Mann sitzt<br />

zittern, schwitzend und mit sehr ängstlichen Augen unruhig auf <strong>de</strong>m<br />

ihm gera<strong>de</strong> neu zugewiesenen Platz. Nicht nur ist sein Verhalten<br />

äusserst verdächtig (Gott sei Dank waren dies noch die "Vor 9/11"-<br />

Zeiten, sonst hätte er es gar nicht bis in das Flugzeug geschafft), nein, er<br />

hat auch noch seltsame, blutbesu<strong>de</strong>lte, weisslich-gelbe Stofffetzen um<br />

seinen Hals und die bei<strong>de</strong>n Handgelenke gewickelt. Seit <strong>de</strong>m Abflug hat<br />

er nicht aufgehört zu weinen. Sonst eher eine Plau<strong>de</strong>rtante, konnte er<br />

praktisch fast nicht mehr sprechen. Es reichte aber aus, <strong>de</strong>m netten<br />

Steward in <strong>de</strong>r Economyklasse, <strong>de</strong>r sich Sorgen um ihn machte, zu<br />

erzählen, dass er vor Jahren selber 5 Jahre lang mal bei <strong>de</strong>r SWISSAIR<br />

gearbeitet hatte und damit ein Flugzeug, diese Flugzeug irgendwie<br />

Heimat für ihn be<strong>de</strong>utete. Damit er sich besser, vor allem in Ruhe<br />

erholen konnte offerierte <strong>de</strong>r Steward ihm einen Sitz in <strong>de</strong>r praktisch<br />

leeren Businessklasse bis zum Zwischenstopp in San Paulo. Klar<br />

erkennbar war es, dass <strong>de</strong>r Passagier Furchtbares durchgemacht haben<br />

musste. <strong>Die</strong>ser Passagier war ich.<br />

Je weiter ich weg von Argentinien war, <strong>de</strong>sto besser ging es mir und<br />

<strong>de</strong>sto weniger glaubte ich, dass mir noch mehr Leid & Terror zugefügt<br />

wer<strong>de</strong>n konnte. Ich war sehr abgekämpft, leiblich und vor allem<br />

psychisch. Wie in Trance erlebte ich die Ankunft am Mittwoch, <strong>de</strong>n 9.<br />

April 1997 morgens früh um 06.15 Uhr in einer sauberen, heilen Welt<br />

namens Airport Zürich. Auch <strong>de</strong>r Gang durch die Passkontrolle, die<br />

Gepäckausgabe und <strong>de</strong>r Zoll. Ich versuchte einige Leute telefonisch zu<br />

erreichen, um sie eindringlich zu bitten, mich am Flughafen abzuholen.<br />

Doch waren sie entwe<strong>de</strong>r schon bei <strong>de</strong>r Arbeit o<strong>de</strong>r einfach nicht<br />

erreichbar. Mit <strong>de</strong>m Zug fuhr ich dann via <strong>de</strong>m Zürcher Hauptbahnhof<br />

nach Sargans im Schweizer Rheintal und von dort mit <strong>de</strong>m Linienbus<br />

zur Haltestelle <strong>de</strong>s Spital Vaduz, wo ich um 09.10 Uhr eintraf. Mit samt<br />

meinem Koffer und <strong>de</strong>n Taschen schleppte ich mich ins Spital. <strong>Der</strong><br />

untersuchen<strong>de</strong> Arzt Dr. M. Moser verfasste folgen<strong>de</strong>n Bericht:<br />

Datum: 10.04.1997 / Zeit 09.20 Uhr<br />

Diagnose / Behandlung<br />

Kieber Heinrich / 30.03.1965 / Meldina 312 / FL-9493 Mauren<br />

9


Angaben <strong>de</strong>s Patienten: <strong>Der</strong> Pat. ist heute Morgen am Flughafen<br />

Kloten/ZH aus Argentinien angekommen. Laut Bericht hat er<br />

dort einen Freund besucht, <strong>de</strong>n er in Spanien kennen gelernt hat.<br />

<strong>Der</strong> Freund habe ihm noch Geld geschul<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>shalb wollt er dies<br />

in Argentinien eintreiben. Dort angekommen sei er jedoch<br />

eingesperrt und am rechten Bein angekettet wor<strong>de</strong>n. In<br />

To<strong>de</strong>sangst habe er mehrmals versucht, sich das Leben zu<br />

nehmen (siehe Bericht). Gegen Bezahlung eines Lösegel<strong>de</strong>s sei er<br />

schliesslich freigelassen wor<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Wundversorgung sei durch<br />

einen Laien auf <strong>de</strong>r Hazienda <strong>de</strong>s Freun<strong>de</strong>s vorgenommen<br />

wor<strong>de</strong>n. Beschreibung <strong>de</strong>r Verletzungen:<br />

1. Im Bereich <strong>de</strong>s rechten Handgelenkes, volarseitig, in <strong>de</strong>r<br />

mittleren Handgelenklinie, eine ca. 5 cm lange Wun<strong>de</strong>. <strong>Die</strong><br />

Wun<strong>de</strong> verheilt, es liegen drei Nähte in sito. <strong>Die</strong> Wun<strong>de</strong> ist zum<br />

Teil mit weisslichem Wundpu<strong>de</strong>r verklebt. Im Bereich <strong>de</strong>r Finger<br />

keinerlei Sensibilitätsstörungen o<strong>de</strong>r motorische Ausfälle.<br />

2. Im Bereich <strong>de</strong>s linken Handgelenks, volarseitig, im Bereich <strong>de</strong>r<br />

mittleren Handgelenkslinie, eine ca. 5 cm lange Wun<strong>de</strong>. <strong>Die</strong><br />

Wun<strong>de</strong> ist leicht entzün<strong>de</strong>t, mit gelblichem Sekret be<strong>de</strong>ckt, drei<br />

in sito liegen<strong>de</strong> Wundnähte, die aus Zahnsei<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r<br />

irgen<strong>de</strong>inem, bei uns nicht verwen<strong>de</strong>ten Material bestehen. <strong>Die</strong><br />

Sensibilität im Bereich <strong>de</strong>r Langfinger unauffällig. <strong>Der</strong> Daumen<br />

und <strong>de</strong>r Daumenball jedoch <strong>de</strong>utlich mit herabgesetzter<br />

Sensibilität. Hier ist die Zweipunktdiskriminierung nicht<br />

möglich. <strong>Die</strong> Motorik <strong>de</strong>r Langfinger ist ebenfalls nicht<br />

beeinträchtigt. <strong>Der</strong> Daumen kann operiert wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Kraft <strong>de</strong>r<br />

Oppositionsbewegung ist jedoch herabgesetzt (schmerzbedingt?).<br />

Das Spreizen <strong>de</strong>r Finger ist unauffällig. <strong>Die</strong> Sensibilität im<br />

Bereich <strong>de</strong>s Handrückens und <strong>de</strong>r Handinnenfläche ist<br />

unauffällig.<br />

3. Unterhalb <strong>de</strong>r Fossa interjugularis fin<strong>de</strong>t sich eine 7 cm lange<br />

Wun<strong>de</strong>, rechts lateral davon eine oberflächliche ca. 3 cm lange<br />

Wun<strong>de</strong>. <strong>Die</strong> Wun<strong>de</strong>n sind mit weisslichem Pu<strong>de</strong>r verklebt, es<br />

liegen einige Nähte in sito. <strong>Der</strong> Patient gibt an, bei seiner<br />

Verletzung sei die Wun<strong>de</strong> so tief gewesen, dass aus <strong>de</strong>r Luftröhre<br />

Luft nach aussen entweichen konnte. <strong>Der</strong>zeit ist jedoch<br />

diesbezüglich keinerlei (Atmungs-) Beeinträchtigung<br />

festzustellen.<br />

10


4. An <strong>de</strong>r linken Halsseite, am Vor<strong>de</strong>rrand <strong>de</strong>s Musculus<br />

<strong>de</strong>rnoclaidum mastoi<strong>de</strong>us im mittleren Drittel, eine ca. 3 cm<br />

klaffen<strong>de</strong> Wun<strong>de</strong>. <strong>Die</strong> Wun<strong>de</strong> ist ebenfalls mit weisslichem Pu<strong>de</strong>r<br />

verklebt, eine Naht am Wundrand noch in <strong>de</strong>r Haut vorhan<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> Wun<strong>de</strong> befin<strong>de</strong>t sich direkt oberhalb <strong>de</strong>r Carotis!!<br />

5. Im Bereich <strong>de</strong>s rechten Unterschenkels lateral, dorsalseitig, drei<br />

etwa ein Zentimeter im Durchmesser messen<strong>de</strong> Krusten.<br />

Ansonsten hier nichts zu sehen. Neurostatius: <strong>Der</strong> Patient ist<br />

grob neurologisch unauffällig. Er ist klar zu sich, seiner Person,<br />

zeitlich und örtlich orientiert. Keine Hinweise auf eine Psychose.<br />

<strong>Der</strong> Patient ist doch sehr agitiert, was auf <strong>de</strong>n Schlafmangel und<br />

die Erlebnisse <strong>de</strong>r vergangenen Tage zurückzuführen ist.<br />

Diagnose: Schnittwun<strong>de</strong> im Bereich bei<strong>de</strong>r Handgelenke<br />

volarseitig, unterhalb <strong>de</strong>r Incisura interjuguleris, sowie im<br />

Bereich <strong>de</strong>r linken Halsseite. Behandlung: Entfernen <strong>de</strong>r<br />

Wundnähte, reinigen aller Wun<strong>de</strong>n, Beta-isotoner-Verbän<strong>de</strong>. <strong>Der</strong><br />

Pat. ist Tetanusgeschützt. Eine Wundkontrolle ist am Samstag,<br />

<strong>de</strong>n 12.04.1997, vorgesehen.<br />

Mit freundlichen Grüssen Dr. M. Moser , Assistenzarzt / rb<br />

(Anhang: 4 Fotos <strong>de</strong>r Verletzungen)<br />

Nach <strong>de</strong>r Arztuntersuchung, wobei auch Fotos von allen Verletzungen<br />

gemacht wur<strong>de</strong>n, kamen die zwei Liechtensteiner Kriminalbeamten Hr.<br />

Büchel und Hr. Kindle zu mir ins Spital. Ich schil<strong>de</strong>rte ihnen aufgeregt<br />

die Erlebnisse <strong>de</strong>r letzten zwei Wochen. Je mehr ich ins Detail ging,<br />

umso so grösser wur<strong>de</strong>n ihre Augen, ebenso wie ihr Entsetzen. Wir<br />

vereinbarten, dass ich am nächsten Tag zu ihnen (Kripo) kommen soll,<br />

um eine umfassen<strong>de</strong> Anzeige auf Tonband zu machen. In einem<br />

Gästezimmer von Freun<strong>de</strong>n in Vaduz konnte ich <strong>de</strong>n bitter nötigen<br />

Schlaf – mit Hilfe von kleinen, ärztlich verordneten Pillen – für fast 24<br />

Stun<strong>de</strong>n lang nachholen.<br />

WAS IN ALLER WELT IST IN ARGENTINIEN PASSIERT?<br />

Am nächsten Morgen wur<strong>de</strong> ich von <strong>de</strong>n Kripobeamten im<br />

Polizeigebäu<strong>de</strong> empfangen und in ein Sitzungszimmer gesetzt. Dort<br />

wur<strong>de</strong> ich mit ausreichend leeren Tonbandkassetten versorgt und man<br />

bat mich meine Anzeige auf Band zu sprechen.<br />

11


Beginn Originaltext (OT) meiner Anzeige:<br />

Anm.: Ich bitte die Leser zu Berücksichtigen, dass ich zum Zeitpunkt meiner<br />

Aussage/Anzeige noch sehr stark unter <strong>de</strong>m Schock <strong>de</strong>s gera<strong>de</strong> erlebten stand<br />

und meine gesprochenen Worte eins zu eins in die Nie<strong>de</strong>rschrift übernommen<br />

wur<strong>de</strong>n. Daher die oftmals sehr langen Sätze, die wenigen unfertigen Sätze,<br />

Wort- o<strong>de</strong>r Satzwie<strong>de</strong>rholungen und verkehrte Satzaufbauten. Weitere Details,<br />

die ich zusätzlich zur Tonbandaussage in schriftlicher o<strong>de</strong>r mündlicher Form bei<br />

<strong>de</strong>r Polizei, <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft (STA) und <strong>de</strong>m Untersuchungsrichter (UR)<br />

gemacht habe, sind auch integriert im OT wie<strong>de</strong>rgegeben.<br />

Guten Tag<br />

Heute ist <strong>de</strong>r 11. April 1997 und ich bin hier in einem<br />

Sitzungszimmer <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>spolizei Liechtenstein um meine<br />

Aussage auf Band aufzunehmen. <strong>Die</strong>se Aussage soll gleichzeitig<br />

Dokument für mich und Anzeige gegen die Täter sein und ich<br />

wer<strong>de</strong> in Hoch<strong>de</strong>utsch sprechen, was die Abschrift meiner<br />

Aussage erleichtern wird, und auch damit ich eine gewisse<br />

Distanz zu <strong>de</strong>m Geschehenen machen kann. Mein Name ist<br />

Kieber Heinrich, geb. 30.03.1965 in Mauren, Bürger von Mauren,<br />

z. Z. nicht angemel<strong>de</strong>t im Land, da ich mich En<strong>de</strong> November<br />

letztes Jahr (1996) von Mauren wie<strong>de</strong>r nach Australien<br />

abgemel<strong>de</strong>t hatte, wo ich auch ursprünglich hin wollte, aber noch<br />

ein paar persönliche Sachen und Angelegenheiten in Europa<br />

erledigen wollte, bevor ich wie<strong>de</strong>r zurückgehe. Jetzt mache ich<br />

noch ein paar Angaben zu Namen <strong>de</strong>r Personen, die involviert<br />

waren bei dieser Entführung und Geschehnissen, das wären: Ich<br />

selber natürlich, dann als Organisatoren die zwei Personen, <strong>de</strong>r<br />

Spanier Mariano Marti-Ventosa Roqueta aus Barcelona und Herr<br />

Helmut Roegele und sein Frau Salud Hidalgo, bei<strong>de</strong> aus Sant Pol<br />

<strong>de</strong> Mar, nördlich von Barcelona, Katalonien, Spanien. Ich wer<strong>de</strong><br />

später dann die genaue Abschrift und <strong>Daten</strong>, die ich zu diesen<br />

Personen habe, auf einem Blatt vermerken. Zur Vorgeschichte:<br />

Den besagten Mariano kenne ich seit ursprünglich 1981, weil er<br />

<strong>de</strong>r Freund von einer Deutschen war, die Helga heisst und mit<br />

<strong>de</strong>ren Tochter Ruth besuchte ich damals in die Schweizerschule<br />

in Barcelona. Aber erst 1992/1993, um die Jahreswen<strong>de</strong>, als ich<br />

zufällig das erste Mal aus Australien zurück war, um in Bern auf<br />

<strong>de</strong>r australischen Botschaft meine Nie<strong>de</strong>rlassungspapiere zu<br />

12


egeln, erfuhr ich, dass Mariano und seine Freundin Helga in<br />

Zürich waren wegen irgen<strong>de</strong>inem komischen Geschäft, das sie da<br />

hatten, und da habe ich sie natürlich besucht, weil ich sowieso 2<br />

bis 3 Monate warten musste bis meine Papiere für Australien<br />

geregelt waren, im Zuge dieses Wie<strong>de</strong>rsehens hat mich Mariano<br />

dazu überre<strong>de</strong>t, dass ich ihm einen Kredit von ca. CHF 240'000.-gewähre,<br />

<strong>de</strong>n er mir zu 12 % verzinsen wollte; was ich auch<br />

gemacht habe, weil ich wusste, Mariano hat Gutsbesitz in<br />

Spanien und ein riesiges Boot und das Übliche halt, was man sich<br />

als geistige Absicherung nimmt. Ich habe natürlich auch ein<br />

Dokument über diese Schuld, das er mir gegeben hatte. Ich ging<br />

dann ungefähr im März 1993 nach Australien zurück und wartete<br />

seit damals auf die Rückzahlung dieses Darlehens. Ich hatte viel<br />

Briefkontakt mit Mariano, hin und zurück von Australien, auch<br />

von Neuseeland aus und er versprach mir immer, dass er zahlen<br />

wird, im Moment aber kein Geld hatte: "Liquiditätsprobleme",<br />

dies und das und jenes und ich habe natürlich nur geduldig<br />

gewartet. Ich habe nie gross gedrückt, <strong>de</strong>nn ich wusste, dass er<br />

fast alle seine Besitztümer im Namen seiner Frau o<strong>de</strong>r Söhne<br />

hatte, wie es in Spanien üblich ist, damit die Steuerbehör<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>re Kreditoren nichts wegnehmen können. Also, wenn ich<br />

Druck gemacht hätte, dann hätte ich sicher NIE etwas erhalten.<br />

Ich kam dann Mitte 1995 das erste Mal wie<strong>de</strong>r nach Europa, nach<br />

Spanien zurück, weil ich mich um meine Schuld, also um die<br />

Schuld, die er gegenüber mir hat, kümmern wollte, und ich<br />

wur<strong>de</strong> dann vertröstet, ja, vielleicht in diesem Jahr (1995) o<strong>de</strong>r<br />

eben im nächsten Jahr bekäme ich mein Guthaben sicher zurück.<br />

Ich blieb dann ein Weilchen in Spanien, habe auf seinem Boot<br />

gewohnt, das ich übrigens zeitweise, das heisst vom September<br />

1995 bis En<strong>de</strong> September 1996 sogar als Garantie vollständig<br />

besass, aber nur Ärger mit ihm und <strong>de</strong>m Boot hatte. Mit <strong>de</strong>r Zeit<br />

merkte ich, dass Mariano nicht fähig war, mir die Schuld<br />

zurückzuzahlen, ohne dass er irgendwo eine Hypothek<br />

aufnimmt o<strong>de</strong>r was immer er herbeizaubert.<br />

Zu Herrn Helmut Roegele ist zu sagen, dass ich <strong>de</strong>n auch schon<br />

länger kenne und dass wir im letzten Jahr ein Immobiliengeschäft<br />

gemacht haben, womit er nachher nicht zufrie<strong>de</strong>n war und eine<br />

erfolglose Anzeige in Spanien gegen mich erstattet hatte, die auch<br />

zu einer Aussage seinerseits führte und dann aber stillgelegt<br />

13


wur<strong>de</strong>, weil es Aussage gegen Aussage war. Helmut Roegele<br />

(wie auch Mariano Marti-Ventosa Roqueta) hatte akute flüssige<br />

Geldsorgen und Helmut musste dringend eine seiner<br />

Wohnungen um je<strong>de</strong>n Preis verkaufen. Am Anfang dieses Jahres<br />

als Mariano mir erzählt hat, dass er mir jetzt seine Schuld<br />

zurückbezahlen könnte und zwar hätte er auf seiner Hazienda<br />

(also Farm) in Argentinien einen Hypothekarkredit beantragt,<br />

weil er gewisse Än<strong>de</strong>rungen auf <strong>de</strong>r Farm vornehmen wolle und<br />

die Kreditsumme um seine Schuld gegenüber mir erhöht hatte,<br />

damit er mich bezahlen kann. Ich soll doch bitte rüberkommen<br />

und dort könnte ich es auch kriegen, d.h. am 1. April, das sagte er<br />

mir im Februar so, dass er am 1. April die Unterschrift bei <strong>de</strong>r<br />

Bank in Argentinien tätigen wür<strong>de</strong> und ich doch ganz gerne<br />

rüberkommen könnte, seine Farm besuchen und dann bei<br />

<strong>de</strong>rselben Bank, die <strong>de</strong>n Kredit auszahlt auch ein Konto eröffnen<br />

könnte und er mir die Schuld, die er gegenüber mir hat, mit<br />

Zinseszinsen und Kosten, überweisen wür<strong>de</strong>. Ich hab mich<br />

darüber zwar gefreut, obwohl über 4 Jahre verstrichen sind, seit<br />

ich ihm das Darlehen gegeben habe und ich eigentlich nicht mehr<br />

geglaubt habe, dass es noch was kommen wird; trotz<strong>de</strong>m aber<br />

wollte ich Argentinien und seine Farm kennen lernen, von <strong>de</strong>r er<br />

mir früher viel erzählt hat. Dort, wo auch seine drei Söhne mit<br />

<strong>de</strong>ren Frauen und Kin<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Farm wohnen, wollte ich ihn<br />

besuchen.<br />

So kam es, dass ich in <strong>de</strong>r 3. Woche März tatsächlich ein Ticket<br />

am Flughafen Zürich mit <strong>de</strong>r Lufthansa für ca. CHF 1500.-<br />

gekauft habe. Ein Flug Zürich-Frankfurt-Buenos Aires direkt, für<br />

<strong>de</strong>n <strong>Die</strong>nstag, 25. März, mit Rückflug Buenos Aires-Frankfurt-<br />

Zürich am 21. April 1997 fest gebucht. Ich hätte aber die<br />

Möglichkeit für eine Gebühr <strong>de</strong>n Rückflug auf ein an<strong>de</strong>res<br />

Datum zu än<strong>de</strong>rn. Ich habe meinen Freun<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Familie,<br />

meiner Mutter, nicht viel darüber erzählt, was ich machen wür<strong>de</strong>,<br />

ich ging einfach für einen Monat, so habe ich mir gedacht, in die<br />

Ferien, und wenn er zahlt dann ist gut, wenn er nicht zahlt, dann<br />

kann ich auch nichts machen, das ist halt im Leben, dass man<br />

nicht alles haben kann. Wie ich dann meine Tasche gerichtet habe<br />

mit Klei<strong>de</strong>r <strong>de</strong>mentsprechend für Herbstwetter, es soll dann ja<br />

noch warm sein, so im letzten Fax, <strong>de</strong>n er mir gegeben hat, wo er<br />

mir hoch und heilig schreibt, dass er alles bezahlen wer<strong>de</strong> und<br />

14


ich mir keine Sorgen machen solle und so weiter und so fort. Ich<br />

habe meine Ausweispapiere und dummerweise auch noch mein<br />

Reisegeld, das ich Bar auf mir hatte, (ungefähr CHF 8000. — in<br />

Schweizerfranken und US$ 1‘500. —) mitgenommen. Am<br />

<strong>Die</strong>nstag war Abflug und am Mittwoch vor Ostern , <strong>de</strong>n 26. März<br />

kam ich um 07.30 Uhr früh Lokalzeit in Buenos Aires an, fuhr in<br />

das Hotel SALLES in Buenos Aires, weil ich wusste, Mariano ist<br />

dort - wie er mir am Telefon vorher gesagt hatte - weil seine<br />

nicht-geschie<strong>de</strong>ne, erste Frau, die Mutter seiner Kin<strong>de</strong>r, Carmen,<br />

angeblich am selben Tag nach Spanien fliegen wür<strong>de</strong>. Ich bin im<br />

Hotel angekommen und mir wur<strong>de</strong> vom Türsteher mitgeteilt,<br />

dass Mariano und seine Frau gera<strong>de</strong> zur Tür hinausgegangen<br />

sind. Ich habe dann <strong>de</strong>n ganzen Tag gewartet und schaute mir<br />

Buenos Aires ein wenig an, eigentlich nur vom Hoteleingang aus<br />

und am Abend kam dann Mariano, wie üblich ganz gut gelaunt<br />

und hektisch und erzählte mir von <strong>de</strong>m Problem mit seinem alten<br />

Merce<strong>de</strong>s Coupe, das er nach Argentinien mitgebracht hatte, ein<br />

blauer SLC-Type mit Argentinischem KFZ-Nr. daran, <strong>de</strong>r kaputt<br />

war.<br />

<strong>Die</strong> Zylin<strong>de</strong>rkopfdichtung war angeblich geplatzt und es kam<br />

Wasser heraus. Also sind wir am Abend, bevor es dunkel wur<strong>de</strong>,<br />

noch in Buenos Aires herumgefahren um eine anständige<br />

Werkstatt zu fin<strong>de</strong>n, die nicht zu teuer war für ihn und die<br />

fan<strong>de</strong>n wir auch. Mariano wollte eigentlich, dass ich schon an<br />

jenem Tag, <strong>de</strong>m Mittwoch, weiterfliege o<strong>de</strong>r weiterfahre nach<br />

Bahia Blanca. Das liegt eine Stun<strong>de</strong> Flugzeit, so glaube ich, 500<br />

km südlich von Buenos Aires und dort wür<strong>de</strong> sein Sohn Marco,<br />

<strong>de</strong>r mit leicht rötlichen Haaren, ja fast keine Haare mehr, mich<br />

abholen. Mariano sprach auch von einem Empfang für mich wie<br />

für einen "König" und er sagte auch, dass er eine Überraschung<br />

für mich habe, wobei ich darauf tendierte, dass es sich um<br />

meinen Geburtstag han<strong>de</strong>ln sollte, <strong>de</strong>r am kommen<strong>de</strong>n Sonntag<br />

stattfand, mein 32. Geburtstag. Ich aber sagte zu Mariano, ich<br />

fahre gerne mit dir mit <strong>de</strong>m Auto runter, damit ich die<br />

Landschaft ein wenig sehen kann und er müsste nicht alleine<br />

fahren. Warum sollte ich jetzt mit <strong>de</strong>m Flugzeug fliegen? Ich<br />

hatte ja Zeit, ich musste ja nicht pressieren um auf die Farm zu<br />

kommen und so kam es, dass ich diese Nacht von Mittwoch auf<br />

Donnerstag doch in Buenos Aires im 2-Bett-Hotelzimmer blieb,<br />

15


welches Marino schon die Tage vorher belegt bzw. gebucht hatte.<br />

Ich musste also kein eigenes Zimmer buchen o<strong>de</strong>r im Hotel<br />

einchecken.<br />

Am Donnerstag assen wir zusammen Frühstück und Mittagessen<br />

und waren damit beschäftigt in die verschie<strong>de</strong>nen Garagen zu<br />

fahren um sein Auto reparieren zu lassen. Am Nachmittag hat er<br />

wie<strong>de</strong>r gesagt, er wür<strong>de</strong> mir sogar das Ticket für <strong>de</strong>n Flug von<br />

Buenos Aires nach Bahia Blanca bezahlen, was ich ungewöhnlich<br />

fand, weil er sonst nie Leute so einlädt o<strong>de</strong>r nie etwas ausgibt in<br />

diesem Stil. Ich habe dann, da ich ja nichts vermutete, das Ticket<br />

akzeptiert und wir haben nachgeforscht wann ein Flug ist. Er<br />

wollte unbedingt, dass ich am Abend fliege - im Nachhinein<br />

weiss ich jetzt natürlich schon weshalb ich am Abend fliege sollte<br />

- und <strong>de</strong>r Abflug war, so glaube ich, um 19.10 Uhr o<strong>de</strong>r 19.15 ab<br />

<strong>de</strong>m Inlandsflughafen in Buenos Aires. Er fuhr mich dorthin,<br />

kaufte das Ticket - ohne Name - für ungefähr US$ 68.-, er<br />

bezahlte es mit seiner gol<strong>de</strong>nen Kreditkarte von <strong>de</strong>r Banco<br />

Santan<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Banco Atlantico; bei<strong>de</strong> aus Spanien.. Er hat sich<br />

verabschie<strong>de</strong>t und hat gesagt sein Sohn, Marco, er ist ungefähr<br />

gleich alt wie ich, er wer<strong>de</strong> mich in allen Ehren empfangen und<br />

ich solle dann warten. Mariano käme dann in <strong>de</strong>n nächsten Tagen<br />

runter, sobald das Auto fertig repariert sei. Ich hatte kurze blaue<br />

Hosen (Jeans-Shorts) und ein T-Shirt mit kurzen Ärmeln an.<br />

Mit meinem mitgenommenen Gepäck kam ich dann abends um<br />

20.30 Uhr o<strong>de</strong>r sogar erst 21.00 Uhr in Bahia Blanca zum ersten<br />

Mal in meinem Leben an. Ich hatte noch einen<br />

Adressenaustausch mit einer Nachbarin, die neben mir im<br />

Flugzeug sass. Während <strong>de</strong>r Gepäckausgabe kam schon <strong>de</strong>r Sohn<br />

von Mariano, Marco, obwohl er sich als Mario ausgab, <strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>ren Sohn, <strong>de</strong>n es gibt, aber im nachhinein wusste ich ja, dass<br />

er Marco war, dieser leicht Rothaarige. „Marco‚ fuhr nicht <strong>de</strong>n<br />

Bronco, einen grossen amerikanischen braunen Ford, entgegen<br />

<strong>de</strong>m was Mariano mir gesagt hatte, son<strong>de</strong>rn einen Fiat 600 o<strong>de</strong>r<br />

Seat 600, sogar mit noch <strong>de</strong>n alten Kennzeichen aus Barcelona.<br />

Das Auto, das sie auch aus Spanien als Haushaltsgut mitgebracht<br />

haben, als die Söhne nach Argentinien ausgewan<strong>de</strong>rt sind. <strong>Der</strong><br />

kleine Wagen stand draussen auf <strong>de</strong>m Flughafenparkplatz: wir<br />

haben meine grosse, weiche, blaue Reisetasche hinten hinein<br />

16


gestopft und meine Anzugtasche, wo auch meine Dokumente<br />

und mein Geld und alles drin war, auf <strong>de</strong>n hinteren Sitz<br />

geworfen. Ich nahm auf <strong>de</strong>m Beifahrersitz Platz und geplant war,<br />

die Strecke, die ca. 90 bis 100 km lang ist, von Bahia Blanca<br />

Richtung Saavedra und dann zur Farm, die ungefähr 15 km von<br />

<strong>de</strong>m Dorf Saavedra entfernt liegt, gleich in Angriff zu nehmen.<br />

<strong>Die</strong> Farm heisst "Estanzia San Francisco" und <strong>de</strong>r Haupteingang<br />

<strong>de</strong>r Farm sollte eigentlich über die Strasse "Camino <strong>de</strong> la Ermita"<br />

erreicht wer<strong>de</strong>n. Als wir dann endlich – es war schon<br />

stockdunkel - abfuhren , sagte mir Marco, dass es ein kürzerer<br />

Weg wäre, wenn wir <strong>de</strong>n hinteren Teil <strong>de</strong>r Farm anfahren und<br />

nicht <strong>de</strong>n Umweg über das Dorf Saavedra machen und dann von<br />

dort auf die normale Zufahrtsstrasse Richtung Haupteingang <strong>de</strong>r<br />

Farm fahren wür<strong>de</strong>n. Wir fuhren also von <strong>de</strong>m Parkplatz beim<br />

Flughafen in Bahia Blanca weg. Ich konnte mir natürlich die<br />

Schil<strong>de</strong>r, die ich gesehen habe, nicht alle merken, weil ich auch<br />

nichts <strong>de</strong>rgleichen erwartet habe, was nachher geschehen ist.<br />

Irgendwann fuhren wir rechts von <strong>de</strong>r geteerten Strasse weg auf<br />

einen breiten weissen Sand-, Gesteins- o<strong>de</strong>r Geröllweg, also nicht<br />

geteert, sogar ein Stück über eine Wiese und während dieser gut<br />

dreiviertel bis 1 Stun<strong>de</strong> Fahrt re<strong>de</strong>ten wir über das Leben auf <strong>de</strong>r<br />

Farm etc. etc. Auf <strong>de</strong>n letzten Metern bevor wir mit <strong>de</strong>m Auto<br />

anhielten, schon auf <strong>de</strong>m Farmgrundstück, sagte Marco, dass er<br />

noch eine Türe schliessen müsse, bevor wir zum Haupthaus<br />

fahren. Ich habe mich nicht darüber gewun<strong>de</strong>rt, im Nachhinein<br />

ist es natürlich komisch, dass auf einer so grossen Farm, wo<br />

niemand o<strong>de</strong>r frem<strong>de</strong> Menschen weit und breit sind, irgen<strong>de</strong>ine<br />

Türe geschlossen wer<strong>de</strong>n muss, wo doch sonst alles immer offen<br />

gelassen wird. Wir fuhren die letzten 150 Meter auf Gras und im<br />

Wagenscheinwerferlicht konnte ich dann einen run<strong>de</strong>n Turm<br />

erkennen, an <strong>de</strong>m wir links davor anhielten. <strong>Der</strong> Motor wur<strong>de</strong><br />

abgestellt, Marco sprang aus <strong>de</strong>m Auto. Das Wagenlicht war aus.<br />

Bevor das Wagenlicht ausging, konnte ich noch weiter vorne<br />

rechts ein an<strong>de</strong>res Auto parkiert erkennen, ich glaubte es neben<br />

einem Schopf, Baracke zu sehen. Ich bin aber nicht sicher, ob dies<br />

ein Schopf war, also eine kleine Halle o<strong>de</strong>r ein kleines Gebäu<strong>de</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Fahrerwagentür blieb offen, ich sass im Auto, nichts ahnend<br />

und dann ging es los:<br />

17


Auf einmal kam von hinten ein maskierter Mann mit einer Pistole<br />

in <strong>de</strong>r Hand zum Fahrersitz, setzte sich und for<strong>de</strong>rte mich, mit<br />

<strong>de</strong>r Pistole auf mich gerichtet, blutrünstig auf sofort<br />

hinauszugehen. Ich natürlich, wie vermutlich je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r so was<br />

nicht erwartet hat, habe im Schock reflexartig <strong>de</strong>n Pistolenlauf<br />

mit meiner Hand umschlossen und versucht die Pistole, die auf<br />

mich gerichtet war, wegzudrücken, weil ich dachte, da passiert<br />

noch was, <strong>de</strong>r drückt noch ab und ich bin tot. Aber das hat mir<br />

nicht viel geholfen, weil dann zwei an<strong>de</strong>re Männer mit<br />

Maskierung, eine Art Skimütze, die Beifahrertür aufrissen. Einer<br />

von <strong>de</strong>nen hatte eine <strong>de</strong>utlich erkennbare Maschinenpistole, eine<br />

alte, wobei das Magazin seitlich, also 90 Grad horizontal<br />

herausragte, und nicht wie normal von unten eingesteckt war. Ich<br />

konnte einem von <strong>de</strong>n Dreien einen Fausthieb verpassen, sie<br />

natürlich schlugen zurück, wobei dann meine Brille über <strong>de</strong>m<br />

Nasenbein zu Bruch ging und ich die Brille verlor. Dadurch gab<br />

es eine triefe Schramme, wo dann auch das Blut zu fliessen<br />

begann. Sie zerrten mich brutal aus <strong>de</strong>m Wagen und da ich ja<br />

ziemlich kräftig gebaut bin, war das nicht so einfach. Sie stülpten<br />

mir einen weiss-gelblichen Sack über <strong>de</strong>n Kopf, wobei, wie ich<br />

später sah, es sich um einen Getrei<strong>de</strong>sack o<strong>de</strong>r ähnliches han<strong>de</strong>lt,<br />

worin man Getrei<strong>de</strong> abfüllt. Ich konnte trotz<strong>de</strong>m noch auf <strong>de</strong>n<br />

Bo<strong>de</strong>n runter schauen und wur<strong>de</strong> zuerst über Gras und dann<br />

über Beton in einen Raum geschleppt und gezogen. <strong>Der</strong> Raum<br />

war bestückt mit Naturstein in verschie<strong>de</strong>nartigsten Formen,<br />

eher kleinen Stücken, die in Zement rundherum eingelegt waren,<br />

wobei <strong>de</strong>r Zement ziemlich dick zwischen <strong>de</strong>n Natursteinrillen<br />

aufgetragen wur<strong>de</strong>. Beim Eintritt in diesen Raum, wo das Licht<br />

brannte, konnte ich auf <strong>de</strong>r linken Seite einen<br />

Elektroschweissapparat erkennen, ich wusste, dass es ein solcher<br />

Apparat ist, weil obendrauf die Gesichtsschutzmaske, die man<br />

bei solcher Apparatur verwen<strong>de</strong>t, lag.<br />

Ich wur<strong>de</strong> dann bäuchlings auf eine Matte o<strong>de</strong>r Bett geworfen,<br />

die Hän<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n mir hinten mit einer dicken Schnur fest<br />

übereinan<strong>de</strong>r zusammengebun<strong>de</strong>n und zwei o<strong>de</strong>r eineinhalb <strong>de</strong>r<br />

drei Personen setzte sich dann auf mich und ich habe gezittert<br />

wie Laub im Herbst und um mein Leben gebeten. Ich habe sie<br />

angefleht, mich nicht umzubringen. Ich wusste nicht, warum das<br />

18


alles geschehen sollte, darum möchte ich hier auch noch<br />

hinzufügen, dass ich eigentlich die ersten Sekun<strong>de</strong>n dachte, dass<br />

wir, d.h. <strong>de</strong>r Sohn von Mariano, „Marco‚, und ich, Opfer an<strong>de</strong>rer<br />

Verbrecher wur<strong>de</strong>n, die die Farm o<strong>de</strong>r wem immer das Gebäu<strong>de</strong><br />

gehörte, überfielen. Mir wur<strong>de</strong> dann <strong>de</strong>r rechte Schuh, Marke<br />

Timberland, samt <strong>de</strong>m Socken, abgezogen. Während<strong>de</strong>ssen<br />

haben sie mir auch <strong>de</strong>n Knäuel wie<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Mund<br />

genommen. <strong>Der</strong> weisse Sack über meinem Knopf hatte sich rot<br />

verfärbt und da haben sie sehr wahrscheinlich gedacht, sie<br />

müssten mir <strong>de</strong>m <strong>de</strong>n Knäuel, <strong>de</strong>n sie mir vor <strong>de</strong>m Haus in <strong>de</strong>n<br />

Mund gestopft hatten, damit ich vermutlich nicht schreien konnte<br />

o<strong>de</strong>r so, wie<strong>de</strong>r wegnehmen, da ich sonst eventuell nicht atmen<br />

konnte, da die Nase stark blutete. Heute weiss ich, warum sie mir<br />

überhaupt einen Knäuel gegeben haben, weil <strong>de</strong>r Turm nicht weit<br />

weg vom Hauptwohnhaus <strong>de</strong>r Farm liegt und sie vermei<strong>de</strong>n<br />

wollten, dass ich anfange zu schreien und das es jemand von <strong>de</strong>n<br />

Angestellten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Leuten, die dort auf <strong>de</strong>r Farm wohnten,<br />

hören könnten. Während mir Tücher, also Textilstoffteile auf<br />

mein rechtes Bein, das ja frei war, weil ich ja kurze Hosen an<br />

hatte, gelegt wur<strong>de</strong>n, hörte ich wie <strong>de</strong>r Elektroschweissapparat in<br />

Betrieb gesetzt wur<strong>de</strong>. Ich dachte an grausame Folter o<strong>de</strong>r so und<br />

hab nur um mein Leben gefleht, damit sie mich nicht umbringen.<br />

Es war dann aber so, dass mir ein Eisenstück an mein rechtes<br />

Bein oberhalb <strong>de</strong>r Ferse angeschweisst wur<strong>de</strong> und obwohl sie mir<br />

schützen<strong>de</strong> Tücher auf mein Ober- und Unterbein gelegt hatten,<br />

die Funken, die so ein Elektroschweissapparat abgibt, hatten<br />

doch zwei Stellen an meinem unteren Schenkel an <strong>de</strong>r Wa<strong>de</strong><br />

verbrannt, die man heute noch sehr gut erkennen kann. Ich<br />

zitterte und nach<strong>de</strong>m sie ihre Schweissarbeit erledigt hatten,<br />

wur<strong>de</strong> mir <strong>de</strong>r Sack vom Kopf weggenommen und sie tupften<br />

das Blut in meinem Gesicht mit einem schmutzigen Lappen weg<br />

und ich glaube, es war nicht Blut aus <strong>de</strong>r Nase, son<strong>de</strong>rn es war<br />

Blut aus einer Wun<strong>de</strong> ausserhalb <strong>de</strong>s Nasenflügel, die dadurch<br />

entstan<strong>de</strong>n war, als die Brille beim Wegschlagen zerbrochen<br />

wur<strong>de</strong> und dadurch einen Schnitt in das Fleisch gemacht hatte.<br />

Sie hoben meinen Kopf und unterlegten ihn mit einem Kissen.<br />

Ich spürte auch wie sie eine zusammengefaltete Decke auf meine<br />

Beine legten. Es wur<strong>de</strong> kein Wort gesprochen während <strong>de</strong>r<br />

19


ganzen Angelegenheit, ich habe nur zwei Mal <strong>de</strong>n Namen Mario,<br />

Mario gerufen, in <strong>de</strong>r Annahme, dass es sich ja um Mario<br />

han<strong>de</strong>lte, obwohl es ja <strong>de</strong>r Marco war und nicht <strong>de</strong>r Mario, <strong>de</strong>r<br />

das alles gemacht hat mit seinen Gehilfen, die ich nicht erkennen<br />

konnte, weil sie ja maskiert waren. Eine braune, schwere<br />

Metalltür wur<strong>de</strong> zugeschlagen, ein Riesenlärm und das Licht<br />

brannte noch. Ja, bevor sie gegangen sind, habe ich gespürt wie<br />

sie meine Hosentaschen leerten, wo ich ungefähr US$ 180.— in<br />

kleinen Noten hatte, mein Münzportemonnaie - und auch einen<br />

kleinen goldfarbenen Schlüssel, <strong>de</strong>r zum Schloss gehört, das ich<br />

an <strong>de</strong>r Anzugstasche befestigt hatte, wo die Dokumente drin<br />

waren. Obwohl die Verbrecher schon ein Weilchen <strong>de</strong>n Raum<br />

verlassen hatten und ich ja auf <strong>de</strong>m Bauch lag, mit Gesicht zur<br />

Wand, traute ich mich nicht umzudrehen, weil ich nicht wusste,<br />

ob noch jemand im Raum ist. Ich zitterte noch lange und hatte<br />

Angst und dachte nur warum, warum, warum. Ich drehte mich<br />

nach einer Weile um und habe <strong>de</strong>n Raum liegend angeschaut.<br />

Erst nach weiteren zwei Stun<strong>de</strong>n getraute ich mich aufzustehen<br />

und musste Folgen<strong>de</strong>s feststellen.<br />

Es wur<strong>de</strong> eine schwere Kette an mein Bein geschweisst und unter<br />

<strong>de</strong>m Ring, <strong>de</strong>r um mein Bein war, ein Stoffstück unterlegt und<br />

auf meine Haut darunter ein schwarzes Gummistück und dann<br />

die kalte Kette. Es war ein Stück von einem Rohr, ich nehme an,<br />

es war das Endstück eines Rohres mit einem Gewin<strong>de</strong> daran, also<br />

Rillen für ein Gewin<strong>de</strong>. Das Eisenstück war nicht rundherum<br />

geschlossen, son<strong>de</strong>rn war 2 bis 3 cm offen, dort wo zwei<br />

Gliedstücke, je eins links und rechts auf <strong>de</strong>n Ring geschweisst<br />

wur<strong>de</strong>n, vermutlich vorher schon, und dann ein weiteres<br />

Gliedstück auf die zwei Gliedstücke darauf geschweisst und an<br />

diesem dritten Gliedstück hängte dann eine zwei bis drei Meter<br />

lange, schwere Stahlkette, die an <strong>de</strong>r Wand eingelassen war.<br />

Anm.: Alle Zeichnungen wur<strong>de</strong>n für das Landgericht Vaduz<br />

angefertigt. In Zeichnung auf <strong>de</strong>r nächsten Seite und <strong>de</strong>r Zeichnung auf<br />

Seite 42 hat die Zeichnerin aus praktischen Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n in meiner<br />

Aussage beschriebenen Kasten mit <strong>de</strong>m Stromzähler und <strong>de</strong>r Steckdose<br />

(für das Elektroschweissgerät) weiter unten an die Wand skizziert,<br />

anstelle weiter oben, wo es an die Turmwand angeschraubt war.<br />

20


Den Raum beschreibe ich wie folgt: Es ist ein run<strong>de</strong>r Raum, es ist<br />

ein Wasserturm, sehr feucht und kalt und wenn man bei <strong>de</strong>r Türe<br />

hinein kommt war links mein Feldbett. Neben meinem Feldbett<br />

an <strong>de</strong>r Wand war ein Fenster in <strong>de</strong>r Grösse eines normalen<br />

Fensters mit zwei Flügelfenstern zum Öffnen. Am Kopfen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Bettes war ein alter Ofen ohne Türchen für die zwei Stellen, wo<br />

man Holz hinein gibt und es ist ein so genannter Wasserofen,<br />

weil es am Wassersystem angeschlossen ist damit man<br />

Heisswasser produzieren kann und gleichzeitig kochen kann.<br />

Oberhalb <strong>de</strong>s Ofens ist ein ca. 50 Liter grosser, silberner<br />

Wasserbehälter, <strong>de</strong>r das gekochte Wasser, dann auffangen sollte.<br />

Neben <strong>de</strong>m schmutzigen, schwarzen Ofen stand ein kleines<br />

Möbelstück, wie so ein Mini-Mini-Sekretär mit einem Fach, das<br />

man mit <strong>de</strong>r Tür schliessen konnte und das vierte Bein war<br />

gebrochen, sodass man es entwe<strong>de</strong>r an die Wand o<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n<br />

Ofen anlehnen musste, wenn man darauf etwas schreiben o<strong>de</strong>r<br />

essen wollte, weil sonst das Stück umkippen wür<strong>de</strong>. Weiter nach<br />

rechts schwingend im run<strong>de</strong>n Kreis sieht man dann einen<br />

Durchgang ohne Türe, dieser Durchgang führt zu einem kleinen<br />

Gang, wo links ein Waschbecken eingemauert ist mit Sims und<br />

unter <strong>de</strong>m Sims an <strong>de</strong>r Aussenwand <strong>de</strong>s Waschbecken konnte ich<br />

ein verschobenes, rechteckiges Herstellerkennzeichen erkennen.<br />

Es war alles ziemlich schmutzig.<br />

Vorbei an diesem Waschbecken konnte ich in einen Raum, wo<br />

links ein schmutziges WC mit einem losen, nicht angeschraubten,<br />

schwarzem WC-Deckel war, oberhalb <strong>de</strong>r Wasserbehälter für das<br />

WC, sehen, dass es mit flüssigem Klebstoff schon mehrmals<br />

repariert wor<strong>de</strong>n. Vor allem das Abflussrohr, das sich zur Hälfte<br />

im Raum befand und zur an<strong>de</strong>ren Hälfte in <strong>de</strong>r Wand<br />

verschwand und unten wie<strong>de</strong>r heraus kam. <strong>Die</strong><br />

Wasserspülbetätigung war eine Schnur, eine schwarze<br />

Plastiknylonschnur, die herunter hing und am En<strong>de</strong> 2 bis 3<br />

Knoten hatte. Rechts davon ist eine Dusche in die Wand<br />

eingelassen, d.h. die Duschvorrichtung kam aus <strong>de</strong>r Wand heraus<br />

und dort wo sich <strong>de</strong>r Wasserstrahl verbreiten kann, wur<strong>de</strong> die<br />

Wand und <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>n im 90 Grad Winkel, also links und rechts,<br />

die Wand und <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>n braun angemalt. Sonst war alles weiss<br />

in diesem run<strong>de</strong>n Raum und in diesen zwei Nebenräumen.<br />

22


Gegenüber <strong>de</strong>r Dusche war ein Spülbecken mit je Kalt- und<br />

Warmwasserhähnen separat angebracht, alles sehr dreckig. Und<br />

darüber, an die Wand geschraubt ein Spiegelschrank mit einem<br />

kleinen Abstellfach darunter. <strong>Der</strong> Wasserablauf <strong>de</strong>r Dusche ist<br />

ohne Gitter im Bo<strong>de</strong>n und rechteckig. Das Wasser funktionierte<br />

nicht, we<strong>de</strong>r für das erste noch das zweite Waschbecken o<strong>de</strong>r die<br />

Dusche o<strong>de</strong>r das WC, es gab kein Wasser. Im WC war nur eine<br />

Füllung im Tank <strong>de</strong>r WC-Spülung vorhan<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Eisenkette<br />

wur<strong>de</strong> so angelegt, dass es genau reichte, damit ich vom Bett bis<br />

zum WC gehen konnte. Es war alles sehr schmutzig und dreckig,<br />

trotz<strong>de</strong>m waren auf <strong>de</strong>r rechten Seite <strong>de</strong>s Waschbeckens, im so<br />

genannten „Ba<strong>de</strong>zimmer‚, ein hellblaues Handtuch und eine<br />

neue Seife in <strong>de</strong>r Seifenschale.<br />

Es gab drei Fenster, ein Fenster, wie schon beschrieben, oberhalb<br />

meines Bettes, ausserhalb dieses Fensters war ein Lattenrost, <strong>de</strong>r<br />

geschlossen war. Es war ein Lattenrost aus braunem Metall und<br />

war zu, nur bei ungefähr die Grösse eines A4-Blattes im<br />

Lattenrost konnte man die Latten verstellen und man konnte<br />

dann etwas hinausschauen. Draussen am Fenster war noch ein<br />

Metallgitter, ein Ausbruchgitter, das aber sicher schon vorher<br />

dort war, als man <strong>de</strong>n Turm baute. Das Fenster im Gang,<br />

zwischen <strong>de</strong>m Ba<strong>de</strong>zimmer und <strong>de</strong>m Hauptraum war mit zwei<br />

Kippfenstern versehen, viel kleiner als das im Zimmer wo ich<br />

schlief, in meinem Raum, und an <strong>de</strong>m Fenster vor <strong>de</strong>m grossen<br />

Waschbecken und <strong>de</strong>m kleinen Fenster im Ba<strong>de</strong>zimmer wur<strong>de</strong>n<br />

von aussen an die Gitterroste Wellbleche, die man zum<br />

Dachbauen nimmt, zugeschnittene Wellbleche mittels Draht<br />

befestigt, damit man nicht herausschauen kann o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

Leute nicht hinein schauen konnten. Ich konnte nur schräg hoch<br />

in <strong>de</strong>n Himmel durch einen Schlitz schauen und sonst sah ich<br />

nichts von diesen zwei kleinen Fenstern. Es war also unmöglich<br />

dort auch hinauszugelangen.<br />

Ich hatte riesige Angst und betete und eigentlich war mir nicht<br />

kalt, obwohl ich in kurzen Hosen war und im kurzen Hemd.<br />

Nach<strong>de</strong>m ich alles inspiziert hatte und feststellen musste, dass<br />

die Kette fest in <strong>de</strong>r Wand eingemauert war, ich vermutete auch,<br />

dass die Kettenvorrichtung, die an <strong>de</strong>r Wand war, erst frisch<br />

23


gemacht wur<strong>de</strong>, weil es weiss gestrichen war und auch die ersten<br />

Kettenglie<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Wand mit weisser Farbe überzogen waren.<br />

Ich muss auch sagen, dass man überall im run<strong>de</strong>n Raum, <strong>de</strong>r<br />

übrigens auch auf <strong>de</strong>r gegenüberliegen<strong>de</strong>n Seite meines Bettes<br />

eine Rundtreppe in <strong>de</strong>n oberen Stock hatte, die weiss gemalt war<br />

und das Gelän<strong>de</strong>r, wo man die Hand drauflegt, ist braun gemalt,<br />

alles aus Beton. An vielen Stellen konnte man sehen, dass Regale<br />

und Aufhängevorrichtungen, die in diesem Raum offenbar früher<br />

vorhan<strong>de</strong>n waren, weggeschraubt wur<strong>de</strong>n, weil man die alte<br />

Farbe darunter sah und auch die riesengrossen Löcher von<br />

Schrauben mit Dübeln. Vermutlich wollten sie, dass ich nichts<br />

wegnehmen konnte, womit ich einen Wächter o<strong>de</strong>r wen auch<br />

immer erschlagen konnte o<strong>de</strong>r verletzen wür<strong>de</strong>, darum gab es<br />

überall Stellen mit diesen Abzeichnungen mit ehemals<br />

vorhan<strong>de</strong>n Regalen, Schränken und an<strong>de</strong>rem Zeug. Ich legte<br />

mich dann ins Bett auf mein Kissen, das einen riesengrossen<br />

Blutfleck vorwies von <strong>de</strong>n Stun<strong>de</strong>n, die ich regungslos auf <strong>de</strong>m<br />

Kissen lag, und legte mich schlafen.<br />

24


Freitag vor Ostern.<br />

Den ganzen Tag habe ich kein Essen erhalten, das Zeitgefühl ging<br />

mir auch weg, weil mir meine Uhr auch weggenommen wur<strong>de</strong>,<br />

jedoch so ca. mittags hörte ich ein Auto, es war ein <strong>Die</strong>sel. Ich lag<br />

noch auf <strong>de</strong>m Bett und bekam Herzflattern. Ich lag seitlich<br />

gekauert auf <strong>de</strong>m Bett und von draussen hörte ich laut Schlösser<br />

öffnen, als wür<strong>de</strong>n 50 Schlösser daran sein, und ein Geknalle und<br />

sehr laute Geräusche.<br />

Mit einem Tritt, vermutlich wur<strong>de</strong> die Türe immer so aufgeknallt,<br />

sodass ich mehr erschrak: ich sah zwei Männer, die leicht gebückt<br />

wie beim Skifahren mit gespreizten Beinen und einer Pistole, die<br />

mir alt erschien und einem Revolver, ein silberner mit einem<br />

langem Lauf, <strong>de</strong>r mir neu erschien, auf mich gerichtet vor <strong>de</strong>r Tür<br />

stan<strong>de</strong>n, vermummt. Einer kommt auf mich zu und <strong>de</strong>utet mit<br />

<strong>de</strong>m Revolverlauf o<strong>de</strong>r Pistolenlauf, in <strong>de</strong>m Fall, auf mein Kissen<br />

und zwar auf <strong>de</strong>n Blutfleck auf <strong>de</strong>m Kissen. Ich vermutete, dass<br />

er <strong>de</strong>n Blutflecken meinte und ich sagte dass es das Blut von<br />

gestern Abend war. Er <strong>de</strong>utete ohne Worte an, ich solle mein<br />

Kopf unter das Kissen begeben und mit <strong>de</strong>n Oberarmen und<br />

Hän<strong>de</strong>n von aussen das Kissen an meinen Kopf drücken damit<br />

ich nicht sehe wer kommt o<strong>de</strong>r was sie tun.<br />

26


Ich tat es und spürte <strong>de</strong>n Revolverlauf auf meinem Kopf. Ich<br />

hatte Angst und zitterte andauernd. Sie kontrollierten die Kette<br />

und hoben mein Bein und rüttelten daran. Ich glaube auch, sie<br />

kontrollierten das an<strong>de</strong>re En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Kette um zu schauen, ob ich<br />

nicht was gemacht habe. Es wur<strong>de</strong> dann von einem <strong>de</strong>r Männer<br />

in Spanisch gesagt, dass ich, falls ich versuchen sollte zu fliehen<br />

o<strong>de</strong>r sonst was machen wür<strong>de</strong>, o<strong>de</strong>r wenn ich ausschlagen<br />

wür<strong>de</strong>, sie mich ohne Skrupel umbringen wür<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Männer<br />

gingen und dies nicht ohne dass sie die Tür mit einem<br />

Riesenschwung zuknallten, was mich noch mehr ängstlich<br />

machte. Ich weinte und weinte und weinte.<br />

Wenn <strong>de</strong>r Wind ein wenig kam, das spürte ich, weil ich meine<br />

Fenster offen hatte, dann setzte sich die Wasserpumpe in<br />

Bewegung, was für mich be<strong>de</strong>utete, dass es eine<br />

Windwassermühle sein musste. Wenn man in einer solchen<br />

Situation ist und lange Zeit zum Denken hat, dann kommt<br />

automatisch <strong>de</strong>r Fluchtgedanke.<br />

<strong>Die</strong> verfluchte Kette war aber nicht so leicht loszukriegen. Ich<br />

habe dann, als es ein wenig hell wur<strong>de</strong>, an jenem Freitag, die<br />

Fenster nochmals inspiriert und festgestellt, dass es unmöglich<br />

sein wird durch diese Fenster ohne Werkzeuge o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

Hilfsmittel zu entkommen. Beim Laufen, wenn man es so nennen<br />

kann, innerhalb dieser 3 kleinen Raumebenen, hat sich dauernd<br />

die Kette verdreht, was dann zu einem kürzeren Radius meiner<br />

Bewegungsmöglichkeit führte. Ich musste dann immer öfters im<br />

Tag mich nach links um meine eigene Achse drehen damit sich<br />

die Kette wie<strong>de</strong>r entwin<strong>de</strong>t. Ich weinte oft und betete wie<strong>de</strong>r und<br />

fragte mich warum, warum nur? Sie haben mir am Freitag nichts<br />

zu essen gegeben, aber ich hatte sowieso keinen Hunger. Am<br />

selben Tag, ich schätze so um 22.00 Uhr abends, bekam ich<br />

wie<strong>de</strong>r Besuch, <strong>de</strong>r sich wie immer in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Besuchen so<br />

abspielte. Ich hörte meistens ein Auto heranfahren, meistens ein<br />

<strong>Die</strong>sel, Riesenlärm, dann die Türschlösser geöffnet, dann ein<br />

Schlag an die Türe, Waffen, Kontrolle <strong>de</strong>r Kette, kein Wort zu mir<br />

und dann gingen sie wie<strong>de</strong>r. Ich konnte mehr o<strong>de</strong>r weniger<br />

schlafen in <strong>de</strong>r Nacht von Freitag auf Samstag. Samstag früh<br />

bekam ich wie<strong>de</strong>r Besuch, sie brachten mir meine Brille, die sie<br />

mit Schnellklebstoff zusammengeflickt hatten und Schreibpapier<br />

27


mit Schreiber und die zwei Nachrichtenmagazine, die ich mir in<br />

Frankfurt am Flughafen gekauft hatte, das eine war <strong>de</strong>r SPIEGEL<br />

Nr. 13 von diesem Jahr und die rosarotfarbene Financial Times.<br />

Es kam wie<strong>de</strong>r zu Morddrohungen von einem <strong>de</strong>r Bewacher auf<br />

spanisch und wie<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n Angaben, ich soll ja nicht versuchen<br />

zu fliehen, weil ich sonst tot bin. Es kam dann so, dass ich mehr<br />

o<strong>de</strong>r weniger beruhigt war, da ich doch dachte, sie seien ein<br />

wenig human, da sie ja mir was zum Lesen brachten und auch<br />

Früchte und altes Brot bei diesem Besuch am Morgen. Ich<br />

versuchte dann <strong>de</strong>n SPIEGEL Nr. 13 als Abwechslung zu lesen<br />

und musste an die Story <strong>de</strong>r Entführung <strong>de</strong>s Hamburgers<br />

Industriellen Reemtsma <strong>de</strong>nken und es gab auch sonst in diesem<br />

SPIEGEL einige Seiten, die mich sehr traurig stimmten wie z.B.<br />

gab es eine Werbung einer Autofirma mit einem Besenfresserzitat<br />

und <strong>de</strong>r Besen, <strong>de</strong>n dieser Mann in <strong>de</strong>r Hand hielt, <strong>de</strong>n hätte ich<br />

gerne gehabt um <strong>de</strong>n Saustall, wo ich mich befand, aufzuräumen.<br />

Dann gab es noch eine Werbung im SPIEGEL Nr. 13 von einer<br />

Telefongesellschaft, einer Mobiltelefonfirma, mit einem<br />

abgebil<strong>de</strong>ten Mobiltelefon und eine Nummer im Display : die<br />

Nummer, die dort eingegeben war, die fing mit 01 80 an und die<br />

war eigentlich nur 3 bis 4 Nummern an<strong>de</strong>rs als die Nummer<br />

meines besten Freun<strong>de</strong>s in Zürich, die auch 01 865 u.s.w. war,<br />

28


was hätte ich bloss gegeben damit ich ihn anrufen könnte. <strong>Der</strong><br />

Preis pro Minute war dort in <strong>de</strong>r Anzeige 69 Pfennig; ich habe<br />

mir gedacht, auch wenn die Minute 690 Mark kosten wür<strong>de</strong>, ich<br />

hätte ihn so gerne jetzt angerufen. Ich habe alles über die Tage<br />

verteilt gelesen ausser ein paar Artikel: z.B. einer <strong>de</strong>r über<br />

Selbstverletzungen geschrieben war, wie sich Leute, aus welchen<br />

Grün<strong>de</strong>n auch immer, Selbstverletzungen am eigenen Fleisch<br />

zutun.<br />

Es ist auch zu sagen, dass die Financial Times in solchen<br />

Situationen nicht das geeignete Lesemittel ist über Geld und<br />

Kurse nachzulesen. <strong>Die</strong> Zeitung habe ich dann nur als Tisch<strong>de</strong>cke<br />

für das schmutzigen kleinen Möbelstücklein verwen<strong>de</strong>t. Ich<br />

öffnete das kleine Look-Out wie man auf Englisch sagt, also<br />

dieser kleine Lattenrost vom Hauptfenster, <strong>de</strong>n ich verschieben<br />

konnte und sah ein paar Bäume vor mir und rechts davor einen<br />

künstlich aufgehäuften Erdhügel in dieser Waldlichtung und<br />

weiter weg sah ich dann die gelbe Wiese mit ein paar Kühen.<br />

Später musste ich auf das WC und spülte das WC. <strong>Die</strong> Hän<strong>de</strong><br />

konnte ich ein wenig waschen in<strong>de</strong>m ein paar kl. Tropfen aus <strong>de</strong>r<br />

Wasseranlage kamen.<br />

Am Nachmittag <strong>de</strong>sselben Tages bekam ich wie<strong>de</strong>r Besuch. Wie<br />

befohlen ver<strong>de</strong>ckte ich mein Gesicht damit ich nichts sehen<br />

konnte und wie üblich wur<strong>de</strong> mir die Pistole auf <strong>de</strong>n Kopf o<strong>de</strong>r<br />

auf die Brust gedrückt, falls ich dummes Zeug vorhatte. Es<br />

wur<strong>de</strong> mir eine Notiz hinterlegt, die mit Schreibmaschine<br />

geschrieben wor<strong>de</strong>n war, aber auf Faxpapier gedruckt war. Ich<br />

nehme an, sie haben es mit <strong>de</strong>m Faxgerät <strong>de</strong>s Hauses kopiert.<br />

Darauf stand auf Spanisch, dass ich Angaben machen soll über<br />

meine Geschäfte o<strong>de</strong>r vor allem über mein Vermögen, das ich<br />

besass. Es sollte so aussehen, als wäre dieses ein Fax von Übersee<br />

gewesen, von Europa. Zu jenem Zeitpunkt schrieb ich noch<br />

normal mit <strong>de</strong>m mir verteilten Papier und Kugelschreiber an<br />

Mariano. Ich schrieb warum, wofür, wie viel und was das alles<br />

be<strong>de</strong>uten soll. Ich sass auf <strong>de</strong>m weissen Plastikstuhl, <strong>de</strong>n habe ich<br />

noch vergessen zu beschreiben. Ich hatte einen weissen<br />

Plaststuhl, so wie man sie für Gartenstühle verwen<strong>de</strong>t, auch in<br />

diesem Raum. Ich schrieb ihm, ob er sich nicht schäme mich als<br />

Freund dort so zu haben. Ich bat ihn dringend, mich zu besuchen<br />

damit wir darüber re<strong>de</strong>n könnten, vor allem am nächsten Tag, an<br />

29


meinem Geburtstag am Sonntag, 30.03., zu kommen. Ich war<br />

traurig für mich selber, für meine Familie und für seine Familie<br />

auch. Ich ass einen Apfel und das alte Brot und war ein wenig<br />

beruhigt an jenem Tag, weil ich keine Besuche mehr erwartete<br />

und dadurch für mich selber alleine sein konnte. Ich hoffte auf<br />

eine ruhige Nacht. Den Brief <strong>de</strong>n ich an Mariano geschrieben<br />

habe, habe ich unter <strong>de</strong>r Türe so durchgesteckt, damit ein Ecken<br />

<strong>de</strong>s Briefes noch in meinem Raum lag und ich so sehen konnte,<br />

wann und ob er weggenommen wur<strong>de</strong>. Mü<strong>de</strong> und mit <strong>de</strong>r<br />

schweren Eisenkette an meinem rechten Bein, schlief ich im Bett<br />

mit <strong>de</strong>n zwei Decken ein.<br />

Sonntag, 30. März, mein 32. Geburtstag.<br />

Ich wachte früh auf und dachte an Flucht, aber wie konnte ich<br />

flüchten, ich kannte die Farm nicht und war in <strong>de</strong>r Nacht<br />

gekommen, also ist es sehr schwierig. Falls ich je aus diesem<br />

Turm raus kommen sollte, wohin ich dann rennen sollte, links<br />

rechts o<strong>de</strong>r wohin, weil ich ja nicht wusste wo Sicherheit für mich<br />

sein könnte. Ich hätte ja in die falsche Richtung rennen können<br />

30


und dann 30 km lang in <strong>de</strong>r Wildnis herumirren, das ging also<br />

nicht, aber wenn man eingesperrt ist, dann <strong>de</strong>nkt man sowieso an<br />

Flucht. <strong>Die</strong> Kette, wie konnte ich die Kette lösen. Ich erinnerte<br />

mich, dass man, wenn man verheiratet ist o<strong>de</strong>r Leute die<br />

verheiratet sind und sie <strong>de</strong>n Ehering loswer<strong>de</strong>n wollen, es mit<br />

Seife probieren. Da ich ja eine Seife hatte, dachte ich mir, aha, ich<br />

wer<strong>de</strong> warten bis es Abend ist, weil während <strong>de</strong>m Tag<br />

wegzuspringen, da wür<strong>de</strong>n sie mich auf 100 km auf <strong>de</strong>m freien<br />

wohl Feld sehen, also wollte ich, wenn schon, in <strong>de</strong>r Nacht weg.<br />

Also dachte ich mir gut, ich wer<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Versuch, die Kette<br />

mit Wasser und Seife über meinen Fuss zu ziehen, warten. Meine<br />

Nerven lagen frei. Auf einmal bekam ich grössere Angst:<br />

Nach einer halben Stun<strong>de</strong> hatte ich meine Meinung geän<strong>de</strong>rt und<br />

sagte zu mir, wer weiss, was noch passiert, es ist besser, wenn<br />

ich es jetzt versuche. Ich zog so meinen rechten Schuh aus und<br />

auch <strong>de</strong>n Socken und da ich kein fliessend Wasser hatte, benützte<br />

ich ein wenig Wasser von <strong>de</strong>r WC Schlüssel, seifte meinen<br />

nackten Fuss samt <strong>de</strong>m Eisenring ein und nahm auch das Tuch<br />

und das Gummiband unter <strong>de</strong>m Eisenring weg und versuchte<br />

mit aller Gewalt <strong>de</strong>n Eisenring über meinen Fersen und<br />

Vor<strong>de</strong>rfuss zu stülpen. Es ging aber nicht, <strong>de</strong>r Verschluss, also<br />

dieser Eisenring war ja nicht ganz geschlossen und die<br />

<strong>de</strong>mentsprechen<strong>de</strong>n Ecken, die dieser Ring hatte, stachen sehr<br />

fest auf meine Ferse, wo ich mich leicht verletzte, ich war<br />

verzweifelt, <strong>de</strong>nn selbst mit Seife ging es einfach nicht. Ich war<br />

traurig und weinte und trocknete meinen eingeseiften Fuss mit<br />

<strong>de</strong>m Handtuch ab und war sehr bemüht <strong>de</strong>n Stahlring auch von<br />

<strong>de</strong>r Seife zu befreien, was mir nicht ganz gelang, weil sich die<br />

Seife auch in <strong>de</strong>n feinen Rillen <strong>de</strong>s Gewin<strong>de</strong>s festgesetzt hatte. Ich<br />

war traurig, weil ich realisierte, dass die Kette so angemacht<br />

wur<strong>de</strong>, dass es für ewig war, was mein Tod be<strong>de</strong>utete. Ich<br />

weinte, weil ich an meine Familie dachte und dass mich keiner so<br />

schnell vermissen wür<strong>de</strong>, weil ich keine genauen Angaben<br />

gemacht habe, wo ich jetzt noch mal hinging, und zu<strong>de</strong>m hatte<br />

ich auch realisiert, dass es auf einer solch grossen Farm eine<br />

Leiche loszuwer<strong>de</strong>n kein Problem wäre. Wer sollte mich je da<br />

fin<strong>de</strong>n? Ich bekam auch Panik, weil ich die Seife nicht vollständig<br />

vom Ring entfernen konnte, und ich befürchtete, dass wenn bei<br />

31


einer Kontrolle die Wächter nicht die Dümmsten sind, und<br />

erkennen, dass es dort Seife daran hat und dann vielleicht<br />

erkennen o<strong>de</strong>r erraten, was ich vorgehabt hatte. Ich hatte Angst,<br />

dass sie mich dafür foltern wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rswie bestrafen<br />

wür<strong>de</strong>n. Ich blieb <strong>de</strong>n ganzen Vormittag im Bett. Spät abends am<br />

Sonntag bekam ich wie<strong>de</strong>r Besuch. Es war Lärm mit Autos, Tür<br />

aufgeschlagen, Revolver auf Kopf und kein Wort. Sie nahmen<br />

<strong>de</strong>n Brief, <strong>de</strong>n ich die Nacht zuvor unter die Tür gelegt hatte<br />

dann weg, brachten mir Kaltes zum essen und zum trinken<br />

Wasser. <strong>Die</strong> Kette wur<strong>de</strong> kontrolliert. Ich hatte Riesenangst, falls<br />

sie die Seifereste ent<strong>de</strong>cken wür<strong>de</strong>n und ich dachte mir, wenn sie<br />

es ent<strong>de</strong>cken wür<strong>de</strong>n, dann wür<strong>de</strong> ich sagen, dass ich meine<br />

Füsse gewaschen habe. Aber dann war das Problem, sie wür<strong>de</strong>n<br />

mich fragen mit was, mit Urin o<strong>de</strong>r mit was, wenn kein Wasser<br />

vorhan<strong>de</strong>n ist. Sie gingen dann aber wie<strong>de</strong>r.<br />

Anm.: Auf <strong>de</strong>n 2 Fotos (nächste und übernächste Seite) kann man sehr<br />

gut die 2 eingebrannten Stellen an meiner rechten Wa<strong>de</strong> erkennen, die<br />

von Funken beim Anschweissen <strong>de</strong>r Kette herstammen. Auf <strong>de</strong>m 2. Foto<br />

ist auch die noch nicht verheilte horizontale Schürfwun<strong>de</strong> wun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Kette gut sichtbar (2-3 cm oberhalb meines rechten Daumens). <strong>Die</strong> für<br />

das Landgericht Vaduz nachgebaute Kette samt „Mauerstueck“ befin<strong>de</strong>t<br />

sich heute im Keller <strong>de</strong>s Landgerichts, im „Argentinien-Akt“.<br />

32


Das WC füllte sich ohne dass ich es spülen konnte und auch<br />

tagsüber war <strong>de</strong>r Raum gefüllt mit <strong>de</strong>m Lärm von <strong>de</strong>r<br />

Wasserpumpe draussen. Mariano kam doch nicht, wie ich ihn<br />

gebeten habe an meinem Geburtstag. Ich weinte und war traurig,<br />

weil sie mir nicht nur meine Freiheit genommen hatten, son<strong>de</strong>rn<br />

auch meine Fluchtmöglichkeit, aber wohin sollte ich auch<br />

flüchten. In <strong>de</strong>r Nacht hörte ich oft Schüsse und auch Hun<strong>de</strong>. Das<br />

war kein gutes Zeichen. Ich war mir auch bewusst, falls ich<br />

überhaupt von <strong>de</strong>r Kette wegkommen sollte, ich dann weiterhin<br />

nicht aus <strong>de</strong>m Raum flüchten konnte, da die Fenster so<br />

zugenagelt waren, also war es aussichtslos.<br />

<strong>Der</strong> Fluchtgedanke ist dabei gestorben.<br />

Nervös schlief ich ein.<br />

33


Am nächsten Tag, Montag, 31. März.<br />

Es ist <strong>de</strong>r Geburtstag meiner Mutter, sie ist 60 Jahre alt gewor<strong>de</strong>n.<br />

Ich weinte wie<strong>de</strong>r, aber weniger, weil ich nicht mehr soviel<br />

weinen konnte. Ich las <strong>de</strong>n SPIEGEL nochmals, <strong>de</strong>nn man muss<br />

ja etwas tun, um die Zeit totzuschlagen, um auf einen an<strong>de</strong>ren<br />

Gedanken zu bekommen. <strong>Der</strong> Tag ist ja sehr, sehr lang. Ich<br />

schreibe wie<strong>de</strong>r an Mariano. <strong>Die</strong>smal etwas unterwürfiger. Bitte<br />

ihn zu kommen, offeriere ihm mein ganzes Geld und schreibe<br />

auch, wie er es sich aneignen kann, hoffte auf baldige<br />

Freilassung, hoffte auf seinen Verstand, etc. etc.<br />

34


An diesem Montag bekam ich Vormittags wie<strong>de</strong>r Besuch. Wie<br />

üblich ein Auto, ein <strong>Die</strong>selfahrzeug, das ich nicht sehen konnte<br />

von <strong>de</strong>r kleinen Fensteröffnung aus, die ich hatte. Wie<strong>de</strong>r Waffen,<br />

wie<strong>de</strong>r vermummt und wie<strong>de</strong>r Morddrohungen. Sie brachten<br />

Essen und eine Notiz von Mariano. <strong>Die</strong> Notiz von Mariano, ich<br />

wusste sie war von ihm, aber sie wur<strong>de</strong> nie von ihm<br />

unterschrieben. Es war sogar, dass darin stand, dass Mariano<br />

angeblich für wichtige Geschäfte nach Europa zurückkehren<br />

musste. Ich wusste aber und konnte an <strong>de</strong>r Art und Weise wie es<br />

geschrieben war, erkennen, dass es Mariano's Stil war. Auf <strong>de</strong>r<br />

Notiz stand, dass die Zeit auslaufe und es wur<strong>de</strong> Besuch aus<br />

Europa angekündigt. Sie legten mir Rechnungen vor. Rechnung<br />

in „Anführungszeichen‚, <strong>de</strong>nn es waren For<strong>de</strong>rungen an mich,<br />

absur<strong>de</strong> For<strong>de</strong>rungen an mich, wo sie vermutlich meine späteren<br />

Geldzahlungen rechtfertigen wollten. Ich habe sie im Detail nicht<br />

gelesen, weil wissen Sie, wenn man in Gefangenschaft ist, dann<br />

unterschreibt man alles. Ich hätte auch unterschrieben, wenn sie<br />

mir gesagt hätten, ich soll schreiben, wie ich John F. Kennedy<br />

ermor<strong>de</strong>t hätte. Es ist egal, man unterschreibt einfach alles, es ist<br />

zwecklos, man will nur lebendig aus <strong>de</strong>r Sache wie<strong>de</strong>r<br />

herauskommen.<br />

Es kam auch <strong>de</strong>r Gedanke an Mord. Ich meine <strong>de</strong>n Mord an<br />

Wächtern um hier herauszukommen, aber wie. Wenn man bei<br />

<strong>de</strong>r Türe herein kommt, links oben an <strong>de</strong>r Wand, kam ein<br />

Stromkabel aus <strong>de</strong>r Wand heraus in einen kleinen Kasten mit drei<br />

run<strong>de</strong>n Sicherungsknöpfen und dann in einen grauen Kasten<br />

führt, wo man die elektrische Wasserpumpe ein- und ausschalten<br />

kann. Neben <strong>de</strong>m Stromkabel war auch ein Stromzähler <strong>de</strong>r<br />

Marke ABB von 1992 mit <strong>de</strong>m Zählerstand von entwe<strong>de</strong>r 2030<br />

o<strong>de</strong>r 3020, ich bin mir nicht mehr sicher. Ich habe mir überlegt, ob<br />

ich eventuell die Wächter, wenn sie zur Tür hereinkommen, mit<br />

einem Stromschlag erledigen könnte. Bin mir aber nachher<br />

unsicher gewor<strong>de</strong>n, weil ich mich mit Strom nicht gut auskenne<br />

und nicht gewusst hätte, welches Kabel wo zu was führte und<br />

zu<strong>de</strong>m dachte ich, mit einer Kette am Bein wür<strong>de</strong> evt. <strong>de</strong>r Strom<br />

wie eine Erdung an mir vorbeigehen. Wenn nicht ein Stromschlag<br />

dann vielleicht die Waffe entnehmen dachte ich mir, was aber<br />

nicht so einfach sein wird, weil ich nicht nahe genug an die Waffe<br />

gekommen wäre, damit ich meine Hand hätte anlegen können<br />

35


und ich kein Tumult riskieren wollte, was sicher mein Tod<br />

be<strong>de</strong>utet hätte.<br />

<strong>Der</strong> Gedanke an eine Schlägerei kam auch, aber einen gegen zwei<br />

o<strong>de</strong>r drei und ich dann noch angekettet; dies ist nicht sehr<br />

hilfreich. Für einen Rest, für an<strong>de</strong>re Möglichkeiten, hatte ich<br />

einfach keine Kraft o<strong>de</strong>r war zu dumm dazu. Ich selber war sehr<br />

schmutzig, weil ich fast eine Woche in <strong>de</strong>rselben Kleidung<br />

gesteckt habe und die Luftfeuchtigkeit in diesem Wasserturm,<br />

Wasserwindmühle, ziemlich hoch war. Auch begann <strong>de</strong>r<br />

Stahlring in <strong>de</strong>r Nacht zu kratzen, wovon man heute noch die<br />

Schürfwun<strong>de</strong>n erkennen kann. Ich bekam wie<strong>de</strong>r Besuch mit<br />

<strong>de</strong>nselben Vorzeichen wie Lärm, das Auto, die Waffen, die Türe<br />

und Morddrohungen. Es gab auch erste Schläge auf meinen<br />

Kopf, wobei ich nicht wusste, womit ich das verdiente o<strong>de</strong>r was<br />

ich getan hatte. Bei jener Visite wur<strong>de</strong> mir wie<strong>de</strong>r Essen, Brot und<br />

Früchte und sogar meine blaue Jacke gebracht, weil sie<br />

vermutlich vermutet hatten, dass ich während <strong>de</strong>s Tages, wenn<br />

ich nicht im Bett bin, eigentlich frieren sollte, weil die Sonne nur<br />

ganz klein, also <strong>de</strong>r ganze Raum immer im Schatten war.<br />

Zu meiner Überraschung brachten sie auch mein kleines<br />

Necessaire, also meine Ba<strong>de</strong>utensilien, Reinigungsutensilientasche<br />

mit, was wie folgt beinhaltete: Es war eine<br />

Hygienetasche und es war ein Nagelklipser drin, mit einer<br />

Fingernagelreinigungsvorrichtung, ein Rasiermesser von <strong>de</strong>r<br />

Marke Gillette, kein Schaum, ein paar kleine Seifen von Hotels,<br />

sonst gaben sie mir nichts und es gab auch keine Antwort auf<br />

meine Bitten, die ich im Brief davor formuliert hatte. Sie checkten<br />

wie<strong>de</strong>r die Kette, diesmal sehr gründlich und knallten die Türe<br />

beim Hinausgehen zu und verriegelten sie mit massivem Lärm.<br />

Wisst ihr, wenn man selber nicht in einer solchen Lage war, ist es<br />

vermutlich nicht so einfach für Aussenstehen<strong>de</strong> nachvollziehbar:<br />

wie und warum ich das, was ich später tat, machte und wie und<br />

warum ich dazu kam. Wenn man sich in Hän<strong>de</strong>n solcher<br />

Verbrecher befin<strong>de</strong>t, dann macht man sich sicherlich Gedanken,<br />

wie stehen die Chancen, dass man lebend aus dieser<br />

Gefangenschaft herauskommt. Je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r so was miterlebt hat,<br />

wird vermutlich zugestehen, dass es zum ersten Gedanken an<br />

möglichen Selbstmord kommt.<br />

36


<strong>Die</strong> Grün<strong>de</strong> warum ich an Selbstmord gedacht habe, waren die<br />

Folgen<strong>de</strong>n: Ich hatte To<strong>de</strong>sangst auszustehen unter diesem<br />

psychischen und sonstigem Terror, und ich habe nie von <strong>de</strong>n<br />

Entführern gehört, dass, falls ich dies und dies erfülle, ich dann<br />

freikomme. Während <strong>de</strong>r ganzen Zeit sagten sie das nicht. Ich bin<br />

selber kein Feigling und möchte hier sagen, es ist an<strong>de</strong>rs, wenn<br />

sich jemand wegen einer verlassenen Freundin o<strong>de</strong>r eines<br />

verlorenen Arbeitsplatzes in Freiheit vor <strong>de</strong>n Zug wirft o<strong>de</strong>r sich<br />

sonst irgendwie umbringt. Dann ist er vielleicht in meinen Augen<br />

ein Feigling o<strong>de</strong>r dumm, weil wegen einer Freundin o<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren zerbrochenen Beziehungen o<strong>de</strong>r eines verlorenen<br />

Arbeitsplatzes sollte man sich nicht umbringen. Aber in einer<br />

Gefangenschaft sieht die Sache ganz an<strong>de</strong>rs aus. Ich hatte auch<br />

Riesenangst vor Folter, weil sie es auch in zwei<strong>de</strong>utigen<br />

An<strong>de</strong>utungen so gemacht hatten, was auch eine sexuelle Folter<br />

beinhaltet hätte. Es ist nämlich so, dass ich dort realisieren<br />

musste, dass sie mir nicht nur meine Freiheit, son<strong>de</strong>rn auch<br />

meine Fluchtmöglichkeiten genommen hatten und das Einzige,<br />

was einem noch übrig blieb war die Macht über Leben und Tod<br />

d.h. die Macht über sein eigenes Leben d.h. ich konnte noch<br />

selber bestimmen, wann ich sterben wollte o<strong>de</strong>r nicht. So<br />

entschied ich mich die zwei kleinen Rasierklingen, die in <strong>de</strong>m<br />

Wegwerf-Giletterasierapparat darin waren, heraus zu nehmen.<br />

Ich tat es mit <strong>de</strong>r Fingernagelreinigungsvorrichtung am<br />

Nagelknipser. Ich brach die zwei Klingen heraus, lernte mit<br />

verschlossenen Augen wie ich ohne mich zu schnei<strong>de</strong>n erkennen<br />

konnte, welche Seite das Messer und welche Seite nur diese<br />

angehefteten o<strong>de</strong>r angeschweissten kleine Metallstreifen waren.<br />

Ich wickelte sie je in ein Stück Zeitungspapierchen hinein und<br />

steckte eine Klinge in die vor<strong>de</strong>re, rechte kl. Münztasche von<br />

meiner kurzen Jeanshose und die an<strong>de</strong>re habe ich mir in die linke<br />

Po-Hosentasche gesteckt.<br />

<strong>Der</strong> Grund darin liegt da, ich vermutete, falls sie mich foltern<br />

o<strong>de</strong>r sonst was mit mir machen wür<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r nur meine Hän<strong>de</strong><br />

gefesselt auf <strong>de</strong>n Rücken bin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n, so hätte ich doch noch<br />

eine Möglichkeit mit <strong>de</strong>r rechten Hand auf <strong>de</strong>n Rücken gebun<strong>de</strong>n<br />

in die linke Potasche zu greifen und das Messerchen, das eine<br />

Länge von ca. 2 cm und ca. eine Breite von 0,5 bis 1 mm hatte,<br />

heraus zu nehmen und vielleicht dadurch die Schnur um meine<br />

37


Hand o<strong>de</strong>r sogar meine Blutvenen aufzuschnei<strong>de</strong>n. Den Rest <strong>de</strong>r<br />

Klinge, also <strong>de</strong>n Rest <strong>de</strong>r Vorrichtung zum Rasieren habe ich in<br />

altes Brot rein gesteckt. <strong>Die</strong> Lage wur<strong>de</strong> auch sonst unangenehm.<br />

Das WC war verstopft und Mücken und an<strong>de</strong>res Zeug<br />

verbreiteten sich in meinem Raum. Ich schrieb wie<strong>de</strong>r an<br />

Mariano, wobei ich je<strong>de</strong>s Mal immer unterwürfiger wur<strong>de</strong>, und<br />

ich flehte ihn an, mich freizulassen, wobei ich natürlich auch<br />

sagte, dass ich von seiner Geldschuld nichts mehr haben wollte,<br />

da mich diese Geldschuld in diese Lage gebracht hatte.<br />

Komischerweise fühlte ich mich nach <strong>de</strong>n getätigten Dingen mit<br />

<strong>de</strong>r Rasierklinge besser, da ich glaubte, ich alleine entschei<strong>de</strong>,<br />

wann ich sterben will o<strong>de</strong>r nicht. Das war das Letzte was mir<br />

blieb. Ich bin ein lebensfroher Mensch und sonst nie <strong>de</strong>pressiv<br />

o<strong>de</strong>r sonst was, aber ich hatte nur dies und ich wollte nicht, dass<br />

sie es mir wegnehmen könnten. Natürlich ausser sie kämen mir<br />

zuvor und davor hatte ich natürlich wie<strong>de</strong>r Angst. Ich möchte<br />

hier auch hinzufügen, dass ich gedacht habe, was kann ich mir<br />

selber noch Schönes machen, bevor ich diese Welt verlassen sollte<br />

und das Einzige, was mir in <strong>de</strong>n Sinn kam, wäre eventuell eine<br />

letzte Masturbation an Gedanken an die letzte Frau die ich lieben<br />

durfte.<br />

Ich überlegte mir dann, was dann passieren wür<strong>de</strong>, wenn ich ihre<br />

Bedingungen, die sie mir ja nicht konkret gestellt hatten, erfüllen<br />

wür<strong>de</strong>. Lassen sie mich frei, davon schrieben sie aber nichts. Ich<br />

dachte ich kannte Mariano gut, aber ich kannte ihn zumin<strong>de</strong>st so<br />

gut: er wür<strong>de</strong> nie einen Mord planen, ich glaubte es nicht.<br />

Abgesehen davon ist er ein riesiger Feigling. Aber ich war mir<br />

sicher, er wür<strong>de</strong> im Effekt jeman<strong>de</strong>n umbringen lassen, weil im<br />

späteren Gespräch einem <strong>de</strong>r Bewacher, er war ein Farmknecht,<br />

sagte dieser auch, dass in Argentinien ein Menschenleben nicht<br />

viel wert hat und dass es für die Angestellten nicht möglich war<br />

sich <strong>de</strong>n Befehlen <strong>de</strong>s Gutsherrn, selbst wenn es Mordbefehle<br />

wären, zu wi<strong>de</strong>rsetzen. Also Mariano müsste sich nicht mal die<br />

Finger selber schmutzig machen. Ich überlegte mir auch, dass es<br />

selbst nach meinen Zahlungen keinen Grund geben wür<strong>de</strong>,<br />

warum mich Mariano freilassen sollte. Sicher gebe es Grün<strong>de</strong>,<br />

aber auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite war die Leichtigkeit mit <strong>de</strong>r er mich<br />

38


auf <strong>de</strong>r Farm verschwin<strong>de</strong>n hätte lassen können viel grösser und<br />

das beunruhigte mich.<br />

Es wäre an<strong>de</strong>rs gewesen, wenn er mich in Spanien o<strong>de</strong>r in Vaduz<br />

entführt hätte und mich gefangen genommen hätte. Da ist die<br />

Lage komplizierter. Auf einer grossen Farm, wo kein Mensch<br />

genau weiss, wo ich bin und da gibt es mögliche Unfälle o<strong>de</strong>r da<br />

ist einfach die Leichtigkeit eines solchen Vorhabens viel grösser<br />

und dadurch auch viel präsenter im Kopf von Mariano, nehme<br />

ich an.<br />

Wir haben immer noch Montag, Geburtstag meiner Mutter und<br />

ich musste ihn in <strong>de</strong>n Briefen immer ständig davon überzeugen,<br />

dass ich kein Rachemensch bin, wie z.B. die Argentinier o<strong>de</strong>r die<br />

Latinos im Generellen. Ich will hier nur heil rauskommen und<br />

wer<strong>de</strong> niemand etwas sagen. Ich schrieb so, dass er gar nicht<br />

darauf eingehen sollte, son<strong>de</strong>rn sagte nur, ich will hier raus und<br />

das Geld ist mir nicht wichtig. Ich will einfach auch Dinge<br />

erfüllen, meine Träume, wie Heirat, Familie, Kin<strong>de</strong>r und ein<br />

ruhiges Leben führen. Ihr müsst verstehen, dass man alles macht,<br />

was sie verlangen, weil man Ihnen 100-prozentig ausgeliefert ist.<br />

Am Montagnachmittag, spät, bekam ich wie<strong>de</strong>r Besuch. Wie<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Lärm eines Wagens, <strong>de</strong>r sich ankündigte, und ich bekam<br />

sofort Herzflattern. <strong>Die</strong> Türe wur<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r massiv aufgeschlagen<br />

und die Waffe an <strong>de</strong>n Kopf gehalten und die Kette wie<strong>de</strong>r<br />

kontrolliert. Eine Notiz von Mariano mit Schreibmaschine<br />

geschrieben, ohne seine Unterschrift darauf, wur<strong>de</strong> mir wie<strong>de</strong>r<br />

zugesteckt. Er glaubte mir nicht o<strong>de</strong>r sie glaubten mir nicht in<br />

Bezug auf mein Geld und wie man es transferieren könnte o<strong>de</strong>r<br />

meine einzige geschil<strong>de</strong>rte Möglichkeit wie ich an das Geld<br />

kommen könnte und er sagte auch, dass Morgen <strong>de</strong>r letzte Tag<br />

sei und dass die Zeit zu En<strong>de</strong> gehe. Das war alles. Das Essen ist<br />

wie<strong>de</strong>r kalt gewesen. Ich glaubte durchzudrehen, obwohl mein<br />

Geist ganz scharf blieb. Ich versuchte zu schlafen, konnte aber<br />

nicht.<br />

<strong>Die</strong>nstag, 1. April.<br />

Mein ganzer Körper schmerzte und ich hatte eine unruhige Nacht<br />

hinter mir. Ich war traurig und glaubte, dass ich hier nie<br />

rauskommen wer<strong>de</strong>. Ich überzeugte mich davon selbst, wartete<br />

39


aber ab. Es war mir sehr kalt, ich kontrollierte die Rasierklingen<br />

in meinen Hosen und merkte mir wie<strong>de</strong>r auf welcher Seite die<br />

scharfe Klinge war. Ich liess alles nochmals durch meinen Kopf<br />

gehen und es wi<strong>de</strong>rsträubte mir, daran zu <strong>de</strong>nken, dass ich bald<br />

soweit kommen könnte, mir selber das Leben zu nehmen. Es<br />

kann ja nicht sein, dass ich gehe, ohne dass ich meiner Familie,<br />

meinen Freun<strong>de</strong>n, meinen besten Freun<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r Welt ADIOS<br />

gesagt hätte. Aber von hier aus konnte ich ja nieman<strong>de</strong>n<br />

erreichen. So geschah es, dass ungefähr am Mittag wie<strong>de</strong>r Besuch<br />

kam. Ich begab mich wie<strong>de</strong>r in die übliche Position, eingekauert<br />

unter meine Bett<strong>de</strong>cke, das Gesicht unter das Kissen und die<br />

Hän<strong>de</strong> und Oberarme vor meinem Gesicht. Ich hörte mehrere<br />

Personen, Schritte und zu meiner völligen unglaublichen<br />

Überraschung stand da Verdammt noch Mal dieser Verbrecher<br />

Helmut Roegele mit seiner Frau Salud Hidalgo und zwei<br />

Wächtern mit gezogenen Revolvern und Pistole vor mir im<br />

Raum. Ich möchte noch anfügen, dass ich bei einem dieser<br />

Besuche beim Wächter klar erkennen konnte, dass <strong>de</strong>r silberne<br />

Revolver mit Patronen in <strong>de</strong>r Trommel voll gela<strong>de</strong>n war.<br />

Ich begann erst dann zu realisieren, dass wahrhaftig Helmut<br />

Roegele und Mariano das alles ausgeheckt hatten. <strong>Die</strong> zwei<br />

Wächter waren maskiert und mit Waffen, Helmut und seine Frau<br />

nicht. Sie kamen in sehr gepflegtem Stil daher. Ich zitterte am<br />

ganzen Körper am ganzen Leib. Helmut schrie mich auf<br />

Spanisch an und dann auf <strong>de</strong>utsch und er sagte: "Ja, jetzt können<br />

wir Dir das antun." Ich kniete auf vom Bett und kniete vor ihm<br />

auf <strong>de</strong>m kalten Bo<strong>de</strong>n mit meinen kurzen Hosen und sagte: „Ich<br />

habe Euch doch nichts getan und ich flehe um mein Leben." <strong>Die</strong><br />

Worte von Helmut waren sicher ein grosser Teil <strong>de</strong>s<br />

Auslösungsprozesses, was ich mir dann später angetan habe. Er<br />

sagte: „Wir kriegen <strong>de</strong>in Geld sowieso. Entwe<strong>de</strong>r du machst es<br />

uns als Überweisung o<strong>de</strong>r du wirst hier einen "Unfall" erlei<strong>de</strong>n."<br />

Er sagte es in vollem Ernst. Er sagte wortwörtlich: "Ermor<strong>de</strong>t<br />

wirst du hier sicher nicht, wir sind nicht so blöd und machen uns<br />

die Hän<strong>de</strong> schmutzig, son<strong>de</strong>rn du wirst z.B. einen "Reitunfall"<br />

o<strong>de</strong>r von einem "hohen Baum fallen" und <strong>de</strong>r Arzt wird dies als<br />

Unfall bestätigen und mit <strong>de</strong>n Rechnungen, die du in<br />

Gefangenschaft unterschrieben hast o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n<br />

40


Schuldanerkennungen wer<strong>de</strong>n wir gegen <strong>de</strong>ine Erben losgehen.‚<br />

<strong>Die</strong> Erben wären mein Vater Alfons Kieber o<strong>de</strong>r meine Mutter<br />

Maria, da ich nicht verheiratet bin und keine Kin<strong>de</strong>r habe.<br />

Er hat es mit einer solchen Deutlichkeit gesagt, dass ich keinen<br />

Anlass dazu hatte, an seinen Worten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n möglichen Taten<br />

seiner Mittäter zu zweifeln, auf keinen Fall. Er legte mir zwei<br />

Rechnungen vor um die Transaktionen wohl ein wenig legaler,<br />

wenn man so sagen kann, zu gestalten. Ich las nur eine<br />

For<strong>de</strong>rung von 80 Millionen Peseten von ihm und eine For<strong>de</strong>rung<br />

von 150 Mio. Peseten von Mariano und ich dachte nur, das ist<br />

mein En<strong>de</strong>. Erstens, wieso dachten die ich hätte so viel Geld und<br />

zweitens wie konnten sie mir so was unterschieben, da ich ihnen<br />

doch absolut gar nichts schul<strong>de</strong>! Im Gegenteil, Mariano schul<strong>de</strong>t<br />

mir sogar viel und das weiss er und Helmut ganz genau. Ich habe<br />

die Postenaufstellung nicht gelesen, was dann dazu führte, dass<br />

die Frau von Helmut sich aufgeregt hat und geschrienen hat:<br />

"Willst du sie nicht lesen?" Ich habe geantwortet: "Ich kann es<br />

nicht." Sie for<strong>de</strong>rte ihren Mann auf, es mir vorzulesen, aber das<br />

tat er nicht. Ich unterschrieb aber, ich wur<strong>de</strong> genau beobachtet<br />

und Helmut hat darauf geachtet, dass ich meine genaue<br />

Unterschrift mache und nicht eine schusslige. Ich musste also<br />

zuerst auf <strong>de</strong>r Zeitungen, die ich als Tisch<strong>de</strong>cke benutzte, zuerst 2<br />

bis 3 Mal meine Originalunterschrift üben, weil ich so zitterte<br />

und ich mich erst beruhigen musste. Dann im vierten Anlauf<br />

unterschrieb ich auf das Papier von Helmut, das ich erst gar nicht<br />

gelesen hatte. <strong>Die</strong> massiven Drohungen, die darauf folgten<br />

möchte ich nicht wörtlich wie<strong>de</strong>rholen, weil ich sie nicht ganz<br />

verstehen konnte, aber es war einfach eine massive Drohung, die<br />

sicherlich je<strong>de</strong>m eingefahren wäre. Sie machte noch <strong>de</strong>n<br />

Kommentar auf spanisch, seine Frau, dass ich halt noch weiter<br />

lei<strong>de</strong>n muss, weil sie mir nicht glaubten, dass ich nur soviel Geld,<br />

41


wie ich <strong>de</strong>m Mariano aus <strong>de</strong>m Kerker geschrieben habe, habe,<br />

was mich gezwungenermassen zu <strong>de</strong>r Annahme brachte, dass ich<br />

noch gefoltert wer<strong>de</strong>n sollte, da ja die normale Haft, wenn man es<br />

als normal bezeichnen kann, die ich bis anhin durchgemacht<br />

hatte, ohne grosse Folter, dass das das Wenigste o<strong>de</strong>r das<br />

Einfachste in <strong>de</strong>ren Augen war o<strong>de</strong>r das weniger Schlimmste in<br />

<strong>de</strong>ren Augen, was ich bis anhin erlebt habe. Sie wollten noch<br />

mehr Tortur und er hat es auch so ausgedrückt. Sie sind dann<br />

schon nach 20 Minuten gegangen, nicht ohne einen weiteren<br />

Besuch am Abend anzukündigen und ich setzte, da ich ja leben<br />

möchte, einen ersten, erzwungenen und vordiktierten,<br />

handgeschriebenen Brief an Herrn Bankdirektor Bröll <strong>de</strong>r<br />

BAWAG in Österreich in Feldkirch auf. Ich schrieb ein normaler<br />

Brief an ihn und bat um Überweisung mit <strong>de</strong>m nötigen<br />

Co<strong>de</strong>wort, obwohl ich ja nicht wusste, wohin das Geld zu<br />

überweisen war, weil sie mir noch keine Angaben dazu gemacht<br />

haben. Da schrieb ich einfach <strong>de</strong>n Überweisungsauftrag und liess<br />

dann <strong>de</strong>n Platz leer damit Helmut o<strong>de</strong>r Mariano dies selber<br />

einfüllen konnten, wohin es überwiesen wer<strong>de</strong>n soll.<br />

Da kommt mir wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Sinn, dass ich – als ich die Financial<br />

Times im Kerker gelesen hatte, ich auf einen speziellen Artikel<br />

gestossen bin; in <strong>de</strong>r Aufregung fällt mir jetzt <strong>de</strong>r Inhalt nicht<br />

mehr ein: es hatte aber zu tun mit Angaben über Vermögen o<strong>de</strong>r<br />

so; in meiner Angst, dass Helmut, <strong>de</strong>r auch Englisch kann, <strong>de</strong>n<br />

Artikel sehen wür<strong>de</strong> und mich beschuldigen wür<strong>de</strong>, ich hätte<br />

Aussagen zu meinem Vermögen, auf Grund <strong>de</strong>r Worte, wie im<br />

Artikel verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, "verfälscht". Ich bekam wie<strong>de</strong>r eine<br />

Panik und riss <strong>de</strong>n Artikel aus <strong>de</strong>m Blatt und zerkaute <strong>de</strong>n<br />

ganzen Artikel und ass ihn auf.<br />

Ich spürte, dass meine Situation hoffnungslos war, und dass mein<br />

En<strong>de</strong> nah war. Es lag einfach in <strong>de</strong>r Luft. Wie<strong>de</strong>rholt hatten sie ja<br />

nie von Freiheit gesprochen, kein Mensch hat von Freiheit<br />

gesprochen, nach Erfüllung <strong>de</strong>r Bedingungen und sie hätten mich<br />

ohne Probleme Monate so halten können, ohne dass mich je<br />

jemand gefun<strong>de</strong>n hätte. Ich war traurig, weil ich nicht "Good<br />

Bye" und "Auf Wie<strong>de</strong>rsehen" zu meiner Familie, meinen<br />

Freun<strong>de</strong>n und allen Leuten, die ich kenne und die mich geliebt<br />

haben, hätte sagen können. Ich erinnere mich dann an einen<br />

Sonntagsartikel o<strong>de</strong>r einem Samstagartikel in <strong>de</strong>m Magazin vom<br />

43


Tagesanzeiger in Zürich, wo ein Journalist ein Buch geschrieben<br />

hat "Das war es also" und er Leute interviewt hat, die Dinge im<br />

Leben erlebt haben und die sich dann schon in gewissen<br />

Altersstufen gefragt haben, ob es das schon war. Ich musste mich<br />

dann auch wahrhaftig, als 32-jähriger Mann plus zwei Tage<br />

selber fragen, ob es DAS wirklich schon war. Ob ich nie mehr das<br />

Licht, die Sonne, Vaduz, meine Familie, meine eigene<br />

"zukünftige" Familie, Frau und Kin<strong>de</strong>r erleben wer<strong>de</strong>. Das<br />

machte mich sehr, sehr traurig. Da ich auch vermutete, dass sie<br />

mir nicht glauben wer<strong>de</strong>n, wegen <strong>de</strong>r tatsächlichen Höhe meines<br />

Vermögens, musste ich annehmen, dass sie mich töten wer<strong>de</strong>n.<br />

Von späterer Freiheit sprach ja niemand. Ich schrieb <strong>de</strong>n<br />

handgefertigten Brief an Herrn Bröll zu En<strong>de</strong>, es waren<br />

eineinhalb Seiten, und unterschrieb ihn korrekt. Auf <strong>de</strong>m Brief<br />

waren auch die genauen Angaben <strong>de</strong>s Kontos und <strong>de</strong>s<br />

Lösungswortes darauf. Ironischerweise hiess das Lösungswort<br />

Teklanika und das ist ungefähr <strong>de</strong>r Name eines Flusses in Alaska,<br />

wo ich 1989 mit meiner damaligen Freundin, die ich sehr geliebt<br />

habe, auf Besuch war. Im Denali-National- Park in Alaska sagten<br />

wir uns, falls wir eines Tages heiraten wer<strong>de</strong>n und ein Kind<br />

haben sollten, dann wer<strong>de</strong>n wir es, wenn es ein Mädchen wer<strong>de</strong>n<br />

sollte, Teklanika nennen, weil uns dieser Name sehr gefallen hat.<br />

Und ich war nun dort in <strong>de</strong>m Raum und musste Teklanika<br />

schreiben und nachher meinen eigenen Tod bestimmen.<br />

Meine Sinne waren sehr geschärft.<br />

<strong>Die</strong> Zuhörer mit schwachem Herz sollten jetzt nicht weiterhören<br />

und die an<strong>de</strong>ren bitte ich um Verzeihung, falls ich zu <strong>de</strong>tailliert<br />

vorgehe. Ich war mir sicher, dass bei<strong>de</strong> Verbrecher, Helmut und<br />

Mariano, vor allem Mariano mit seiner 1,5 Mil. CHF-For<strong>de</strong>rung<br />

"enttäuscht" sein wür<strong>de</strong> und er sicher schon das Geld in<br />

Gedanken ausgegeben hat. So ist er und er wird bestimmt böse,<br />

weil er nicht im Geringsten so nahe an das Geld kommt, an diese<br />

Summe, die er sich erwünscht hat von mir und als Profit aus<br />

dieser Operation schlagen wollte. Nebst <strong>de</strong>m Verlust und nebst<br />

<strong>de</strong>m Nichtbezahlen seiner Schuld dazu. Ich dachte mir, ich<br />

könnte mir eigentlich auch am Abend nach <strong>de</strong>m letzten üblichen<br />

Besuch das Leben nehmen. Damit ich sicher war, wenn ich<br />

verblute, dass ich auch genug Stun<strong>de</strong>n habe, um zu sterben. Mir<br />

44


kam dann die Angst, dass ich vielleicht nachher keine<br />

Gelegenheit dazu hätte über mein Leben selbst zu bestimmen,<br />

weil doch die Worte von Helmut und seiner Frau und die<br />

An<strong>de</strong>utungen <strong>de</strong>r Wächter, dass es mir noch schlechter ergehen<br />

sollte und dass ich noch lei<strong>de</strong>n musste, als nur diese in <strong>de</strong>ren<br />

Augen "einfache Gefangennahme", wobei natürlich meine eigene<br />

ANSICHT darüber wichtiger und vor allem die ECHTE ist. Ich<br />

war ja <strong>de</strong>r Gefangene und nicht sie. Meine Gefühle dazu waren<br />

natürlich die Ausschlaggeben<strong>de</strong>n und meine Eindrücke und<br />

nicht <strong>de</strong>ren die draussen frei herumlaufend konnten. Ich hatte<br />

keine Zeit mehr und wollte auch nicht einen Abschiedsbrief<br />

schreiben, weil ein Abschiedsbrief, wenn ich tot bin, da war ich<br />

mir sicher, sie einen Brief an meine Mutter o<strong>de</strong>r meinen Vater<br />

nicht übergeben wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n, darum hätte es auch keinen<br />

Sinn gemacht einen zu schreiben. Ich stand auf vom weissen<br />

Plastikstuhl mit all meinen Sinnen sehr geschärft und auch die<br />

Augen wie ein Adler geschärft. Ich zog meine Jacke aus, die ich<br />

an hatte und legte mich auf das Bett. Ich hatte natürlich selber nie<br />

Erfahrung mit einem Selbstmordversuch, warum auch, und bin<br />

auch sonst kein Mediziner. Ich dachte einfach, dass es mit<br />

Handgelenken aufschnei<strong>de</strong>n genügen sollte und dann das Blut<br />

fliessen sollte und einfach <strong>de</strong>r Herzstillstand eintritt, weil kein<br />

Blut mehr kommt o<strong>de</strong>r das Gehirn stirbt, weil kein Blut mehr<br />

kommt. Natürlich habe ich mir auch gedacht, dass ich gegen die<br />

Wand rennen könnte, aber mit <strong>de</strong>r Kette am Fuss kann ich nicht<br />

genug Anlauf nehmen und zu<strong>de</strong>m war ich mir nicht sicher, ob<br />

das funktioniert. Auch die Glasscheiben habe ich mir vorgestellt<br />

als Selbsttötungswaffe, aber die Rasierklingen schienen mir schon<br />

sauberer und schärfer als das Glas. Ich legte mich also auf mein<br />

Bett und nahm zuerst mit <strong>de</strong>r rechten Hand die rechte Klinge aus<br />

<strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>ren Münztasche meiner kurzen Hose und ohne dass ich<br />

grossen Schmerz empfand, schnitt ich mit <strong>de</strong>r rechten Hand<br />

einmal, zweimal, dreimal, viermal, fünfmal mit schräg, <strong>de</strong>m<br />

schräg angesetztem kleinen Messer in das linke Handgelenk.<br />

Beim 5. Mal machte es "SSSSch", wobei ich vermutlich eine Vene<br />

o<strong>de</strong>r einen Nerv angeschnitten hatte. So dachte ich je<strong>de</strong>nfalls. Das<br />

Blut floss nicht gleich und nicht so wie ich es mir erdacht hatte<br />

und gar nicht so wie es im Film immer ist. Ich wollte mit einer<br />

frischen Klinge, mit <strong>de</strong>r 2. Klinge, die linke Hand aufschnei<strong>de</strong>n,<br />

45


musste aber feststellen, dass ich ja auf <strong>de</strong>m Bett lag, auf <strong>de</strong>m<br />

Rücken, so musste ich wie<strong>de</strong>r aufstehen mit <strong>de</strong>r rechten Hand<br />

nach hinten in die linke Po-Tasche greifen, die Klinge aus <strong>de</strong>m<br />

Papier auswickeln, in die linke Hand geben, die komischerweise<br />

nicht geschmerzt hat, und dann zwei- bis dreimal mit schräg<br />

angesetztem Messer tief in das rechte Handgelenk schnitt.<br />

Wie<strong>de</strong>r machte es "SSSSch". Ich lag wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Bett und legte<br />

die Hän<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n damit das Blut auch gut fliessen<br />

konnte. Ich dankte Gott und noch an<strong>de</strong>ren Leuten für das, was<br />

sie für mich getan hatten und ich bat Gott um Verzeihung auch<br />

für das was ich getan hatte und dass er mich bitte in <strong>de</strong>n Himmel<br />

nimmt und mir meine Familie verzeihen wer<strong>de</strong>. Komischerweise<br />

verspürte ich keinen Schmerz, nur vielleicht einen kleinen,<br />

brennen<strong>de</strong>n Stich in meinen Hän<strong>de</strong>n. Ich war bereit zu sterben<br />

und auch hatte ich nicht eine Sekun<strong>de</strong> lang, nach<strong>de</strong>m ich die<br />

Hän<strong>de</strong> aufgeschnitten hatte, das Bedürfnis es abzubrechen, ich<br />

wollte sterben, weil die Täter mich überzeugt hatten, dass sie<br />

mich umbringen wer<strong>de</strong>n und mich dadurch zum Selbstmord<br />

getrieben hatten. Ich will noch jetzt dazu sagen, dass ich all<br />

meinen Mut, <strong>de</strong>n ich je in meinem Leben gehabt hatte,<br />

zusammennehmen musste, damit ich mir solchen Scha<strong>de</strong>n,<br />

solche Verletzungen beifügen konnte. Es ist falsch zu glauben,<br />

dass es einfach war, son<strong>de</strong>rn im Gegenteil, man muss seinen<br />

ganzen Mut aufbringen um sich selber das Leben so zu nehmen.<br />

Wenn ich eine Pistole gehabt hätte, wäre es einfacher und<br />

schmerzfreier erledigt gewesen und viel schneller, aber das hatte<br />

ich ja nicht. Zu<strong>de</strong>m musste ich lei<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>rum feststellen, dass<br />

das Blut nicht so floss, wie ich es vermutet hatte, und ich dadurch<br />

in eine Lage kam, wo ich feststellte, dass ich SO nicht sterben<br />

wer<strong>de</strong>, nicht sterben konnte. Ich musste aber sterben; es gab<br />

keinen Weg zurück. <strong>Die</strong> zweite Rasierklinge, die noch in meiner<br />

linken Hand, zwischen <strong>de</strong>n zwei Fingern blutverschmiert klebte,<br />

nahm ich mit <strong>de</strong>r rechten Hand weg und setzte mit dieser Hand<br />

zum hoffentlich finalen brutalen Schnitt in die linke<br />

Halsschlaga<strong>de</strong>r an; ich wusste, dass wenn diese durchtrennt o<strong>de</strong>r<br />

massiv angeschnitten ist, das Blutfliessen ohne Hilfe von Aussen<br />

nicht gestoppt wer<strong>de</strong>n kann. <strong>Die</strong> kleine Klinge bohrte sich links<br />

ca. unterhalb <strong>de</strong>s Unterkiefers ins Fleisch und beim<br />

Herunterschnei<strong>de</strong>n versuchte ich <strong>de</strong>n Druck auf die Klinge zu<br />

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erhöhen, so dass ich die tief irgendwo darunter liegen<strong>de</strong><br />

Haupthalsschlaga<strong>de</strong>r zerschnei<strong>de</strong>n kann. So, das sollte genügen,<br />

so war ich überzeugt. Wie sich jetzt (Anm.: später im Spital Vaduz)<br />

herausstellte, habe ich die Hauptschlaga<strong>de</strong>r um ca. 0,4 cm<br />

verpasst. Minuten, die mir wie Sekun<strong>de</strong>n erschienen vergingen<br />

und <strong>de</strong>r Tod wollte nicht kommen. Verdammt noch mal....<br />

So stand ich, stand ich wie<strong>de</strong>r vom Bett auf und glauben Sie mir,<br />

es ist möglich wie<strong>de</strong>r aufzustehen, obwohl man bei<strong>de</strong><br />

Handgelenke zerschnitten hat und wenn man auch ohne grossen<br />

Erfolg versucht hat, seine "eigene Kehle" durchzuschnei<strong>de</strong>n. Ich<br />

nahm eine Decke vom Bett, umwickelte die Decke um meine<br />

rechte Faust und schlug in bei<strong>de</strong> kl. Fenster, die oberhalb von<br />

meinem Bett waren, ein. Es war ein Riesenkrach und die Scheiben<br />

flogen überall herum. Ich suchte mir ein Stück, dass längste Stück<br />

mit <strong>de</strong>m spitzigsten Spitz aus und legte mich wie<strong>de</strong>r hin. Das<br />

Glas, in einer Form eines Dreiecks, hielt ich in meiner linken<br />

Hand, zwischen Daumen und <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Fingern und mit <strong>de</strong>r<br />

rechten Hand suchte ich nach <strong>de</strong>n Pulsa<strong>de</strong>rn, bzw. <strong>de</strong>m heftig<br />

schlagen<strong>de</strong>n Puls in <strong>de</strong>r „Halsgrube‚. Ich konnte links und rechts<br />

von <strong>de</strong>r Halsgrube dort <strong>de</strong>n Puls stark spüren, aber am stärksten<br />

spürte ich ihn an <strong>de</strong>r kleinen Mul<strong>de</strong> am Halsansatz. Ich legte die<br />

Glasspitze darauf an und hielt mit <strong>de</strong>r linken Hand das Glas fest<br />

und mit <strong>de</strong>r rechten Hand machte ich eine Faust, holte mit <strong>de</strong>m<br />

Arm aus und schlug mit voller Wucht, was ich noch konnte, auf<br />

das Glasmesser drauf, damit es einen Stich gibt. Es gab einen<br />

starken Schnitt in meinen Hals und ich hörte auch Luft<br />

entweichen. Ich vermute, dass es die Luftröhre war und dachte,<br />

wenn sich Blut in die Lungen füllt, dass ich dann so sterben<br />

konnte. Ich wollte aber ganz sicher gehen und setzte das Glas<br />

nochmals links, ein wenig von mir ausgesehen nach links, die<br />

Spitze versetzte ich nach links und – nach einer Drehung <strong>de</strong>s<br />

Glasstücks - schlug nochmals zu und liess das Glas danach auf<br />

meinen Bauch fallen. Es strömte sehr viel Blut heraus und floss<br />

herunter, links und rechts von meinem Hals und in meine Haare.<br />

Auch hatte ich jetzt tiefe Schnitte am linken Daumen und<br />

Zeigefinger. Ich legte die Arme wie<strong>de</strong>r hinunter auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n<br />

und hoffte, dass Gott mich zu sich nehmen wür<strong>de</strong>. Ich wollte<br />

sterben. Da ich sicher war, dass sie mich umbringen wür<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

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zuerst foltern wür<strong>de</strong>n und davor hatte ich Angst. Ich spürte,<br />

komischer Weise keinen grossen Schmerz, konnte aber noch<br />

durch die Nase und dieses Loch atmen. Ich wartete auf <strong>de</strong>n Tod<br />

und wartete und wartete und betete zu Gott, er solle mir<br />

verzeihen und mich zu ihm aufnehmen, wie wir es in <strong>de</strong>r Schule<br />

gelernt hatten, in unserer Schule. Es war komisch, ich dachte, es<br />

müssten langsam die Sinne nachlassen, die Augen und die Ohren<br />

o<strong>de</strong>r so, aber es war nicht <strong>de</strong>mentsprechend, ich konnte die Vögel<br />

klar hören und die Decke <strong>de</strong>s Zimmers gut beobachten und ich<br />

konnte auch meine Zehen bewegen und ich verstand nicht wie so<br />

was möglich war. Dann auf einmal fing <strong>de</strong>r Körper selber an,<br />

ohne dass ich es wollte, komische Laute von sich zu geben, das<br />

heisst <strong>de</strong>r Unterteil von meinem Kiefer war wie gelähmt und<br />

mein Herz pumpte wild daher und die Lunge o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Magen<br />

füllte sich mit Luft und die Laute waren so wie eine Kuh schreit.<br />

Ich lag da, vielleicht 15 - 20 Minuten und wartete auf <strong>de</strong>n Tod,<br />

<strong>de</strong>r kam nicht, aber dafür kamen die Wächter, weil sie vielleicht<br />

mein Schreien gehört hatten o<strong>de</strong>r nicht, ich weiss es nicht. Ich<br />

war nicht bewusstlos und ich hörte die Tür aufgehen und sah<br />

zwei vermummte Gestalten dort, mit Waffen in <strong>de</strong>nen Hän<strong>de</strong>n<br />

und <strong>de</strong>r eine, das war dann <strong>de</strong>r Sohn Mariano's, Mario, ich habe<br />

ihn dann erkannt, weil sie, als sie mich gesehen haben in dieser<br />

Blutschweinerei, die aussah wie auf einem Schlachthof, sie die<br />

Kapuzen abgenommen haben und die Waffen weggeschmissen,<br />

irgendwo hin, und einer von bei<strong>de</strong>n schrie dann, ich weiss nicht<br />

welcher, "<strong>de</strong>r verdammte Sauhund" hat sich umgebracht. Später<br />

dann kam <strong>de</strong>r Knecht zu meinem Bett, und fragte: "Warum,<br />

warum, hast du das getan?‚ Ich sagte nur, nein ich sagte nichts,<br />

eigentlich, ich wollte nur alleine gelassen wer<strong>de</strong>n. Und habe<br />

vielleicht geflucht, dass es mir nicht gelungen ist meinem Leben<br />

ein En<strong>de</strong> zu setzen. Sie haben sofort die Handtücher o<strong>de</strong>r das<br />

Handtuch aus <strong>de</strong>m Ba<strong>de</strong>zimmer geholt und <strong>de</strong>r eine Sohn,<br />

Mario, hatte ein Mobiltelefon und hat sofort, weiss Gott wen,<br />

angerufen und einer sagte noch, sie müssten <strong>de</strong>n Papa, also <strong>de</strong>n<br />

Mariano informieren, dass <strong>de</strong>r eine habe sich umgebracht, <strong>de</strong>r<br />

Vollidiot o<strong>de</strong>r versucht sich umzubringen und dann ging das<br />

Gerenne los. Sie haben noch kurz, <strong>de</strong>nn ich lag nochmals ca. 10-<br />

15 Minuten so da, mir mit einem Handtuch meine<br />

Halsverletzung und die Hän<strong>de</strong> eingewickelt. Ich hörte auch, weil<br />

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sie nicht wussten wie mit <strong>de</strong>r neuen Lage umzugehen, dass sie<br />

darüber referiert haben, ob sie mich sterben lassen sollten, gleich<br />

totschlagen sollen o<strong>de</strong>r ob sie mir helfen sollten. Jetzt hatten sie<br />

natürlich ein Problem. Sie hatten einen halbtoten Gefangen und<br />

kein Geld. <strong>Die</strong>s war natürlich ein Problem und da ich jetzt weiss,<br />

dass sie nur für das Geld, so geldscharf waren die und mich<br />

natürlich für das Geld "operiert" hatten. Darum hatten sie mir<br />

auch geholfen, sonst hätten sie mich sterben lassen, <strong>de</strong>nn früher<br />

o<strong>de</strong>r später wäre ich mit <strong>de</strong>m Blutverlust sowieso gestorben, da<br />

bin ich mir ganz sicher, das haben sie auch gemeint. Dann hatten<br />

sie einen Knecht beauftragt, ich kenne seinen Namen nicht, er hat<br />

nur gesagt, ich soll ihn auf Spanisch "<strong>de</strong>n Vogel" nennen. Dann<br />

haben sie mir das Hemd vom Leibe gerissen, die Hose behielt ich<br />

an. Man darf nicht vergessen, dass ich noch die Kette am Bein<br />

hatte. Sie schmierten die Glasscherben weg und hoben auch noch<br />

<strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>nen Fensterrahmen links und rechts auf <strong>de</strong>r<br />

Fassung und brachten das ganze Fenster mit <strong>de</strong>n zerbrochenen<br />

Scheiben ins Freie. Ich konnte mich selbst nicht mehr bewegen<br />

und war in Ekstase o<strong>de</strong>r so. Sie richteten meinen Körper auf und<br />

die Beine schoben sie von Richtung Bett auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n, sodass<br />

ich dann so eingeknickt auf <strong>de</strong>m Bett sass und diese Handlung<br />

mit mir geschehen liess. Ich habe dann nichts gesagt und sie<br />

haben eine zweite Matratze eine alte, echte Matratze, das an<strong>de</strong>re<br />

war ja nur ein Schaumstoff mit einem Stoff überzogen, vom<br />

oberen Stock die Treppe hinunter geschleift und sie gegenüber<br />

von <strong>de</strong>r Wand, wo ich jetzt mein Bett hatte, hingelegt, d.h. unter<br />

die Steinwen<strong>de</strong>ltreppe. Sie schleppten mich über <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

noch besser gesagt schleiften mich über <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n samt Kette auf<br />

die an<strong>de</strong>re Seite und legten mich hin. Es gab Diskussionen über<br />

was zu tun war, <strong>de</strong>r Knecht kam zu mir und sagte: ‚Enrique, ich<br />

muss dich jetzt‘ nähen. Ich wollte o<strong>de</strong>r stammelte etwas von<br />

Spital o<strong>de</strong>r Arzt, aber sie gingen nicht darauf ein. Er war ja nur<br />

<strong>de</strong>r Handlanger, und ein Knecht hat in Argentinien sowieso<br />

nichts zu sagen, sie sind wie Leibeigene bei diesem Gutsherrn<br />

Mariano.<br />

Ich lag dann dort, und ich weiss heute, dass einer <strong>de</strong>r Söhne dann<br />

wie verrückt ins Dorf gefahren ist und bei <strong>de</strong>r Apotheke<br />

Verbandszeug, Tetanusspritze, Infusion, Na<strong>de</strong>l und weiss Gott<br />

was, geholt hat und auch Gaze. <strong>Die</strong>ser Stoff wird da zum<br />

49


Verbin<strong>de</strong>n gebraucht. <strong>Der</strong> Unfall passierte so ungefähr um 14:00<br />

Uhr / 14:30 Uhr, mein Selbstmordversuch. Ich blieb dann<br />

einge<strong>de</strong>ckt liegen und <strong>de</strong>r Knecht kniete sich einmal links, einmal<br />

rechts unter <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong>ltreppe in die Ecke und fing an beim Hals,<br />

die Haut, zusammen zunähen. Es gab natürlich keine<br />

Betäubungsmittel und zu<strong>de</strong>m habe ich gar nichts gespürt, ich<br />

vermute, dass ich um die Gegend <strong>de</strong>r Verletzungen sowieso<br />

schon so sehr, ich weiss <strong>de</strong>n medizinischen Ausdruck nicht, aber<br />

sicher schon sehr betäubt war, da es ihn doch Mühe kostete die<br />

Na<strong>de</strong>l durch meine Haut zu stecken, da heisst ich die Na<strong>de</strong>l nicht<br />

spürte. Nach<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n Hals zusammengenäht hatte, nähte er<br />

vier Stiche auf das linke Handgelenk und drei Stiche in die rechte<br />

Hand. Alles wur<strong>de</strong> mit Gaze verbun<strong>de</strong>n und ich blieb dann unter<br />

<strong>de</strong>r Decke ohne Hemd auf einem Kissen aus Kunststoffwolle<br />

liegen. <strong>Die</strong> Kette blieb noch daran. Später bekam ich dann Besuch<br />

vom Sohn Marco, weil ich um einen Arzt beim Knecht gebeten<br />

hatte. Marco sagte ganz kalt mit <strong>de</strong>m kältesten Blick, <strong>de</strong>n ich je in<br />

einem Mann o<strong>de</strong>r Menschen gesehen habe: „Heinrich, du musst<br />

selbst gesund wer<strong>de</strong>n hier, wenn nicht, dann müssen wir dich<br />

umbringen, weil wir können auf keinen Fall einen Arzt hierher<br />

kommen lassen o<strong>de</strong>r dich ins Spital bringen, weil du sonst die<br />

Polizei rufen wür<strong>de</strong>st und das ganze Unternehmen samt <strong>de</strong>r<br />

Hazienda in Gefahr bringen wür<strong>de</strong>st.‚ Nämlich selbst in<br />

Argentinien ist die Polizei auch reaktionsfähig und nicht dumm,<br />

wenn ich das so sagen darf. Ich weinte nur, weil ich dachte,<br />

entwe<strong>de</strong>r heisst es, als ich wie<strong>de</strong>r zu normalen Gedanken kam<br />

und dort lag, verfluchte ich es, dass ich es nicht geschafft hatte,<br />

meinem Leben ein En<strong>de</strong> zu machen, <strong>de</strong>nn ich wollte doch von<br />

dieser Situation rauskommen und jetzt war es noch schlimmer.<br />

Jetzt lag ich zwar halbwegs verpflegt, aber immer noch in diesem<br />

scheiss, verdammten, kühlen, kalten, dreckigen, schmutzigen<br />

Verliess und immer noch die Kette am Bein und es hatte sich<br />

nichts geän<strong>de</strong>rt. <strong>Der</strong> Sohn Marco, <strong>de</strong>r Rothaarige, sagte mir auch,<br />

falls ich nicht, falls es zu Komplikationen kommen könnte, wie zu<br />

einer Infektion o<strong>de</strong>r Lungenentzündung o<strong>de</strong>r so, sie natürlich<br />

keinen Arzt rufen könnten und ich dann im Ofen verbrannt<br />

wür<strong>de</strong>. Sie haben dort einen grossen Ofen, wo sie jeweils die<br />

Reste <strong>de</strong>r Kühe o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Kuh, die sie pro Monat für <strong>de</strong>n<br />

Eigengebrauch schlachten, verbrennen, damit sie keine<br />

50


Restspuren hinterlassen. Ein Vergraben käme nicht in Frage, da<br />

es früher o<strong>de</strong>r später zu Fun<strong>de</strong>n meiner Gebeine kommen<br />

könnte, wobei ein Ofen mit so hoher Temperatur nichts übrig<br />

lassen wer<strong>de</strong> von mir. Ich war natürlich nicht gera<strong>de</strong> fröhlich<br />

über solche Nachrichten und was mich natürlich anstrengte<br />

selbst gesund zu wer<strong>de</strong>n, so gut wie ich es selbst in <strong>de</strong>r Hand<br />

hatte. Mich wun<strong>de</strong>rt es heute, dass ich nicht an <strong>de</strong>n Verletzungen<br />

einer Entzündung gestorben bin, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>m Knecht seine Hän<strong>de</strong><br />

sahen schwärzer und dreckiger als die eines Kaminfegers aus.<br />

Am Abend spät kamen sie mit einer Infusionslösung, weil ich<br />

soviel Blut verloren hatte. Dummerweise, wie man heute noch an<br />

<strong>de</strong>n Unterarmen links und rechts erkennen kann, konnten sie<br />

keine vernünftige Vene fin<strong>de</strong>n, d.h. ich musste soviel Blut<br />

verloren haben, dass sich die Venen im Unterarm links und<br />

rechts nicht <strong>de</strong>utlich zu erkennen gab, weil sie zuwenig mit Blut<br />

gefüllt war. So kam es, dass ich links sieben Einstiche mit <strong>de</strong>r<br />

blö<strong>de</strong>n Scheissna<strong>de</strong>l links und zwei o<strong>de</strong>r drei Einstiche rechts im<br />

Unterarm bekam. Sie haben auch die Flasche mit <strong>de</strong>r Infusion so<br />

hoch über mir an die Wand genagelt und aufgehängt, dass <strong>de</strong>r<br />

Flüssigkeitsdruck so stark war, dass die Lösung wie aus einem<br />

voll offenen Wasserhahnen spru<strong>de</strong>lte. Und nicht wie es sein sollte<br />

mit kleinen Tropfen. Sowieso, die Infusionslösung ging nicht in<br />

eine Vene hinein, son<strong>de</strong>rn in die Haut dazwischen und es<br />

bil<strong>de</strong>ten sich Schwellungen in <strong>de</strong>r Haut. Ich musste ihn darauf<br />

hinweisen, dass die Na<strong>de</strong>leinstiche nicht korrekt sind und er<br />

versuchte es dann bis zu 10 Mal o<strong>de</strong>r so und dann haben wir<br />

gesagt, lassen wir es lieber sein. Da lag ich nun wie ein halbtoter<br />

Hund an einer Kette und schmutzig war ich auch noch dazu, weil<br />

ich mich ja nicht waschen und die Wäsche auch nicht wechseln<br />

konnte. <strong>Die</strong> Unterhosen und Hosen konnte ich nicht wechseln,<br />

weil man sie nicht über die Kette ausziehen konnte.<br />

51


Während<strong>de</strong>m ich gepflegt o<strong>de</strong>r behan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>, räumten sie mit<br />

grosser Gründlichkeit die an<strong>de</strong>re Raumseite auf und nahmen die<br />

an<strong>de</strong>re Matratze weg. Das Bettgestell, das auch durchblutet war,<br />

das habe ich gesehen, d.h. dass das Blut durch die<br />

Schaumstoffmatratze floss und dann auf die Fe<strong>de</strong>rn und auf das<br />

Bettgestell durchtropfte. Auch wur<strong>de</strong>n alle Scherben aufgeräumt<br />

und die Fensterrahmen aus <strong>de</strong>n Angeln genommen und<br />

weggenommen. Von nun an hatte ich einen ständigen Bewacher,<br />

es war <strong>de</strong>r Knecht, <strong>de</strong>r vor mir auf <strong>de</strong>m Stuhl sass und mich<br />

beobachtete, ich weiss nicht, ob die Angst grösser war, dass ich<br />

mir noch einmal was antun könnte und sie dadurch das Geld<br />

nicht erhalten könnten, o<strong>de</strong>r ob die Bewachung und Beobachtung<br />

wirklich dazu da war, um zu schauen, ob ich nicht doch sterben<br />

wür<strong>de</strong>. Mir tat alles weh, die Öffnung in <strong>de</strong>r Speiseröhre, wie sie<br />

mir jetzt sagten, ich dachte es sei die Luftröhre, aber sie sagten<br />

nein, es sei die Speiseröhre und es wäre die Luft vom Magen<br />

herausgekommen.<br />

Ich habe bis gestern, bis zu meinem Besuch bei Herrn Dr. Moser<br />

im Spital Vaduz selbst geglaubt, dass es die Speiseröhre ist, aber<br />

er hat mir gesagt dass die vor<strong>de</strong>re Röhre die Luftröhre ist, jetzt<br />

52


weiss ich auch nicht, was ich <strong>de</strong>nken soll. Egal, es tat mir alles<br />

weh, ich hatte Angst wegen <strong>de</strong>r Öffnung, wegen <strong>de</strong>m Loch in <strong>de</strong>r<br />

damals noch Speiseröhre, wie ich noch glaubte, weil mir nur die<br />

Haut zugenäht wur<strong>de</strong>. Sie sorgten sich um mich. Logischerweise<br />

mussten sie mich ja aufpäppeln damit ich die Kohle organisieren<br />

konnte und wegen meines miserablen Zustan<strong>de</strong>s und ob wirklich<br />

keine Gefahr bestand, dass ich fliehen konnte, ich wollte auch<br />

nicht mehr fliehen, ich wollte entwe<strong>de</strong>r nur Tod o<strong>de</strong>r lebendig<br />

aus diesem Haus, aus dieser Geschichte, aus diesem Raum, aus<br />

diesem Land weg. Obwohl ich mich in so schlechtem Zustand<br />

befand, hatten sie mich trotz<strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r Kälte gelassen, ich weiss<br />

nicht wieso. Spät am Abend, ich konnte sowieso nicht schlafen,<br />

weil die Matratze, die sie mir untergelegt haben, hatte ein<br />

Riesenloch in <strong>de</strong>r Mitte, sodass mein Gesäss im Loch lag und ich<br />

dann mit <strong>de</strong>n Rippen auf einer gewissen Kante lag und dazu mir<br />

<strong>de</strong>r ganze Rücken und <strong>de</strong>r ganze Körper schmerzte. Ich wollte<br />

auch nicht schlafen, weil ich mit einem Auge, <strong>de</strong>m linken,<br />

hinüber zur Tür geschaut habe, die jetzt offen blieb, sie haben die<br />

Tür nicht mehr zugeschlossen und vor mir auf <strong>de</strong>m Stuhl o<strong>de</strong>r<br />

zeitweise auch neben <strong>de</strong>n Stuhl <strong>de</strong>r Bewacher sass. Im oberen<br />

Stock hat <strong>de</strong>r Knecht im Bett geschlafen o<strong>de</strong>r er beobachtete mich.<br />

Ich hatte immer noch das Gefühl, dass Mariano mit seinen drei<br />

Söhnen, wobei <strong>de</strong>r dritte Sohn, Pedro, <strong>de</strong>n ich nie gesehen hatte,<br />

und ich nicht weiss, ob er auch informiert war, d.h. ich habe ihn<br />

dort nie gesehen, aber ich habe in einmal in Spanien kennen<br />

gelernt. Ob Mariano mit seinen Söhnen, Mario und Marco, doch<br />

nicht zum Schluss gekommen sind, dass sie mich wegen meinen<br />

schweren Verletzungen und <strong>de</strong>r Gefahr, dass ich nicht<br />

durchkommen könnte o<strong>de</strong>r was immer, dass sie doch<br />

entschie<strong>de</strong>n mich gleich zu beseitigen. Ich hatte auch Riesenangst<br />

als <strong>de</strong>r Knecht mein Hals zugenäht hatte und dann, <strong>de</strong>r<br />

anwesen<strong>de</strong>, unmaskierte Mario mit seinem Messer das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Schnur durchtrennte. Ich lag nur bewegungslos da und schaute<br />

mit meinen Augen unter <strong>de</strong>n Li<strong>de</strong>rn hervor und sah wie Mario<br />

mit seinem grossen, langen Messer an meiner Kehle die Schnüre<br />

vom Nähen abtrennte. Ich hatte solche Angst und ich glaubte<br />

fest, dass er mir im Effekt die Kehle durchschnei<strong>de</strong>n könnte um<br />

diesem Drama und diesem Problem ein En<strong>de</strong> zu machen. Sehr,<br />

sehr spät am Abend kamen dann überraschend <strong>de</strong>r Verbrecher<br />

53


Helmut und seine Frau zu meinem Bett. Ich lag ja nicht mehr auf<br />

einem Gestell, son<strong>de</strong>rn nur noch auf <strong>de</strong>r nackten Matratze auf<br />

<strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n. Ich flehte Helmut Roegele an, da ich<br />

fälschlicherweise dachte, dass er ist <strong>de</strong>r Einzige von dieser Ban<strong>de</strong><br />

hier, <strong>de</strong>r noch ein wenig menschlich auf mich wirkte und meine<br />

Tränen kamen mir in die Augen und ich flehte sie an, mich nicht<br />

alleine zu lassen und hier wie ein Hund verrecken zu lassen. Sie<br />

schworen mir und sagten auch, dass sie angeblich von <strong>de</strong>m<br />

Ganzen zuvor nichts gewusst hätten, erst nach <strong>de</strong>m Nachtessen<br />

wur<strong>de</strong> es ihnen erzählt und sie hätten sich angeblich sehr<br />

aufgeregt und verstan<strong>de</strong>n nicht, warum Mariano mich nicht in<br />

ein Spital bringen wolle, d.h. sie verstehen es schon, aber sie<br />

wollten es nicht machen. Ich erzählte ihnen von <strong>de</strong>n missglückten<br />

Infusionseinführungen, dass wenn ich nicht an meinen<br />

Verletzungen o<strong>de</strong>r einer Vergiftung o<strong>de</strong>r Entzündung von <strong>de</strong>n<br />

dreckigen Hän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Knechts sterben wer<strong>de</strong>, dass ich sicher<br />

hier in dieser Kälte und bei dieser Luftfeuchtigkeit an einer<br />

Lungenentzündung sterben wer<strong>de</strong>, da ich sonst schon schwach<br />

war. Sie versprachen mir, dass sie sich um mich kümmern<br />

wür<strong>de</strong>n und ich solle so schnell wie möglich gesund wer<strong>de</strong>n,<br />

damit ich hier herauskomme natürlich nach<strong>de</strong>m ich Ihre<br />

Bedingungen, d.h. ihre Geldfor<strong>de</strong>rungen bezahlt hätte. Denn sie<br />

hatten sich nun auf das eingelassen, diese Herren und Verbrecher<br />

und sie wollten auf keinen Fall jetzt ohne einen Pfennig Verdienst<br />

diese Lage been<strong>de</strong>n, nur weil ich versuchte, mich umzubringen.<br />

Das Einzige das es wirklich zu jenem Zeitpunkt bewirkt hat, war<br />

dass sie mir geglaubt haben, dass ich nur das habe, was ich habe<br />

und keinen Pfennig mehr.<br />

Mittwoch, 2. April.<br />

Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen, weil ich mit einem<br />

Auge auf <strong>de</strong>n Bewacher schaute und aufpassen musste, dass er<br />

sich nicht die Hose verbrannte, weil er vor <strong>de</strong>m Stuhl einen<br />

Gaskocher aufgestellt hatte und vor mir eingenickt war und die<br />

Beine und damit seine Hosen ziemlich nah am Feuer dieser<br />

Gasflamme gestreckt hatte. Zweitens habe ich immer die Tür<br />

beobachtet, die nicht verschlossen wur<strong>de</strong>, weil ich vermutete und<br />

überzeugt davon war, dass es zu einer Kurzschlussreaktion<br />

kommen könnte von Seiten <strong>de</strong>r Verbrecher und dass sie in <strong>de</strong>r<br />

54


Nacht kommen und mich erschiessen, die Möglichkeit war sehr,<br />

sehr gross, dass es passieren wür<strong>de</strong>, um dieser unvorhergesehen<br />

Wendung, die ihr Verbrechen genommen hatte, ein En<strong>de</strong> zu<br />

bereiten. Mir ist dann auch aufgefallen, dass an <strong>de</strong>r Aussenseite<br />

<strong>de</strong>r Stahltüre offenbar extra für diese Gefangenschaft mehrere<br />

zusätzliche Riegel mit Schliessvorrichtung daran angeschweisst<br />

wur<strong>de</strong>n. Nochmals, am Mittwoch morgen kam Marco und sagte<br />

mir, dass ich, wenn ich nicht selber gesund wer<strong>de</strong>, sie mich<br />

erschiessen o<strong>de</strong>r umbringen müssten. Wobei sie es nicht selber<br />

machen wür<strong>de</strong>n, weil die ganze Familie Marti-Ventosa Roqueta<br />

Feiglinge sind. Es waren solche Leute, die dir von hinten in <strong>de</strong>n<br />

Rücken fallen und dies vermutlich einfach ihren Angestellten<br />

übertragen wür<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>r Begründung, dass es<br />

lebensnotwendig für <strong>de</strong>n Erhalt <strong>de</strong>r Einheit und <strong>de</strong>n Erhalt dieser<br />

Farm ist, dass man mich beseitigen muss, weil sonst alle im Knast<br />

o<strong>de</strong>r wo immer lan<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n, nehme ich an. Auch bat ich um<br />

einen Arzt o<strong>de</strong>r um ein Spital, weil ich nicht glauben konnte, dass<br />

mit diesen kleinen Korrekturen, die <strong>de</strong>r Knecht an mir verübt<br />

hatte, überleben wür<strong>de</strong>. Obwohl sie mir auch noch eine<br />

Tetanusspritze in <strong>de</strong>n Hintern geschossen haben und noch eine<br />

an<strong>de</strong>re Spritze, die sie beim Arzt im Dorf o<strong>de</strong>r sonst wo gekauft<br />

hatten, ich konnte nicht glauben, dass das so heilen wür<strong>de</strong>.<br />

Zu<strong>de</strong>m war ja mein seelischer Zustand auch nicht <strong>de</strong>r Beste und<br />

das heisst es war eigentlich eine sehr verrückte Lage, weil ich ja<br />

noch angekettet war und wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Scheisse <strong>de</strong>s Kerkers drin<br />

war. <strong>Der</strong> Knecht blieb die ganze Zeit bei mir, Tag und Nacht, und<br />

es gab auch einige, peinliche Situationen, wo ich auf <strong>de</strong>n<br />

Stuhlgang musste und ich mich aber schämte. Für <strong>de</strong>n Urin war<br />

es kein Problem, <strong>de</strong>nn da konnte ich in eine leere<br />

Mineralwasserflasche aus Plastik meine Blase entleeren und auf<br />

die Toilette musste ich im Moment nicht gehen, da ich ja sowieso<br />

nicht viel gegessen hatte. Ich blieb dann <strong>de</strong>n ganzen Tag im Bett<br />

liegen und dauernd kamen Leute und fragten nach meinem<br />

Bewusstsein, nach meinen Gefühlen und ich sagte, ich könne<br />

meine Hän<strong>de</strong>, meine Arme und nichts bewegen. Mein Hals war<br />

ganz starr. Das Herz und das Hirn waren sehr geschärft. Ich<br />

weiss nicht auf wessen Treiben hin entschie<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>, dass sie<br />

mich verlegen wür<strong>de</strong>n und zwar aus diesem Raum heraus und in<br />

einen an<strong>de</strong>ren Keller. Jetzt kommt mir noch in <strong>de</strong>n Sinn, dass ich<br />

55


für mich selber, wenn ich dachte, dass ich mal rauskomme, ich<br />

mir soviel wie möglich merken muss von <strong>de</strong>n Details dieses<br />

Gefängnisses. Ich weiss z.B. als ich dort auf dieser Matratze auf<br />

<strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>r Rundtreppe lag, dort eine Stelle gibt, wo<br />

<strong>de</strong>r weisse Verputz und die Farbe weggebröckelt ist und die<br />

Form, die es hinterlässt auf <strong>de</strong>m dunklen, grauen Betongrund ist<br />

die Form einer Maus o<strong>de</strong>r einer Ratte, einer ganz Kleinen. Zu<strong>de</strong>m<br />

müssen jetzt beim betonierten Treppengelän<strong>de</strong>r von dieser<br />

Rundtreppe zwei bis drei Löcher in die Betonmauer<br />

eingehämmert sein, wo sie <strong>de</strong>n Nagel eingeschlagen haben damit<br />

man die Infusionsflasche aufhängen kann, die, die sie ja nicht gut<br />

brauchen konnten, die Infusionslasche. Zu<strong>de</strong>m kann je<strong>de</strong>r ganz<br />

klar erkennen warum, <strong>de</strong>nn falls es zur Anklage kommt, sie<br />

sagen wür<strong>de</strong>n, ja das hat <strong>de</strong>r Heinrich sich selber beigebracht,<br />

weil er <strong>de</strong>pressiv war, obwohl mich alle Leute die mich kennen,<br />

sofort verstehen wür<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r sofort die Hand ins Feuer legen<br />

wür<strong>de</strong>n, dass ich mir nie selber ohne diese zwingen<strong>de</strong>n<br />

Massnahmen o<strong>de</strong>r Umstän<strong>de</strong> unter <strong>de</strong>nen ich mich befun<strong>de</strong>n<br />

hatte, ich mir das Leben nehmen wür<strong>de</strong> und zu<strong>de</strong>m ist dann die<br />

grosse Frage hier, wenn die, die als meine Freun<strong>de</strong> gelten o<strong>de</strong>r<br />

galten, Mariano und Kompagnon, warum holten sie <strong>de</strong>nn keinen<br />

Arzt o<strong>de</strong>r haben mich ins Spital gebracht, als ich mir solche<br />

Verletzungen zufüge und ich weiss ganz genau, dass es keinen<br />

einzigen Arzt in Argentinien o<strong>de</strong>r sonst wo gibt, <strong>de</strong>r mich vom 1.<br />

April an bis ich zu meiner Abreise aus Argentinien gesehen hat,<br />

weil ich eben in Gefangenschaft war und sie es nicht riskieren<br />

konnten, dass ein Arzt mich aufsucht, weil <strong>de</strong>r Arzt ja vermutlich<br />

dann zur Polizei gegangen wäre und weil er vermutlich auch die<br />

Verletzungen o<strong>de</strong>r die Kette gesehen hätte.<br />

56


Auf je<strong>de</strong>n Fall haben sie dann entschie<strong>de</strong>n, dass ich aus <strong>de</strong>m<br />

kalten Keller in das Haupthaus verlegt wer<strong>de</strong>n sollte, wo ich<br />

besser genesen kann. Ja, das Problem lag daran, dass die<br />

restlichen Familienangehörigen, vor allem die Frauen, glaube ich,<br />

nicht informiert waren, und sie mussten es also so herdrehen,<br />

dass ich in <strong>de</strong>r Nacht o<strong>de</strong>r im Dunkeln o<strong>de</strong>r ganz geheim in ein<br />

Zimmer in diesem grossen Haus eingeschleust wer<strong>de</strong>. Ich konnte<br />

mich mit meiner letzten Kraft und mit Hilfe von ihnen dann vom<br />

Bett aufstehen und trotz<strong>de</strong>m musste ich wie<strong>de</strong>r vier bis fünf<br />

Stun<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>m weissen Stuhl in <strong>de</strong>m leer geräumten Raum<br />

warten, weil es wie<strong>de</strong>r Komplikationen gab.<br />

<strong>Die</strong> Komplikationen gab es daraus, dass Helmut und Mariano<br />

sich zugehend uneinig wur<strong>de</strong>n, wie <strong>de</strong>r Weiterverlauf dieser<br />

Angelegenheit sich entfalten sollte, Helmut hatte schlechte<br />

Karten, weil er selber mit seiner Frau auf dieser Farm, <strong>de</strong>m<br />

Mariano und seinen Söhnen und <strong>de</strong>r ganzen Angelegenheit<br />

ausgeliefert war, wobei ich ihn hier nicht in Schutz nehmen<br />

möchte, weil er ein Hauptinitiator zusammen mit Mariano von<br />

dieser Angelegenheit ist und dann natürlich selber<br />

verantwortlich ist für die Lage, in <strong>de</strong>r er glaubte sich zu befin<strong>de</strong>n.<br />

Ich musste also vier bis fünf Stun<strong>de</strong>n auf diesem Stuhl warten<br />

und das Zimmer wur<strong>de</strong> ganz, ganz leer geräumt. Alle Spuren<br />

57


wur<strong>de</strong>n soweit wie möglich entfernt. Natürlich, bevor ich gehen<br />

konnte, haben sie eine Eisensäge gebracht, es war, glaube ich,<br />

eine grüne "Black and Decker", auf je<strong>de</strong>n Fall war es eine grüne,<br />

elektronische Eisensäge, die sie dann nicht benutzen konnten,<br />

weil <strong>de</strong>r Strom ausgefallen war. Ich natürlich, in meiner<br />

Elendsverfassung, glaubte eher an einen Trick, dass sie wie<strong>de</strong>r<br />

versuchen wür<strong>de</strong>n etwas mit mir zu machen, und ich war so<br />

geängstigt, dass ich mir vorstellen konnte, dass sie mit <strong>de</strong>m<br />

Eisenschnei<strong>de</strong>r vielleicht mein Bein abhacken könnten. Sie waren<br />

böse, dass ich mir so was zugetan habe und dass ich die ganze<br />

Organisation auf <strong>de</strong>n Kopf gestellt hatte. Den Eisenschnei<strong>de</strong>r<br />

konnten sie dann nicht verwen<strong>de</strong>n, weil es keinen Strom gab, so<br />

sprang <strong>de</strong>r Marco weg und brachte eine Han<strong>de</strong>isensäge und ich<br />

habe mein Fuss nicht gesehen, weil ich ja dafür unbeweglich<br />

liegen bleiben musste und habe nur gehofft, dass sie mir nicht<br />

weh tun. <strong>Der</strong> Knecht war auch da und hat mich beruhigt und<br />

hielt <strong>de</strong>n Eisenring fest und abwechslungsweise haben sie dann<br />

die Kette o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Eisenring aufgesägt. Es war für mich eine<br />

grosse Erlösung, dass ich nach einer Woche an dieser Kette, 24<br />

Stun<strong>de</strong>n lang, endlich frei war. Sie zogen mir meinen Socken und<br />

meinen Schuh wie<strong>de</strong>r an, <strong>de</strong>n sie vorher ausgezogen hatten, vor<br />

<strong>de</strong>m Abtrennen, nein, sie zogen mir bei<strong>de</strong> Schuhe und <strong>de</strong>n<br />

Socken aus und steckten meine Füsse unter die Bett<strong>de</strong>cke. In<br />

diesem Zwischenraum, <strong>de</strong>r zum Ba<strong>de</strong>zimmer geht, haben sie <strong>de</strong>n<br />

Gaskocher aufgestellt und heisses Wasser gekocht. Ich musste<br />

lei<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r Angst haben, weil ich dachte, sie hätten mir meine<br />

Schuhe und meine Socken ausgezogen - um die sie sich eine<br />

ganze Woche nicht gekümmert hatten- weil sie vielleicht meine<br />

Fusssohlen verbrennen wollten, damit ich nicht wegflüchten<br />

könne. Mir sagten sie, dass dies ab und zu bei solchen Situationen<br />

sein muss, dass man die Füsse in kochen<strong>de</strong>s Wasser stellt und<br />

dadurch die Fusssohlen aufschwollen und natürlich keine<br />

Möglichkeit für mich bestehen wür<strong>de</strong>, wegzurennen, da ich nicht<br />

mehr auf <strong>de</strong>n Füssen stehen könnte. Ich hatte solche Angst, so<br />

Angst, wie noch nie in meinem Leben während <strong>de</strong>r ganzen<br />

Geschichte. Sie haben mir dann Tee gemacht und nicht die<br />

Fusssohlen verbrannt und ich trank ihn NICHT, <strong>de</strong>nn mein<br />

Körper war ganz auf Alarm eingestellt, aufpassen was geht und<br />

weil ich eben wusste, dass es ganz feige Leute sind, die mich<br />

58


eigentlich nur von hinten umbringen, d.h. mir gut zulächeln<br />

wür<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>s war ein grosses Problem, <strong>de</strong>nn wenn man schon in<br />

Gefangenschaft ist, dann fin<strong>de</strong> ich, ist es wahrscheinlich besser,<br />

wenn man direkt konfrontiert wird und es wird gesagt,<br />

erschiesst mich o<strong>de</strong>r anstelle man fälschlich schon in solcher Lage<br />

ist, dass man ihnen 100-prozentig ausgeliefert ist und dass sie wie<br />

sie es mit mir gemacht haben, mich dauernd in <strong>de</strong>r Unwissenheit<br />

liessen, was genau geschehen wird und mich falsch informierten,<br />

bewusst, und ich dadurch mehr Angstzustän<strong>de</strong> bekam, als dass<br />

ich mich hätte beruhigen können. Am Schluss konnte ich keinem<br />

von allen Leuten mehr trauen und war sehr traurig darüber. Jetzt<br />

kommt mir noch in <strong>de</strong>n Sinn, dass an <strong>de</strong>m Besuch, an <strong>de</strong>m Tag,<br />

wo mich Herr Helmut und seine Frau und die zwei Bewacher<br />

zum ersten Mal besucht haben, das war kurz vor meinem<br />

Selbstmordversuch, dass ich beim Flehen um mein Leben und wo<br />

ich gemerkt habe, sie glauben mir nicht, dass ich gesagt habe,<br />

dann sollen sie mich, wenn sie mich umbringen, mich bitte mit<br />

<strong>de</strong>r Pistole erschiessen und daraufhin hat Helmut gesagt: "Nein,<br />

so einfach machen wir es dir nicht, wir wer<strong>de</strong>n dich einem<br />

grausameren Tod, einen grausamen Unfall erleben lassen, wo du<br />

noch lange halb tot bei Bewusstsein sein bleibst und dann stirbst."<br />

Ja, das ist mir noch in <strong>de</strong>n Sinn gekommen.<br />

Ich sass also, als mir die Kette gelöst wur<strong>de</strong>, auf <strong>de</strong>m Stuhl und<br />

wartete nochmals weitere drei Stun<strong>de</strong>n. Meine Nerven wur<strong>de</strong>n<br />

wie<strong>de</strong>r auf das Äusserste gespannt, weil dauernd <strong>de</strong>r Sohn<br />

Marco o<strong>de</strong>r Mario immer rein kamen und raus gingen und<br />

geflüstert haben mit meinem Knecht und ich wusste nicht, was<br />

los ging. Einmal sagten sie, <strong>de</strong>r Deutsche – Helmut - habe einen<br />

Lügen<strong>de</strong>tektorapparat organisieren können und sie wer<strong>de</strong>n mich<br />

daran anschliessen und wenn sie mir Fragen stellen wür<strong>de</strong>n über<br />

mein Vermögen und es nicht stimme, das was ich habe, dass das<br />

alles ist und wenn dann <strong>de</strong>r Lügen<strong>de</strong>tektor das herausfän<strong>de</strong>, ich<br />

dann gefoltert wer<strong>de</strong>. Ich konnte es nicht glauben, dass ich am<br />

Tag zuvor o<strong>de</strong>r waren es zwei Tage, ich bin mir nicht mehr<br />

sicher, ob es schon <strong>Die</strong>nstag, Mittwoch o<strong>de</strong>r Donnerstag war, wo<br />

ich diese drei Stun<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>m Stuhl auf die Verlegung wartete,<br />

<strong>de</strong>nn ich hatte solche Angst, dass ich vielleicht, bedingt durch<br />

meine Gemütslage und meine Nerven beim Lügen<strong>de</strong>tektor<br />

versagen wer<strong>de</strong> und dass dieser vielleicht falsch reagieren wür<strong>de</strong>,<br />

59


weil ich wusste ja, ich habe ja nicht mehr Geld, aber vielleicht<br />

wür<strong>de</strong> durch meine Situation das Resultat <strong>de</strong>s Lügen<strong>de</strong>tektors<br />

an<strong>de</strong>rs herauskommen und ich dadurch gefoltert wer<strong>de</strong>. Ich habe<br />

dann wie<strong>de</strong>r geweint und gesagt, dies ist alles was ich habe, und<br />

ich will hier nur raus. <strong>Der</strong> Knecht hat mich versucht zu<br />

beruhigen. Er war <strong>de</strong>r Menschlichste von allen, wenn man es so<br />

nennen darf, und ich habe schon mal gehört und ich weiss, dass<br />

wenn gefangene Leute o<strong>de</strong>r so westliche Gefangene über längere<br />

Zeit gefangen sind, versuchen sie halt an je<strong>de</strong>r Hoffnung, allem<br />

Positiven, wenn man es so nennen kann, je<strong>de</strong>m positiven<br />

Gedanken eines <strong>de</strong>r Bewacher o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Verbrecher, man versucht<br />

sich daran anzuhängen und das Menschliche zu sehen und man<br />

wünscht sich, dass es doch so Leute sind, wie Sie und ich<br />

zusammen und dass wir uns nie fähig sehen, so etwas an<strong>de</strong>ren<br />

Menschen anzutun. Zu<strong>de</strong>m wussten sie ganz genau, dass, wenn<br />

sie mir wie<strong>de</strong>r falsche Informationen gaben und mir Angst<br />

machten, dass ich am En<strong>de</strong> meiner Nerven war und dadurch<br />

noch mehr Angst hatte. Es kamen sehr oft Momente, wo man<br />

meine ganze Hand und bei<strong>de</strong> Arme stark zitterten und ich<br />

konnte es nicht stoppen, dass sie zitterten. Also ich konnte auch<br />

nicht etwas in meine Hand nehmen o<strong>de</strong>r so, sie zitterten einfach<br />

so stark, dass ich es nicht verstecken konnte und dummerweise<br />

zitterte ich um mein Leben und zitterte, weil ich Angst hatte, sie<br />

wür<strong>de</strong>n mir nicht glauben, dass ich die Wahrheit sage. Sie<br />

wie<strong>de</strong>rum nahmen genau das Gegenteil an, nämlich dass wenn<br />

ich zitterte, sie vermuteten, dass ich so Angst hätte, weil ich nicht<br />

die Wahrheit gesagt hätte und nicht <strong>de</strong>shalb‚ weil sie mit <strong>de</strong>r<br />

Folter gedroht hatten. Das ist die Ironie darin. Ich wartete und<br />

wartete und mir wur<strong>de</strong> schlecht, weil ich einfach nicht wusste,<br />

warum wir warteten. Auf einmal kam <strong>de</strong>r Täter Helmut herein –<br />

mit etwas, ich habe es zuerst gar nicht gesehen - einem Kuvert,<br />

darin war ein Brief. Er sagte mir heuchlerisch: "Entschuldigung<br />

Heinrich, wir konnten dich nicht früher verlegen wegen <strong>de</strong>n<br />

Söhnen von Mariano." Ich weiss genau, wenn Mariano so was<br />

sagt, ist es immer er selber, er schiebt gerne die Schuld auf an<strong>de</strong>re<br />

Leute, weil "die Söhne von Mariano", die angeblich wirklich<br />

nichts wussten, sie haben nur die Befehle ausgeführt von<br />

Mariano, sie wussten angeblich nicht genau, warum‚ was, wieso,<br />

Geld und so. <strong>Die</strong> Söhne von Mariano eben, wollten, dass ich das<br />

60


unterschreibe. Ich sagte: "Klar, ich unterschreibe alles, was mir<br />

vorgelegt wird, es ist mir Wurst." Wie<strong>de</strong>rum musste ich mit Hilfe<br />

<strong>de</strong>r zwei Wächter, <strong>de</strong>m Knecht und <strong>de</strong>m einen Sohn von<br />

Mariano, Marco, aufstehen. Sie haben mir unter die Arme<br />

gegriffen und mir das kleine Möbelstück gebracht, wo die<br />

rosarote Zeitung schon weg war, alles war eigentlich schon weg<br />

und ich musste dort auf <strong>de</strong>r Rückseite <strong>de</strong>s Kuvert wie<strong>de</strong>r meine<br />

Unterschrift üben, damit es nicht verzittert ausschaute. Ich habe<br />

es gemacht und dann habe ich die Unterschrift auf ein maschinen<br />

geschriebenes Papier gesetzt, das, wie ich erkennen konnte,<br />

ungefähr die Abschrift von meinem handgeschriebenen Brief<br />

war, <strong>de</strong>n Letzten, <strong>de</strong>n ich geschrieben habe an, <strong>de</strong>n an<br />

Bankdirektor Bröll in Feldkirch und die zusätzlichen Angaben,<br />

die darauf waren, waren eben Angaben mit Bankkonten und so,<br />

die ich selber nicht wusste, Kontos wohin das Geld hinkam. Ich<br />

glaube eine Überweisung wür<strong>de</strong> auf ein Konto in Spanien<br />

gemacht, das <strong>de</strong>r Firma gehört, einer Briefkastenfirma von<br />

Panama und es ist dieselbe alte Briefkastenfirma aus Panama, die<br />

heisst "Maritim Compania Naviera S.A." o<strong>de</strong>r so ähnlich; die ist<br />

auch Besitzerin <strong>de</strong>r Hazienda "Estanzia San Francisco", also <strong>de</strong>r<br />

Farm San Francisco und das an<strong>de</strong>re Konto war ein<br />

Geschäftskonto von Helmut Roegele. Ich habe es unterschrieben<br />

und dann musste ich wie<strong>de</strong>r warten und wie<strong>de</strong>r warten und <strong>de</strong>r<br />

Knecht stand immer neben mir und machte einen Kreis um mich<br />

herum und machte mich ganz nervös. <strong>Der</strong> an<strong>de</strong>re Sohn von<br />

Mariano, jeweils <strong>de</strong>r Marco o<strong>de</strong>r Mario, kamen<br />

abwechslungsweise zur Tür herein und flüsterten und stan<strong>de</strong>n<br />

drinnen vor <strong>de</strong>r Tür und öffneten die Tür ganz wenig und<br />

schauten hinaus was vor sich ging und was nicht vor sich ging<br />

und so. Ich habe gedacht, die wür<strong>de</strong>n mir nur sagen, dass sie<br />

mich in Sicherheit bringen wür<strong>de</strong>n, aber in Wirklichkeit wür<strong>de</strong>n<br />

sie mich umbringen. Ich habe <strong>de</strong>n Fax und <strong>de</strong>n Brief<br />

unterschrieben und vielleicht hätten sie ja Glück gehabt und<br />

hätten das Geld so gekriegt, wie es von mir aufgesetzt wur<strong>de</strong>,<br />

weil wir alle noch nicht wussten, we<strong>de</strong>r ich noch die an<strong>de</strong>re Seite,<br />

dass es in <strong>de</strong>m spezifischen Fall, wie ich das Geld bei <strong>de</strong>r<br />

BAWAG hatte, das Buch selber erfor<strong>de</strong>rlich war, das Sparbuch in<br />

<strong>de</strong>m das Geld verbucht war.<br />

61


Schlussendlich, als es dunkel wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn ich habe darum<br />

gebeten, mich nicht in <strong>de</strong>r Dunkelheit zu verlegen, weil ich<br />

wusste, dass Dunkelheit <strong>de</strong>r Tod be<strong>de</strong>utet. Ich bin bei Dunkelheit<br />

auf die Farm gekommen und bin überfallen wor<strong>de</strong>n, und ich<br />

wusste Dunkelheit, das hat kein gutes Omen. Trotz<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> es<br />

dann dunkel und endlich kam Helmut wie<strong>de</strong>r und hat gesagt, er<br />

wür<strong>de</strong> mich zum Haupthaus begleiten, das übrigens nicht weit<br />

weg liegt. <strong>Die</strong>s hat er mir zum ersten Mal gesagt, ich wusste ja<br />

nicht wie weit und wo dieser Wasserturm war o<strong>de</strong>r wie viele<br />

Wassertürme es auf dieser Farm gibt. Sie stülpten mir eine dieser<br />

Skimasken über <strong>de</strong>n Kopf und halfen mir auf die Beine. Es war<br />

das erste Mal, dass ich halbwegs laufen konnte und wäre<br />

eigentlich nach vorne hingefallen, vermutlich aus Blutmangel<br />

o<strong>de</strong>r so, und da mussten sie mich angestrengt auffangen, weil ich<br />

über 100 kg schwer bin. Ich wur<strong>de</strong> in ein Auto gebracht, ein<br />

grosser Jeep, ein Amerikaner, wie ich später erkennen konnte<br />

und sass in <strong>de</strong>r Mitte. Rechts von mir sass Helmut und links<br />

wur<strong>de</strong> das Auto von Mario gesteuert. Ich glaube es war auch sein<br />

<strong>Die</strong>nstwagen, also Arbeitsauto. Meine rechte Hand hat mir so<br />

weh getan und ich habe die Hand von Helmut gehalten. <strong>Die</strong><br />

Skimütze war nicht ganz dicht; also mussten sie mir aus einer<br />

Tasche, die sie hatten, worin sich ein Leintuch befand, das weisse<br />

Leintuch um meinen Kopf wickeln, damit ich <strong>de</strong>n Weg vom<br />

Wasserturm zum Haupthaus nicht sah. Ich habe die Hand von<br />

Helmut ganz fest gedrückt und ich bat Helmut auf Deutsch: "Du<br />

kennst <strong>de</strong>n Weg, du bist schon hierher gefahren, pass auf, dass er<br />

nicht einen falschen Weg fährt." Ich habe wie<strong>de</strong>r Angstzustän<strong>de</strong><br />

bekommen, weil Mario, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Wagen fuhr, war nicht die<br />

normale Route gefahren, weil ich hörte wie Helmut zu Mario auf<br />

Spanisch sagte: ‚Ja, wohin fährst du? Warum fährst du so? Wo<br />

fährst du hin?" Ich hatte solche Angst, ich dachte, jetzt haben sie<br />

<strong>de</strong>n Helmut auch überrumpelt o<strong>de</strong>r sie spielten mir alle etwas<br />

vor und weil Helmut offensichtlich ohne zu lügen erkannt hat,<br />

dass es nicht <strong>de</strong>rselbe Weg ist und Mario nur sagte, er solle sich<br />

beruhigen, er fahre einen Umweg damit die Angestellten und die<br />

Frauen vom Haupthaus mich nicht erkennen o<strong>de</strong>r sehen wür<strong>de</strong>n.<br />

Ich hatte solche Angst, ich dachte, sie wür<strong>de</strong>n mich an eine<br />

Waldlichtung fahren und ich hätte eine Kugel im Kopf. Ich sagte<br />

das im Auto zu Helmut. Es war eine Fahrt von, ich weiss nicht, es<br />

62


kam mir länger vor als es war, aber ich schätze so ca. drei bis vier<br />

Minuten, mehr nicht mit seinen Umwegen. Ich habe Helmut<br />

gebeten, dass wenn sie mich erschiessen, bitte eine Kugel in <strong>de</strong>n<br />

Kopf, nur bitte keine Folter. Ich habe aber das Wort Folter nicht<br />

mal in <strong>de</strong>n Mund genommen, weil es dumm ist die Leute auf<br />

I<strong>de</strong>en zu bringen, die sie vielleicht im Moment gar nicht hatten<br />

o<strong>de</strong>r an die sie gar nicht dachten im Moment und wenn sie<br />

merkten, dass ich vor irgend etwas sehr viel Angst hatte, dann<br />

wür<strong>de</strong>n sie mich extra damit foppen o<strong>de</strong>r mich ängstlich machen,<br />

weil sie wissen wür<strong>de</strong>n, dass genau dieses Thema mich sehr<br />

beängstigte. Ich habe darum gebeten: "Nur eine Kugel im Kopf,<br />

falls es soweit ist. Bitte lasst mich als Mensch sterben und nicht<br />

als ein Schwein o<strong>de</strong>r eine Kuh." Wahrhaftig, er hat das Auto<br />

angehalten und dann wur<strong>de</strong> mir das Leintuch vom Kopf<br />

abgewickelt und die Mütze auch. Ich konnte dann sehen, ich war<br />

beruhigt, <strong>de</strong>nn ich konnte ein kleines drei mal zwei Meter grosses<br />

Kin<strong>de</strong>rschwimmbecken auf <strong>de</strong>r Wiese erkennen, auch<br />

Kin<strong>de</strong>rspielzeug, ein Gartenstuhl mit run<strong>de</strong>m Tisch aus Metall<br />

und zwei Stühlen. Ich wur<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Hand unterstützt, weil ich<br />

selber nicht gut laufen konnte und durch eine Tür in das<br />

Hausinnere gebracht. Es war ein Haus aus <strong>de</strong>n 30er Jahren, gross<br />

gebaut und mit sehr viel Holz.<br />

Ich wur<strong>de</strong> die Treppe hoch und dann in ein Zimmer gebracht. Ich<br />

war sehr beruhigt für <strong>de</strong>n Moment, weil im Zimmer meine blaue<br />

Tasche war und meine Anzugtasche. Das Zimmer war durch eine<br />

Tür zu betreten, hinter <strong>de</strong>r Türe war ein Gang und von diesem<br />

Gang aus ging eine Tür in ein Zimmer, die an<strong>de</strong>re Tür in ein<br />

Ba<strong>de</strong>zimmer, die an<strong>de</strong>re Tür in mein Zimmer und noch ein<br />

Ba<strong>de</strong>zimmer und ein weiteres Zimmer. <strong>Der</strong> Knecht, mein<br />

Bewacher, war auch bei mir und für ihn, glaube ich, war es das<br />

erste Mal, dass er in einem solchen Haus gewohnt hat o<strong>de</strong>r solch<br />

ein Ba<strong>de</strong>zimmer gesehen hat, weil er sehr arm ist. Er hat eine<br />

Frau und vier Kin<strong>de</strong>r, wie er mir sagte, aber ich wusste nicht, was<br />

ich glauben sollte und was nicht, sie haben mich so viel<br />

irregeführt. Das Zimmer, wo ich war, war mit zwei Einzelbetten<br />

aus schönem Holz belegt. Ein Tisch, vermutlich original eine<br />

an<strong>de</strong>re Farbe, aber dann mit brauner Farbe dick übermalen mit<br />

einem Stuhl und einem weiteren Stuhl ohne Armlehnen o<strong>de</strong>r<br />

bei<strong>de</strong> mit Armlehnen, ich glaube, einer ohne und einer mit. Auf<br />

63


<strong>de</strong>m Tisch hatte es ein kleines Regal fest montiert, einer zweiten<br />

Tischplatte nach hinten, worauf man Sachen abstellen konnte.<br />

Das Zimmer hatte zwei Fenster. Eines in eine Richtung und das<br />

an<strong>de</strong>re in die an<strong>de</strong>re Richtung. Das Zimmer war ein Eckzimmer<br />

<strong>de</strong>s Hauses. Bei<strong>de</strong> Zimmerfenster waren wie alle Zimmer im<br />

Haus mit Eisengitter zugemacht, gegen <strong><strong>Die</strong>b</strong>e und sonstiges<br />

Zeug, original gebaut. In <strong>de</strong>r Wand vor meinem Bett, wo ich<br />

schlief, waren an <strong>de</strong>r Wand, wo das Fenster in <strong>de</strong>r Mitte ist, links<br />

und rechts Bücherregale eingelassen. Dann gab es einen grossen<br />

Schrank, das Zimmer hat eine Decke von min<strong>de</strong>stens 2,5 Meter<br />

o<strong>de</strong>r drei Meter Höhe, es war sehr hoch. <strong>Der</strong> Schrank selber war<br />

min<strong>de</strong>stens 2,5 Meter mit drei o<strong>de</strong>r vier Türen. Zwischen <strong>de</strong>n<br />

zwei Betten war ein weisser, alter ein Meter mal 1,5 Meter grosser<br />

Teppich, <strong>de</strong>r Rest <strong>de</strong>s Bo<strong>de</strong>ns im Zimmer war mit Holz belegt. Es<br />

gab peinliche Situationen, weil <strong>de</strong>r Bewacher immer bei mir<br />

bleiben musste und ich war ja sehr stinkig und dreckig und<br />

meine Haare waren von <strong>de</strong>r Halsverletzung voll vom Blut<br />

verklebt. Ich konnte mich natürlich nicht selber waschen und sie<br />

liessen mich in Bezug auf das Geld einen halben Tag in Ruhe,<br />

dass ich mich erholen konnte. <strong>Der</strong> Verband wur<strong>de</strong> gewechselt, es<br />

war Donnerstag, mit Sicherheit. <strong>Der</strong> Verband wur<strong>de</strong> gewechselt<br />

und ich wur<strong>de</strong> ins Ba<strong>de</strong>zimmer geführt und <strong>de</strong>m Knecht wur<strong>de</strong><br />

aufgetragen mich zu waschen, was nicht eine peinliche Situation<br />

für mich war. Ich sass nackt in <strong>de</strong>r Ba<strong>de</strong>wanne mit halbvollem,<br />

warmen Wasser und rote Farbe floss überall herunter, vom<br />

getrockneten Blut. Er hat dann alles, ausser meinen Hän<strong>de</strong>n und<br />

<strong>de</strong>m Hals, gründlich mit Seife gereinigt und ich konnte aus<br />

meinem eigenen Gepäck frische Unterwäsche und ein Pyjama<br />

anziehen. Mir tat alles weh und im Spiegel sah ich aus


Knecht nicht da war. Er hat nicht mit mir gegessen, er ging nach<br />

unten und hat mit <strong>de</strong>m Personal gegessen. Wobei natürlich<br />

immer alle Türen, zuerst meine Zimmertüre mit lautem Knalle<br />

und <strong>de</strong>m Schlüssel abgeschlossen wur<strong>de</strong> und dann die nächste<br />

Türe vom Gang in die restlichen Räume <strong>de</strong>s Hauses ging, wur<strong>de</strong><br />

immer abgeschlossen mit einem Schlüssel, <strong>de</strong>r aussen steckte.<br />

Aber wie gesagt, ich hatte sowieso keine Fluchtgedanken mehr<br />

gehabt. Ich wollte nur heil hier raus und wenn es vielleicht länger<br />

gedauert hätte, hätte ich vielleicht ohne Kette eine bessere<br />

Möglichkeit gehabt, wegzukommen, weil ich doch nachher näher<br />

an <strong>de</strong>n Autos war und näher im Hauptgebäu<strong>de</strong>. Aber trotz<strong>de</strong>m,<br />

ich hätte ja nicht gewusst wohin ich fahren sollte, und ich will<br />

nicht daran <strong>de</strong>nken, was für Konsequenzen es gehabt hätte, wenn<br />

ich ein Auto geschnappt hätte und sie mich wie<strong>de</strong>r geschnappt<br />

hätten, daran will ich nicht <strong>de</strong>nken. Sie glaubten mir jetzt, sie<br />

wollten bloss feststellen, wenn sie das Fax an die Bank in<br />

Feldkirch schickten, ob es dann so gemacht wer<strong>de</strong>n könne, wie es<br />

im Fax stand. Übrigens, alle Anrufe wur<strong>de</strong>n von Marianos<br />

Telefon, seinem Mobiltelefon, dass er in Argentinien hat,<br />

ausgeführt und ich bin sicher, dass wie in <strong>de</strong>n meisten Län<strong>de</strong>rn,<br />

wenn die Telefonrechnung kommt, dass bei <strong>de</strong>n Abrechnung die<br />

ganzen Nummern, die man angewählt hat mit <strong>de</strong>m Datum, Zeit,<br />

Uhrzeit und Dauer und Gesprächskosten erscheinen wird.<br />

Marianos Mobil-Nummer ist von Europa aus ist 0054 68441800,<br />

das ist die Mobilnummer von Mariano und von diesem Mobil<br />

aus haben wir dann die Gespräche geführt, die sie mich<br />

gezwungen haben zu führen. Es hiess also am Donnerstagabend,<br />

dass wir am Freitag früh aufstehen müssen, weil wir ja 5 Stun<strong>de</strong>n<br />

hinter Europa sind, zeitlich gesehen, sie wollten zuerst <strong>de</strong>n Fax<br />

schicken und ich hatte die Nummer nicht. Ich sollte anrufen und<br />

fragen, ob es so in Ordnung sei. Also am Donnerstagabend ging<br />

ich ins Bett und <strong>de</strong>r Knecht hat im selben Raum über mich<br />

gewacht und mir dauernd gesagt: "Mach keinen Blödsinn, sonst<br />

legen wir dich um." Er ist zwar oft zu mir gekommen und hat<br />

geflüstert, sag es nieman<strong>de</strong>m, sag es nieman<strong>de</strong>m und er hat mir<br />

erzählt, dass ihnen, also <strong>de</strong>n Bewachern, etwas ganz an<strong>de</strong>res<br />

erzählt wur<strong>de</strong>, warum ich hier bin und so. Also, er hat es mir so<br />

gesagt, ob es stimmt weiss ich nicht, dass Mariano's Söhne <strong>de</strong>n<br />

Bewachern und einigen Mitbewohners gesagt haben, dass ich ein<br />

65


Terrorist sei und, dass ich zu allem fähig wäre und sehr<br />

kampffähig sei und so weiter und dadurch müsste äusserste<br />

Vorsicht angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n zu <strong>de</strong>m Zeitpunkt, wo sie mich<br />

festnehmen wür<strong>de</strong>n und für die Zeit danach. Er erzählte mir<br />

auch, dass er sich nicht <strong>de</strong>n Befehlen von Mariano wi<strong>de</strong>rsetzen<br />

kann, weil sie sind wie Leibeigene und er hat vier Kin<strong>de</strong>r und<br />

eine Frau zum Pflegen und das ganze Zeug und ich wusste nicht,<br />

wenn er mir das in angeblicher Vertrautheit erzählte, ob es gut<br />

für mich ist o<strong>de</strong>r nicht, weil ich wollte nichts riskieren. Ich wollte<br />

nichts Persönliches wissen, ich wollte nur meine Sachen erfüllen<br />

und was sie von mir verlangten und bat: "Lasst mich frei, dass ich<br />

noch einmal mein Land Liechtenstein, meine Familie und<br />

Freun<strong>de</strong>, wie<strong>de</strong>r sehen kann und mein Leben als<br />

wie<strong>de</strong>rgeborener 32-jähriger Mann von vorne anfangen kann."<br />

Ich ging also zu Bett, es war die erste Nacht in diesem Bett. Es<br />

war ein gutes Bett mit weissen Kissen und Laken und ich habe<br />

zwei Decken über mir gehabt und bei<strong>de</strong> Betten waren mit einer<br />

violetten, künstlichen Tages<strong>de</strong>cke be<strong>de</strong>ckt. <strong>Die</strong> Fenster waren von<br />

aussen grün gestrichen und braun von innen. Das Holz war<br />

abgeschmirgelt und die Fenster hatten Fliegengitter. Ich konnte<br />

ein Fenster für die frische Luft öffnen.<br />

Freitagmorgen.<br />

<strong>Der</strong> erste Freitag im April, morgens um 03.00 Uhr wur<strong>de</strong> ich<br />

geweckt und musste humpelnd unterstützend von <strong>de</strong>n Wächtern<br />

mit Helmut zusammen ins Freie gehen, weil sie vermuteten o<strong>de</strong>r<br />

wussten, dass <strong>de</strong>r Empfang vom Mobiltelefon im Freien natürlich<br />

besser sei als im Haus drinnen. Sie haben dann, schon zu diesem<br />

Zeitpunkt, <strong>de</strong>n Fax nach Feldkirch abgeschickt. Ich habe dann,<br />

ich nehme an, es war dort zwischen 09:30 Uhr o<strong>de</strong>r 10:00 Uhr<br />

angerufen und mit einer fröhlichen Miene nach Feldkirch<br />

telefoniert. Ich glaube, die Sekretärin hat das Telefon<br />

abgenommen, und ich habe gesagt: "Ja, Grüss Gott, da ist Kieber<br />

Heinrich aus Argentinien."<br />

Helmut und die mich gefangen genommen haben, befahlen mir,<br />

ich solle einfach sagen, ich sei in Buenos Aires. Sie haben genau<br />

aufgepasst, dass ich keinen Fehler machte und ich solle ja nichts<br />

verraten, sonst sei ich ein toter Mann. Ich habe dann gefragt, ob<br />

Herr Bröll da sei und das wur<strong>de</strong> verneint. Er käme erst später. Ich<br />

66


fragte, ob sie das Fax erhalten und gelesen haben. Sie hatten ihn<br />

nicht gelesen, weil er an Direktor Bröll gerichtet war. Dann hat<br />

sie gesagt, ich soll in einer Stun<strong>de</strong> nochmals anrufen. Auch<br />

wur<strong>de</strong> mir bei allen Telefonaten, die mir aufgezwungen wur<strong>de</strong>n,<br />

eine Pistole an meinen Hinterkopf gedrückt. Es war eine kleine,<br />

teilweise braun, teilweise blanker Stahl. Eher eine Ladypistole.<br />

<strong>Die</strong>se hatte ich vorher noch nicht zu Gesicht bekommen. Es muss<br />

die von Helmut o<strong>de</strong>r seiner Frau gewesen sein, <strong>de</strong>nn je<strong>de</strong>s Mal,<br />

wenn er zu mir ins Zimmer kam, zog er sie aus seiner Tasche.<br />

Aber während je<strong>de</strong>m Telefongespräch, also Anruf nach Europa,<br />

überreichte er, ja er, die Knarre immer einem <strong>de</strong>r Söhne von<br />

Mariano. Nie <strong>de</strong>m Knecht, diesen hatte ich nie mit einer Waffe<br />

gesehen, ausser er wäre einer von diesen gewesen, die<br />

vermummt früher in meinen Kerker stürmten. Einer <strong>de</strong>r Söhne<br />

setzte also <strong>de</strong>n kalten Lauf an meine Kopfrückseite. <strong>Die</strong>s weil es<br />

Helmut ja nicht selber machen konnten, die Pistole halten, weil er<br />

ja immer ständig sein Ohr mit am Mobiltelefon hatte, um<br />

mitzubekommen, was gesprochen wird. Er war also immer Kopf<br />

an Kopf mit mir. Einmal hielt einer <strong>de</strong>r Söhne die Knarre an<br />

meine linke Schläfe, was Helmut aber sofort energisch ablehnte,<br />

aus Angst, <strong>de</strong>r Sohn könnte abdrücken und die Kugel wür<strong>de</strong> ja<br />

durch meinen Kopf aus <strong>de</strong>r meiner an<strong>de</strong>ren, rechten Seite, in<br />

seinen Kopf fliegen. Helmut verlangte dann vom Waffenhalter,<br />

<strong>de</strong>n Lauf gera<strong>de</strong>, vorne auf meine Stirn zu setzten. Ich bin dann<br />

wie<strong>de</strong>r ins Zimmer gebracht wor<strong>de</strong>n und legte mich auf mein<br />

Bett und hoffte, dass jetzt alles ein gutes En<strong>de</strong> nehmen wür<strong>de</strong>.<br />

Ich glaube eine Stun<strong>de</strong> später haben wir angerufen und Herr<br />

Bröll war dort, und ich habe gefragt, ob es so, wie im Fax<br />

gewünscht gehe? Und Herr Bröll hat gesagt, es geht nicht so,<br />

lei<strong>de</strong>r nicht. Während <strong>de</strong>m Telefongespräch mit <strong>de</strong>m Mobil habe<br />

ich ja immer das Telefon so abgewinkelt von meinem Ohr gehabt<br />

damit es Helmut auch verstehen konnte auf Deutsch, was gesagt<br />

wur<strong>de</strong>. Ich habe natürlich <strong>de</strong>m Helmut vorher gesagt, dass es<br />

verdächtigt sein wür<strong>de</strong>, wenn ich jetzt mit Herrn Bröll<br />

Hoch<strong>de</strong>utsch sprechen wür<strong>de</strong>, da wir ja sonst immer in unserem<br />

Dialekt re<strong>de</strong>n. Herr Bröll hat mir erklärt, man kann nur was<br />

abheben o<strong>de</strong>r verschicken kann, wenn ich mit <strong>de</strong>m Sparbuch<br />

komme o<strong>de</strong>r jemand an<strong>de</strong>rs, und mit <strong>de</strong>m Co<strong>de</strong>wort. Ich habe<br />

Herrn Bröll, weil ich Angst hatte, Helmut wür<strong>de</strong> mir nicht<br />

67


glauben und so, gebeten: "Bitte erklären Sie DAS meinem<br />

Bekannten hier." Er hat gesagt, das könne er nur mir sagen, dann<br />

habe ich ihn gebeten, erklären sie einfach generell was es auf sich<br />

hat mit solchem Typ von Sparbüchern in Österreich. Er hat dann<br />

mit Helmut am Telefon gesprochen, da wusste natürlich Herr<br />

Bröll nicht, wer es war, und dann haben wir aufgehängt.<br />

Vorher haben wir gesagt, dass wir später nochmals anrufen<br />

wür<strong>de</strong>n, nein wir haben gesagt, wir wür<strong>de</strong>n es organisieren, dass<br />

das Buch abgeholt wer<strong>de</strong> und falls alles gut gehen wür<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong><br />

am kommen<strong>de</strong>n Montag jemand erscheinen und Herr Bröll sagte,<br />

dass er dort sei, nur nicht zwischen 9.30 Uhr und 11.00 Uhr, dann<br />

wäre aber seine Sekretärin, Frau Türtscher dort und die wisse<br />

über <strong>de</strong>n Fall auch Bescheid. Ich habe mich bei Herrn Bröll<br />

bedankt und wur<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r ins Zimmer geführt. Ich glaube, sie<br />

glaubten mir jetzt ein wenig mehr nach meinem<br />

Selbstmordunfall, weil ich ja wirklich sterben wollte. Sie haben<br />

nicht mehr an je<strong>de</strong>m Wort gezweifelt, das ich gesagt habe.<br />

Abgesehen davon, wenn man in einer solchen Lage ist, kommt<br />

man gar nicht auf die I<strong>de</strong>e, sie noch reinzulegen. Es wäre ja purer<br />

Selbstmord in einer an<strong>de</strong>ren Form. <strong>Die</strong> Leute <strong>de</strong>nken natürlich<br />

nicht so und dann habe ich gesagt, wo das Sparbuch ist und das<br />

Sparbuch hatte ich, weil ich es nicht eingeschlossen habe, weil<br />

man braucht ja ein Co<strong>de</strong>wort dazu, also auch wenn jemand das<br />

Buch fin<strong>de</strong>t, das an <strong>de</strong>n Überbringer lautet, muss man ein<br />

Co<strong>de</strong>wort haben, sonst kann man kein Geld abheben. Nur ich<br />

und die Bank wissen das Co<strong>de</strong>wort. Mittlerweile natürlich auch<br />

Helmut und Mariano. Ich sagte, ich hätte es in Vaduz bei einem<br />

Bekannten von mir und <strong>de</strong>r heisst Martin OT Entfernt, <strong>de</strong>n<br />

kennen Sie sicher auch vielleicht. Ich habe dann <strong>de</strong>n Verbrechern<br />

gesagt, im Brief, <strong>de</strong>n ich an Mariano am Sonntag o<strong>de</strong>r am 31.03.<br />

o<strong>de</strong>r am 30.03. geschrieben habe, wo ich Mariano das ganze Geld<br />

angeboten habe, schrieb ich dies und es ist auch die Wahrheit,<br />

weil sonst wür<strong>de</strong> ich es in einer solchen Lage nicht schreiben. Ich<br />

habe geschrieben, das Buch ist bei dieser Person und diese Person<br />

ist immer, ich weiss es ganz genau, ist immer am ersten <strong>Die</strong>nstag<br />

<strong>de</strong>s Monats, ungefähr um Mittagszeit, lokale Zeit in Vaduz, in<br />

<strong>de</strong>r Wohnung zu Hause. Sonst ist er oft unterwegs. Alle 14 Tage<br />

<strong>Die</strong>nstags, was ich natürlich nicht gesagt habe, ist eben dieser<br />

Tag, wo Martin stempeln gehen muss, weil er seine Arbeit<br />

68


verloren hatte in Liechtenstein. Ich kenne Martin schon seit ewig,<br />

schon aus meiner Jugend. Ab und zu habe ich ihn besucht und<br />

ich kann meine Sachen bei ihm unterstellen. Hier ist die<br />

Geschichte natürlich normal, aber für die da drüben in<br />

Argentinien, sie konnten es nicht begreifen, warum ein<br />

erwachsener Mann, <strong>de</strong>r Martin, <strong>de</strong>nn so wenig zu Hause sei. Ich<br />

habe gesagt, Martin hat noch Kun<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r geht an<strong>de</strong>re Leute in<br />

Österreich besuchen und so. Wir müssten es versuchen und da<br />

<strong>de</strong>r erste <strong>Die</strong>nstag im Monat schon vorbei war, <strong>de</strong>n 01. April,<br />

hatte ich auch geschrieben in jenem Brief, dass er im schlimmsten<br />

Fall erst wie<strong>de</strong>r am 14. April, <strong>de</strong>r dritten <strong>Die</strong>nstag in <strong>de</strong>m Monat,<br />

zu Hause sein musste. Wir haben dann am Freitag morgen, ich<br />

glaube, es war 10.00 Uhr morgens in Argentinien und da war es<br />

ungefähr 03.00 Uhr nachmittags in Europa einen Versuch<br />

gemacht. Zu meiner grössten Freu<strong>de</strong>, ich habe mich noch nie so<br />

darüber gefreut - das weiss Martin natürlich noch nicht, ich habe<br />

ihn noch nicht gesehen o<strong>de</strong>r mit ihm darüber gesprochen - zu<br />

meiner grössten Freu<strong>de</strong> war er zu Hause und hat das Telefon<br />

abgenommen. Ich habe gesagt: "Martin, ja, wie geht es <strong>de</strong>nn so?<br />

Ich bin hier in Argentinien, in Buenos Aires, und ich wollte dich<br />

nur fragen, gehst du die nächsten paar Tage weg?" Helmut hat<br />

immer zugehört. Martin sagte, nein, nein, gera<strong>de</strong> gestern<br />

Donnerstag, sei sein Bru<strong>de</strong>r aus Deutschland mit <strong>de</strong>ren Kin<strong>de</strong>r<br />

und Frau nach einem längeren Aufenthalt für die Osterferien<br />

abgereist. Er müsse viel Wäsche waschen und er hätte nicht vor,<br />

das kommen<strong>de</strong> Wochenen<strong>de</strong> wegzugehen. Martin sagte noch:<br />

„Am Besten rufst Du mich am Abend an, wenn Du für eine<br />

Übergabe etwas organisieren willst.‚ Vorher habe ich ihm eben<br />

gesagt, dass ich jeman<strong>de</strong>n vorbeischicken wer<strong>de</strong>, wegen einem<br />

Dokument. Somit war Helmut, <strong>de</strong>r nachher Mariano<br />

benachrichtigte, informiert. Interessanterweise versteht natürlich<br />

keiner von Marianos Seite Deutsch. Mariano musste also Helmut<br />

vertrauen. Es war Freitag, 12.00 Uhr mittags, in Argentinien. Sie<br />

haben mir meine Uhr zurückgegeben. Ich konnte die Uhrzeit<br />

ablesen. Das Gespräch mit Martin hat also stattgefun<strong>de</strong>n, das<br />

Erste, die Bank war auch informiert. Sie mussten sich nur noch<br />

einig wer<strong>de</strong>n, wen sie schicken wollten. Da ich Mariano gut<br />

kannte, habe ich schon vermutet, dass er keinen Kompromiss<br />

eingehen wür<strong>de</strong> und er je<strong>de</strong>m misstraut und so hoffte ich, dass<br />

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sie auf einen gemeinsamen Nenner, auf eine gemeinsame Person<br />

kommen könnten, die dann das Sparbuch abholen musste und es<br />

zur Bank brachte. Dann geschah folgen<strong>de</strong>s, man hätte es nicht<br />

geglaubt. Ich war in meinem Zimmer eingesperrt und lag<br />

meistens auf meinem Bett und war nur froh wenn ich von<br />

meinem Bett aus die Sonne und die Vögel und <strong>de</strong>n blauen<br />

Himmel aus einem ganz geöffneten Fenster sehen konnte und<br />

hoffte, dass sich die Lage jetzt besserte. Ab und zu kam <strong>de</strong>r<br />

Bewacher mit Ach und Krach herein und wollte irgen<strong>de</strong>twas. <strong>Die</strong><br />

Wun<strong>de</strong>n verheilten, weitere Bän<strong>de</strong>r etc., das wollte ich nicht. Ich<br />

wollte nur meinen Frie<strong>de</strong>n. Dann auf einmal klopfte es wie<strong>de</strong>r.<br />

<strong>Der</strong> Bewacher stand auf, machte die erste Tür im Zimmer auf.<br />

Dann ging er in <strong>de</strong>n Gang hinaus, zum an<strong>de</strong>ren Zimmer und ich<br />

sah Helmut hereinkommen. Ich hatte vorher Schreie unten im<br />

Haus gehört, also lautes Schimpfen. Helmut kam zu mir und<br />

sagte auf Deutsch, er wollte zu mir rüberkommen, aber <strong>de</strong>r<br />

Bewacher, <strong>de</strong>r Knecht, <strong>de</strong>r kein Deutsch versteht, drängte ihn<br />

wie<strong>de</strong>r weg nach aussen. Helmut sagte zu mir: „Heinrich, wir<br />

haben uns gestritten, also ich, Mariano und meine Frau. Lasse<br />

dich nicht einschüchtern." Ich dachte, mein Gott, jetzt haben die<br />

auch noch miteinan<strong>de</strong>r gestritten, jetzt wer<strong>de</strong>n sich die scheiss<br />

Verbrecher nicht einig, wer wie viel kriegen sollte von meinem<br />

Geld. Denn ursprünglich wollte ja Helmut 80 Mio. Peseten (ca.<br />

CHF 800‘OOO.-) und Mariano wollte 150 Mio. Peseten (ca. CHF<br />

1,5 MIO.-). Also haben sie vermutet, ich hätte vermutlich zwei bis<br />

drei Mio. Franken und mir wür<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>m ganzen Drama, ich<br />

weiss nicht, noch was übrig bleibt, damit ich noch mein Essen<br />

kaufen könne o<strong>de</strong>r sie wür<strong>de</strong>n mich umbringen. Ich hatte wie<strong>de</strong>r<br />

mehr Angst bekommen, weil ich dachte, hoffentlich gibt es da<br />

nicht noch mehr Drama. Ich habe zu Helmut gesagt: "Schau, ich<br />

kann nur geben, was ich habe und ihr müsst euch selber einig<br />

wer<strong>de</strong>n, wer wie viel bekommt."<br />

<strong>Der</strong> Streit, wie ich später erfahren habe, ist dadurch zwischen <strong>de</strong>n<br />

Verbrechern ausgebrochen, weil ja von meinem Geld 50 Prozent<br />

an Helmut und 50 Prozent an Mariano zugeteilt war. Aber<br />

Helmuts Seite, vor allem seine Frau Salud hat natürlich gesehen,<br />

o<strong>de</strong>r hat nachgerechnet, und stellte natürlich fest, dass Mariano<br />

mehr bekommen wür<strong>de</strong>, weil er ja nicht nur die Hälfte von <strong>de</strong>m<br />

erpressten Geld erhalten sollte, son<strong>de</strong>rn auch die CHF 250‘OOO.-<br />

70


is CHF 260'000.- von <strong>de</strong>r Schuld an mich gratis bekommen<br />

sollte. Und dies wusste Helmut. Also erhielt Mariano nicht nur<br />

dieselbe Summe wie Helmut, son<strong>de</strong>rn auch obendrein CHF<br />

250000. - geschenkt, da er mir mein Darlehen von 1993 nicht<br />

mehr zurückbezahlen „musste‚, bzw. Wollte. Dadurch sahen<br />

Helmut und seine Frau ein Ungleichgewicht in <strong>de</strong>r Verteilung<br />

<strong>de</strong>r Fangpraemie und wollten vermutlich mehr. Helmut wur<strong>de</strong><br />

also aus meinem Zimmer rausgedrückt und eine halbe Stun<strong>de</strong><br />

später kam <strong>de</strong>r Sohn von Mariano herein, Mario, und sagte zu<br />

mir: "Heinrich, schau, es hat Krach gegeben." Er sagte wahrhaftig,<br />

dass Mariano ein so sturer Mensch sei, ein Manipulant, dass er<br />

angeblich kurz davor war Helmut, <strong>de</strong>n Deutschen, mit seiner<br />

Frau, auch in <strong>de</strong>n Turm einzusperren um mit mir einen Deal<br />

einzugehen. Ich habe gesagt, ich habe gefleht: „Bitte, bitte, mache<br />

keinen Streit, bitte wer<strong>de</strong>t einig, sonst gibt es am Schluss noch<br />

mehr Blut." Ich konnte nicht viel tun, ich hatte alles getan, ich<br />

hatte ihnen alles anvertraut, wo das Geld zu holen war, sie<br />

mussten sich nur auf eine Person einigen, wer es holen musste<br />

o<strong>de</strong>r ich könnte auch Martin sagen, er solle mit <strong>de</strong>m Büchlein<br />

nach Feldkirch gehen und die Banküberweisung machen. Das<br />

wollten sie natürlich nicht, weil sie Angst hatten, das wür<strong>de</strong> nicht<br />

passieren o<strong>de</strong>r Martin wür<strong>de</strong> mit meinem Geld abhauen, wenn er<br />

das Co<strong>de</strong>wort und das Sparbüchlein habe. Auf je<strong>de</strong>n Fall, hat <strong>de</strong>r<br />

Sohn gesagt und nachher auch Marco, dass falls sie die<br />

Deutschen einsperren müssten, die ja auch hilflos waren und<br />

nichts zu sagen hatten auf <strong>de</strong>r Farm, ja, dann hätten sie mit mir<br />

vermutlich einen Deal gemacht. Aber ich war mir gar nicht so<br />

sicher, weil ich dachte mir, wenn Mariano so weit geht und die<br />

Deutschen auch noch einsperrt und dann müsste er alle drei<br />

beseitigen, weil sonst zu viel gegen ihn in <strong>de</strong>r Hand wäre. Sein<br />

Sohn hat mir vorgeschlagen, wir wür<strong>de</strong>n nur drei Viertel<br />

überweisen lassen von <strong>de</strong>m was ich habe und ich könnte <strong>de</strong>n<br />

Rest behalten. Ich war nicht erfreut über eine solche Wen<strong>de</strong>, weil<br />

ich wusste o<strong>de</strong>r weiss, falls es zu einer Einsperrung kommt von<br />

<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren, wenn sich die scheiss Verbrecher nicht einigten,<br />

dann wür<strong>de</strong> Mariano noch mehr unter Zugzwang kommen und<br />

müsste vermutlich eine Radikallösung suchen, was <strong>de</strong>n Tod<br />

meines und <strong>de</strong>s Deutschen und seiner Frau beinhalten könnte.<br />

Ich habe gesagt, schau, ich bin in einer Lage, ich verhandle mit<br />

71


<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Gewalt über mich hat. Gewalt über mich hatte Mariano.<br />

Ich musste also mit ihm um mein Leben, um meine Freilassung<br />

verhan<strong>de</strong>ln. <strong>Die</strong> Sache hat sich dann beruhigt, weil später, am<br />

Nachmittag, jemand klopfte an <strong>de</strong>r Türe. <strong>Der</strong> Bewacher, <strong>de</strong>r<br />

Knecht, war nicht im Raum mit mir und ich ging leise zur Türe.<br />

Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite stand die Frau von Helmut und sagte:<br />

"Heinrich, beruhige dich. Es ist alles wie<strong>de</strong>r OK. Wir haben nur<br />

wegen Geld gestritten und so". Ich sagte: "OK, OK." Ich wollte<br />

auch nicht zu viel diskutieren, ich wollte keine Geheimnistuerei.<br />

Ich wollte nicht in das Spiel eintreten, wo sie mir nachsagten,<br />

wissen Sie, das Spiel, wo wer hat, was hat o<strong>de</strong>r einer kommt zu<br />

mir und fragt, was hat <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re gesagt, dann kommt <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>re zu mir, und so weiter. Ich wollte gar nicht darauf<br />

eingehen, ich wollte nur meine Freiheit. Sie sollten das Geld<br />

haben und mich wie<strong>de</strong>r frei lassen, ich wollte nur das. Durch die<br />

ganze Geschichte haben wir natürlich <strong>de</strong>n Anruf an Martin am<br />

Freitagabend verpasst, da Liechtenstein ja fünf Stun<strong>de</strong>n voraus<br />

ist, aber da wir alle glaubten, er bleibt am Wochenen<strong>de</strong> zu Hause,<br />

so dachten wir, wir rufen einfach am Samstag nochmals an.<br />

Am Freitagabend wur<strong>de</strong> mir das erste Mal gutes Essen gebracht.<br />

Ich möchte hier noch anfügen, dass mir gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Sinn<br />

kommt, dass am 6. April Mariano's Geburtstag war, da habe ich<br />

dann spüren können, wie er mich "liebt". Auf je<strong>de</strong>n Fall, Freitag<br />

Nacht gingen wir alle aufgeregt ins Bett und am Samstag,<br />

vergangene Woche, mussten wir wie<strong>de</strong>r früh aufstehen, um 05.00<br />

Uhr o<strong>de</strong>r so und von 05.00 Uhr bis 10.00 Uhr haben wir versucht<br />

Martin anzurufen, hier in Liechtenstein in Vaduz auf seine<br />

Nummer. Aber Martin nahm nicht ab und von diesem Zeitpunkt<br />

an, 10 Uhr morgens europäischer Zeit, haben wir je<strong>de</strong> halbe<br />

Stun<strong>de</strong> probiert. Ich habe zu Helmut gesagt, weil ich ja<br />

freikommen wollte: "Helmut, du hast ja das Mobiltelefon in <strong>de</strong>r<br />

Hand, also komme nicht je<strong>de</strong>s Mal zu mir ins Zimmer mit <strong>de</strong>m<br />

dazugehören<strong>de</strong>n Drama. Wenn Martin das Telefon abnimmt,<br />

dann hängst du einfach gleich wie<strong>de</strong>r auf und springst zu mir<br />

und dann kann ich mit ihm re<strong>de</strong>n und ihm sagen, was er machen<br />

muss o<strong>de</strong>r wer kommt.‚ Mittlerweile haben sich die zwei<br />

Parteien, Mariano und Helmut, auf <strong>de</strong>n, ich glaube, <strong>de</strong>n<br />

Schwager von Helmut geeinigt. Er heisst Peter Kroschel, voller<br />

Name Karl-Heinrich Peter Kroschel aus Ochsenhausen in<br />

72


Deutschland, das musste ich <strong>de</strong>m Bankdirektor später auch<br />

genau buchstabieren. <strong>Die</strong>ser Kroschel wohnt in Ochsenhausen<br />

o<strong>de</strong>r in Ulm o<strong>de</strong>r irgendwo, ist pensionierter Arzt und mit <strong>de</strong>r<br />

Schwester von Helmut und diese heisst Isol<strong>de</strong>, glaube ich,<br />

verheiratet, und sie haben auch Kin<strong>de</strong>r. Mir wur<strong>de</strong> gesagt, wenn<br />

ich mit Martin wie<strong>de</strong>r spreche, solle ich ihm Folgen<strong>de</strong>s sagen:<br />

"Martin, hier ist <strong>de</strong>r Heinrich, ja, wir haben jetzt jeman<strong>de</strong>n<br />

gefun<strong>de</strong>n und zwar kommt ein Herr, ein Deutscher, <strong>de</strong>r gera<strong>de</strong><br />

zufällig in <strong>de</strong>r Gegend von Liechtenstein ist.‚ Was natürlich eine<br />

Lüge war. „<strong>Die</strong>ser Herr kommt also vorbei und ich wür<strong>de</strong> dich<br />

bitten Martin, dass du <strong>de</strong>m Herrn, er heisst Peter Kroschel, ein<br />

grosser Schlanker - wie mir gesagt wur<strong>de</strong> - das Bankdokument<br />

gibst." Also ich habe bis anhin noch nicht vom Bankdokument<br />

gesprochen mit Martin, aber ich müsste dann sagen, das<br />

Dokument, er solle es herausholen und es ihm übergeben. Dessen<br />

Sohn Jürgen, Peter Kroschel's Sohn Jürgen aus Ulm, <strong>de</strong>r wür<strong>de</strong><br />

dann am kommen<strong>de</strong>n Mittwoch, so sollte ich Martin sagen, von<br />

Deutschland aus nach Buenos Aires fliegen und das Dokument<br />

mitbringen und ich selber sei noch im Nor<strong>de</strong>n von Argentinien<br />

an <strong>de</strong>r Grenze zu Brasilien und wür<strong>de</strong> dann auch am Mittwoch<br />

in Buenos Aires ankommen. Dort wür<strong>de</strong> mir <strong>de</strong>r Jürgen das<br />

Kuvert, das sein Vater, Peter, bei dir abgeholt hat, überbringen,<br />

weil ich es für gewisse Sachen brauchen wür<strong>de</strong>. Wir haben am<br />

Samstag <strong>de</strong>n ganzen Tag, je<strong>de</strong> halbe Stun<strong>de</strong>, angerufen. Es<br />

klingelte, klingelte und er nahm nicht ab. Das durfte doch nicht<br />

wahr sein. Es war dann bei euch in Europa abends, bei uns<br />

Nachmittag, da kam Helmut herein und sagte zu mir: "Wir sind<br />

ganz nervös, Mariano auch und so, weil wir wissen nicht, was<br />

wir von dir glauben sollen. Wir glauben, dass es vielleicht nur ein<br />

Co<strong>de</strong>wort war, als du mit Martin früher telefoniert hast. Und das<br />

Wort "Dokument" ein Stichwort / Co<strong>de</strong>wort zwischen dir und<br />

Martin war.‚ Ich hatte ja Martin am Telefon bis anhin am<br />

einzigen Anruf nicht Bankdokument gesagt, son<strong>de</strong>rn nur<br />

Dokument. Ich flehte Helmut an: „Nein, bitte, bitte nicht!‚ Wie<br />

hätte ich es auch machen sollen in einem Wort? Wenn sie gedacht<br />

haben, es wäre ein Co<strong>de</strong>wort gewesen für meine ganze<br />

Gefangenschaft und <strong>de</strong>r Situation hier, also alles in einem kurzen<br />

Wort zu beschreiben. Zu<strong>de</strong>m habe ich zu Helmut gesagt:<br />

"Überlege doch bitte, was <strong>de</strong>nkst du, <strong>de</strong>r Martin wür<strong>de</strong> jetzt<br />

73


wissen, wo ich bin und wür<strong>de</strong> das Flugzeug besteigen und nach<br />

Argentinien kommen?" Sowieso wür<strong>de</strong> er auch, wenn es so wäre,<br />

- das habe ich dummerweise auch noch gesagt, damit "bestätigte"<br />

ich noch ihre falsche Theorie - und wenn es so wäre, dann wür<strong>de</strong><br />

er trotz<strong>de</strong>m das Telefon abnehmen, er wür<strong>de</strong> doch nicht das<br />

Telefon nicht mehr abnehmen. Es war furchtbar. Sie haben mir<br />

nicht mehr geglaubt. Ja, sie glaubten ich plane ein<br />

Befreiungskommando o<strong>de</strong>r so etwas. Sie haben wie<strong>de</strong>r<br />

Morddrohungen gemacht und gesagt: "Wir wer<strong>de</strong>n dich am<br />

kommen<strong>de</strong>n Sonntag aufspiessen". Und nicht das Schwein, das<br />

sie vor hatten aufzuspiessen, ein kleines Schweinchen braten,<br />

weil dieses Vorhaben habe ich vom Knecht erfahren, weil ja<br />

Marianos Geburtstag ist, er ist am 06. April geboren und <strong>de</strong>r<br />

kommen<strong>de</strong> Sonntag dann war ja seiner. Ich habe solche Angst<br />

gehabt, nein, bitte, bitte, bitte, ich habe solange gefleht, bis<br />

Helmut es mir geglaubt hat, weil er dann selber <strong>de</strong>nken musste,<br />

dass wenn einer so viel fleht und wie<strong>de</strong>r so um sein Leben auf<br />

<strong>de</strong>n Knien bittet, dass es dann ja stimmen muss. Für die Leute,<br />

die nicht in <strong>de</strong>rselben Situation waren wie ich, war es schwierig;<br />

selbst die Verbrecher konnten das gar nicht begreifen, so scheint<br />

es mir, weil sie ja in Freiheit sind. Sie sind <strong>de</strong>n ganzen Tag frei<br />

herumgelaufen und haben sich auf Millionen von Peseten<br />

gefreut, das Geld von mir, die haben keine Ängste durchgemacht.<br />

Das ist eine ganz an<strong>de</strong>re Sache. Auf je<strong>de</strong>n Fall wur<strong>de</strong> es dann<br />

schlimmer, weil <strong>de</strong>n ganzen Samstag wir es versucht haben<br />

Martin zu erreichen. Und wir haben uns gefragt, wieso nimmt er<br />

nicht ab? Es kann doch nicht sein, weil <strong>de</strong>r Martin hat doch<br />

gesagt, er bliebe zu Hause. Meistens blieb er zu Hause o<strong>de</strong>r, dann<br />

habe ich aber zu Mariano und Helmut gesagt, dieser Martin ist<br />

ein Bekannter von mir, er ist nicht von mir abhängig, er ist nicht<br />

ein Sklave von mir, er müsse nicht wegen mir in Vaduz bleiben,<br />

nur weil ich angerufen hätte, es könnte sein, im Gegenteil, wenn<br />

es ihm gefalle, könne er nach Afrika gehen o<strong>de</strong>r nach Australien<br />

übers Wochenen<strong>de</strong>. Und wahrhaftig, Martin war die ganze Nacht<br />

nicht zu Hause. Wir haben die ganze Nacht von Samstag auf<br />

Sonntag, europäische Zeit, da war bei uns ja noch 22.00 Uhr<br />

abends o<strong>de</strong>r so, probiert. Ich habe dann das Leben von Martin<br />

durchgedacht und diskutiert, er ist keiner <strong>de</strong>r abends in Bars<br />

herumhängt, kein Säufer, und wo konnte er bloss sein und er hat<br />

74


doch gesagt, er bleibe dort, es war furchtbar. Auf je<strong>de</strong>n Fall war<br />

es dann so, dass ich sagte, ich müsse eine Lösung fin<strong>de</strong>n. Ich habe<br />

gesagt, ich rufe <strong>de</strong>n besten Freund von Martin an: Sigi<br />

Wohlwend, dies ist ein Lehrer in Balzers, ich habe jedoch die<br />

Nummer nicht bei mir, aber <strong>de</strong>r weiss sicher, ob Martin<br />

weggegangen ist o<strong>de</strong>r was immer. Helmut hat vom Mobil aus<br />

seinen Schwager angerufen, <strong>de</strong>n Peter Kroschel in Deutschland<br />

und <strong>de</strong>r Schwager sollte bei <strong>de</strong>r Schweizer Auskunft abklären,<br />

wie die Nummer <strong>de</strong>s Sigi lautet. Eine halbe Stun<strong>de</strong> später wur<strong>de</strong><br />

Helmut wie<strong>de</strong>r von seinem Schwager angerufen und Helmut<br />

kam dann zu mir und sagte, es gäbe keinen Sigi Wohlwend,<br />

son<strong>de</strong>rn es gäbe nur einen Helmut Wohlwend und <strong>de</strong>r sei noch<br />

Anwalt und da dachten sie, es wäre eine Täuschung, ein Trick<br />

von mir gewesen und ich hätte nur "meinen" Anwalt anrufen<br />

wollen. Also es war furchtbar. Dann haben wir, es war schon<br />

22.30 Uhr o<strong>de</strong>r 23.00 Uhr abends, am Samstag, trotz<strong>de</strong>m diesen<br />

Helmut Wohlwend angerufen, die Nummer, die wir vom<br />

Schwager bekommen haben und dann sagte ich: "Hier ist Kieber<br />

Heinrich. Ich rufe aus Buenos Aires an, es tut mir leid, wenn ich<br />

sie störe, aber ich habe ein dringen<strong>de</strong>s Bitten. Bitte können Sie<br />

mir die Nummer von Sigi Wohlwend, vielleicht heisst er<br />

Siegfried o<strong>de</strong>r Sigmund, es ist vielleicht eine Abkürzung, geben?"<br />

Er sagte: „Nein, nein, es muss <strong>de</strong>r Sigi Wolfinger sein.‚ Dann<br />

sagte ich: "Ja, ja, ja, das ist <strong>de</strong>r Sigi Wolfinger, entschuldigen Sie<br />

1000 Mal, dass ich störe, aber ich habe von <strong>de</strong>r Auskunft ihre<br />

Nummer erhalten." Ich konnte mich nicht mehr erinnern in <strong>de</strong>n<br />

Ängsten die ich hatte, dass <strong>de</strong>r Lehrer Sigi Wolfinger heisst.<br />

Helmut Wohlwend hat mir dann seine Tochter an das Telefon<br />

gegeben und die Tochter hat mir die Nummer herausgesucht und<br />

ich habe dann gewartet und gewartet und gewartet am Telefon in<br />

meinem Zimmer. Übrigens konnten wir dann schon von meinem<br />

Zimmer aus telefonieren, weil wir festgestellt haben, dass <strong>de</strong>r<br />

Mobilkontakt in meinem Zimmer funktioniert, weil mein Zimmer<br />

ein Eckzimmer war. <strong>Die</strong> Linie wur<strong>de</strong> unterbrochen. Ich rief<br />

nochmals an und dieser Helmut Wohlwend von Balzers, Anwalt,<br />

glaube ich, wie Helmut Roegele mir gesagt hatten, <strong>de</strong>r sagte, ich<br />

solle die Nummer 38 so, so, so anrufen und ich solle solche<br />

späten Telefongespräche unterlassen, sonst wer<strong>de</strong> er ganz<br />

"grantig", und ich habe mir gedacht, wenn <strong>de</strong>r wüsste, was hier<br />

75


lief, dann wür<strong>de</strong> er nicht so re<strong>de</strong>n und ich habe mich 1000 Mal<br />

bedankt. Ich habe nachher sofort Sigi angerufen und er hat das<br />

Telefon am Samstagabend abgenommen. Sigi fand es komisch,<br />

weil <strong>de</strong>r Martin hätte ihn am vergangenen Donnerstag o<strong>de</strong>r<br />

Freitag in Balzers besucht und Martin habe zu ihm gesagt, dass er<br />

am Freitagnachmittag kommen wür<strong>de</strong>, aber gekommen sei er<br />

nicht. Ich sagte ihm, dass ich ihn dringend sprechen müsste, dass<br />

ich aus Buenos Aires anrufen wer<strong>de</strong> und Sigi hat gesagt, wenn er<br />

was höre, wer<strong>de</strong> er es ihm sagen, er solle zu Hause bleiben, weil<br />

<strong>de</strong>r Heinrich versucht habe ihn je<strong>de</strong> halbe Stun<strong>de</strong> anzurufen. Ihn<br />

wurmte es auch, dass er weggegangen ist, und weil er nichts<br />

darüber gesagt hätte. Ich habe das Telefongespräch mit Sigi<br />

been<strong>de</strong>t und Helmut und dadurch Mariano waren sehr beruhigt<br />

über die Aussage von Sigi, lei<strong>de</strong>r nur vorläufig. Wir dachten, er<br />

wird schon zurückkommen. Sonntag <strong>de</strong>r 06. April kam, <strong>de</strong>r<br />

Geburtstag von Mariano, ich konnte schon ein wenig selbständig<br />

im Zimmer laufen, mich selber mit <strong>de</strong>r rechten Hand ein wenig<br />

waschen im Ba<strong>de</strong>zimmer ohne dass ich in <strong>de</strong>r Ba<strong>de</strong>wanne in die<br />

Hocke gehen musste, weil ich nirgends aufstützen konnte mit<br />

<strong>de</strong>n schmerzen<strong>de</strong>n Handgelenken. Ich konnte durch das Fenster<br />

nach draussen sehen, wie sie ein Feuer auf <strong>de</strong>m Erdgrill auf<br />

einem Wellblech, so nennt man das, machten. Sie haben ein<br />

kleines Schwein geschlachtet zu Ehren Mariano's Geburtstag und<br />

zu Ehren <strong>de</strong>r grossen Geldsumme, die bald kommen wür<strong>de</strong>,<br />

nehme ich an, haben sie das gemacht. Es war eine Schweinerei;<br />

mir haben sie nachher <strong>de</strong>n halben Kopf von <strong>de</strong>m Schwein, nur<br />

mit <strong>de</strong>r Haut und kein Fleisch gebracht. Sie haben es mir auf<br />

einem Tablar serviert und fünf Tonnen Brot dazu und „Einen<br />

Guten‚ gewünscht. So ein verdammter ...‚ er ass das ganze<br />

Fleisch von dieser kleinen, zarten Sau und mir gab er <strong>de</strong>n Kopf<br />

und die Haut. Ich hatte nichts gegessen, ich fand es eine<br />

Beleidigung. Trotz<strong>de</strong>m habe ich ein wenig herumgestochert, als<br />

hätte ich etwas gegessen und die Haut vom Schwein ein wenig<br />

verschnitten damit es nicht so aussah, als hätte ich nichts<br />

angefasst, damit sie nicht böse wur<strong>de</strong>n. Den Kopf konnte man<br />

sowieso nicht essen, ich weiss nur, dass das Fleisch auf <strong>de</strong>n<br />

Backenknochen, das Beste wäre, aber das war nicht mehr da. Auf<br />

je<strong>de</strong>n Fall waren sie mir wie<strong>de</strong>r böse und glaubten mir nicht und<br />

sagten wie<strong>de</strong>r, das war nur ein Co<strong>de</strong> von Dir. Es war natürlich<br />

76


keiner, aber aufgrund <strong>de</strong>r allerdings komischen Anrufe, Faxe<br />

konnte ich nicht ausschliessen, dass jeman<strong>de</strong>m in Europa evt. die<br />

Sache verdächtig vorkam. Ich habe zu Gott gebetet, dass mir<br />

keiner irgen<strong>de</strong>in Befreiungskommando schickt. Da Saavedra ein<br />

kleines Dorf ist, welches sicher nicht 500 Polizisten hat, die haben<br />

vielleicht einen, zwei o<strong>de</strong>r drei Dorfpolizisten und wenn die<br />

kommen wür<strong>de</strong>n und ich bin heute noch davon überzeugt, wenn<br />

die gekommen wären, wüsste Mariano sofort um was es ginge<br />

und er wür<strong>de</strong> alle umbringen. Bevor er in <strong>de</strong>n Knast gehen<br />

wür<strong>de</strong>, o<strong>de</strong>r seine Farm verlieren, wür<strong>de</strong> das Polizistenauto<br />

verbrennen o<strong>de</strong>r die Polizisten erschiessen und mich dazu! Ich<br />

bin überzeugt davon, also wirklich, da kann ich meine Hand ins<br />

Feuer legen. Ich habe nur gebetet, dass niemand eine solche<br />

Organisation planen wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn es wäre sinnlos, es wäre<br />

selbstmör<strong>de</strong>risch und mör<strong>de</strong>risch. Mir ging es dann wie<strong>de</strong>r<br />

besser. Sie haben mir später am Abend besseres zum Essen<br />

gegeben: Salat, Suppe, Hähnchen und Brot und wie<strong>de</strong>r das<br />

Wasser mit <strong>de</strong>m komischen, weissen Pulver unten am Bo<strong>de</strong>n.<br />

Das Wasser habe ich nicht getrunken, weil ich nicht wusste, was<br />

es ist. Ich habe nichts getrunken, ach ja, Cola haben sie mir<br />

einmal gebracht. Es waren alle froh, dass es mir besser ging,<br />

immer haben sie mich gefragt, wie es mir geht und so, <strong>de</strong>r<br />

Verband wur<strong>de</strong> mir mehrmals gewechselt. Ich musste auch<br />

seitlich verlegt wer<strong>de</strong>n und sie haben mir 500 ml Tabletten o<strong>de</strong>r<br />

mg, ich weiss nicht mehr, von diesem Antibiotikum "Antinags"<br />

o<strong>de</strong>r so ähnlich heisst es, gegeben. Ich habe 32 Tabletten von<br />

<strong>de</strong>nen geschluckt, alle 6 Stun<strong>de</strong>n eine. <strong>Die</strong>se Tabletten haben mir<br />

sicher auch gegen irgen<strong>de</strong>ine Erkrankung geholfen. Ich hatte<br />

wie<strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong> gesucht und mir versucht zu bestätigen, dass<br />

Martin sicher am Montag kommt, dass er am <strong>Die</strong>nstag da ist,<br />

obwohl <strong>Die</strong>nstag kein "Stempeltag" wäre, nach meinen<br />

Berechnungen. Ich dachte, dass die Putzfrau jeweils <strong>Die</strong>nstags<br />

kommt und da ja über Ostern bis zum vergangenen Donnerstag,<br />

<strong>de</strong>r erste Donnerstag im April, Martin Besuch von <strong>de</strong>r Familie<br />

mit zwei Kin<strong>de</strong>rn hatte, sicher die Putzfrau kommen musste. Ich<br />

versuchte Helmut zu beruhigen. Er hat dann gesagt, sicher, sicher<br />

und Helmut musste dann Mariano beruhigen und mich wun<strong>de</strong>rt<br />

es heute noch, dass Mariano darauf eingegangen ist, dass ein<br />

Familienangehöriger von Helmuts Seite das Geld abholte. Es kam<br />

77


zu Situationen, wo ich <strong>de</strong>m Knecht gesagt habe, bitte rufe nach<br />

<strong>de</strong>m Sohn von Mariano, <strong>de</strong>m Mario, weil ich wissen musste, ob<br />

die wussten was hier abläuft, <strong>de</strong>nn sobald <strong>de</strong>r Gesandte von<br />

Helmut, in diesem Falle, Peter Kroschel, sobald er <strong>de</strong>n Co<strong>de</strong> mit<br />

<strong>de</strong>m Sparbuch in <strong>de</strong>r Hand hatte, er alleiniger Besitzer vom<br />

ganzen Geld war. Ich habe nur gebetet, dass die keinen extra Deal<br />

machen o<strong>de</strong>r Helmut auf die I<strong>de</strong>e kommen könnte und sagen<br />

könnte, <strong>de</strong>r Heinrich hat uns angelogen, da war nicht genug Geld<br />

darauf und ich hätte das Gegenteil nicht von meinem Zimmer<br />

aus beweisen können. Und Mariano verstand ja kein Deutsch. Ich<br />

habe gedacht, hoffentlich machen sie nicht so was und darum<br />

habe ich nach <strong>de</strong>m Sohn gefragt. Mariano selber wollte ja nicht<br />

kommen, <strong>de</strong>r feige Hund. Den habe ich seit er mich am<br />

Inlandflughafen in Buenos Aires auf <strong>de</strong>n Flug nach Bahia Blanca<br />

zu seiner Farm abgesetzt hat, seit diesem Abend, nie mehr<br />

gesehen. Ich rief nach <strong>de</strong>m Sohn und habe Marco gesagt, nein<br />

<strong>de</strong>m Mario, er ist <strong>de</strong>r Jüngere, <strong>de</strong>r Mario, ist auch <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r die<br />

Farm leitet, als Beauftragter. Ich habe Mario gefragt, ob er wisse<br />

was hier ablaufe, was nun geschehen sollte und ob es Mariano<br />

auch wisse. Er hat mir bestätigt, dass er genau wisse, was ich mit<br />

Helmut vereinbart hätte. Ich wollte ja nicht, dass da noch was<br />

gedreht wur<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren betrügt und ich bin<br />

nachher <strong>de</strong>r Not lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> "Tote". Auf je<strong>de</strong>n Fall wusste Mariano<br />

um was es ging und ich kann nur annehmen, dass er sich auf eine<br />

Einzelperson, also auf eine Person, die nur <strong>de</strong>m Helmut vertraut<br />

ist, eingelassen hatte. <strong>Der</strong> einzige Grund ist, Mariano hätte<br />

natürlich Helmut und seine Frau hier in Gewalt haben können,<br />

bis er seinen Anteil vom Verbrechen erhielt. So kam es dann, dass<br />

am Sonntagabend in Argentinien, ca. 22.30 Uhr o<strong>de</strong>r 00.30 Uhr,<br />

nach<strong>de</strong>m wir wie<strong>de</strong>r je<strong>de</strong> halbe Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Versuch gemacht<br />

haben nach Vaduz zu telefonieren, Martin prompt das Telefon<br />

abgenommen. Helmut sprang in mein Zimmer und sagte: "Jetzt<br />

ist er zu Hause, ich rufe gleich nochmal an". Martin erzählte, dass<br />

er zwei Tage im Tirol bei seinen Bekannten war, die eine<br />

Schreinerei haben, ganz unangekündigt. Ich konnte mir natürlich<br />

nichts anmerken lassen, dass wir fast je<strong>de</strong> halbe Stun<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n<br />

letzten 48 Stun<strong>de</strong>n probiert hatten, ihn anzurufen. Ich habe<br />

gesagt: "Super.‚ Dann habe ich ihm gesagt, wie es mir<br />

aufgetragen wur<strong>de</strong>, dass ein Peter Kroschel, graue Haare, gross,<br />

78


vorbeikommen wer<strong>de</strong> und ich fragte Martin, wann es ihm passen<br />

wür<strong>de</strong>. Er sagte, am Montag um 01.00 Uhr. Ich habe zu Martin<br />

bei diesem Gespräch – immer mit Helmuts Ohr auch am Telefon<br />

– gesagt: "Gehe in <strong>de</strong>in Gästezimmer, in <strong>de</strong>m Zimmer in <strong>de</strong>m<br />

Schrank hängt eine gelbe Regenjacke, die ich mir letztes Jahr<br />

gekauft habe, aber noch nie getragen habe. Sie hängt in einer<br />

weissen Schutzhülle". Er ging hin, holte die Jacke raus und ich<br />

habe extra nicht gesagt, was drin ist, weil damit <strong>de</strong>r Helmut von<br />

Martin am Telefon mithört, was drin ist. Ich habe zu Martin<br />

gesagt: "Bitte, mache die Brusttasche auf, was fin<strong>de</strong>st du? Ja, da<br />

ist ein rotes Büchlein drin. Was steht vorne drauf?" BAWAG, gut,<br />

es ist ein Banksparbuch. Und dann war Helmut sehr erleichtert,<br />

dass alles so gut ging. Ich sagte zu Martin: "Bitte stecke es in ein<br />

Kuvert und am Montag kommt dieser Peter Kroschel und holt es<br />

ab und gibt es seinem Sohn Jürgen und dieser Jürgen kommt<br />

dann per Flug von Deutschland am Mittwoch nach Argentinien<br />

und gibt es mir". Martin sagte: "Gar kein Problem". In dieser<br />

Sonntagnacht haben wir "alle" wie<strong>de</strong>r einmal gut geschlafen. Am<br />

Montagmorgen um 08.00 Uhr war ich bereits wach in<br />

Argentinien, <strong>de</strong>nn 08.00 Uhr plus fünf Stun<strong>de</strong>n gibt 13.00 Uhr in<br />

Europa und ich dachte, dass dies die Stun<strong>de</strong> ist, wo ich mein<br />

Vermögen verlieren wer<strong>de</strong>, wo ich die Früchte meiner Arbeit,<br />

meines Sparens, meiner Intelligenz verlieren wer<strong>de</strong> und jetzt<br />

wird es übergeben. Ich bin wach geblieben und habe die Stun<strong>de</strong>n<br />

gezählt und habe gedacht, ich nahm an, dass vielleicht um 13.30<br />

Uhr <strong>de</strong>r Typ schon in Feldkirch ist. Wir haben die Bank nach <strong>de</strong>m<br />

letzten Gespräch von Freitagnachmittag mit Herrn Bröll nicht<br />

mehr angerufen, weil Helmut es nicht wollte, da es zu verdächtig<br />

sei. Ich nehme an, dass es so passierte: Herr Kroschel musste nach<br />

Feldkirch gegangen sein und als Beweis wollte dann Helmut und<br />

Mariano, dass die Überweisung, die er auf die Konten gemacht<br />

hatte, per Fax nach Argentinien sandte. Das wur<strong>de</strong> Herrn<br />

Kroschel so aufgetragen. Ich bin mir nicht sicher, ob er genau<br />

wusste, was da läuft, er wusste bestimmt nicht, dass ich<br />

eingesperrt war – aber, ich konnte dies nicht <strong>de</strong>finitiv wissen.<br />

Ihm wur<strong>de</strong> es aufgetragen und er hat es gemacht. Aber trotz<strong>de</strong>m<br />

war er Mitläufer und er muss für seine Taten die Verantwortung<br />

stehen. Er kann immer noch alles abstreiten, aber ich wäre froh,<br />

wenn man ihn Einvernehmen wür<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r so, das muss die<br />

79


Polizei wissen. Ich wusste, dass sie sich geeinigt haben, Helmut<br />

und Mariano und um es nicht offensichtlich Halbe-Halbe zu<br />

machen, machten sie, glaube ich, machten sie 52 Prozent für<br />

Helmut und 48 Prozent für Mariano. Mariano ist eigentlich nur<br />

darauf eingegangen, weil Helmut argumentiert hat, dass ja mein<br />

Reisegeld in Bar, das ich bei mir hatte, ca. CHF 8000.- und ca. US$<br />

1 ‘500.- in US$ Noten, dass er, Mariano dieses Geld behalte<br />

könne. Mir soll er einen Teil davon geben, damit ich überhaupt<br />

noch ...‚ haben sie mir gesagt, ich wusste immer noch nicht, ob sie<br />

mich freilassen wür<strong>de</strong>n, ich war mir nicht sicher. Bis anhin, das<br />

muss je<strong>de</strong>r verstehen, das Wenige, was sie mir positives gesagt<br />

hatten, haben sie natürlich auch nur darum gesagt, weil sie mich<br />

- um ihre verbrecherischen Ziele zu erreichen - manchmal in gute<br />

Stimmung zurückbringen mussten, sodass ich positive <strong>de</strong>nke.<br />

Denn wenn ich nach massiven Drohungen seitens Mariano und<br />

Helmuts Clique wie<strong>de</strong>r überzeugt war, sie bringen mich um,<br />

hätte ich ja auf stur stellen können, sagen können, ihr kriegt kein<br />

Geld von mir, bringt mich gleich mit einer Kugel um. Sie mussten<br />

ja "freundlicher‘ mit mir umgehen, damit ich alles schön mache,<br />

was sie von mir verlangt haben.<br />

Montagnachmittag in Europa, Peter Kroschel hat, so glaube ich,<br />

alles erledigt und die Bank hat sich dann geweigert, das hat mir<br />

Helmut gesagt. <strong>Die</strong> Bank hätte sich geweigert, <strong>de</strong>n Fax nach<br />

Argentinien zu schicken und so. Mich wür<strong>de</strong> es nicht<br />

verwun<strong>de</strong>rn, wenn er, Bröll etwas vermutet hatte. Dass es ihm<br />

komisch vorkam, da ich ihn persönlich kenne, ich weiss nicht, ob<br />

ich mich am Telefon komisch angehört habe, weil ich weiss<br />

nicht


Zimmer. Er kam ins Zimmer und erzählte, dass dummerweise<br />

nur <strong>de</strong>r obere Teil <strong>de</strong>s Fax angekommen sei, <strong>de</strong>n Herr Kroschel<br />

geschickt habe. Und nur mit genau <strong>de</strong>m Teil von Helmut<br />

Roegele's Überweisungen und nicht <strong>de</strong>n von Mariano, was<br />

Mariano natürlich wie<strong>de</strong>r sehr misstrauisch stimmte. Er dachte,<br />

er hätte nichts gekriegt, es war wie<strong>de</strong>r ein Drama. Ich war dann<br />

nicht mehr <strong>de</strong>r Wichtigste nach<strong>de</strong>m das passiert war und sie<br />

haben Herr Kroschel, <strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r auf die Hausnummer angerufen<br />

hat, eine an<strong>de</strong>re Faxnummer gegeben und zwar die Faxnummer<br />

von einem Telefondienst im Dorf von Saavedra. Wir mussten also<br />

noch länger warten, bis Herr Kroschel die Überweisungsbelege<br />

auf die neue Faxnummer in Saavedra geschickt hatte und jemand<br />

musste sie dort holen gehen. Ich habe die Überweisungen nie<br />

gesehen, sie haben mir die Faxüberweisung nie gezeigt. Nur<br />

davon gesprochen. <strong>Die</strong> Zeit verging an <strong>de</strong>m Montag und alle<br />

waren sichtlich erleichtert o<strong>de</strong>r „Happy‚, weil sie meine Kohle<br />

gekriegt hatten. Vor allem Mariano, <strong>de</strong>r hat sich einen schönen<br />

Schnitt daraus gemacht. Nicht nur die Hälfte meines Gel<strong>de</strong>s hat<br />

er genommen, son<strong>de</strong>rn auch die Geldschuld, die er mir schul<strong>de</strong>t,<br />

kann ich vergessen. Auf je<strong>de</strong>n Fall war ich ganz nervös - alle<br />

an<strong>de</strong>ren waren Happy. Nur ich wur<strong>de</strong> immer nervöser und<br />

unruhiger und zitterte, weil ich dachte, wenn sie mich jetzt<br />

umbringen o<strong>de</strong>r umlegen wollen, dann müssen sie es schnell<br />

machen. Ich vermutete, dass sie mir jetzt nicht mehr geglaubt<br />

haben, dass ich nicht mehr Geld besitze und dass sie zuerst<br />

vermutlich dachten, wir nehmen das, was wir haben und dann<br />

können wir ja immer noch...... Sie haben genug An<strong>de</strong>utungen<br />

gemacht. Sie können mich ja immer noch foltern o<strong>de</strong>r mir Angst<br />

machen o<strong>de</strong>r dann wie<strong>de</strong>r einsperren. Ich hätte mich nicht<br />

gewun<strong>de</strong>rt, wenn sie mich nur aufgepäppelt hätten, damit ich<br />

das alles mache und wenn ich dann wie<strong>de</strong>r gesund bin, kann ich<br />

ja wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Kerker gehen, wenn keine Lebensgefahr wegen<br />

<strong>de</strong>n Verletzungen mehr besteht. Helmut hat, um die Bank "zu<br />

beruhigen", mir aufgetragen bzw. mich gezwungen, dass ich die<br />

Bank am Nachmittag, bevor sie geschlossen haben, am<br />

Montagnachmittag wie<strong>de</strong>r anrufe und Herrn Bröll verlange und<br />

mich für die ganze Transaktion bedanke. Ich habe dann<br />

angerufen und Herrn Bröll hat abgenommen und ich habe ihm<br />

gesagt: „Vielen Dank Herr Bröll, ich erzähle es Ihnen dann, wenn<br />

81


ich wie<strong>de</strong>r nach Hause komme.‚ Mariano hat dann zeitweise an<br />

diesen Tagen entwe<strong>de</strong>r Helmut alleine o<strong>de</strong>r Helmut samt seiner<br />

Frau o<strong>de</strong>r nur seiner Frau Besucherverbot für mein Zimmer<br />

erteilt. Mariano hatte Angst – keine Ahnung warum - dass ich<br />

etwas mit Helmut aushecken könnte, weil er und sein Clan kein<br />

Deutsch verstan<strong>de</strong>n. Sie haben <strong>de</strong>shalb verboten, dass ich mit<br />

Helmut auf Deutsch spreche. Ich habe mich dann immer<br />

aufgeregt, weil Helmut immer mit mir Deutsch gesprochen hat<br />

und ich habe dann spanisch geantwortet, damit es mein<br />

Bewacher auch hört und damit sie sahen, dass ich nichts mit ihm<br />

habe, also keinen Deal hinter <strong>de</strong>m Rücken machen will, son<strong>de</strong>rn<br />

dass ich ihm auf Spanisch antworte und ich nichts dafür kann,<br />

wenn Helmut nicht auf Spanisch mit mir sprach. <strong>Die</strong>s hat dann<br />

<strong>de</strong>r Bewacher verstehen können. Und er, <strong>de</strong>r Bewacher immer,<br />

nach<strong>de</strong>m Helmut o<strong>de</strong>r seine Frau - welche nicht gut <strong>de</strong>utsch<br />

spricht und ich nur spanisch mit ihr re<strong>de</strong> - mich besucht haben,<br />

weggerannt und zu Mariano gegangen ist und ihm alles erzählt<br />

hatte. Mariano war immer informiert. Ich habe <strong>de</strong>n Sohn von<br />

Mariano, Marco, gefragt, ob Mariano mich besuchen kommt o<strong>de</strong>r<br />

was er vorhat. Darauf sagte er, im Moment wisse er es nicht, sie<br />

müssen da noch schauen. Da habe ich mir gedacht, oh je, jetzt<br />

machen sie wie<strong>de</strong>r so ein Spiel, vielleicht haben sie einen<br />

Kurzschlusseffekt und bringen mich doch um. Auf je<strong>de</strong>n Fall zu<br />

meiner Verwun<strong>de</strong>rung bin ich dann eingeschlafen und am<br />

Montagabend konnte ich nicht gut schlafen und habe immer zur<br />

Tür geschaut, ob nicht doch noch einer kommt und mir die Kehle<br />

durchschnei<strong>de</strong>t. Am <strong>Die</strong>nstag haben sie mich dann aus <strong>de</strong>m<br />

Zimmer gelassen und einen bewachten Rundgang gemacht,<br />

nach<strong>de</strong>m ich schon fast 1 1/2 Wochen o<strong>de</strong>r über 10 Tage<br />

eingesperrt war - und das 24 Stun<strong>de</strong>n, ohne dass ich viel bzw.<br />

überhaupt nichts gesehen habe, ausser aus <strong>de</strong>m Fenster raus, vor<br />

allem im zweiten Zimmer. Zu meiner Überraschung haben sie<br />

dann Helmut Fluginformationen einholen lassen, wie er mir<br />

erzählt hatte. Und sie haben mir gesagt, dass es am Besten sei,<br />

wenn ich am <strong>Die</strong>nstagnachmittag verdufte, sofern ich gehen<br />

könne. Was mich am Meisten verwun<strong>de</strong>rt hat ist, dass Mariano<br />

sich mit einer Fotokopie <strong>de</strong>r Überweisung zufrie<strong>de</strong>n gab. Ich<br />

hatte gedacht, er wür<strong>de</strong> sicher warten, bis seine Bank in Spanien -<br />

was sehr lange dauern kann - bestätigt, dass sie das Geld erhalten<br />

82


haben. Ich vermute, dass ich heute hier sitzen kann und mein<br />

Herz normal schlägt und mir nur die Hän<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r Hals weh<br />

tun, hat vielleicht auch damit zu tun, dass ich mit meinem<br />

Selbstmordversuch <strong>de</strong>nen vor Auge geführt habe, was überhaupt<br />

hier passiere. Ich weiss es nicht - nein, ich kann es nicht sagen. Ich<br />

kann nur sagen, und das müssen Sie mir bitte glauben, es hätte<br />

auch ebenso gut das an<strong>de</strong>re passieren können. Sie hätten nämlich<br />

kein Problem gehabt, mich umzulegen und irgendwo zu<br />

verstecken. Es wäre entwe<strong>de</strong>r das Eine, eben Freiheit, welche ich<br />

jetzt habe, o<strong>de</strong>r das An<strong>de</strong>re passiert. Bei<strong>de</strong>s hatte die gleich<br />

grosse Chance, dass es mir passieren könne. Damit will ich sagen,<br />

dass es in <strong>de</strong>n Köpfen von <strong>de</strong>nen war, mich zu beseitigen,<br />

nach<strong>de</strong>m ich das Geld bezahlt habe, o<strong>de</strong>r vorher, wenn ich nicht<br />

tue was sie wollen. Es war immer ein Kopfproblem. Das haben<br />

sie mir durch die vielen Details, die ich auf diesen sieben<br />

Kassetten darauf gesprochen habe, ständig bewiesen und auch<br />

mir vor Augen geführt, dass sie die Möglichkeit hätten, in<strong>de</strong>m es<br />

notwendig wäre, die Möglichkeit auch ausnützen wer<strong>de</strong>n. Wie<br />

z.B. mir gleich nach <strong>de</strong>m Unfall mit einem kalten Blick gesagt<br />

wur<strong>de</strong>, dass, wenn ich jetzt nicht selber gesund wer<strong>de</strong>, dass sie<br />

mich umlegen müssen o<strong>de</strong>r verbrennen bzw. vernichten müssen.<br />

Es geht einfach nicht an<strong>de</strong>rs, weil ich auf keinen Fall ein Spital<br />

o<strong>de</strong>r einen Arzt aufsuchen darf.<br />

Am <strong>Die</strong>nstag haben sie mich gebeten meine Sachen zu packen.<br />

Das habe ich dann auch gemacht. Ich wollte immer mit Mariano<br />

sprechen, aber er kam nicht. Wahrscheinlich war er zu feige und<br />

hat immer seine Söhne vorgeschickt. Einmal hat mir <strong>de</strong>r Wächter<br />

gesagt - <strong>de</strong>r Vogel - :Es war vermutlich naiv von mir zu <strong>de</strong>nken,<br />

nach<strong>de</strong>m was sie mir alles angetan hatten, dass ich noch <strong>de</strong>nke er<br />

wür<strong>de</strong> kommen und mit mir sprechen. Vermutlich hatte er<br />

Angst, ich wür<strong>de</strong> ihm eine kleben o<strong>de</strong>r ihn ermor<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r ich<br />

weiss auch nicht. Aber man <strong>de</strong>nkt halt an<strong>de</strong>rs, wenn man in<br />

Gefangenschaft ist, nicht normal und oft nicht logisch. Aber oft<br />

doch sehr logisch. Auf je<strong>de</strong>n Fall kam es so, dass sie<br />

abgesprochen hatten, dass Helmut mich bis zu meinem Flug<br />

begleitet und ich abhauen soll. Sie wussten ja von meinen<br />

Aussagen, von meiner Angst, die ich hatte. Ich wür<strong>de</strong> nie, wenn<br />

ich auch die Möglichkeit gehabt hätte, zur argentinischen Polizei<br />

gehen, <strong>de</strong>nn das Land ist so korrupt und kompliziert. Ich hatte<br />

83


solche Angst, dass sie mich im Effekt erschiessen wür<strong>de</strong>n, bevor<br />

ich überhaupt eine Zeugenaussage machen könnte. Ich war nicht<br />

immer ein guter Mensch, je<strong>de</strong>r hat seine Fehler, aber ich bin nicht<br />

<strong>de</strong>primiert, nach<strong>de</strong>m was vorgefallen ist. Klar ist das Geld weg,<br />

aber ich verdiene es wie<strong>de</strong>r, aber das ist mir im Moment nicht<br />

wichtig, ich kann ja wie<strong>de</strong>r arbeiten und bin gesund. Aber das<br />

Gefühl <strong>de</strong>r Freu<strong>de</strong>, dass ich noch LEBE - da ich ja wirklich hätte<br />

tot sein sollen - ist viel grösser als die Trauer über das was mir<br />

angetan wur<strong>de</strong>. Nur Dank <strong>de</strong>r Differenz zwischen <strong>de</strong>n Gefühlen<br />

kann ich jetzt noch als gera<strong>de</strong>r Mann aufstehen und mein Leben<br />

weitermachen. Ich sehe vieles in einem an<strong>de</strong>ren Licht, sehe viele<br />

kleine Freu<strong>de</strong>n und wür<strong>de</strong> auch nicht mehr weggehen. Ich will<br />

nicht mehr reisen, ich hatte so viel Heimweh gekriegt, weil ich ja<br />

noch nicht von dieser Welt gehen konnte, ohne mich von allen zu<br />

verabschie<strong>de</strong>n. Das konnte nicht das En<strong>de</strong> sein, in einem Grab<br />

o<strong>de</strong>r Ofen in Argentinien, das ich noch nie zuvor gesehen hatte.<br />

Selbst wenn ich als Toter nach Mauren gekommen wäre, könnte<br />

es nicht sein, dass ich schon als 32-Jähriger ein Grab mit einem<br />

Kreuz bei <strong>de</strong>r Maurer Kirche habe. Darum ist die Freu<strong>de</strong> noch<br />

viel grösser, dass ich jetzt noch lebe.<br />

Ich weiss, Liechtenstein lässt mich nicht verhungern.<br />

Auf je<strong>de</strong>n Fall traute ich nieman<strong>de</strong>m mehr dort in Argentinien,<br />

ich wollte nur Helmut sagen, nimm mich mit, wenn Dir noch<br />

etwas an mir liegt. Ihr wer<strong>de</strong>t vielleicht fragen, wo ist <strong>de</strong>r Hass?<br />

Ich hatte damals keinen Hass. <strong>Der</strong> Hass kommt vielleicht heute<br />

o<strong>de</strong>r jetzt o<strong>de</strong>r seit<strong>de</strong>m ich frei bin. Klar empfin<strong>de</strong>t man riesigen<br />

Hass und ich wür<strong>de</strong> vielleicht dasselbe <strong>de</strong>nen antun. Aber was<br />

eben <strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>l o<strong>de</strong>r das so nahe am Tod gewesen zu sein, löst<br />

dann doch einen Prozess aus, wo einem doch alles an<strong>de</strong>re, vor<br />

allem die negativen Dinge nicht mehr interessieren. Wenn ich<br />

mich mit Helmut o<strong>de</strong>r Mariano näher befasse, färbt es nur<br />

negativ auf mich ab. Ich will mich gar nicht mehr damit befassen.<br />

Ich vertraue <strong>de</strong>r Liechtensteiner Polizei und <strong>de</strong>r Justiz, die<br />

bestimmt das tut, was ich vielleicht selbst in die Hand genommen<br />

hätte. Vor allem die dummen Leute, da ich weiss, wie sie heissen<br />

und wo sie wohnen. Ich weiss alles. Ich kenne sogar ein wenig<br />

ihre Lebensgewohnheiten. Ich weiss nicht, was sie sich dabei<br />

gedacht haben.<br />

84


Auf je<strong>de</strong>n Fall habe ich meine Sachen gepackt, hatte frische<br />

Unterwäsche und Hosen an, die Schuhe geputzt und die letzte<br />

Bandage um <strong>de</strong>n Hals und die Hän<strong>de</strong> gemacht und das Zimmer<br />

nochmals angeschaut. Dann hiess es, Mariano wür<strong>de</strong> uns –<br />

Verbrecherehepaar Roegele und mich - zum Flughafen fahren -<br />

ca. 100 km weit weg. Er alleine mit meinem Koffer, Helmut und<br />

seine Frau wollten auch weg von dort, weil sie vermutlich Streit<br />

hatten. Ich weiss aber nicht, ob das alles nur vorgespielt war. Ich<br />

kann nur aus meinen kleinen vier Wän<strong>de</strong>n das beschreiben, was<br />

ich selber erlebt habe. Alles was sich ausserhalb abgespielt hat,<br />

kann ich nicht richtig beurteilen. Nach <strong>de</strong>m Mittagessen am<br />

<strong>Die</strong>nstag, ca. 13.00 Uhr, meine Sachen hatte ich gepackt, meine<br />

Ausweise hatte ich nicht gesehen, die müssten noch irgendwo<br />

sein. Dann haben sie mir gnädigerweise, weil ich gesagt habe,<br />

dass ich kein Geld mehr habe, von meinem eigenen Geld Fr. 3000.<br />

- und US 200.- gegeben, damit ich etwas hatte, wenn ich in<br />

Zürich ankomme. Ich wusste noch immer nicht, ob sie mich<br />

wirklich gehen lassen wer<strong>de</strong>n. Ich konnte es einfach nicht<br />

glauben. Ich wollte es aber nicht zeigen. Ich habe einfach wie<br />

apathisch das gemacht, was sie von mir verlangt hatten und dann<br />

meine Koffer gepackt. Mariano kam dann eine halbe Stun<strong>de</strong><br />

bevor ich das Zimmer verliess zu mir und hat nicht viel gesagt.<br />

Er hat mir meinem Pass hingeschmissen und die Wun<strong>de</strong><br />

angeschaut und ist dann wie<strong>de</strong>r gegangen. Er hatte noch zwei<br />

Wächter dabei, da sie wohl Angst hatten ich wür<strong>de</strong> versuchen<br />

Mariano mit meinen Hän<strong>de</strong>n zu erwürgen o<strong>de</strong>r so. Auf je<strong>de</strong>n Fall<br />

habe ich gedacht, das ist ein zu einfacher Abgang, das kann nicht<br />

sein. Aber ich nehme an, dass sich die Sache ein wenig gewen<strong>de</strong>t<br />

hat, dadurch dass Helmut und Mariano sich in die Haare<br />

gekommen sind und Helmut nun auch um sein Leben gebangt<br />

hat o<strong>de</strong>r auch nicht. <strong>Die</strong>s ist auch nur mein Eindruck. Wir sind<br />

dann alle in <strong>de</strong>n Ford Bronco eingestiegen, das ist ein US-<br />

Fordmo<strong>de</strong>l, ein Riesending mit einem gewaltigen Motor und<br />

zwei Türen vorne und hinten eine Heckklappe und hinten mit<br />

einer kleinen Bank und vorne mit zwei grossen Sitzen. Es hatte<br />

einen braunen Teppich und ein argentinisches Kennzeichen. Er<br />

hatte dieses Fahrzeug zu <strong>de</strong>r Zeit gekauft, als er die Farm gekauft<br />

hatte. <strong>Die</strong> Farm hat er auch nicht länger als seit 1991, glaube ich.<br />

Dann habe ich noch gehört, wie Mariano seinen Sohn fragte, was<br />

85


<strong>de</strong>r schnellste bzw. einfachste Weg aus <strong>de</strong>r Farm ist und wenn er<br />

das Haupttor verlassen habe, ob er dann links o<strong>de</strong>r rechts fahren<br />

soll. Links ging es dann über das Dorf Saavedra und dann auf die<br />

Nationalstrasse und rechts ging es über Grenzstrassen zwischen<br />

<strong>de</strong>n Farmen auf die Nationalstrasse. Wenn er nach rechts fahre,<br />

spare er ca. 15 o<strong>de</strong>r 18 km. Mich wun<strong>de</strong>rte es, dass Mariano, <strong>de</strong>r<br />

oft auf <strong>de</strong>r Farm war, seinen Sohn nach <strong>de</strong>m kürzesten Weg<br />

fragen musste. Auf je<strong>de</strong>n Fall sind wir dann alle eingestiegen und<br />

zu aller Frechheit wollten sie noch ein Foto mit mir machen, die<br />

spinnen ja vollkommen. Vielleicht brauchten sie das zum<br />

Erklären, dass es ein „lustiges Ferienabenteuer‚ für mich war.<br />

Einbandagiert, mit langen Hosen, dasselbe was ich heute hier bei<br />

<strong>de</strong>r Polizei anhabe. Wir sind dann losgefahren. Obwohl <strong>de</strong>r Sohn<br />

sagte, dass man links fahren solle, ist Mariano nach rechts<br />

gefahren. Wieso ist er nach rechts gefahren? Da bekam ich Angst.<br />

Vor uns tauchte ein weisses Auto auf. Vielleicht wollte er mich,<br />

weg von <strong>de</strong>n Hausangestellten und seiner Frau Carmen neu<br />

irgendwohin verschleppen und umbringen. Mit Hilfe vom<br />

Roegele. Auf einmal sah ich ein kl. Weisses Auto. Ich dachte<br />

sofort dies könnte die Söhne von Mariano sein; Roegele machte<br />

dann ein Scheisskommentar und sagte dass jetzt die letzte Stun<strong>de</strong><br />

für mich geschlagen hat. Sie mussten <strong>de</strong>n Angstpegel hoch<br />

halten, damit ich nicht auf dumme I<strong>de</strong>en komme. Aber das<br />

an<strong>de</strong>re, kleine, weisse Auto ist dann Richtung einer an<strong>de</strong>ren<br />

Farm gefahren. Weit vor uns sah ich eine Strassenblocka<strong>de</strong> und<br />

ich habe wie<strong>de</strong>r gezittert und gedacht das ist das En<strong>de</strong>. Dann<br />

lieber eine Kugel, warum wie<strong>de</strong>r das ganze Drama. Aber es hat<br />

sich dann herausgestellt, dass es die Strassenarbeiter mit<br />

Baumaschinen waren, die die Strasse neu planiert haben. Wir<br />

fuhren und fuhren. Ich sagte kein Wort und war froh um je<strong>de</strong>n<br />

Meter, <strong>de</strong>n ich von dieser Farm hinter mir liess. Es war so heiss<br />

und staubig.<br />

Und nach ca. einer Stun<strong>de</strong> kamen wir in Bahia Blanca an. Bahia<br />

Blanca ist ein Dorf von ca. 100.000 Einwohnern. Wir gingen gleich<br />

zum Flughafen. Ich hatte kein Ticket von Bahia Blanca nach<br />

Buenos Aires. Ich hatte nur das Bargeld und mein Gepäck. Ich<br />

war erst da ziemlich sicher, dass ich nicht sterben wer<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r<br />

sicher, dass mir nichts passieren wür<strong>de</strong>. Weil auf <strong>de</strong>m Weg von<br />

<strong>de</strong>r Farm bis zum Flughafen hätte noch ein Unfall o<strong>de</strong>r alles<br />

86


Mögliche passieren können. Mariano hat sich dann<br />

verabschie<strong>de</strong>t, mehr o<strong>de</strong>r weniger freundlich. Ich wollte ihm<br />

natürlich nicht die Hand drücken. Ich wollte aber nicht gehässige<br />

o<strong>de</strong>r aufmüpfig erscheinen, weil ich Angst hatte, er könnte<br />

meinen, ich wolle Rache üben. Ich hinterliess nur <strong>de</strong>n Eindruck,<br />

dass ich auf <strong>de</strong>m schnellsten Weg wie<strong>de</strong>r nach Hause wollte.<br />

Wir haben gewartet.<br />

Helmut hat mit seiner Kreditkarte, ich weiss nicht, ob es eine<br />

Gol<strong>de</strong>ne war, uns allen drei - mir, seiner Frau und sich - das<br />

Ticket bezahlt. Ich glaube wir flogen mit LAPA o<strong>de</strong>r LACA, eher<br />

LAPA von Bahia Blanca nach Buenos Aires, das kostet pro Person<br />

USD 68. -. Für mich wur<strong>de</strong> auch ein Lufthansaflug reserviert. <strong>Die</strong><br />

Lufthansa fliegt am Montag, Mittwoch und Freitag - so glaube<br />

ich. Wir haben am <strong>Die</strong>nstag für <strong>de</strong>n nächsten Tag reserviert,<br />

obwohl <strong>de</strong>r Flug ausgebucht war, aber ich war auf <strong>de</strong>r Warteliste.<br />

Mein ursprüngliches Lufthansaticket hätte dann geän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n<br />

können, da ich am 21. April ja fix <strong>de</strong>n Rückflug original gebucht<br />

hatte. Ich konnte im Flugzeug nach Buenos Aires nur weinen.<br />

Verbrecher Roegele sass auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite <strong>de</strong>s Ganges mit<br />

seiner Frau neben mir, stumm. Ich sagte auch nichts, ich wollte<br />

auch nieman<strong>de</strong>n sehen. Sie haben zwar Polizisten im Flughafen,<br />

aber was sollte ich jetzt tun. Nach<strong>de</strong>m was geschehen war, hat<br />

man keine Energie mehr. Ich wusste nicht, wür<strong>de</strong>n sie mir<br />

glauben o<strong>de</strong>r nicht. Vielleicht halten sie mich für verrückt und<br />

stecken mich in eine psychiatrische Klinik. Ich wollte nur weg<br />

von diesem Land, vom ganzen Kontinent und einfach nach<br />

Hause. Wir sind dann am Abend in Buenos Aires angekommen.<br />

Es war schon ein wenig dunkel. Wir steigen in ein Taxi und<br />

fuhren zum Hotel, das Mariano für uns reserviert hatte. Helmut<br />

und seine Frau hatten ein Doppel- und ich ein Einzelzimmer. Es<br />

war dasselbe Hotel, in welchem ich schon bei meiner Hinreise<br />

war – Salles. Dort habe ich mich eingeschrieben, mit richtigen<br />

Namen und eigener Passnummer und so. Alle gingen aufs<br />

Zimmer und ich musste mir neues Verbandsmaterial kaufen.<br />

Helmut sagte zu mir, dass ich das selbst kaufen gehen solle. Das<br />

überraschte mich sehr. Ich bin dann zum Hotel raus und dachte,<br />

dass sie mir evtl. folgen. Ich ging zum Schein in ein, zwei, drei,<br />

vier Apotheken bis ich das gefun<strong>de</strong>n hatte, was ich brauchte - die<br />

an<strong>de</strong>ren hatten es nicht. Als ich dann sicher war, dass mir keiner<br />

87


folgte, habe ich Leute gefragt, wo ich einen Fax sen<strong>de</strong>n könne. Ich<br />

bin dann sofort, es war dann <strong>Die</strong>nstag um 20.30 Uhr o<strong>de</strong>r 21.00<br />

Uhr, in Europa Mittwoch, 01.00 Uhr o<strong>de</strong>r 02.00 Uhr morgens, zur<br />

Hauptstelle <strong>de</strong>r staatlichen Telefongesellschaft von Argentinien<br />

gegangen. Dort im Erdgeschoss gab es eine Möglichkeit ins<br />

Ausland zu Telefonieren o<strong>de</strong>r zu Faxen. Ich habe mit zittern<strong>de</strong>r<br />

Stimme darum gefleht, dass sie mir zwei Blatt Papiere o<strong>de</strong>r ein<br />

Blatt und einen Kugelschreiber geben sollen und ich musste die<br />

Faxnummer von Feldkirch erfragen. Ich dachte mir, ich kann es<br />

nicht <strong>de</strong>r Polizei in Liechtenstein o<strong>de</strong>r Österreich schreiben, in<br />

nur einer Seite – die wür<strong>de</strong>n die Situation nicht auf Anhieb<br />

kapieren; und zu<strong>de</strong>m war Herr Direktor Bröll <strong>de</strong>r Einzige, <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>n Zusammenhang erkennen könnte, mit <strong>de</strong>m Wenigen das ich<br />

ihm geschrieben habe. Also habe ich von <strong>de</strong>r Kabine Nr. 43 aus,<br />

welche sich im untersten Stockwerk vom Hauptgebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Telefongesellschaft von Argentinien, zuerst die argentinische<br />

Auskunft angerufen und darum gebeten, dass sie mir die<br />

Faxnummer von <strong>de</strong>r BAWAG in Feldkirch geben. <strong>Die</strong> Auskunft<br />

in Wien sei um diese Zeit nur sehr knapp besetzt und sie müssten<br />

<strong>de</strong>shalb zurückrufen, wur<strong>de</strong> mir mitgeteilt. Ich hoffte, dass es<br />

schnell geht damit Roegele nichts merkt- das ich so lange weg<br />

bin. Dann kam <strong>de</strong>r Rückruf und sie gaben mir eine Nummer mit<br />

<strong>de</strong>r Vorwahl 512 und ich wusste, dass die Nummer nicht<br />

stimmen konnte. 512 ist nicht Feldkirch. Vielleicht ist es 5522. Ich<br />

hatte <strong>de</strong>r Frau gesagt, die zurückgerufen hat, dass es nicht sein<br />

kann. Und dann hat sie nochmals nachgeschaut und gesagt, dass<br />

es schon stimme und dies eine Faxnummer sei. Es kann schon<br />

sein, dass es evtl. Innsbruck war, dachte ich mir. <strong>Der</strong> Mann an<br />

<strong>de</strong>r Kasse <strong>de</strong>r Telefongesellschaft hat mir nämlich eine alte Liste<br />

gezeigt, auf <strong>de</strong>r Innsbruck mit 512 aufgeführt war. Und es konnte<br />

schon sein, dass es eine Faxnummer in Innsbruck war, evt. auch<br />

von <strong>de</strong>r BAWAG - aber ich wollte ja Feldkirch haben. Auf je<strong>de</strong>n<br />

Fall habe ich <strong>de</strong>n Brief fertig geschrieben und darauf vermerkt,<br />

dass ich diese Nummer erhalten habe und wenn es eine falsche<br />

Adresse ist, sollen <strong>de</strong>r Empfänger dieses Fax ihn an die BAWAG-<br />

Zentrale in Wien o<strong>de</strong>r Herrn Bröll in Feldkirch weitersen<strong>de</strong>n. Ich<br />

habe dann nochmals die Auskunft angerufen und habe die<br />

Faxnummer von Wien erhalten, mit einer Eins. Dann habe ich die<br />

Nummer gewählt und die zwei A4-Blätter <strong>de</strong>r dort arbeiten<strong>de</strong>n<br />

88


Frau - in <strong>de</strong>r Telefongesellschaft in B.A. - in die Hand gegeben.<br />

Dann kam aber kein Fax-Ton son<strong>de</strong>rn eine männliche Stimme. Da<br />

sagte ich, das kann doch nicht wahr sein. <strong>Die</strong> Frau gab mir dann<br />

<strong>de</strong>n Hörer in die Hand und ich habe dann gesprochen. Es war<br />

dann tatsächlich die BAWAG in Wien. Da dachte ich mir, was<br />

macht <strong>de</strong>nn ein Arbeiter <strong>de</strong>r BAWAG um 02:00 Uhr nachts? Es<br />

war soviel ich weiss <strong>de</strong>r Nachtwächter und ich habe ihn nur um<br />

eine Faxnummer gebeten. Er sagte mir, ich solle an die jetzt<br />

gewählte Nummer die Ziffern, ich glaube es waren 2490 o<strong>de</strong>r<br />

2480, anhängen. Es ist mir zwar komisch vorgekommen, dass ich<br />

erst eine normale Telefonnummer anwählen und dann diese<br />

Nummer anhängen musste. Aber ich nahm dann an, dass es sich<br />

vermutlich um einen Telefoncomputer han<strong>de</strong>lte. Also habe ich es<br />

gemacht. Und es war eine Faxnummer und es hatte funktioniert.<br />

Ich hatte <strong>de</strong>n Fax geschickt und bin nachher gleich zurück zum<br />

Hotel gegangen und schon waren Helmut und seine Frau beim<br />

Eingang <strong>de</strong>s Hotels und hatten gefragt wo ich gewesen wäre und<br />

was ich gemacht hätte. Ich hatte Angst, <strong>de</strong>nn ich hatte für das Fax<br />

US$ 27 bezahlt und ich hatte US$ 200 bei mir gehabt. Auch hatte<br />

ich aus <strong>de</strong>m Geld noch Telefonkarten gekauft, falls ich meine<br />

Mutter o<strong>de</strong>r jeman<strong>de</strong>n anrufen könnte. Denn vom Hotel aus<br />

wollte ich nicht anrufen, da ich befürchtete, dass Helmut evtl. die<br />

Liste von meinen geführten Gesprächen verlangen wür<strong>de</strong>. Ich<br />

hatte Angst, dass Helmut auf die I<strong>de</strong>e kommen könnte und<br />

meine Geldtasche verlangen wür<strong>de</strong> und ich könnte nicht<br />

erklären, warum ich auf einmal US$ 45 weniger hatte. <strong>Die</strong> Bin<strong>de</strong>,<br />

die ich kaufte kostete nur US$ 3 also müsste ich ja von diesen US$<br />

200 noch US$ 197 haben. Aber ich hatte ja nur noch US$ 155, weil<br />

ich für die Telefonkarten US$ 18 und Fax US$ 27 bezahlt hatte. Sie<br />

haben dann aber nicht nachgefragt. Sie sagten nur, ich solle zum<br />

Essen mitkommen. Sie wollten mich nicht aus <strong>de</strong>n Augen<br />

verlieren. Ich bin dann mit essen gegangen. Ich habe nicht viel<br />

gemacht und gesagt. Interessant war, dass sie die ganze Schuld<br />

Mariano zuschieben wollten. Es sei seine I<strong>de</strong>e gewesen. Es sei<br />

seine Sache.<br />

Wir gingen dann ins Hotel und ich konnte in <strong>de</strong>r Nacht nicht<br />

schlafen. Ich war so nah am Ziel und ich wollte nur noch weg. Ich<br />

wusste, dass es einen Swissairflug am Mittwoch morgen gibt,<br />

und zwar <strong>de</strong>r um 9.40 Uhr. <strong>Die</strong> Lufthansa wür<strong>de</strong> erst am<br />

89


Nachmittag fliegen. Ich wollte nicht noch warten. Also habe ich<br />

meine Sachen gepackt, habe mich rasiert und ich habe meine<br />

letzte Bin<strong>de</strong> selber gemacht, dieselbe, mit welcher ich später im<br />

Vaduzer Spital aufgekreuzt bin. Ich bin dann schon um 05.00 Uhr<br />

aufgestan<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r 04.00 Uhr o<strong>de</strong>r 03.00 Uhr, ich weiss es nicht<br />

mehr genau und bin aus <strong>de</strong>m Hotel raus gegangen. Es hatte ein<br />

Nachtportier. Ich bin weit weggelaufen und habe eine<br />

Telefonzelle gefun<strong>de</strong>n und habe dann eine Nummer gewählt und<br />

prompt hat jemand abgenommen und ich wur<strong>de</strong> mit Herrn Bröll<br />

verbun<strong>de</strong>n. Ich habe ihn gefragt, ob er meinem Fax erhalten habe.<br />

Er bejahte. Er sagte, er bringe mich in Sicherheit und ich sagte,<br />

dass ich schon halb in Sicherheit bin. Aber ich spürte von ihm<br />

Vertrauen. Ich wollte nur weg.<br />

Man kann nieman<strong>de</strong>m mehr trauen im Land, es ist so korrupt.<br />

<strong>Die</strong> Telefonkarten waren sehr schnell aufgebraucht und ich<br />

konnte nicht mehr mit Herrn Bröll sprechen. Ich bin dann sofort<br />

ins Hotel zurück, habe ausgecheckt und für mein Hotelzimmer<br />

bar bezahlt (US$ 70). Ich habe <strong>de</strong>n Sammelbus genommen, <strong>de</strong>r<br />

vor <strong>de</strong>m Hotel stand. Ich war schon früh am Flughafen und habe<br />

nach <strong>de</strong>m Swissairflug gefragt. Es hatte noch Platz und kostete<br />

US$ 1'600, nur Hinflug. Das sind fast CHF 2'500. Dann hat <strong>de</strong>r<br />

Swissairangestellte mir einen besseren Deal vorgeschlagen und<br />

zwar, ich solle ein Rückflugticket, obwohl ich gar nicht mehr<br />

zurückkehren wollte, kaufen: das kostete nur US$ 1'118. Ich habe<br />

also genügend CHF für diesen US$-Betrag umgetauscht und das<br />

Ticket bezahlt. Ich bin ohne Probleme durch die Passkontrolle<br />

gegangen und habe einen Stempel bekommen. Und habe das<br />

Flugzeug bestiegen. Ich habe nur geweint, geweint und geweint,<br />

alles zusammen! Ich war nur froh, dass ich überlebt habe. In<br />

Vaduz bin ich mit <strong>de</strong>m Reisegepäck direkt ins Spital gegangen.<br />

Herr Dr. Moser hat mich angeschaut. Jetzt ist die Geschichte zu<br />

En<strong>de</strong> und was weiter geschehen wird, wird sich zeigen. Ich hoffe,<br />

dass für das menschliche Verbrechen, das mir angetan wur<strong>de</strong>,<br />

vor allem Mariano Marti-Ventosa Roqueta und auch Helmut<br />

Roegele und Ban<strong>de</strong> ihre Strafe erhalten wer<strong>de</strong>n. So wie es Gott<br />

o<strong>de</strong>r die Justiz vorgesehen hat. Ich danke allen für ihre Hilfe, die<br />

sie mir entgegengebracht haben und ich möchte auch bitten, dass<br />

Sie in vollem Bewusstsein sind, dass es ein schwerer Schlag für<br />

mein Leben war, und dass ich jetzt nicht weiss, ob ich doch noch<br />

90


irgendwie Depressionen erhalten wer<strong>de</strong>. Im Moment sehe ich das<br />

zwar nicht so, aber vielleicht kommt es später, wenn ich ein<br />

normales Leben führe, dass mich dann die Gedanken o<strong>de</strong>r die<br />

Erinnerung an die Geschichte sich wie<strong>de</strong>r aufwärmen.<br />

Vielen Dank für alles. H.K. 11. und 21. April 1997.<br />

En<strong>de</strong> Originaltext (OT) meiner Anzeige.<br />

Nach <strong>de</strong>r erfor<strong>de</strong>rlichen Anzeige (auf Tonband) und <strong>de</strong>r weiteren<br />

Detailangaben zum Verbrechen war ich sehr befreit. Wie um<br />

tonnenschwere Felsen erleichtert schritt ich aus <strong>de</strong>m Polizeigebäu<strong>de</strong><br />

Vaduz hinaus, in <strong>de</strong>n schönen, warmen und sonnigen Aprilnachmittag.<br />

Am 17.4. habe ich <strong>de</strong>r Polizei weitere Angaben über die Gefangenschaft<br />

in einem Schreiben überbracht:<br />

A) Glühbirne, Notiz, Zahnfleisch<br />

Ein an<strong>de</strong>res Detail <strong>de</strong>s Kellers (Wasserturm), wo ich gefangen<br />

gehalten wur<strong>de</strong>, sind die 3 Glühbirnen. Im run<strong>de</strong>n Raum ist ein<br />

Licht links oben, gleich beim Eintritt durch die Türe (so hoch,<br />

dass ich es mit angespannter Kette gera<strong>de</strong> noch berühren<br />

konnte). Ursprünglich, d.h. während meinen ersten Tagen, war<br />

eine 60 Wattbirne aus klarem Glas in <strong>de</strong>r einfachen Fassung drin.<br />

Sie ging zu Bruch und ich musste sie mit einer <strong>de</strong>r 2 an<strong>de</strong>ren<br />

Birnen tauschen, wollte ich nicht 24 Std. im Dunkeln sitzen. Im<br />

Durchgangsraum (vom run<strong>de</strong>m Raum zum WC-Raum), dort wo<br />

das grössere Waschbecken installiert ist, ist ein Licht links oben<br />

montiert, quasi auf <strong>de</strong>r gerun<strong>de</strong>ten Aussenwand <strong>de</strong>s Turms. Ich<br />

schraubte die Birne raus, es war eine 40 Watt aus mattem Glas<br />

(evt. auch eine 60 Watt; aber auf je<strong>de</strong>n Fall eine schwächere Birne,<br />

als die‚ die ich dann im WC-Raum abgeschraubt habe). Jene vom<br />

WC-Raum - auch aus klarem Glas - brachte ich in <strong>de</strong>n run<strong>de</strong>n<br />

Turmraum weil sie die Stärkste war und jene vom<br />

Durchgangsraum schraubte ich in <strong>de</strong>n WC-Raum - oberhalb <strong>de</strong>s<br />

kleinen hölzernen Spiegelkästchens.<br />

Ich habe mir während <strong>de</strong>r Gefangenschaft auch Gedanken<br />

darüber gemacht, wie ich ein Hinweis meines "dortgewesenseins"<br />

91


hinterlassen kann. Ich kam auf die I<strong>de</strong>e eine kleine Notiz auf<br />

Spanisch irgendwo zu verstecken - Möglichkeiten gab es dazu<br />

sehr viele. Ich schrieb sogar auf einen kleinen Zettel (Papier und<br />

Schreibzeug hatte ich ja) ein Text mit folgen<strong>de</strong>m Inhalt : HIER<br />

WAR ICH, HEINRICH KIEBER aus Liechtenstein seit <strong>de</strong>m<br />

Donnerstag vor Ostern 1997 gefangen gehalten bis zum Tag<br />

meiner Freilassung o<strong>de</strong>r To<strong>de</strong>s. Ich hätte auch eine gute Stelle<br />

gefun<strong>de</strong>n, und zwar war das grosse Waschbecken im<br />

Durchgangsraum unten auf zwei aus <strong>de</strong>r Wand herausragen<strong>de</strong>n<br />

ca. 4 cm langen Eisenstützen gestellt. Zwischen <strong>de</strong>m<br />

Beckenbo<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>m Eisenstück hätte die Notiz gut rein<br />

gesteckt wer<strong>de</strong>n können. Ich tat es nicht, weil ich auf einmal<br />

Angst bekam, dass wenn die Verbrecher vielleicht auch darauf<br />

kommen könnten, dass ich so was tue, und es dann fin<strong>de</strong>n<br />

wür<strong>de</strong>n, dann möchte ich nicht an die daraus resultieren<strong>de</strong> Strafe<br />

<strong>de</strong>nken. Somit verschwand meine kleine Notiz in tausend Stücke<br />

Ein an<strong>de</strong>res Erlebnis hatte ich mit meinem Zahnfleisch: <strong>Die</strong> Täter<br />

geben mir sehr wenig zu Essen, von <strong>de</strong>m ich noch weniger ass. Es<br />

kam vor, dass ich im Turm über 24 Stun<strong>de</strong>n nichts zu mir nahm<br />

(ausser eventuell ein Schluck Wasser aus <strong>de</strong>r Flasche). Als ich<br />

dann später einen Apfel (grüner) essen wollte und natürlich<br />

beissen musste, tat mir mein Zahnfleisch so weh, dass ich dachte,<br />

die Zähne bleiben im Apfel stecken. Ich vermute, dass es damit<br />

zusammenhängt, dass ich über eine so ungewöhnlich lange Zeit<br />

nichts gebissen habe. Mit ein Grund kann auch die hohe<br />

Luftfeuchtigkeit und die dauern<strong>de</strong> Kälte sein. <strong>Die</strong>s müsste ein<br />

Arzt o<strong>de</strong>r Zahnarzt bestätigen.<br />

B) Genauer Tag<br />

In meiner Tonbandaussage habe ich, so mag ich mich erinnern,<br />

<strong>de</strong>n <strong>Die</strong>nstag 01. April als <strong>de</strong>n Tag genannt, wo ich die grösste<br />

To<strong>de</strong>sangst empfand und mir (auf Grund <strong>de</strong>r aussichtslosen<br />

Situation in <strong>de</strong>r ich mich befand) das Leben nehmen wollte.<br />

Ich rechne die Tage hin und her und bemühe meine Erinnerung<br />

so stark es geht: ich kann aber heute nicht ganz genau sagen, ob<br />

es <strong>de</strong>r 01. April o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r 02. April war. Ich weiss nur ganz genau,<br />

dass es nicht am Sonntag 30.3. war (weil mein Geburtstag) und<br />

nicht am Montag 31.3. war (weil <strong>de</strong>r Geburtstag meiner Mutter)<br />

92


und ich die Tage bis zum 31.3. mittels Strichlein gezählt habe.<br />

Durch <strong>de</strong>n Schock <strong>de</strong>s getriebenen Selbstmor<strong>de</strong>s entstand wie<br />

eine Lücke in meinem Gehirn, was <strong>de</strong>n genauen Monatstag<br />

betrifft. Wie<strong>de</strong>r sicher bin ich mir aber ganz, dass ich die Nacht<br />

vom -Donnerstag nach Ostern (1. Donnerstag im April) im neuen<br />

Gefangenenzimmer im Haupthaus verbracht habe, weil ich sehr<br />

früh am Freitagmorgen (ca. 3.00 Uhr / 4.00 Uhr morgens)<br />

gezwungen wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n Hr. Bröll zum Ersten mal anzurufen,<br />

nach<strong>de</strong>m die Verbrecher <strong>de</strong>n Fax nach Feldkirch gesen<strong>de</strong>t hatten.<br />

Am 21.4. ging ich wie<strong>de</strong>r zur Polizei. Dort wur<strong>de</strong> mir eine Abschrift <strong>de</strong>r<br />

Tonbandaussage vorgelegt, so dass ich eventuelle Fehler o<strong>de</strong>r<br />

Miss<strong>de</strong>utungen korrigieren konnte. Es gab nur ganz wenige Stellen, wo<br />

ich etwas berichtigen musste. Dann wur<strong>de</strong> die Abschrift als Anzeige<br />

angenommen. Eine Kopie wur<strong>de</strong> mir gegeben. Selbstverständlich habe<br />

ich in <strong>de</strong>n in Folge <strong>de</strong>r Polizei und <strong>de</strong>n Untersuchungsbehör<strong>de</strong>n alle<br />

Dokumente und Beweise im Original überlassen: wie zum Beispiel <strong>de</strong>m<br />

beglaubigten Darlehensvertrag zwischen Mariano Marti-Ventosa<br />

Roqueta und mir vom 6.3.1993, <strong>de</strong>n notariell beglaubigten<br />

Immobilienverkauf- bzw. Kaufvertrag zwischen Helmut Roegele und<br />

mir vom Oktober 1996 (worin er richtigerweise schriftlich bestätigt hatte,<br />

dass er die ganze Kaufvertragssumme für die Wohnung in BAR und vor<br />

<strong>de</strong>r Unterzeichnung erhalten hatte), die Faxe von Mariano, datiert vom<br />

31.1., 9.2. + 12.2. (alle 1997), womit er mich nach Argentinien lockte. <strong>Die</strong><br />

Behör<strong>de</strong>n machten für sich Kopien von allem und die Originale bekam<br />

ich später wie<strong>de</strong>r zurück.<br />

Was wur<strong>de</strong> aus meinem Sparbuch? Ich hatte Glück, riesengrosses Glück.<br />

Auf Grund meines Fax an die BAWAG wur<strong>de</strong> die Bank sofort aktiv und<br />

versuchte fieberhaft die schon eingeleiteten Banküberweisungen an die<br />

Verbrecher Helmut und Mariano zu stoppen. Das Geld war schon von<br />

<strong>de</strong>r BAWAG weg und sogar schon ausserhalb Österreichs. Wie ein<br />

Wun<strong>de</strong>r, wirklich wie ein Wun<strong>de</strong>r konnte die BAWAG die Gel<strong>de</strong>r in<br />

allerletzter Sekun<strong>de</strong> zurückholen. <strong>Die</strong>s nur darum, weil es bei noch auf<br />

einem Konto bei ihrer Korrespon<strong>de</strong>nzbank im Ausland lag, und noch<br />

nicht auf die Bankkonten <strong>de</strong>r zwei Verbrecher weitergeleitet wur<strong>de</strong>,<br />

welche bei an<strong>de</strong>ren Banken eingerichtet waren. Es war also pures Glück,<br />

dass we<strong>de</strong>r Helmut noch Mariano zufällig ihre Bankkonten nicht auch<br />

bei <strong>de</strong>r Korrespon<strong>de</strong>nzbank <strong>de</strong>r BAWAG in Spanien hatten. Dann wäre<br />

93


er zu spät gewesen, weil nur ein Gericht in Spanien die <strong>de</strong>finitive<br />

Gutschrift auf die Konten <strong>de</strong>r Bei<strong>de</strong>n verhin<strong>de</strong>rn hätte können, bzw.<br />

rückgängig machen können. Ich konnte es nicht glauben, als mir Dir.<br />

Bröll die Gute Nachricht brachte. Man kann sich die langen Gesichter <strong>de</strong>r<br />

Verbrecher gar nicht vorstellen, als sie erfolglos bei ihren Banken<br />

nachgefragt haben mussten, warum die dicke Kohle noch nicht<br />

angekommen war. Bei<strong>de</strong> hatten sicher einen 99-prozentigen Herzinfarkt,<br />

als ihnen ihre Bank mitteilte, dass nix eingetroffen war. Nach<strong>de</strong>m was<br />

sie alles an operativer Logistik, an Brutalität und Waffengewalt ausüben<br />

mussten, um meine Entführung, meine Gefangennahme, Erpressung<br />

und Folter erfolgreich zu machen. Bei<strong>de</strong> haben sicher vor Wut gekocht.<br />

Hätten sie mich in Argentinien nur 24 Stun<strong>de</strong>n länger gefangen gehalten,<br />

wäre das Geld auf ihren Konten gelan<strong>de</strong>t. Ich konnte es immer noch<br />

nicht glauben. Es war wie in einem Traum. Da Helmut ja Deutsch<br />

konnte, hatte er mehrere Male bei <strong>de</strong>r BAWAG in Feldkirch angerufen<br />

und wur<strong>de</strong> dort auf die Rechtsabteilung <strong>de</strong>r Bank in Wien verwiesen.<br />

<strong>Die</strong> Telefongespräche mit ihm wur<strong>de</strong>n aufgezeichnet. Es war dann, als er<br />

erfahren konnte, dass <strong>de</strong>r Bankkontobesitzer (ich) eine Anzeige gegen<br />

ihn und an<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r Polizei erstattet hatte. Dem Helmut wur<strong>de</strong> hörbar<br />

schlecht und er leierte etwas von <strong>de</strong>m Wohnungsverkauf und<br />

behauptete, dass ich <strong>de</strong>r Verbrecher wäre, nicht er. Er hatte natürlich<br />

sofort gemerkt, dass er nun in <strong>de</strong>r tiefen Scheisse steckte. Er bekam Panik<br />

und belästigte zuerst meine Mutter und meine Tante in Spanien per<br />

Telefon. Nicht nur bedrohte er sie bei<strong>de</strong> mit schweren Konsequenzen,<br />

sollte ich die Anzeige nicht zurücknehmen. Seine Frau und Mariano<br />

riefen auch bei ihnen an. <strong>Die</strong> Telefonnummern hatte sie ja von mir schon<br />

in <strong>de</strong>r Gefangenschaft abverlangt. Mariano wusste, dass meine Mutter<br />

(und Tante) aus Spanien kommen, so konnte er mit ihnen auf Spanisch<br />

re<strong>de</strong>n. Meine Mutter und meine Tante sollten mir ausrichten, dass sie<br />

mich umbringen wür<strong>de</strong>n, sollte ich die Anzeige nicht zurücknehmen.<br />

Meine Familie stand wegen <strong>de</strong>n Telefonaten unter einem grossen Schock<br />

und es dauerte lange, bis sie sich davon erholen konnten. Ich hatte die<br />

Polizei in Vaduz immer über je<strong>de</strong> Bedrohung und Belästigung<br />

informiert. Es war schon eine verrückte neue Situation für die bei<strong>de</strong>n<br />

Folterer. Zuerst hatte Mariano die volle Kontrolle über alles (in<br />

Argentinien), da es ja seine Farm, sein Kerker, sein Gebiet war. Und nun<br />

war er auf Helmut (in Europa) angewiesen, um seinen Anteil <strong>de</strong>r Beute<br />

doch noch zu bekommen. Helmut musste schnell han<strong>de</strong>ln. Mariano hatte<br />

wegen <strong>de</strong>r Anzeige weniger Angst. Er war ja weit weg. Helmut war<br />

94


aber mit seiner Frau wie<strong>de</strong>r zurück in Spanien und konnte sich klar<br />

vorstellen, was für eine schwere Gefängnisstrafe sie zu erwarten hätten.<br />

Wie <strong>de</strong>tailliert ich die Anzeige erstattet hatte, wusste er noch nicht. Er<br />

hatte aber sofort richtig kombiniert, dass er ein massives Problem damit<br />

hatte, zu erklären, warum er rund CHF 400'000.-- von mir bekommen<br />

hatte, bzw. - dank <strong>de</strong>r BAWAG - nun bekommen hätte sollen. Man<br />

erinnere sich, dass man mir während <strong>de</strong>r Gefangenschaft zwar diverse<br />

Pseudorechnungen, bzw. Anerkennungen für bei<strong>de</strong> Überweisungen zur<br />

Unterschrift vorgelegt hatte. Sie wollte damit - für alle Fälle - eine<br />

"berechtigte" Grundlage auf Papier haben. Denn sollte ich nach meiner<br />

Freilassung, ungeachtet ihrer Drohungen es trotz<strong>de</strong>m wagen die<br />

Zahlungen bekämpfen, wür<strong>de</strong>n sie die Schriftstücke aus Argentinien<br />

"vorlegen" und hoffen, dass sie damit durchkommen. Dasselbe wür<strong>de</strong><br />

passieren, wenn ich tot wäre und dann irgendjemand – z.B. meine<br />

Familie o<strong>de</strong>r die Bank - die extrem verdächtige Auflösung meines<br />

Sparbuches hinterfragen wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong> Banküberweisungen sind ja für<br />

immer dokumentiert. Mit einer Anzeige war die Situation für Helmut &<br />

Co. hochgefährlich. Er musste also in erster Linie das Motiv (die Beute)<br />

bekämpfen. Das heisst, er musste auf Teufel komm raus versuchen, die<br />

Zahlung an ihn als rechtmässig erscheinen lassen. Im Moment konnte er<br />

keinen Gedanken darin verlieren, dass er - was die abgepressten<br />

Zahlungen betraf - eigentlich 3 Probleme hatte: a) <strong>Die</strong> Zahlung an ihn. b)<br />

<strong>Die</strong> ungefähr gleichgrosse Zahlung an Mariano und c) die "Zahlung" an<br />

seinen Schwager! Kroschel hatten sich nämlich <strong>de</strong>n übrig gebliebenen<br />

Restbetrag meines Sparbuches, um die CHF 10'000.-- einfach in <strong>de</strong>n<br />

eigenen Sack gesteckt, in<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n Betrag auf seinem eigenen, neuen<br />

Konto bei <strong>de</strong>r BAWAG gutschreiben liess. Helmut wollte seinen<br />

Schwager damit für seine "Umstän<strong>de</strong>" belohnen. Ich war richtigerweise<br />

in <strong>de</strong>r Position, wo ich nebst <strong>de</strong>m Helmut und <strong>de</strong>m Mariano auch <strong>de</strong>m<br />

Kroschel die absolut berechtigte Frage stellen konnte, welches Recht alle<br />

Drei hatten, auch nur einen einzigen Franken von meinem Geld zu<br />

nehmen. Helmut hatte keinen einzigen Franken aus <strong>de</strong>m Wohnungskauf<br />

zu Gute - was ich mit <strong>de</strong>m Notarvertrag beweisen konnte. Mariano<br />

schul<strong>de</strong>te mir seit 1993 CHF 245'000.- plus Zinsen, was ich mit <strong>de</strong>n<br />

dazugehörigen Quittungen, Vertrag, Banküberweisungen und<br />

bankenseitigen Bestätigungen locker beweisen konnte. Kroschel war ein<br />

Mann, <strong>de</strong>n ich nie in meinem Leben je getroffen hatte, mit <strong>de</strong>m ich nie in<br />

meinem Leben je etwas zu tun hatte; bis er als Mittäter in <strong>de</strong>n Kreis <strong>de</strong>r<br />

Verbrecher aufgenommen wur<strong>de</strong>.<br />

95


Ich bin ja selber kein Jurist; aber die knallharten Fakten lagen im meinem<br />

Fall "sternenklar" vor. Abgesehen davon, dass die Verbrecher überhaupt<br />

kein Geld o<strong>de</strong>r sonstiges von mir zu erhalten hatten, im Gegenteil,<br />

Mariano mir seit März 1993 (und dies heute immer noch) über CHF<br />

245'000. — plus 12 Prozent p.a. Zinsen schul<strong>de</strong>t, war die ganze<br />

Konstellation, wie die Verbrecher an mein Sparbuch, das Co<strong>de</strong>wort <strong>de</strong>s<br />

Kontos bei <strong>de</strong>r BAWAG kamen, die Beute fast 50-50 aufteilten, eine<br />

Analogie <strong>de</strong>s klassischen Deliktes von schwerer Entführung, schwerer<br />

Freiheitsberaubung und schwerer Erpressung und Nötigung etc.<br />

Es gab überhaupt keine ökonomische Grundlage dafür, warum ich in<br />

Argentinien jeweils mehr als CHF 400'000.— <strong>de</strong>n Tätern Helmut Roegele<br />

und Mariano Marti-Ventosa Roqueta hätten überlassen sollen. Daher<br />

war ich und bin heute noch zu 1000 Prozent überzeugt, dass die<br />

Verbrecher vor einem Kriminalgericht absolut keine Chance haben, sich<br />

aus <strong>de</strong>r Sache herauszure<strong>de</strong>n.<br />

Niemals, niemals, niemals, niemals, nie und nimmer und nochmals<br />

N I E M A L S ! ! ! !<br />

96


Kapitel 2 Zimmer unter <strong>de</strong>n Alten<br />

Am nächsten Tag, <strong>de</strong>m 12. April, fuhr ich mit <strong>de</strong>m Zug zurück nach<br />

Zürich, um meine wenigen Sachen zu holen. Ich war immer noch mü<strong>de</strong><br />

und zutiefst traurig, obwohl ich doch gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Hölle entkommen war.<br />

Dennoch, selbst <strong>de</strong>r Fussmarsch in <strong>de</strong>r Abenddämmerung vom<br />

Hauptbahnhof via Hechtplatz zum Haus Schiffländi Nr. 4 war mir nicht<br />

ganz geheuer. Dort, im Dachstuhl <strong>de</strong>s Gourmets Restaurant "Blockhus"<br />

hatte ich vom Wirt Pierre seit ein paar Monaten ein möbliertes Zimmer<br />

im Dachstuhl angemietet.<br />

Ich wollte unbedingt mit einem meiner damaligen Freun<strong>de</strong> re<strong>de</strong>n. All<br />

meine Träume waren zerstört. Mein bisheriges Leben wur<strong>de</strong> durch<br />

gewalttätiges Drücken <strong>de</strong>r "RESET-Taste" aus <strong>de</strong>n Fugen geworfen. Es<br />

war schon spät am Abend, als ich einen Freund, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s<br />

Flughafens wohnte, endlich erreichen konnte. Ich hatte immer noch die<br />

frischen Vaduzer Bandagen an <strong>de</strong>n verletzten Körperstellen und das<br />

Bild, das ich in einer <strong>de</strong>r verglasten Telefonkabinen auf <strong>de</strong>m<br />

Bellevueplatz in Zürich abgab, konnte nicht surrealer sein. <strong>Die</strong> Passanten<br />

begannen schon mich anzustarren. Lei<strong>de</strong>r hatte mein Freund gera<strong>de</strong><br />

seine Eltern zu Besuch. <strong>Die</strong> kommen nur alle drei o<strong>de</strong>r vier Jahre zu ihm<br />

und ausgerechnet an diesen Tagen war es wie<strong>de</strong>r soweit. Ein Treffen mit<br />

ihm war <strong>de</strong>shalb nicht möglich. Ich habe ihm nur sagen können, dass ich<br />

zurück aus Argentinien sei und es mir nicht gut gehe. Ein Anruf bei<br />

meiner Exfreundin, die weit weg von Zürich wohnte, brachte etwas<br />

emotionale Erleichterung. Als ich mich später vom Wirt <strong>de</strong>s „Blockhus‚<br />

verabschie<strong>de</strong>te, traf ich per Zufall im Restaurant unten eine Frau wie<strong>de</strong>r,<br />

die ich vor zwei Monaten kennen gelernt hatte. <strong>Die</strong> nette,<br />

alleinerziehen<strong>de</strong> Deutsche Mutter arbeitete im Schauspielhaus oben am<br />

Heimplatz. Unter an<strong>de</strong>ren Umstän<strong>de</strong>n wäre vielleicht was aus uns<br />

gewor<strong>de</strong>n. Als sie mich dann so sah, konnte sie erst ihre Verwun<strong>de</strong>rung,<br />

dann ihren Schock und später ihre Abneigung nicht verbergen. Scha<strong>de</strong>!<br />

Wir hatten uns sehr gut verstan<strong>de</strong>n.<br />

Nach meiner letzten Nacht im Zimmer in Zürich, ging die Reise<br />

abermals nach Vaduz. Aus Schamgefühl wollte ich nicht bei meinem<br />

Vater und meiner Stiefmutter in <strong>de</strong>ren Haus leben. Da ich aber auch<br />

nicht alleine irgendwo hausen wollte und ein Aufenthalt im Spital nicht<br />

notwendig und angebracht war, blieb mir nur die Möglichkeit, ein<br />

97


kleines Zimmer im Altenheim übrig. Das heisst, <strong>de</strong>r Staat bot es mir an.<br />

Zumin<strong>de</strong>st für die erste Zeit. Dort wur<strong>de</strong> für warmes Essen und reine<br />

Wäsche gesorgt. Mit Sack und Pack zog ich also nach Eschen im<br />

Liechtensteiner Unterland, in das Betreuungszentrum St. Martin in <strong>de</strong>r<br />

Dr. A. Schädler-Strasse ein. Mein Zimmer war im unteren Stock, schön<br />

möbliert und mit eigener Dusche ausgestattet. Aussicht auf blühen<strong>de</strong><br />

Wiesen, die ab und zu von gefrässigen Huftieren abgegrast wur<strong>de</strong>n.<br />

Frühstück und Mittag- sowie Aben<strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong>n in zwei Schichten<br />

serviert. Ich durfte aber kommen und gehen wann ich wollte und war<br />

auch vom obligaten Mel<strong>de</strong>system in Bezug auf die Menueauswahl<br />

befreit.<br />

Meine bei<strong>de</strong>n Nachbarn, links und rechts, waren auch keine echten<br />

Rentner. Etwas älter als ich und mit grossen zwischenmenschlichen<br />

Problemen überla<strong>de</strong>n. Drei Zimmer weiter war eine freundliche und<br />

liebenswerte italienische Dame für kurze Zeit auch Gast im Altersheim.<br />

Ich kannte sie aus meiner Kindheit in Schaan, wo ihre bei<strong>de</strong>n Söhne mit<br />

mir in die Schule gegangen waren. Wir hatten uns seit Jahren nicht mehr<br />

gesehen. Sie wur<strong>de</strong> hier in Sicherheit vor ihrem gewalttätigen Ehemann<br />

untergebracht. Ich habe sie anschliessend nie wie<strong>de</strong>r getroffen. Ihre<br />

liebenswerte Eigenart kam unter tragischen Umstän<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r in mein<br />

Bewusstsein. Sechs Jahre später, im Juli 2003, zog ich ausgerechnet in<br />

jene frisch gestrichene 1-Zimmerwohnung im Mehrfamilienhaus am<br />

Buchenweg 1 in Vaduz ein, wo sie sich kurz davor das Leben genommen<br />

hatte. Angemietet und neu möbliert wur<strong>de</strong> diese Wohnung für mich<br />

durch die Bank <strong>de</strong>s <strong>Fürst</strong> von Liechtenstein – Hans-Adams LGT Bank.<br />

Das Leben im Altersheim war voller Überraschungen. Ich fügte mich in<br />

<strong>de</strong>n geordneten Rhythmus <strong>de</strong>s Altersheims stillschweigen ein, trotz<br />

meines verzigfache Energieüberschusses im Vergleich zu <strong>de</strong>n<br />

Mitbewohnern. Stun<strong>de</strong>nlange Diskussionen mit <strong>de</strong>n 70-80-Jährigen<br />

waren sehr aufschlussreich und spannend. Mit <strong>de</strong>r Zeit lernte ich sie alle<br />

persönlich kennen, wobei ich meine Erlebnisse in Argentinien nicht mit<br />

ihnen teilte, nicht teilen wollte. Das Essen war erstklassig und die<br />

sprichwörtliche Friedhofsruhe war schon wie<strong>de</strong>r wohltuend. Toll war,<br />

dass ich jeweils am Abend dank <strong>de</strong>r frühen Gute-Nacht-Stun<strong>de</strong> meiner<br />

Mitbewohner, eigener Herr über die TV-Fernbedienung und somit <strong>de</strong>n<br />

Fernseher war. Ich kann nur je<strong>de</strong>m empfehlen, wenigstens einmal sich<br />

das Leben in einem Altersheim genau anzuschauen; ich versichere Euch,<br />

98


ihr wer<strong>de</strong>t ganz an<strong>de</strong>rs über alte Menschen und speziell euer eigenes<br />

"älter wer<strong>de</strong>n" nach<strong>de</strong>nken. Nicht das es an Geld je mangelt, aber auch<br />

in einem so reichen Land wie Liechtenstein ist das Seniorenheim ein<br />

(geistiges) Abstellgleis für viele alte Bürger. Vor allem für jene, die keine<br />

eigenen Familienmitglie<strong>de</strong>r mehr haben o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren eigenes Fleisch und<br />

Blut <strong>de</strong>n "Wir-besuchen-die-Alten-NIE" – Bazillus pflegen. Es war<br />

traurig mit anzusehen, wie viele <strong>de</strong>r Bewohner tagein, tagaus<br />

anspruchslos auf <strong>de</strong>n unvermeidbaren Sensenmann warteten.<br />

Ich hatte immer noch Schmerzen im Hals und an bei<strong>de</strong>n Handgelenken.<br />

Mein vorher sehr gutes Gedächtnis und meine Konzentrationsfähigkeit<br />

haben unter <strong>de</strong>r Tortur und <strong>de</strong>m Stress <strong>de</strong>r letzten Wochen stark<br />

gelitten. Ich verbrachte die Tage damit, viel nachzu<strong>de</strong>nken, mich wie<strong>de</strong>r<br />

aufzufangen und mein Kampf gegen die Täter zu organisieren und<br />

aufzunehmen. Schon wenige Tage nach meiner Anzeige bei <strong>de</strong>r Polizei<br />

in Vaduz begann ich, umfassen<strong>de</strong> Schriftstücke mit mehr Details und<br />

Erklärungen zu <strong>de</strong>n Tätern zu verfassen und sie <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n zu<br />

übergeben.<br />

Erstaunlicherweise hatte ich überhaupt keine Mühe, mit mir vorher<br />

unbekannten Menschen ausführlich über das Ertragene zu re<strong>de</strong>n,<br />

insbeson<strong>de</strong>re mit <strong>de</strong>n Untersuchungsbehör<strong>de</strong>n. Ganz an<strong>de</strong>rs war dies<br />

mit jenen, die mir nahe stan<strong>de</strong>n. Da hatte ich oft Angst vor <strong>de</strong>ren<br />

Reaktion. Weil mein Schmerz ja fast unfassbar war. Ganz zu schweigen<br />

von <strong>de</strong>m Stigma einen Selbstmordversuch gemacht zu haben. Nach und<br />

nach traten also immer mehr neue Leute in mein Leben, die sich<br />

beruflich mit <strong>de</strong>m "Ausgang meiner Argentinienvisite" befassen<br />

mussten. Viele von ihnen wür<strong>de</strong>n Jahre später noch eine wichtige Rolle<br />

in dieser Geschichte spielen.<br />

Da war die Ärztin Dr. Silvia Rheinberger aus Vaduz. Meine Hausärztin.<br />

Eine äusserst kompetente und mitfühlen<strong>de</strong> Person. Nach solch<br />

messerscharfen Schnitten am Handgelenk wie ich sie hatte, wird oft<br />

untersucht, ob die Nervenstränge wie<strong>de</strong>r zusammenwachsen und keine<br />

Schwächung <strong>de</strong>r Empfindsamkeit zurückbleibt. Gott sei Dank hatte ich<br />

im Kerker in Argentinien auch keine medizinische Kenntnisse darüber,<br />

wie man "erfolgreich" die Hauptbluta<strong>de</strong>r am Handgelenk durchtrennt:<br />

nämlich tief und parallel zum Arm und nicht quer, wie ich es tat. Nach<br />

gründlicher medizinischer Prüfung aller Verletzungen überwies sie mich<br />

an einen Spezialisten beim Spital St. Gallen. Zum Glück war keine<br />

99


neurologische Operation nötig. Heute noch empfin<strong>de</strong> ich nur beim<br />

Fingernagelschnei<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>r linken Hand ein kleines Kribbeln in <strong>de</strong>n<br />

Fingern und im Handgelenk. Dadurch dass ich Rechtshän<strong>de</strong>r bin, war<br />

<strong>de</strong>r Schnitt an meinem linken Handgelenk etwas tiefer, da ich motorisch<br />

automatisch mehr Druck und Kraft mit <strong>de</strong>r rechten Hand ausübte. Es<br />

wur<strong>de</strong>n somit die durchlaufen<strong>de</strong>n Nervenstränge mehr in<br />

Mitlei<strong>de</strong>nschaft gezogen.<br />

Erst zwei Monate nach meiner Rückkehr aus Argentinien war ich<br />

innerlich so weit, auch meinen Vater und die Stiefmutter persönlich für<br />

etwas längere Zeit zu treffen. Sie waren sehr mitgenommen von <strong>de</strong>r<br />

ganzen Geschichte und versicherten mir – falls erfor<strong>de</strong>rlich – mir<br />

finanziellen und sonstigen Beistand für <strong>de</strong>n juristischen Kampf um die<br />

Gerechtigkeit zu leisten.<br />

Ich glaube, es gibt zwei Gruppen von Opfern: jene die nach grausamen<br />

Erlebnissen nur schweigen können und oft einsam und <strong>de</strong>pressiv<br />

wer<strong>de</strong>n. Und die an<strong>de</strong>ren, zu <strong>de</strong>nen glücklicherweise ich gehöre, die sich<br />

LAUT und STARK äussern können.<br />

100


Kapitel 3 <strong>Die</strong> Jagd nach <strong>de</strong>n Verbrechern und <strong>de</strong>r Kampf ums Geld<br />

Eine weitere Dame, die Staatsanwältin Alma Willi aus Balzers, sollte für<br />

die ersten paar Jahre meine ganze Hoffnungsträgerin sein. Als erste<br />

Amtshandlung hatte sie gerichtlich feststellen lassen, dass Liechtenstein<br />

in diesem Fall (Aktennummer 10 Vr 101/97, Landgericht Vaduz- kurz<br />

<strong>de</strong>r „101er‚) eine juristische Zuständigkeit besass. <strong>Die</strong>s war <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>r<br />

Fall, weil das Verbrechen als geschlossene Tat angesehen wer<strong>de</strong>n<br />

konnte, also die Entführung, Freiheitsberaubung, schwere Erpressung<br />

und schwere Nötigung zusammen mit <strong>de</strong>r unberechtigten Annahme<br />

o<strong>de</strong>r Übernahme meines Sparbuchs in VADUZ durch <strong>de</strong>n Mittäter<br />

Kroschel. Über diesen Bescheid war ich sehr erfreut. Das weitere<br />

Verhalten <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft (STA) in Vaduz spielte eine<br />

massgebliche Rolle, warum sich ein an<strong>de</strong>res Unheil ab <strong>de</strong>m Jahr 2002<br />

zusammenbrauen wür<strong>de</strong>.<br />

<strong>Der</strong> meinem Fall zugewiesene Untersuchungsrichter (UR) war <strong>de</strong>r<br />

Landrichter Dr. Paul Meier. Als ich ihn zum 1. Mal treffen konnte, war<br />

meine Akte schon mit vielen Schriftstücken seitens <strong>de</strong>r Polizei, <strong>de</strong>r STA<br />

und von mir gefüllt. Ich war heilfroh, dass er ein offenes Ohr hatte. Ich<br />

erkannte sofort, dass er äusserst qualifiziert war. Nie sollte ich mich in<br />

ihm täuschen. Ich hatte mich sogleich als so genannter Privatbeteiligter,<br />

was mir als Opfer einige Rechte gibt, am Strafverfahren (101er) gegen die<br />

diversen Täter beteiligt. Ferner unterstütze mich auch <strong>de</strong>r geachtete<br />

Rechtsanwalt (RA) Dr. B. Hirn (mit solchem Nachnamen muss man ja<br />

ein RA wer<strong>de</strong>n), ein Österreicher, <strong>de</strong>r eine Kanzlei in Feldkirch und in<br />

Vaduz hatte.<br />

Bei <strong>de</strong>r ersten Vernehmung durch <strong>de</strong>n UR Dr. Meier war ich etwas<br />

nervös, da ich Angst hatte, irgen<strong>de</strong>in <strong>de</strong>r vielen wichtigen Details, die<br />

ich auf Tonband bei <strong>de</strong>r Polizei Wochen zuvor ausgesagt hatte, zu<br />

vergessen o<strong>de</strong>r zu verwechseln. Alles lief aber gut. Aufgrund <strong>de</strong>r<br />

massiven Schwere <strong>de</strong>r Taten (schwere Erpressung, schwere Nötigung,<br />

Körperverletzung, Freiheitsberaubung u.s.w.), die nach Strafgesetzbuch<br />

jeweils pro Delikt eine Maximalstrafe zwischen fünf und zehn Jahren<br />

Gefängnis vorsehen, war es für <strong>de</strong>n UR Dr. Meier sehr wichtig, ein<br />

rechtsmedizinisches Gutachten bezüglich aller Körperverletzungen<br />

erstellen zu lassen, zusätzlich zu meiner ausführlichen, an Details nicht<br />

zu überbieten<strong>de</strong>n Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>de</strong>s brutalen Verbrechens, sowie <strong>de</strong>r<br />

101


Faktenlage zu <strong>de</strong>r versuchten Erpressung. Seine Wahl fiel auf <strong>de</strong>n<br />

ausgewiesenen Univ. Dr. Paul Umach, Facharzt <strong>de</strong>r Gerichtlichen<br />

Medizin in Innsbruck, Österreich. Dr. Umach hat mich dann im<br />

Altersheim in Eschen am 25. Juni 1997 besucht, befragt und untersucht.<br />

Sein Gutachten gebe ich im OT hier wie<strong>de</strong>r:<br />

Anm.: Das Kapitel Eins (I.) bis zur erste Hälfte von Kapitel Drei (III.). seines<br />

Gutachtens beinhalten eine Zusammenfassung <strong>de</strong>s Auftrages <strong>de</strong>s UR, meine<br />

Schil<strong>de</strong>rungen aus <strong>de</strong>r Anzeige und die Angaben <strong>de</strong>s Spital Vaduz. Da all dies<br />

schon in diesem Buch erwähnt ist, beginnt <strong>de</strong>r Originaltext ab <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s III.<br />

Kapitels.<br />

(III.)


ausstrahlen<strong>de</strong>n Schmerz in die beugeseitigen Langfinger<br />

gegeben. <strong>Die</strong> Beweglichkeit <strong>de</strong>r Langfinger ungestört, die<br />

Beweglichkeit <strong>de</strong>s Daumens insofern eingeschränkt, als das<br />

Abspreizen nur unzureichend möglich ist im Vergleich zu rechts.<br />

<strong>Die</strong> Sensibilität im Bereich <strong>de</strong>r Finger und <strong>de</strong>r linken Hand<br />

ungestört. An <strong>de</strong>r Beugeseite <strong>de</strong>s rechten Handgelenkes, quer<br />

verlaufend, eine 5 cm lange, rote, etwas verbreiterte<br />

Narbenbildung mit <strong>de</strong>n Spuren nach drei Wundnähten.<br />

Sensibilität und Motorik im Bereich <strong>de</strong>r rechten Hand und <strong>de</strong>r<br />

Finger rechts nicht gestört. An <strong>de</strong>r hinten Aussenseite <strong>de</strong>r rechten<br />

Wa<strong>de</strong>, zwischen 30 und 31 cm über <strong>de</strong>r Fusssohle gelegen, war<br />

eine rundliche, im Durchmesser 1 cm halten<strong>de</strong> bräunliche<br />

Narbenbildung mit strahlig-narbiger Oberfläche gegeben.<br />

Unterhalb dieser Narbe in einer mittleren Höhe von 26,5 cm über<br />

<strong>de</strong>r Fersensohle, war eine etwa 8 mm messen<strong>de</strong>, oval gestaltete<br />

bräunliche Narbenbildung mit strahliger Oberfläche gegeben,<br />

etwas innerhalb davon eine gleichartige reiskorngrosse Narbe.<br />

An <strong>de</strong>r hinteren Aussenseite <strong>de</strong>s rechten Beines, 20 cm über <strong>de</strong>r<br />

Fersensohle lokalisiert, war eine praktisch horizontal<br />

verlaufen<strong>de</strong>, 1,3 cm lange und bis 3 mm breite rötlich-braune<br />

Verfärbung <strong>de</strong>r Haut ohne Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Hautstruktur wie<br />

nach abgeheilter Hautabschürfung gegeben.<br />

IV. Nach <strong>de</strong>n Unterlagen ist festzustellen, dass bei Heinrich<br />

Kieber Narbenbil<strong>de</strong>r vorliegen, welche als Folge angeblich<br />

verschie<strong>de</strong>ner Tathandlungen und Ereignisse eingetreten sein<br />

sollen. <strong>Die</strong> Verletzungen sind im Ambulanzbericht <strong>de</strong>s<br />

Krankenhauses Vaduz beschrieben und auch lichtbildmässig<br />

dokumentiert. Sowohl nach <strong>de</strong>m dortigen Befund als auch <strong>de</strong>m<br />

jetzigen Narbenbefund ist davon auszugehen, dass die<br />

Verletzungen <strong>de</strong>s Heinrich Kieber tatsächlich in jenem Zeitraum<br />

zustan<strong>de</strong> kamen, welcher von ihm angegeben wird. Es ist<br />

natürlich nicht möglich, eine Zuordnung auf Tage genau zu<br />

treffen, jedoch ist es auszuschliessen, dass von <strong>de</strong>n bei Heinrich<br />

Kieber befun<strong>de</strong>nen Verletzungen bzw. jetzigen Narbenbil<strong>de</strong>rn<br />

eine o<strong>de</strong>r mehrere wesentlich früher zustan<strong>de</strong> gekommen wären<br />

als in <strong>de</strong>r letzten Märzwoche 1997, wie von Kieber berichtet.<br />

Folgt man <strong>de</strong>n Angaben <strong>de</strong>s Heinrich Kieber, so sollen die<br />

Verletzungen am rechten Unterschenkel mit <strong>de</strong>r Tathandlung<br />

103


durch Dritte in Zusammenhang stehen. Nach <strong>de</strong>m Narbenbild ist<br />

festzustellen, dass die beschriebenen Narben im knienahen<br />

Bereich <strong>de</strong>s rechten Unterschenkels ein<strong>de</strong>utig auf<br />

Hitzeinwirkung zurückzuführen sind und es sich um sog.<br />

Verbrennungsnarben han<strong>de</strong>lt, während die unterste quer<br />

verlaufen<strong>de</strong> Narbe ihrer Struktur nach für eine oberflächliche<br />

Hautverletzung im Sinne einer Hautabschürfung spricht und<br />

durchaus mit jener Kanteneinwirkung <strong>de</strong>r angebrachten<br />

Metallmanschette in Zusammenhang gebracht wer<strong>de</strong>n kann in<br />

<strong>de</strong>r Form, wie dies von Kieber auch berichtet wird. Somit können<br />

diese Verletzungen am rechten Unterschenkel zum einen auf<br />

Verbrennungseinwirkung durch möglichen Funkenflug beim<br />

Schweissen, zum an<strong>de</strong>ren durch Einwirkung <strong>de</strong>r beschriebenen<br />

Metallmanschette zur Kettenanlage am rechten Bein<br />

zurückgeführt wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>se Verletzungen sind in ihrer<br />

Gesamtheit wohl noch als solche medizinisch an sich leichten<br />

Gra<strong>de</strong>s anzusprechen mit einer Gesundheitsschädigung o<strong>de</strong>r<br />

Berufsunfähigkeit, welche an die 24-Tage-Grenze wohl<br />

heranreichte, diese aber nicht überschritt.<br />

<strong>Die</strong> zurückgebliebenen Narbenbildungen an <strong>de</strong>r Beugeseite <strong>de</strong>s<br />

linken und rechten Handgelenkes sind typisch für die Zufügung<br />

sog. Pulsa<strong>de</strong>rschnitte im Rahmen von Suizidversuchen, wobei<br />

am linken Handgelenk offenbar auch <strong>de</strong>r Mittelnerv etwas in<br />

Mitlei<strong>de</strong>nschaft gezogen wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>n vorübergehen<strong>de</strong>n<br />

Sensibilitätsstörungen im Bereich <strong>de</strong>s Daumens und <strong>de</strong>r Finger<br />

und <strong>de</strong>r minimalen Bewegungseinschränkung. Aus <strong>de</strong>rart<br />

angelegten Pulsa<strong>de</strong>rschnitten kommt es nicht zu schweren<br />

Blutungen und insbeson<strong>de</strong>re nicht zu solchen, welche<br />

lebensbedrohlich wären, da bei dieser Schnittführung grosse<br />

arterielle Gefässe nicht getroffen wer<strong>de</strong>n und somit <strong>de</strong>r<br />

Blutverlust in engen Grenzen bleibt. <strong>Die</strong> Narben sind jung, die<br />

zurückgebliebenen Narbenspuren zeigen, dass eher unkundige<br />

Wundversorgung primär stattgefun<strong>de</strong>n hat, was auch aus <strong>de</strong>m<br />

Arztbericht <strong>de</strong>s Krankenhauses Vaduz unschwer abzuleiten ist.<br />

<strong>Die</strong> Verletzungen am Hals können von verschie<strong>de</strong>nen<br />

Tathandlungen herstammen. <strong>Die</strong> an <strong>de</strong>r linken Halsvor<strong>de</strong>rseite<br />

gelegenen etwa quer bzw. schräg von hinten oben nach vorne<br />

unten verlaufen<strong>de</strong>n Narben über <strong>de</strong>m Kopfnickermuskel, bei<strong>de</strong><br />

etwa 6 cm lang, sind als Narben nach Schnittverletzungen<br />

104


anzusprechen, wobei <strong>de</strong>r Schnitt von hinten oben nach vorne<br />

unten geführt wur<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>se Schnittführung ist für einen<br />

Rechtshän<strong>de</strong>r, welcher sich durch Halsschnitte vom Leben zum<br />

Tod beför<strong>de</strong>rn will, typisch. Natürlich sind die von Heinrich<br />

Kieber verwen<strong>de</strong>ten Klingen eines Einwegrasierers diesbezüglich<br />

nur ein bedingt taugliches Mittel, mit welchem nicht so weit in<br />

die Tiefe geschnitten wer<strong>de</strong>n kann, dass es auch zu einer<br />

entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Verletzung eines arteriellen Gefässes kommt. <strong>Der</strong><br />

Schnitt war aber über <strong>de</strong>r Halsschlaga<strong>de</strong>r lokalisiert, allerdings<br />

zu oberflächlich. Eine mehrläufige Narbe befin<strong>de</strong>t sich bei<br />

Heinrich Kieber direkt über <strong>de</strong>r Drosselgrube mit<br />

unregelmässiger Gestaltung, etwa an jener Stelle, wo auch bei<br />

einem therapeutischen Luftröhrenschnitt durch die Weichteile<br />

eingegangen wird, um einen direkten Zugang zur Luftröhre zu<br />

erreichen. <strong>Die</strong> über <strong>de</strong>r Luftröhre hier liegen<strong>de</strong>n Weichteile sind<br />

dünn, sodass durch eine Sticheinwirkung hier sehr leicht eine<br />

Eröffnung <strong>de</strong>r Luftröhre möglich ist ohne relevante Verletzung<br />

benachbarter Organstrukturen. Wenn Heinrich Kieber nun<br />

angibt, hier ein dreieckiges Stück eines Glassplitters eines<br />

Fensterglases angesetzt und hinein- gedrückt bzw.<br />

hineingeschlagen zu haben, <strong>de</strong>n Splitter wie<strong>de</strong>r etwas<br />

herausgezogen und gedreht und nochmals hineingestossen zu<br />

haben, so wür<strong>de</strong> sich daraus nicht nur das unregelmässige<br />

Narbenbild über <strong>de</strong>r Drosselgrube erklären, son<strong>de</strong>rn auch die<br />

Angabe <strong>de</strong>s Verletzten erklärbar sein, dass er Luft heraus pfeifen<br />

gehört habe und auch eine Art Schleim gespürt habe, bei <strong>de</strong>m es<br />

sich offensichtlich um Bronchialschleim gehan<strong>de</strong>lt hat. Auch die<br />

v-förmige Verletzung etwas rechts <strong>de</strong>r genannten Narbengruppe<br />

oberhalb <strong>de</strong>s rechten Schlüsselbeins wäre als<br />

Glassplitterverletzung durchaus möglich. Auch hier wur<strong>de</strong>n<br />

offensichtlich entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> tiefer liegen<strong>de</strong> Strukturen nicht<br />

erwischt.<br />

V. Zusammenfassend sind die gegenständlichen Verletzungen<br />

<strong>de</strong>s Heinrich Kieber nach <strong>de</strong>m eigenen Untersuchungsbefund<br />

und in Beachtung <strong>de</strong>r Unterlagen <strong>de</strong>s Krankenhauses Vaduz<br />

junge Verletzungen, welche durchaus in <strong>de</strong>m in Re<strong>de</strong> stehen<strong>de</strong>n<br />

Zeitraum 26. 3. 97 bis 2. 4. 1997 entstan<strong>de</strong>n sein konnten.<br />

Auszuschliessen ist, dass diese Verletzungen o<strong>de</strong>r ein Teil<br />

105


<strong>de</strong>rselben wesentlich früher als in diesem bezeichneten Zeitraum<br />

entstan<strong>de</strong>n wären. Jene Verletzungen, welche Heinrich Kieber<br />

von frem<strong>de</strong>r Hand zugefügt wur<strong>de</strong>n, sind diese am rechten<br />

Unterschenkel lokalisierten. Es han<strong>de</strong>lt sich dabei um drei<br />

Verletzungsmerkmale, wie sie typischerweise nach<br />

Verbrennungen auftreten, die am weitesten am Unterschenkel<br />

unten gelegene Verletzungsmarke ist eine solche, wie sie nach<br />

primär etwas tiefer reichen<strong>de</strong>r Hautabschürfung zurückbleibt<br />

und ist <strong>de</strong>r Lokalisation und Form nach durchaus möglich als<br />

Einwirkung <strong>de</strong>s oberen Ran<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r behaupteten<br />

Metallmanschette, wie sie von Kieber beschrieben wur<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>se<br />

Verletzungen sind insgesamt noch als medizinisch an sich<br />

leichte Körperverletzungen anzusprechen mit einer<br />

Gesundheitsschädigung o<strong>de</strong>r Berufsunfähigkeit, welche an die<br />

24-Tage—Grenze wohl heranreichte, diese aber nicht überschritt.<br />

<strong>Die</strong> Verletzungen an <strong>de</strong>r Beugeseite <strong>de</strong>s linken und rechten<br />

Handgelenkes sind Schnittverletzungen, welcher ihrer Art und<br />

Lokalisation nach typisch für Suizidversuche sind mit<br />

anschliessen<strong>de</strong>r eher laienhafter Wundversorgung. Bei jenen<br />

zwei an <strong>de</strong>r linken Halsseite mehr oben gelegenen, schräg<br />

verlaufen<strong>de</strong>n Narben über <strong>de</strong>m Kopfnickermuskel han<strong>de</strong>lt es<br />

sich um Zustän<strong>de</strong> nach Schnittverletzungen eher oberflächlicher<br />

Art, wobei die Schnittrichtung von hinten oben nach vorne unten<br />

anzugeben ist. <strong>Die</strong>se Verletzungen konnten durchaus durch<br />

eigene Hand mit einer Rasierklinge zugefügt wor<strong>de</strong>n sein. <strong>Die</strong> im<br />

Bereich <strong>de</strong>r Drosselgrube zurückgebliebene unregelmässige,<br />

mehrfach geschenkelte Narbenbildung wäre zwanglos erklärbar<br />

durch ein Vorgehen, wie von Heinrich Kieber geschil<strong>de</strong>rt, dass<br />

nämlich die Spitze einer Glasscherbe hier eingestossen wur<strong>de</strong>,<br />

wobei von einem mehrfachen Einstechen mit verschie<strong>de</strong>ner<br />

Richtung <strong>de</strong>r Glasscherbe ausgegangen wer<strong>de</strong>n kann, ohne dass<br />

die Glasscherbe jeweils aus <strong>de</strong>r Wun<strong>de</strong> ganz herausgezogen<br />

wur<strong>de</strong>. Bei einem solchen Vorgehen ist auch eine Anspiessung<br />

<strong>de</strong>r Luftröhre, welche hier sehr oberflächlich unter <strong>de</strong>n<br />

Weichteilen liegt, zwanglos möglich. Eine Selbstheilung <strong>de</strong>r<br />

Luftröhrenverletzung ohne weitere operative Massnahmen ist<br />

möglich und nicht ungewöhnlich, zumal offensichtlich ja die<br />

Weichteilwun<strong>de</strong>n selbst mit Nähten, wenn auch nicht sehr<br />

kundig, versorgt wur<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> weitere Narbe an <strong>de</strong>r Halsseite<br />

106


echts oberhalb <strong>de</strong>s Schlüsselbeins wäre ebenfalls durch<br />

Einwirkung einer Glasscherbe erklärbar, ohne dass hier relevante<br />

bzw. tiefer reichen<strong>de</strong> und schwerwiegen<strong>de</strong>re Verletzungen<br />

entstehen. Insgesamt ist festzustellen, dass das befun<strong>de</strong>ne<br />

Narben- und Verletzungsbild aus gerichtsmedizinischer Sicht<br />

durchaus mit <strong>de</strong>n Schil<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Heinrich Kieber in Einklang<br />

gebracht wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Innsbruck, 16. 7. 1997, (gez.) Dr. Paul Umach.<br />

Als ich dann eine Kopie <strong>de</strong>s gerichtsmedizinischen Gutachtens erhalten<br />

hatte, ist mir ein Stein vom Herzen gefallen. Als Opfer hat man immer<br />

Angst, die Leute wür<strong>de</strong>n einem nicht o<strong>de</strong>r nur teilweise glauben. Ich<br />

hatte eigentlich soweit Glück, da es an <strong>de</strong>r Glaubhaftigkeit meiner<br />

Anzeige und all meiner Aussagen seitens <strong>de</strong>r Polizei und <strong>de</strong>m Gericht in<br />

Vaduz absolut nie Zweifel gab.<br />

In <strong>de</strong>n verbleiben<strong>de</strong>n Monaten <strong>de</strong>s Jahres 1997 war ich praktisch ein<br />

Dauerbesucher beim Landgericht Vaduz gewesen. Drei bis vier Mal pro<br />

Monat habe ich, oft ohne Termin, beim UR angeklopft und höflich<br />

gefragt, wie <strong>de</strong>r Stand <strong>de</strong>r Dinge sei. Alles ging sehr langsam voran. Er<br />

sagte mir, dass seine Hän<strong>de</strong> gebun<strong>de</strong>n seien, er könne faktisch nur auf<br />

Antrag o<strong>de</strong>r Anweisung <strong>de</strong>r STA han<strong>de</strong>ln, so will es die<br />

Strafprozessordnung (StPO). Es ist die dienstliche Pflicht <strong>de</strong>r STA, <strong>de</strong>n<br />

schweren Beschuldigungen juristisch auf <strong>de</strong>n Grund zu gehen und<br />

mittels <strong>de</strong>r gesetzlichen Macht und <strong>de</strong>n weitreichen<strong>de</strong>n Hilfsmitteln hat<br />

die STA die Möglichkeit dazu. Ich nahm meine Rolle als Privatbeteiligter<br />

sehr ernst und nutzte 100fach die Gelegenheit, um <strong>de</strong>r so genannten<br />

Wahrheitsfindung zu dienen.<br />

Lei<strong>de</strong>r nutzte die STA ihre Macht zur Nachforschung nicht aus.<br />

Unglaubliches passierte. STA Alma Willi, als die anklagen<strong>de</strong> Behör<strong>de</strong>,<br />

hatte es nie für notwendig angesehen, mit mir persönlich zu re<strong>de</strong>n. Im<br />

Gegensatz zum UR Dr. P. Meier, <strong>de</strong>ssen Bürotüre immer für mich offen<br />

stand, habe ich mit ihr in <strong>de</strong>r Zeit nur einmal kurz zwischen Tür und<br />

Angel re<strong>de</strong>n können und dies auch nur per Zufall, da sich ihr Büro<br />

damals noch in <strong>de</strong>mselben Gebäu<strong>de</strong> wie das Landgericht befand.<br />

Dialoge mit <strong>de</strong>m Opfer waren nicht ihre Stärke. Sie war sehr kurz<br />

angebun<strong>de</strong>n, bestätigte mir aber, dass die STA an <strong>de</strong>r Anklage arbeiten<br />

wür<strong>de</strong>. Ich hatte immer Respekt und Anstand vor <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n gezeigt<br />

107


und mit dieser für mich wichtigen Aussage seitens <strong>de</strong>r STA war ich<br />

mehr als zufrie<strong>de</strong>n.<br />

Dazu muss man folgen<strong>de</strong>s wissen:<br />

Gera<strong>de</strong> ab <strong>de</strong>m Jahr 1997 kam das Land Liechtenstein immer stärker<br />

unter Beschuss von diversen Europäischen Staaten und <strong>de</strong>n USA, direkt<br />

o<strong>de</strong>r über die OECD (Organisation for Economic Cooperation and<br />

Development) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r FATF (Financial Action Task Force). Wegen<br />

Geldwäschereivorwürfe, Billigung und För<strong>de</strong>rung von Steuerbetrug und<br />

–hinterziehung, Unterstützung <strong>de</strong>r organisierten Kriminalität und<br />

generell als Steuerparadies.<br />

<strong>Der</strong> Druck stieg auch mit <strong>de</strong>m exklusiv für die damalige <strong>de</strong>utsche<br />

Regierung eigentlich als vertraulich klassifizierten BND-Bericht von 1999<br />

über die kriminellen Netzwerke <strong>de</strong>r Liechtensteiner Finanzwelt. <strong>Die</strong>se<br />

schimpfte öffentlich über <strong>de</strong>n BND und Deutschland sowieso, schickte<br />

<strong>de</strong>n Liechtensteiner Regierungschef samt Gefolge nach Berlin, um die<br />

alle (wie<strong>de</strong>r) Mil<strong>de</strong> zu stimmen. Zu Hause aber lachten sie hinter<br />

vorgehaltener Hand: "Fast hätte es uns erwischt!". <strong>Die</strong> hohen Finanz-<br />

Herren hatten das Glück, dass <strong>de</strong>r Hauptzuträger <strong>de</strong>s BNDs (aus<br />

Quellen von 1997 und 1998) selber kein "vorbildlicher Treuhän<strong>de</strong>r" war,<br />

da er in verdächtige Geldverschiebungen und Aktionen im Ländle<br />

verwickelt war. Wir in Liechtenstein wussten, was <strong>de</strong>m BND 1997 nicht<br />

gelang, und ihm daher für das vollständige Bild fehlte: einen tiefen<br />

Einblick in die "Dunkelkammer" <strong>de</strong>r betroffenen Banken und<br />

Treuhän<strong>de</strong>r, wo die ultimativen, beweiskräftigen Dokumente lagern!<br />

<strong>Die</strong>se "Unvollständigkeit" sollte <strong>de</strong>m BND Jahre später nicht mehr<br />

passieren.<br />

Auch <strong>de</strong>r Inhalt <strong>de</strong>r berühmten CD vom Treuhandbüro "Dr. Dr. Batliner"<br />

aus Vaduz sorgte für reichlich Aufsehen. 1996 hatte ein Mitarbeiter<br />

Batliners die CD mit nach Hause genommen, später gelangte sie in die<br />

Hän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Medien und <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Behör<strong>de</strong>n. Es folgten massenhafte<br />

Steuer-Strafuntersuchungen und seitenweise negative Berichte in <strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>utschen Medien. Auf einmal war das kleine Liechtenstein nicht nur in<br />

aller Mun<strong>de</strong> son<strong>de</strong>rn auch in Verruf geraten. Selbst Hans-Adam war<br />

gezwungen öffentlich seinen "sauberen Finanzplatz" zu verteidigen. Er<br />

erkannte an, dass die Ausstattung <strong>de</strong>r Untersuchungsbehör<strong>de</strong>n (STA,<br />

Justiz und die Kripo) in seinem Land in personeller als auch technischer<br />

108


Hinsicht schon lange nicht mehr <strong>de</strong>n damaligen Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

entsprach.<br />

In aller Eile wur<strong>de</strong> Anfang 2000 ein Son<strong>de</strong>rstaatsanwalt, Dr. Kurt Spitzer<br />

aus Österreich sowie mehrere ausländische Spezialisten mit grossem<br />

multimedialem Pomp von Hans-Adam persönlich angestellt und<br />

dirigiert, um das Böse im Ländle auszurotten. Wie in einem<br />

Fasnachtsumzug wur<strong>de</strong>n diverse Persönlichkeiten aus Liechtenstein<br />

(z.B. die Herren Marxer & Ritter etc.) abgeführt, gar (kurzzeitig)<br />

verhaftet und später auch angeklagt. Es wur<strong>de</strong>n Büroräume durchsucht,<br />

Treuhand- und Bankendokumente beschlagnahmt, grosse<br />

Untersuchungsberichte angefertigt und noch grössere Prozesse<br />

angekündigt.<br />

"Dr. SPITZER hat aufgeräumt" jubelte Hans-Adam. Was das Ausland<br />

nicht mehr mitbekommen hatte, war die Realität. Denn schlussendlich<br />

wur<strong>de</strong> niemand aus <strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r Beschuldigten Banker und<br />

Treuhän<strong>de</strong>r je rechtsgültig verurteilt (abgesehen von kleineren<br />

Vergehen). Im Gegenteil, die Regierung in Vaduz musste Jahre später<br />

nach praktisch geheimen Verhandlungen sehr hohe<br />

Entschädigungssummen an sie auszahlen. Wir in Liechtenstein<br />

verurteilen prinzipiell keine Banker o<strong>de</strong>r Treuhän<strong>de</strong>r nur weil sie<br />

Geldwäscherei för<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r billigen o<strong>de</strong>r Steuerbetrug und -<br />

hinterziehung aktiv unterstützen.<br />

Erst Jahre später wur<strong>de</strong>n neue – angeblich von <strong>de</strong>n Finanzmachthabern<br />

unabhängige – Aufsichtsbehör<strong>de</strong>n geschaffen, um <strong>de</strong>m ständigen Druck<br />

vom Ausland entgegenzuwirken: zum Beispiel die FIU (Financial<br />

Intelligence Unit) im März 2002 o<strong>de</strong>r im Mai 2004 die FMA (Finanz<br />

Marktaufsicht). Auch wur<strong>de</strong>n neue Sorgfaltspflicht- und an<strong>de</strong>re<br />

Finanzgesetze erlassen. All dies hauptsächlich zum Gefallen <strong>de</strong>r<br />

ausländischen Behör<strong>de</strong>n, staatlichen Organisationen und <strong>de</strong>n lästigen<br />

Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO’s).<br />

All diese hektischen Aktivitäten über Jahre hinweg seitens <strong>de</strong>r Justiz, <strong>de</strong>r<br />

STA und <strong>de</strong>r Regierung hatten zur Folge, dass praktisch keine Zeit da<br />

war für die Arbeit an <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren bei Gericht o<strong>de</strong>r STA liegen<strong>de</strong>n Fällen<br />

wie <strong>de</strong>r meine. "Das (verfluchte) GELD" hatte eben IMMER Vorrang!!<br />

Ohne Übertreibung kann ich fest behaupten, dass ich als Opfer<br />

(nicht nur in <strong>de</strong>r Rolle als Privatbeteiligter am Prozess) alles nur<br />

<strong>de</strong>nkbare und Menschenmögliche gemacht habe, um <strong>de</strong>r STA und <strong>de</strong>m<br />

UR bei ihrer Arbeit zu helfen. Wenn man es genau nimmt, habe ich die<br />

Arbeit <strong>de</strong>r STA getan. Ich habe im Jahr 1997 (bis En<strong>de</strong> 2002) Hun<strong>de</strong>rte<br />

109


von Seiten nie<strong>de</strong>rgeschrieben, Akten angefertigt, Fotos gemacht und<br />

Mo<strong>de</strong>lle bauen lassen. Alles jeweils in dreifacher Form; 1x für UR, 1 x für<br />

STA und 1 x für meinen RA Dr. Hirn.<br />

Da ich nicht verlangen kann, dass die Justiz sich zum Tatort nach<br />

Argentinien begibt, habe ich bildlich, fotografisch und im Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>n<br />

Tatort nach Vaduz gebracht. Am Anfang war ich sogar naiv genug in<br />

einem Schreiben an <strong>de</strong>n UR Dr. Meier die Möglichkeit nach einer Reise<br />

zum Tatort zu erfragen. Nur unter höchstem Polizeischutz natürlich.<br />

Nicht das ich nochmals im Kerker auf <strong>de</strong>r Farm lan<strong>de</strong>. Ich war im<br />

Glauben, dass eine solche Reise, unter Aufsicht von Interpol<br />

Argentinien, durchführbar wäre. Selbst wenn die Täter <strong>de</strong>n<br />

Gefängnisturm mit einem Hochdruckreiniger gereinigt hätten,<br />

Kriminalspezialisten sollten in <strong>de</strong>r Lage sein, immer noch Blutspuren<br />

von mir zu fin<strong>de</strong>n. Abgesehen davon müssten noch die Spuren <strong>de</strong>r Kette<br />

(an <strong>de</strong>r Wand), an <strong>de</strong>m wohl ausgetauschten neuen Fenster u.s.w. zu<br />

fin<strong>de</strong>n sein. Es wäre nicht das erste Mal, dass ausländische<br />

Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n in ein an<strong>de</strong>res Land reisten, um einen Tatort<br />

anzusehen. <strong>Die</strong>s habe ich alles <strong>de</strong>m UR geschrieben. Lei<strong>de</strong>r war eine<br />

solche Reise (mit mir o<strong>de</strong>r ohne mich) nicht machbar. <strong>Die</strong> STA hätte es<br />

nicht bewilligt. Ich war sehr enttäuscht. Zu<strong>de</strong>m verstand ich es auch<br />

nicht, warum die STA nicht einmal via Interpol die Argentinier<br />

zumin<strong>de</strong>st bitten konnte, <strong>de</strong>n Turm und die Farm wenigstens zu<br />

besuchen und zu inspizieren.<br />

Genau nach <strong>de</strong>m Spruch "ein Bild sagt mehr als Tausend Worte" hatte<br />

ich schon im August 1997 <strong>de</strong>n Auftrag für 3 Kohle-Zeichnungen gegeben<br />

und sie am 01.09.1997 zusammen mit einem Begleitschreiben <strong>de</strong>m UR<br />

übergeben. Kurz vor Weihnachten 1997 hatte ich auch das 1:1 Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s<br />

Eisenfussrings und Eisenkette samt Mauerstück fertig und am 21.12.1997<br />

mit Fotomappe und Begleitschreiben <strong>de</strong>m UR überreichen. In <strong>de</strong>r<br />

Fotomappe waren Fotos mit mir in diversen Situationen während <strong>de</strong>r<br />

Gefangenschaft nachgestellt. Da niemand in Argentinien nachschauen<br />

gehen wollte, entschloss ich mich einen professionellen Nachbau in<br />

Auftrag zu geben. Im Februar 1998 war Nachbau <strong>de</strong>s Kerkers (mit je<strong>de</strong>m<br />

kleinsten Detail) als dreidimensionales Mo<strong>de</strong>ll fertig. Über 1000 Franken<br />

habe ich dafür bezahlt. Das Mo<strong>de</strong>ll war auf einer ca. 0,5 cm dicken<br />

Holzplatte, 1,5 x 1 Meter gross, geklebt. Ich habe eine Serie von<br />

verschie<strong>de</strong>nen Fotos davon gemacht um die in meiner Anzeige bei <strong>de</strong>r<br />

Polizei gemachten Angaben bildlich zu unterstützen. <strong>Die</strong>se Foto-Mappe<br />

110


mit exakten schriftlichen Hinweisen und Querverweisen auf die<br />

jeweilige Zeile aus <strong>de</strong>r Anzeige, hatte ich am 17.2.1998 fertiggestellt und<br />

<strong>de</strong>m UR gebracht.<br />

Das 3D-Mo<strong>de</strong>ll musste ein trauriges En<strong>de</strong> nehmen - mehr dazu später<br />

im Buch.<br />

Mein Leben drehte sich nur um <strong>de</strong>n 101er Akt! Alles an<strong>de</strong>re war<br />

nebensächlich; zum Glück hatte ich aber meinen Humor nach meiner<br />

Rückkehr aus Argentinien nicht ganz verloren. Ich war natürlich auch<br />

je<strong>de</strong>n Tag froh, dass ich noch lebe und noch nicht in Depressionen<br />

verfallen war. <strong>Die</strong> tiefen seelischen Narben verursachten aber einiges an<br />

Nebeneffekten. So zum Beispiel als ich mit einem Freund einen Kinofilm<br />

<strong>de</strong>r US-Regiebrü<strong>de</strong>r Ethan und Joel Coen mit <strong>de</strong>m Titel FARGO im<br />

Freiluftkino in Vaduz ansehen wollte (es war im Sommer 1997 o<strong>de</strong>r<br />

vielleicht auch 1998). <strong>Der</strong> Film basiert auf einer wahren Geschichte. Als<br />

jene Szene gezeigt wur<strong>de</strong>, wo die zwei Amateurkidnapper die Frau <strong>de</strong>s<br />

Autoverkäufers aus ihrem Haus entführen wollten, wur<strong>de</strong> mir Kotzübel<br />

und ich musste von <strong>de</strong>r Sitztribüne fliehen. Selbst Jahre später, als die<br />

(seelischen) Narben etwas verwachsen waren und ich <strong>de</strong>n Film bei<br />

einem Freund per Zufall auf DVD sehen konnte, schaffte ich es zwar<br />

etwas länger sitzen zu bleiben, die Gewaltszenen sind einfach noch<br />

immer zu viel für mich. Obwohl ich weiss, dass es Schauspieler waren.<br />

Ich habe mir seit dieser Zeit nie wie<strong>de</strong>r einen Gewaltfilm angesehen.<br />

Gera<strong>de</strong> als ich dachte, das Horrorjahr 1997 wäre bald vorüber, da wur<strong>de</strong><br />

ich eines besseren belehrt. Auf einer meiner Gänge zum UR Dr. Meier,<br />

und <strong>de</strong>m obligatorischen Blick auf die ON-Liste<br />

(Akteninhaltsverzeichnis) <strong>de</strong>s 101er, blieb mein Herz stehen und <strong>de</strong>r<br />

Atem stocken: gemäss Eintrag gab es eine Beschuldigteneinvernahme<br />

von Helmut Roegele hier in Vaduz am 11.08.1997. <strong>Der</strong> nächste Eintrag<br />

auf <strong>de</strong>r darunter liegen<strong>de</strong>n Zeile war: (Eingang) "Schreiben von H.<br />

Kieber v. 11.08.1997". Ich konnte mich nicht gleich entschei<strong>de</strong>n, worüber<br />

ich mich am meisten massiv ärgern sollte:<br />

A) Dass <strong>de</strong>r Haupttäter vernommen wur<strong>de</strong> – ohne dass das LG mich<br />

o<strong>de</strong>r meinen RA informierte hatte und mir daher die Möglichkeit<br />

genommen hatte, als Opfer einen Input zur (geplanten Vernehmung)<br />

111


von Helmut Roegele zu machen (was ich als Privatbeteiligter am Prozess<br />

hätte machen dürfen)<br />

o<strong>de</strong>r<br />

B) Dass ich offenbar einem "explosivem Schock" knapp entgangen bin,<br />

weil ich ja am selben Tag (08.11.1997) im Büro <strong>de</strong>s UR Dr. Meier war, um<br />

ein Schreiben von mir in <strong>de</strong>n Akt einfügen zu lassen. (All die Jahre habe<br />

ich immer je<strong>de</strong>s Schreibstück etc. persönlich bei Gericht abgegeben und<br />

nie per Post versandt).<br />

Es läuft mir heute noch – bald 12 Jahre später - eiskalt <strong>de</strong>n Rücken<br />

runter, wenn ich nur daran <strong>de</strong>nke, was es wohl in mir ausgelöst hätte,<br />

wäre ich wahrhaftig <strong>de</strong>m Helmut Roegele samt seiner Frau, meinen<br />

Peinigern & Folterern, in <strong>de</strong>n Gängen <strong>de</strong>s LG im August 1997 (ohne<br />

Vorwarnung o<strong>de</strong>r Betreuung) begegnet. Ohne zu Übertreiben, ich hätte<br />

ihn und seine Frau vermutlich glatt platt gemacht. Zumin<strong>de</strong>st<br />

symbolisch. Ich bin zwar absolut kein Mensch <strong>de</strong>r Gewalt, ich ziehe das<br />

geschriebene Wort vor. Aber selbst als gut erzogener und intelligenter<br />

Mensch wäre mein Verlangen einfach nicht Unterdrückbar gewesen, <strong>de</strong>n<br />

Tätern das selbe zu wünschen, was sie mir angetan hatten.<br />

Das sich Helmut & Co. überhaupt auf <strong>de</strong>n Weg nach Vaduz trauten, war<br />

für mich rückblickend keine Überraschung. Sie konnten ja sehen und<br />

selbst erleben, dass die Behör<strong>de</strong>n in Liechtenstein offenbar nicht gross<br />

han<strong>de</strong>lten und die Sache sich lange, lange hinziehen wür<strong>de</strong>.<br />

Sofort verlangte ich eine Kopie <strong>de</strong>r Vernehmung. Ich kann es nicht in<br />

Worte fassen, was ich beim Lesen dieses Schriftstücks durchgemacht<br />

hatte. Ich verfluchte alle im Land. Zuerst war mir aufgefallen, dass die<br />

Frau von Helmut Roegele, die mit ihm in Vaduz gegenwärtig war,<br />

NICHT als Beschuldigte einvernommen wur<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn als Zeugin!?!?<br />

Völlig unverständlich für je<strong>de</strong>n Juristen. Obwohl ich ihre Taten im Detail<br />

aufgezeigt hatte und sie einen grossen Teil <strong>de</strong>r Verantwortung <strong>de</strong>r Taten<br />

übernehmen müsste. Ich bin ja kein Jurist, aber zum minimalen<br />

Verständnis einer Strafuntersuchung gehört die Vernehmung aller<br />

Beschuldigten. <strong>Der</strong> UR Dr. Meier sagte mir, dass die STA nur die<br />

Vernehmung von Helmut verlangt hatte und da seine Frau, Salud<br />

"praktischerweise" anwesend war, sie selber gerne eine Zeugenaussage<br />

machen wollte. Wie praktisch


Als ich die an <strong>de</strong>n Haaren herbeigezogenen Antworten von Helmut auf<br />

die Fragen <strong>de</strong>s UR gelesen hatte, bin ich emotional in ein tiefes Loch<br />

gefallen. Er bejahte, dass er zwar in Argentinien gewesen sei, die Sache<br />

mit <strong>de</strong>m Geld sei aber "freiwillig" geschehen, die Verletzungen seinen<br />

ein "Unfall" gewesen, ich hätte z.B. meine run<strong>de</strong>n Verbrennungen auf<br />

<strong>de</strong>r Rückseite (!) meiner rechten Wa<strong>de</strong> dadurch geholt, in<strong>de</strong>m ich<br />

angeblich zu nahe stand als ich einem Farmknecht beim Schweissen<br />

"zugeschaut" hätte. Völliger Mist. Wie soll dies gehen? Physikalisch gar<br />

nicht möglich: Wie kann ein Schweissfunke über mehrere Meter hinweg<br />

horizontal fliegen, zwischen meinen Beinen hindurch sausen und dann<br />

eine 180 Grad-Drehung machen, um hinten in <strong>de</strong>r Mitte meiner Wa<strong>de</strong> zu<br />

lan<strong>de</strong>n und sich dort einzubrennen? Verdammt noch mal – völliger Mist.<br />

In seiner Aussage bestätigte Helmut sogar, dass er (mit an<strong>de</strong>ren) "ein<br />

wenig Druck" auf mich hätten ausüben müssen. Und spätestens hier<br />

hätte die STA massiv nachhacken sollen. Man kann es fast nicht glauben:<br />

Niemand hatte von Helmut gefor<strong>de</strong>rt, er solle im Detail erklären, was er<br />

mit "ein wenig Druck ausüben" gemeint hatte. Niemand! Er erklärte<br />

weiter, dass er keine Erklärung dafür hatte, warum ich, sobald ich (in<br />

Buenos Aires) alleine war, verzweifelt versuchte hatte, die ganze vorher<br />

angeblich von mir "genehmigte" Geldtransaktion zu stoppen obwohl<br />

doch alles so makellos "freiwillig" gewesen sein soll. In einer<br />

schriftlichen Eingabe an das LG Feldkirch hat Helmut behauptet, ich sei<br />

ja medizinisch bestätigt geistesgestört, hätte eine langjährige<br />

psychiatrische Betreuung abgebrochen und vor <strong>de</strong>r Psychiatrie „auf <strong>de</strong>r<br />

Flucht‚. Alles kompletter Unsinn. Nie im Leben war ich je in o<strong>de</strong>r runter<br />

einer Psychiatrischen Behandlung. Aber Helmut war ja gezwungen<br />

Phantasie-Antworten zu geben, er musste ja seinen angeblichen<br />

Anspruch auf die Hälfte <strong>de</strong>r Ausbeute <strong>de</strong>r schweren Erpressung<br />

irgendwie untermauern und auch irgendwie die noch schweren<br />

Anschuldigungen (die schwere Nötigung, die Freiheitsberaubung, die<br />

schwere Körperverletzung etc) abwehren.<br />

Es dauerte einige Wochen, bis ich mich von diesem Schock erholt hatte.<br />

Es war wie eine zweite Folter.<br />

In <strong>de</strong>r Zwischenzeit waren die Täter auch nicht untätig. Sehr erbost über<br />

seine misslungene Erpressung, insbeson<strong>de</strong>re aus monetärer Sicht, ging<br />

Mariano in kellertiefe Deckung. Wenn ich heute so zurück <strong>de</strong>nke, dann<br />

113


wünsche ich mir, ich hätte die Yacht (Holzboot) ANALIA verkauft.<br />

Kaufangebote hate ich einige. Ich bin 1995 extra wegen seiner<br />

Geldschuld mir gegenüber (bzw. Das NICHT-Bezahlen <strong>de</strong>r Schuld) nach<br />

Barcelona gezogen. Um dort zu sein, wo er lebte. Auf meinen ständigen<br />

Druck hin hat er mir dann im September 1995 alle Aktien <strong>de</strong>r spanischen<br />

Einzelf irma, die das Boot seit Jahren besass als Sicherheit für das<br />

Darlehen überschrieben. Ich wur<strong>de</strong> auch als einziger Direktor <strong>de</strong>r Firma<br />

nominiert und registriert. Ein ganzes Jahr lang (von September 1995 –<br />

September 1996) gehörte das Boot mir. Zeitweise lebte ich auf <strong>de</strong>m Boot<br />

im Hafen. <strong>Der</strong> Grund warum ich es nicht verkaufte, war, weil er mir<br />

ständig in <strong>de</strong>n Ohren lag und behauptetet, die ‚nächste Woche‚, im<br />

nächsten Monat‚.... wer<strong>de</strong> er mir sicher das Darlehen samt Zins<br />

zurückbezahlen. Er wollte das Boot unbedingt wie<strong>de</strong>r haben. Mit <strong>de</strong>m<br />

Boot hatte ich mehrheitlich nur Ärger. Wie er mein Boot ohne die<br />

Firmenaktie und ohne meine Unterschrift als Direktor Jahre (nach <strong>de</strong>m<br />

Argentiniendrama) später verkaufen konnte, ist sein kriminelles<br />

Glanzstück. Heute noch, im Jahr 2009, ‚warte‚ ich – wohl vergebens –<br />

auf seine Rückzahlung <strong>de</strong>s Darlehens.<br />

Helmut und seine Frau aber wur<strong>de</strong>n sich <strong>de</strong>r zu Recht schweren<br />

Beschuldigungen sehr rasch bewusst (u.a. auf Grund diverser<br />

polizeilicher Vernehmungen in Deutschland, Österreich, Spanien und<br />

Liechtenstein) und musste daher rasch han<strong>de</strong>ln. Er und seine Frau<br />

suchten dringend und verzweifelt nach einem Mittel, meine Position im<br />

Strafverfahren gegen sie in Liechtenstein zu "schwächen". Zu meiner<br />

grossen Bestürzung wirkten sie massiv auf die Behör<strong>de</strong>n in Spanien ein<br />

(die natürlich vorher nichts von <strong>de</strong>ren Verbrechen in Argentinien<br />

wussten) und erwirkten am 25. Mai 1997 (also knapp sechs Wochen nach<br />

Argentinien), und dies völlig zu unrecht, dass die spanischen Behör<strong>de</strong>n<br />

einen internationalen Haftbefehl gegen mich ausstellten. Sobald ich<br />

durch meinen eigenen Rechtsanwalt in Spanien von <strong>de</strong>m internationalen<br />

Haftbefehl via LG Vaduz erfahren hatte, habe ich <strong>de</strong>n zuständigen<br />

Richter in Barcelona ausfindig gemacht und ihm auf Spanisch einen 3seitigen<br />

Fax gesen<strong>de</strong>t, worin ich zusammengefasst die Verbrechen <strong>de</strong>r<br />

Täter schil<strong>de</strong>rte und <strong>de</strong>n Grund erklärte, warum ich <strong>de</strong>rzeit nicht nach<br />

Spanien kommen konnte. Erst einige Jahre später habe ich erfahren<br />

können, dass in Barcelona Helmut vehement, schlussendlich ohne<br />

Erfolg, versucht hatte, <strong>de</strong>n Eingang dieses Schreibens in <strong>de</strong>n dortigen<br />

Akt zu verhin<strong>de</strong>rn.<br />

114


Ja, <strong>de</strong>r Internationale Haftbefehl, was für ein "Segen" für die Täter. Damit<br />

versuchten sie, zumin<strong>de</strong>st symbolisch immer darauf hinzuweisen, dass<br />

ich ja <strong>de</strong>r Luzifer sei. Um es ein<strong>de</strong>utig richtig zustellen: <strong>Der</strong> Haftbefehl<br />

war nur <strong>de</strong>shalb ausgestellt wor<strong>de</strong>n, weil ich selber NICHT mehr nach<br />

Spanien gehen wollte und konnte. Und ich glaube alle meine Leser und<br />

Leserinnen können nachvollziehen, dass ich nach diesen abscheulichen<br />

Erlebnissen sicherlich KEINE Lust hatte, ins Land <strong>de</strong>s Folterers Helmut<br />

zu gehen. Natürlich war es mir absolut nicht angenehm, einen<br />

internationalen Haftbefehl zu haben, aber ich rannte vor nieman<strong>de</strong>n<br />

weg. Ich engagierte einen Rechtsanwalt in Spanien, <strong>de</strong>r sich darum<br />

kümmerte. <strong>Die</strong> taktisch agieren<strong>de</strong>n Täter hatten immer darauf gehofft,<br />

dass ich nach Spanien komme, um mich persönlich zu verteidigen und<br />

somit die Verfolgung ihrer schweren Verbrechen beim LG Vaduz für<br />

Jahre hinaus ins Stocken geraten wür<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r gar eingestellt wür<strong>de</strong>n.<br />

Aber die absolute Priorität Nr. 1 (eigentlich die Einzige) für viele, viele<br />

Jahre seit <strong>de</strong>m 9. April 1997 war für mich die Verfolgung und Bestrafung<br />

aller Täter. Ich habe all mein Denken, meine Energie, meine Kraft und<br />

Zeit auf dieses Ziel konzentriert. Ich war sehr erfreut, dass die BAWAG<br />

Bank in Österreich <strong>de</strong>n <strong><strong>Die</strong>b</strong>stahl meines Gelds durch Rückabwicklung<br />

<strong>de</strong>r Transaktion in sprichwörtlich allerletzter Minute, eigentlich Sekun<strong>de</strong><br />

gelungen ist. Wahrhaftig unglaublich, dass dies <strong>de</strong>r Bank gelang, da die<br />

Gel<strong>de</strong>r (mit Ausnahme <strong>de</strong>ssen, was sich <strong>de</strong>r "Bote" Peter Kroschel<br />

einsteckte) schon bei <strong>de</strong>r spanischen Korrespon<strong>de</strong>nzbank <strong>de</strong>r BAWAG in<br />

Madrid lagen. <strong>Die</strong> Gel<strong>de</strong>r blieben bei <strong>de</strong>r BAWAG Bank, bis ein Gericht<br />

entschei<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, was damit geschehen sollte. <strong>Die</strong> Täter kamen<br />

dadurch in radikalen (juristischen) Zugzwang. Um zu verhin<strong>de</strong>rn, dass<br />

ihre Verbrechen durch sie selber "bestätigt" wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n, mussten sie<br />

ihren angeblichen echten Anspruch auf die nun blockierten Gel<strong>de</strong>r<br />

schnell anmel<strong>de</strong>n. Und schon konnten sich die Täter nicht mehr mit<br />

ihren Lügengeschichten zusammenhalten: Mariano hat erst gar nicht<br />

versucht, einen angeblichen Rechtsanspruch auf seine "Hälfte <strong>de</strong>r Beute"<br />

beim LG in Feldkirch, Österreich o<strong>de</strong>r irgendwo sonst anzumel<strong>de</strong>n.<br />

Helmut Roegele und seine Frau waren sich um die Konsequenz eines<br />

"Nicht-Han<strong>de</strong>lns" sehr bewusst und engagierten einen RA in Feldkirch.<br />

Wie<strong>de</strong>rum erhofften sie sich einen Vorteil, da ein möglicher Zivilprozess<br />

um das Geld voraussichtlich beim LG in Feldkirch stattfin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong><br />

und <strong>de</strong>r internationale Haftbefehl mich daran hin<strong>de</strong>rn könnte, dort<br />

selber aufzutreten. Mein in Liechtenstein beauftragter RA Dr. Hirn hatte<br />

115


auch eine Kanzlei in Feldkirch und konnte somit für mich in <strong>de</strong>r<br />

Zivilsache dort auch tätig wer<strong>de</strong>n.<br />

Was man so alles be<strong>de</strong>nken muss, wenn man einen internationalen<br />

Haftbefehl am Hals hat: Im Sommer 1997 hatte ich einen<br />

Mountainbikesturz auf <strong>de</strong>r Essanestrasse in Eschen. <strong>Die</strong> dicke Schraube,<br />

die <strong>de</strong>n Sitz an <strong>de</strong>r Sitzstange festhält war urplötzlich während <strong>de</strong>r Fahrt<br />

abgebrochen, <strong>de</strong>r Sitz brach weg und ich war für Sekun<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Luft<br />

gehangen, während das Velo alleine weiterrollte. Ich lan<strong>de</strong>te – mit <strong>de</strong>m<br />

Hintern zuerst – in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r stark befahren<strong>de</strong>n Hauptstrasse. <strong>Der</strong><br />

Lastwagen hinter mir konnte gera<strong>de</strong> noch ausweichen, aber ein<br />

Personenwagen aus <strong>de</strong>r Gegenrichtung machte kurzen Prozess mit <strong>de</strong>m<br />

Velovor<strong>de</strong>rrad. (Nein, Hans-Adam hatte nicht an <strong>de</strong>r Schraube gesägt,<br />

das Schicksal wür<strong>de</strong> uns erst Jahre später enger zusammen führen). Ein<br />

Krankenwagen musste her und sie wollten mich ins nahe liegen<strong>de</strong> Spital<br />

nach Feldkirch fahren. "NEIN, NEIN" rief ich. Ich gehe nur ins Spital<br />

Grabs, in <strong>de</strong>r Schweiz auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Rheinseite. Wer weiss, wie lange<br />

ich im Spital liegen muss. Wäre ich in Feldkirch gelan<strong>de</strong>t, hätten evt. die<br />

Täter davon erfahren und nach meiner Auslieferung von Österreich nach<br />

Spanien geschrien. Da war mir die Schweiz schon lieber!<br />

Ich hatte Glück, es war nur ein kleiner Bruch am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Steissbeins<br />

und eine Verstauchung <strong>de</strong>r unteren Wirbelsäule. Keine Operation<br />

notwendig. Ich musste aber für 9 Wochen tagsüber ein massgefertigtes<br />

Spannkorsett tragen. Gut für die Haltung. Mein RA Dr. Hirn hatte die<br />

Gelegenheit für Scha<strong>de</strong>nersatz beim österreichischen Hersteller <strong>de</strong>r<br />

Schraube gesehen und prompt zahlten sie ohne grossen Streit ca. 22'000.-<br />

Schweizer Franken: ging alles in meine Kriegskasse.<br />

Aus <strong>de</strong>n ursprünglichen geplanten "paar Monaten" im Altersheim<br />

wur<strong>de</strong>n es schlussendlich über acht Monate. Zu Beginn <strong>de</strong>s neuen Jahres<br />

1998 zog ich in eine möblierte 1-Zimmer-Anliegerwohnung ins das<br />

schöne Balzers, im Liechtensteiner Oberland ein. Ich traute mich wie<strong>de</strong>r<br />

etwas mehr unter die normalen Menschen, ich suchte und fand Kontakt<br />

ausserhalb meines üblichen Kreises von:<br />

"UR – (STA) – RA – UR – (STA) – RA -UR


Nicht das ich meinen Fokus än<strong>de</strong>rte. Um vor allem <strong>de</strong>n grossen<br />

psychologischen Stress und die durchgemachte To<strong>de</strong>sangst während <strong>de</strong>r<br />

Gefangenschaft aufzuzeigen, erstelle ich zum ersten Jahrestag meiner<br />

Folter eine schematische Darstellung (Psychogramm/Diagramm) und<br />

hatte es am 10.04.1998 <strong>de</strong>m UR für <strong>de</strong>n Akt gebracht. Eine Originalkopie<br />

<strong>de</strong>s Schemas fin<strong>de</strong>t ihr auf <strong>de</strong>n nächsten drei Seiten.<br />

(Bitte Buch nach links drehen)<br />

117


118


119


120


Ich verfiel in eine noch grösser Schreibwut und nahm je<strong>de</strong> einzelne<br />

Aussage, die ich von <strong>de</strong>n Tätern hatte, unter die Lupe und stellte eine<br />

ausführliche schriftliche Mappe zusammen, die über 1,6 Kilogramm (!)<br />

wog. Darin zeigte ich <strong>de</strong>m UR und <strong>de</strong>r STA die unzähligen<br />

Wi<strong>de</strong>rsprüche auf. Wi<strong>de</strong>rsprüchlichkeiten nicht nur zwischen <strong>de</strong>n<br />

Aussagen <strong>de</strong>r diversen Täter, son<strong>de</strong>rn auch jene Wi<strong>de</strong>rsprüche in <strong>de</strong>n zu<br />

verschie<strong>de</strong>nen Zeiten gemachten Aussagen <strong>de</strong>rselben Person. Mit <strong>de</strong>r<br />

Zeit war ich eher froh, dass ich überhaupt einige Aussagen <strong>de</strong>r Täter<br />

hatte, schlimmer wäre es gewesen, wenn sie nichts gesagt hätten.<br />

Dadurch, dass sie sich immer und immer wie<strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rsprochen hatten,<br />

konnte ich <strong>de</strong>ren Lügengeschichten einfach und klar <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n<br />

aufzeigen.<br />

Neuen Optimismus in Bezug auf die Arbeit <strong>de</strong>r STA in meinem Fall<br />

hatte ich erlebt, als <strong>de</strong>r frische und neue Leiten<strong>de</strong> Staatsanwalt, <strong>de</strong>r<br />

Österreicher Dr. Robert Wallner seine Arbeit in Vaduz aufnahm.<br />

Während <strong>de</strong>r LIGA (Liechtensteinische Industrie & Gewerbe<br />

Ausstellung) im Jahr 2000, sah ich ihn per Zufall am Messestand <strong>de</strong>s<br />

Radio L (Radio Liechtenstein), wo er anlässlich seiner Anstellung ein<br />

Interview gab. Ich sprach ihn an und erklärte ihm wer ich sei und<br />

referierte kurz über meinen Fall. Er zeigte sich sehr interessiert und<br />

versprach mir, in <strong>de</strong>n nächsten Tagen <strong>de</strong>r Sache nachzugehen und mir<br />

zu berichten. In <strong>de</strong>r Folge wur<strong>de</strong> die STA Willi vom Fall abgezogen und<br />

<strong>de</strong>m ebenfalls neu angestellten Staatsanwalt, Herrn Frank HAUN<br />

zugeteilt. Einerseits war ich froh, dass mein Fall weg von <strong>de</strong>r Willi war,<br />

die nichts als kostbare Zeit ungenutzt verstreichen liess. An<strong>de</strong>rerseits<br />

hatte ich auch die Befürchtung, dass Herr Haun, ein junger, eher<br />

unerfahrener Jurist aus Österreich mit meinem Fall überfor<strong>de</strong>rt sein<br />

könnte.<br />

Meine ursprüngliche Befürchtung verflüchtigte sich, als ich ihn<br />

mehrmals zufällig entwe<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Gängen <strong>de</strong>s Gerichtsgebäu<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r<br />

auf <strong>de</strong>m Platz davor in <strong>de</strong>n Jahren 2000 bis 2002 traf. Wie sie so sind, die<br />

Juristen und Staatsanwälte: immer hektisch erscheinend und<br />

kurzgebun<strong>de</strong>n. Schon am 18.10.2000 habe ich ihm einen zehnseitigen<br />

Brief mit einer wirklich kurzen Zusammenfassung aller Ereignisse<br />

zukommen lassen. Er bestätigte mir, dass er meinen Fall sehr gut kennen<br />

wür<strong>de</strong> und sich damit stark befassen wür<strong>de</strong>. Später, und dies zum<br />

letzten Mal im Januar 2002, versicherte er mir, dass er an <strong>de</strong>r<br />

121


Anklageschrift gegen die Täter arbeite und diese in drei bis vier Monaten<br />

fertig sein sollte. Ich erinnere mich sehr genau an seine, diese für mich<br />

sehr wichtigen Worte! Es war ein schöner Wintertag, und ich fuhr mit<br />

<strong>de</strong>m Mountainbike an <strong>de</strong>n Rhein und war voller Zuversicht, dass bald<br />

ein Kriminalgericht in Vaduz über die Täter (falls sie <strong>de</strong>nn zur<br />

Verhandlung erscheinen sollten) zu Gericht sitzen wür<strong>de</strong>n. Ich wusste<br />

immer und es ist heute noch so, dass bei einer Gerichtsverhandlung über<br />

die Taten in Argentinien die Täter sich NIE, NIE, NIE aus <strong>de</strong>r<br />

Verantwortung herausre<strong>de</strong>n können!<br />

Zu jener Zeit hatte <strong>de</strong>r UR Meier in seinem zweiten Versuch wie<strong>de</strong>r<br />

keinen Erfolg. Er wollte auf Grund internationaler Vereinbarungen<br />

bezüglich <strong>de</strong>r Übernahme von Strafverfahren (via Eurojust o<strong>de</strong>r so<br />

ähnlich), zum zweiten Mal Spanien dazu bewegen (übrigens mit meiner<br />

vollen Unterstützung), meinen Fall dort an das LG Vaduz abzutreten.<br />

Warum Spanien <strong>de</strong>n Fall nicht abgeben wollte, erfuhr niemand. Und<br />

weshalb sie auch nie ein Rechtshilfegesuch o<strong>de</strong>r einen<br />

"Auslieferungsantrag" an Liechtenstein stellten, ist unerklärlich. Dem<br />

Gericht in Spanien war seit <strong>de</strong>m Spätsommer 1997 mein Aufenthaltsort<br />

bekannt und sie hatten auch eine Adresse von mir in Liechtenstein.<br />

Nichts geschah von Seiten <strong>de</strong>r spanischen Justiz. Somit blieb <strong>de</strong>r<br />

Haftbefehl aus Spanien aufrecht. Ganz wie sich dies <strong>de</strong>r Verbrecher<br />

Roegele wünschte.<br />

In meinem Privatleben ging es auch wie<strong>de</strong>r bergauf. Ich lernte meinen<br />

neuen Wohnort Balzers besser kennen und erlebte dort sowie im<br />

Nachbarort Triesen neue, wun<strong>de</strong>rbare Freundschaften. Auf diesem Weg<br />

hier grüsse ich sie alle ganz herzlich. Von meinem Drama in Argentinien<br />

sowie <strong>de</strong>m juristischen Kampf wussten sie alle nichts.<br />

Im Mai 1998 zog ich in eine 3-Zimmer-Wohnung in einem<br />

Mehrfamilienhaus (MFH) in <strong>de</strong>r Neue Churerstrasse 27 in Balzers um.<br />

<strong>Der</strong> Neubau mit sieben Wohnungen wur<strong>de</strong> von einer Liechtensteiner<br />

Aktiengesellschaft (AG), <strong>de</strong>r REAL INVEST AG gebaut, die<br />

pikanterweise wie<strong>de</strong>rum die finanziellen Mittel dafür aus<br />

Schwarzgeldkonten einer Stiftung aus Liechtenstein erhielt, die einem<br />

Deutschen aus <strong>de</strong>r Nähe von Hamburg gehörte. Ich kannte <strong>de</strong>n Direktor<br />

<strong>de</strong>r AG gut und er machte mir ein super Angebot. Für einen sehr<br />

niedrigen Mietzins von CHF 700.- pro Monat konnte ich einziehen, wenn<br />

122


ich "ein Auge" auf das seit Fertigstellung fast leer stehen<strong>de</strong> MFH halten<br />

wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong> noch freien Wohnungen sollten an Kun<strong>de</strong>n verkauft wer<strong>de</strong>n.<br />

Meine Aufgabe bestand darin, die Anlage im Schuss zu halten und<br />

Kaufinteressenten durch die schönen, leeren Wohnungen zu führen. Ich<br />

richtete meine Wohnung mit meinen eigenen, neu gekauften IKEA<br />

Möbeln ein. Darin hatte ich auch ein kleines Büro eingerichtet und dort<br />

fast täglich für meinen Kampf recherchiert, geschrieben und gedruckt.<br />

Mein Einzug in dieses MFH-Haus an <strong>de</strong>r Neue Churerstrasse wür<strong>de</strong> –<br />

rückblickend – eine schicksalhafte Rolle spielen. Unter mir war einige<br />

Monate vor mir eine junge Person eingezogen, die wie<strong>de</strong>rum persönlich<br />

mit <strong>de</strong>m Direktor <strong>de</strong>r besagten AG seit langem befreun<strong>de</strong>t war. <strong>Die</strong><br />

Person arbeitete seit Jahren bei <strong>de</strong>r Treuhand <strong>de</strong>r LGT Gruppe in Vaduz.<br />

Mehr dazu etwas später.<br />

123


Kapitel 4 Ein Kübel voll Schweineblut<br />

Ich war natürlich auch sehr aktiv an <strong>de</strong>r Front um meine, in Österreich<br />

liegen<strong>de</strong>n Gel<strong>de</strong>r. Um seine angebliche Unschuld in Argentinien (vor<br />

allem aus taktischer Sicht) zu untermauern, war es für Helmut sehr<br />

wichtig, <strong>de</strong>n Kampf um das Geld erbittert weiterzuführen. Sehr<br />

unangenehm für ihn und seine Truppe (Frau und Schwager) war, dass<br />

die an<strong>de</strong>ren Täter (Farmbesitzer Mariano und Söhne) sich seit <strong>de</strong>r<br />

missglückten Erpressung nicht mehr ans Tageslicht getraut hatten. Für<br />

sie darum sehr unerfreulich, weil diese Tatsache auch indirekt beweist,<br />

dass ihre ganze Version eine Lüge war. Den heuchlerischen Antrag von<br />

Helmut, die im Sommer 1999 <strong>de</strong>finitiv gerichtlich gesperrten Gel<strong>de</strong>r<br />

seien ihm sofort auszuzahlen, wur<strong>de</strong> – mangels Rechtsanspruch - vom<br />

LG Feldkirch sowie <strong>de</strong>m Oberlan<strong>de</strong>sgericht Innsbruck<br />

nie<strong>de</strong>rgeschmettert. Dennoch blieb die Sperre aktiv und Helmut wur<strong>de</strong><br />

auferlegt, eine Zivilklage im Wohnsitzland <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Partei (ich)<br />

einzureichen. Also beim LG in Vaduz. Das wird ja interessant, hatte<br />

mein RA zu mir gesagt. Und ich war eigentlich hoch erfreut über die<br />

For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Gerichts in Österreich, dass erst dann das gesperrte Geld<br />

freigegeben wird, wenn ein rechtsgültiges Zivilurteil in Bezug auf die<br />

Gel<strong>de</strong>r aus Vaduz vorliegt, <strong>de</strong>nn fast wäre es <strong>de</strong>m Täter Helmut etwas<br />

später auf Grund eines Formfehlers gelungen, unrechtmässig an meine<br />

gesperrten Gel<strong>de</strong>r zu kommen. Erfreut <strong>de</strong>swegen, weil er nie und<br />

nimmer einen solchen Prozess gewinnen konnte.<br />

In <strong>de</strong>r Folge wur<strong>de</strong> eine Zivilklage um das Geld beim LG Vaduz im<br />

Januar 2000 eingereicht. Mein RA hatte dann sofort umfassend eine<br />

Klagebeantwortung abgefasst und beantragt, dass die Akten aus <strong>de</strong>m<br />

Strafprozess gegen Helmut Roegele & Co. (101er) zugezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Über meine Vorstellungskraft hinaus sollte sich dieser Zivilprozess auch<br />

massgeblich an meiner steigen<strong>de</strong>n Wut über die Aktionslosigkeit <strong>de</strong>r<br />

Justiz im Argentinienfall entwickeln.<br />

Nicht vergessen, es war ein Zivilprozess, kein Strafprozess! Trotz<strong>de</strong>m<br />

stand für Helmut & Co. alles auf <strong>de</strong>m Spiel. All die massiven Beweise<br />

gegen sie, die schreien<strong>de</strong> Logik daraus, mussten sie mit allen möglichen<br />

Mitteln bekämpfen. <strong>Der</strong> RA von Helmut in Vaduz entpuppte sich als<br />

sehr skrupellos (Er vertrat ihn auch im Strafprozess). Ich, auf meiner<br />

Seite mit RA Hirn, sah <strong>de</strong>r Sache sehr zuversichtlich entgegen.<br />

Vermutlich haben auch einige meiner Leser, die schon mal zum Gericht<br />

"springen" mussten, selber – wie ich – entrüstet erleben müssen, dass<br />

124


Recht haben und Recht bekommen zwei fundamental verschie<strong>de</strong>ne<br />

Dinge sind.<br />

Wie im Delirium schwankte ich einerseits zwischen <strong>de</strong>r nackten Furcht,<br />

meine Folterer persönlich und leibhaftig wie<strong>de</strong>r zu sehen und <strong>de</strong>n<br />

daraus unbeschreiblichen Konsequenzen für mich und an<strong>de</strong>rerseits <strong>de</strong>r<br />

euphorischen Freu<strong>de</strong> darüber, dass dies die Gelegenheit sein wür<strong>de</strong>, bei<br />

<strong>de</strong>r die STA endlich Helmut und seine Frau in die Mangel nehmen<br />

konnte. Nach zwei Tagessatzungen (nur in Anwesenheit <strong>de</strong>r<br />

Rechtsanwälte) im Februar und Mai 2000 wur<strong>de</strong> die Hauptverhandlung<br />

<strong>de</strong>r Zivilsache auf <strong>de</strong>n 20. Juni 2000 festgesetzt. <strong>Der</strong> RA von Helmut<br />

hatte die Information über das mögliche Erscheinen <strong>de</strong>s Ehepaares bis<br />

zur allerletzten Minute zurückbehalten. Ein Erscheinen von Helmut<br />

(o<strong>de</strong>r auch mir selber) war von Gesetztes wegen nicht zwingend<br />

erfor<strong>de</strong>rlich, ich aber wollte unbedingt persönlich dort anwesend sein<br />

und mich nicht nur durch meinen RA vertreten lassen.<br />

Je näher <strong>de</strong>r Termin kam, umso aufgewühlter wur<strong>de</strong> ich. Nicht wegen<br />

<strong>de</strong>m Inhalt <strong>de</strong>s Zivilprozesses, da waren wir, mein RA und ich, uns zu<br />

1000 Prozent bombensicher, dass Helmut (als Kläger) diesen Prozess<br />

hochgradig verlieren wür<strong>de</strong>.<br />

Man muss es sich vorstellen: Es wür<strong>de</strong> das ERSTE Aufeinan<strong>de</strong>rtreffen<br />

von uns bei<strong>de</strong>n seit Argentinien sein. Mein monumental aufgestauter<br />

Hass auf meine Peiniger, mit <strong>de</strong>m ich seit April 1997 alleine leben<br />

musste, wür<strong>de</strong> auf seine Quelle treffen. Eben die Bei<strong>de</strong>n. Nicht dass ich<br />

die Mittäterschaft von Mariano & Co. vergessen hatte. Ich habe <strong>de</strong>r STA<br />

und <strong>de</strong>m UR über die Möglichkeit von Helmuts Erscheinen geschrieben<br />

und verlangt, dass sie eine Neuvernehmung von Helmut wegen seiner<br />

unzähligen Wi<strong>de</strong>rsprüche durchführten und ausser<strong>de</strong>m eine<br />

Erstvernehmung seiner Frau, <strong>de</strong>r Täterin Salud. Auch habe ich gebeten,<br />

dass die STA bitte eine Verhaftung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n wegen "Fluchtgefahr<br />

und/o<strong>de</strong>r Verdunkelung" wirklich, wirklich in Betracht ziehen sollte.<br />

<strong>Der</strong> Zivilprozess wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Landrichter Dr. Uwe Oehri zugewiesen. Ich<br />

kannte ihn nicht persönlich. Mein RA aber schon. LR Oehri ist ungefähr<br />

in meinem Alter. ER war im Land "berühmt", lei<strong>de</strong>r nicht dank<br />

"gerechter Urteile" – eher wegen <strong>de</strong>s Gegenteils: Es lagen schon damals<br />

einige Beschwer<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r Justiz über ihn vor. Es sei sehr parteiisch und<br />

seine richterliche Würdigung vorgebrachter Beweise oft abstrus. <strong>Die</strong>s<br />

kümmerte mich nicht gross, <strong>de</strong>nn ich hatte da keine Be<strong>de</strong>nken.<br />

Ich hatte viele unruhige Nächte vor <strong>de</strong>m wichtigen Termin. Ich hatte<br />

solche Angst. Angst vor mir selber! Angst, ich könnte mich nicht<br />

125


eherrschen und wür<strong>de</strong> etwas Dummes tun, wenn ich die Folterer sehen<br />

wür<strong>de</strong>. Man konnte ja nicht feststellen, ich konnte ja nicht feststellen,<br />

dass ich das ganze Thema "Folter in Argentinien" mit <strong>de</strong>r Zeit hätte<br />

verarbeiten können. Nein, je<strong>de</strong>n Tag seit April 1997, je<strong>de</strong>s mal wenn ich<br />

aufstehe, sehe ich die vielen Narben und <strong>de</strong>nke an das furchtbar<br />

Erlittene. Ich entschied mich <strong>de</strong>m Gericht einen Brief zu schreiben, um<br />

auf diese ausseror<strong>de</strong>ntlichen Umstän<strong>de</strong> hinzuweisen. Zuerst wollte ich<br />

<strong>de</strong>m LR Oehri, als Einzelrichter in dieser Sache, schreiben. Nach<br />

Absprache mit meinem RA, kam ich zum Schluss, dass es nicht<br />

angebracht wäre, wenn ich als Beklagter <strong>de</strong>m zugeteilten Richter direkt<br />

anschreiben wür<strong>de</strong>. So richtete ich <strong>de</strong>n Brief an Dr. B. Marxer, <strong>de</strong>n<br />

Lan<strong>de</strong>sgerichtspräsi<strong>de</strong>nten. Er war mit <strong>de</strong>m 101er Fall vertraut, da sich<br />

dieser aussergewöhnliche Fall im kleinen Liechtenstein, vor allem in<br />

Justizkreisen schon lange herumgesprochen hatte. Ich schil<strong>de</strong>rte meine<br />

Ängste vor einem Zusammentreffen und dass ich einfach ausserstan<strong>de</strong><br />

sei, zu garantieren, dass ich nicht ausflippe. Daher hatte ich ihn um die<br />

Anordnung von Vorsichtsmassnahmen (z.B. Polizei o<strong>de</strong>r<br />

Schutzpersonal) gebeten. Er bedankte sich für mein Schreiben per<br />

Telefon und sagte, dass er alles tun wer<strong>de</strong>, um eine mögliche<br />

Konfrontation zu entschärfen, bzw. meinen Stress zu mil<strong>de</strong>rn.<br />

Was habe ich mir in <strong>de</strong>n Tagen vor <strong>de</strong>m grossen Tag alles ausgedacht.<br />

Ich wusste, ich musste mich beherrschen. Ich wollte keine<br />

Gesetzwidrigkeit machen und auch nichts, was <strong>de</strong>n Bemühungen <strong>de</strong>r<br />

STA o<strong>de</strong>r UR im 101er zuwi<strong>de</strong>rlaufen wür<strong>de</strong>. Ich wusste, ich durfte<br />

unter keinen Umstän<strong>de</strong>n "Hand an Helmut o<strong>de</strong>r seiner Frau legen".<br />

Zuerst dachte ich mir eine raffinierte Falle für Helmut aus. Nein, keine<br />

fliegen<strong>de</strong>n Kugeln. Mit Hilfe <strong>de</strong>s katholischen Pfarrers von Vaduz wollte<br />

ich ihn während einer Sitzung mit <strong>de</strong>m Pfarrer in ein heimlich<br />

aufgezeichnetes Schuldgeständnis locken. Wobei ich zum Schein auf ein<br />

fiktives "Versöhnungsangebot" eingehen wür<strong>de</strong>. So verzweifelt war ich,<br />

ihn zur Strecke zu bringen. Ich verwarf diesen Plan, weil mir bewusst<br />

wur<strong>de</strong>, dass ich aus Zorn mich nicht hätte beherrschen können. Und<br />

zu<strong>de</strong>m Helmut ein ganz gerissener Delinquent ist. Dann hatte ich die<br />

I<strong>de</strong>e mit <strong>de</strong>m Blut. Blut, das ich ohne Probleme vom "Onkel Herbert"<br />

(<strong>de</strong>r Besitzer <strong>de</strong>r Malbuner Spezialitäten) hätte organisieren könnte. Ich<br />

ging sogar so weit, dass ich bei einer Jurastu<strong>de</strong>ntin, die beim LG Vaduz<br />

das Praktikum absolvierte, nachfragte, ob ein Kübel davon, gemäss StGB<br />

eine grobe Tat wäre. Sie konnte mir keine klären<strong>de</strong> Antwort geben. Ich<br />

126


malte mir das Bild aus, wo ich vor <strong>de</strong>m Gerichtsgebäu<strong>de</strong> auf die Folterer<br />

lauerte und ihnen dort einen Kübel voll warmem Schweineblut ins<br />

Gesicht schleu<strong>de</strong>rte. O<strong>de</strong>r ein an<strong>de</strong>rer Traum: Ich stopfe die stark<br />

blutverschmierten kurzen blauen Jeanshosen <strong>de</strong>n Zwei in <strong>de</strong>n Hals, bis<br />

nichts mehr davon ersichtlich ist. Ein Traum! Es ist jene Hose, die ich im<br />

Kerker anhatte und seit <strong>de</strong>m Umzug ins Eckzimmer auf <strong>de</strong>r Farm in<br />

meiner Tasche ausgetrocknet aufbewahrte. Nach Ankunft in<br />

Liechtenstein habe ich sie in einen Plastiksack <strong>de</strong>r COOP La<strong>de</strong>nkette<br />

ungewaschen umgepackt und mit Klebeband luftdicht verschlossen. Es<br />

ist, wie meine Narben, ein Symbol für meine Gefangenschaft und das<br />

Erlittene. Ja, und ich habe sie heute noch, fast 12 Jahre später, bei mir,<br />

verstaut tief unten in einer Box. Nie mehr geöffnet seit April 1997. Wer<br />

weiss, eines Tages kann ich sie doch noch <strong>de</strong>n Tätern "zum Frass<br />

vorlegen".<br />

Also, zurück zum Showdown beim LG Vaduz. Ich war überpünktlich<br />

vor Ort und wartete draussen auf meinen RA. Helmuts RA kam kurz<br />

darauf und dann< er und sie, arm in arm. Mein Herz drohte zu<br />

explodieren und ich konnte nicht mehr atmen. Mein RA versuchte so gut<br />

es ihm gelang, mich abzulenken. Wie noch nie im Leben beherrschte ich<br />

mich. Ständig dachte und sagte ich zu mir: "Warte ab Heinrich, die STA<br />

wird bald in Aktion treten, du wirst <strong>de</strong>ine Gerechtigkeit erhalten". Das<br />

ging gut, bis Frau Salut einen bissigen Spruch losliess, aber erst dann, als<br />

sie sicher war, dass es niemand ausser uns hören wür<strong>de</strong> und zu<strong>de</strong>m<br />

sprach sie natürlich auf Spanisch: "Wir hätten dich gleich im Kerker<br />

umlegen sollen". Ich antwortete auf Spanisch: "Du Hure". Und sie<br />

spuckte mich 3 Mal an, wobei sie kein einziges Mal traf, da ich mit<br />

raschen Kopfbewegungen <strong>de</strong>r Spucke ausweichen konnte.<br />

<strong>Die</strong> Sicherheitslösung <strong>de</strong>s Gerichtspräsi<strong>de</strong>nten bestand aus zwei<br />

Lan<strong>de</strong>spolizisten, uniformiert und normal bewaffnet. Ich sah sie vor <strong>de</strong>m<br />

Gerichtssaal im Gang stehen. Ich kannte sie flüchtig, wir sind ja ein<br />

kleines Land. Ich war felsenfest überzeugt, dass nun endlich die STA die<br />

Hän<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>m Sack genommen hatte und eine Verhaftung <strong>de</strong>r Bei<strong>de</strong>n<br />

nach <strong>de</strong>r Verhandlung angeordnet hatte. Ich und mein RA sassen am<br />

grossen U-förmigen Tisch gegenüber von Helmut und seinem RA. <strong>Der</strong><br />

Richter mit Sekretärin zwischen uns allen, rechts von mir. <strong>Die</strong> Bei<strong>de</strong>n<br />

Polizisten hinter Helmut. Zu unserem Erstaunen, erlaubte es <strong>de</strong>r LR<br />

Oehri <strong>de</strong>r Frau von Helmut in <strong>de</strong>n Saal zu kommen und ca. drei Meter<br />

127


von mir, an <strong>de</strong>r Wand, mit Gesicht zum Richter, Platz zunehmen.<br />

Warum? Sie war ja nicht die Klägerin son<strong>de</strong>rn eine Zeugin von Helmut.<br />

Zeugen wer<strong>de</strong>n nur dann in <strong>de</strong>n Saal gerufen, wenn <strong>de</strong>ren Aussage dran<br />

ist. Aber nein, <strong>de</strong>r LR Oehri, obwohl er ja über diese ausseror<strong>de</strong>ntlichen ,<br />

vermutlich ganz seltene Konstellation, in <strong>de</strong>r ich mich mit <strong>de</strong>n "Klägern"<br />

befand, Bescheid wusste, erlaubt es ihr, die ganze Zeit im Saal präsent zu<br />

sein. LR Oehri, trotz Proteste seitens meines RA, erlaubte es sogar, dass<br />

Helmut, wenn er sich in seiner Aussage gera<strong>de</strong> wi<strong>de</strong>rsprochen hatte, auf<br />

Spanisch bei seiner Frau nachfragen konnte, wie es "<strong>de</strong>nn genau"<br />

gewesen war und er dann – auf Deutsch – die "korrigierte" Antwort <strong>de</strong>m<br />

LR gab.<br />

Es war grausam! Dir Frau von Helmut versuchte mich aus <strong>de</strong>r Fassung<br />

zu bringen, in<strong>de</strong>m sie mich wie eine Irre ständig anstarrte. <strong>Der</strong> LR Oehri<br />

hat meinen Antrag auf Zuziehung <strong>de</strong>r Gerichtsunterlagen <strong>de</strong>s<br />

Argentinienfall (101er) nur sehr wi<strong>de</strong>rwillig, und mit massiver<br />

Verzögerung beantwortet. Er war an einer Vollzulassung nicht<br />

interessiert. Obwohl ja <strong>de</strong>r Zivilprozess nur daraus resultierte, dass die<br />

Erpressung von Helmut (zumin<strong>de</strong>st) finanziell keinen Erfolg hatte. <strong>Der</strong><br />

LR war zum Schrecken von mir und meinem Rechtsanwalts seit<br />

Prozessbeginn sehr auf Seiten von Helmut; er wollte meine Beweise und<br />

Argumentation in <strong>de</strong>r Verhandlung nie fertig anhören und unterbrach<br />

ständig meinen RA und auch mich, als ich meine Antworten auf seine<br />

Fragen und die <strong>de</strong>s RA von Helmut gab. Auch wur<strong>de</strong>n praktisch alle<br />

meine Anträge auf Beweisaufnahme von ihm abgelehnt. In einem<br />

Liechtensteiner Zivilprozess ist ein Einzelrichter wie Oehri praktisch<br />

narrenfrei, was er als Beweise "würdigen" möchte o<strong>de</strong>r eben nicht. Für<br />

mich war die Anwesenheit <strong>de</strong>r Folterer unerträglich.<br />

Mir wur<strong>de</strong> sehr heiss und ich bekam von <strong>de</strong>m Gesprochenen schnell<br />

nicht mehr viel mit. Mein Anwalt machte sich grosse Sorgen. Den LR<br />

Oehri interessierte das einen feuchten Scheissdreck. Er genoss es<br />

augenscheinlich die ganze Tragödie, die sich vor seinen Augen abspielte.<br />

Ich brachte fast kein Wort aus mir heraus – und das will was heissen!<br />

Nach mehreren Stun<strong>de</strong>n war die Tortur vorüber. Ich musste mich so<br />

brutal unter Kontrolle halten. Ich wartete auf das, was jetzt geschehen<br />

wird. Ich merkte schon, dass das Verbrecherehepaar wegen <strong>de</strong>r zwei<br />

Polizisten stark irritiert war. Sie fragten sich auf Spanisch, warum die<br />

Polizisten hier seien. Ich hoffte so sehr, dass jetzt die STA im<br />

Gerichtskorridor auftauchen wür<strong>de</strong> und <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st<br />

Helmut, einen Haftbefehl unter die Nase reiben wür<strong>de</strong>, um ihn<br />

128


anschliessend abzuführen. Aber nichts geschah, auch mein Anwalt<br />

staunte darüber, dass bei<strong>de</strong> einfach so aus <strong>de</strong>m Gebäu<strong>de</strong> laufen konnten,<br />

ohne dass irgendjemand sie anhielt, geschweige <strong>de</strong>nn ansprach. Ich<br />

steigerte mich in einen Wutanfall hinein und mein RA hatte wirklich<br />

Mühe mich zu beruhigen. Wir wer<strong>de</strong>n ja später im Akt lesen können, ob<br />

die STA sie zur Einvernahme vorgela<strong>de</strong>n hat, sagte er mir. Am selben<br />

Tag habe ich herausgefun<strong>de</strong>n, dass sie nicht in Liechtenstein, ja nicht<br />

einmal in <strong>de</strong>r nahen Schweiz übernachtet hatten. Sie hatten Angst (vor<br />

einer Verhaftung o<strong>de</strong>r Ähnlichem) und hatten sich ein Hotel in<br />

Feldkirch, in Österreich gebucht.<br />

Bevor ich selber abklären konnte, ob die STA nun endlich die<br />

erfor<strong>de</strong>rliche Neu- bzw. Ersteinvernahmen <strong>de</strong>r Täter vollbracht hatte,<br />

kontaktierte mich die STA via Telefon. Man konnte keine Einvernahme<br />

"organisieren", aber sie wür<strong>de</strong>n dies zuverlässig nachholen. Ich verstand<br />

nichts mehr. Auf meinen Verweis hin, dass, wenn Helmut von <strong>de</strong>r ihm ja<br />

bald zu präsentieren<strong>de</strong>n Anklage <strong>de</strong>r STA wegen Argentinien erfahren<br />

wür<strong>de</strong>, er nie wie<strong>de</strong>r in Liechtenstein auftauchen wür<strong>de</strong>, sagte man mir,<br />

dass die STA dann eben einen internationalen Haftbefehle gegen ihn<br />

ausstellen wür<strong>de</strong> und die Auslieferung beantragen wür<strong>de</strong>. Das ergibt<br />

doch keinen Sinn, wi<strong>de</strong>rsprach ich. <strong>Der</strong>en Antwort: Lassen Sie uns<br />

unsere Arbeit so machen, wie wir es für richtig halten.<br />

Es kam zur zweiten Verhandlung am 19.10.2000 und später auch einer<br />

Streitverhandlung im April 2001, immer noch vor <strong>de</strong>m LR Oehri. Und<br />

je<strong>de</strong>s Mal haben Helmut und seine Frau mich mit bissigen<br />

Randbemerkungen zur Weissglut gebracht. Ich habe nach aussen hin<br />

nicht mehr darauf reagiert. Ich musste still sitzen, obwohl ich auf<br />

glühen<strong>de</strong>n Kohlen sass.<br />

Vor je<strong>de</strong>r Verhandlung informierte ich wie<strong>de</strong>rum schriftlich die STA<br />

und <strong>de</strong>n UR und hatte abermals gebeten, die Gelegenheit zu nutzten,<br />

endlich aktiv zu wer<strong>de</strong>n und eine Überführung <strong>de</strong>r Täter in<br />

Untersuchungshaft anordnen. Da ansonsten bei<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r ins Ausland<br />

verschwin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>ren Auslieferung langwierig und komplex<br />

sein wür<strong>de</strong>. Alle Beteiligten merkten sofort, dass die persönliche<br />

Anwesenheit meiner Foltere während <strong>de</strong>r Gerichtsverhandlungen mich<br />

absolut starr und aktionslos machte. LR Oehri brachte es ausser<strong>de</strong>m<br />

fertig, dass eine <strong>de</strong>r längsten Verhandlungen sogar ohne meinen RA<br />

stattfin<strong>de</strong>n konnte. Er hatte seine Amtsgewalt geschickt genutzt, um<br />

129


mittels Paragraphenreiterei und Ausnutzung von Fristen, buchstäblich<br />

eine Minute vor Verhandlungsbeginn zu verhin<strong>de</strong>rn, dass mein RA<br />

teilhaben konnte (<strong>de</strong>r Grund dafür war, weil ich bei Gericht um<br />

Verfahrenshilfe - Uebernahme <strong>de</strong>r Anwaltskosten - gebeten hatte, da<br />

meine eigenen Mitteln zu En<strong>de</strong> gingen). Bei dieser Verhandlung brachte<br />

Helmut sogar einen (gekauften) Zeugen aus Spanien mit. <strong>Die</strong>ser<br />

bestätigte übereifrig alle Angaben <strong>de</strong>s Klägers. <strong>Die</strong>se waren komplett<br />

diametral zu <strong>de</strong>m was im öffentlich-rechtlichen (!) Notarvertrag über<br />

<strong>de</strong>n Wohnungskauf stand. LR Oehri nickte nur eifrig in Richtung Kläger.<br />

Ich, ohne Rechtsbeistand, war ausserstan<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Zeugen richtig zu<br />

befragen. Man muss sich das mal vorstellen: Ohne Übertreibung kann<br />

ich wirklich sagen, dass es ganz, ganz ausseror<strong>de</strong>ntliche Umstän<strong>de</strong> bei<br />

diesem Zivilprozess waren und LR Oehri, <strong>de</strong>r mich schon bisher im<br />

Verfahren ständig genötigt bzw. ge<strong>de</strong>mütigt hatte, je<strong>de</strong>s Mal die Sache<br />

noch ein Stück schlimmer machen konnte. Ich konnte meine Gedanken<br />

nicht auf das Wichtige konzentrieren. Eigentlich konnte ich mich auf<br />

nichts konzentrieren, weil ich fortwährend an Argentinien <strong>de</strong>nken<br />

musste, weil ständig die zwei verdammten Folterer zwei, drei vor<br />

meiner Nase sassen. Und dann war ich noch alleine, ohne mein Anwalt<br />

im Saal. Verflucht noch mal, wie<strong>de</strong>r hatte <strong>de</strong>r LR Oehri es zugelassen,<br />

dass die Frau von Helmut, eine "Zeugin", ständig im Gerichtsaal präsent<br />

sein konnte. Warum hat er dies erlaubt? Eine Zeugin im Verfahren hat<br />

absolut nichts im Saal zu suchen, solange sie nicht selber dran ist mit <strong>de</strong>r<br />

Aussage. Das ist doch fundamentalstes Zeug je<strong>de</strong>r Gerichtsverhandlung.<br />

Ich bin mir ganz sicher, dass <strong>de</strong>r LR Oehri dies zugelassen hatte, nicht<br />

nur um <strong>de</strong>m Kläger einen Vorteil zu geben, weil seine Zeugin ja <strong>de</strong>n<br />

ganzen Prozess hautnah mitbekommen hatte und dadurch ihre eigenen<br />

Aussagen <strong>de</strong>mentsprechend hätte mo<strong>de</strong>llieren können. Er hatte dies<br />

bewusst so gewollt, sodass ich <strong>de</strong>swegen noch mehr in Wut gerate. Um<br />

mich zu plagen! Was hatte ich <strong>de</strong>m Oehri angetan? Nichts! Ich habe mich<br />

so, so stark zusammengerissen, eine Minute länger und ich hätte mir alle<br />

Knochen meiner eigenen Hand gebrochen, so fest hatte ich meine Hän<strong>de</strong><br />

zusammengepresst.<br />

Des Weiteren wur<strong>de</strong> von Helmuts RA angekündigt, dass eine Schweizer<br />

Treuhän<strong>de</strong>rin, Frau Rita Hauser aus Rorschach am Bo<strong>de</strong>nsee, als Zeugin<br />

für Helmut zur Verfügung stehen wür<strong>de</strong>. Wie bitte? <strong>Die</strong> Erwähnung<br />

ihres Namens dürfte bei vielen ihrer ehemaligen über 1000 <strong>de</strong>utschen<br />

Kun<strong>de</strong>n, vor allem jenen aus <strong>de</strong>m süd<strong>de</strong>utschen Raum, noch heute einen<br />

Wutausbruch und Nervenzusammenbruch auslösen und die Haare<br />

130


(sofern sie noch welche haben) "wie elektrisch gela<strong>de</strong>n" zu Berge stehen<br />

lassen. Ausgerechnet sie! Frau Rita Hauser war seit Mitte <strong>de</strong>r 90er in<br />

einen grossen Anlage-Betrugsskandal verwickelt und von <strong>de</strong>r Schweizer<br />

Justiz seit 1994 strafrechtlich verfolgt. Sie soll ihre Kun<strong>de</strong>n um über 70<br />

Millionen CHF betrogen haben. <strong>Die</strong> Print- und Internetmedien<br />

berichteten ausführlich darüber. Ich kannte sie nicht. Helmut erzählte<br />

mir aber im Jahre 1996 (<strong>de</strong>m Jahr <strong>de</strong>s Wohnungskaufs), dass er eine Art<br />

langjähriger Geschäftspartner <strong>de</strong>r Treuhän<strong>de</strong>rin Hauser ist, o<strong>de</strong>r<br />

gewesen war. <strong>Die</strong> bei<strong>de</strong>n hatten sich zwar zerstritten, machten nun aber<br />

wie<strong>de</strong>r Geschäfte zusammen. Er wollte ursprünglich, dass ich einen Teil<br />

<strong>de</strong>s Kaufpreises für die Wohnung an sie ausbezahle, da sie ihm als<br />

Gegenleistung für frisches Geld (für ihren angeblichen juristischen<br />

Kampf gegen eine US-Bank in Lugano) eine hohe, fette Geldsumme<br />

versprochen hatte. Nach einem Telefongespräch mit ihr im Jahr 1996,<br />

kam mir ihre Geschichte sehr, sehr anrüchig vor. Nach weiteren<br />

Abklärungen in Schweizer Bankenkreisen, annullierte ich, fast zu spät,<br />

eine mögliche Zahlung an sie. Als ich erfuhr, dass sie Helmut als Zeugin<br />

für Vaduz "helfen" sollte, habe ich für das LG Vaduz ein Schreiben<br />

aufgesetzt und öffentlich bekannte Dokumente beigelegt. Darin warnte<br />

ich LR Oehri vor <strong>de</strong>r äusserst zweifelhaften Zuverlässigkeit einer<br />

möglichen Aussage seitens <strong>de</strong>r Treuhän<strong>de</strong>rin Hauser. Offenbar hatte<br />

Helmut sie "in <strong>de</strong>r Hand", er musste etwas aus ihren vergangenen<br />

gemeinsamen Geschäften wissen, dass ihr – wenn es publik gemacht<br />

wür<strong>de</strong> – sehr scha<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>.<br />

Interessanterweise traute sie sich selber nicht nach Vaduz zur<br />

Zeugenaussage. Obwohl es nur ein paar KM zwischen Rorschach und<br />

Vaduz sind. Sie liess sich nur schriftlich per Rechtshilfegesuch aus<br />

Liechtenstein an die Schweiz mit Hilfe eines Richters in Rorschach zur<br />

protokollierten Aussage bewegen. <strong>Der</strong> Grund dafür lag darin, dass sie<br />

befürchtete, in Liechtenstein, verhaftet und nach Deutschland<br />

ausgeliefert zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Ihre Zeugenaussage wur<strong>de</strong> vom LR Oehri mit Jubel in <strong>de</strong>n Zivilprozess<br />

assimiliert und er merkte nicht einmal, dass sie ein<strong>de</strong>utig über Dinge<br />

berichte, die sie gar nicht wissen konnte. Erst im erzürnten Streit um ihre<br />

Person als Zeugin, hatte sich Helmut verplappert und bestätigt, dass er<br />

ein o<strong>de</strong>r mehrere Tage vor ihrer terminierten Aussage beim Gericht in<br />

<strong>de</strong>r Schweiz extra von Spanien zu ihr nach Hause gereist sei und sie<br />

genau instruiert habe. <strong>Die</strong>s hatte <strong>de</strong>n LR Oehri aber gar nicht gestört. Er<br />

verletzte meine Rechte im Verfahren mehrmals. Meine Einwän<strong>de</strong> gegen<br />

131


die Glaubwürdigkeit dieser Treuhän<strong>de</strong>rin wur<strong>de</strong>n erst gar nicht vom LR<br />

Oehri zu Kenntnis genommen. Wie Recht ich aber hatte, zeigte sich<br />

später, als Frau Hauser in <strong>de</strong>r Schweiz angeklagt wur<strong>de</strong> und die STA 10<br />

Jahre (!) Haft verlangte. Im Januar 2006 wur<strong>de</strong> sie mit medialer<br />

Begleitung dann wegen gewerbemässigen Betrugs und Geldwäscherei<br />

zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Punkt.<br />

Wie<strong>de</strong>r schlief die STA. Keine Verhaftung! Keine Einvernahme!<br />

Nichts. Aber <strong>de</strong>nnoch die Aussage mir gegenüber, dass sie hart an <strong>de</strong>r<br />

Arbeit sind. Wie<strong>de</strong>r, wie<strong>de</strong>r und wie<strong>de</strong>r


Kapitel 5 <strong>Die</strong> Welt <strong>de</strong>s schmutzigen Gel<strong>de</strong>s<br />

Nun zurück in meine an<strong>de</strong>re Weltordnung. Trotz <strong>de</strong>r sich Jahr für Jahr<br />

anhäufen<strong>de</strong>n starken psychologischen Schläge für mich und <strong>de</strong>n einigen<br />

nur mit <strong>de</strong>m Kampf für die Gerechtigkeit ausgefüllten Jahren, wur<strong>de</strong> es<br />

Zeit, dass ich mich langsam aber sicher wie<strong>de</strong>r in die normale Welt<br />

begebe, eine Welt bestehend aus guter Arbeit, liebe Freun<strong>de</strong> und<br />

sinnvolle Freizeit !<br />

<strong>Der</strong> Zufall wollte es, dass im Herbst 2000 die LGT Treuhand (die<br />

Treuhandfirma <strong>de</strong>s <strong>Fürst</strong>enhauses), <strong>de</strong>r Arbeitgeber <strong>de</strong>rjenigen Person,<br />

die im selben Haus in Balzers wohnte wie ich, aus Vaduz dringend<br />

geschultes Personal für ein kurz zuvor fertig geplantes Projekt brauchte.<br />

Ich erinnere mich noch genau, wie die Person mir in <strong>de</strong>r Tiefgarage<br />

sagte: "Du solltest mal wie<strong>de</strong>r was Sinnreiches tun und nicht nur hier zu<br />

Hause herumhängen". <strong>Die</strong> Person wusste ja nichts von Argentinien und<br />

meinem Kampf. <strong>Die</strong> Person meinte auch, dass ich mit meiner<br />

diversifizierten Ausbildung und Beherrschung mehrerer Fremdsprachen<br />

i<strong>de</strong>al für das Projekt bei <strong>de</strong>r LGT Treuhand wäre.<br />

<strong>Die</strong> LGT Treuhand residierte im Städtle 18 und wenn ich mich nicht irre,<br />

war es das ehemalige alte Postgebäu<strong>de</strong> in Vaduz, gegenüber <strong>de</strong>m<br />

traditionellen Feinschmecker Restaurant <strong>de</strong>r Familie REAL. <strong>Die</strong> LGT<br />

Treuhand plante für <strong>de</strong>n Frühling 2001 einen Umzug in ein super<br />

mo<strong>de</strong>rnes Bürogebäu<strong>de</strong>, gleich neben <strong>de</strong>m Kunstmuseum Vaduz. Das<br />

neue Gebäu<strong>de</strong> – im Städtle 28 - gehört <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> Vaduz. Mit<br />

Ausnahme <strong>de</strong>s Erdgeschosses, wo diverse Lä<strong>de</strong>n einziehen sollten,<br />

waren alle oberen drei Stockwerke exklusive für die Treuhand reserviert.<br />

<strong>Die</strong> LGT zahlte <strong>de</strong>n fast 10 Millionen CHF teuren Innenausbau selber<br />

und hatte einen langjährigen Mietvertrag in <strong>de</strong>r Tasche. <strong>Der</strong> Ausbau<br />

beinhaltete sogar einen begehbaren Panzerschrank im dritten Stock<br />

sowie eine spezielle, von aussen nicht erkennbare Panzergarage, <strong>de</strong>ren<br />

Zufahrt sich in <strong>de</strong>r öffentlichen Parkebene <strong>de</strong>s ersten Untergeschoss<br />

(UG) befin<strong>de</strong>t. <strong>Die</strong> Parkebene zweites UG ist öffentlich und hat eine<br />

befahrbare Verbindung unter <strong>de</strong>m Kunstmuseum hindurch zur<br />

Parkgarage <strong>de</strong>r Vaduzer Post. Auf <strong>de</strong>m unterirdischen Weg dorthin<br />

kann man praktischerweise auch in die Gebäu<strong>de</strong> und Büros <strong>de</strong>r<br />

Staatsanwaltschaft, (später auch zu) <strong>de</strong>r FMA und FIU gelangen; die<br />

Wege in Vaduz sind eben auch "Strassen-Parkmässig" sehr kurz. <strong>Die</strong><br />

133


Verbindung zwischen <strong>de</strong>n Parkgaragen <strong>de</strong>r Post und <strong>de</strong>r LGT ist auf<br />

Betreiben <strong>de</strong>r LGT bautechnisch geöffnet, bzw. angeordnet wor<strong>de</strong>n.<br />

Dadurch können jene Kun<strong>de</strong>n, die sich noch mit <strong>de</strong>m eigenen Auto nach<br />

Vaduz trauen, via Tiefgarageneinfahrt bei <strong>de</strong>r Post ungesehen bis zur<br />

LGT heranfahren. Eine weitere Beson<strong>de</strong>rheit: die diversen ver<strong>de</strong>ckten<br />

Eingänge zur Treuhand. Kein Kun<strong>de</strong> setzt seinen Fuss via <strong>de</strong>n<br />

Haupteingang auf Ebene Grundgeschoss (Schlossseitig) in die Treuhand,<br />

dort wo das grosse Schild "LGT Treuhand" hängt. Man will damit nicht<br />

in Verbindung gebracht o<strong>de</strong>r davor gesehen wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Kun<strong>de</strong>n<br />

kennen die diversen Türen, z.B. die Türe fast noch in <strong>de</strong>r Kurve <strong>de</strong>r<br />

Tiefgarageneinfahrt zwischen <strong>de</strong>m 1. UG und <strong>de</strong>m 2. UG. Verrückt und<br />

Genial! Wer plant und baut schon eine Türe in <strong>de</strong>r Kurve einer<br />

Tiefgarageneinfahrt. Ich persönlich fand die Panzergarage im James-<br />

Bond-Stiel sehr aufregend. Was braucht eine Treuhand eine<br />

Panzergarage? Eine Bank: ja, logisch! Man darf aber diejenigen<br />

Treuhandkun<strong>de</strong>n nicht vergessen, die ihre dicke Kohle in BAR im<br />

eigenen Auto o<strong>de</strong>r im Mietwagen nach Vaduz kutschieren. Kurz vor <strong>de</strong>r<br />

Ankunft beim LGT Treuhand Gebäu<strong>de</strong> nehmen sie Kontakt mit ihrem<br />

Kun<strong>de</strong>nbetreuer auf, dann fahren sie in die normale, öffentliche<br />

Tiefgarage (1. UG.), um dann rechts vom öffentlichen Lift/Treppe durch<br />

das von Geisterhand automatisch geöffnete Panzertor hinein auf <strong>de</strong>n<br />

Abstellplatz zu fahren. <strong>Der</strong> Kun<strong>de</strong> sollte im Wagen eingeschlossen sitzen<br />

bleiben, bis das Tor, mittels einer verstecken Kamera immer kontrollier-<br />

und steuerbar, hinter ihm wie<strong>de</strong>r vollständig geschlossen war. Erst dann<br />

konnte man intern die an<strong>de</strong>re kleinere Panzertüre, die in das<br />

Bürogebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Treuhand führt, elektronisch entriegeln.<br />

<strong>Der</strong> neue Chef <strong>de</strong>r Treuhand, Dr. Nicola Feuerstein hatte eine<br />

fortschrittliche Vision "vom Papierlosen Büro", <strong>de</strong>m so genannten "e-<br />

Doc"-Projekt. Er wollte ein mo<strong>de</strong>rnes Arbeitsumfeld für alle damals ca.<br />

80 ständigen MitarbeiterInnen schaffen. <strong>Die</strong> beinhaltete wegen <strong>de</strong>r<br />

begrenzten Aufbewahrungskapazität im neuen Gebäu<strong>de</strong> (im Städtle 28)<br />

in <strong>de</strong>r Zukunft so wenig Akten und Dokumente wie möglich in <strong>de</strong>n<br />

Schränken <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>nbetreuern o<strong>de</strong>r SachbearbeiterInnen liegen zu<br />

haben. Das Angebot von XEROX Schweiz AG bekam <strong>de</strong>n Zuschlag.<br />

<strong>Die</strong>se wie<strong>de</strong>rum engagierte einen Subunternehmer aus Chur im<br />

Bündnerland, die Firma CONNEX AG. <strong>Die</strong> Connex AG hatte sich gute<br />

Fertigkeiten mit <strong>de</strong>r Digitalisierung von Bankkun<strong>de</strong>ndaten (u.a. <strong>de</strong>r CS<br />

o<strong>de</strong>r UBS in Zürich, so erinnere ich mich) angeeignet und war für <strong>de</strong>n<br />

134


Auftrag bestens gerüstet, alle Dokumente <strong>de</strong>r aktiven und passiven<br />

Mandate <strong>de</strong>r LGT Treuhand einzuscannen und einem neu zu<br />

schaffen<strong>de</strong>n Treuhand spezifischen In<strong>de</strong>x (<strong>de</strong>m benannten<br />

Belegartenkatalog = BAK) zuzuordnen. <strong>Die</strong> XEROX lieferte die<br />

Maschinen und die Connex AG war für das Personal zuständig. <strong>Die</strong> zu<br />

verwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Software und Plattform war die DOCUWARE. Eine<br />

Dokumenten-Verwaltungs-<strong>Daten</strong>bank, die speziell für die<br />

Unterschiedlichkeit von Treuhandunterlagen (um-)programmiert<br />

wur<strong>de</strong>. Da das normale Kun<strong>de</strong>ntreuhandgeschäft weiterlaufen musste,<br />

konnte die LGT Treuhand nicht auf <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n Mitarbeiterpool für<br />

das Projekt zurückgreifen. Es mussten eigens rund 30 neue, fachkundige<br />

Mitarbeiter angeheuert wer<strong>de</strong>n. Alle potentiellen zukünftigen<br />

Teammitglie<strong>de</strong>r mussten sich einer strengen Sicherheitsprüfung seitens<br />

<strong>de</strong>r LGT Gruppe unterziehen: schliesslich ging es um hochgeheime und<br />

ultimative Kun<strong>de</strong>nunterlagen tausen<strong>de</strong>r Stiftungen, Anstalten und<br />

an<strong>de</strong>rer Gesellschaftsformen Liechtensteiner Briefkastenfirmen.<br />

Nach ein paar kurzen Telefonaten und Abklärungen sah ich eine<br />

hypothetische Möglichkeit mich bei <strong>de</strong>r LGT via <strong>de</strong>r CONNEX AG zu<br />

bewerben. Ich hatte noch nie eine Arbeitsstelle im Banken- o<strong>de</strong>r<br />

Treuhandsektor gehabt. Als ein aufgeweckter, immer mit offen Augen<br />

(und ich kann auch sagen "langen Ohren" – nicht zu verwechseln mit<br />

„langen Fingern‚) durchs Leben fliegen<strong>de</strong>r Liechtensteiner, waren mir<br />

aber die "Finessen" <strong>de</strong>s heimischen Finanzsektors absolut bekannt. Da<br />

meine 100-prozentige Konzentrationsfähigkeit in Argentinien gelitten<br />

hatte, war ich mir nicht sicher, ob ich die Erwartungen für einen solchen<br />

Job erfüllen konnte. <strong>Der</strong> Reiz für mich bei diesem Job lag daran,<br />

abgesehen vom einem "Bombenlohn", dass es die Möglichkeit zur<br />

Teilzeitarbeit (zwischen ca. 60-80 %) gab und es eine auf ca. drei bis vier<br />

Monate befristete Stelle war. Natürlich war da auch mein internationaler<br />

Haftbefehl aus Spanien, <strong>de</strong>r mir immer noch zu <strong>de</strong>nken gab. Obwohl ich<br />

es bis anhin in meinem Privatleben in Liechtenstein gut "verstecken"<br />

konnte, war mir ganz klar, dass wenn ich nicht offen mit <strong>de</strong>r LGT bin, sie<br />

es kurz nach meiner Anstellung sowie erfahren wür<strong>de</strong>. In Juristen- und<br />

Gerichtskreisen war mein Fall sehr präsent und oft diskutiert wor<strong>de</strong>n;<br />

auch kennt im kleinen Vaduz je<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>n....<br />

Ich kannte flüchtig mehrere Mitarbeiter, die bei <strong>de</strong>r LGT Treuhand<br />

arbeiten. Auch solche, die in <strong>de</strong>r treuhan<strong>de</strong>igenen Rechtsabteilung tätig<br />

waren. In <strong>de</strong>r zweiten Woche im Oktober 2000 habe ich einen Mitarbeiter<br />

135


jener Abteilung angerufen und um ein Treffen gebeten. Ich erwähnte,<br />

dass ich mich evt. für die Mitarbeit im laufen<strong>de</strong>n Projekt e-Doc /<br />

DOCUWARE bewerben möchte. Ich wur<strong>de</strong> gebeten doch am nächsten<br />

Tag in die Treuhand zu kommen.<br />

In einem Kun<strong>de</strong>nsitzungszimmer zeigte ich alle Unterlagen zu Spanien<br />

und Argentinien und erläuterte ohne Ausnahme <strong>de</strong>n Stand <strong>de</strong>r Dinge.<br />

Ich musste diese Unterlagen für drei Tage in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />

Rechtsabteilung lassen. Am vierten Tag wur<strong>de</strong> ich angerufen und<br />

gebeten wie<strong>de</strong>rum ins Büro zu kommen. Nach Prüfung und Durchsicht<br />

<strong>de</strong>r Faktenlage durch die Leitung <strong>de</strong>r Rechtsabteilung stelle <strong>de</strong>r<br />

internationale Haftbefehl kein Problem für sie dar, so wur<strong>de</strong> mir<br />

mitgeteilt. Sie erkannten - im Rahmen <strong>de</strong>s Möglichen - auch, dass die<br />

Anschuldigungen seitens <strong>de</strong>r Täter we<strong>de</strong>r Hand noch Fuss hatten. Sie<br />

baten mich nur, nieman<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Firma davon zu erzählen. Und sie<br />

mündlich auf <strong>de</strong>m Laufen<strong>de</strong>n zu halten, was ich dann stets tat.<br />

Ich erinnerte mich damals auch, dass seit <strong>de</strong>m Jahr 1999 in <strong>de</strong>n Medien<br />

(sporadisch in Liechtenstein und mehr in Deutschland) immer wie<strong>de</strong>r<br />

Berichte auftauchten, über die zwei (Schweizer?) Treuhän<strong>de</strong>r, die<br />

mitsamt Familien in Liechtenstein lebten und je einen internationalen<br />

Haftbefehl eines Berliner Gerichts (ich glaube es war vom Gericht<br />

Tiergarten o<strong>de</strong>r Tempelhof) am Hals hatten und Deutschland <strong>de</strong>ren<br />

Auslieferung von Liechtenstein verlangte. <strong>Die</strong> vorgeworfenen Taten<br />

lagen u.a. im Bereich <strong>de</strong>s (Steuer-)Betrugs und an<strong>de</strong>rer schwerer Delikte.<br />

<strong>Die</strong> Liechtensteiner Justiz entschied sich schlussendlich gegen eine<br />

Auslieferung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n nach Deutschland. Hauptsächlich, und dies war<br />

für Deutschland empörend, aus humanitären Grün<strong>de</strong>n. <strong>Der</strong> Oberste<br />

Gerichtshof in Vaduz konnte eine Trennung (im Falle einer<br />

Auslieferung) von ihren Familien (mit Schulpflichtigen Kin<strong>de</strong>rn) <strong>de</strong>n<br />

zwei gut in Liechtenstein integrierten Treuhän<strong>de</strong>rn NICHT zumuten.<br />

Während jener Zeit, und auch heute noch, sind die zwei bekannten<br />

Treuhän<strong>de</strong>r im Treuhandgeschäft in Liechtenstein tätig. Daher be<strong>de</strong>utete<br />

es für die Liechtensteiner Finanzwelt (incl. <strong>de</strong>r LGT) keine Aufregung,<br />

wenn gegen "Mitarbeiter" internationale Haftbefehle bestehen.<br />

<strong>Die</strong> LGT Treuhand hatte also eine Woche bevor ich dann am 16. Oktober<br />

2000 via Connex AG die Arbeitsstelle antrat, im Detail Kenntnis über<br />

meine "juristischen Angelegenheit". <strong>Die</strong> nun von Seiten Hans-Adams im<br />

Frühling 2008 geäusserte Behauptung, die LGT wusste "von nichts" –<br />

136


entspricht NICHT <strong>de</strong>r Wahrheit. Aber ich verstehe ihn, da er unbedingt<br />

die Realität verheimlichen möchte, nämlich, dass die LGT Leute in ihrer<br />

heiligsten aller heiligen Abteilungen einstellt, die einen Haftbefehl<br />

ausstehen haben.<br />

Wie alle neuen Mitarbeiter musste auch ich einen aktuellen<br />

Strafregisterauszug (ausgestellt vom LG Vaduz) vorlegen. <strong>Die</strong>ser war<br />

natürlich "Ohne Eintrag", da ich keine Vorstrafen hatte. We<strong>de</strong>r dort noch<br />

an<strong>de</strong>rswo!<br />

Schon mein erster Arbeitstag war sehr spannend und ich lernte <strong>de</strong>n<br />

Vertreter <strong>de</strong>r XEROX (Schweiz) AG und <strong>de</strong>n Boss <strong>de</strong>r Connex AG<br />

persönlich kennen. <strong>Der</strong> ursprüngliche Plan <strong>de</strong>r LGT Treuhand war, drei<br />

bis fünf grosse Schiffscontainer o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rgleichen teils auf <strong>de</strong>m<br />

firmeneigenen, teils auf <strong>de</strong>m Gemein<strong>de</strong>parkplatz hinter <strong>de</strong>m (alten)<br />

Bürogebäu<strong>de</strong> aufzustellen und jeweils mit Sicherheitspersonal zu<br />

bestücken. <strong>Die</strong> neuen Mitarbeiter, alle von ausserhalb, wür<strong>de</strong>n dann<br />

unter strenger Aufsicht die nötige und zeitrauben<strong>de</strong> Vorarbeit zum<br />

Scannen erledigen und dann die ganze Kun<strong>de</strong>nmappe jeweils in <strong>de</strong>n<br />

Container, wo die grossen Scanner stehen wür<strong>de</strong>n, tragen. Dass man<br />

überhaupt auf die Container kam, lag daran, dass alle Büros im alten<br />

Gebäu<strong>de</strong> ja schon vom bestehen<strong>de</strong>n Mitarbeiterstab belegt waren und<br />

einfach kein Platz für die bis zu 30 Personen, die für das e-Doc-Projekt<br />

nötig waren, vorhan<strong>de</strong>n war. Das heisst, es gab schon Platz, aber nur im<br />

verwinkelten Keller zweier (nur oberirdisch) miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>ner<br />

Gebäu<strong>de</strong>.<br />

<strong>Die</strong> I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r Container wur<strong>de</strong> schnell verworfen, hauptsächlich aus<br />

Sicherheitsgrün<strong>de</strong>n. Im Übrigen war die ganze I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s papierlosen<br />

Büros von Dr. Feuerstein nicht ganz unumstritten. Viele Kun<strong>de</strong>nberater<br />

waren zwar <strong>de</strong>r beabsichtigten neuen, mo<strong>de</strong>rneren Arbeitsweise nicht<br />

abgeneigt, vertraten aber die Meinung, man müsse die jeweiligen<br />

Kun<strong>de</strong>n (also die Begünstigten <strong>de</strong>r Stiftungen, Anstalten etc.) anfragen,<br />

ob sie einer Digitalisierung ihrer Kun<strong>de</strong>ndaten zustimmten. Rechtlich<br />

gesehen, gehören alle Dokumente (mit wenigen Ausnahmen wie z.B.<br />

interne Aktenvermerke) <strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n: die LGT Treuhand bewahrt sie<br />

nur für ihre Kun<strong>de</strong>n auf.<br />

Natürlich steht es <strong>de</strong>r LGT Treuhand frei, wie sie die internen<br />

Geschäftsabläufe organisiert. Vor allem unter <strong>de</strong>n älteren, langjährigen<br />

Kun<strong>de</strong>nbetreuern, wie z.B. bei Peter Meier herrschte die Meinung vor,<br />

dass die grosse Mehrheit ihrer Kun<strong>de</strong>n, wür<strong>de</strong> man sie <strong>de</strong>n fragen, einer<br />

137


Digitalisierung NICHT zustimmen wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>s vor allem aus Angst.<br />

Man erinnerte sich noch sehr gut an die Katastrophe resultierend aus<br />

<strong>de</strong>m CD-<strong><strong>Die</strong>b</strong>stahl im Treuhandbüro Dr. Dr. Batliner, welches nebenbei<br />

das erste Treuhandbüro in Liechtenstein war, dass die Kun<strong>de</strong>ndaten<br />

elektronisch, zentral auf CDs o<strong>de</strong>r DVDs speicherte.<br />

<strong>Die</strong> Leitung <strong>de</strong>r LGT Treuhand entschied sich, die Kun<strong>de</strong>n erst gar nicht<br />

zu fragen und teilte <strong>de</strong>m Rest <strong>de</strong>r noch besorgten Kun<strong>de</strong>nberater mit,<br />

dass sie entwe<strong>de</strong>r die neuen Metho<strong>de</strong>n akzeptieren o<strong>de</strong>r sich halt<br />

an<strong>de</strong>rweitig (nach Arbeit) umschauen müssten. Dazu muss man auch<br />

wissen, dass Dr. Feuerstein damals erst kürzlich zum Chef <strong>de</strong>r LGT<br />

Treuhand ernannt wur<strong>de</strong> und er von ausserhalb <strong>de</strong>r LGT Gruppe kam.<br />

Seine "neuen Wege" waren nicht nach je<strong>de</strong>rmanns Gusto.<br />

<strong>Der</strong> eigentliche Start war durch das Projektteam, bestehend aus <strong>de</strong>r<br />

Leitung <strong>de</strong>r Treuhand und externen Beratern, etwas zu hastig geplant<br />

und daher mit einigen Denkfehlern behaftet. <strong>Der</strong> Zeitfaktor spielte auch<br />

eine Rolle, da das ganze Projekt fertig sein musste, bevor die Treuhand<br />

im Frühling 2001 in das neue Gebäu<strong>de</strong> einziehen wür<strong>de</strong>. Darum blieb<br />

uns, <strong>de</strong>m e-Doc-TEAM, nichts an<strong>de</strong>rs übrig: wir richteten es uns in <strong>de</strong>n<br />

circa acht Kellerräumen, verteilt auf die zwei Gebäu<strong>de</strong>, so gut wie es<br />

eben ging ein.<br />

Wir waren eine bunt gemischte Truppe: Liechtensteiner, Schweizer und<br />

Österreicher <strong>de</strong>ren Unterschied in Ausbildungen, Alter, Engagement<br />

und Moralverstellung nicht grösser hätte sein können. Jeweils in einem<br />

eigenen Raum stan<strong>de</strong>n die zwei Monster-Scanner von XEROX. Immer<br />

zwei bis vier Mitarbeiter teilten sich einen Raum, <strong>de</strong>r extra dafür mit<br />

alten LGT Büromöbeln ausgestattet wur<strong>de</strong>.<br />

Schon kurz nach <strong>de</strong>m Start unserer Arbeit sollte sich <strong>de</strong>r Aufenthalt in<br />

<strong>de</strong>n Kellern (ich schätze mal gebaut in <strong>de</strong>n 60er Jahren o<strong>de</strong>r gar früher)<br />

für einige von uns gesundheitlich negativ auswirken. <strong>Die</strong> Wän<strong>de</strong> waren<br />

sehr feucht und <strong>de</strong>r über die Jahre angesetzte Staub in <strong>de</strong>n Akten war<br />

auch nicht gera<strong>de</strong> ein Segen für unsere Lungen, ganz zu schweigen von<br />

<strong>de</strong>r Luftqualität. Einige Damen verlangten nach Tests, um zu klären, ob<br />

<strong>de</strong>r gut sichtbare Pilz an gewissen Wän<strong>de</strong>n mit nördlicher Ausrichtung<br />

gefährlich sein könnte. War er nicht, aber <strong>de</strong>r jungen Mitarbeiterin, die<br />

schwanger war, wur<strong>de</strong> empfohlen, sich von diesen Räumen<br />

fernzuhalten.<br />

<strong>Die</strong> meisten arbeiteten in Teilzeit, da die zu erledigen<strong>de</strong>n Aufgaben<br />

höchste Konzentration abverlangte. Länger als drei bis vier Stun<strong>de</strong>n am<br />

138


Stück mit voller Achtsamkeit war nicht drin. Stapelweise holten wir die<br />

Kun<strong>de</strong>nakten in <strong>de</strong>n kleinen Büros <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>nberater ab und führten<br />

strenges Protokoll über was, von wem, wann und warum weggetragen<br />

wur<strong>de</strong>. Je<strong>de</strong>r Akt gelangte in die so genannte AVOR, die<br />

Arbeitsvorbereitung. Dort wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Akt von allen Büro-, Heft- und<br />

sonstigen Klammern befreit um dann stapelweise – wenn es geht ohne<br />

ein Blatt zu verlieren – in <strong>de</strong>n Scanner gefüttert zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Das Problem bestand darin, und dies war auch ein Hauptfaktor <strong>de</strong>r sich<br />

anbahnen<strong>de</strong>n massiven Zeitverzögerung, dass sich im Leben einer<br />

Stiftung unzählige verschie<strong>de</strong>ne Arten von Belegen, Briefen und auch<br />

Grusskarten (<strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n) o<strong>de</strong>r sonstiges ansammeln. <strong>Der</strong> mo<strong>de</strong>rne<br />

Scanner hasst alles was nicht die Norm ist. Viele Dokumente waren sehr<br />

alt o<strong>de</strong>r für die AVOR äusserst knifflig. Aber mit ausreichend<br />

Gründlichkeit und Frohsinn schafften wir es tagein, tagaus.<br />

Wir sassen "da unten" im Keller und die Creme <strong>de</strong> la Creme <strong>de</strong>r<br />

Kun<strong>de</strong>nberater plus <strong>de</strong>ren Sachbearbeiterinnen "oben". Über <strong>de</strong>n ganzen<br />

Zeitraum <strong>de</strong>s Projekts wur<strong>de</strong> an <strong>de</strong>n Personaleingängen <strong>de</strong>r Treuhand<br />

externes Sicherheitspersonal postiert, das uns jeweils beim Eintreten<br />

o<strong>de</strong>r Verlassen <strong>de</strong>s Gebäu<strong>de</strong>s kontrollierte; d.h. in unseren Taschen<br />

nachschauten ob wir evt. Kun<strong>de</strong>ndossiers mitlaufen lassen. Wir konnten<br />

darüber nur lachen. Das letzte was wir nach stun<strong>de</strong>nlangem<br />

Aktenwälzen noch machen wollten, war sicher nicht die Arbeit auch<br />

noch nach Hause zu nehmen.<br />

<strong>Die</strong> Arbeit war für mich an und für sich sehr interessant. <strong>Der</strong> Hauptteil<br />

meiner Verantwortung lag darin sicherzustellen, dass die nun<br />

eingescannten Dokumente 1. im Computersystem "zusammen blieben",<br />

also nicht geteilt wur<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Weiten <strong>de</strong>r "Bits und Bytes"<br />

verloren gingen, 2. <strong>de</strong>r richtigen (original) Mandatsnummer zugeteilt<br />

wur<strong>de</strong>n und 3. – das Wichtigste – gemäss <strong>de</strong>m BAK vollständig in<strong>de</strong>xiert<br />

wur<strong>de</strong>n.<br />

Um diese dritte Stufe überhaupt fachgemäss auszuführen, musste ich<br />

und meine dafür geschulten Teammitglie<strong>de</strong>r ALLE einzelnen<br />

Dokumente durchlesen und dann entsprechend <strong>de</strong>m BAK-In<strong>de</strong>x<br />

abschliessend unter <strong>de</strong>r Mandatsnummer elektronisch speichern.<br />

<strong>Die</strong> LGT Treuhand hatte Kun<strong>de</strong>n aus aller Welt. Deutsch, Englisch,<br />

Französisch, Spanisch und Italienisch waren die üblichen Sprachen, in<br />

<strong>de</strong>r die LGT Treuhand mit ihren Kun<strong>de</strong>n kommunizierte. Daher war es<br />

i<strong>de</strong>al wenn wir diese Sprachen mehr o<strong>de</strong>r weniger beherrschten. Es gab<br />

139


solche Akten, die nur 80 – 100 Einzeldokumente (mit jeweils einer o<strong>de</strong>r<br />

mehr Seiten) hatten, o<strong>de</strong>r solche, die bis zu 300 hatten.<br />

Für diejenigen unter <strong>de</strong>n Lesern, die keine Stiftung, Anstalt o<strong>de</strong>r AG in<br />

Liechtenstein besitzen o<strong>de</strong>r wenig Wissen darüber haben, hier ein paar<br />

kurze, vereinfachte Erläuterungen:<br />

<strong>Der</strong> Treuhandkun<strong>de</strong> ist im Vergleich zum reinen Bankkun<strong>de</strong>n ein sehr<br />

komplexes Wesen. <strong>Der</strong> reine Bankkun<strong>de</strong> in Liechtenstein hat ein o<strong>de</strong>r<br />

mehrere Konten direkt bei <strong>de</strong>r Bank selbe; erhält Auszüge, Belege o<strong>de</strong>r<br />

sonstige Bankkorrespon<strong>de</strong>nz, die zu 100% bei <strong>de</strong>r Bank zurückbehalten<br />

und dort gelagert wird. Nicht das <strong>de</strong>r eine Bankauszug versehentlich<br />

beim Kun<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r schlimmer beim Nachbarn in Deutschland im<br />

Briefkasten lan<strong>de</strong>t. O<strong>de</strong>r – oh Schreck - beim Finanzamt. Beim<br />

Bankkun<strong>de</strong>n ist alles Schwarzgeld ist im Namen <strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n auf seinem<br />

eigenen Konto gelagert.<br />

<strong>Der</strong> Treuhandkun<strong>de</strong>, eben <strong>de</strong>r eher Superreiche und/o<strong>de</strong>r<br />

Übervorsichtige wählt z.B. eine rechtlich eigenständige Liechtensteiner<br />

Stiftung aus, in<strong>de</strong>m er diese durch die Treuhand grün<strong>de</strong>n lässt. <strong>Der</strong><br />

Stiftungsrat eröffnet im Namen <strong>de</strong>r Stiftung dann die Bankkonten. <strong>Der</strong><br />

Treuhandkun<strong>de</strong> transferiert sein Schwarzgeld auf die Konten <strong>de</strong>r<br />

Stiftung. <strong>Die</strong>s natürlich auf hoch komplizierten und raffinierten<br />

Umwegen, sodass ein direkter (offener) Bezug zwischen ihm und <strong>de</strong>r<br />

Stiftung (z.B. von offizieller <strong>de</strong>utscher Seite aus) nicht nachvollzogen<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Also <strong>de</strong>r berühmte "Paper-Trail" (nahtlose<br />

Nachvollziehbarkeit je<strong>de</strong>r Transaktion) geköpft wird. Prinzipiell bleibt er<br />

(und an<strong>de</strong>re die er benennen kann) Kraft <strong>de</strong>m so genannten Beistatut<br />

Begünstigter <strong>de</strong>r Stiftung und somit aller Gel<strong>de</strong>r und sonstigen Aktiven,<br />

die <strong>de</strong>r Stiftung gehören. Das Beistatut einer Stiftung hält fest, wer,<br />

wann, wieso und wie hoch als Begünstigter von <strong>de</strong>m Vermögen<br />

profitieren kann.<br />

Oft ist es so, dass die Stiftung direkt o<strong>de</strong>r mittels unterliegen<strong>de</strong>n<br />

Offshorefirmen (an<strong>de</strong>re rechtlich eigenständige Gesellschaften aus<br />

Liechtenstein o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Steuerparadiesen wie z.B. Panama o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Britischen Jungfrau Inseln), neben <strong>de</strong>n meist beträchtlichen Bankkonten<br />

auch Immobilien, Patente, Bil<strong>de</strong>r, Yachten und <strong>de</strong>rgleichen besitzt und<br />

kontrolliert. All diese "Besitztümer" einer Stiftung produzieren eine Flut<br />

an Papier, das wie<strong>de</strong>rum im Akt lan<strong>de</strong>t. Generell kann gesagt wer<strong>de</strong>n,<br />

dass ein Treuhandkun<strong>de</strong> eine grössere und intensivere Beziehung zu<br />

seinem Kun<strong>de</strong>nberater hat, als ein „normaler, einfacher‚ direkter<br />

140


Bankkun<strong>de</strong>. Daher hat je<strong>de</strong> Treuhandfirma (speziell wenn es eine<br />

Treuhandabteilung einer Liechtensteiner Bank ist) die höchste<br />

Sicherheitsstufe im Umgang mit <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>ndaten, d.h. sie sollte es<br />

haben. Mit <strong>de</strong>r Zeit wur<strong>de</strong>n wir in unserem Team beim In<strong>de</strong>xieren <strong>de</strong>r<br />

Dokumente immer besser und schneller. <strong>Der</strong> BAK war in 12<br />

Hauptgruppen und diese in rund 120 Untergruppen eingeteilt.<br />

Das be<strong>de</strong>utet, dass je<strong>de</strong>s Dokument zumin<strong>de</strong>st ein Mal genau einer <strong>de</strong>r<br />

Untergruppen zugeordnet wer<strong>de</strong>n musste.<br />

Und was wir da alles zu lesen hatten!<br />

<strong>Die</strong> geschäftsbedingte Korrespon<strong>de</strong>nz (z.B. zwischen <strong>de</strong>r Stiftung und<br />

<strong>de</strong>r Bank wo die Konten sind o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Stiftung und einer<br />

Immobilienfirma, die die Villa in Sardinien betreut etc.) hatte schon an<br />

und für sich grosses Volumen im Akt. Mit <strong>de</strong>r Zeit war diese Art von<br />

Schreiben eher langweilig zu lesen. Am Anfang war es noch ein<br />

Wettrennen: Wer hat <strong>de</strong>n Akt mit <strong>de</strong>m dicksten Fisch, das grösste<br />

Konto? "Oh< hier ist einer mit 8 Mio. Euro", "Aha< hier ist einer mit 28<br />

Mio. Dollars", "Und dieser mit 150 Mio.",


Da war z.B. ein rassistischer Kun<strong>de</strong>, <strong>de</strong>ssen Tochter als Zweitbegünstigte<br />

im Beistatut nominiert war (d.h. im Normalfall wird sie dann<br />

Erstbegünstigte, wenn <strong>de</strong>r Aktuelle, eben ihr Vater, stirbt). <strong>Die</strong>se hatte<br />

aber einen Schwarzafrikaner als Geliebten. <strong>Der</strong> Vater gab <strong>de</strong>m<br />

Stiftungsrat <strong>de</strong>n Auftrag, seine Tochter im Beistatut zu streichen, solange<br />

sie diesen Freund hat. <strong>Der</strong> Stiftungsrat tat was ihm "befohlen" wur<strong>de</strong>.<br />

Jahre später fin<strong>de</strong>t sich ein Vermerk, dass die Tochter nun einen<br />

"Weissen" als Freund hat und wie<strong>de</strong>r in die Begünstigtenliste<br />

eingetragen wer<strong>de</strong>n soll.<br />

O<strong>de</strong>r<br />

Ein heissblütiger Kun<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r eine geheime Zweitehefrau samt Kind im<br />

Ausland hat und im Falle seines To<strong>de</strong>s will, dass das gesamte Vermögen<br />

dieser Frau im Ausland zufallen soll und nicht an die „heimische‚<br />

Ehefrau.<br />

O<strong>de</strong>r<br />

<strong>Der</strong> überängstliche Kun<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r aufgeschreckt durch Medienberichte, in<br />

Vaduz sollen sich <strong>de</strong>utsche Steuerfahn<strong>de</strong>r herumtreiben und Autos mit<br />

<strong>de</strong>utschen Kennzeichen in <strong>de</strong>n Tiefgaragen <strong>de</strong>r diversen<br />

Geschäftsgebäu<strong>de</strong> fotografieren, folgen<strong>de</strong> Vereinbarung mit <strong>de</strong>r LGT<br />

Treuhand getroffen hatte: Er parkiert sein Fahrzeug in <strong>de</strong>r Schweiz, auf<br />

<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite <strong>de</strong>s Rheins, nimmt <strong>de</strong>n Linienbus nach Vaduz und<br />

trifft sich mit seinem Kun<strong>de</strong>nberater für eine Geldübergabe o<strong>de</strong>r –<br />

auszahlung jeweils vor <strong>de</strong>r Toilettentüre im unteren Stockwerk <strong>de</strong>s<br />

Restaurants Amman, gleich neben <strong>de</strong>r Apotheke Hasler. Und sich dann<br />

sofort danach die Wege trennen sollen.<br />

O<strong>de</strong>r<br />

<strong>Der</strong> angriffslustige Kun<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r noch nach seinem Tod "<strong>Die</strong> Rache ist<br />

MEIN" inszeniert haben möchte. Auf <strong>de</strong>n ersten Blick erschien seine<br />

Stiftung ganz normal. Sie hatte ein Bankvermögen von mehreren<br />

Millionen Euro. Zu Lebzeiten hat er <strong>de</strong>n Stiftungsrat instruiert, seine<br />

Frau und Kin<strong>de</strong>r als Zweit-, Dritt- und Viertbegünstigte zu führen. Seine<br />

Familie wusste nichts von <strong>de</strong>m Geld in Vaduz. Er hatte auch ein<br />

versiegeltes B5 -Kuvert seinem Kun<strong>de</strong>nberater übergeben, worauf stand:<br />

142


"Nur im To<strong>de</strong>sfall von Hr. XY zu öffnen – siehe Aktenvermerk vom<br />

xx.xx.1998". Also nach seinem To<strong>de</strong>. In <strong>de</strong>m dazu gehören<strong>de</strong>n Vermerk<br />

stand, dass sobald die LGT gesicherte Kenntnis über sein Ableben hatte,<br />

diese unverzüglich die Witwe und Kin<strong>de</strong>r gemäss üblicher Prozedur<br />

kontaktieren und nach Vaduz o<strong>de</strong>r Zürich einla<strong>de</strong>n sollte.<br />

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Erstbegünstigte wünschen, dass<br />

Ehefrauen und Kin<strong>de</strong>r erst nach Ableben <strong>de</strong>s Stifters von <strong>de</strong>r Existenz<br />

einer Stiftung in Vaduz erfahren sollen. Was gewöhnlich viel<br />

Begeisterung bei <strong>de</strong>r ahnungslosen Familie auslöst. In diesem Fall soll<br />

dann das versiegelte Kuvert in Anwesenheit <strong>de</strong>r Familie geöffnet und<br />

vorgelesen wer<strong>de</strong>n.<br />

Ein Mitglied meines Teams in <strong>de</strong>r AVOR öffnete aus Versehen dieses<br />

Kuvert und bereitete es zusammen mit <strong>de</strong>m Umschlag zum Scannen vor.<br />

Ich hatte dann <strong>de</strong>n Akt auf <strong>de</strong>m Bildschirm. Im Schreiben aus <strong>de</strong>m<br />

Kuvert stand, dass er, <strong>de</strong>r nun verstorbene, als letzte rechtsverbindliche<br />

Instruktion an <strong>de</strong>n Stiftungsrat hiermit anordnet, dass das ganze<br />

Vermögen <strong>de</strong>r Stiftung unverzüglich an die "so-und-so" ausbezahlt<br />

wer<strong>de</strong>n soll und die Stiftung dann gelöscht wer<strong>de</strong>n soll.<br />

<strong>Die</strong> erwähnte Person, die das ganze Geld bekommen soll, stammte nicht<br />

aus seinem Familienkreis. Als Grund gab <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> in hässlichen<br />

Worten an, seine Frau hätte mit <strong>de</strong>m Herrn XY und mit <strong>de</strong>m Herren XZ<br />

ein jahrelanges Verhältnis gehabt. Seine Kin<strong>de</strong>r seien auch nicht ehrlich<br />

gewesen. Was für ein Schock dies wohl für seine Frau und Kin<strong>de</strong>r<br />

auslösen wird, speziell wenn sie Minuten zuvor noch erhofften, gera<strong>de</strong><br />

Millionäre gewor<strong>de</strong>n zu sein. <strong>Die</strong> schriftliche Instruktion im versiegelten<br />

Kuvert (na ja, jetzt war es nicht mehr versiegelt) ist rechtsgültig, da sie<br />

vom Erstbegünstigten (<strong>de</strong>m Mann) zu seinen Lebzeiten<br />

nie<strong>de</strong>rgeschrieben wur<strong>de</strong> und <strong>de</strong>m Stiftungsrat vor seinem Ableben zur<br />

Aufbewahrung übergeben wur<strong>de</strong>.<br />

Zu<strong>de</strong>m zählt das Vermögen in <strong>de</strong>r Stiftung rechtlich gesehen nicht zum<br />

Erbe <strong>de</strong>s Verstorben. Nach Absprache mit <strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>nberater musste<br />

ich diese Instruktion aus <strong>de</strong>r Computerdatei löschen und das Original<br />

vernichten. <strong>Die</strong>s darum, weil das Stiftungsvermögen gemäss seinen<br />

letzten Instruktionen gleichzeitig auch weg von <strong>de</strong>r LGT Bank hätten<br />

gehen sollten, zu einer Bank in <strong>de</strong>r Schweiz. <strong>Die</strong> LGT hat es aber immer<br />

lieber, wenn nachrücken<strong>de</strong> Begünstigte als Kun<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Treuhand<br />

betreut wer<strong>de</strong>n und auch die Gel<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r LGT Bank bleiben. So kann<br />

auch "Kun<strong>de</strong>npflege" betrieben wer<strong>de</strong>n. <strong>Der</strong> einzige (ausserhalb <strong>de</strong>r LGT<br />

143


Treuhand), <strong>de</strong>r vom ursprünglichen Plan wusste, war - um es grausig<br />

auszudrücken - <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> selber. <strong>Der</strong> wür<strong>de</strong> ja aber dann schon tot sein.<br />

Nach <strong>de</strong>m "Aktenstudium" tausen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utscher Kun<strong>de</strong>ndossiers fühlten<br />

wir uns in meinem Team wie abgeklärte Psychologen, weil wir einen<br />

sehr tiefen Einblick in die Seele und "Sorgen" <strong>de</strong>s Reichen Deutschen<br />

erhalten hatten. <strong>Die</strong> vier oben kurz veranschaulichten Beispiele waren<br />

für uns damals eher Anlass für riesiges Gelächter.<br />

Worauf wir alle aber vor Seiten <strong>de</strong>r LGT nicht vorbereitet wur<strong>de</strong>n,<br />

waren jene Kun<strong>de</strong>nmandate, die ein<strong>de</strong>utig über das "normale Mass"<br />

(wenn ich mal so sagen kann) <strong>de</strong>r reinen Beihilfe zur Steuerhinterziehen<br />

hinausgehen. Es ist ja allgemein bekannt, dass Steuerhinterziehung im<br />

Heimatland <strong>de</strong>s (ausländischen) Bank- o<strong>de</strong>r Treuhandkun<strong>de</strong>n in<br />

Liechtenstein absolut kein Strafbestand o<strong>de</strong>r Vergehen ist.<br />

Was mich beson<strong>de</strong>rs überrascht hat, war die Tatsache, dass die LGT (!)<br />

so viele "Leichen im Keller hatte", sprich Mandate über Jahre betreute,<br />

wo buchstäblich sofort erkennbar war, dass sehr unsaubere Geschäfte<br />

getätigt wur<strong>de</strong>n und wer<strong>de</strong>n. Was kann es dümmeres geben, als wenn<br />

die Kun<strong>de</strong>nberater in ihren selbst angefertigten o<strong>de</strong>r angeordneten<br />

internen Aktenvermerken schwarz auf weiss, manchmal ganz klar, oft<br />

etwas in <strong>de</strong>r speziellen Treuhandsprache verschleiert, Hinweise,<br />

Bemerkungen und Erklärungen protokollieren, die über illegale<br />

Aktionen Auskunft geben.<br />

Da wir in unserem Team <strong>de</strong>n gesamten Akt nach <strong>de</strong>m Scannen vor uns<br />

auf <strong>de</strong>m Bildschirm abrufen konnten, war es uns möglich, alle Abläufe,<br />

Transaktionen und damit <strong>de</strong>ren Zusammenhänge schnell zu erkennen<br />

(wir mussten ja je<strong>de</strong>s Blatt lesen, um es einem In<strong>de</strong>x zuordnen zu<br />

können). Nicht dass ich die Personen, die als Begünstige hinter einer<br />

solchen Briefkastenfirma stehen, persönlich kannte. Nein. Natürlich<br />

tauchte ab und zu ein Name in <strong>de</strong>n Unterlagen als Begünstigter auf, <strong>de</strong>r<br />

uns allen aus <strong>de</strong>n Medien bekannt war; sei es z.B. aus <strong>de</strong>r Politik,<br />

Wirtschaft o<strong>de</strong>r aus aktuellen o<strong>de</strong>r vergangenen Gerichtskriminalfällen.<br />

Zum Beispiel hatte ich einen Akt vor mir, <strong>de</strong>ren Begünstigte ungefähr<br />

zur selben Zeit im Zusammenhang mit einer grossen europäischen<br />

Firmenpleite stan<strong>de</strong>n. "Aha!", sagten wir uns – die Kohle hier in Vaduz<br />

hatte man mal wie<strong>de</strong>r nicht ent<strong>de</strong>ckt". Scha<strong>de</strong> für die Gläubiger, dachten<br />

wir uns. Wir im Team wären dank unserer Erkenntnisse je<strong>de</strong> Wette<br />

eingegangen, dass es bei min<strong>de</strong>stens <strong>de</strong>r Hälfte aller Mandate – wür<strong>de</strong>n<br />

144


sie öffentlich bekannt gemacht - "böse, böse Überraschungen" geben<br />

wür<strong>de</strong>.<br />

Mein Gott, es war und ist ja Allgemeinwissen im Ländle, wer immer<br />

schon, damals und heute die Schwarzen Schafe im Treuhand- und<br />

Bankenbusiness sind. Sie än<strong>de</strong>rn zwar oft ihren Firmennamen, aber man<br />

fin<strong>de</strong>t sie <strong>de</strong>nnoch alljährlich in irgendwelchen Untersuchungsberichten<br />

diverser ausländischer Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n vom "around the<br />

Globe" wie<strong>de</strong>r.<br />

Aber die LGT ? ? ? !!!!<br />

Nie hätte ich und an<strong>de</strong>re im meinem Team, die mit <strong>de</strong>r Liechtensteiner<br />

Finanzlandschaft vertraut waren, gedacht, dass Hans-Adam, als<br />

ultimativer Besitzer <strong>de</strong>r LGT Gruppe, ein solches Reputations-Risiko<br />

eingehen wür<strong>de</strong>, in<strong>de</strong>m er Kun<strong>de</strong>n in seinen Büchern stehen hat, die<br />

illegale Geschäfte tätigen und dies auch unter Mithilfe o<strong>de</strong>r Tolerierung<br />

<strong>de</strong>r LGT Treuhand und <strong>de</strong>r LGT Bank.<br />

<strong>Die</strong>s bewusst und unbewusst, auf Grund <strong>de</strong>r sehr lahmen Anwendung<br />

<strong>de</strong>r eigentlich guten Sorgfaltspflicht und an<strong>de</strong>rer bestehen<strong>de</strong>r Gesetze.<br />

Wir wussten alle, dass z.B. die Russen nicht gerne bei <strong>de</strong>r LGT als<br />

Kun<strong>de</strong>n gesehen wer<strong>de</strong>n. Um diese Kundschaft kümmert sich speziell in<br />

Vaduz zum Beispiel die Sinitus Treuhand, die Serica Bank o<strong>de</strong>r First<br />

Advisory (ehem. Dr. Dr. Batliner), u.s.w. . Nach <strong>de</strong>n immer wie<strong>de</strong>r<br />

aufkommen<strong>de</strong>n Skandalen, <strong>de</strong>ren Enthüllung zu 99,99 Prozent NICHT<br />

in Liechtenstein beginnen, weiss man doch:<br />

"Irgendwann fliegt andauernd etwas auf!".<br />

Was soll jetzt als Entschuldigung für die LGT herhalten?<br />

° Dass viele dieser Mandate vor <strong>de</strong>m Inkrafttreten <strong>de</strong>r strengeren<br />

Sorgfaltspflichtgesetze angenommen wur<strong>de</strong>n?<br />

<strong>Die</strong>se lumpige Ausre<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n vergangenen Jahren immer und<br />

immer wie<strong>de</strong>r von Liechtenstein verwen<strong>de</strong>t, das Letzte mal im Februar<br />

2009.<br />

Etwas Besseres fällt <strong>de</strong>nen nie ein. Weil sie natürlich wissen, dass, sollte<br />

eine Leiche unerwartet an die Oberfläche gelangen, die Öffentlichkeit<br />

(Medien etc) nie die vollständigen Unterlagen zu einem solchen Fall<br />

145


haben wird. Deswegen kann die betroffene Bank o<strong>de</strong>r Treuhandfirma<br />

behaupten, dass die schmutzigen Geschäfte <strong>de</strong>r Stiftung o<strong>de</strong>r Anstalt etc.<br />

angeblich aus einer Zeit stammen, wo noch die schwachen<br />

Sorgfaltspflichtgesetze galten, also Liechtenstein <strong>de</strong>n Vorfall o<strong>de</strong>r<br />

Skandal für die Medien "zurückdatiert".<br />

Quasi sei eine Strafverfolgung (wegen <strong>de</strong>r Geldwäscherei) aus<br />

Liechtensteiner Sicht lei<strong>de</strong>r nicht mehr möglich, da die Fristen in<br />

Liechtenstein dafür abgelaufen wären. Egal ob das Mandat noch aktiv<br />

ist, also <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> weiterhin illegale Geschäfte mit o<strong>de</strong>r ohne Wissen<br />

<strong>de</strong>r LGT getätigt hatte o<strong>de</strong>r noch tätigt. Streng genommen macht dies<br />

keinen Unterschied. Abgesehen davon, dass die meisten Straftaten (<strong>de</strong>r<br />

LGT Kundschaft) im Zeitraum <strong>de</strong>r neuen, strengeren<br />

Sorgfaltspflichtgesetzte vollbracht wur<strong>de</strong>n, wäre nach <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s<br />

Gesetztes auch dann eine Strafverfolgung, o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st eine<br />

Strafuntersuchung zu beginnen, wenn die Tat in <strong>de</strong>r Zeit davor<br />

passierte.<br />

<strong>Die</strong>s darum, weil die <strong>de</strong>n Bankvermögen zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n (Erst-<br />

)Straftaten (z.B. Korruption, Betrug), ausnahmslos im Ausland begangen<br />

wur<strong>de</strong>n und dort die Fristen praktisch in allen bekannten Fällen noch<br />

nicht abgelaufen waren. Und da in Liechtenstein eine Einzelstraftat wie<br />

z.B. Korruption o<strong>de</strong>r Betrug auch geahn<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, müsste man in<br />

Vaduz <strong>de</strong>r Sache auch nachgehen. Hätte bloss das Ausland mehr Glück<br />

und könnte viel öfter selber auf Unterlagen über eine Verbindung<br />

zwischen einer Straftat in ihrem Land und einem Vermögen in Vaduz<br />

stossen, dann könnte es mit diesem Material die Liechtensteiner um<br />

Hilfe bitten. Eben, hätten sie bloss! Liechtenstein agiert praktisch nie von<br />

sich aus, auch wenn es <strong>de</strong>taillierte Kenntnisse über die übelsten<br />

Straftaten erlangt, wie ich in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Kapiteln beweisen kann.<br />

° Das auf Grund <strong>de</strong>r Auffassungsgabe <strong>de</strong>r LGT über das was "kriminell"<br />

ist und was nicht, keine "Leichen" erkennbar waren o<strong>de</strong>r sind?<br />

Haben die in Vaduz mit <strong>de</strong>r ersten Ausre<strong>de</strong> keinen Erfolg, dann muss<br />

diese Formel herhalten: "Was bei <strong>de</strong>nen im Ausland als kriminell gilt,<br />

muss nicht unbedingt bei uns so sein". <strong>Die</strong> einfache Steuerhinterziehung<br />

meine ich damit gar nicht. Auch wenn es um an<strong>de</strong>re Vorwürfe aus <strong>de</strong>m<br />

Ausland geht, ist Liechtenstein in <strong>de</strong>r Interpretation was eine Straftat ist<br />

und was nicht, sehr, sehr flexibel.<br />

146


° Das intern eine Art Dogma gilt: "Re<strong>de</strong>n ist <strong>de</strong>r schnelle Tod",<br />

"Schweigen ist pures Gold", einschliesslich "die blin<strong>de</strong> Kuh dazu" und<br />

man ist vollkommen?<br />

<strong>Die</strong>s war lei<strong>de</strong>r die Wahrheit. <strong>Die</strong> LGT Führung hatte nicht nur mir<br />

gesagt, dass man sich nicht <strong>de</strong>n Kopf darüber zerbrechen soll, wenn man<br />

auf die "Räume mit <strong>de</strong>n Leichen" stossen sollte.<br />

Ich war nicht <strong>de</strong>r Einzige aus <strong>de</strong>m Team <strong>de</strong>r die Leitung <strong>de</strong>r Treuhand<br />

bei <strong>de</strong>r wöchentlichen Sitzung - naiv genug waren wir ja – mit Fragen<br />

über solche Kun<strong>de</strong>n bedrängte. Uns wur<strong>de</strong> schnell klar gemacht, dass es<br />

nicht unsere Aufgebe sei, "dumme Fragen" zu stellen. Im Befehlston<br />

wur<strong>de</strong> uns gesagt: Dokument lesen – Dokument in<strong>de</strong>xieren – und die<br />

Klappe halten! Basta.<br />

Schon nach einem Monat hatten zwei junge Mitarbeiter keine Lust mehr,<br />

solches mitzumachen. Sie kündigten und mussten sofort gehen. Einer<br />

von ihnen, es war ein Jurastu<strong>de</strong>nt, hatte sogar ein heisses Streitgespräch<br />

mit <strong>de</strong>m Dir. Feuerstein über die falsche Moral <strong>de</strong>r LGT im Allgemeinen<br />

und <strong>de</strong>r Liechtensteiner Finanzwelt im Bezug auf die schmutzigen<br />

Mandate.<br />

Bei<strong>de</strong> Teammitarbeiter wur<strong>de</strong>n durch Neue ersetzt. Man darf aber die<br />

einfachen Mitarbeiter bei <strong>de</strong>r LGT Treuhand, <strong>de</strong>r LGT Bank o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Treuhand o<strong>de</strong>r Bank jetzt nicht verdammen. Für sie ist es ein<br />

Job wie je<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re auch. Schlussendlich trägt die Leitung die<br />

Verantwortung, zusammen mit <strong>de</strong>n Besitzern <strong>de</strong>r Gruppe, eben Hans-<br />

Adam und seine Familie. Sein Bru<strong>de</strong>r, Prinz Philipp Erasmus war bis im<br />

Sommer 2006 <strong>de</strong>r CEO <strong>de</strong>r LGT Gruppe, wur<strong>de</strong> dann auf <strong>de</strong>n Stuhl <strong>de</strong>s<br />

Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>n beor<strong>de</strong>rt und <strong>de</strong>r neue CEO wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

zweitälteste Sohn von Hans-Adam, Prinz Maximilian N.M. Man kann<br />

also festhalten, dass sich Hans-Adam nicht damit herausre<strong>de</strong>n kann,<br />

dass er "von nichts" wusste. Ausdrücklich nicht mehr seit <strong>de</strong>m 7. Januar<br />

2003 – siehe Kapitel 7.<br />

Das Arbeitsklima bei <strong>de</strong>r Treuhand war sehr gut, wie bei vielen an<strong>de</strong>ren<br />

Betrieben wur<strong>de</strong>n Mitarbeiterausflüge in die Schweiz o<strong>de</strong>r nach<br />

Österreich durchgeführt. Sobald ein Betriebsausflug ins Ausland<br />

bevorstand, wur<strong>de</strong> ich von <strong>de</strong>r Rechtsabteilung gefragt, ob ich mitgehen<br />

wolle. Wegen <strong>de</strong>m Haftbefehl. Ein Ausflug in die Schweiz, egal ob mit<br />

147


Firma o<strong>de</strong>r Privat, war kein Problem. <strong>Die</strong> Grenze ist von Balzers bis nach<br />

Ruggell offen. Ich bin in meiner Freizeit oft mit <strong>de</strong>m Mountainbike o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>m Auto in die Schweiz gefahren. Schon kurz nach Argentinien<br />

verdrängte ich die eigentlich kleine Gefahr wegen <strong>de</strong>s Haftbefehls dort<br />

Ärger zu bekommen. Manchmal bin ich auch in die Kanzlei meines RA<br />

nach Feldkirch gefahren. Es wur<strong>de</strong>n mir auch nie irgendwelche<br />

Verordnungen o<strong>de</strong>r Reiserestriktionen von Seiten Liechtenstein<br />

auferlegt. Bei einem Betriebsausflug meines Teams nach Feldkirch bin<br />

ich einfach mit <strong>de</strong>m eigenen Auto via meiner Heimatgemein<strong>de</strong> Mauren<br />

über die kleine Grenze dort nach Österreich gefahren. Sind die<br />

Grenzbeamten überhaupt präsent, dann winken sie einen oft durch.<br />

Wird man aber angehalten, wollen sie die I<strong>de</strong>ntitätskarte sehen. Hat man<br />

darin, wie ich, <strong>de</strong>n Heimatort Mauren eingetragen, wird man gleich<br />

weiter gelassen, da die Benutzung dieses abgelegenen Grenzübergangs<br />

"als einer aus Mauren" <strong>de</strong>n Beamten logisch erschien. Auch fuhr ich oft<br />

mit <strong>de</strong>m Linienbus über die grosse Grenze Schellenberg / Feldkirch nach<br />

Österreich. Ein Grenzbeamter steigt zwar in <strong>de</strong>n Bus ein, wirft einen<br />

Blick auf die ID-Karten o<strong>de</strong>r Pässe und das war’s auch schon.<br />

Mein gleichzeitiger Kampf gegen die Verbrecher Helmut Roegele & Co.<br />

auf allen Bühnen verbrauchte viel meiner Energie, trotz<strong>de</strong>m habe ich bei<br />

<strong>de</strong>r LTG immer volle Leistung gebracht und meine Vorgesetzten lobten<br />

mich sehr. Einen emotionalen Dämpfer war <strong>de</strong>r unerwartete Tod meines<br />

Vaters Anfang 2001. Ein Jahr zuvor erhielt er die Diagnose Krebs. Ich<br />

hatte nie eine sehr innige Beziehung zu ihm, aber seit meiner Rückkehr<br />

aus Südamerika sahen wir uns regelmässig. Je<strong>de</strong>n Monat drei o<strong>de</strong>r vier<br />

Mal. Wir gingen essen o<strong>de</strong>r einfach einen Kaffee trinken. Er war sehr<br />

bekannt und beliebt in Liechtenstein. Ich bin auch heilfroh, dass er all<br />

dies was in 2003 und später passiert ist, nicht miterleben musste.<br />

Mit Mühe und Not schafften wir es im Keller, fristgerecht die aktiven<br />

Mandate einzuscannen und die Papierakten von Unnötigem zu befreien<br />

(z.B. Ferienansichtskarten <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n). Es war keine Zeitreserve mehr<br />

vorhan<strong>de</strong>n, um auch die inaktiven, alten Mandate via AVOR zum<br />

Scannen zu bringen und zu in<strong>de</strong>xieren. <strong>Der</strong> Umzug stand vor <strong>de</strong>r Türe.<br />

Das alte Bürogebäu<strong>de</strong>, im Städtle 18, gehörte nicht <strong>de</strong>r Treuhand und<br />

wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n Besitzern schon weitervermietet. Das Projekt e-Doc,<br />

sofern es die extern angeheuerten Mitarbeiter betraf, war am 31. März<br />

2001 offiziell zu En<strong>de</strong>.<br />

148


Drei aus meinem Team, eine Jurastu<strong>de</strong>ntin, ein Fachmann und ich<br />

wur<strong>de</strong>n per 29. März 2001 von <strong>de</strong>r LGT direkt übernommen und wir alle<br />

bekamen unbefristete Arbeitsverträge. Schon seit Anfang <strong>de</strong>s Jahres 2001<br />

wur<strong>de</strong>n systematisch alle Treuhandmitarbeiter, einschliesslich <strong>de</strong>r<br />

Direktion sowie jene Vorstandsmitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Treuhand, die intern<br />

Zugriff auf die elektronischen Kun<strong>de</strong>ndateien wünschten, im Umgang<br />

mit <strong>de</strong>m neuen System geschult. <strong>Die</strong> Schulung wur<strong>de</strong> mir aufgetragen.<br />

Ich war sehr stolz darauf. Ich durfte die dafür notwendigen Unterlagen<br />

in Eigenregie herstellen und auch jeweils die neuste Version <strong>de</strong>s BAKs,<br />

<strong>de</strong>m Belegartenkatalogs. Meine Kurse waren sehr beliebt, oft heiter und<br />

äusserst abwechslungsreich.<br />

<strong>Der</strong> Kern <strong>de</strong>s Problems lag darin, ALLE Mitarbeiter auf eine LINIE zu<br />

bringen, da je<strong>de</strong>r und je<strong>de</strong> seine/ihre eigene Vorstellung davon hatte, in<br />

welchem In<strong>de</strong>x ein Dokument abzuspeichern sei. Es dauerte über 12<br />

Monate bis alle <strong>de</strong>r fast 100 Mitarbeiter aus Vaduz, Zürich und Lugano<br />

die zwei- bis dreitägigen Lehrgänge mit jeweils einer bis drei Personen<br />

pro Gruppe bei mir in Vaduz absolvierten. Sicherheitstechnisch waren<br />

wir auf <strong>de</strong>n neusten Stand. Zugriffsmässig wur<strong>de</strong> das neue System<br />

analog <strong>de</strong>m Alten ausgelegt. Das heisst, die Kun<strong>de</strong>nberater hatten nur<br />

Computerzugriff auf jene Mandate, die sie selber betreuten. <strong>Die</strong><br />

Sachbearbeiterin auf diejenigen, die sie betreuten. <strong>Die</strong> Direktion hatte<br />

logischerweise Zugriff auf alle Mandate. <strong>Die</strong>s galt auch für die<br />

Mitarbeiter <strong>de</strong>r IT-Abteilung. Und ich, mittendrin als Allroun<strong>de</strong>r und<br />

Problemlöser für alle, hatte ständig <strong>de</strong>n vollen Zugriff.<br />

Interessanterweise hatten wir drei, die verbliebenen aus <strong>de</strong>m e-Doc-<br />

Team, ein unglaubliches mentales Lexikon über mehr Mandate in uns<br />

gespeichert, als die eigentlichen Kun<strong>de</strong>nbetreuer, die sich seit Jahren mit<br />

<strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n austauschten. Natürlich hatten wir <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>r fast 4000<br />

Mandate nicht auswendig im Kopf abrufen können. Trotz<strong>de</strong>m waren die<br />

Treuhandmitarbeiter fortwährend erstaunt, als wir auf Anhieb Details<br />

aus Stiftungen erzählen konnten.<br />

Heute noch, obwohl ich die Firma seit mehr als sieben Jahren verlassen<br />

habe, erinnere ich mich bildlich noch immer seitenweise an Hun<strong>de</strong>rte<br />

von Stiftungen und <strong>de</strong>ren wahnsinnige Geschichten. <strong>Die</strong> von Klaus<br />

Zumwinkel fällt mir da gera<strong>de</strong> ein. O<strong>de</strong>r die heiklen Mandate, die<br />

auffällig noch nicht in die Öffentlichkeit gelangt sind.<br />

Bei <strong>de</strong>n aktiven Mandaten wur<strong>de</strong>n alle Papierdokumente, von wenigen<br />

Ausnahmen abgesehen, in gefrässigen Papiervernichtungsmaschinen<br />

149


zum Verschwin<strong>de</strong>n gebracht. In Plastiksäcke abgefüllt, wur<strong>de</strong>n sie von<br />

eigenen Mitarbeitern per Firmenwagen in die Müllverbrennungsanlage<br />

Buchs, Schweiz gefahren. Dort gibt es einen speziellen <strong>Die</strong>nst, <strong>de</strong>r vor<br />

allem von Banken und <strong>de</strong>n Treuhän<strong>de</strong>rn gerne in Anspruch genommen<br />

wird. Nach Voranmeldung kann man, zusammen mit einem Mitarbeiter<br />

<strong>de</strong>r Anlage, eine kleine Seitenöffnung im Ofen benutzten und dort die<br />

Papierschnitzel direkt in die, so glaube ich, ca. 1000 Grad heisse Flamme<br />

werfen. In "Null Komma Nix" sind verfängliche Dokumente in Rauch<br />

aufgegangen.<br />

Das Set jener Dokumente, die nicht verbrannt wer<strong>de</strong>n sollten, haben wir<br />

im begehbaren Panzerschrank im 3. Stockwerk <strong>de</strong>s neuen Büros pingelig<br />

genau und sauber eingelagert. <strong>Der</strong> Zugang dazu wur<strong>de</strong> elektronisch<br />

gesichert. <strong>Der</strong> Zugang zu allen internen und externen Türen im ganzen<br />

neuen Gebäu<strong>de</strong> war mittels elektronischen Schlüssels geregelt. Mein<br />

Schlüssel öffnete mir fast alle Türen.<br />

<strong>Die</strong> dicken Mappen <strong>de</strong>r inaktiven Mandate, die ja aus Zeitmangel nicht<br />

eingescannt wor<strong>de</strong>n waren, wur<strong>de</strong>n im alten Gebäu<strong>de</strong> (mit Zugang von<br />

Aussen durch eine Stahltüre) auf drei Kellerräume verteilt aufbewahrt.<br />

<strong>Die</strong> LGT mietete diese Räume weiterhin. <strong>Die</strong> Schlüssel dafür hatte ich<br />

auch. Manchmal wur<strong>de</strong> ich von Kun<strong>de</strong>nberatern o<strong>de</strong>r gar vom Direktor<br />

gebeten, einen bestimmten alten Akt in jenen Kellerräumen heraus zu<br />

graben. Das jemand danach fragte, lag daran, dass ab und zu aus<br />

juristischen Grün<strong>de</strong>n alte Geschichten exhumiert wer<strong>de</strong>n mussten. <strong>Die</strong><br />

Kun<strong>de</strong>nberater, natürlich mit Ausnahme <strong>de</strong>s Chefs, hätten auch selber<br />

dorthin gehen können. Aber sie wussten, dass ich 100 Mal schneller <strong>de</strong>n<br />

Akt im dort vorherrschen<strong>de</strong>n, chaotischen alten Archivierungszustand<br />

fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Wir hatten keine Zeit mehr, diese Akten auch<br />

auszusortieren.<br />

Es gab Tage, wo ich Stun<strong>de</strong>n im Keller Akten von links nach rechts, von<br />

oben nach unten und von hinten nach vorne bewegen musste, um<br />

endlich an eine gesuchte Stiftung zu kommen. Ich gestehe, dass es häufig<br />

berauschend war, sich bün<strong>de</strong>lweise die verrücktesten Mandate<br />

durchzulesen. Insbeson<strong>de</strong>re passierte dies dann, wenn mein Auftrag<br />

darin bestand, eine bestimmte Seite o<strong>de</strong>r einen Son<strong>de</strong>rfall aus einem<br />

alten Akt herauszusuchen. <strong>Die</strong> Stiftungen lebten ja oft weiter, nicht bei<br />

uns, aber bei an<strong>de</strong>ren Treuhän<strong>de</strong>rn. Bei Wechsel <strong>de</strong>s Treuhän<strong>de</strong>rs wird<br />

nicht immer die ganze Mappe <strong>de</strong>m neuen Treuhän<strong>de</strong>r übergeben.<br />

150


Zum Glück waren solche Anstrengungen und Trips in alte, dunkle<br />

Kellerräume bei <strong>de</strong>n aktiven Mandaten dank <strong>de</strong>s neuen Systems nicht<br />

mehr notwendig.<br />

Bei <strong>de</strong>r LGT zu arbeiten, war auch wie ein Statussymbol. Man arbeitete<br />

nicht bei einer x-beliebigen Treuhandbu<strong>de</strong>, nein! Bei <strong>de</strong>r <strong>Fürst</strong>lichen<br />

Treuhand. Hans-Adam, als verschwiegener und äusserst auf Diskretion<br />

bedachter Führer, vertraute <strong>de</strong>n Leute seiner LGT Treuhand so sehr,<br />

dass die meisten <strong>de</strong>r persönlichen Stiftungen <strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

<strong>Fürst</strong>enfamilie auch bei <strong>de</strong>r Treuhand verwaltet wur<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>s war für<br />

ihn nicht zwingend o<strong>de</strong>r logisch notwendig. Er hätte die Mandatsleitung<br />

auch an jenes, eher geheime Büro mit Sitz an <strong>de</strong>r Herrengasse in Vaduz,<br />

<strong>de</strong>legieren können, das auch die Mutter aller Stiftungen, die "<strong>Fürst</strong> von<br />

Liechtenstein Stiftung" verwaltet.<br />

<strong>Die</strong>ser Stiftung gehört alles was Hans-Adam und sein Clan besitzt. <strong>Die</strong><br />

über 29 bei uns verwalteten Gesellschaften, die klar <strong>de</strong>r Familie<br />

zuzuordnen sind, beinhalteten im Vergleich zu an<strong>de</strong>ren superreichen<br />

Kun<strong>de</strong>n nichts Aussergewöhnliches o<strong>de</strong>r Spektakuläres. Berufsbedingt<br />

hatte ich alle Akten dieser Stiftungen durchgelesen und in<strong>de</strong>xiert. Es<br />

sind Menschen wie du und ich. Mal streiten sie, Mal geizen sie und<br />

manchmal sind sie generös. Na ja, etwas Leichengeruch hatte die eine<br />

o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Stiftung schon.<br />

<strong>Die</strong> Welt <strong>de</strong>r Treuhandmitarbeiter in Liechtenstein ist klein. Man kennt<br />

sich. Beim Feierabendbier o<strong>de</strong>r Cola wur<strong>de</strong> zwanglos über die neusten<br />

Mandate o<strong>de</strong>r Skandale gere<strong>de</strong>t. Ab und zu versuchte einer<br />

aufzutrumpfen, in<strong>de</strong>m er erzählt, dass diese Persönlichkeiten bei seiner<br />

Firma Kun<strong>de</strong>n sind o<strong>de</strong>r jene Millionen bei seiner Firma verwaltet<br />

wer<strong>de</strong>n. Unterhaltsam wur<strong>de</strong> es dann, wenn man auf ehemalige<br />

Arbeitskollegen traf, die jetzt bei an<strong>de</strong>ren Treuhän<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r einer<br />

an<strong>de</strong>ren Bank arbeiteten. Gegenseitig wur<strong>de</strong> man ausgequetscht um in<br />

Erfahrung zu bringen, wo es nur besser sei, wo mehr Leichen verwaltet<br />

wer<strong>de</strong>n. Je länger ich bei <strong>de</strong>r Treuhand arbeitete, umso weniger regte ich<br />

mich über einzelne, heisse Mandate auf.<br />

151


KAPITEL 6 Heiligsprechung unter Vollnarkose<br />

Das Jahr 2002 begann eigentlich wie je<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r fünf vorhergehen<strong>de</strong>n<br />

Jahre, genährt von meinem unerschöpflichem Optimismus und <strong>de</strong>m<br />

Glauben, dass die Gerechtigkeit siegen wird und dies das Jahr sein wird,<br />

in <strong>de</strong>m die Verbrecher vor ein Kriminalgericht gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Beharrlich hielt ich <strong>de</strong>n UR Dr. Paul Meier und die STA über die<br />

allerdings immer weniger wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Neuigkeiten in Sachen<br />

Argentinien o<strong>de</strong>r Spanien auf <strong>de</strong>m Laufen<strong>de</strong>n. Meine Arbeit bei <strong>de</strong>r LGT<br />

Treuhand erfüllte mich sehr und ich hatte, wie schon lange nicht mehr,<br />

das Gefühl ein normales, wenn auch nicht optimales Leben zu führen.<br />

Sogar in Sachen Herzblatt hatte ich Glück und wun<strong>de</strong>rschönen Zeiten<br />

erleben können. Ein dicker Kuss nach Zürich ;-).<br />

Obwohl es für mich absolut keine Anzeichen gab, dass sich irgen<strong>de</strong>twas<br />

drastisch an <strong>de</strong>n über die Jahre hinweg vorgezeichneten Pfa<strong>de</strong>n än<strong>de</strong>rn<br />

wür<strong>de</strong>, muss sich mein Unterbewusstsein vorerst unbemerkt<br />

schleichend in eine an<strong>de</strong>re Richtung orientiert haben. <strong>Die</strong>s war wohl <strong>de</strong>r<br />

Anfang vom En<strong>de</strong> meines ehrlichen Kampfes um die Gerechtigkeit.<br />

Damit meine ich nicht eine Richtungsän<strong>de</strong>rung wonach ich die STA und<br />

das LG Vaduz links liegen lassen wür<strong>de</strong> und selber Hand an die<br />

Verbrecher legen wür<strong>de</strong>, eben rücksichtslose Rache ausüben wür<strong>de</strong>.<br />

Natürlich, nach<strong>de</strong>m was ich in Argentinien durchstehen musste, kann<br />

je<strong>de</strong>r wirklich nachvollziehen, dass ich mich zumin<strong>de</strong>st gedanklich mit<br />

"ebenbürtiger" Rache – auch als Teil meiner eigenen Therapie –<br />

auseinan<strong>de</strong>rsetzten musste. Nie habe ich aber Anlass dazu gegeben, dass<br />

dies mein ausgewählter Weg zur Gerechtigkeit sein o<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n sollte.<br />

Ganz im Gegenteil, ich war so felsenfest davon überzeugt, ja eigentlich<br />

von Seiten <strong>de</strong>r STA überzeugt wor<strong>de</strong>n, dass in diesem Jahr 2002 die<br />

anspruchsvolle Anklage wegen schwerer Entführung, schwerer<br />

Freiheitsberaubung, schwerer Erpressung, Nötigung und<br />

Körperverletzung stehen und ein Kriminalgericht einberufen wür<strong>de</strong>.<br />

Deswegen hatte ich mich entschlossen, die Arbeitsstelle bei Treuhand zu<br />

kündigen, um mich zu 1000-prozentig darauf zu konzentrieren.<br />

Dem Rechtsdienst <strong>de</strong>r LTV erzählte ich dann voller Zuversicht, was sich<br />

im Oktober 2002 abspielen wer<strong>de</strong>. Dass Gerechtigkeit geschehen wer<strong>de</strong><br />

und ich meine ganze Energie auf diese kommen<strong>de</strong>n wichtigen Wochen<br />

152


und Monate konzentrieren wollte. Meine Hauptaufgabe bei <strong>de</strong>r<br />

Treuhand war erfüllt: alle Mitarbeiter waren auf <strong>de</strong>m neusten Stand <strong>de</strong>r<br />

internen Schulung und auch alle dazu notwendigen Unterlagen waren<br />

up-to-date. Ich sagte ihnen, dass ich unter Einhaltung <strong>de</strong>r dreimonatigen<br />

Kündigungsfrist zum En<strong>de</strong> November 2002 die Firma verlassen wollte.<br />

Sie waren enttäuscht, dass ich gehen wollte und versuchten mich zum<br />

Bleiben zu überre<strong>de</strong>n. Da ich natürlich nichts im Kündigungsschreiben<br />

über meinen juristischen Kampf erwähnen konnte und wollte,<br />

empfahlen sie mir, einfach hineinzuschreiben, dass ich mich ausserhalb<br />

<strong>de</strong>r Firma weiterbil<strong>de</strong>n möchte. Denn rein gar nichts schreiben, quasi<br />

nur einen Einzeiler, das wollte ich auch nicht. Nach Absprache mit<br />

ihnen, setzte ich folgen<strong>de</strong>s Schreiben auf und sen<strong>de</strong>te diese am<br />

29.08.2002 <strong>de</strong>m Personaldienst <strong>de</strong>r LGT.<br />

An die Geschäftsleitung <strong>de</strong>r LGT Treuhand AG,<br />

Vaduz, <strong>de</strong>n 29. August 2002<br />

Sehr geehrter Herr Dr. Nicola Feuerstein, Sehr geehrter VR<br />

Werner Orvati, Sehr geehrte Herren <strong>de</strong>r Geschäftsleitung.<br />

Es ist mir nicht leicht gefallen!<br />

Auflösung <strong>de</strong>s <strong>Die</strong>nstverhältnisses.<br />

In <strong>de</strong>n letzten Wochen habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich<br />

meine Freizeit sinnvoll mit persönlicher und beruflicher<br />

Weiterbildung ausfüllen kann. Mit meinen jungen 37 Jahren sehe<br />

ich noch die Kraft und Möglichkeit meinen Wissens-Horizont im<br />

grösseren Stil zu erweitern. Z.B. neue, schwierigere Sprachen zu<br />

erlernen und auch Kurse/Schulen zu besuchen, die neues Wissen<br />

vermitteln und die Persönlichkeit formen. <strong>Der</strong> diesbezügliche<br />

Markt ist sehr gross und die Auswahl keine leichte Aufgabe. <strong>Der</strong><br />

errechnete Zeitaufwand für die in Frage kommen<strong>de</strong><br />

Neuorientierung ist beachtlich. Nach reifer Überlegung bin ich<br />

zum Schluss gekommen, dass dafür meine ganze Energie<br />

gebraucht wird und ich darum die Arbeitsstelle fristgerecht,<br />

unter Einhaltung <strong>de</strong>r 3-monatigen Kündigungsfrist auf <strong>de</strong>n 30.<br />

November 2002 kündige. Niemand ist unersetzbar - das gilt auch<br />

für mich....... Man kann heute feststellen, dass mein<br />

Aufgabengebiet (e-doc) eine gute Eigendynamik entwickelt hat:<br />

° das e-doc-Organisation steht.<br />

° <strong>Der</strong> neue BAK ist in Kraft.<br />

° alle MitarbeiterInnen sind bis ins Detail geschult.<br />

153


° <strong>Die</strong> Bereinigung <strong>de</strong>r MAN ist voll im Gang<br />

° <strong>Die</strong> e-doc-Unterlagen sind up-to-date.<br />

Ob Sie nun die Stelle neu besetzten o<strong>de</strong>r die Aufgaben auf<br />

bestehen<strong>de</strong> MA verteilen; selbstverständlich wer<strong>de</strong> ich bis zu<br />

meinem letzten Arbeitstag zu 100 % mithelfen, dass die Übergabe<br />

nach Ihren Wünschen und Vorstellungen über die Bühne geht.<br />

Hiermit möchte ich auch meinen Dank speziell an Dr. Pius<br />

Schlachter, VR Werner Orvati, Dr. Nicola Feuerstein, Wolfgang<br />

Bösch aussprechen, dass ich für fast 2 Jahre Teil dieser LGT<br />

Familie sein durfte. Auch allen An<strong>de</strong>ren danke ich für das<br />

Vertrauen und für <strong>de</strong>n gezeigten Führungsstil. Ich wünsche allen<br />

gute Geschäfte und vor allem Gesundheit, Glück und<br />

Zufrie<strong>de</strong>nheit. (gez.) Heinrich (HENRY) Kieber<br />

<strong>Die</strong> nun von Hans-Adam und an<strong>de</strong>rer diversen Liechtensteiner Seiten im<br />

Februar, März 2008 gemachten Behauptung, die LGT Treuhand hätte mir<br />

gekündigt, o<strong>de</strong>r ich wäre (ohne Kündigung) ins "Ausland abgetaucht" ist<br />

falsch und eine Lüge. Natürlich kann ich <strong>de</strong>ren Entstellung <strong>de</strong>r Wahrheit<br />

nachvollziehen. Es sieht einfach für sie besser aus, nach <strong>de</strong>m Ausbruch<br />

<strong>de</strong>s Skandals Mitte Februar 2008.<br />

Alle Mitarbeiter <strong>de</strong>r LGT Treuhand waren über meine Kündigung<br />

erstaunt und viele fan<strong>de</strong>n es scha<strong>de</strong>. Ich war, wie mein Ex-Chef einmal<br />

sagte, ein aufgeweckter "bunter Hund". Ich arbeitete noch die vollen<br />

DREI Monate <strong>de</strong>r Kündigungsfrist, bis En<strong>de</strong> November 2002 durch. Und<br />

war abermals zusätzlich im Dezember 2002, berufsbedingt viermal<br />

zurück ins Büro zur Unterstützung in Sachen e-Doc gerufen wor<strong>de</strong>n.<br />

Auch im Sommer 2002 wur<strong>de</strong>n alle Bewohnern <strong>de</strong>s Hauses Neue<br />

Churerstrasse 27 in Balzers von <strong>de</strong>r neuen Hausverwaltung informiert,<br />

dass für die noch nicht verkauften Wohnungen (also auch diejenige, in<br />

<strong>de</strong>r ich seit Jahren wohnte) endlich Käufer gefun<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n waren.<br />

Meine Wohnung wur<strong>de</strong> von einem netten italienischen Ehepaar mit<br />

zwei Kin<strong>de</strong>rn, das schon lange in Liechtenstein wohnte, für <strong>de</strong>n<br />

Eigengebrauch gekauft. Sie kündigten mir <strong>de</strong>shalb und wir vereinbarten,<br />

dass ich spätestens bis En<strong>de</strong> Dezember 2002 ausziehen wer<strong>de</strong>. Sie sagten,<br />

sie könnten in ihrer jetzigen Mietwohnung noch bis En<strong>de</strong> Februar 2003<br />

154


leiben und dass sie einen Umzug in ihre neu gekaufte Wohnung im<br />

Januar/Februar 2003 planten.<br />

Als im August 2002 <strong>de</strong>r Termin für die Obergerichtsverhandlung in <strong>de</strong>r<br />

Zivilsache bekannt gegeben wur<strong>de</strong>, habe ich sofort <strong>de</strong>n Staatsanwalt<br />

Haun angerufen. Ich teilte ihm mit, dass es im Oktober 2002 wohl die<br />

letzte Möglichkeit wäre, Helmut und seine Frau wegen Argentinien<br />

festzunehmen und endlich richtig einzuvernehmen, da bei<strong>de</strong> vermutlich<br />

zur Verhandlung nach Vaduz kommen wür<strong>de</strong>n. Ich dankte <strong>de</strong>m<br />

Staatsanwalt wie immer für seine Mühe und er hat mir wortwörtlich<br />

zugesagt, Helmut Roegele nochmals und seine Frau erstmals als<br />

Beschuldigte wegen Argentinien durch <strong>de</strong>n UR befragen zu lassen. Über<br />

eine mögliche angeordnete Inhaftnahme konnte er mir aus beruflichen<br />

Grün<strong>de</strong>n lei<strong>de</strong>r nichts verraten. <strong>Die</strong> Anklage wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Paar dann<br />

ausgehändigt. Er sagte sogar, er könne das für mich tun, gar kein<br />

Problem. Ich war sehr erleichtert und dankte ihm tausendmal dafür,<br />

dass es jetzt endlich, endlich vorwärts ginge.<br />

Das Ehepaar war im Oktober zur nächsten Run<strong>de</strong> im Zivilprozess<br />

angereist. Ich machte mir wie<strong>de</strong>rum keine Sorgen, <strong>de</strong>nn ich wusste ja,<br />

dass sie jetzt <strong>de</strong>finitiv wegen Argentinien einvernommen wer<strong>de</strong>n sollten<br />

und dass die Anklage druckfrisch kommen wür<strong>de</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Obergerichtssitzung am 03. Oktober war nicht-öffentlich. Und auch<br />

ohne Beisein <strong>de</strong>r Parteien. Circa zehn bis 14 Tage später wollte ich bei<br />

<strong>de</strong>r Sekretärin <strong>de</strong>s UR Dr. Meier die Kopien <strong>de</strong>r Einvernahme <strong>de</strong>s<br />

Ehepaars Roegele holen. Sie gab mir eine Kopie in die Hand. In <strong>de</strong>r<br />

Hektik und da emotional zu aufgewühlt hatte ich das Deckblatt nicht<br />

gleich gelesen. Im Gang traf mich <strong>de</strong>r Schlag!<br />

Es war eine Aussage von Helmut und seiner Frau im 140er, <strong>de</strong>m<br />

(Spanien-) Fall in Vaduz gegen mich und nicht eine Einvernahme im<br />

101er, <strong>de</strong>m (Argentinien-) Fall gegen Helmut & Co.<br />

Sie wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>swegen überhaupt nicht einvernommen. Ich war ausser<br />

mir! Mein Zorn war nicht zu bändigen! Ich rannte sofort quer durch<br />

Vaduz zum Haus <strong>de</strong>r STA rüber und klingelte. Es war ein o<strong>de</strong>r zwei<br />

Minuten vor 12 Uhr Mittags. Eine Männerstimme sagte mir über die<br />

Gegensprechanlage, dass Haun schon zu Mittagessen gegangen sei. <strong>Die</strong>s<br />

war besser so – für mich. Ich musste mich beruhigen. Ich musste mich<br />

beruhigen! Ich musste mich verdammt noch mal beruhigen! Mir wur<strong>de</strong><br />

ganz schlecht! Aber warum hat er mich angelogen? Warum hat er<br />

155


gesagt, er wür<strong>de</strong> Helmut & Co. mit <strong>de</strong>r Anklage in die Mangel nehmen,<br />

er könne das für mich tun, es ginge vorwärts, wenn er in Wahrheit nichts<br />

getan hat? Er hätte es nicht sagen müssen, er ist nicht dazu verpflichtet<br />

mir Auskunft darüber zu geben, was läuft und was nicht. Ich rief dann<br />

sicher 30 Mal die Büronummer von STA Haun an. Je<strong>de</strong>s Mal wur<strong>de</strong> ich<br />

von einer Sekretärin dort vertröstet und aufgefor<strong>de</strong>rt am nächsten Tag<br />

anzurufen. Immer ohne Erfolg.<br />

Einige Tage später kam das Urteil <strong>de</strong>s Obergerichtes vom 3.10.02 per<br />

Post zu mir nach Hause: Verloren.<br />

Ein weiterer Tiefschlag. Ich ging mit meinem RA sofort wie<strong>de</strong>r in die<br />

Berufung, dieses mal an <strong>de</strong>n Obersten Gerichtshof in Vaduz.<br />

Im November 2002, am 8. o<strong>de</strong>r 9. bekam ich eine Abholauffor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Post in Balzers. Ich musste zwei dicke Kuverts (per Einschreiben) vom<br />

Gericht aus Vaduz abholen. Obwohl ich einen RA hatte, konnte ich es so<br />

organisieren, dass das Gericht mir die Post direkt schickte. <strong>Der</strong> eine<br />

Umschlag enthielt eine fixfertige Anklage (140er) gegen mich<br />

(Wohnungskauf in Spanien 1996). Ich war sprachlos.<br />

<strong>Die</strong> Anklage war mit 7.11.02 datiert und von STA Haun unterschrieben.<br />

Er war <strong>de</strong>r Staatsankläger. Mir wur<strong>de</strong> übel und ich konnte die Zeilen in<br />

<strong>de</strong>r Anklage nicht klar lesen. Meine Augen begingen zu schimmern und<br />

<strong>de</strong>r Kopf wur<strong>de</strong> schwer.<br />

Das an<strong>de</strong>re Kuvert enthielt einen zwei Seiten langen Brief vom UR Dr.<br />

Meier, datiert auch vom 7.11.02. Darin musste er mir auf Anordnung <strong>de</strong>s<br />

STA Haun mitteilen, dass die STA das Strafverfahren (101er) gegen alle<br />

Beteiligten im Argentinienfall eingestellt hatte. Ohne Angabe von<br />

Grün<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> STA muss gemäss Gesetzt nieman<strong>de</strong>m <strong>de</strong>n Grund<br />

angeben, warum sie einen Fall einstellt. Es genügt, wenn die STA in<br />

ihrem eigenen, nicht-öffentlichem "Fallbuch" die Grün<strong>de</strong> einträgt. <strong>Die</strong>ses<br />

Buch wird bei <strong>de</strong>r STA verwahrt.<br />

Für mich war die Welt am En<strong>de</strong>! <strong>Die</strong> Scheiss STA! Warum keine Anklage<br />

im 101er? Warum <strong>de</strong>r 101er eingestellt? Was heisst ohne Grund? Warum<br />

ich angeklagt? Wie konnten sie nur? <strong>Die</strong>se Lügner.<br />

Nur Gott weiss genau, warum STA Haun, vom Teufel geritten, mich<br />

verbissen wegen Barcelona verurteilt sehen möchte.<br />

Einiges <strong>de</strong>utet auf ein falsches Spiel <strong>de</strong>r STA hin: Fakt ist, dass die<br />

spanische Justiz zwei mal die Bitte (offizielle Anträge) <strong>de</strong>s UR Dr. Meier<br />

156


um die Abtretung <strong>de</strong>s Falls an das Gericht <strong>de</strong>s ständigen Wohnsitz <strong>de</strong>s<br />

Beklagten, nämlich das LG Vaduz in Liechtenstein, abgelehnt hatte. Eine<br />

solche Möglichkeit wür<strong>de</strong> das entsprechen<strong>de</strong> europäische Abkommen<br />

ausdrücklich vorsehen. Ein weiteres Faktum ist: <strong>Der</strong> Kläger in Spanien,<br />

<strong>de</strong>r Verbrecher Helmut Roegele, hat nie ein Gesuch gestellt o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Wunsch gegenüber <strong>de</strong>r Justiz in Liechtenstein o<strong>de</strong>r in Spanien<br />

geäussert, dass er eine Strafverfolgung meinerseits wegen <strong>de</strong>s<br />

Wohnungskaufs 1996 in Barcelona hier beim LG Vaduz haben möchte.<br />

Das wäre das "Logischte" gewesen. Er und sein RA in Vaduz kannten<br />

seit Sommer 1997 mein offizielle Adresse.<br />

Ja, es wäre logisch gewesen, hätte sich die ganze Sache in Barcelona<br />

(Wohnungskauf) und in Argentinien nach <strong>de</strong>r Version von Helmut<br />

ereignet. Da dies nicht <strong>de</strong>r Fall war, hatte Helmut das ureigenste<br />

Interesse daran, dass die Spanier nicht auf die I<strong>de</strong>e kommen wür<strong>de</strong>n,<br />

ihren Fall nach Vaduz abzugeben. Für ihn war es lebensnotwendig, dass<br />

<strong>de</strong>r Haftbefehl gegen mich aufrechterhalten blieb. Denn nur wenn ich<br />

weiterhin in meiner juristischen Verteidigung geschwächt und<br />

persönlich in meiner Mobilität eingeschränkt bliebe, könnte mein Kampf<br />

um eine Strafanklage gegen die Täter aus Argentinien beeinträchtigt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Es bestand also nie ein Antrag von irgendwelcher Seite an die STA in<br />

Vaduz, ein Strafverfahren wegen <strong>de</strong>s Wohnungskaufs in Vaduz<br />

durchzuführen. Trotz<strong>de</strong>m war Herr Haun scharf auf eine Anklage gegen<br />

mich. Erst dann wur<strong>de</strong> mir langsam bewusst, dass sich <strong>de</strong>r LR Oehri mit<br />

<strong>de</strong>m STA Haun ständig abgesprochen haben musste und dass sie auch<br />

die Entwicklungen in bei<strong>de</strong>n hängigen Gerichtsfällen (Zivil und Straf) in<br />

Vaduz gemeinsam orchestrierten. Rückblickend weiss ich ganz genau<br />

warum man dies so wollte: Ich wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Liechtensteiner Justiz immer<br />

lästiger. Obwohl ich mich (bis zur "dicken Post" an Hans-Adam im<br />

Januar 2003 - siehe nächstes Kapitel) gegenüber <strong>de</strong>r ganzen Justiz<br />

gegenüber immer korrekt und anständig verhalten hatte. We<strong>de</strong>r hatte<br />

ich die Fassung verloren noch mich beschwert, wenn sich <strong>de</strong>r LR und<br />

vor allem die STA von Anfang an etliche offenkundige Fehler leisteten,<br />

die schwerwiegen<strong>de</strong> juristische Konsequenzen für mich be<strong>de</strong>uteten<br />

(ganz zu schweigen von <strong>de</strong>n Demütigungen). Obwohl dies so war,<br />

wur<strong>de</strong> ich von Seiten <strong>de</strong>s LR Oehri und speziell seitens <strong>de</strong>r STA wie <strong>de</strong>r<br />

letzte Dreck behan<strong>de</strong>lt. Meine Unterlagen, die zum Himmel schreien<strong>de</strong>n<br />

Beweise wer<strong>de</strong>n einfach nicht gelesen! Und wenn dann nur<br />

oberflächlich. Nie wur<strong>de</strong>n sie aber gewürdigt!<br />

157


Was die Einstellung <strong>de</strong>s 101er Strafverfahrens betrifft, möchte ich auch<br />

noch Folgen<strong>de</strong>s schreiben (was ich übrigens auch Hans-Adam auf eine<br />

Tonkassette als Beilage zum "Brief vom 7.1.03" mitgeteilt habe, siehe<br />

nächstes Kapitel): Wenn man <strong>de</strong>n Akteninhalt <strong>de</strong>s 101er ansieht, so hat<br />

eigentlich <strong>de</strong>r STA Haun nichts gemacht. Nichts was <strong>de</strong>r<br />

Wahrheitsfindung dienlich war. Wo sind seine Bemühungen vermerkt?<br />

Nichts hat er gemacht, rein gar nichts! Er hat nur all seine Kraft auf das<br />

Ziel gesetzt, das Verfahren gegen die Verbrecher ohne Grund einstellen<br />

zu können. Es ist halt billiger für das Land und besser für seine<br />

Reputation. Eine Spurensicherung am Tatort in Argentinien hätte ohne<br />

Probleme durch Interpol Argentinien bewerkstelligt wer<strong>de</strong>n können. Es<br />

wäre sicher kein Problem für <strong>de</strong>ren Spezialisten gewesen, Blutproben<br />

von meinem Blut im Turm festzustellen, obwohl die Verbrecher<br />

vermutlich schon alles gereinigt hatten. Und warum hat man meine<br />

an<strong>de</strong>ren Angaben zum Inneren <strong>de</strong>s Turm, in <strong>de</strong>m ich gefangen gehalten<br />

wur<strong>de</strong>, nicht überprüft? Es hätte auch Liechtenstein nichts gekostet.<br />

Abgesehen von <strong>de</strong>n im Detail nicht zu überbieten<strong>de</strong>n Schil<strong>de</strong>rungen zur<br />

Entführung, Freiheitsberaubung und Gefangenschaft in Argentinien, die<br />

"niemand sich einfach nur aus<strong>de</strong>nken kann" und abgesehen vom<br />

Gutachten <strong>de</strong>s Gerichtsmediziners, springt ein weiterer Beweis je<strong>de</strong>m,<br />

vor allem einem Staatsanwalt, gera<strong>de</strong>zu ins Auge: Wo ist die<br />

wirtschaftliche Grundlage für die Behauptung <strong>de</strong>s Verbrechers Helmut,<br />

ich hätte f r e i w i l l i g, "quasi aus Spass am Geldverteilen" ihm ca. CHF<br />

400'000,-, <strong>de</strong>m Komplizen Mariano ca. CHF 400'000,- und <strong>de</strong>m Schwager<br />

von Helmut ca. CHF 10'000,- überweisen bzw. überlassen wollen??? Das<br />

ist eine völlig absur<strong>de</strong> Behauptung seitens <strong>de</strong>r Täter. We<strong>de</strong>r Mariano<br />

noch <strong>de</strong>r Schwager hatten seit Argentinien nie auch nur eine Sekun<strong>de</strong><br />

lang einen Anspruch auf "ihren Teil" <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r BAWAG liegen<strong>de</strong>n<br />

Gel<strong>de</strong>r gemacht und bei<strong>de</strong> sind um Untergrund verschwun<strong>de</strong>n. Vorher<br />

hatte <strong>de</strong>r Schwager, Herr Kroschel nach meiner Anzeige eiligst auf seinen<br />

Anteil "verzichtet". Helmut war mit <strong>de</strong>r verlogenen "Wohnungskauf"-<br />

Geschichte ja bekanntlich erfolgreich. Wenn da ein halbwegs normal<br />

funktionieren<strong>de</strong>r Staatsanwalt keine starken Grün<strong>de</strong> für eine<br />

Anklageerhebung sieht, hat er <strong>de</strong>n falschen Beruf ausgewählt. In<br />

meinem Fall waren die involvierten Staatsanwälte nicht dumm. <strong>Die</strong><br />

Hür<strong>de</strong> für eine Anklageerhebung durch die STA ist laut<br />

Strafprozessordnung gar nicht hoch. Gemäss StPO muss die STA sogar<br />

Anklage erheben. Ob dann ein Kriminalgericht die Täter verurteilen<br />

wür<strong>de</strong>, ist eine ganz an<strong>de</strong>re Sache. Und wenn in meinem Fall die<br />

158


Beweise für eine Anklage nicht ausreichen, dann weiss ich nicht was <strong>de</strong>r<br />

Gesetzgeber verlangt.<br />

Haun wusste ganz genau, dass ich nie die finanziellen o<strong>de</strong>r<br />

kräftemässigen Möglichkeiten hatte, eine Anklage in Argentinien<br />

voranzutreiben. Abgesehen davon, dass ich nochmals zehn Jahre auf die<br />

Gerechtigkeit hätte waren müssen. So hat er mir meine letzte<br />

Möglichkeit geraubt, die Leute zur Rechenschaft zu ziehen. In Wahrheit<br />

wollte er mir nie helfen, ich war ihm ein zu lästiger Fall. Was mein Blut<br />

zum kochen brachte, war – <strong>de</strong>r nun rückblickend klar ersichtliche,<br />

unehrliche Umgang <strong>de</strong>r STA mit meiner Folter.<br />

STA Haun sagte mir einmal am Telefon, ja er verstehe was ich<br />

durchgemacht habe, ja er verstehe das, er kann es nachvollziehen, er<br />

helfe mir! Ich verlangte nie, dass die Justiz alles im Detail nachlebt.<br />

Erstens geht das nicht und zweitens fehlt <strong>de</strong>r Justiz naturgemäss die<br />

eigene, persönliche Erfahrung dafür. Ich habe auch nicht um Mitleid<br />

gebeten. Ich habe nur wie<strong>de</strong>r und wie<strong>de</strong>r und wie<strong>de</strong>r schriftlich und<br />

mündlich gebeten, die Verbrecher <strong>de</strong>r gerechten Strafe, sprich einem<br />

Kriminalgericht zuzuführen. Ich war so naiv zu glauben, dass die STA<br />

und Justiz <strong>de</strong>n Fall zum Kriminalgericht bringen wür<strong>de</strong>. Nicht mal eine<br />

or<strong>de</strong>ntliche Einvernahme <strong>de</strong>r Beschuldigten und Vorenthaltung <strong>de</strong>rer<br />

Wi<strong>de</strong>rsprüche hatte man bewerkstelligen können.<br />

Ich fin<strong>de</strong> es auch eine absolute heuchlerische Berufsauffassung wenn<br />

<strong>de</strong>rselbe Staatsanwalt mir seit mehreren Jahren in <strong>de</strong>r Causa Argentinien<br />

vorgibt die Anklage sei bald fertig geschrieben, diese aber nie<br />

produziert. Anschliessend erhebt <strong>de</strong>rselbe Staatsanwalt Anklage gegen<br />

mich (was man doch wirklich einem an<strong>de</strong>ren Staatsanwalt hätte<br />

überlassen können). Auch <strong>de</strong>r hinterlistige, exakt gleichzeitig terminierte<br />

Versand <strong>de</strong>r zwei Umschläge (Anklage 140er & Einstellung 101er), <strong>de</strong>r<br />

mich emotional hart treffen sollte, zeigt die <strong>de</strong>utlich zynische<br />

Geistesrichtung <strong>de</strong>r STA. Gegen die Anklage habe ich postwen<strong>de</strong>nd<br />

und fristgerecht schriftlich Einspruch erhoben.<br />

Ich fuhr sofort zum UR Dr. Meier in sein Büro. Er war auch betrübt über<br />

die Einstellung. Er hat mir aber Mut gemacht und gesagt, dass ich als<br />

Privatbeteiligter an diesem Verfahren unbedingt einen Antrag auf<br />

Fortsetzung <strong>de</strong>s Strafverfahrens bei Gericht innerhalb <strong>de</strong>r 14-Tage-Frist<br />

stellen sollte. Das Obergericht wür<strong>de</strong> dann entschei<strong>de</strong>n, ob das<br />

Strafverfahren wie<strong>de</strong>r fortgesetzt wür<strong>de</strong> und wenn ja, dann ohne die<br />

STA. <strong>Die</strong> Chance auf Weiterführung <strong>de</strong>s Strafverfahrens sei sehr gut,<br />

meinte er. <strong>Der</strong> Privatbeteiligte (also ich) könnte dann Anträge an <strong>de</strong>n UR<br />

159


machen o<strong>de</strong>r gar selber eine Anklage, als benannter Subsidiarankläger<br />

einbringen und erheben. <strong>Die</strong> STA ist aus <strong>de</strong>m Spiel. Also hatte ich am 22.<br />

November 2002 einen siebenseitigen Antrag auf Fortsetzung <strong>de</strong>r<br />

Strafuntersuchung für <strong>de</strong>n Fall 101 gestellt und am gleichen Tag für<br />

bei<strong>de</strong> Fälle (101er &140er) einen Antrag auf Verfahrenshilfe gestellt.<br />

Damit ich weiterhin professionellen Beistand durch meinen RA erhalten<br />

konnte und bezahlen konnte.<br />

Es waren die letzten Wochen meiner Arbeitszeit bei <strong>de</strong>r LGT Treuhand.<br />

Einem Vertrauten aus <strong>de</strong>r Rechtsabteilung hatte ich von <strong>de</strong>n<br />

Horrornachrichten erzählt. Da ich schon gekündigt hatte, wünschte man<br />

mir Alles Gute und viel Zuversicht. En<strong>de</strong> November 2002 gab es dann<br />

eine kleine Abschiedsparty im grossen Pausenraum <strong>de</strong>r Treuhand und<br />

es wur<strong>de</strong> mir eine schöne Abschiedskarte mit kleinen Geschenken<br />

überreicht. Somit fand meine Arbeit in <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r dicken Koffer voller<br />

Geld, <strong>de</strong>r schmutzigen Geschäfte, <strong>de</strong>r Leichen, <strong>de</strong>r Machtkämpfe und<br />

<strong>de</strong>r offener Gier ein En<strong>de</strong>.<br />

Was mich aber mehr und mehr erstaunte, war mit welchem<br />

Selbstbewusstsein, ja fast schon Leichtigkeit Hans-Adam, die Regierung<br />

und die hohen Finanz-Herren über all die Jahre hinweg immer wie<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>m Ausland versichern konnten, dass hier alles lupenrein war. Dass sie<br />

die Besten sind, dass sie die Schwarzen Schafe im Rhein ersäuft hätten.<br />

Obwohl wir doch alle in Vaduz wussten, dass dies fette Lügen waren. Es<br />

waren glattzüngige Behauptung zu sagen, dass die Justiz und praktisch<br />

<strong>de</strong>r ganze Finanzsektor ständig im Abwehrkampf gegen die bösen,<br />

kriminellen Kun<strong>de</strong>n gewesen wären. Nimmt man die wenigen<br />

Gerichtsurteile unter die Lupe, die im Zusammenhang mit<br />

Briefkastenfirmen, Geldwäscherei, Korruption, Betrug etc. in<br />

Liechtenstein gefällt wor<strong>de</strong>n waren, kann man klar erkennen, dass die<br />

hohen Finanz-Herren, die einheimischen Banken und Treuhän<strong>de</strong>r immer<br />

verschont und geschützt haben. O<strong>de</strong>r vergleicht man die Jahresstatistik<br />

<strong>de</strong>r gesetzlich vorgeschriebenen Geldwäscherei-Verdachtsmeldungen<br />

von Seiten <strong>de</strong>r Banken, Treuhän<strong>de</strong>r und an<strong>de</strong>rer Organe mit <strong>de</strong>m Total<br />

<strong>de</strong>r verwalteten Vermögen aller Liechtensteiner Banken zum jeweiligen<br />

Zeitpunkt, dann war die Anzahl <strong>de</strong>r Meldungen gera<strong>de</strong>zu lächerlich.<br />

Bei so vielen Milliar<strong>de</strong>n Schweizer Franken und <strong>de</strong>n damit<br />

einhergehen<strong>de</strong>n Banktransaktionen müssten in Wahrheit schon aus<br />

vergleichbaren Erfahrungswerten (z.B. aus <strong>de</strong>r Schweiz) viel mehr<br />

160


Verdachtsmomente vorhan<strong>de</strong>n sein und gemel<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong>r<br />

Finanzanalytiker wusste dies. Verwun<strong>de</strong>rt hatte es aber keinen <strong>de</strong>r<br />

einheimischen Analytiker. <strong>Die</strong> Liechtensteiner Finanzwelt hat ausgefeilte<br />

Tricks entwickelt, sodass die Pflicht zur Meldung umgangen bzw.<br />

verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Als ehemaligen LGT Treuhandmitarbeiter konnte ich solche Tricks<br />

schwarz auf weiss in <strong>de</strong>n Akten nachlesen. Mit <strong>de</strong>r Statistik wollte<br />

Liechtenstein natürlich <strong>de</strong>m Ausland weiss machen, dass <strong>de</strong>r<br />

Finanzplatz sauber sei und die Kontrolle funktionierte. Hans-Adam,<br />

stellvertretend für die Finanzwelt von Liechtenstein, ist ein Meister <strong>de</strong>r<br />

verschie<strong>de</strong>nen Masken. Je nach <strong>de</strong>m ob er entwe<strong>de</strong>r ausländische<br />

Regierungsvertreter, Behör<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r die Medien vor sich hat o<strong>de</strong>r<br />

wichtigen Kun<strong>de</strong>n eine Privataudienz gewährt, er stülpt sich immer die<br />

passen<strong>de</strong> Maske über. Mehr darüber in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Kapiteln.<br />

Wenn ich in meine an<strong>de</strong>re Welt wechselte, in <strong>de</strong>r Folter, Erpressung und<br />

mir geraubtes Geld regierten, eine Welt, <strong>de</strong>r ich nie entkommen konnte,<br />

dann verformte sich dieses Erstaunen in eine steigen<strong>de</strong><br />

Desillusionierung. Schnell wur<strong>de</strong> ich <strong>de</strong>r andauern<strong>de</strong>n,<br />

gebetsmühlenartigen, selbst erfun<strong>de</strong>nen "Heiligsprechung" <strong>de</strong>r hohen<br />

Finanz-Herren aus Liechtenstein überdrüssig.<br />

Wegen <strong>de</strong>s enormen emotionalen Stresses bekam ich im November auch<br />

zusätzlich gesundheitliche Probleme: Schmerzen im oberen<br />

Bauchbereich. Ein Besuch bei meiner Hausärztin Dr. Rheinberger in<br />

Vaduz brachte keine grosse Lin<strong>de</strong>rung. Sie empfahl mir, eine Operation<br />

durchführen zu lassen. <strong>Die</strong> Entfernung <strong>de</strong>r Galle. Gallensteine hatte ich<br />

zwar keine, aber <strong>de</strong>r Schmerz kam mitten in <strong>de</strong>r Nacht und dies schnell<br />

und heftig. Eine Operation wäre nur unter Vollnarkose machbar.<br />

Es wäre meine erste Vollnarkose in diesem Leben. Ich hatte Angst davor.<br />

Ob man da wie<strong>de</strong>r aufwacht? OK, Hans-Adam, die Regierung in Vaduz<br />

und einige <strong>de</strong>r Leser, die Kun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r LGT Treuhand waren o<strong>de</strong>r sind,<br />

wünschen sich jetzt vermutlich, dass ich nie wie<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Narkose<br />

aufgewacht wäre. Meine Operation war für <strong>de</strong>n 20. o<strong>de</strong>r 21.12.02<br />

geplant. Alle meine Freun<strong>de</strong> und Bekannten und die im Spital<br />

wun<strong>de</strong>rten sich, warum ich so kurz vor Weihnachten unters Messer,<br />

überhaupt ins Spital wollte. Mir war das egal, für mich waren dieses Jahr<br />

wahrhaftig keine Weihnachtsfeiern geplant.<br />

161


Mein Antrag auf Verfahrenshilfe wur<strong>de</strong> am 04.12.02 für bei<strong>de</strong> Fälle vom<br />

UR bewilligt. Das war immerhin somit geregelt. Aber dann wie<strong>de</strong>r die<br />

STA. Verflucht noch mal. Obwohl sie nichts mehr mit <strong>de</strong>m 101er zu tun<br />

hatte und ihre Bücher geschlossen hatte, konnte sie es nicht lassen, mich<br />

weiterhin zu ärgern. Sie legte am 12.12.02 Beschwer<strong>de</strong> gegen <strong>de</strong>n<br />

Beschluss <strong>de</strong>s UR Dr. Meier ein, mir Verfahrenshilfe im Argentinienfall<br />

zu gewähren.<br />

Unglaubliche Frechheit! Ich bat <strong>de</strong>n UR um Rat. Er sagte, obwohl die<br />

STA aus <strong>de</strong>m Spiel sei, habe sie trotz<strong>de</strong>m die rechtliche Möglichkeit<br />

ihren "Senf" weiterhin dazuzugeben. <strong>Der</strong>en zynische Logik, warum ich<br />

keine Verfahrenshilfe bekommen sollte, möchte ich meinen Lesern nicht<br />

vorenthalten: <strong>Die</strong> STA argumentierte auf vollen fünf Seiten, dass ich<br />

keine Verfahrenshilfe brauchen wür<strong>de</strong> und erhalten sollte, da ich ja <strong>de</strong>n<br />

Antrag auf Fortsetzung <strong>de</strong>r Strafuntersuchung (101er) vom 22.11.02 auch<br />

selber geschrieben hätte, und daher als Subsidiarankläger "selbst zur<br />

zweckentsprechen<strong>de</strong>n Rechtsverfolgung in <strong>de</strong>r Lage sei".<br />

Was für Quatsch. Wie soll ich, als Laie, fähig sein, einen kommen<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>nkbaren Kriminalgerichtsfall ohne einen Profirechtsanwalt an meiner<br />

Seite als "Kläger" durchzuführen. Was für Schwachsinn. Man erkennt,<br />

dass die STA alles versucht hat, um mir – <strong>de</strong>r nun ohne die STA, alleine<br />

weiterkämpfen musste – das Leben schwer zu machen. Wo solches und<br />

an<strong>de</strong>res Verhalten seitens <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft bei gepeinigten Opfern<br />

hinführt, konnte mal bald sehen. Ich hatte dann 14 Tage Zeit, um gegen<br />

diese Beschwer<strong>de</strong> eine Gegenäusserung zu machen, was ich dann auch<br />

später am 26.12.02 erledigt hatte.<br />

Je mehr ich über die Einstellung <strong>de</strong>s 101er nachdachte, um so grösser<br />

wur<strong>de</strong>n meine Enttäuschung, meine Trauer, meine Wut und mein Hass.<br />

Lei<strong>de</strong>r hatte ich nieman<strong>de</strong>n ausser <strong>de</strong>m UR, <strong>de</strong>n ich um Rat o<strong>de</strong>r Hilfe<br />

bitten konnte. Aber meine Wege zu ihm waren auch schon ausgelatscht.<br />

Mir wur<strong>de</strong> immer klarer, dass all meine Schreiben an die Justiz und die<br />

STA, all meine Arbeit nichts genützt hatte. Und all ihre Fehler und<br />

Unzulänglichkeiten. Ich war und bin sicher auch nicht vollkommen<br />

fehlerfrei.<br />

Ich hatte keine Kraft mehr dafür, keine Kraft mehr Briefe aufzusetzen,<br />

Briefe, die eh keiner liest! Und das war auch Teil <strong>de</strong>s Problem: keiner<br />

liest es, keinen kümmerte es, aber wenn es ums dicke Kohle geht, dann<br />

war und ist man in Vaduz schnell bei <strong>de</strong>r Sache. Irgendwann hat alles<br />

ein En<strong>de</strong>, dachte ich mir. Was mich noch am leben hielt, war das Ziel alle<br />

162


am Verbrechen Beteiligten zur gerechten Strafe zu führen. Koste es was<br />

es wolle! Koste es was es wolle!<br />

So fasste und formulierte ich einen Plan und entschied mich als letzten<br />

Strohhalm bei Hans-Adam um Hilfe zu bitten. Mit <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong>, so war<br />

mir voll bewusst, hatte ich ein Machtinstrument in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n, womit<br />

ich sie alle zwingen konnte, mir endlich zuzuhören.<br />

Es waren äusserst schwierige und verrückte Wochen für mich. Ich<br />

musste viele Entscheidungen treffen: Was soll mit <strong>de</strong>m <strong>Daten</strong>band<br />

geschehen? Was mit <strong>de</strong>n kiloschweren Originaldokumente? Wohin<br />

damit ? Soll ich es nutzten? Wie? Wann?<br />

Gesundheit: Wird die Operation gut verlaufen? Neue Wohnung: Noch<br />

nichts gefun<strong>de</strong>n. Wohin umziehen?<br />

<strong>Daten</strong>? Welche <strong>Daten</strong>? Ach ja, bis anhin habe ich Euch noch nicht<br />

geschil<strong>de</strong>rt, dass ich in <strong>de</strong>n Besitz aller Kun<strong>de</strong>ndaten <strong>de</strong>r LGT Treuhand<br />

gelangt war. Wie bei so vielem in meinem Leben spielte <strong>de</strong>r Zufall<br />

wie<strong>de</strong>r eine grosse Rolle. <strong>Die</strong> nächsten paar Kapiteln in meinem Buch<br />

wer<strong>de</strong>n für Klarheit schaffen.<br />

Zufällig las ich zu jener Zeit auch irgendwo einen Spruch von KANT:<br />

"Er for<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n Einzelnen auf, sich immer wie<strong>de</strong>r zu fragen, wie weit die<br />

eigene Freiheit – auch die zum Bösen – gehen darf, ohne die Freiheit <strong>de</strong>r<br />

An<strong>de</strong>ren zu beschädigen". Wie greifbar ich dies auf meine Situation<br />

beziehen konnte, war schon "beängstigend und faszinierend".<br />

Bezeichnen<strong>de</strong>rweise dachte ich dabei nicht nur an meine ehemaligen<br />

Arbeitskollegen, die ja nichts dafür konnten. Nein, ich dachte auch an<br />

die tausen<strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Leben ich aus <strong>de</strong>n Aktenvermerken<br />

kannte. Ich konnte mir gut vorstellen, was die über die finanziellen<br />

Konsequenzen hinausgehen<strong>de</strong>n Auswirkungen sein könnten.<br />

Trotz <strong>de</strong>r inneren Hektik ging ich ins Spital Vaduz und wur<strong>de</strong><br />

erfolgreich operiert und am 22.12.02 entlassen. <strong>Die</strong> Vollnarkose war eine<br />

neue Erfahrung und meine grösste Angst dabei war, dass ich im<br />

Aufwachzimmer meinen "Plan" ausplappern wür<strong>de</strong>. Mit <strong>de</strong>n neuen<br />

Eigentümern <strong>de</strong>r Wohnung konnte ich vereinbaren, dass ich alles sauber<br />

gereinigt erst am 06. Januar 2003 übergeben musste. Ich verkaufte mein<br />

Auto, verschenkte meine Möbel, löste <strong>de</strong>n ganzen Haushalt auf, löschte<br />

163


meine Bankkonten, mit Ausnahme <strong>de</strong>s Kontos bei <strong>de</strong>r auch nun<br />

berühmten LLB (Liechtensteinische Lan<strong>de</strong>sbank), wo ich noch am<br />

03.01.2003 am Schalter einen Kontoauszug abholte.<br />

Weihnachten 2002 und die Neujahrstage verbrachte ich damit, die<br />

Wohnung zu reinigen und übergabebereit zu machen. Ich schlief viel<br />

und ging alles im Kopf noch mal durch. Natürlich war ich sehr traurig,<br />

dass alles soweit kommen musste. Ich erzählte meinen Freun<strong>de</strong>n, dass<br />

ich ab <strong>de</strong>m 7. Januar 2003 für drei Monate o<strong>de</strong>r so Ferien im Ausland<br />

machen wür<strong>de</strong>.<br />

<strong>Der</strong> Stichtag für mich war <strong>de</strong>r 7. Januar 2003. <strong>Der</strong> Brief und die Kassette<br />

waren fein säuberlich abgepackt. Als Beilage zum Brief habe ich noch<br />

einige Kopien <strong>de</strong>r Gerichtsakten beigelegt. Das 3-D-Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s Kerkers,<br />

dass ich 1998 für das Gericht habe bauen lassen, hatte ich bis anhin bei<br />

mir zu Hause aufbewahrt. <strong>Der</strong> UR war mit <strong>de</strong>n Fotos davon und <strong>de</strong>m<br />

damaligen Begleitschreiben vorerst zufrie<strong>de</strong>n und fügte er sie in <strong>de</strong>n Akt<br />

ein. Ich erinnerte mich, wie <strong>de</strong>r UR. Dr. Meier und ich uns 1998 bildlich<br />

vorstellten, wie man das 3-D-Mo<strong>de</strong>ll in einem Kriminalprozess<br />

verwen<strong>de</strong>n könnte. Das Mo<strong>de</strong>ll verpackte ich zusammen mit einer<br />

Schuhschachtel (die ich auf die Holzplatte festklebte), gefüllt mit<br />

weiteren Akten und gab es am 04.01.2003 <strong>de</strong>m Taxiunternehmen Gabor<br />

mit <strong>de</strong>m Auftrag ab, es spätestens bis zum 08.01.2003, Punkt 11 Uhr<br />

hinauf zum Schloss an Hans-Adam zu überbringen. Gerne hätte ich auch<br />

Hans-Adam <strong>de</strong>n originalgetreuen Nachbau <strong>de</strong>r Eisenkette, samt Ring<br />

und Mauerstück zukommen lassen. Aber dieses Beweisstück lagerte<br />

(und lagert heute noch) im Keller beim LG Vaduz.<br />

Am <strong>Die</strong>nstagmorgen, <strong>de</strong>n 7. Januar 2003, war ich um 09:35 in <strong>de</strong>r LGT<br />

Bank in Vaduz, um mein letztes Konto dort aufzulösen. Dann ging es mit<br />

<strong>de</strong>m Linienbus weiter in meine Heimatgemein<strong>de</strong> Mauren, im<br />

Liechtensteiner Unterland. Mit dabei hatte ich einen grossen Koffer (mit<br />

wenigen Klei<strong>de</strong>rn und viel Originaldokumente drin), einen kleinen<br />

Koffer und meine Computertasche (mit <strong>de</strong>m Tape, <strong>de</strong>r externen<br />

Harddrives und <strong>de</strong>n DVD’s).<br />

Ehrlich gesagt war ich nicht ganz sicher, ob ich <strong>de</strong>n Brief an Hans-Adam<br />

(siehe nächstes Kapitel) schlussendlich bei <strong>de</strong>r Post aufgeben wür<strong>de</strong>. Ich<br />

hatte grosse Skrupel. Ich kannte seine Familie sehr gut. Seine Mutter,<br />

<strong>Fürst</strong>in Gina hatte eine spezielle Beziehung zu mir. Sie kannte mich seit<br />

meiner Kindheit im Gaman<strong>de</strong>r in Schaan. All die Jahre über, bis zu<br />

164


Ihrem Tod En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 80er hielt ich schriftlich Kontakt mit ihr. Ich<br />

vergesse nie die grosse Freu<strong>de</strong> die sie hatte, als ich ihr in meinen<br />

Teenagerjahren selbst gemachten Apfelstru<strong>de</strong>l im Winter im Schnee zu<br />

Fuss über <strong>de</strong>n <strong>Fürst</strong>enweg von Schaan ins Schloss brachte. Sie hatte so<br />

ein grosses Herz. Als ich einmal Anfang 1983 in Zürich stran<strong>de</strong>te, rief ich<br />

sie an. Sie sagte, sie sei in zwei Tagen in Zürich und ich solle auf <strong>de</strong>r<br />

Rückseite <strong>de</strong>s HB Zürichs, beim (heutigen) Lan<strong>de</strong>smuseum am<br />

Nachmittag auf sie warten. Und wahrhaftig, <strong>Fürst</strong>in Gina kam<br />

angefahren. Mit ihrem VW Jetta und wie immer voller Freun<strong>de</strong> am<br />

Leben. Ich konnte bei Bekannten von ihr in Schaan eine Weile bleiben,<br />

bis ich dann eine kaufmännische Ausbildung anfing und eine eigene<br />

Wohnung hatte. Hans-Adam kannte ich auch aus jener Zeit persönlich.<br />

Unbestritten war ich ein starker Anhänger <strong>de</strong>r Monarchie. Das machte<br />

das alles nicht einfacher.<br />

Bis anhin ging alles gut. Niemand bei <strong>de</strong>r LGT Treuhand hatte <strong>de</strong>n<br />

<strong><strong>Die</strong>b</strong>stahl <strong>de</strong>s <strong>Daten</strong>ban<strong>de</strong>s bemerkt. Während <strong>de</strong>r Vorweihnachtszeit<br />

habe ich auch einige meiner ehemaligen Arbeitskollegen <strong>de</strong>r LTV im<br />

Dorf getroffen o<strong>de</strong>r sie kamen mich im Spital besuchen. Erst mit <strong>de</strong>r<br />

unwi<strong>de</strong>rrufbaren Aufgabe <strong>de</strong>s dicken Briefes am Schalter bei <strong>de</strong>r Post in<br />

Mauren wür<strong>de</strong> das Unheil seinen Lauf nehmen. Je<strong>de</strong> Sekun<strong>de</strong> bis zu<br />

diesem Zeitpunkt hätte ich <strong>de</strong>n Lauf <strong>de</strong>r Dinge anhalten können.<br />

<strong>Der</strong> Transport <strong>de</strong>s Kerkermo<strong>de</strong>lls zum Schloss hatte ich zwar schon<br />

organisiert und bezahlt. Aber selbst wenn ich dies nicht hätte stoppen<br />

können, wäre in jenem Paket nichts was mir hätte Ärger einbringen<br />

können. Langsam und schleppend war ich an <strong>de</strong>r Bushaltestelle<br />

"Gemein<strong>de</strong>verwaltung" in Mauren ausgestiegen. Ich zog die Koffer<br />

hinter mir her hoch zum Friedhof. Am Grab meines Vater hielt in inne<br />

und nahm Abschied von ihm. Ich war mir relativ sicher, dass ich nie<br />

wie<strong>de</strong>r nach Liechtenstein o<strong>de</strong>r an sein Grab zurückkommen könnte.<br />

Zumin<strong>de</strong>st für einige Jahre nicht mehr. Vom Friedhof aus, hinten bei <strong>de</strong>n<br />

Gräbern, kann man eine Steintreppe hinunter Richtung Post laufen. Dort<br />

angekommen, ich glaube es war zwischen 11 und 12 Uhr, bezahlte ich<br />

die Gebühr von ca. CHF 25,- für die eingeschriebene Express-Lieferung<br />

zu Hans-Adam auf sein Schloss Vaduz.<br />

Er wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n dicken Umschlag noch am selben Tag erhalten.<br />

Es war schon seltsam: Ich fühlte gleichzeitig eine ungeheuere Traurigkeit<br />

und auch Erleichterung darüber, dass <strong>de</strong>r Argentinienfall wie<strong>de</strong>r oben<br />

auf <strong>de</strong>m Stapel lan<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Ich hatte noch einen zweiten Brief<br />

165


abgeschickt. An UR Dr. Meier. Darin schrieb ich ihm kurz, dass ich unter<br />

allen Umstän<strong>de</strong>n an meinem Antrag zur Weiterführung <strong>de</strong>r<br />

Strafuntersuchung gegen Helmut & Co. festhalten wollte und wür<strong>de</strong>,<br />

komme was wolle. Im Brief waren auch neue Beweise, die ich aus<br />

Spanien per Post erhalten hatte und selber ins Deutsche übersetzt hatte.<br />

Ich bat ihn höflich, diese Unterlagen zu kopieren und im 101er, 140er<br />

und im Akt <strong>de</strong>s Zivilverfahrens abzulegen.<br />

Ich wartete auf <strong>de</strong>n Linienbus nach Feldkirch, <strong>de</strong>r mich zum Bahnhof<br />

bringen sollte. Da angekommen, lief alles genau nach Plan. Ich kaufte<br />

mir für die kommen<strong>de</strong> Zeit genug Euros und nahm <strong>de</strong>n Zug nach<br />

München. Dort, in einem alten, staubigen aber gemütlichen<br />

Imbissrestaurant gegenüber <strong>de</strong>m Hauptbahnhof sass ich in einer Ecke,<br />

all meine Koffer festhaltend und ass etwas kleines, um die Zeit bis zur<br />

Zugabfahrt nach Berlin totzuschlagen.<br />

Berlin, Hauptstadt Deutschlands.<br />

166


Kapitel 7 Dicke Post für Hans-Adam<br />

Es war wirklich kein einfacher Entschluss, mich an Hans-Adam zu<br />

wen<strong>de</strong>n, ihm einen Brief zu schreiben. Ich war aber in höchster Wut über<br />

all das, was ich in <strong>de</strong>n vorhergegangenen Jahren erlei<strong>de</strong>n musste. Mein<br />

restliches Blut hatte <strong>de</strong>n Sie<strong>de</strong>punkt erreicht. Es hat sich alles aufgestaut<br />

und nun war es Zeit, <strong>de</strong>n Dampf gehörig abzulassen. Während <strong>de</strong>s<br />

ganzen Monats Dezember 2002 feilte ich am Text <strong>de</strong>s Briefes und an <strong>de</strong>n<br />

Worten für die Kassette. Gewiss, ich habe meine Hausaufgaben gut<br />

gemacht. Ich hatte alles bis ins kleinste Detail nachgeforscht, überlegt<br />

und ausgearbeitet. Es war mir klar, dass ich mit <strong>de</strong>m Absen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Briefes eine Sprengladung scharf machen wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>ren explosive<br />

Legierung die hohen Finanz-Herren mit ihrer gigantischen,<br />

ausgeprägten Liechtensteiner Geldgier, Arroganz, Ignoranz und<br />

Machtbesessenheit vor Schreck erstarren lassen wür<strong>de</strong>.<br />

Sozusagen eine Art <strong>Fürst</strong>entum Liechtenstein-Neutronenbombe.<br />

Ich musste auf alle möglichen Gegenschläge seitens Hans-Adams<br />

vorbereitet sein. Ich war ja, wie immer, nur eine Ein-Mann-Truppe. Er<br />

hingegen hatte alle nur vorstellbaren staatlichen sowie privaten Mittel<br />

zur Verfügung, um Krieg gegen mich zu führen. Er hat nicht nur<br />

unbegrenzte Geldmittel in Milliar<strong>de</strong>n Höhe und viel Macht, son<strong>de</strong>rn<br />

auch die Macht, „die Macht zu missbrauchen‚! <strong>Der</strong> Originalbrief an ihn<br />

hatte über 38 Seiten. Ausser<strong>de</strong>m hatte ich zusätzlich eine persönliche<br />

Tonbandkassette besprochen und <strong>de</strong>m Brief beigelegt, weil es mir<br />

wichtig und richtig erschien, nebst <strong>de</strong>m gedruckten Wort auch in<br />

akustischer Form meinen Standpunkt, insbeson<strong>de</strong>re die grosse<br />

Frustration zu darzulegen. <strong>Die</strong> gesprochenen Worte auf <strong>de</strong>r Kassette<br />

beinhalteten praktisch i<strong>de</strong>ntisch das Thema unter Punkt I. aus <strong>de</strong>m Brief.<br />

Für ganz wenige Stellen im Brief wur<strong>de</strong> mir aus verschie<strong>de</strong>nen<br />

rechtlichen Grün<strong>de</strong>n und vereinzelt auch wegen Sicherheitsbe<strong>de</strong>nken<br />

aufgetragen Originaltext/-Worte mit <strong>de</strong>m nachstehen<strong>de</strong>n Ausdruck zu<br />

ersetzt: OT Entfernt. Ich bin sicher, dass ich zu einem späteren Zeitpunkt<br />

die unver<strong>de</strong>ckte Version dieses Briefes veröffentlichen kann.<br />

Als unterstützen<strong>de</strong> Hilfe für meine LeserInnen fin<strong>de</strong>t ihr kleine<br />

Anmerkungen im Brief. <strong>Die</strong>se sind kursiv geschrieben und fangen immer<br />

mit „ Anm.: “ an.<br />

167


kieber heinrich – liechtensteiner staatsbürger - im Januar 2003<br />

An unseren regieren<strong>de</strong>n <strong>Fürst</strong>en S.D. Hans-Adam <strong>de</strong>r II. von und<br />

zu Liechtenstein und Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein.<br />

Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit und wäre Ihnen sehr dankbar,<br />

wenn Sie wirklich die Zeit aufbringen wür<strong>de</strong>n, alles selber bis<br />

zum Schluss zu lesen.<br />

So wie man Ihre direkte Sprache kennt, will auch ich versuchen,<br />

ohne Umschweife kurz und bündig aufzuschreiben, was ich<br />

mitteilen möchte. <strong>Die</strong>ses Schreiben hat zehn Themenpunkte.<br />

Vielleicht erinnern Sie sich an mich. Ich habe Ihnen einen<br />

Grussbrief im Januar 2002 auf das Schloss gebracht und auch ein<br />

Glas einer Ihrer Lieblingskonfitüre – schwarze Kirschen. Ich<br />

bedanke mich für Ihre Antwort. Aber, ich bin es nicht mehr<br />

würdig Antwort- o<strong>de</strong>r Grussbriefe von <strong>de</strong>r <strong>Fürst</strong>enfamilie<br />

aufzubewahren; ich lege daher alle Briefe <strong>de</strong>r letzten 15 Jahre<br />

gebün<strong>de</strong>lt bei. Beiliegend zu diesem Brief hier fin<strong>de</strong>n Sie alle<br />

Unterlagen über ein brutales Verbrechen, dass mir im März/April<br />

1997 in Argentinien angetan wur<strong>de</strong> und mein Han<strong>de</strong>ln und<br />

Denken massiv geän<strong>de</strong>rt hat. Ein zweites Paket mit weiteren<br />

Dokumenten kommt Morgen, <strong>de</strong>n 08.01.03 um ca. 11 Uhr per<br />

Kurier für Sie im Schloss an.<br />

Was immer jetzt in <strong>de</strong>r Folge geschieht, niemand – auch Sie <strong>Fürst</strong><br />

Hans-Adam – wird mich verstehen können, wenn man nicht die<br />

umfassen<strong>de</strong>n Unterlagen, die SIE jetzt nun und morgen haben<br />

wer<strong>de</strong>n, studieren. Und um einen Weg aus diesem schwarzen<br />

Loch zu fin<strong>de</strong>n – muss man mich verstehen! Ich habe ein<br />

Gewissen und in diesem Fall ein sehr Schlechtes. Es tut es mir<br />

sehr, sehr Leid, dass es alle sehr hart trifft und noch härter treffen<br />

kann. Denn innerhalb <strong>de</strong>r kommen<strong>de</strong>n 2 Stun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n Sie<br />

erschrecken; in <strong>de</strong>n darauf folgen<strong>de</strong>n 12 Stun<strong>de</strong>n wird eine Wut<br />

aufkommen. Am nächsten Tag wird diese Wut sich immens<br />

steigern; innerhalb weniger Tage wer<strong>de</strong>n Sie mich hassen. So sehr<br />

hassen, dass selbst bei Ihnen - einem visionären Staatsmann und<br />

sehr guten <strong>Fürst</strong>en - das heimliche Verlangen aufkommen wird,<br />

mir <strong>de</strong>n Tod zu wünschen: die Macht und das Geld dazu haben<br />

Sie ja – fehlt nur noch <strong>de</strong>r Wille.<br />

168


Nein, ich bin nicht verrückt! Trotz Ihrem Hass auf mich bitte ich<br />

Sie um Vergebung. Ich bin ein intelligenter Mensch und mein<br />

Han<strong>de</strong>ln ist mir sehr bewusst.<br />

Meine Antriebskraft zu tun was ich getan habe, liegt in <strong>de</strong>r<br />

Erniedrigung, <strong>de</strong>r Demütigung, <strong>de</strong>r To<strong>de</strong>sangst und in <strong>de</strong>m<br />

Schmerz <strong>de</strong>r Folterung, die ich in Argentinien erlei<strong>de</strong>n musste.<br />

Zusammengefasst erkennt man meine Motive in <strong>de</strong>r<br />

Tonbandaussage* von meiner Anzeige bei <strong>de</strong>r FL-Polizei vom<br />

April ’97 und in meinem Schreiben* an <strong>de</strong>n Hauptverbrecher<br />

vom 24.02.2000. * = Kopie Beiliegend.<br />

Meine Antriebskraft zu tun, was ich tun wer<strong>de</strong>, liegt in <strong>de</strong>r<br />

Unfähigkeit / Weigerung <strong>de</strong>r FL-Staatsanwaltschaft Anklage<br />

gegen die bekannten Täter zu erheben.<br />

Dass SIE Durchlaucht diesen Brief samt <strong>de</strong>n Unterlagen in <strong>de</strong>n<br />

Hän<strong>de</strong>n halten, liegt daran, dass ich von <strong>de</strong>r FL-Justiz,<br />

insbeson<strong>de</strong>re von <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft trotz <strong>de</strong>r erdrücken<strong>de</strong>n<br />

Beweise und massiver Wi<strong>de</strong>rsprüche seitens <strong>de</strong>r Beschuldigten<br />

billig im Stich gelassen wor<strong>de</strong>n bin. Da meine Aufführungen<br />

diesbezüglich über 400 Seiten füllen wür<strong>de</strong>n und ich schon in <strong>de</strong>n<br />

letzten sechs Jahren hun<strong>de</strong>rte Seiten voll von Anträgen, Analysen<br />

und Aussagen etc. an die Justiz geschrieben habe, habe ich für Sie<br />

Vollmachten (vermutlich bräuchten Sie gar keine) für die volle<br />

Aktensicht beigelegt. Eine kurze Zusammenfassung mit meinen<br />

konkreten Klagen habe ich mittels meines Rechts auf freie<br />

Meinungsäusserung auf beiliegen<strong>de</strong> Kassette (Seite A)<br />

gesprochen. Ich bitte Sie, die Kassette abzuspielen und mehrmals<br />

abzuspielen und zuzuhören! Danke.<br />

Ich habe von allen Unterlagen, die ich zu selber zu Hause hatte,<br />

elektronische Kopien erstellt und übergebe Ihnen als Beilage (zu<br />

diesem Brief und im Paket) alle meine Papierkopien.<br />

(gez.) h. kieber beilagen: erwähnt<br />

<strong>Die</strong> Zeichnungen auf <strong>de</strong>n jeweiligen Rückseiten <strong>de</strong>r zehn Themen<br />

sind Fotokopien <strong>de</strong>r drei Kohle-Bil<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m 101er Akt, die ich<br />

extra dafür zeichnen lies.<br />

169


I. Gerechtigkeit<br />

Einschliesslich an meine Ausführungen auf <strong>de</strong>r beiliegen<strong>de</strong>n<br />

Kassette bitte ich Sie, Durchlaucht, als Oberste Instanz unseres<br />

Staates mir Gerechtigkeit zu ermöglichen. Ich will nicht das Recht<br />

beugen o<strong>de</strong>r gar etwas zu meinen Gunsten erzwingen. Fast sechs<br />

Jahre habe ich je<strong>de</strong>n Tag gewartet, dass die Staatsanwaltschaft<br />

endlich etwas macht. Aber nichts geschah. Rückblickend bin ich<br />

überzeugt, dass man mich einfach im Glauben lassen wollte, es<br />

wür<strong>de</strong> etwas geschehen.<br />

In <strong>de</strong>n vergangenen sechs Jahren hatte die FL-Justiz viele<br />

aufgestaute Strukturprobleme zu bereinigen. So mussten Sie ja<br />

u.a. <strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rstaatsanwalt Dr. Spitzer einsetzen. Mein Fall ist<br />

komplizierter als jene Fälle, die mit <strong>de</strong>m Finanzplatz<br />

Liechtenstein zu tun hatten/haben. <strong>Die</strong> Justiz musste wohl<br />

Prioritäten setzten. Wie so oft hat sich auch hier gezeigt, dass<br />

wenn es um materielle Dinge (sprich GELD) geht o<strong>de</strong>r wenn das<br />

Ansehen unseres Lan<strong>de</strong>s gefähr<strong>de</strong>t ist, dann ist man fix und<br />

schnell.<br />

Wenn es ums Blut geht, wenn das Opfer ein niemand ist, dann, ja<br />

dann muss man warten, warten, warten. Mein Fall wur<strong>de</strong> einfach<br />

immer wie<strong>de</strong>r nach hinten geschoben. Ein lästiger Fall; mit Tätern<br />

aus Spanien, Deutschland und Argentinien, mit Tatorten in<br />

Argentinien, Vaduz & Feldkirch.<br />

Es ist traurig und gera<strong>de</strong>zu ironisch, dass ich mit nun solchen<br />

Mitteln meinen Fall in <strong>de</strong>r ‚Prioritätenliste‚ nach vorne<br />

katapultieren musste. Mit <strong>de</strong>r Zeit kam auch mir die Einsicht,<br />

dass mir wohl niemand im FL helfen will. Nach Argentinien zu<br />

gehen, dort wo die Haupttat geschah, um Anzeige/Anklage zu<br />

erheben, ist absurd, da sich dort die Gesellschaftsstrukturen im<br />

Stadium <strong>de</strong>r Auflösung befin<strong>de</strong>n.<br />

Seit langem frage ich mich, wer mir helfen kann. Ich, ein kleiner<br />

Mann, mit einem Schmerz und Hass so gross wie <strong>de</strong>r Ozean.<br />

Obwohl ich nicht will, dass <strong>de</strong>r Hass auf die Verbrecher mich in<br />

meinem Tun leitet, kann ich es nicht abbauen. Nach <strong>de</strong>r grössten<br />

Demütigung, die ich im Kerker in Argentinien erfahren musste,<br />

hat mich vor allem die gemeine Demütigung, <strong>de</strong>r mich im<br />

grossen Stil <strong>de</strong>r Richter Uwe Oehri bewusst ausgesetzt hat, in<strong>de</strong>m<br />

er meine Folterer (Herr und Frau R.) wie Sieger über meinen<br />

170


Geist und Körper hat auftreten lassen, zu Mitteln greifen lassen,<br />

<strong>de</strong>rer ich mich schäme.<br />

DREI mal musste ich diese zusätzliche Demütigung ertragen. Ein<br />

Mal sogar, ohne meinen Anwalt, weil dies <strong>de</strong>r LR U. Oehri so<br />

wollte. <strong>Der</strong> Einzige, <strong>de</strong>r zu mir stand (nebst meinem Anwalt Dr.<br />

Burkart HIRN) war <strong>de</strong>r Landrichter Dr. Paul MEIER. Aber ihm<br />

waren ja die Hän<strong>de</strong> gebun<strong>de</strong>n; so wie er mir sagte. <strong>Die</strong> STA ist ja<br />

die, die <strong>de</strong>m UR zu beauftragen hat. Alle Beteiligten wissen, dass<br />

ich nie und nimmer beweisen kann, warum die Richter o<strong>de</strong>r die<br />

STA dies o<strong>de</strong>r jenes unterlassen haben zu tun. Ich bin ein<br />

niemand. <strong>Die</strong> betroffenen Richter wer<strong>de</strong>n sagen, ich sei nur<br />

beleidigt, dass ich nicht gewonnen habe. Aber so einfach ist das<br />

nicht. Hätten sich die Richter die Mühe gemacht, die Beweise und<br />

vielen, vielen Wi<strong>de</strong>rsprüche <strong>de</strong>r Kläger samt <strong>de</strong>ren ‚Zeugen‚<br />

wirklich zu lesen und zu analysieren, dann wären sie zu einem<br />

an<strong>de</strong>ren Urteil gekommen.<br />

Es wür<strong>de</strong> mich nicht wun<strong>de</strong>rn, wenn durch <strong>de</strong>n ständigen<br />

Informationsaustausch zwischen <strong>de</strong>n Richtern im Zivilverfahren<br />

und <strong>de</strong>r STA eine Art Absprache, sprich Vorverurteilung,<br />

stattfand. <strong>Die</strong> STA wusste immer vor mir wie wann, wo, was, das<br />

Zivilgericht entschie<strong>de</strong>n hatte, obwohl sie mit <strong>de</strong>m Zivilprozess<br />

gar nichts zu tun hatte. Denn es ist nicht zu verkennen, dass<br />

durch das Urteil in <strong>de</strong>r Zivilsache die STA „praktischerweise‚<br />

<strong>de</strong>n Fall 10 Vr 101/97 elegant killen konnte. Und damit ist<br />

Liechtenstein ein teurer, komplizierter, langwieriger Fall erspart<br />

geblieben. Insbeson<strong>de</strong>re hat sich <strong>de</strong>r Staatsanwalt F. Haun einen<br />

Haufen Arbeit erspart. In früheren Telefongesprächen und<br />

einmal persönlich im Gerichtsgebäu<strong>de</strong> sagte mir Haun ständig,<br />

dass er mich verstehe und er an <strong>de</strong>r Anklage arbeite. Viel früher,<br />

kurz nach<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n Fall vom Oberstaatsanwalt Dr. R. Wallner<br />

zugeteilt bekam, sagte er mir am Telefon, dass er in ca. zwei<br />

Monaten die Anklage erheben kann. Seit<strong>de</strong>m sind über zwei<br />

Jahre vergangen.<br />

Mir geht es nicht um das Geld! Das gesperrte Geld in Feldkirch<br />

ist und bleibt mein Eigenes. Daran än<strong>de</strong>rt auch ein erstes Urteil<br />

zugunsten <strong>de</strong>r Verbrechers Helmut R. nicht. Durchlaucht, Sie<br />

sind ein bekennen<strong>de</strong>r Anhänger <strong>de</strong>r Selbstbestimmung. Ich habe<br />

diese Selbstbestimmung in mich aufgenommen und erkannt, dass<br />

ich selber für eine gerechte Verurteilung <strong>de</strong>r Verbrecher sorgen<br />

171


muss. Ich bitte Sie daher, analog zu an<strong>de</strong>ren Fällen, einen<br />

Son<strong>de</strong>rstaatsanwalt zu ernennen, <strong>de</strong>r sich intensiv mit <strong>de</strong>m<br />

ganzen Fall befasst und die Befugnis erhält, gemäss <strong>de</strong>m Gesetz<br />

zu agieren und ein ausseror<strong>de</strong>ntliches, unabhängiges<br />

Richtergremium zu ernennen, das sich <strong>de</strong>m Zivilfall annimmt.<br />

Ich habe nichts mehr zu verlieren. Ich will nicht, dass ein<br />

Unglück über die LGT und FL-Finanzwelt hereinbricht, aber<br />

eines ist für mich klar: Wenn Akt 10 Vr 101 /97 so en<strong>de</strong>n und 10<br />

Vr 140 /97 so starten soll, wie es sich Haun jetzt erdacht hat und<br />

wenn die schlimmsten Verbrecher R. + Co. auch nur einen EURO<br />

von meinem gesperrten Geld in Feldkirch ausbezahlt (offiziell<br />

o<strong>de</strong>r im geheimen) erhalten sollten, ohne dass ein<br />

Son<strong>de</strong>rstaatsanwalt und/o<strong>de</strong>r ein ausseror<strong>de</strong>ntliches<br />

Richtergremium in <strong>de</strong>n Fällen nach neuer Untersuchung ein<br />

neues abschliessen<strong>de</strong>s Urteil fällen konnten, dann wer<strong>de</strong> ich mich<br />

für Hilfe an die USA und Deutschland wen<strong>de</strong>n.<br />

Warum ich <strong>de</strong>r festen Überzeugung bin, dass mir die USA sowie<br />

Deutschland helfen wer<strong>de</strong>n, zeige ich Ihnen in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n<br />

Kapiteln im Brief auf. Ich habe in Liechtenstein all meine<br />

Strukturen aufgelöst: meine Arbeitstelle hatte ich gekündigt, aus<br />

<strong>de</strong>r Mietwohnung bin ich ausgezogen und meinen Hausrat<br />

aufgelöst. Mit all meinen sozialen Kontakten habe ich gebrochen<br />

u.s.w.<br />

Ich bin jetzt in Deutschland.<br />

Wenn ich etwas nicht habe, dann ewige Zeit! Verdammte lange<br />

sechs Jahre habe ich gewartet, gehofft und meine ganze Energie<br />

in die Verfolgung <strong>de</strong>r Verbrecher gesteckt – es soll jetzt keiner<br />

kommen und sagen;<br />

... wir brauchen Monate.......<br />

Auf Grund <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Umstän<strong>de</strong> kann und wer<strong>de</strong> ich nur<br />

bis En<strong>de</strong> Januar 2003 warten, um zu erfahren, ob überhaupt was<br />

gemacht wird.<br />

Sie und Ihre LGT können ja gar nichts dafür. Das Schicksal will<br />

es, dass Sie nun doch involviert wer<strong>de</strong>n. Dass <strong>de</strong>r Zeitpunkt auch<br />

noch mit Ihrem erbittertem Abstimmungskampf über die neue<br />

Verfassung im FL und <strong>de</strong>r Neuorientierung Ihrer LGT Gruppe in<br />

172


Deutschland zusammen fällt, tut mir leid. Es gibt aber keinen<br />

‚passen<strong>de</strong>n‚ Zeitpunkt.<br />

Ich bin fest entschlossen alles, alles, alles in meiner Macht und<br />

Unmacht stehen<strong>de</strong> zu tun, um meine Folterer zur Strecke zu<br />

bringen. Wenn <strong>de</strong>r Staat Liechtenstein mir wirklich hilft, dann<br />

gut. Wenn <strong>de</strong>r Staat aber nicht fähig ist, seinen Bürgern gemäss<br />

<strong>de</strong>m Gesetz und <strong>de</strong>n Auslegungsmöglichkeiten <strong>de</strong>s Gesetztes zu<br />

Gerechtigkeit zu verhelfen, dann bleibt <strong>de</strong>m Bürger nichts<br />

an<strong>de</strong>res übrig, als das Selbstbestimmungsrecht in die Hand<br />

zunehmen und sich an An<strong>de</strong>re (in diesem Fall an<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r) zu<br />

wen<strong>de</strong>n, von <strong>de</strong>nen er glaubt, dass Sie ihm helfen können.<br />

Ich bin mir bewusst, dass eine Katastrophe über die LGT, seine<br />

Kun<strong>de</strong>n und Liechtenstein hereinbrechen kann. Ich weiss auch,<br />

dass ich am En<strong>de</strong> die Zukunft für mein Leben verloren habe.<br />

<strong>Die</strong>sen Preis bin ich gewillt zu bezahlen, wenn ich meine Folterer<br />

<strong>de</strong>r verdienten Strafe zuführen kann.<br />

II. LGT Treuhand<br />

Anm.: Es folgt eine Beschreibung <strong>de</strong>r Umstän<strong>de</strong>, wie es dazu kam, dass ich bei<br />

seiner LGT Treuhand arbeitete und später selber kündigte: OT Entfernt.<br />

Dann…..<br />

Ich bitte Sie, keine personellen Konsequenzen bei <strong>de</strong>r LTV zu<br />

ziehen. Meine ehemaligen Chefs und MitarbeiterInnen können<br />

nichts dafür. Es liegt natürlich in Ihrem Ermessen, wer alles von<br />

diesem Drama in <strong>de</strong>r LGT-Gruppe erfahren soll. Bitte<br />

beschränken Sie <strong>de</strong>n Personenkreis bei <strong>de</strong>r LTV und LGT auf das<br />

absolute Minimum. So kann keine Unruhe entstehen und mit<br />

Gottes Hilfe wird das Unglück abgewen<strong>de</strong>t. Vielen Dank.<br />

III. DLT- Backup-Tape (Anm.: Das vollständige<br />

Kun<strong>de</strong>n-<strong>Daten</strong>speicherband)<br />

Im vergangenen Jahr erschienen immer wie<strong>de</strong>r neue Artikel über<br />

die Probleme von Dr. Dr. Herbert Batliner in <strong>de</strong>n Medien. Dort<br />

hatte ein ehemaliger Mitarbeiter vor Jahren eine CD-Rom mit<br />

173


Angaben über sein Kun<strong>de</strong>n sowie <strong>de</strong>ren Vermögenswerte von ca.<br />

400 Gesellschaften entwen<strong>de</strong>t und <strong>de</strong>m SPIEGEL zugesandt. <strong>Die</strong><br />

<strong>de</strong>utschen Steuerbehör<strong>de</strong>n haben in <strong>de</strong>r Folge mehrere hun<strong>de</strong>rt<br />

Steuerstrafprozesse eröffnet und nach eigenen Angaben bis heute<br />

ca. 300 Mio. (DM) an Nach- und Strafsteuern einkassiert.<br />

Auch unter uns Mitarbeitern bei <strong>de</strong>r LTV wur<strong>de</strong> darüber<br />

diskutiert. Was wären die Konsequenzen, wenn es in <strong>de</strong>r LTV<br />

passieren wür<strong>de</strong>? Jemand hat gesagt, welch ein Instrument dies<br />

wohl wäre, wenn man solche <strong>Daten</strong> in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n hält.<br />

Irgendwann im letzten Jahr habe ich zufällig mitbekommen und<br />

erkannt, wie relativ leicht es wäre an eines <strong>de</strong>r zwei täglichen<br />

Tages-Backup DLT-Tape <strong>de</strong>r LTV zu kommen. Je<strong>de</strong> Nacht wird<br />

bei <strong>de</strong>r LTV im Serverraum (2.OG) via CP360-62 das komplette<br />

System, alle Programme und alle <strong>Daten</strong> (MASTER +<br />

DOCUWARE), auf Raid5-Bereich 2 (f:SQL_Backup) gesichert,<br />

sprich gespeichert. Das Tape (aus CP TL891) wird dann jeweils<br />

von <strong>de</strong>r IT Abteilung beschriftet und im kleinen <strong>Daten</strong>tresor<br />

aufbewahrt. <strong>Die</strong> Bän<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n üblicherweise mehr als 1 x für<br />

diese Aufgabe verwen<strong>de</strong>t. OT Entfernt.<br />

Aus <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n, die ich im Punkt I. (Gerechtigkeit) erklärt<br />

habe, habe ich ein solches DLT-Tape an mich genommen. Zum<br />

Zeitpunkt <strong>de</strong>r Entnahme, sprich <strong><strong>Die</strong>b</strong>stahl <strong>de</strong>s Ban<strong>de</strong>s wusste ich<br />

aber noch nicht ob ich die <strong>Daten</strong> je missbrauchen wür<strong>de</strong>. Ich<br />

wusste auch nicht, ob die <strong>Daten</strong> verschlüsselt sind. Vermutlich<br />

schon, so dachte ich mir. Ich habe dann ein gebrauchtes, externes<br />

DLT-Laufwerk gekauft um die <strong>Daten</strong> überhaupt lesen zu können.<br />

Zu meiner völligen Überraschung stellte sich heraus, dass die<br />

Backup-<strong>Daten</strong> nicht verschlüsselt auf <strong>de</strong>m Tape gespeichert<br />

wur<strong>de</strong>n. Nicht ganz einfach, aber mit <strong>de</strong>r verwen<strong>de</strong>ten Backup-<br />

Software OT Entfernt kann man die <strong>Daten</strong> lesbar machen. Aus<br />

<strong>de</strong>m Inventory DOCUWARE sind alle Dateien im TIFF-Format<br />

mit MS-Software lesbar, da DocuWare ein so genanntes<br />

selbsttragen<strong>de</strong>s Archiv ist und daher keine spezifische Docu-<br />

Ware-Software (Zugang) zum Lesen <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> erfor<strong>de</strong>rlich ist.<br />

Im DocuWare auf <strong>de</strong>m Tape sind über 1'159'000<br />

Mandatsspezifische (Kun<strong>de</strong>n-) Dateien gespeichert. Da alle DLT-<br />

Tapes <strong>de</strong>r LTV eine fortlaufen<strong>de</strong> Serienproduktionsnummer <strong>de</strong>s<br />

174


Herstellers auf <strong>de</strong>r Rückseite haben, können Sie feststellen, dass<br />

Ihnen das TAPE mit folgen<strong>de</strong>r Serie-Nummer fehlt: 122054<br />

SH207F822 86.<br />

Anm.: Ich habe <strong>de</strong>m Brief Fotos <strong>de</strong>s DLT-Tapes beigelegt, worauf klar die<br />

Seriennummer und an<strong>de</strong>re Details ersichtlich waren, wie z.B. die interne IT-<br />

Markierungen. <strong>Der</strong> Datums-Kleber, <strong>de</strong>r angibt, von welchem Tag das Back-Up-<br />

Tape stammt, habe ich aber vorher entfernt, sodass man nicht genau feststellen<br />

konnte, bis zu welchem Tag ich alle <strong>Daten</strong> hatte. <strong>Die</strong>s aus strategischen<br />

Grün<strong>de</strong>n (siehe auch am En<strong>de</strong> dieses Buchkapitels).<br />

ORIGINAL-DOKUMENTE:<br />

Wenn es zu <strong>de</strong>r Notwendigkeit kommt, wo ich die Hilfe <strong>de</strong>r USA<br />

o<strong>de</strong>r Deutschland o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rer betroffener Län<strong>de</strong>r erbeten muss,<br />

um die Verbrecher zu bestrafen, wird vielleicht die LGT zu<br />

Behaupten versuchen, ich hätte nie dort gearbeitet; obwohl ich<br />

mit Arbeitsvertrag und Lohnzahlungen (ganz abgesehen vom<br />

DLT-Tape selber) es wi<strong>de</strong>rlegen kann, habe ich zum Beweis, dass<br />

ich sehr wohl dort gearbeitet habe, gezielt Originaldokumente<br />

‚ausgeliehen‚. Sie stammen aus <strong>de</strong>m Städtle 28: div. Archive<br />

(Raum G1346, 3. OG // Raum G1851, 1. UG). Zum Raum G1346<br />

wur<strong>de</strong> ich jeweils auf Grund meiner Arbeit hineingelassen. Und<br />

Städtle 18: Raum 704/705 A + B.<br />

s sind drei Arten von Originalen:<br />

A) AUS- o<strong>de</strong>r EINzahlungsbelege (BX= Belegexemplar) vom<br />

Kassenschalter <strong>de</strong>r LGT (vereinzelt von Fremdbanken) mit<br />

zusätzlicher Empfangsunterschrift (und Fingerabdrücke) <strong>de</strong>s<br />

wirklichen Wirtschaftlichen Berechtigten. Aufgeteilt in Total in<br />

CHF: Auszahlungen CHF 334'203'000. - //<br />

Einzahlungen CHF 212'331'000.-.<br />

Alle Beträge sind auf die nächsten Tausend aufgerun<strong>de</strong>t.<br />

OT Entfernt<br />

B) Unterlagen über EIN- o<strong>de</strong>r AUSzahlungsausführungen <strong>de</strong>s<br />

UFF- und IBEX-Trust an 26 externe Stiftungen zwischen<br />

Dezember 1988 und Dezember 2000. Total in CHF 6'784'183'000.-<br />

OT Entfernt.<br />

175


C) Diverse Originale mit Kun<strong>de</strong>nunterschrift. Über <strong>de</strong>n Inhalt<br />

dieser Originale möchte ich vorerst nichts sagen.<br />

Alle Originale (A,B + C) dienen nur zur Beweiskraft. Es sind<br />

keine Wertdokumente (wie z.B. Aktienzertifikate o<strong>de</strong>r Zessionen)<br />

darunter. Nach erfolgreichem Abschluss wer<strong>de</strong> ich Ihnen alle<br />

Originaldokumente vollumfänglich retournieren.<br />

Anm.: Auch hier habe ich Fotos (von ausgewählten Einzeldokumenten) im Brief<br />

beigelegt. Es waren ca. 2’150 Einzeldokumente: 85 % davon im Format DIN<br />

A5, <strong>de</strong>r Rest A4. Bei <strong>de</strong>n Dokumenten unter „B)“ han<strong>de</strong>lt es sich um einen<br />

grossen Europäischen Konzern, <strong>de</strong>r für die Gewinnausschüttung von über 6,7<br />

Milliar<strong>de</strong>n(!) CHF zwischen Dez. 1988 und Dez. 2000 faktisch eine geheime<br />

Doppelbuchhaltung führte, um diese kolossale Summe an diverse Personen via<br />

26 verschie<strong>de</strong>ne Stiftungen über komplizierte Umwege steuerfrei zukommen<br />

lassen zu können. Jene Stiftungen wur<strong>de</strong>n aber nicht von <strong>de</strong>r LTV verwaltet,<br />

son<strong>de</strong>rn von an<strong>de</strong>ren Liechtensteinischen Treuhandfirmen. <strong>Die</strong> LGT Bank<br />

fungierte als Gelddrehscheibe und die LGT Treuhand stellte ihr Fachwissen für<br />

die Abwicklung über die 2 genannten Trusts zur Verfügung.<br />

IV. Übersicht Kun<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>ren Vermögen<br />

Nach Auswertung aller <strong>Daten</strong> aus <strong>de</strong>m DLT Tape, besitze ich alle<br />

Unterlagen über Gründungen, Auftraggeber, Wirtschaftliche<br />

Berechtigte [WB o<strong>de</strong>r BO], Beistatuten, LTV- u. LGT-<br />

Sorgfaltspflichtdokumente, Bank- und an<strong>de</strong>re Vermögenswerte<br />

(Immobilien, Schiffe, Patente, Bil<strong>de</strong>r etc.), Barein- u.<br />

Auszahlungen, Transfers, Aktenvermerke u.s.w. von Total 3929<br />

verschie<strong>de</strong>ne Gesellschaften (Stiftungen, Anstalten, AG, Trust<br />

etc.), die in Vaduz registriert sind. Inklusive die mehreren<br />

hun<strong>de</strong>rt Mandate <strong>de</strong>r LGT Treuhandbüros in Zürich & Lugano<br />

(sowie <strong>de</strong>r OT Entfernt). Sowie Kopien von über 105 (Leichen-)<br />

Mandate aus <strong>de</strong>m alten Vaduzer Archiv.<br />

Alle diese oben genannten 3929 (Schwarzgeld)-Briefkastenfirmen<br />

haben / hatten genau 8655 verschie<strong>de</strong>nen Einzelbankkonten.<br />

Davon 7834 Bankkonten bei <strong>de</strong>r LGT Bank und 821 Bankkonten<br />

bei Fremdbanken (z.B. OT Entfernt etc.).<br />

176


Aktueller Stand <strong>de</strong>r Bankvermögenswerte aller obigen Konten<br />

(2001/02): CHF 7'160'844'000.- (davon liegen 5'682'296'000.- auf<br />

Konten bei <strong>de</strong>r LGT Bank und CHF 1'478'548'000.- bei<br />

Fremdbanken). Höchststand gemäss Unterlagen: CHF<br />

9'866'237'000.-(davon 8'023'504'000.- bei LGT Bank und CHF<br />

1'842'733'000.-- bei Fremdbanken). Hier nicht eingerechnet sind<br />

die CHF 6'784'183'000.-- Ein/Auszahlungen, die für <strong>de</strong>n UFF- und<br />

IBEX-Trust über die LGT Gruppe zwischen Dez. 1988 bis Dez.<br />

2000 gelaufen sind. (Siehe "Original-Dokumente" unter Punkt<br />

IV.). Alle Beträge sind auf die nächsten Tausend CHF<br />

aufgerun<strong>de</strong>t.<br />

Genau 5828, mehrheitlich natürliche Personen sind / waren für<br />

diese 8655 Einzelbankkonten <strong>de</strong>r 3929 Gesellschaften als<br />

Erstbegünstigte / Wirtschaftlichen Berechtigten registriert.<br />

In 46 Fällen sind Politisch Exponierte Personen (PEP) involviert.<br />

Zusätzlich habe ich in verschie<strong>de</strong>nen Listen genaue<br />

Personenangaben (Aktenvermerke) über weitere total 207<br />

Interessenten gefun<strong>de</strong>n, die aber nach <strong>de</strong>m 1. o<strong>de</strong>r 2.<br />

Besuch/Gespräch nicht eine Kun<strong>de</strong>nbeziehung mit <strong>de</strong>r LGT<br />

eingegangen sind. Davon waren 68 aus OT Entfernt, 41 aus <strong>de</strong>n<br />

OT Entfernt, 56 aus <strong>de</strong>r OT Entfernt, 18 aus OT Entfernt und <strong>de</strong>r<br />

Rest aus diversen Län<strong>de</strong>rn. 1 x ging es um eine Umgehung <strong>de</strong>s<br />

US-Embargos gegen <strong>de</strong>n IRAK. Gemäss internen Angaben<br />

wollten diese 207 Interessenten Total CHF 517’000’000.-<br />

‚Schwarzgeld‚ als Neukun<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r LGT <strong>de</strong>ponieren.<br />

Anm.: Es folgte eine vollständige Län<strong>de</strong>rliste (Total 82 verschie<strong>de</strong>ne Län<strong>de</strong>rn)<br />

mit <strong>de</strong>r jeweiligen Anzahl von Stiftungen, Anstalten u.s.w. (nicht die Anzahl<br />

involvierten Personen, die immer höher ist). Eine Auswahl: Deutschland über<br />

ca. 1400 Stiftungen/Anstalten etc., Österreich über 350, Schweiz über 700,<br />

U.K. über 450, USA über 600 , Kanada über 280, Italien über 390, Frankreich<br />

über 195, Spanien über 220, Beneluxlän<strong>de</strong>r über 230, Skandinavischen Län<strong>de</strong>r<br />

über 195, Osteuropa (incl. Russland) über 150, Südamerika über 135.<br />

Das Total aller Stiftungen u.s.w. aller Län<strong>de</strong>r ist grösser als die Zahl „Total<br />

Gesellschaften“ (3929), weil es einige Gesellschaften gibt, die eine Verbindung<br />

z.B. nach Deutschland und nach Österreich haben, und daher einmal in <strong>de</strong>r<br />

Zählung Deutschland und einmal in <strong>de</strong>r Zählung Österreich erschienen.<br />

177


V. USA<br />

Wenn mir Liechtenstein nicht helfen kann, meine Folterer zu<br />

gerechten Strafen zu verurteilen, wer<strong>de</strong> ich mich zuerst an die<br />

USA wen<strong>de</strong>n. Warum glaube ich, dass die Amerikaner mir helfen<br />

wer<strong>de</strong>n? In <strong>de</strong>n USA gibt es spezielle Gesetzte, die einer<br />

Verurteilung von Tätern selbst dann ermöglicht, wenn die Tat im<br />

Ausland geschah und keine <strong>de</strong>r Involvierten Personen US-Bürger<br />

ist. Zu<strong>de</strong>m gibt es <strong>de</strong>n US Patriot Act of 2001 (26.OCT).<br />

Ich behaupte nicht, dass die LGT (bewusst) irgen<strong>de</strong>twas mit<br />

Terrorismusfinanzierung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rgleichen zu tun hat. Ich bin mir<br />

aber sicher, dass bei <strong>de</strong>njenigen Kun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r LTV, die selber<br />

Iraner, Iraker sind o<strong>de</strong>r aus an<strong>de</strong>ren arabischen Län<strong>de</strong>rn<br />

kommen, o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Nationalitäten besitzen und mit Iran, Irak<br />

o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren terrorismushelfen<strong>de</strong>n Staaten Geschäfte machen,<br />

wer<strong>de</strong>n sie genauer unter die Lupe (d.h. amerikanische Lupe)<br />

genommen, US-Gesetzes-Verletzungen zum Vorschein kommen<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>n über 645 Gesellschaften <strong>de</strong>r LTV hat es Verbindungen mit<br />

<strong>de</strong>n USA; sei es weil <strong>de</strong>r Settlor, WB/BO, Protektor, Beirat etc.,<br />

US-Bürger o<strong>de</strong>r Greencardhol<strong>de</strong>r ist, o<strong>de</strong>r grössere Zahlungen an<br />

US-Personen im Ausland getätigt wur<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Transfers über die<br />

USA liefen. Bei drei Gesellschaften sind nach meinen <strong>Daten</strong> PEP-<br />

Indikatoren da, obwohl keine PEP-Formulare ausgefüllt wur<strong>de</strong>n.<br />

Bei allen involvierten Gesellschaften ist eine Verletzung u.a. <strong>de</strong>s<br />

IRS-Co<strong>de</strong> 1957 und im geringeren Masse Co<strong>de</strong> 1956 festzustellen.<br />

Zu<strong>de</strong>m kann man feststellen, dass fast alle Gesellschaften gegen<br />

die US-Gesetzesvorlagen (IRS-Co<strong>de</strong>s etc.) verstossen haben, die<br />

im Gutachten von OT Entfernt., alle N.Y., vom 30.08.2002 erwähnt<br />

sind. Zusätzlich sind weitere 41 Personen aus <strong>de</strong>n USA als<br />

Interessenten bei <strong>de</strong>r LTV registriert, ohne dass es zu einem<br />

Mandat kam. Zwei Personen sind Doppelbürger und als PEP zu<br />

<strong>de</strong>klarieren. Auch habe ich auf <strong>de</strong>m Tape interne Schriftsätze<br />

gefun<strong>de</strong>n, die ganz <strong>de</strong>utlich die Wege aufzeigen, wie die<br />

Kun<strong>de</strong>nberater <strong>de</strong>r LTV die Kun<strong>de</strong>n (alle Nationalitäten) beraten<br />

können, die sich gegenüber <strong>de</strong>n US-Behör<strong>de</strong>n (IRS) nicht<br />

Offenlegen wollen und <strong>de</strong>nnoch US-Aktien und/o<strong>de</strong>r<br />

insbeson<strong>de</strong>re US-Immobilien weiterhin halten o<strong>de</strong>r neue<br />

erwerben wollen, um so US-(Steuer)-Gesetze umgehen zu<br />

178


können. Hauptsächlich wird empfohlen, dies mit einer Panama<br />

Gesellschaft zu tun. Solches Vorgehen <strong>de</strong>r involvierten Stiftungs<br />

(SR)- o<strong>de</strong>r Verwaltungsräte(VR) könnten die US-Behör<strong>de</strong>n u.a.<br />

mit <strong>de</strong>m LAJOFP (Long Arm Jurisdiction Over Foreign Persons)<br />

verfolgen.<br />

Diverse Beratungen bei einigen Kun<strong>de</strong>n stehen eigentlich auch<br />

im Gegensatz zu <strong>de</strong>r heiligen Devise <strong>de</strong>r LTV: ‚Keine Geschäfte<br />

mit <strong>de</strong>m o<strong>de</strong>r im Steuerdomizil <strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n‚. Also die<br />

eingesetzten SR/VR Geschäfte im Namen <strong>de</strong>r Stiftung im<br />

Heimatland <strong>de</strong>s Wirtschaftlichen Berechtigten tätigen: wo wir<br />

doch alle wissen, dass solche Aktivitäten wegen <strong>de</strong>r<br />

Auf<strong>de</strong>ckungsgefahr hoch riskant sind.<br />

Verletzungen <strong>de</strong>s (QUALIFIED Intermediary Status) QI-Status:<br />

<strong>Die</strong> US Steuerbehör<strong>de</strong> IRS hat die Liechtensteinischen „Kenne-<br />

Deine-Kun<strong>de</strong>n‚- Regeln (KYC-Rules) am 28.02.01 bewilligt und<br />

zugestimmt und <strong>de</strong>m Land rückwirkend auf <strong>de</strong>n 01.01.01 <strong>de</strong>n QI<br />

Status erteilt. <strong>Die</strong> LGT hat am 07.03.01 das Gesuch für <strong>de</strong>n<br />

Banken-QI-Status eingereicht und konnte ab diesem Datum<br />

provisorisch als QI han<strong>de</strong>ln. Nach <strong>de</strong>n ersten 2 Jahren wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

QI-Status nochmals um 2 Jahre – bis En<strong>de</strong> 2004 verlängert.<br />

Nun, nach Durchsicht aller Mandate mit QI-Angelegenheit die<br />

ich gefun<strong>de</strong>n habe, kann man Verstösse feststellen und es wird<br />

die IRS interessieren, dass z.B.:<br />

° bei 38 Stiftungen/ Anstalten noch nach <strong>de</strong>r Ablauffrist vom<br />

31.12.2001 <strong>de</strong>r Kauf von US Aktien erfolgte, obwohl die<br />

erfor<strong>de</strong>rliche Dokumentationspflicht (W-9, W-8IMY o<strong>de</strong>r W-<br />

8BEN incl. beglaubigter Passkopie pro WB) nicht erfüllt waren.<br />

° Bei einigen neuen Stiftungen/Anstalten <strong>de</strong>r LTV im<br />

Kun<strong>de</strong>nauftrag nach <strong>de</strong>m 01.01.2001 durch die LGT o<strong>de</strong>r<br />

Fremdbank US-Aktientitel gekauft wur<strong>de</strong>n, obwohl <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong><br />

OT Entfernt hat o<strong>de</strong>r die LGT gemäss QI-Vertrag zwischen LGT<br />

& IRS ‚vergessen‚ hat, dies zu tun.<br />

° Es eine kleine Anzahl Stiftungen/Anstalten (Simple/Grantor)<br />

gibt, wo <strong>de</strong>r Wirtschaftliche Berechtigte US Steuerbürger ist. Es<br />

gibt/gab also Kun<strong>de</strong>nbeziehungen mit Status ‚US-Persons‚ mit<br />

US-Aktientiteln im Depot, die gemäss QI-Vereinbarung hätten<br />

registriert sein müssen – es aber nicht sind. Dadurch<br />

unterläuft/verhin<strong>de</strong>rt die LGT automatisch die erfor<strong>de</strong>rliche,<br />

sporadisch, externe US-Buchprüfung für <strong>de</strong>n QI Status, weil die<br />

179


Prüfung nur für solche Konten gemacht wer<strong>de</strong>n kann, wo US-<br />

Personen als WB/BO registriert sind. D.h. Keine Registrierung =<br />

Keine Prüfung! Das wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n USA sehr sauer aufstossen!<br />

US-Verbrechen:<br />

Eine Auswahl von 6 Stiftungen <strong>de</strong>r LTV zeigen gemäss AV, dass<br />

die/<strong>de</strong>r WB selber in US-Crimes verwickelt waren o<strong>de</strong>r es<br />

wur<strong>de</strong>n Zahlungen getätigt, die US-Strafprozessen<br />

zuwi<strong>de</strong>rlaufen. Beispiele:<br />

° hat die LGT eine Struktur angeboten (damit sie nicht selber in<br />

die Schusslinie gerät aber <strong>de</strong>nnoch mitverdienen kann), wo <strong>de</strong>r<br />

WB als ehemaliger Firmenbesitzer, die er in <strong>de</strong>n Konkurs<br />

getrieben hat, eine Benachteiligung <strong>de</strong>r Gläubiger durchsetzen<br />

konnte.<br />

° o<strong>de</strong>r es wer<strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>nbeziehungen aufrechterhalten, obwohl<br />

<strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> wegen einem 50 MIO US$-Betrugs-Scam auf <strong>de</strong>r<br />

Internationalen Watchliste steht.<br />

° <strong>Die</strong> Amerikaner wird auch interessieren....<br />

~ wie ehemalige und tätige ausländischer Hohe Beamte so solch<br />

grosse Vermögen kommen.<br />

~ o<strong>de</strong>r das Mitglie<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Familienkreis <strong>de</strong>s früheren<br />

Diktators OT Entfernt Gel<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r LGT liegen haben.<br />

~ welche ausländische, diktatorische Herrscherfamilien wo, wie<br />

viel Geld und an<strong>de</strong>re Werte bei <strong>de</strong>r LGT Treuhand verwalten<br />

lassen.<br />

<strong>Die</strong>se hier auflisteten Beispiele sind nur eine Auswahl von vielen<br />

mehr, wo man verschie<strong>de</strong>nste Gesetzesverstösse feststellen kann,<br />

die weit über eine reine ‚Schwarzgeld‚-Vermögensverwaltung (=<br />

Steuerhinterziehung) hinausgehen. Insbeson<strong>de</strong>re kommt auch die<br />

die Organhaftung (seitens SR & VR) bei vielen Mandaten ins<br />

Spiel.<br />

VI. Deutschland<br />

Will mir Liechtenstein nicht helfen, meine Foltere hinter Gittern<br />

zu bringen, so wen<strong>de</strong> ich mich nach <strong>de</strong>n USA an die Deutschen<br />

um Hilfe. Warum sollte mir Deutschland helfen? Ich bin sicher,<br />

eine Deutsche Zuständigkeit ergibt sich auch dadurch, da <strong>de</strong>r<br />

180


Haupttäter im Argentinienfall, <strong>de</strong>r Verbrecher Roegele ein<br />

Deutscher ist und <strong>de</strong>r Lösegeldabholer Kroschel auch!<br />

<strong>Die</strong> 1409 Briefkastenfirmen, mit <strong>de</strong>n Total über 2800<br />

Erstbegünstigten (mit Deutschem PASS o<strong>de</strong>r Nicht-Deutsche, die<br />

in Deutschland ihr Steuerdomizil haben) und die zusammen über<br />

3 Milliar<strong>de</strong>n CHF Bankvermögen haben, bil<strong>de</strong>n die grösste<br />

Gruppe <strong>de</strong>r LTV-Mandate (Aktive, Abgänge o<strong>de</strong>r Löschungen).<br />

Abgesehen von <strong>de</strong>n wenigen <strong>de</strong>utschen PEP’s, die als solche<br />

<strong>de</strong>klariert sind, hat ein Check von Kun<strong>de</strong>n, die von ihrem Umfeld<br />

her (gemäss Gründungsaktenvermerk [z.B. Beruf, Vermögen,<br />

Ehepartner] o<strong>de</strong>r späteren AV’s) etwas mit <strong>de</strong>r Politik o<strong>de</strong>r<br />

Wirtschaftspolitik zu tun haben könnten, in diversen<br />

Internetdatenbanken (z.B. bei politikus.<strong>de</strong>, spiegel.<strong>de</strong> u.s.w)<br />

erstaunliches hervorgebracht (24 Treffer).<br />

Fünf Beispiele:<br />

~ ein Familienmitglied eines Anwaltes <strong>de</strong>r OT Entfernt hat eine<br />

Stiftung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r LTV (Adresse <strong>de</strong>s Anwalts stimmt mit <strong>de</strong>r<br />

Adresse <strong>de</strong>s EB im Formular überein)<br />

~ eine ehemaliger Kommunal OT Entfernt, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Korruption<br />

beschuldigt wird, hatte eine Stiftung bei <strong>de</strong>r LTV.<br />

~ Ein höherer OT Entfernt aus OT Entfernt hatte eine Stiftung bei<br />

<strong>de</strong>r LTV.<br />

~ Ein Mitglied <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen OT Entfernt-Stiftung ist Kun<strong>de</strong> bei<br />

<strong>de</strong>r LTV.<br />

~ Ein Kun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r LTV ist Mitglied <strong>de</strong>r OT Entfernt OT Entfernt<br />

Alle hatten bzw. haben mal kleine, mal grosse Summen auf <strong>de</strong>n<br />

Konten! Sind dies etwa OT Entfernt gel<strong>de</strong>r?<br />

Einige aus Deutschland politisch wie wirtschaftlich heikle<br />

Mandate, die <strong>de</strong>r LTV klar bekannt sind. Beispiele:<br />

~ eine Gesellschaft, die als Off-Shore-Company für die mit<br />

politischem Klagelied in Konkurs gegangene PHILLIP<br />

HOLZMANN AG galt und US-Geschäfte tätigte, die sich als<br />

illegale Preisabsprachen bzw. Bestechung herausstellten (Gemäss<br />

AV)<br />

181


~ Eine eigene LTV-Gesellschaft tätigte eine Zahlung von etwas<br />

über DEM 5,6 MIO via Deutschland. Im AV schrieb <strong>de</strong>r KB, dass<br />

die Zahlung ein<strong>de</strong>utig als Bestechungsgeld zu werten sei.<br />

~ <strong>Der</strong> OT Entfernt Mann OT Entfernt hat seine Stiftung (die OT<br />

Entfernt Stiftung) bei <strong>de</strong>r LTV via <strong>de</strong>r im OT Entferntskandal<br />

fe<strong>de</strong>rführen<strong>de</strong>n OT Entfernt -Stiftung (bei OT Entfernt) über ein<br />

Konto bei <strong>de</strong>r Fremdbank OT Entfernt gefüllt.<br />

Sind diese Gel<strong>de</strong>r auch OT Entfernt gel<strong>de</strong>r?<br />

~ Des weiteren gibt es ein OT Entfernt Schwarzgeldkonto <strong>de</strong>r OT<br />

Entfernt, die als Eigentum OT Entfernt i<strong>de</strong>ntifiziert wur<strong>de</strong>. <strong>Der</strong> in<br />

mehreren AV’s offen geschil<strong>de</strong>rten Hintergrund <strong>de</strong>r<br />

Einzahlungen und Verwendungszweck <strong>de</strong>r Auszahlungen<br />

wer<strong>de</strong>n OT Entfernt als massiv rechtswidrig eingestuft. Eine<br />

ähnliche Einrichtung, die ‚ OT Entfernt -Stiftung‚, wur<strong>de</strong> vor<br />

Jahren bei OT Entfernt ‚gefun<strong>de</strong>n‚.<br />

~ Über eine BVI-Company <strong>de</strong>r LTV wur<strong>de</strong> eine Zahlung von US$<br />

10 MIO im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r ABB (Asea Brown Boveri)<br />

getätigt. <strong>Die</strong>se Zahlung ist als Bestechung leicht zu erkennen (da<br />

im AV schlecht verschleiert vermerkt).<br />

~ <strong>de</strong>n (politischen wie wirtschaftlichen) Chef einer <strong>de</strong>r grössten<br />

Deutschen Staatsfirmen und Arbeitgeber und Inhaber einer sehr<br />

vermögen<strong>de</strong>n LTV-Stiftung will ich hier erst gar nicht namentlich<br />

erwähnen.<br />

~ Selbst <strong>de</strong>r Französische Ölkonzern ELF, <strong>de</strong>ssen OT Entfernt <strong>de</strong>r<br />

OT Entfernt in Deutschland seit Jahren ein Skandal ist und<br />

neuerdings gemäss <strong>de</strong>m OT Entferntartikel in OT Entfernt auch<br />

die FL-Justiz beschäftigt, in<strong>de</strong>m sie mehrere Rechtshilfegesuch<br />

nach Deutschland versandt hat, hat in <strong>de</strong>n 90er bei <strong>de</strong>r LTV eine<br />

Holding einrichten lassen, die ganz offensichtlich dazu diente<br />

Korruptionsgel<strong>de</strong>r zu verteilen und zu waschen, die im<br />

Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Ölexploration stehen.<br />

~ Auch im SPIEGEL Nr. 47 vom 18.11.2002 las ich ein Artikel<br />

(Seite 124+126) über div. dubiose Zahlungen rund um das Kirch-<br />

182


Imperium in Deutschland. Ich habe mich an ein Dokument<br />

(‚Checkliste aussergewöhnlichen Transaktionen‚) mit Hinweis<br />

auf <strong>de</strong>n Kirch Komplex eines Mandats auf <strong>de</strong>m Tape erinnert: <strong>de</strong>r<br />

Name <strong>de</strong>s WB steht zwar nicht im Artikel <strong>de</strong>s Magazins. Aber die<br />

hastig gewünschte und dann ausgeführte Banküberweisung von<br />

über 2 MIO CHF (ausgerechnet in das Steuerdomizilland <strong>de</strong>s WB<br />

- die USA), passt genau in das Schema <strong>de</strong>r im Artikel<br />

aufgeführten Verschleierungstaktik.<br />

~ <strong>Der</strong> extremste wirtschaftlich kriminelle (<strong>de</strong>utsche) Fall, <strong>de</strong>n die<br />

LTV betreut(e) bzw. half abzuwickeln, ist jenes Mandat wo<br />

massive OT Entfernt sgel<strong>de</strong>r auf ganz präzis ausgefeilten Wegen<br />

über mehrere Gesellschaften hier in Vaduz und in OT Entfernt an<br />

OT Entfernt OT Entfernt (und an<strong>de</strong>ren Personen in <strong>de</strong>ssen<br />

Umkreis) <strong>de</strong>s grossen Deutschen OT Entfernt OT Entfernt gezahlt<br />

wur<strong>de</strong>n. Mit dieser OT Entfernt wur<strong>de</strong> OT Entfernt.<br />

Auch viele an<strong>de</strong>re Mandate zeigen offen Kriminelle Handlungen:<br />

z.B. Gläubigerbetrug (Mandats-Nummern: OT Entfernt),<br />

Kreditbetrug (OT Entfernt ), Subventionsbetrug (OT Entfernt),<br />

Geldwäscherei (OT Entfernt), Korruption (OT Entfernt)<br />

Schmiergeldzahlungen und Bestechungen (OT Entfernt).<br />

Es gibt hun<strong>de</strong>rter weitere Deutscher Mandate, <strong>de</strong>ren richtige &<br />

korrekte Interpretation <strong>de</strong>r Aktenvermerke (Avs) und Zahlungsabläufe<br />

verschie<strong>de</strong>nste Gesetzesverstösse aufzeigen, die weit<br />

über eine reine ‚Schwarzgeld‚-Vermögensverwaltung (=<br />

Steuerhinterziehung) hinausgehen. Z.B. solche LTV-Stiftungen,<br />

<strong>de</strong>ren einzige Aktiva verschie<strong>de</strong>n grosse Aktienpakete von an <strong>de</strong>r<br />

Börse in Deutschland kotierten Gesellschaften sind. Manche <strong>de</strong>r<br />

durch die LTV im Namen <strong>de</strong>r Stiftung ausgeführten<br />

Transaktionen sind gelin<strong>de</strong> gesagt nicht gera<strong>de</strong> Kleinaktionärsfreundlich<br />

und verstossen ein<strong>de</strong>utig gegen diverse Gesetze. Oft<br />

dienten solche Transaktionen zur Vertuschung und<br />

Verschleierung <strong>de</strong>r vom (Börsen-)Gesetz vorgeschriebenen<br />

Offenlegungspflicht bei Überschreitung eines <strong>de</strong>finierten<br />

Prozentsatzes bezüglich Besitz von Aktien o<strong>de</strong>r Börsenkapital<br />

o<strong>de</strong>r bei vorgenommenen Aktienkkapitalschnitten.<br />

183


Des weiteren haben sich namentlich 68 Personen aus<br />

Deutschland als Interessenten bei <strong>de</strong>r LTV gemel<strong>de</strong>t, ohne dass es<br />

zu einem Mandatsvertrag kam (gemäss AV). <strong>Die</strong> Problematik<br />

einer FL-Stiftung im (<strong>de</strong>utschen) Steuer- und Strafrecht zeigen die<br />

Ausführungen von Dr. Rainer Spatscheck aus München, die auch<br />

auf <strong>de</strong>m DLT-Tape gespeichert sind. Auf <strong>de</strong>m Band fin<strong>de</strong>t man<br />

auch Aktenvermerke und Schulungsunterlagen für die<br />

Kun<strong>de</strong>nberater, was <strong>de</strong>m vom Deutschen Fiskus festgestellten<br />

„Durchgriffsrecht‚ <strong>de</strong>s WB/Stifters bei einer Stiftung mit<br />

Mandatsvertrag (STMM) entgegengesetzt wer<strong>de</strong>n kann: nämlich<br />

die STOM (Stiftung OHNE Mandatsvertrag). Wie die LTV in<br />

Zukunft mit Deutschland Kun<strong>de</strong>n Geschäfte machen will, zeigt<br />

auch das NSL-Gutachten vom Sommer 2002.<br />

VII. Schutz-I<strong>de</strong>ntität<br />

Durchlaucht <strong>Fürst</strong> und Erbprinz, wenn Sie nun diesen Brief in<br />

<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n halten, bin ich, hoffentlich sicher, schon in<br />

Deutschland angekommen. Selbstverständlich wer<strong>de</strong>n Sie<br />

verstehen, dass ich unter <strong>de</strong>n nun vorliegen<strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n nicht<br />

in Liechtenstein o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Schweiz auf eine Lösung warten<br />

kann. Obwohl gera<strong>de</strong> Deutschland als EU–Land eine „Gefahr‚<br />

für mich darstellt, habe ich <strong>de</strong>n Schritt gemacht, <strong>de</strong>nn wäre ich<br />

nicht nach Deutschland gegangen, so wür<strong>de</strong> gar nichts mehr<br />

gegen die Verbrecher geschehen.<br />

Dank <strong>de</strong>m Hauptverbrecher Helmut R. habe ich ja die Probleme<br />

mit Spanien. Ich bin mir <strong>de</strong>r grossen Gefahr bewusst, dass ich evt.<br />

in Deutschland in eine Polizeikontrolle geraten kann. Ich<br />

versuche es zu vermei<strong>de</strong>n. Ich kann mich aber nicht 24 Stun<strong>de</strong>n<br />

verstecken. Falls ich in eine Kontrolle gerate, wobei bei<br />

Auslän<strong>de</strong>rn meist ein Computercheck durchgeführt wird und die<br />

Deutschen versuchen wür<strong>de</strong>n mich festzuhalten, wer<strong>de</strong> ich<br />

versuchen in eine US-Einrichtung (Botschaft o<strong>de</strong>r Konsulat) zu<br />

gelangen. Gelingt mir das nicht, so habe ich keine an<strong>de</strong>re Wahl,<br />

als die Deutschen über meinen wirklichen Grund <strong>de</strong>s Aufenthalts<br />

aufzuklären, alle <strong>Daten</strong> auszuhändigen und um <strong>de</strong>ren Hilfe zu<br />

bitten.<br />

184


Um diesem Desaster zu entgehen gibt es nur eine Möglichkeit! Es<br />

tut mir Leid, dies zu verlangen, aber nur mit einer neuen<br />

temporären Schutz-ID wer<strong>de</strong> und kann ich zum Schutz von<br />

Liechtenstein, <strong>de</strong>r LGT und <strong>de</strong>r tausen<strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n aus aller Welt<br />

so lange in Deutschland warten, bis ich erfahre, zu welchem<br />

Urteil bzw. Bericht ein unabhängiger Staatsanwalt und<br />

unabhängiges Richtergremium gekommen sind. Bedingungslos<br />

vom Urteil o<strong>de</strong>r Bericht bin ich dann bereit mich mit einer<br />

Vertrauensperson von Ihnen in Deutschland zu treffen, um einen<br />

Weg aus <strong>de</strong>r drohen<strong>de</strong>n Katastrophe zu fin<strong>de</strong>n. Ich bitte Sie<br />

daher mit beiliegen<strong>de</strong>n Fotos von mir zwei gleichnamige FL<br />

Pässe auszustellen. Da <strong>de</strong>r Name und das Geburtsdatum zufällig<br />

gewählt wur<strong>de</strong>n, gibt es keine Verwechslung mit einer echten<br />

Person. Vor Ihnen verstecken kann und will ich mich ja mit<br />

diesem neuen Pass nicht, Sie kennen ja die Passdaten. Bitte<br />

beachten Sie aber, dass Sie es in <strong>de</strong>r Hand haben, wer davon<br />

erfährt. Man wird Ihnen sicher raten, sofort die Polizei<br />

einzuschalten. Abgesehen davon, dass ich alle meine<br />

Verbindungen nach FL aufgelöst habe und we<strong>de</strong>r dort noch<br />

arbeite noch wohne, möchte aber darauf hinweisen, dass <strong>de</strong>r<br />

Chef <strong>de</strong>r FL-Wirtschaftspolizei (EWOK) in Vaduz – die in diesem<br />

Fall sicherlich die Führung <strong>de</strong>r Untersuchung haben möchte - ein<br />

DEUTSCHER ist. Er hätte sicherlich Interesse zumin<strong>de</strong>st an <strong>de</strong>n<br />

Deutschen <strong>Daten</strong>menge. Selbst wenn alle Vorsicht geboten wird –<br />

irgendjemand (Sachbearbeiter, Sekretärin, Archivar o<strong>de</strong>r Bote<br />

etc.) in <strong>de</strong>r Justiz o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Polizei in Liechtenstein o<strong>de</strong>r sonst<br />

wo wür<strong>de</strong> es ausplau<strong>de</strong>rn.<br />

Zu<strong>de</strong>m kann ich mit <strong>de</strong>r Zusendung <strong>de</strong>r neuen Pässe erkennen,<br />

dass Ihnen an <strong>de</strong>r Lösung etwas liegt. Das ich um 2 Pässe bitte,<br />

liegt daran, dass ich einen Reserve-Pass brauche, wenn einer<br />

unbrauchbar wird o<strong>de</strong>r verloren geht. Nach En<strong>de</strong>, welches auch<br />

immer, wer<strong>de</strong> ich Ihnen bei<strong>de</strong> Pässe zurückgeben. Ich bitte Sie<br />

bei<strong>de</strong> Pässe in einer Hülle in das beigelegte beschriftete Kuvert<br />

einzupacken und fest zuzukleben. <strong>Die</strong>ses Kuvert bitte wie<strong>de</strong>rum<br />

in ein neutrales grosses A4 Kuvert geben. Auf diesem A4-Kuvert<br />

vorne bitte folgen<strong>de</strong> Aufschrift anbringen: ‚Wird von Hr. Kieber<br />

abgeholt o<strong>de</strong>r er lässt es abholen o<strong>de</strong>r gibt telefonisch an wohin<br />

es weitergeleitet wer<strong>de</strong>n soll‚.<br />

185


Ich bitte Sie das Kuvert einer Vertrauensperson zu übergeben.<br />

<strong>Die</strong>se soll damit entwe<strong>de</strong>r nach Feldkirch fahren und dort bei<br />

UPS Austria (Freecall Austria 0810-xxxxxx) abgeben, (Bitte nicht<br />

mit <strong>de</strong>r UPS Schweiz sen<strong>de</strong>n, da dann <strong>de</strong>r Zoll Einblick nehmen<br />

könnte) o<strong>de</strong>r die Vertrauensperson soll das Kuvert persönlich in<br />

Frankfurt abgeben, damit es spätestens am Montag, <strong>de</strong>n<br />

13.01.2003, 14 Uhr dort ist. Empfänger ist die LGT Nie<strong>de</strong>rlassung<br />

Frankfurt*, Bockenheimer Landstrasse 107, z.Hd. Geschäftsführer<br />

o<strong>de</strong>r Sekretariat, D- 60325 Frankfurt. Inhalt: Dokumente.<br />

* = ab <strong>de</strong>m 07.01.03 ist das Büro wie<strong>de</strong>r besetzt.<br />

<strong>Die</strong> LGT Frankfurt sollte natürlich NICHT eingeweiht wer<strong>de</strong>n.<br />

Man soll nur telefonisch (0049 69 xxxxxxxx) mitteilen, das ein<br />

Kuvert für einen Kun<strong>de</strong>n per UPS o<strong>de</strong>r Kurier ankommen wird;<br />

man braucht auch keinen Ausweis vom Abholer einzusehen.<br />

Wenn evt. jemand kommt und nach <strong>de</strong>m Kuvert für Herrn<br />

Kieber fragt, soll man es einfach ohne UPS-Umschlag, aber im<br />

grossen A4-Umschlag, übergeben.<br />

Falls evt. Herr Kieber anrufen sollte, soll man bitte das Kuvert<br />

gemäss seinen Angaben weiterleiten. Kosten zu Lasten <strong>de</strong>r LGT<br />

Deutschland.<br />

Sollten die Pässe nicht bis am Montag, <strong>de</strong>n 13. Januar 2003 in<br />

Frankfurt sein, o<strong>de</strong>r ein Kuvert zwar ankommen, aber kein o<strong>de</strong>r<br />

nur ein Pass drin ist, so nehme ich an, dass Sie an<strong>de</strong>re Pläne zur<br />

Lösung dieser Situation verfolgen. Dann muss ich keine<br />

Rücksicht mehr nehmen und wer<strong>de</strong> sofort Hilfe bei <strong>de</strong>n<br />

Amerikanern erbeten.<br />

Anm.: Ursprünglich wollte ich in diesem Punkt zwei einfache, sogenannte<br />

I<strong>de</strong>ntitätskarten von Hans-Adam verlangen, da sie eigentlich für meine Zwecke<br />

(eine an<strong>de</strong>re, sichere I<strong>de</strong>ntität während meines Aufenthaltes in Deutschland)<br />

auch ausgereicht hätten. Nachforschungen meinerseits ergaben aber, dass die<br />

ID-Karten für Liechtensteiner Bürger von einer Spezialfirma in <strong>de</strong>r Schweiz<br />

hergestellt wer<strong>de</strong>n und das Liechtensteiner Passamt sie von dort per Post<br />

bestellt. <strong>Die</strong>s kann bis zu 14 Tage dauern. Ich wusste aber, dass Hans-Adam<br />

selber (!) schnell Liechtensteiner Pässe drucken kann, unabhängig von <strong>de</strong>r<br />

Regierung. Hans-Adam hat nämlich das absolute Recht, Auslän<strong>de</strong>rn je<strong>de</strong>rzeit<br />

per Dekret die Liechtensteiner Staatsbürgerschaft zu verleihen. O<strong>de</strong>r nach seiner<br />

Wahl (wovon er auch rege Gebrauch macht) Liechtensteiner Diplomatenpässe<br />

(zu 95 % exklusiv an seine eigene, grosse Familie) zu verteilen. Ich bat ihn um<br />

186


zwei normale Pässe. Den Termin „13.01.03“ habe ich bewusst gesetzt, da ich<br />

Hans-Adam nicht zu viel Zeit geben wollte, diesen ersten Schritt zu machen.<br />

Mit zu viel Zeit, wer weiss auf welche „dummen“ Gedanken er und seine<br />

Truppe hätte kommen können.<br />

VIII. <strong>Daten</strong>sicherheit<br />

Meine erste I<strong>de</strong>e war, alle brauchbaren kun<strong>de</strong>nspezifische<br />

Dokumente komplett und verschlüsselt ins Internet zu stellen.<br />

<strong>Die</strong> grosse <strong>Daten</strong>menge wäre technische kein Problem gewesen.<br />

Internetfirmen wie z.B. ‚xdrive.com‚ bieten solche <strong>Die</strong>nste an.<br />

OT Entfernt. Von dieser Version habe ich aber abgesehen, da ich<br />

nicht zu 100 Prozent ausschliessen kann, dass die involvierten IT-<br />

Spezialisten evt. beim Installieren <strong>de</strong>nnoch Einsicht in die <strong>Daten</strong><br />

nehmen könnten.<br />

Einfacher und sicherer ist eine externe Harddisk (Festplatte). Sie<br />

kostet nicht viel, ist klein, handlich und einfach zu bedienen, da<br />

es als zusätzliches Laufwerk erscheint. Eine 20 GB Festplatte<br />

reicht mehr als nötig aus, um von allen Gesellschaften jene<br />

Kun<strong>de</strong>n-, Vermögens- und Geschichtsdaten zu speichern, die<br />

notwendig sind, um eine I<strong>de</strong>ntifizierung und History zu<br />

ermöglichen. Ich habe mir 2 solcher ‚PocketDrives‚ gekauft. <strong>Die</strong><br />

<strong>Daten</strong> auf diesen 2 externen Festplatten* sind mittels eines<br />

Verschlüsselungsprogramms (ähnlich <strong>de</strong>m Crypto-Suite von<br />

BHV, also 256 Bits nach AES-Standard) vor frem<strong>de</strong>m Zugriff<br />

absolut sicher. Zusätzlich habe ich mir dieselben <strong>Daten</strong> auf vier<br />

DVD-Rom’s* (je 4,7 GB) gebrannt. Den Computer, <strong>de</strong>n ich für<br />

diese Vorgänge verwen<strong>de</strong>t habe, war zu keiner Zeit am Internet<br />

angeschlossen; somit ist ausgeschlossen, dass je etwas ins Netz<br />

gelangen konnte o<strong>de</strong>r Viren o<strong>de</strong>r Spione sich eingenistet haben<br />

könnten. Das Original-LTV-DLT-Tape habe ich so belassen wie es<br />

ist (keine Verschlüsselung). Das Tape und all die<br />

Originaldokumente habe ich nach Deutschland trotz <strong>de</strong>s hohen<br />

Risikos mitgenommen. Sie wer<strong>de</strong>n getrennt und wer<strong>de</strong>n sicher<br />

verwahrt.<br />

<strong>Die</strong> 4 DVD’s* habe ich auch mitgenommen und sie wer<strong>de</strong>n sicher<br />

aufbewahrt. <strong>Die</strong> 2 Externen Harddisks* habe ich auch<br />

187


mitgenommen. Sie wer<strong>de</strong>n auch getrennt und an einem sicheren<br />

Ort aufbewahrt wer<strong>de</strong>n.<br />

Niemand kann jetzt ohne mein Dazutun we<strong>de</strong>r an das Tape, die<br />

Originaldokumente, die DVD’s* o<strong>de</strong>r 2 Externen Harddisks*<br />

kommen, noch ohne mein Dazutun die <strong>Daten</strong> lesen. Es sind VIER<br />

voneinan<strong>de</strong>r unabhängige Hür<strong>de</strong>n zu nehmen: es braucht VIER<br />

unterschiedliche Komponenten, die - in <strong>de</strong>r richtigen Reihenfolge<br />

- es ermöglichen, schlussendlich wirklich zu lesbaren <strong>Daten</strong> zu<br />

kommen.<br />

Wobei DREI <strong>de</strong>r 4 Komponenten nichts mit Software o<strong>de</strong>r<br />

hochtechnischem Zeug zu tun haben. <strong>Die</strong> VIERTE Komponente<br />

ist natürlich <strong>de</strong>r 256 Bits-Verschlüsselungs-Schlüssel. <strong>Die</strong> DREI<br />

ersten Komponenten sind einfacher Natur. Sie haben nichts<br />

miteinan<strong>de</strong>r gemein. Damit kann ich zu 100 Prozent<br />

ausschliessen, dass wenn jemand – was eigentlich unmöglich ist -<br />

durch widrige Umstän<strong>de</strong> Kenntnis von einer <strong>de</strong>r 3 ersten<br />

Komponenten erhält, falls er/sie überhaupt es als solche erkennt,<br />

zu <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> gelangen kann. Das jemand nur schon 2<br />

Komponenten ohne meine Angaben in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n halten kann,<br />

ist unmöglich. * = Auf diese <strong>Daten</strong>träger habe ich jene Mandate,<br />

die zu Ihrer fürstlichen Familie gehören (Schwester, Kin<strong>de</strong>r etc.)<br />

sowie jene Mandate, die Prinz Philipp sowie seinen<br />

Schwiegereltern zugeordnet wer<strong>de</strong>n, nicht aus <strong>de</strong>m DLT-Tape<br />

rüberkopiert.<br />

Anm.: Irgendwie dachte ich mir, dass das Hans-Adam etwas besser schlafen<br />

könnte, wenn er weiss, dass ich all jene privaten Mandate <strong>de</strong>r Treuhand, wo er<br />

und Mitglie<strong>de</strong>r seiner grossen Familie persönlich Wirtschaftlich Berechtigte<br />

sind, nicht auf <strong>de</strong>m im Brief beschriebenen <strong>Daten</strong>trägern gespeichert hatte.<br />

IX. Meine Sicherheit<br />

Grundsätzlich möchte ich bekräftigen, dass ich kein Interesse<br />

habe, <strong>de</strong>r LGT als Gruppe, <strong>de</strong>n tausen<strong>de</strong>n einzelnen Kun<strong>de</strong>n und<br />

<strong>de</strong>m Finanzland Liechtenstein Scha<strong>de</strong>n zuzuführen. Denn <strong>de</strong>r<br />

Auswirkungen einer möglichen ultimativen Katastrophe bin ich<br />

mir bewusst: Immense Imageschädigung <strong>de</strong>r LGT Gruppe<br />

weltweit - Eröffnung tausen<strong>de</strong>r Strafsteuerverfahren gegen die<br />

188


Kun<strong>de</strong>n - Rufschädigung <strong>de</strong>s Finanzplatzes Liechtenstein -<br />

Verlust von Kun<strong>de</strong>ngel<strong>de</strong>rn in Milliar<strong>de</strong>nhöhe -<br />

Scha<strong>de</strong>nsersatzklagen gegen die LGT (analog wie bei Batliner) -<br />

Einleitung verschie<strong>de</strong>ner Strafverfahren, da ohne Zweifel viele<br />

<strong>de</strong>r grossen Vermögen unrechtmässig erworben wur<strong>de</strong>n<br />

(Korruption, Verbrechen, Betrug, Insi<strong>de</strong>rhan<strong>de</strong>l etc.) -<br />

Gravieren<strong>de</strong> Konsequenzen für viele einzelne Kun<strong>de</strong>n (Job,<br />

politische Karriere) - politische Konsequenzen einiger OT<br />

Entfernt-Parteien - <strong>Die</strong> vielen Möglichkeiten <strong>de</strong>r Amerikaner will<br />

ich erst gar nicht erwähnen u.s.w. ...<br />

Und das alles wegen einer handvoll Verbrecher aus Deutschland,<br />

Spanien und Argentinien. Sicherlich, <strong>de</strong>r Auslöser wer<strong>de</strong> ich sein,<br />

aber die Verantwortung trägt die FL-Staatsanwaltschaft, LR U.<br />

Oehri, zusammen mit <strong>de</strong>n Verbrechern. Ein kleiner Teil <strong>de</strong>s<br />

Schutzes <strong>de</strong>r LGT (<strong>Daten</strong>) und Liechtensteins ist auch mein<br />

Schutz (sollte mir diese Schutz-ID verweigert wer<strong>de</strong>n, dann muss<br />

ich keine Rücksicht nehmen und wer<strong>de</strong> selber mit <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong><br />

samt <strong>de</strong>n Originaldokumenten mich bei <strong>de</strong>n Amerikanern<br />

mel<strong>de</strong>n).<br />

1. Sollte man mir während meiner Entgegennahme <strong>de</strong>s Kuverts<br />

mit <strong>de</strong>r Schutz-ID o<strong>de</strong>r bei einem späteren Treffen eine Falle<br />

stellen, so müssen Sie wissen, dass ich jeweils für diese und<br />

an<strong>de</strong>re Zeiten die zweite externe Harddisk bei mir tragen wer<strong>de</strong>.<br />

Dann übergebe ich eine Harddisk sofort und führe die <strong>de</strong>utschen<br />

Steuerbeamten zu <strong>de</strong>n Originaldokumenten.<br />

2. O<strong>de</strong>r sollte man mir bei diesen zwei Gelegenheiten (Schutz-ID-<br />

Abholung) o<strong>de</strong>r bei einem späteren Treffen eine Falle ‚privater<br />

Natur‚ stellen, also Sie mich z.B. Privat schnappen wollen, so<br />

teile ich Ihnen mit, dass ich mich sehr gut zu wehren weiss.<br />

Sollte dies alles nichts bringen und mich nicht schützten, so nützt<br />

es Ihnen auch nichts, <strong>de</strong>nn ich habe es so eingerichtet, dass ich<br />

ohne meine physische Präsenz Dritten <strong>de</strong>n Zugriff wahlweise,<br />

obwohl räumlich / geographisch getrennt, auf Alles (DLT-Tape,<br />

Originaldokumente, Externe Harddisk und die DVD’s) o<strong>de</strong>r auf<br />

einzelne <strong>Daten</strong>träger gewähren kann. Ich aktiviere einen<br />

vorbereiteten zeitlich programmierbaren E-Mail-Versand. In<br />

189


einer ersten E-Mail (Text in Englisch und Deutsch) beschreibe ich<br />

wer ich bin, was ich habe und meine Grün<strong>de</strong> warum es tue.<br />

<strong>Die</strong> Liste <strong>de</strong>r Empfänger sind:<br />

askDOJ@usdoj.gov (for the US-Ambassador in Berlin MR Daniel<br />

R. Coats or 2 nd in charge MR Terry.R.Snell),<br />

zentrale@bun<strong>de</strong>snachrichtendienst.<strong>de</strong> (für Dr. August Hauning),<br />

info@bka.<strong>de</strong>, poststelle@bmf.bund.<strong>de</strong> (für Finanzminister Hans<br />

Eichel), spiegel@spiegel.<strong>de</strong> (für Stefan Aust),<br />

aizenmann@washpost.com (for Nurit Aizenmann, Washington<br />

Post, US) redaktion@nzz.ch (für Hugo Bütler, CH),<br />

editor@sundayherald.com (UK), business@ thetimesco.uk (UK),<br />

synd.admin@ft.com (Financial Times UK),<br />

money.editor@guardianunlimited.co.uk (The Observer,UK),<br />

cmeier@gujba.com (Gruner+Jahr, D), wirtschaft@myfaz.net (FAZ,<br />

D), info@bild.t-online.<strong>de</strong> (D), mm_redaktion@managermagazin.<strong>de</strong><br />

(für Dr. Wolfgang Ka<strong>de</strong>n, D), radaktion@profil.at (für<br />

Dr. Robert Buchacher, OES.) patrikdaniel@sph.com.sg (The<br />

Business Times, SIN), stworld@cyberway.com.sg (The Straits<br />

Times, SIN), info@scmp.com (to the editor of the South China<br />

Morning Post, HK) marcello.sorgi@lastampa.it, info@lemon<strong>de</strong>.fr<br />

(to Boris Razon, Fr), Philippe.Reclus@ lefigaro.fr (Fr),<br />

letters@iht.com (Intern. Harald Tribune).<br />

<strong>Die</strong> Behör<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n USA und Deutschland sowie <strong>Der</strong> SPIEGEL =<br />

die ersten 5 Adressen in obiger Liste - erhalten auch eine zweite<br />

E-Mail, <strong>de</strong>ssen Versand-Zeitpunkt auch programmierbar ist.<br />

Darin teile ihnen zusätzlich mit, wie sie über die 4 Komponenten<br />

direkt an die (lesbaren) Tapes und die Originaldokumente<br />

kommen: die USA an die erste externe Harddisk und<br />

Originaldokumente, die Deutschen Behör<strong>de</strong>n an die zweite<br />

externe Harddisk und <strong>de</strong>r Spiegel an die 4 DVD’s.<br />

<strong>Der</strong> Zeitpunkt <strong>de</strong>s Abschickens bei<strong>de</strong>r E-Mails habe ich so<br />

gewählt, dass ich bis zu „xy‚- Minuten nach <strong>de</strong>m kritischen<br />

Zeitpunkt die Möglichkeit habe, die E-Mails zu stoppen. Zu<strong>de</strong>m<br />

habe ich noch eine Sicherheitsstufe (Schlüssel <strong>de</strong>r verschlüsselten<br />

zweiten E-Mail) eingebaut, um versehentliches Sen<strong>de</strong>n zu<br />

190


unterbin<strong>de</strong>n. <strong>Der</strong> verwen<strong>de</strong>te Provi<strong>de</strong>r ist aus Taiwan und ist<br />

daher (frei von fremdstaatlicher Kontrolle) völlig unabhängig.<br />

<strong>Die</strong> Formel ist einfach: Wer<strong>de</strong> ich während ich auf einen<br />

Schlussbericht eines Son<strong>de</strong>rstaatsanwaltes und eines<br />

Richtergremiums warte und das Resultat bei einem Treffen in<br />

Deutschland vorgelegt bekomme, nicht in Ruhe gelassen,<br />

dann wer<strong>de</strong> ich zum Bluthund von Liechtenstein.<br />

Wenn ich schon keine faire und rechtsstaatliche Gerechtigkeit<br />

bekomme, dann sollen wenigstens all die verschie<strong>de</strong>nen Län<strong>de</strong>r<br />

(gemäss Liste unter Punkt IV.) ihre (Steuer-) Gerechtigkeit<br />

bekommen!! Amen und En<strong>de</strong>.<br />

Es wi<strong>de</strong>rstrebt mir sehr, und die Vorstellung <strong>de</strong>r Kettenreaktion<br />

ist grausam; aber was habe ich zu verlieren? Habe ich nicht heute<br />

schon alles verloren? Muss eine solche Katastrophe passieren, bis<br />

man in Liechtenstein zum Minimum von Grundrechten kommt?<br />

Offensichtlich JA.<br />

X. WIE WEITER & Kontaktmöglichkeit<br />

Ich bitte Sie und Ihren Erbprinzen die Angelegenheit nicht<br />

einfach wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n alten Behör<strong>de</strong>n zu <strong>de</strong>legieren – das führt zu<br />

nichts! Ich bin aber auch nicht in einer Position, Ihnen<br />

mitzuteilen, an wenn Sie sich wen<strong>de</strong>n sollen, aber mit Ihnen sind<br />

es jetzt zwei Personen (Sie und ich) die von diesen Unterlagen<br />

erfahren haben. Mein Anwalt ist nicht informiert. Auf <strong>de</strong>r einen<br />

Seite verstehe ich ganz klar, wenn Sie sofort <strong>de</strong>n Henker rufen.<br />

Das Be<strong>de</strong>utet, Sie alleine haben es ab jetzt in <strong>de</strong>r Hand, wer wie<br />

viel von diesen Unterlagen, die Sie in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n halten<br />

erfahren soll. Sie müssen es selber abwägen, wer involviert<br />

wer<strong>de</strong>n soll. Je<strong>de</strong> zusätzliche Person ist eine Person mehr, die<br />

meine Wandlung zum Rächer auslösen kann.<br />

Ich habe eine sichere und einfache Kommunikationsmöglichkeit<br />

übers Internet eingerichtet. Das nötige LOGIN Wort <strong>de</strong>r E-Mail-<br />

Adresse ist ganz in Ihrer Nähe: Ich bitte Sie in die Schatzkammer<br />

in Ihrem Rundturm im Schloss zu gehen. Dort wo all Ihre<br />

191


kostbaren Bil<strong>de</strong>r hängen. Im Blickwinkel eines i<strong>de</strong>ellen<br />

Selbstbildnisses (wo er sich als Musiker darstellt) <strong>de</strong>s Maler<br />

Gerard DOU ist im Innenrahmen <strong>de</strong>s gegenüberliegen<strong>de</strong>n<br />

Metallgitters (an welche die verschie<strong>de</strong>nen an<strong>de</strong>ren Bil<strong>de</strong>r<br />

aufgehängt sind) habe ich selber das LOGIN Wort angebracht.<br />

(Falls das Selbstbildnis im Lager umgehängt wor<strong>de</strong>n ist; <strong>de</strong>r<br />

hängen<strong>de</strong>, fahrbare Metallrahmen trägt die Nummer 49/51).<br />

Sie wer<strong>de</strong>n es sofort erkennen: das Wort (mit 2 Zahlen) hat nichts<br />

mit <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Rahmen zu tun. Somit haben Sie das<br />

LOG-IN Wort. Das dazugehören<strong>de</strong> PASSWORT ist jenes Wort,<br />

das Ihnen persönlich, Durchlaucht <strong>Fürst</strong> Hans-Adam, als erstes<br />

einfällt, wenn Sie dann das LOG-IN Wort in <strong>de</strong>r Schatzkammer<br />

lesen.<br />

Ich habe dies alles so gemacht, da ich sicher gehen will, dass Sie<br />

wirklich mich versuchen zu verstehen. Später wer<strong>de</strong> ich Ihnen<br />

sofort mitteilen, beim welchem Provi<strong>de</strong>r (Homepage) die E-Mail-<br />

Adresse eingerichtet ist. Dann haben Sie das LOGIN Wort, das<br />

PASSWORT und <strong>de</strong>n PROVIDER (alles in Kleinbuchstaben<br />

eingeben). Auf <strong>de</strong>r Homepage <strong>de</strong>s Provi<strong>de</strong>rs fin<strong>de</strong>n Sie auf <strong>de</strong>r 1.<br />

Linie das Kästchen ‚E-Mail‚; dort 1x klicken. Bei <strong>de</strong>r nächsten<br />

Seite das LOGIN Wort und das PASSWORT eingeben. Im E-Mail-<br />

Account auf <strong>de</strong>r linken Seite bitte auf *Draft* (rot) 1x klicken. Im<br />

Draft ist eine Mail mit Hea<strong>de</strong>r „Documents‚ gespeichert; darauf<br />

klicken und Sie fin<strong>de</strong>n meine Meldung.<br />

Ein Treffen kann nur in Deutschland stattfin<strong>de</strong>n; entwe<strong>de</strong>r mit<br />

Dr. Pius Schlachter o<strong>de</strong>r, wenn Sie es wünschen, mit <strong>de</strong>m<br />

Erbprinzen Alois. Es tut mir ausseror<strong>de</strong>ntlich Leid, dass Sie mit<br />

hinein gezogen wer<strong>de</strong>. Ich hatte keine an<strong>de</strong>re Wahl.<br />

Sehr geehrter <strong>Fürst</strong> und Erbprinz, ich weiss, unberechtigterweise<br />

verlange ich von Ihnen die Schutz-ID. Aber es ist zum Schutz<br />

IHRER <strong>Daten</strong>. Auch dass ich Sie zu einer Kommunikation bitte,<br />

die Ihnen nicht würdig ist; aber auf Grund <strong>de</strong>r speziellen<br />

Umstän<strong>de</strong> gibt es keine an<strong>de</strong>re Lösung. Ich will nicht zum<br />

Mör<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n. Liechtenstein hat eine letzte Möglichkeit, die<br />

Inkompetenz und Selbstherrlichkeit gewisser Staatsanwälte und<br />

Richter ein und für allemal zu korrigieren. Im Grun<strong>de</strong> bin ich mir<br />

aber auch bewusst, dass Sie und Ihre Berater, im Gegenteil,<br />

192


höchstwahrscheinlich alles daran setzten wer<strong>de</strong>n, mich zu<br />

vernichten. Mit meiner Abreise aus Liechtenstein gibt es für mich<br />

keinen Weg zurück. Sie selber können erkennen, dass ich durch<br />

meinen jetzigen Aufenthalt in Deutschland alles riskiere: die<br />

LGT, Liechtenstein, mich selber. Ich verstecke mich nicht einfach<br />

irgendwo und warte gemütlich bis was geschieht – NEIN!<br />

Da <strong>de</strong>r Staat mit seiner Staatsanwaltschaft nicht Han<strong>de</strong>ln wollte,<br />

habe ich selber <strong>de</strong>n Startknopf für das ‚letzte Kapitel‚ gedrückt.<br />

Entschuldigen Sie meine Fehler und vergeben Sie mir, dass ich<br />

solche Metho<strong>de</strong>n anwen<strong>de</strong>. Hochachtungsvoll H.K.<br />

Anm.: Mir war klar, dass es psychologisch hoch riskant war, ausgerechnet in<br />

Hans-Adams persönlicher Schatzkammer <strong>de</strong>n Hinweis für das Passwort für die<br />

vorher eingerichtete Internetkommunikation zu hinterlassen. <strong>Die</strong>ser Rundturm<br />

(vom Dorf unten aus gesehen, <strong>de</strong>r dicke, run<strong>de</strong> linke Teil <strong>de</strong>r Schlossmauer)<br />

wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n 90er Jahren mit Tonnen von Beton ausgegossen und beinhaltet<br />

mehrere Stockwerke, in <strong>de</strong>r seine monströse Kunstsammlung fachgerecht und<br />

absolut sicher verwahrt wird. Ich wählte dieses eher abnorme Art einen Hinweis<br />

anzubringen aus, weil dies <strong>de</strong>r einzige für mich logische Weg war, wo ich mit<br />

absoluter Sicherheit vorauserahnen konnte, <strong>de</strong>r Hans-Adam selber nachsehen<br />

wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>s alleine schon <strong>de</strong>shalb, weil es für ihn einen Schreckschuss sein<br />

wür<strong>de</strong>, dass „ ein Frem<strong>de</strong>r“ ausgerechnet in jenem Bunker, wo seine kostbarsten<br />

Bil<strong>de</strong>r hängen, etwas gemacht hatte.<br />

Auch <strong>de</strong>r ausgewählte Platz, wo ich <strong>de</strong>n Kleber anbrachte, nämlich im eigenen<br />

Blickwinkel <strong>de</strong>s Selbstbildnisse <strong>de</strong>s Malers Gerard DOU, hatte für die ganze<br />

Sache eine ausdrückliche Be<strong>de</strong>utung. Aber eben, in <strong>de</strong>r Hektik <strong>de</strong>s Dramas ist<br />

meine Metamorphose Zwei<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>m Hans-Adam und all jenen, die mit ihm<br />

später im Raum vor <strong>de</strong>m Bild stan<strong>de</strong>n, nicht aufgefallen. <strong>Die</strong>ser Hinweis in <strong>de</strong>r<br />

„Schatztruhe“ Hans-Adams soll nach meiner Rückkehr noch zu wil<strong>de</strong>n<br />

Diskussionen führen. <strong>Der</strong> Brief an Hans-Adam ist hier zu En<strong>de</strong>.<br />

So, das war also DER BRIEF, <strong>de</strong>r eine ungesun<strong>de</strong> Kettenreaktion und<br />

äusserst stürmische Zeiten für Hans-Adam, Liechtenstein und mich 2003<br />

bringen sollte. Natürlich schäme ich mich (auch als Liechtensteiner)<br />

heute noch, ein DLT-Tape geklaut zu haben auch wenn es nur eine<br />

„Kopie‚ <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>ndaten darstellt. Auch schäme ich mich obigen Brief<br />

an Hans-Adam geschrieben zu haben.<br />

193


Was ich aber im berühmten Brief an Hans-Adam vom 07. Januar 2003<br />

nicht geschrieben hatte und auch später im 2003 we<strong>de</strong>r ihm, <strong>de</strong>r LGT<br />

noch "<strong>de</strong>m Professor" und ‚<strong>de</strong>n Bankdirektor‚ (Dr. Thomas Müller & Dr.<br />

Pius Schlachter - mehr über die Bei<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Kapiteln),<br />

verraten hatte, war <strong>de</strong>r Zeitpunkt, jener genaue Tag wann ich mir das<br />

Back-Up-Tape angeeignet hatte. <strong>Der</strong> Hauptgrund dafür, es nicht<br />

mitzuteilen, war – damals wie heute - rein strategischer Natur. Wüssten<br />

sie das genaue Datum, dann könnten sie exakt feststellen, welche<br />

<strong>Daten</strong>/Dokumente nicht auf <strong>de</strong>m Band sind. Exklusive kann ich erstmal<br />

in dieser "Tragödie ohne En<strong>de</strong>" hier, im Buch aufklären, dass ich das<br />

Back-Up-Tape zeitlich NACH meiner Kündigung (vom 29. August 2002)<br />

entwen<strong>de</strong>t hatte. Wobei ich aber zugeben muss, dass ich die reine<br />

Möglichkeit ein Tages-Back-Up-Tape zu entwen<strong>de</strong>n, schon einige Zeit<br />

vor diesem Datum ent<strong>de</strong>ckt hatte. Ich konnte auch feststellen, dass es<br />

eine ständige wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong> Chance war. Wie ich vermutete hatte,<br />

wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r <strong><strong>Die</strong>b</strong>stahl von <strong>de</strong>r LGT Treuhand nicht bemerkt.<br />

Ich möchte hier und heute die Gelegenheit auch nutzten und folgen<strong>de</strong>s<br />

klarstellen: Alle im Brief an Hans-Adam genannten Zahlen, sei es<br />

bezüglich <strong>de</strong>r Briefkastenfirmen (Stiftungen, Anstalten, etc.), <strong>de</strong>r<br />

Aufteilung <strong>de</strong>r Begünstigten (Erst- o<strong>de</strong>r Zweitbegünstigte), in Bezug auf<br />

verwaltete Geldsummen und so weiter, egal ob als Totalzahl o<strong>de</strong>r pro<br />

erwähntem Land, sind die faktischen, richtigen Zahlen! Ich erwähne dies<br />

<strong>de</strong>shalb, da man seit Februar 2008 nun unzählige Varianten dieser<br />

Zahlen in <strong>de</strong>n Medien nachlesen kann. <strong>Die</strong> ausländischen staatlichen<br />

Behör<strong>de</strong>n wollen u.a. aus taktischen Grün<strong>de</strong>n die genaue Zahl nicht<br />

bekannt geben. Das Hans-Adam und seine LGT natürlich vehement<br />

versuchen vor allem die Zahl betroffener Kun<strong>de</strong>n (insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r<br />

Deutschen) „kleinzure<strong>de</strong>n‚, liegt in <strong>de</strong>r Natur ihres versuchten,<br />

kläglichen „Desaster Management‚.<br />

Oh, wie passte es Liechtenstein schön ins Bild. Was konnten sie nicht<br />

alles <strong>de</strong>n Medien seit Februar 2008 „erzählen‚? <strong>Der</strong> hochintelligente,<br />

böse und kriminelle Kieber hat die <strong>Daten</strong> gestohlen, sei mal aus<br />

Liechtenstein „abgehauen‚, mal „untergetaucht‚, mal „aufgetaucht‚,<br />

mal „quergetaucht‚, hätte angeblich mal die LGT Bank, mal die LGT<br />

Treuhand, mal <strong>de</strong>n Gärtner, mal <strong>de</strong>n Teufel, mal <strong>de</strong>n Hans-Adam<br />

erpresst und hätte von Hans-Adam zwei Pässe für die „Flucht‚ verlangt,<br />

194


hat ihm lange Briefe geschrieben, u.s.w.. <strong>Der</strong> wahre Inhalt dieses Briefes<br />

und die ganze Vorgeschichte dazu wur<strong>de</strong>n auf Befehl von Hans-Adam<br />

im Februar 2008 von Seiten Liechtensteins bewusst vollständig<br />

unterdrückt. Selbst <strong>de</strong>r leiten<strong>de</strong> Staatsanwalt Dr. Robert Wallner durfte<br />

nur genau die Worte wie<strong>de</strong>rgeben, die zuvor unter allen betroffenen in<br />

nächtlichen Krisensitzungen in Vaduz abgestimmt wur<strong>de</strong>n.<br />

Einige Journalisten, die <strong>de</strong>r Sache etwas tiefer nachgingen, erschien die<br />

ganze Geschichte unlogisch: Wäre <strong>de</strong>r Kieber kriminell wie die hohen<br />

Finanz-Herren aus Liechtenstein behaupteten, dann hätte er doch <strong>de</strong>n<br />

Hans-Adam, die Regierung o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st die LGT um massenhafte<br />

Millionen erpresst. Und er wäre samt <strong>de</strong>r Pässe für die angebliche<br />

„Flucht‚ untergetaucht. Das <strong>Daten</strong>material in seinen Hän<strong>de</strong>n war ja im<br />

Januar 2003 viel aktueller und brisanter, als es sich dann über fünf (!)<br />

Jahre später, im Februar 2008, explosiv uns allen offenbarte.<br />

In <strong>de</strong>r Tat habe ich nie we<strong>de</strong>r Hans-Adam, die Regierung noch die LGT<br />

erpresst. Ich habe nie Geld o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Vorteile (Fluchthilfe etc.)<br />

erpresst, verlangt o<strong>de</strong>r erhalten. Dass diese meine Aussage 100% <strong>de</strong>r<br />

Wahrheit entspricht, wird auch klar von <strong>de</strong>nen in Vaduz bestaetigt:<br />

nie wur<strong>de</strong> solches behauptet. Was nicht heisst, dass sie es evt. eines<br />

Tages behaupten wer<strong>de</strong>n, je nach <strong>de</strong>m wie es ihnen in ihrem Krieg gegen<br />

mich passt.<br />

Meine Leser können nun die Fortsetzung <strong>de</strong>r wahren Geschichte weiter<br />

schwarz auf weiss lesen. Meine Beweggrün<strong>de</strong> (die <strong>Daten</strong> zu entwen<strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>n Brief an Hans-Adam zu schreiben und dann nach Deutschland zu<br />

reisen) waren genau so, wie ich sie in <strong>de</strong>n bisherigen Kapiteln im Buch<br />

Wort für Wort nie<strong>de</strong>rgeschrieben habe. Ich habe we<strong>de</strong>r von Hans-Adam<br />

noch von an<strong>de</strong>ren je Geld, „Fluchthilfe‚ o<strong>de</strong>r ähnliches verlangt.<br />

Definitiv habe ich verschie<strong>de</strong>ne Gesetze mit meinem Han<strong>de</strong>ln<br />

gebrochen. Ich will mein Verhalten nicht schönre<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Reaktion auf<br />

meinen Brief von Hans-Adam und <strong>de</strong>r von ihm befehligten Regierung<br />

und <strong>de</strong>r von ihm indirekt kontrollierten Justiz und Polizei kann ich Euch<br />

Lesern in <strong>de</strong>n nun folgen<strong>de</strong>n Kapiteln in messerscharfem Detail<br />

berichten.<br />

195


KAPITEL 8 Wenn Herr Kieber eine Reise tut.<br />

In diesem Kapitel bis und mit Kapitel 16 schil<strong>de</strong>re ich unter <strong>de</strong>n drei<br />

abwechseln<strong>de</strong>n Zwischentiteln BERLIN / VADUZ / AMSTERDAM die<br />

turbulenten, oft gefahrvollen und sehr stressigen Zeiten während meiner<br />

Reise quer durch Deutschland, Holland und zurück ins Rheintal.<br />

Unter BERLIN und AMSTERDAM könnt ihr nachlesen was meine<br />

eigenen Aktivitäten waren und was ich während <strong>de</strong>n vielen heimlichen<br />

und komplizierten Treffen mit <strong>de</strong>n zwei Gesandten von Hans-Adam<br />

erlebt hatte. Auch Angaben zu all <strong>de</strong>m was ich im Ausland (also<br />

Deutschland & Holland) über die zeitgleichen Aktivitäten <strong>de</strong>ren in Vaduz<br />

in Erfahrung bringen konnte (entwe<strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n Professor/<strong>de</strong>n<br />

Bankdirektor o<strong>de</strong>r durch meine eigenen Nachforschungen).<br />

Unter VADUZ ist umschreiben was weit weg in Vaduz Hans-Adam und<br />

sein Liechtenstein an legalen und insbeson<strong>de</strong>re illegalen Anstrengungen<br />

an <strong>de</strong>n Tag gelegt hatten, beim Versuch die sich anbahnen<strong>de</strong><br />

Katastrophe abzuwen<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>se Details hatte ich nach meiner Heimkehr<br />

nach Liechtenstein direkt o<strong>de</strong>r auf Umwegen erfahren können. Aus<br />

verschie<strong>de</strong>nen Quellen: Z.B. von Hans-Adam selber, als er mir eine<br />

Privataudienz auf Schloss Vaduz gewährte und wir intensive über die<br />

Affäre diskutiert hatten. Und wie<strong>de</strong>rum vom Bankdirektor Dr.<br />

Schlachter o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Professor Dr. Thomas Müller. O<strong>de</strong>r aus<br />

Gerichtsakten und auch aus mir anonym zugespielten* internen, geheim<br />

geführten Aktenvermerke <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Hohen-Finanz-Herren im Januar<br />

2003 eingerichteten „Kriegs-Kommando-Zentrale‚, die KKZ.<br />

* = es gab immer wie<strong>de</strong>r mutige, kleine Beamte o<strong>de</strong>r Leute in<br />

verschie<strong>de</strong>nen Stellen bei <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sverwaltung o<strong>de</strong>r Justiz, die über die<br />

Jahre hinweg meinen Kampf mit ansehen mussten und die anhalten<strong>de</strong><br />

Ungerechtigkeit nicht auch mit unterstützen wollten. Daher hatte ich das<br />

Glück, tröpfchenweise ab und zu einen richtigen Tipp und Originale<br />

o<strong>de</strong>r Kopien von Dokumenten zu bekommen.<br />

Alle Episo<strong>de</strong>n sind für <strong>de</strong>n besten Überblick chronologisch<br />

nie<strong>de</strong>rgeschrieben. Dort wo es mir für meine LeserInnen hilfreich<br />

erscheint, habe ich bei wie<strong>de</strong>rum erklären<strong>de</strong> Anmerkungen angebracht,<br />

diese sind kursive geschrieben und fangen wie immer mit „Anm.:“ an.<br />

196


Um auf i<strong>de</strong>aler Weise nebst <strong>de</strong>r geographischen auch die innerliche<br />

Distanz und fundamentale Diskrepanz zwischen mir und <strong>de</strong>nen in<br />

Vaduz hervorzuheben, habe ich alles unter <strong>de</strong>m<br />

Titel BERLIN und Amsterdam wie bisher in <strong>de</strong>r Ersten Person und alles<br />

unter <strong>de</strong>m<br />

Titel VADUZ in <strong>de</strong>r Dritten Person geschrieben (mit Ausnahme von<br />

etwaigen Anmerkungen).<br />

Man kann sich gar nicht vorstellen wie hochgradig und hektisch die<br />

Aktivitäten von Hans-Adam und seiner Truppe in Vaduz und meine<br />

eigenen, erst in Deutschland dann in Holland waren. Was es so<br />

aufklärend spannend macht, ist die einmalige Situation, wo ich euch vor<br />

allem diese Episo<strong>de</strong>n nicht nur im Rückblick son<strong>de</strong>rn auch mit äusserst<br />

vielen Detailangaben schil<strong>de</strong>rn kann.<br />

Rückblickend war es nicht nur für mich sehr interessant und allgemein<br />

aufschlussreich zu erkennen, wie <strong>de</strong>r offenbar <strong>de</strong>utliche automatische<br />

Trieb von <strong>de</strong>n Hohen-Finanz-Herren aus Liechtenstein in Aktion<br />

getreten war, sobald sie merkten, dass ihre geheiligten Kühe wirklich in<br />

Gefahr gekommen waren. Und sie dann, um die für sie so wichtigen<br />

Geldgeschäfte zu schützen, Handlungen vorgenommen hatten, die nicht<br />

nur viele Gesetzte aus Liechtenstein schwer verletzten, son<strong>de</strong>rn auch<br />

zahlreiche Deutsche, Holländische & Internationale Gesetzte und<br />

Vereinbarungen.<br />

Viel Spass beim Lesen !<br />

BERLIN 7. Januar 2003<br />

Ankunft im Hauptbahnhof Berlin. Es war kalt und die Menschen dort<br />

waren nicht gera<strong>de</strong> Gesprächsfreudig. Ich war schon einmal hier – 1987.<br />

<strong>Die</strong>se Mal hatte ich aber keine grossen Erinnerungen an die Stadt.<br />

Nunmehr war es das Berlin im Jahr 13 nach <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rvereinigung. Ich<br />

nahm mir ein Taxi zu meiner neuen Unterkunft in Berlin Mitte. Das<br />

kleine möblierte Zimmer in Berlin hatte ich schon im Dezember 2002 via<br />

<strong>de</strong>m Internet gefun<strong>de</strong>n. Meine Vermieterin war die Daniela. Ich nannte<br />

mich nicht mehr Heinrich. <strong>Die</strong>ser Name war ab jetzt tabu. Na ja, meine<br />

197


diversen Ausweise (Pass, ID-Karte und Führerschein) - alles was<br />

natürlich auf Heinrich Kieber lautete – hatte ich für die Reise von<br />

Feldkirch nach Berlin umsichtig tief in meinen Taschen vergraben.<br />

Am späteren Nachmittag war ich also dann bei Daniela mit Sack und<br />

Pack eingezogen. Sie wohnte in einer klassischen Altbauwohnung an <strong>de</strong>r<br />

Ansbacherstrasse (um die Hausnummer 60/62/64 rum), Ecke<br />

Geisbergstrasse, im 2. o<strong>de</strong>r 3. Stock. In einem alten, aber gut erhaltenem<br />

typischem Berliner Mehrfamilienhaus mit kleinen Balkonen nach vorne,<br />

sowie noch kleineren nach hinten raus und einem grünen, etwas<br />

verwil<strong>de</strong>rtem Innenhof. Vom Wittenbergplatz, in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s<br />

berühmten KaDeWe Kaufhaus, her kommend war das Haus auf <strong>de</strong>r<br />

rechten Strassenseite.<br />

Daniela war eine etwas verrückte Henne, wie sich rasch herausstellte. Ich<br />

hatte ja schon einmal davon gehört, wie sich Langzeitarbeitslose in<br />

Deutschland <strong>de</strong>n Lebensinhalt speziell danach ausgerichtet hatten. Sie<br />

war schon fast 10 Jahre in dieser Endlosschleife. Sie war eine <strong>de</strong>rjenigen<br />

Glücklichen in Berlin, die eine relative günstige Mietwohnung ihr<br />

"eigen" nennen konnte. Jeweils in <strong>de</strong>n Wintermonaten, wenn es bitter<br />

kalt in Berlin wird und die Kosten wegen <strong>de</strong>r Heizung steigen,<br />

vermietete sie das zweite, kleinere Schlafzimmer.<br />

In all <strong>de</strong>n Jahren „auf Arbeitssuche‚ hatte sie sich aus Kostengrün<strong>de</strong>n<br />

eine extreme Art von Knauserigkeit angeeignet. So zählte sie wahrhaftig<br />

die Cornflakes fürs Frühstück ab. O<strong>de</strong>r sie wog <strong>de</strong>n offenen Tee aufs<br />

Gramm genau ab. Mein Zimmer war sehr sauber und kostete mich 300<br />

Euro pro Monat. Was ich auch gleich am 1. Tag, wie abgemacht, bar<br />

bezahlt hatte. Wir hatten ja zuvor nur 2, 3 Mal per Email und mittels<br />

eines einzigen Telefonanruf Kontakt. Sie stellte viele Fragen über die<br />

Schweiz, woher ich komme, was ich tue, warum Berlin, warum im<br />

Winter? Berlin, das schöne Berlin. Nun gut, es hiess, es sei sehr schön<br />

dort im Sommer. Im Winter, vor allem in diesem Winter war Berlin<br />

grausig anzusehen. Nervös über alles was jetzt passieren wür<strong>de</strong>, schlief<br />

ich in meiner ersten Nacht in Berlin in einem grossen Bett mit fein<br />

duften<strong>de</strong>r Wäsche ein. Es war eine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Nacht: meine erste Nacht<br />

seit 5 Jahren und 261 Tagen ausserhalb Liechtensteins.<br />

198


VADUZ 7. Januar 2003<br />

Kiebers dicker Brief war auf Schloss Vaduz am Nachmittag<br />

angekommen. Eine <strong>de</strong>r zwei Sekretärinnen von Hans-Adam öffnete <strong>de</strong>n<br />

Brief und konnte sich keinen Reim daraus machen. Hans-Adam,<br />

zusammen mit seinem Erstgeborenen, Alois war nicht nur sehr stark mit<br />

<strong>de</strong>m Endkampf <strong>de</strong>r im März 2003 bevorstehen<strong>de</strong>n Volksabstimmung um<br />

die neue Verfassung beschäftigt, son<strong>de</strong>rn auch mit <strong>de</strong>n Vorbereitungen<br />

für die in <strong>de</strong>n nächsten Tagen alljährlichen stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Empfang <strong>de</strong>s<br />

ausländischen Diplomatischen Korps auf Schloss Vaduz. Da <strong>de</strong>r Brief<br />

ausgiebige Schriftstücke enthielt, waren dies für Hans-Adam und seinen<br />

Sohn mehr verwirrend als aufklärend. Sie bei<strong>de</strong>n kannten Kieber ja<br />

persönlich und wussten daher wer <strong>de</strong>r Absen<strong>de</strong>r war. Dass er ihnen<br />

einen wil<strong>de</strong>n Brandbrief schreiben wür<strong>de</strong>, erschien als total un<strong>de</strong>nkbar.<br />

<strong>Die</strong> ganze Nacht hindurch wur<strong>de</strong> über <strong>de</strong>m Brief gebrütet und sie<br />

versuchten sich einzure<strong>de</strong>n, dass dies alles entwe<strong>de</strong>r ein Dummer<br />

Streich o<strong>de</strong>r ein Irrtum von Kieber sein musste.<br />

VADUZ 8. Januar 2003<br />

Wie von Kieber beauftragt, fuhr das Taxiunternehmen Gabor mit <strong>de</strong>m<br />

rissen Paket um 11:35 beim Schlosstor vor. <strong>Der</strong> <strong>Die</strong>ner nahm das Paket<br />

an und übergab es Hans-Adam: obwohl dieser lesen konnte, dass das 3-<br />

D-Mo<strong>de</strong>ll für das Gericht hergestellt wor<strong>de</strong>n war, riss er die angeklebte<br />

Schuhschachtel voll mit Gerichtspapieren weg und lies das 3-D-Mo<strong>de</strong>ll<br />

ohne Hemmungen im Schlossabfall-Container entsorgen. Für die<br />

nächsten 24 Stun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> das Kuriosum „Heinrich Kieber‚ wie<strong>de</strong>rum<br />

unter <strong>de</strong>n ranghöchsten Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s Hauses Liechtenstein im Schloss<br />

diskutiert. Da im Brief erwähnt war, dass nun nur zwei Personen, Hans-<br />

Adam und Kieber von <strong>de</strong>r Sache wussten, entschied sich <strong>de</strong>r Schlossherr<br />

vorerst nieman<strong>de</strong>n ausserhalb <strong>de</strong>r Familie zu informieren.<br />

VADUZ 9. Januar 2003<br />

Mangels steigen<strong>de</strong>r Unklarheit was Kieber mit all <strong>de</strong>m meinte und da<br />

Hans-Adam als Staatsoberhaupt ja immer auf seine eigene Polizei<br />

zurückgreifen konnte, entschloss er sich doch die Lan<strong>de</strong>spolizei zu<br />

199


ufen. Um 11:30 rief Frau Schädler vom Schloss dort an. Bevor aber die<br />

von Kieber <strong>de</strong>m Hans-Adam zugesandten Schriftstücke <strong>de</strong>r Polizei<br />

übergeben wur<strong>de</strong>n, veranlasste <strong>de</strong>r Schlossherr die Unterlagen zu<br />

zensieren: Alle jene Seiten, die im Detail über die schmutzigen Geschäfte<br />

und Leichen (u.a. Punkte V. + VI.) <strong>de</strong>r LGT Treuhand berichteten,<br />

wur<strong>de</strong>n bei ihm streng unter Verschluss zurückbehalten. <strong>Der</strong> Rest <strong>de</strong>s<br />

Originalbriefes samt Beilagen (ohne das Kerkermo<strong>de</strong>ll, dass im<br />

Abfallcontainer <strong>de</strong>s Schloss auf das En<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r ca. 1000 Grad heissen<br />

Flamme <strong>de</strong>s Müllverbrennungsanlage im schweizerischen Buchs/SG<br />

über <strong>de</strong>m Rhein wartete) wur<strong>de</strong>n dann von <strong>de</strong>r Polizei abgeholt und ein<br />

Register angelegt. Auf Befehl von Hans-Adams wur<strong>de</strong>n danach von<br />

ausgewählten Einzelstücken Kopien angefertigt. Davon überbrachte die<br />

Polizei persönlich jeweils ein Set Kopien auf Papier <strong>de</strong>r STA, <strong>de</strong>m<br />

Gericht und <strong>de</strong>m Schloss (damit Hans-Adam <strong>de</strong>n Überblick behielt, wer<br />

welche Dokumente erhalten hatte), sowie auf seinen ausdrücklichen<br />

Wunsch hin eine auf CD gebrannte Kopie <strong>de</strong>m Generaldirektor <strong>de</strong>r LGT<br />

Gruppe, Hr. Piske.<br />

Bei einem Treffen um 18 Uhr im Schloss zwischen Hans-Adam, seinem<br />

Bru<strong>de</strong>r Philipp (CEO <strong>de</strong>r LGT Gruppe), seinem Erstgeborenem Alois, die<br />

Herren Piske und Dr. Schlachter von <strong>de</strong>r LGT Bank und <strong>de</strong>m Chef <strong>de</strong>r<br />

Treuhand Nicola Feuerstein (<strong>de</strong>r Exboss von Kieber), zeigte <strong>de</strong>r<br />

Hausherr allen anwesen<strong>de</strong>n die vollen Unterlagen von Kieber. Alle vier<br />

Herren bestätigten ihm, dass es sich bei <strong>de</strong>n von Kieber beschriebenen<br />

Vorgängen und exakt aufgelisteten Mandats<strong>de</strong>tails tatsächlich um LGT<br />

Treuhand- o<strong>de</strong>r -Bankgeschäfte han<strong>de</strong>lt.<br />

Feuerstein versuchte die anwesen<strong>de</strong>n damit zu beruhigen, in<strong>de</strong>m er<br />

behauptete, dass niemand die <strong>Daten</strong> <strong>de</strong>r Treuhand mitnehmen kann und<br />

Kieber ja keinen Beweis (z.B. als Beilage im Brief) dafür geliefert hat,<br />

dass er also die eigentlichen <strong>Daten</strong> wirklich hatte. Worauf hin Hans-<br />

Adam heftig unterbrach und fragte, wie <strong>de</strong>n Kieber an solch massive<br />

Detailkenntnis gelangen könnte, ohne die <strong>Daten</strong> zu haben. Feuerstein<br />

erwi<strong>de</strong>rte, dass Kieber lange genug bei <strong>de</strong>r Treuhand gearbeitet hatte,<br />

nicht dumm sei und bekanntlich ein Elefantengedächtnis besitze.<br />

Es war nicht nur die Ungewissheit darüber, ob nun Kieber die <strong>Daten</strong><br />

hatte o<strong>de</strong>r nicht hatte und wenn überhaupt, in welchem Umfang. Schon<br />

alleine die Vorstellung, dass Kieber – mit seinen offenbar tiefen<br />

Kenntnissen aller <strong>Daten</strong> und Leichen im Keller – angeblich in<br />

Deutschland herum irre, führte zur allmählich Dämmerung bei <strong>de</strong>n<br />

Herren, dass sich grosses Unheil über sie zusammenbraute.<br />

200


Wegen <strong>de</strong>r akuten Brisanz <strong>de</strong>r Lage wur<strong>de</strong> am selben Abend, um 20:30<br />

die Regierung in einer Son<strong>de</strong>rsitzung im Regierungsgebäu<strong>de</strong> informiert.<br />

<strong>Die</strong>se Sitzung verlief sehr chaotisch. Angeblich soll sich die STA Alma<br />

Willi sehr betroffen gezeigt haben. Sie machte sich angeblich Sorgen um<br />

Kieber. Anm.: Was immer das heissen mag.<br />

Es wur<strong>de</strong> dort sofort eine Kriegskommandozentrale, kurz die „KKZ‚<br />

installiert und mit allen nur er<strong>de</strong>nklichen Mitteln und Vollmachten von<br />

Seiten Hans-Adam ausgestattet.<br />

Im KKZ hatten fe<strong>de</strong>rführend Hans-Adam und Erbprinz Alois das<br />

Oberkommando. Regierungschef Herr Otmar Hasler, die Aussen- und<br />

Justizministerin Frau Rita Kieber-Beck (Anm.: Nicht mit mir verwandt), <strong>de</strong>r<br />

Kripochef Herr Jules Hoch, die Truppe <strong>de</strong>r STA (Dr. Robert Wallner,<br />

Haun und Willi) sowie die Führung <strong>de</strong>r LGT Bank und <strong>de</strong>r LGT<br />

Treuhand, sowie später dann „<strong>de</strong>r Professor‚ (Dr. Thomas Müller aus<br />

Wien) waren <strong>de</strong>r weitere Personenkreis im KKZ. Als allererste<br />

Vorsichtsmassnahme hatte Hans-Adam beschlossen, die öffentliche<br />

<strong>Die</strong>nstpflicht <strong>de</strong>r mit staatlichen Aufgaben betreuten Teilnehmer<br />

(Regierungschef, Justiz- und Aussenministerin, STA und Polizei) zu<br />

beschnei<strong>de</strong>n. Unter <strong>de</strong>m Vorwand <strong>de</strong>r Sicherheit für seine LGT Gruppe,<br />

für ihn als Staatsoberhaupt und für das ganze Land, hatte er ihnen<br />

untersagt, jegliche unter <strong>de</strong>m Schirm <strong>de</strong>r KKZ möglicherweise<br />

gewonnene Erkenntnis über die Geschäfte seiner LGT Gruppe im Sinne<br />

<strong>de</strong>r rechtsstaatlichen Aufgaben zu verwen<strong>de</strong>n. Gegen eine solche<br />

einschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>, im Prinzip rechtswidrige und beispiellose Massnahme<br />

hatten die Betroffenen nichts einzuwen<strong>de</strong>n, da allein Kiebers<br />

An<strong>de</strong>utung, Kun<strong>de</strong>ndaten aus Liechtenstein mit ins Ausland genommen<br />

zu haben, einer Kriegserklärung gegenüber <strong>de</strong>m "ganzen" Land<br />

Liechtenstein gleich kam.<br />

VADUZ 10. Januar 2003<br />

<strong>Die</strong> KKS, unter <strong>de</strong>m Vorsitz von Hans-Adam, in Anwesenheit vom<br />

Erbprinz Alois, <strong>de</strong>m Regierungschef Hasler und weiteren Teilnehmern<br />

(Anm.: Namen mir nicht bekannt, ich vermute aber Piske, Schlachter und<br />

Feuerstein) hatte entschlossen, einen TOP Psychologen hinzuzuziehen –<br />

Den besten Psychologen Europas . <strong>Die</strong>ser sollte sich einen Reim aus <strong>de</strong>r<br />

Schriftenflut von Kieber machen und hauptsächlich die KKZ beraten,<br />

201


wie am Besten an Kieber und vor allem an die <strong>Daten</strong> gekommen wer<strong>de</strong>n<br />

kann.<br />

<strong>Die</strong>ser „Professor‚ wur<strong>de</strong> sofort im Ausland kontaktiert und man hatte<br />

Glück, er konnte <strong>de</strong>n Auftrag annehmen. Er versprach, am nächsten Tag<br />

nach Vaduz zu reisen. Er schlug Hans-Adams Angebot dankend aus,<br />

sich per Privatflugzeug nach Altenrhein in die Schweiz fliegen zu lassen<br />

und dort von einem Fahrer <strong>de</strong>r Regierung am Flughafen abgeholt und<br />

sofort auf Schloss Vaduz chauffiert zu wer<strong>de</strong>n. Er wollte lieber mit <strong>de</strong>m<br />

eigenen Auto anreisen.<br />

<strong>Die</strong> KKZ hatte keine Zeit und Lust auf die im Gesetzt vorgeschriebenen<br />

Richterbeschlüsse zu warten und es wur<strong>de</strong> von oberster Stelle befohlen,<br />

die Mobiltelefonanschlüsse von Kieber und seiner Stiefmutter sofort<br />

abhören zu lassen, das Postfach in Mauren, wo seine Post seit Anfang<br />

Januar ’03 umgeleitet wur<strong>de</strong>, zu leeren und dann zu überwachen. Es<br />

wur<strong>de</strong> auch eine zeitlich unbefristete Rund-um-die-Uhr<br />

Objektüberwachung seines Elternhauses im Mauren ab 16 Uhr<br />

angeordnet. Es wur<strong>de</strong> vermutet, Kieber wür<strong>de</strong> sich dort im Haus<br />

versteckten. Man glaubte ihm nicht, dass er wirklich nach Deutschland<br />

abgereist war.<br />

Anm.: Alle drei Massnahmen brachten nichts, da ich mein Mobiltelefon nach<br />

meinem letzten Anruf (am 7.1.03 um 10:06 an meine Hausärztin) abgeschaltet<br />

hatte und die SIM-Karte vernichtet hatte, zu<strong>de</strong>m nicht in Mauren, son<strong>de</strong>rn in<br />

Berlin war und meine Stiefmutter für mehrere Wochen nach Asien abgereist<br />

war.<br />

Des Weiteren hatten die Handlanger von Hans-Adams in Erfahrung<br />

bringen können, dass Kieber eine Art Freundin hatte. In <strong>de</strong>ren<br />

paranoi<strong>de</strong>n Besessenheit herauszufin<strong>de</strong>n, wo er sich versteckt hielt,<br />

ordnete Hans-Adam an, die besagte Dame überwachen zu lassen. Da<br />

gab es aber ein grosses Problem. Eine juristische Hür<strong>de</strong> sozusagen, da sie<br />

in Zürich wohnte und auch noch Schweizerin war. <strong>Die</strong>s war <strong>de</strong>m Hans-<br />

Adam egal! Es wur<strong>de</strong>n zwei Liechtensteiner Polizeibeamten, plus eine<br />

weitere, dritte Person ruckzuck mit einem unmarkierten Liechtensteiner<br />

Polizeiwagen (VW Bora) ins 110 Km entfernte Zürich geschickt und die<br />

Strasse/Wohnung wo die besagte Dame wohnte, bis Montag Mittag, <strong>de</strong>n<br />

13.1.03 - im Grun<strong>de</strong> illegal – überwacht. Illegal daher, da eine solche<br />

ver<strong>de</strong>ckte Polizeioperation <strong>de</strong>r Liechtensteiner in Zürich sicher nicht<br />

durch <strong>de</strong>n Polizeikooperationsvertrag vom 9. Juli 2001 zwischen <strong>de</strong>r<br />

202


Schweiz und Liechtenstein ge<strong>de</strong>ckt war. <strong>Die</strong> Schweiz mag es auch gar<br />

nicht gerne, wenn ausländische Polizei ihre Bürger in <strong>de</strong>r Schweiz<br />

überwacht.<br />

Anm.: Herkunft und Funktion <strong>de</strong>r „dritten Person“ wur<strong>de</strong> mir nie ganz<br />

verraten. Aber es hat mit <strong>de</strong>r Tatsache zu tun, dass, falls ich dort anzutreffen<br />

gewesen wäre, die zwei Vaduzer Polizisten aus juristischen Grün<strong>de</strong>n NICHT<br />

hätten auf mich zugehen können, daher eine dritte, „neutrale“ Person<br />

vermutlich versucht hätte mich bis zum Eintreffen <strong>de</strong>r vermutlich<br />

herbeizurufen<strong>de</strong>n Schweizer Polizei irgendwie „festzuhalten".<br />

Zwischen 16 und 18 Uhr wur<strong>de</strong> unter Mithilfe <strong>de</strong>s Leiters <strong>de</strong>r IT-<br />

Abteilung ein Inspektion <strong>de</strong>s alten Arbeitsplatz von Kieber bei <strong>de</strong>r LTV<br />

durchgeführt. Fazit und Kommentare <strong>de</strong>r IT-Spezialisten: Kein Material<br />

von Kieber gefun<strong>de</strong>n. Kieber hatte lediglich im DOCUWARE (e-Doc)<br />

Projekt gearbeitet. Er hatte aber Zugang zu allen <strong>Daten</strong>, elektronisch wie<br />

auf Papier. Kieber hätte kein Fachwissen.<br />

Anm.: Wie man sich später täuschen wür<strong>de</strong>.<br />

VADUZ 11. Januar 2003<br />

<strong>Der</strong> Professor Dr. Thomas Müller erreichte Vaduz schon in aller Frühe.<br />

Nach<strong>de</strong>m er von Hans-Adam auf Schloss Vaduz empfangen wur<strong>de</strong> und<br />

mehr o<strong>de</strong>r weniger aufgeklärt wur<strong>de</strong>, war ein Termin mit <strong>de</strong>m<br />

Regierungschef Hasler unten im Regierungsgebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>r nächste Stopp.<br />

<strong>Der</strong> Professor erkannte sofort, dass Hans-Adam als auch die Regierung<br />

äusserst angespannt waren und nicht aufhören wollten, zu jammern; als<br />

wür<strong>de</strong> die Welt untergehen können. Ihm wur<strong>de</strong> insbeson<strong>de</strong>re<br />

eingehämmert, nichts und nieman<strong>de</strong>n je etwas zu sagen. <strong>Die</strong> Sache wäre<br />

höchst <strong>de</strong>likat, da man unter <strong>de</strong>n normalen Kun<strong>de</strong>n auch sehr viele<br />

exponierte habe. Wer diese waren, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Professor natürlich nicht<br />

gesagt: das liebe Bankengeheimnis. Er verstand und versprach sein Beste<br />

zu tun. Dann wur<strong>de</strong> er buchstäblich in eine Art Abstellkammer gesetzt,<br />

wo er alle Unterlagen über und von Kieber (zensierter Brief, alle<br />

Beilagen, <strong>de</strong>n 101er & 140er Akt) praktisch ohne Unterbruch für die<br />

nächsten 48 Stun<strong>de</strong>n studierte.<br />

Hans-Adam und sein Erstgeborener fühlten sich nun etwas entlastet, da<br />

sie überzeugt waren, die Besten <strong>de</strong>r Besten zum Lösung <strong>de</strong>s Problems<br />

verpflichten konnten. Unten im Dorf war aber das Gefühl einer<br />

203


Erleichterung bei <strong>de</strong>r Regierung noch nicht angekommen. Hans-Adam<br />

hatte hauptsächlich Angst um seine spru<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Geldquelle, seinem<br />

gol<strong>de</strong>nen Esel, die LGT Gruppe. <strong>Die</strong> Regierung dagegen war in Panik,<br />

weil sie wussten, dass es mit <strong>de</strong>m „guten Ruf‚ Liechtensteins vorbei sei<br />

wer<strong>de</strong>, da Kieber <strong>de</strong>n Deutschen aufzeigen und beweisen könnte, wie<br />

man in Liechtenstein wirklich die heissen Finanzgeschäfte abwickelte.<br />

Zwischen 18:15 und 20:30 wur<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>rum eine KKZ Sitzung bezüglich<br />

<strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> einberufen. Anwesend war Herr Feuerstein und <strong>de</strong>r Leiter <strong>de</strong>r<br />

IT-Abteilung <strong>de</strong>r LGT Treuhand. Fazit, Kommentare & Vermutungen<br />

am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Sitzung: Es fehle <strong>de</strong>r Datumskleber auf <strong>de</strong>m fotografierten<br />

DTL-Band (Tape). Kieber habe wohl leeres Band mitgenommen. Kieber<br />

habe gar keinen DVD-Brenner. Das Herauslassen <strong>de</strong>r privaten Stiftungen<br />

<strong>de</strong>r Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Familie von Hans-Adam auf <strong>de</strong>n Extra-<strong>Daten</strong>-<br />

Speicher sei gar nicht möglich.<br />

Anm.: <strong>Der</strong> IT-Abteilung war es äusserst peinlich, dass offenbar ein Tages-Back-<br />

Up-Tape (das <strong>Daten</strong>sicherungsband) ihnen irgendwann im 2002 „abhan<strong>de</strong>n“<br />

gekommen war und sie all die Monate nichts davon gemerkt hatten. Hans-<br />

Adam und die Regierung mussten sich auf die Aussagen seitens <strong>de</strong>r IT-<br />

Abteilung irgendwie verlassen können. Ich hatte ja KEINEN Beweis, wie zum<br />

Beispiel eine Kopie <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>, im Brief an Hans-Adam beigelegt, da ich <strong>de</strong>r<br />

Überzeugung war, dass dies nicht notwendig wäre. Meine Angaben im Brief<br />

waren ja <strong>de</strong>utlich genug. <strong>Die</strong> IT-Abteilung, blind davon „Kalt erwischt“<br />

wor<strong>de</strong>n zu sein, driftete eher zur Meinung, dass ich die <strong>Daten</strong> nicht hätte. Sie<br />

versuchten fälschlicherweise mein Computerwissen klein zu re<strong>de</strong>n und auch<br />

sonst unlogische Kommentare abzugeben: wie die mit <strong>de</strong>m DVD-Brenner. Sie<br />

konnten doch gar nicht wissen, ob ich einen habe o<strong>de</strong>r nicht. Zu<strong>de</strong>m war es in<br />

<strong>de</strong>r Tat kein Problem einzelne Mandate für eine Kopie <strong>de</strong>s DLT-Tapes<br />

wegzulassen. All dieses Verhalten seitens <strong>de</strong>r IT-Abteilung (was ich menschlich<br />

nachvollziehen kann) wür<strong>de</strong> aber folgenschwere Konsequenzen für alle an<br />

diesem nun sich entfalten<strong>de</strong>n Drama haben: Das Vertrauen von Hans-Adam<br />

und <strong>de</strong>r Regierung in die IT-Abteilung <strong>de</strong>r LGT Treuhand wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Folge<br />

sehr stark strapaziert. Hans-Adam und seine Regierung mussten sich ja auf die<br />

<strong>de</strong>n Aussagen <strong>de</strong>r IT-Leute zu 100 % verlassen können.<br />

BERLIN 8. - 12. Januar 2003<br />

<strong>Die</strong> Kälte und Berlin. Brrrrrr. Berlin, Berlin ! Ich weiss jetzt nicht mehr ob<br />

<strong>de</strong>r Spruch <strong>de</strong>s regieren<strong>de</strong>n Bürgermeister Klaus Wowereit „Berlin ist<br />

204


pleite, aber sexy‚ schon damals galt. Dass die Deutsche Hauptstadt<br />

pleite war, konnte ich an allen Ecken sehen. Überall musste gespart<br />

wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Stadtbusse sehen aus, als wären sie gera<strong>de</strong> von Hindukusch<br />

her angereist, so dreckig waren sie. Um gegen <strong>de</strong>n Stress anzukämpfen<br />

wollte ich einmal schwimmen gehen; von <strong>de</strong>r Handvoll öffentlicher<br />

Hallenschwimmbä<strong>de</strong>r waren mehr als die Hälfte aus Kostengrün<strong>de</strong>n<br />

o<strong>de</strong>r mangels Unterhalt geschlossen, <strong>de</strong>r Rest hatte irreale<br />

Öffnungszeiten von 1-2 Stun<strong>de</strong>n am Morgen und evt. 2 Stun<strong>de</strong>n am<br />

Nachmittag. Und <strong>de</strong>r Hun<strong>de</strong>kot! Meine lieben Berliner, ich kenne keine<br />

Stadt <strong>de</strong>r Welt, die – zumin<strong>de</strong>st im Winter – soviel Hun<strong>de</strong>kot auf <strong>de</strong>n<br />

Bürgersteigen liegen hat wie Berlin. Da sind die Schweizer<br />

Hun<strong>de</strong>besitzer erstklassig.<br />

<strong>Die</strong> Berliner Leute selber, die sind wirklich nett. <strong>Der</strong> Berliner<br />

Menschenschlag ist sehr erfrischend. Ich habe mich im kleinen Zimmer<br />

eingerichtet und versuchte so wenig wie möglich mit <strong>de</strong>r Daniela zu<br />

kommunizieren. <strong>Die</strong>s muss ihr wohl etwas suspekt vorgekommen sein.<br />

Als hätte ich nicht schon genug Action im Leben konnte sie mich<br />

überre<strong>de</strong>n, mit ihr im nahen Park <strong>de</strong>s Zoologischen Gartens spazieren zu<br />

gehen. Sie wür<strong>de</strong> mir gerne die Sehenswürdigkeiten Berlins zeigen,<br />

sagte sie mir.<br />

Warm verpackt waren wir um die die Mittagszeit aufgebrochen. Daniela<br />

fragte mich „dicke‚ aus und naturgemäss konnte ich ihr nichts von<br />

meinem wirklichen Leben erzählen. Was immer ich ihr erzählt hatte, sie<br />

glaubte mir. So hatte ich je<strong>de</strong>nfalls gedacht. Sie hatte ursprünglich keine<br />

Skepsis mehr. Aber plötzlich, und da wur<strong>de</strong> ich hellhörig, erklärte sie<br />

mir, dass sie halt ein paar eher private Fragen stellen müsse. Sie hätte vor<br />

2 Jahren einen Libanesen als Untermieter wie ich gehabt und sie schöpfte<br />

<strong>de</strong>n Verdacht, dass er ihr über sein Leben eine Lügengeschichte<br />

auftische. Sie war sich sicher, dass er etwas mit Terrorismus zu tun hatte.<br />

Ich hörte ihr geduldig zu und hackte nach: Ja, und was dann? Sie<br />

schil<strong>de</strong>rte mir, dass sie mit <strong>de</strong>m Berliner Verfassungsschutz in Kontakt<br />

getreten war und diese ihr zuerst nicht glaubten. Konnte ich<br />

nachvollziehen: etwas paranoid erschien sie mir ja auch.<br />

Auf je<strong>de</strong>n Fall hatte sie die Beamten solange bearbeitet, bis zwei davon<br />

zu ihr nach Hause kamen und <strong>de</strong>n Libanesen besuchten, wobei sie sich<br />

als Mitarbeiter <strong>de</strong>r Auslän<strong>de</strong>rbehör<strong>de</strong> ausgegeben hatten. <strong>Der</strong> Libanese<br />

war kein Terrorist. Gut für ihn, dachte ich. Mist für mich! Was wür<strong>de</strong><br />

sein wenn die Daniela irgendwas über mich zusammen spinnt und das<br />

letzte was mir jetzt noch fehlen wür<strong>de</strong>, war ein Besuch vom<br />

205


Verfassungsschutz! Je länger wir da in <strong>de</strong>r Kälte spazierten, umso heisser<br />

wur<strong>de</strong> es mir; sodass ich sogar schwitze.<br />

Wie bei meinen Erkundungsausflügen kreuz und quer durch Berlin in<br />

<strong>de</strong>n letzten Tagen, hatte ich auch jetzt meine elektronischen<br />

<strong>Daten</strong>speicher auf mir, in <strong>de</strong>n Taschen. <strong>Die</strong> kiloweise Papierdaten waren<br />

aber im blauen Handkoffer im Schrank im Zimmer verschlossen. All die<br />

<strong>Daten</strong> bei ihr zu Hause. Scheisse und Mer<strong>de</strong> zusammen. Als wir dann<br />

nach Hause zurückgekommen waren, bat sie mich mit ihr ein Stockwerk<br />

tiefer zu gehen, wo wir Tee bei einem langjährigen Nachbar (wenn ich<br />

mich nicht täusche, war es ein Lehrer o<strong>de</strong>r ein Pädagoge) trinken<br />

wür<strong>de</strong>n. Es stellte sich heraus, dass sie ihn vorher beauftragt hatte, mich<br />

beim Besuch zu begutachten, um herauszufin<strong>de</strong>n, ob ich eventuell eine<br />

Gefahr für sie und/o<strong>de</strong>r Deutschland sei. Ich erfuhr dies, weil er mich in<br />

<strong>de</strong>r Küche an die Seite genommen hatte und mir es erzählte und zum<br />

Schluss bemerkte, dass die Daniela ab und zu spinnt. Er bescheinigte ihr,<br />

dass ich OK sei. Mich beruhigte dies ganz und gar nicht; nun hatte ich<br />

ein weiteres Problem. Mein Plan war, zumin<strong>de</strong>st 4-6 Wochen bei dieser<br />

Adresse zu bleiben. Nun wusste ich, dass ich mich jetzt schon auf eine<br />

Suche nach einer an<strong>de</strong>ren Unterkunft machen musste und auch einen<br />

guten Grund fin<strong>de</strong>n musste, um meinen raschen „Abschied‚ vor ihr<br />

nicht verdächtig erschienen zu lassen.<br />

Vorher musste ich aber ein an<strong>de</strong>res, akuteres Problem lösen: Da ich ja<br />

meinen Laptop, das DLT-Tape, die Kopien davon sowie die 2 kleinen<br />

Externen Harddisk nicht ständig auf mir tragen konnte und auch nicht<br />

mehr im Zimmer aufbewahren wollte, musste ich eine passen<strong>de</strong> Bank<br />

mit passen<strong>de</strong>m Tresorfach dafür suchen.<br />

Am Freitag war ich in aller Früh schon losgefahren um bei diversen<br />

Banken nachzufragen, ob sie freie Tresorfächer zu vermieten hätten.<br />

I<strong>de</strong>al wäre die Filiale <strong>de</strong>r Berliner Volksbank AG an <strong>de</strong>r Budapester<br />

Strasse gewesen, in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Eingangs <strong>de</strong>s Zoos. Nicht weit weg<br />

von Danielas Wohnung. Lei<strong>de</strong>r war <strong>de</strong>ren Tresorraum eine <strong>de</strong>r neueren<br />

Bauweise: d.h. die Kun<strong>de</strong>nfächer selber wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Bankseite aus<br />

elektronisch geöffnet und nur von Kun<strong>de</strong>nseite aus mit einem<br />

Schlüssel. Ein Test ergab, dass ich meinen ganzen Laptop etwas quer<br />

gestellt hinein schieben könnte, und noch Platz für <strong>de</strong>n Rest da wäre.<br />

Aber die elektronische Verriegelung und damit die elektromagnetische<br />

Strahlung machten mir Sorgen: ich habe gehört, das solche Strahlung<br />

206


<strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> auf <strong>de</strong>m DLT-Tape, <strong>de</strong>n CDs o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n externen<br />

Harddisks eventuell scha<strong>de</strong>n könnten. <strong>Die</strong>se Bank kam also nicht in<br />

Frage. Meine Erhebungen ergaben, dass die Berliner Sparkasse noch<br />

ältere Filialen hatte, wo noch altehrwürdige Tresorräume verwen<strong>de</strong>t<br />

wür<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>r 7. Filiale wur<strong>de</strong> ich fündig. <strong>Die</strong> 6. gefun<strong>de</strong>ne Filiale<br />

wäre auch i<strong>de</strong>al gewesen, aber um ein Konto zu eröffnen, musste ich<br />

meine Liechtensteiner I<strong>de</strong>ntitätskarte vorlegen, worin meine alte Adresse<br />

aus Liechtenstein notiert stand. Ich hatte keine Angst, <strong>de</strong>n Namen<br />

Heinrich Kieber zu verwen<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Berliner Sparkasse hätte ja keinen<br />

Grund gehabt, ausgerechnet mich bei <strong>de</strong>n irgendwelchen Behör<strong>de</strong>n, z.B.<br />

<strong>de</strong>r Polizei „zu mel<strong>de</strong>n‚. Ein Rest von Bankgeheimnis war doch wohl in<br />

Deutschland noch vorhan<strong>de</strong>n. O<strong>de</strong>r? <strong>Die</strong> Bank aber for<strong>de</strong>rte von mir<br />

eine Wohnsitzbestätigung aus Berlin, da ich <strong>de</strong>nen ja geschil<strong>de</strong>rt hatte,<br />

dass ich gera<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>r Schweiz hierher gezogen wäre. Vorher könne<br />

man mir kein Konto und Schliessfach anbieten, sagten sie mir. Ich<br />

verabschie<strong>de</strong>te mich mit <strong>de</strong>r Lüge, dass ich mir eine solche<br />

Wohnsitzbestätigung holen wür<strong>de</strong> und morgen wie<strong>de</strong>r kommen wür<strong>de</strong>.<br />

Freundlich begleitete man mich bis zur Türe. Ich musste unbedingt eine<br />

Lösung für eine Berliner Adresse fin<strong>de</strong>n.<br />

Eine Internetsuche ergab, dass es eine kleine Firma in Berlin Wedding<br />

gab, die eine Art ‚Postfächer‚ an Private vermietete. Ich fuhr per Taxi an<br />

die angegebene Adresse. Ein älteres Ehepaar führte das Geschäft in<br />

einem kleinen, ehemaligen Quartierla<strong>de</strong>n. Sie hatten ca. 50<br />

Postschliessfächer, die man von Aussen her Tag und Nacht erreichen<br />

konnte. Ich mietet mir ein Fach und bezahlte die Gebühr bis En<strong>de</strong> März<br />

'03 im Voraus in Bar. Eine halbe Stun<strong>de</strong> später stand ich vor <strong>de</strong>r<br />

ausgewählten Filiale Nr. 7. <strong>Die</strong>ses Mal klappte es mit meinem Reisepass.<br />

Im Gegensatz zum Deutschen Pass, stand im Liechtensteinischen Pass<br />

KEINE Wohnadresse. Ich erklärte dies <strong>de</strong>m braven Bankangestellten und<br />

gab die Geschäftsadresse <strong>de</strong>r privaten Postfachfirma als meine<br />

Wohnhausadresse und die zweistellige Zahl meines neuen Postfachs als<br />

meine Wohnungsnummer aus. Es bedurfte geschickter<br />

Überredungskunst um ihn von meiner neuen, unechten Wohnadresse zu<br />

überzeugen. Ich konnte ja schlecht die Adresse von Daniela verwen<strong>de</strong>n.<br />

Da ich ja nur ein einfaches Sparkonto, von wo nur die Miete für das<br />

Tresorfach abgebucht wür<strong>de</strong>, also keine Karte für die Geldautomaten<br />

o<strong>de</strong>r ähnlichem haben wollte, klappte es mit <strong>de</strong>m Kontoeröffnung.<br />

Zu<strong>de</strong>m wusste ich, dass diese Art von Konto keinen Postversand<br />

generierte. D.h. zumin<strong>de</strong>st nicht bis Jahresen<strong>de</strong>. Und mein Plan sah nicht<br />

207


vor, dass ich dann noch in Berlin wäre. Ich zahlte ca. 250 Euro auf das<br />

Konto ein.<br />

Ich bekam zwei Schlüssel. Einen legte ich wie immer in solchen Fällen<br />

direkt in das Tresorfach hinein (nicht empfehlenswert, <strong>de</strong>nn wenn man<br />

<strong>de</strong>n 2. Schlüssel verliert, dann muss man <strong>de</strong>r Bank ein neues Schloss<br />

bezahlen). Ich wickelte <strong>de</strong>n Laptop in ein Küchenhandtuch und<br />

verstaute es zusammen mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren <strong>Daten</strong>trägern (mit Ausnahme<br />

einer <strong>de</strong>r zwei externen Harddisks), zusammen mit allen meinen<br />

persönlichen Papieren, wo Heinrich Kieber drauf stand (mit Ausnahme<br />

<strong>de</strong>s Passes) im Tresorfach. Den Pass brauchte ich ja um mich beim<br />

nächsten Bankbesuch ausweisen zu können. Erleichtert legte ich die<br />

lange Strecke von <strong>de</strong>r Bank zurück zur Wohnung von Daniela zu Fuss<br />

ab. Jetzt war ich sicher, dass mir zumin<strong>de</strong>st keine „elektronische<br />

<strong>Daten</strong>panne‚ bei <strong>de</strong>r Daniela passieren könne. <strong>Die</strong> paar Kilos an<br />

Treuhand- und Bankdaten, die ich mitgenommen habe, waren im<br />

Handkoffer mit einem kleinen Bügelschloss abgesichert.<br />

Am Wochenen<strong>de</strong> unternahm ich eine Monstertour kreuz und quer durch<br />

Berlin. Ich notierte mir wichtige Punkte, wie die genaue Adresse <strong>de</strong>r US-<br />

Botschaft o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Deutschen Finanzministerium; <strong>de</strong>nn schnellsten Weg<br />

dorthin via Ringbahn, U-Bahn o<strong>de</strong>r Linienbus, ja nach <strong>de</strong>m, von wo ich<br />

aus starten müsste. Im Notfall auch per Taxi. Ich kaufte mir eine<br />

Monatsfahrkarte (evt. war es eine Wochenfahrkarte, ich weiss es nicht<br />

mehr genau). In meiner Situation war es besser immer einen gültigen<br />

Fahrschein zu haben. Nicht auszu<strong>de</strong>nken: ich gerate in eine Kontrolle<br />

mit keinem o<strong>de</strong>r ungültigen Fahrschein und wür<strong>de</strong> mangels Ausweis bei<br />

<strong>de</strong>r Polizei lan<strong>de</strong>n. Ungern entschloss ich mich <strong>de</strong>shalb, auch für<br />

unterwegs immer einen Ausweis, meinen Reisepass auf mir zu tragen.<br />

Besser irgen<strong>de</strong>in Ausweis, als keiner. Ich suchte das Gebäu<strong>de</strong> wo die<br />

LGT in Berlin eingemietet war auf, um sicherzugehen, dass ich während<br />

<strong>de</strong>ren Öffnungszeiten immer Meilenweit davon weg war. Um nicht evt.<br />

von irgendjemand vom Hauptsitz aus Vaduz auf Besuch in Berlin<br />

erkannt zu wer<strong>de</strong>n. Man wusste ja nie. Daniela liess mich zum Glück<br />

alleine, obwohl sie – dank ihrer vielen freien Zeit – ständig Vorschläge<br />

für <strong>de</strong>n Besuch von Berliner Sehenswürdigkeiten machte.<br />

Ich war sehr mü<strong>de</strong>, als ich Sonntagabend heimkehrte. Von <strong>de</strong>n vielen<br />

hektischen Fussmärschen durch Berlin hatte ich mir rund um die<br />

Fussfessel, dort wo die Winterstiefel sich oben an <strong>de</strong>r Haut schürften,<br />

einen ringformähnlichen Ausschlag geholt. Daniela empfahl mir in einer<br />

<strong>de</strong>r massenhaften vorhan<strong>de</strong>nen Apotheken (kein Land hat so viele wie<br />

208


Deutschland; sicher mehr als Kirchen, vermutlich schon bald mehr als<br />

Gläubige) Essigsaure Toner<strong>de</strong> in Flüssigform zu kaufen und die roten<br />

Schrammen damit einzureiben. Hastig ging ich also raus aus <strong>de</strong>r<br />

Wohnung, rein in die nächstgelegene Apotheke. Zurück daheim, als ich<br />

mich spontan entschied ein heisses Bad zu nehmen, rief Daniela mir aus<br />

<strong>de</strong>r <strong>Die</strong>le zu, dass sie nur schnell Tabak und Zigarettenpapier (kam<br />

günstiger) kaufen gehe und fragte, ob sie auch Kondome mitbringen soll.<br />

Mann oh Mann, auch das noch. „Nein Danke‚, schrie ich höflich zurück,<br />

„Es ginge mir nicht so gut‚.<br />

Jetzt war es wirklich Zeit für mich eine an<strong>de</strong>re Unterkunft zu fin<strong>de</strong>n,<br />

sagte ich zu meinem Spiegelbild. <strong>Der</strong> Warmwasserboiler im Ba<strong>de</strong>zimmer<br />

wur<strong>de</strong> vermutlich noch zu Hitler’s Zeiten gebaut. Nicht das das Wasser<br />

daraus zu kalt war, nööö – es war so kochend heiss, dass man die<br />

Ba<strong>de</strong>wanne zu 4/5 mit eiskaltem Wasser füllen musste, um nicht<br />

verbrüht zu wer<strong>de</strong>n. Sicher ist sicher, dachte ich mir, schwang ein<br />

Ba<strong>de</strong>tuch um meine Hüfte und holte noch schnell meinen blauen<br />

Handkoffer aus <strong>de</strong>m Zimmer und schleppte ihn mit ins Ba<strong>de</strong>zimmer.<br />

Man weiss ja nie. Frisch gewaschen und durchweicht, schlüpfte ich in<br />

mein Pyjama und Daniela hatte mir eine Tasse Tee angeboten. Wir<br />

schauten gemeinsam noch etwas TV und dann ging ich zu Bett. <strong>Die</strong><br />

kommen<strong>de</strong> Woche wür<strong>de</strong> ja streng wer<strong>de</strong>n.<br />

VADUZ 12. Januar 2003<br />

<strong>Der</strong> Professor kam nach 2 Tagen Studium am Sonntag mit schwerem<br />

Kopf für eine kurze Mittagspause aus <strong>de</strong>r Kammer gekrochen; raus aus<br />

<strong>de</strong>m Raum, wo das KKZ alle relevanten Unterlagen zu Thema „Heinrich<br />

Kieber‚ aufgeschichtet hatte. Natürlich hatte ihm niemand we<strong>de</strong>r einen<br />

Einblick in die echten Treuhand/Bank-<strong>Daten</strong> (diese <strong>Daten</strong> hatte die<br />

Regierung logischerweise selber auch nicht), noch eine Kopie von <strong>de</strong>ren<br />

Schil<strong>de</strong>rungen, wie Kieber sie beschrieben habe, gewährt. Ebenso wür<strong>de</strong><br />

er später auch NIE auch nur ein einziges Mandat je zu Gesicht<br />

bekommen. Jene „schmutzigen‚ Mandate, die sein eigenes Land<br />

(Österreich) betrafen, hätten ihn schon brennend interessiert. Aber Hallo,<br />

wo kämmen die da hin, wenn Liechtenstein einem ausländischem und<br />

auswärtigen Professor auch noch <strong>de</strong>n Beweis von Kiebers<br />

Anschuldigungen in Bezug Geldwäscherei, Korruption etc. unter die<br />

Nase reiben wür<strong>de</strong>.<br />

209


Hans-Adam rief mehr als 4 Mal in <strong>de</strong>r Kammer an, um von Professor zu<br />

erfahren, ob er sich schon einen Bild machen konnte, Schlussfolgerungen<br />

ziehen konnte und jetzt Empfehlungen abgeben könnte. <strong>Der</strong> Professor<br />

erwi<strong>de</strong>rte, dass das Problem sehr tief liegen wür<strong>de</strong>. <strong>Der</strong> Vorteil für<br />

Kieber war, dass er sich seit Monaten für dieses Bühnenstück vorbereiten<br />

konnte, erklärte er Hans-Adam am Telefon. Den „Fahrplan‚, wie es in<br />

<strong>de</strong>n nächsten Tagen und Wochen weitergehen sollte, wur<strong>de</strong> von Kieber<br />

sehr präzises im seinem Schreiben festgehalten. <strong>Der</strong> Professor empfahl,<br />

zum Schein auf Kiebers Angebot einzugehen und zwei neue Pässe<br />

herzustellen und in einem Umschlag am Montag zur LGT in Frankfurt<br />

zu bringen. Auf Anordnung von Hans-Adams wur<strong>de</strong> das KKZ<br />

beauftragt, zwei Pässe mit <strong>de</strong>n gewünschten falschen Namen und mit 2<br />

<strong>de</strong>r 4 Passfotos von Kieber, die er <strong>de</strong>m Brief beigelegt hatte, herstellen zu<br />

lassen. Da es Sonntag war, versuchte man es zuerst mit eigenem,<br />

eingeweihtem Personal aus <strong>de</strong>m KKZ. <strong>Die</strong>s misslang auf Grund<br />

technischer Unkenntnis in Bezug auf Bedienung <strong>de</strong>r Passmaschine. Man<br />

holte eine Passamtperson um 10 Uhr aus <strong>de</strong>r verdienten Sonntagsruhe<br />

und bewerkstelligte die Herstellung <strong>de</strong>r zwei Pässe rasch und<br />

problemlos. Als Fahrer soll die rechte Hand von Hans-Adam, Herr<br />

Gilbert Kaiser fungieren. Ein Bankdirektor <strong>de</strong>r LGT Vaduz soll mit ihm<br />

am 13.01.03 nach Frankfurt fahren. Bei<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n über die ganze<br />

Angelegenheit ausführlich informiert.<br />

Anm.: Ich lag richtig in meiner Planung, nur ganz wenige Tage zwischen <strong>de</strong>r<br />

Briefankunft auf <strong>de</strong>m Schloss (7.1.) und <strong>de</strong>m „1. Termin“ (14.1.) zuzulassen.<br />

Somit hatten sie keine Zeit viel nachzu<strong>de</strong>nken, ob sie die Pässe überhaupt<br />

erstellen sollen. Aus reinem - nachvollziehbarem - Selbstschutz wird von Hans-<br />

Adam und Liechtenstein seit Feb. 2008 inkorrekt behauptet, dass sie angeblich<br />

keine Pässe ausgestellt hatten.<br />

BERLIN 13. Januar 2003 (vormittags)<br />

Wie<strong>de</strong>r hatte ich eine Nacht in Berlin überlebt. Ohne Frühstück, aber<br />

immerhin nach einem selbst gemachten Tee, verabschie<strong>de</strong>te ich mich bei<br />

Daniela mit <strong>de</strong>r Bemerkung, ich wür<strong>de</strong> eines <strong>de</strong>r vielen Museen<br />

besuchen gehen. Statt<strong>de</strong>ssen begab ich mich auf schnellstem Weg zu<br />

einem Internetcafé, wo ich fieberhaft im Netz nach Angebote für ein<br />

möbliertes Zimmer suchte. Ich musste eine Unterkunft für spätestens<br />

210


Morgen Abend fin<strong>de</strong>n. Ich tippte in die Suchmaschine ein: „Untermieter<br />

gesucht‚, „Zimmer zu vermieten‚ o<strong>de</strong>r „Mitwohnzentrale‚ etc.<br />

Ich fand ein Angebot, wo ab sofort ein kleines möbliertes Zimmer<br />

offeriert wur<strong>de</strong>. Ich notierte die Nummer und rief auch gleich von einer<br />

Telefonzelle aus an. Eine nette junge Stimme nahm <strong>de</strong>n Hörer ab. Petra<br />

suchte eigentlich eine Untermieterin, also eine Frau, kein Mann. Ihre<br />

bisherige Mitbewohnerin habe sich letzte Woche klammheimlich aus<br />

<strong>de</strong>m Staub gemacht und sei ihr aber noch 2 Wochen Miete schuldig. Ich<br />

erzählte ihr, ich sei auf Besuch aus <strong>de</strong>r Schweiz hier und Berlin sooo<br />

schön fin<strong>de</strong>, dass ich gerne noch 4-8 Wochen hier bleiben möchte und<br />

daher ein Zimmer suche. Es sei ja billiger als im Hotel zu wohnen,<br />

rechnete ich ihr vor. Ich wür<strong>de</strong> meine Miete pro Monat im Voraus<br />

bezahlen. <strong>Die</strong>s gefiel ihr. Und da sie viele charmante Schweizer kenne,<br />

offerierte sie mir, das Zimmer doch morgen, <strong>Die</strong>nstag in <strong>de</strong>r Früh<br />

anschauen zu kommen. Heute ging es ihr nicht mehr, da sie gleich zur<br />

Arbeit müsse und erst sehr spät abends heimkehren wür<strong>de</strong>. Auch sie<br />

musste Untervermieten, sodass sie ihre eigenen Mietkosten reduzieren<br />

konnte. <strong>Die</strong> Monatsmiete für mein Zimmer war 380 Euros. Sie wohne in<br />

<strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>r Kirche zum Heiligen Kreuz. Ich notierte mir die Strasse<br />

und entschied für mich, jetzt schon mal die Strasse aufzusuchen, sodass<br />

ich am nächsten Tag keine Zeit verlieren wür<strong>de</strong>. In ca. 40 Minuten war<br />

ich dort angelangt. Etwas Schnee lag auf <strong>de</strong>m Fussweg, im Garten und<br />

auf <strong>de</strong>r Strasse. Es war eine ruhiges Quartier und das Mehrfamilienhaus<br />

am En<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>r Ecke. Gemäss Klingel musste es die Wohnung im<br />

Erdgeschoss, Treppe runter und Rechts sein. Es hatte grosse Fenster und<br />

alte Bäume im Garten - sehr schön.<br />

Ich nahm <strong>de</strong>n Bus zurück ins Zentrum von Berlin und setzte mich in ein<br />

Café, von wo ich die Berliner Welt zwischen 10 Uhr und 12 Uhr vor<br />

meinen Augen vorbeiziehen lies. Es war schon komisch, das ganze. Ich<br />

versuchte mir vorzustellen, was die in Vaduz jetzt wohl alles machen.<br />

Aus heiterem Himmel entschloss ich mich einfach mal beim Schloss<br />

Vaduz auf die Zentrale anzurufen. Da ich solches im Brief nicht<br />

angekündigt hatte, dachte ich mir, dass <strong>de</strong>r Überraschungseffekt mir<br />

dienlich sein könnte. Etwas Mut dazu brauchte ich schon. Ich begriff, ein<br />

Anruf kann nicht Scha<strong>de</strong>n und bis jetzt gab es ja noch keine Tote in<br />

diesem Drama. Ich wusste, dass Hans-Adam, wenn er im Schloss war,<br />

ungefähr immer zur selben Zeit das Mittagessen von <strong>de</strong>r Küche bestellt.<br />

211


Er legt grossen Wert darauf, dies mit seiner Grossfamilie pünktlich und<br />

gemeinsam einzunehmen. Ich rief also vor <strong>de</strong>m Mittagessen an, nannte<br />

meinen Namen und fragte, ob ich mit Hans-Adam sprechen konnte. Ich<br />

hörte, wie die Sekretärin auffallend perplex über meinen Anruf war.<br />

Nach kurzer Wartezeit stellte sie mich zu Hans-Adam durch. Er war<br />

erstaunlicher Weise nicht all zu böse; d.h. er war sehr besorgt über die<br />

Geschichte. Ich sagte ihm schnell, dass ich nicht allzu lange telefonieren<br />

möchte, da ich nicht wusste, ob vielleicht eine Fangschaltung installiert<br />

wur<strong>de</strong>. Ich erwähnte, dass ich in Deutschland war. Darauf hin konnte<br />

ich nur ein starkes Seufzen hören. Er sagte mir, dass keine Fangschaltung<br />

da sei und wir aber vorsichtig sein müssten, was wir am Telefon hier<br />

besprechen: Man wisse ja nie, wer mithöre. Ich war eher erstaunt, solches<br />

von ihm zu hören. Er sagte mir, dass ich gemäss <strong>de</strong>n Angaben in meinem<br />

Brief vorgehen sollte und er die Pässe ausgestellt hatte.<br />

Er fragte mich 3 mal ob ich die <strong>Daten</strong> gut versteckt hätte, was ich<br />

postwen<strong>de</strong>nd 3 mal bejahte. Er sagte auch, dass ich nicht mehr aufs<br />

Schloss anrufen solle. Mir wür<strong>de</strong> später eine an<strong>de</strong>re Möglichkeit zum<br />

Telefonieren mitgeteilt wer<strong>de</strong>n. Dann könne ich mit ihm sicher re<strong>de</strong>n. Ich<br />

solle aber vorsichtig sein und nicht über die <strong>Daten</strong> re<strong>de</strong>n, vielleicht<br />

wür<strong>de</strong> ja jemand mithören. Er sagte weiters, dass letztmöglich jemand<br />

mithören wür<strong>de</strong>; eine Person, die ich im Brief erwähnt hätte. Man kann<br />

sich heute nicht auf alle Verlassen, sagte er zum Schluss. Ich begriff diese<br />

Gere<strong>de</strong> über „Mithören‚ nicht ganz; aber eben: Ich war froh, dass er<br />

überhaupt mit mir sprach und ich glaubte, dies sei <strong>de</strong>r Anfang einer<br />

Lösung und nicht <strong>de</strong>r Anfang vom En<strong>de</strong>. Das ganze Gespräch dauerte<br />

nur 2-3 Minuten. Ich fuhr auf Umwegen mit Bus und Bahn wie<strong>de</strong>r nach<br />

Hause. Daniela war nicht da, was mir sehr gelegen kam. Ich packte<br />

meine sieben Sachen zusammen, um schneller bereit zu sein, sollte ich<br />

am nächsten Tag ausziehen.<br />

Ungeduldig stampfte ich zwischen <strong>de</strong>n Telefonkabinen auf <strong>de</strong>m<br />

Wittenbergerplatz hin und her, um die Zeit bis 14 Uhr totzuschlagen.<br />

Dann wür<strong>de</strong> ich nämlich die LGT in Frankfurt anrufen, um zu erfahren,<br />

ob ein Kuvert für mich da wäre. Wenn ja, dann wür<strong>de</strong> ich <strong>de</strong>n Auftrag<br />

geben, das Kuvert an meine neue, private Postfachadresse in Berlin zu<br />

sen<strong>de</strong>n. Sollte dies klappen, wür<strong>de</strong> ich zuerst das Gebäu<strong>de</strong>, wo mein<br />

Berliner Postfach im Erdgeschoss liegt, für ein paar Tage ausgiebig<br />

beobachten und dann zu einer Zeit, wo ich sicher sein könnte, dass<br />

eigentlich niemand unterwegs war, also zwischen 3 und 4 Uhr in <strong>de</strong>r<br />

Nacht, mein Fach leeren kommen.<br />

212


VADUZ 13. Januar 2003 (vormittags)<br />

In aller Herrgottsfrühe fuhren Hr. Kaiser und <strong>de</strong>r Bankdirektor von<br />

Vaduz aus mit <strong>de</strong>m Diplomatenstaatswagen <strong>de</strong>s Hans-Adams (dunkler<br />

Audi A8 mit Wechselkennzeichen FL 6333, bei Staatsanlässen wird das<br />

an<strong>de</strong>ren Kennzeichen, FL 1 angebracht) Richtung Frankfurt los. Mit<br />

dabei hatten sie ein dickes Kuvert mit Handschriftlichem Schreiben von<br />

Hans-Adam für Kieber und <strong>de</strong>n zwei Pässen. Noch viel früher in <strong>de</strong>r<br />

Nacht, um 03 Uhr morgens erst, war <strong>de</strong>r Professor mit <strong>de</strong>m<br />

Aktenstudium endlich fertig. Ausgiebigen Schlaf konnte er aber nicht<br />

erleben. Um 07 Uhr war er schon wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r KKZ, wo er zusammen<br />

mit <strong>de</strong>m eintru<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Regierungschef Hasler die erste von vielen<br />

Tassen Kaffee o<strong>de</strong>r Tee tranken. <strong>Der</strong> Bankdirektor und die rechte Hand<br />

Hans-Adams trafen in Frankfurt ein und nahmen sich zwei Zimmer im<br />

Hotel Palmenhof in <strong>de</strong>r Bockenheimer Landstrasse. Um auf alle Seiten<br />

abge<strong>de</strong>ckt zu sein, or<strong>de</strong>rte das KKZ das Landgericht Vaduz an, einen<br />

neuen Akt gegen Kieber anzulegen. <strong>Die</strong> Untersuchungsrichterin, Frau<br />

Netzer wur<strong>de</strong> beauftragt, „pro forma‚ einen Internationalen Haftbefehl<br />

zu beschliessen. <strong>Der</strong> Haftbefehl sollte aber noch nicht im Polizeisystem<br />

aktiviert wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Grundlage für einen Haftbefehl wäre eben die<br />

versuchte <strong>Daten</strong>unterdrückung & <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>diebstahl, die Nötigung <strong>de</strong>s<br />

Staatsoberhauptes Hans-Adams und – was aus Liechtensteiner Sicht am<br />

Schlimmsten war - das Verbrechen <strong>de</strong>r Auskundschaftung eines<br />

Geschäfts- o<strong>de</strong>r Betriebsgeheimnis zu Gunsten <strong>de</strong>s Auslan<strong>de</strong>s. Es wäre<br />

A) die Fluchtgefahr gegeben, da Kieber die Wohnung im FL aufgelöst<br />

hatte. B) eine Verdunkelungsgefahr gegeben, die damit zu erklären sei,<br />

dass er – auf freiem Fuss gelassen – die Ermittlung <strong>de</strong>r Wahrheit<br />

erschweren wer<strong>de</strong> (Anm.: Welch Ironie dieses Gesetzeswortlauts: Im<br />

Gegenteil, ich war auf einer Mission ins Ausland gegangen, um die Wahrheit<br />

<strong>de</strong>r „schmutzigen Geld-Geschäfte“ in Liechtenstein zu offenbaren.) und C)<br />

insbeson<strong>de</strong>re die Ausführungsgefahr, da er dies <strong>de</strong>tailliert im Brief an<br />

Hans-Adam angedroht hatte.<br />

Anm.: Wie die UR richtigerweise festgestellt hatte, war mein Brief eine<br />

versuchte Nötigung und KEINE Erpressung! Eine Erpressung wäre es dann,<br />

wenn ich z.B. Geld im Austausch für die <strong>Daten</strong> verlangt hätte. Das Gesetzt<br />

macht da ganz klar einen Unterschied. Ich wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Folge später auch nie<br />

wegen Erpressung angeklagt und logischerweise auch nie dafür verurteilt.<br />

213


Das Liechtenstein (über die KKZ) immer dann alle gesetzlichen Richtlinien und<br />

Vorschriften einfach zum Fenster raus schmeisst, wenn es ums eigene Geld<br />

(Bank- o<strong>de</strong>r Treuhanddaten) geht, zeigte sich auch in diesem Fall wie<strong>de</strong>r. <strong>Der</strong><br />

Vorwurf <strong>de</strong>s <strong>Daten</strong>diebstahls hätte gar nicht als Grundlage für <strong>de</strong>n Haftbefehl<br />

herhalten dürfen, da <strong>de</strong>r <strong><strong>Die</strong>b</strong>stahl von <strong>Daten</strong> in Liechtenstein kein<br />

Offizial<strong>de</strong>likt son<strong>de</strong>rn ein Antrags<strong>de</strong>likt ist und das be<strong>de</strong>utet, nur wenn die<br />

Bank o<strong>de</strong>r die Treuhand es selber wollen und sie einen <strong>Daten</strong>diebstahl bei <strong>de</strong>r<br />

Polizei anzeigen, dann die Behör<strong>de</strong>n aktive wer<strong>de</strong>n können. <strong>Der</strong> Hintergrund<br />

<strong>de</strong>s Gesetzgebers, einen <strong>Daten</strong>diebstahl nur als Antrags<strong>de</strong>likt zu klassifizieren,<br />

lag darin, da man es <strong>de</strong>r Bank o<strong>de</strong>r Treuhand überlassen wollte, sich mit <strong>de</strong>m<br />

<strong><strong>Die</strong>b</strong> einigen zu können und somit ein Aufsehen mit einem Strafprozess und<br />

auch Schädigung <strong>de</strong>s Rufes verhin<strong>de</strong>rn zu können. Das hat oft gut geklappt.<br />

Es ist in Liechtenstein kein Geheimnis, dass in <strong>de</strong>n Jahren 1994 bis 2004 (die<br />

Batliner CDs und meine LGT <strong>Daten</strong> ausgenommen) es 4 weitere, wenn auch<br />

kleinere Fälle von <strong>Daten</strong>diebstahl gegeben hatte, wo es nie zu einer Anzeige<br />

kam, da die betroffenen Firmen (3 Treuhandfirmen und 1 ausländische Bank)<br />

mit „Zahlungen“ die Sache selber, offenbar erfolgreich, bereinigen konnten. Eine<br />

<strong>Daten</strong>diebstahlanzeige in meinem Fall lag aber nicht vor.<br />

Im KKZ wur<strong>de</strong> weiters folgen<strong>de</strong>s entschie<strong>de</strong>n: Um <strong>de</strong>r Person <strong>de</strong>s<br />

Kieber aufzuspüren, <strong>de</strong>r sich höchstwahrscheinlich im Ausland aufhielt,<br />

wur<strong>de</strong> angeregt, diverse Handynummern sowie zwei Festnetzanschlüsse<br />

von Personen zu überwachen, auf die er vielleicht anrufen wür<strong>de</strong>.<br />

Zu<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> beschlossen, dass man sich für eine o<strong>de</strong>r mehrere Razzien<br />

in Liechtenstein allzeit bereithalten sollte. Nur für <strong>de</strong>n Fall, dass die<br />

Bewohner <strong>de</strong>r Gebäu<strong>de</strong> anwesend wären, instruierte das KKZ das<br />

Landgericht ein paar Hausdurchsuchungsbeschlüsse, auch „pro forma‚<br />

anzufertigen. <strong>Die</strong> Razzien sollten aber - wenn möglich - so ausgeführt<br />

wer<strong>de</strong>n, dass niemand davon etwas erfährt und keine nötigen<br />

Gerichtsbeschlüsse gezeigt wer<strong>de</strong>n müssen.<br />

BERLIN 13. Januar 2003 (nachmittags bis in die Nacht)<br />

Endlich, die Uhr zeigte Punkt 14 Uhr. Ich rief die Nummer <strong>de</strong>r LGT<br />

Frankfurt an. Ich sagte meinen Namen und fragte, ob ein Kuvert für<br />

mich da sei. <strong>Die</strong> Angestellte dort sagte mir, dass jemand hier sei, <strong>de</strong>r<br />

mich sprechen möchte. <strong>Der</strong> Bankdirektor Schlachter nahm <strong>de</strong>n Hörer in<br />

die Hand. Er habe einen Umschlag von Hans-Adam für mich dabei. Ich<br />

214


müsse ihn aber selber abholen. Ich erklärte ihm, dass ich nicht in<br />

Frankfurt war, son<strong>de</strong>rn in Berlin! Er glaubte mir es nicht. Er sagte, dass<br />

er vom Hans-Adam persönlich beauftragt wor<strong>de</strong>n sei, das Kuvert mir<br />

persönlich zu übergeben.<br />

Zu meinem Erstaunen erläuterte er mir, dass er angeblich absolut KEINE<br />

Ahnung habe, um was es sich handle. Ich war schon etwas sehr verwirrt<br />

über diese Aussage. Nein, nein – versicherte er mir. Er wüsste nicht um<br />

was es gehe. Er sei am Sonntag aufs Schloss gerufen wor<strong>de</strong>n und ihm sei<br />

aufgetragen wor<strong>de</strong>n, einen Gefallen für <strong>de</strong>n Hans-Adam zu tun. Das sei<br />

alles gewesen, was man ihn gesagt hätte. Mir kam dies sehr suspekt vor.<br />

Ich musste ihm aber diesbezüglich glauben. Ich fragte ihn, ob er wüsste<br />

was in <strong>de</strong>m Kuvert sei. Er erwi<strong>de</strong>rte, NEIN, er wüsste es nicht und<br />

möchte und musste es nicht wissen.<br />

Er wie<strong>de</strong>rholte zu<strong>de</strong>m mehrmals, dass wir am Telefon sehr vorsichtig<br />

sein müssten, da ich ja von einer öffentlichen Telefonzelle anrief (was er<br />

als erstes von mir erfahren hatte). Wir dürften keine Details o<strong>de</strong>r Worte<br />

wie „LGT‚, o<strong>de</strong>r „<strong>Daten</strong>‚ u.s.w. erwähnen. Ich sagte ihm, ja das wäre<br />

logisch, aber dass es auch keinen Sinn machen wür<strong>de</strong>, mit ihm weiter zu<br />

telefoniere, wenn er ja nicht im Bil<strong>de</strong> war. Ich äusserte <strong>de</strong>n Wunsch,<br />

Hans-Adam am Abend selber anrufen zu können. Ich schlug <strong>de</strong>m<br />

Bankdirektor auch vor, sich am nächsten Tag in Berlin zu treffen. Er<br />

verlangte <strong>de</strong>n Beweis, dass ich wirklich in Berlin sei.<br />

Ich dachte nur: Mist, wie<strong>de</strong>r einmal haben sie es nicht fertig gebracht,<br />

meine Schreiben, in diesem Fall <strong>de</strong>n Brief vom 7.1.03, vollständig und<br />

richtig zu lesen. Da stand kein Wort darin, das ich in Frankfurt sein<br />

wür<strong>de</strong>! Ich fragte <strong>de</strong>n Bankdirektor, ob er <strong>de</strong>n keine Telefonnummer auf<br />

<strong>de</strong>m Display sehe wür<strong>de</strong>; er verneinte dies. Ich regte mich auf, dass man<br />

hier wohl alles selber machen musste. Da hatte ich eine I<strong>de</strong>e, wie ich<br />

beweisen konnte, dass ich in Berlin war. Etwas riskant, aber in diesem<br />

Stadium <strong>de</strong>s ganzen Dramas war für mich die Gefahr, sprich von Hans-<br />

Adam schnell „geschnappt‚ zu wer<strong>de</strong>n, kalkulierbar, sprich nicht akut.<br />

Ich sagte, ich wür<strong>de</strong> in 10 Minuten wie<strong>de</strong>r anrufen.<br />

Ich rannte so schnell es ging zur neuen Nie<strong>de</strong>rlassung <strong>de</strong>r LGT in Berlin<br />

am Kurfürstendamm Nr. 36. Noch nach Luft ringend, erzählte ich <strong>de</strong>r<br />

Empfangsdame, dass ich einen Telefontermin mit einem hohen<br />

Bankdirektor <strong>de</strong>r LGT Vaduz, <strong>de</strong>r jetzt in <strong>de</strong>r LGT Frankfurt sei, hätte.<br />

<strong>Die</strong> Dame dachte, ich sei wohl ein etwas wirrer Kun<strong>de</strong> und rief die LGT<br />

Frankfurt an. Ich wur<strong>de</strong> dann mit <strong>de</strong>m Bankdirektor verbun<strong>de</strong>n und<br />

damit gab es dann absolut keinen Zweifel mehr: ich war in Berlin!<br />

215


<strong>Der</strong> Bankdirektor erzählte mir, dass er mit Hans-Adam in <strong>de</strong>r<br />

Zwischenzeit telefoniert hätte und dieser ihm nun aufgetragen hatte, mir<br />

zu sagen, dass ich ihn, <strong>de</strong>n Bankdirektor über <strong>de</strong>n Sinn und Zweck<br />

seiner Reise aufklären sollte. Ich lehnte dies ab, da es utopisch war, ihm<br />

in einem Ferngespräch gera<strong>de</strong> heraus über das Drama zu berichten. Mir<br />

wur<strong>de</strong> gesagt, dass Hans-Adam mich sprechen möchte und ich ihn aufs<br />

Schloss anrufen sollte. In <strong>de</strong>rselben Minute wi<strong>de</strong>rrief <strong>de</strong>r Bankdirektor<br />

die Aussicht, dass ich aufs Schloss anrufen könnte.<br />

Ich lag mit einer meiner Vermutungen wie<strong>de</strong>r richtig: Hans-Adam hatte<br />

seine „Soldaten‚ nie ganz aufklärt und niemand gesagt, dass ich ihn<br />

gestern aufs Schloss angerufen hatte: typisch Hans-Adam – immerzu<br />

bestrebt, einen strategischen Vorteil zu behalten, erinnerte ich mich. Ich<br />

hatte nochmals vorgeschlagen, sich am nächsten Tag in Berlin zu treffen.<br />

In einem späteren Telefonat wur<strong>de</strong> mir gesagt, dass nun Hans-Adam<br />

mich persönlich sehen möchte und wir alle uns am Abend noch in<br />

Hannover treffen sollten. Ich konnte diesem Plan nicht zustimmen, da<br />

meine abgeschätzte Ankunft in Hannover erst spät in <strong>de</strong>r Nacht erfolgen<br />

wür<strong>de</strong> und ich mich dort sowieso nicht sicher fühlen wür<strong>de</strong>. Wer<br />

garantierte mir, dass es keine Falle sei, fragte ich. <strong>Der</strong> Bankdirektor<br />

schwieg dazu und hatte statt<strong>de</strong>ssen vorgeschlagen, mir aus Frankfurt<br />

entgegenzufahren; er hätte ja auch das Kuvert, mit <strong>de</strong>m von mir<br />

gewünschten Inhalt. Ich erwi<strong>de</strong>rte: Wenn Hans-Adam mit mir sprechen<br />

wollte, so könnte er doch die LGT in Berlin anrufen. <strong>Der</strong> Bankdirektor<br />

sagte mir dann, dies wür<strong>de</strong> nicht gehen, da die Leitung dorthin nicht<br />

gesichert war, sprich nicht abhörsicher war und die Gefahr bestand, dass<br />

<strong>de</strong>r Fein<strong>de</strong>, die Deutschen mithören könnten.<br />

Je mehr ich mit <strong>de</strong>m Bankdirektor kommuniziert hatte, um so weniger<br />

erschienen mir seine Verschläge einleuchtend. Ich hatte um Be<strong>de</strong>nkzeit<br />

gebeten und sowieso musste ich das Telefonat oft unterbrechen und die<br />

Nummer neu anwählen, da ich Telefonkarten mit einem Wert von 5 o<strong>de</strong>r<br />

10 Euros gekauft hatte, die schnell verbraucht waren. <strong>Die</strong> angebliche<br />

Unkenntnis seitens <strong>de</strong>s Bankdirektors darüber, was wirklich los war,<br />

machte mir schon zu schaffen.<br />

Ich suchte ein Internetcafé auf und schickte von meinem alten<br />

Emailkonto aus <strong>de</strong>m Hans-Adam und seinem Sohn Alois eine Email aufs<br />

Schloss Vaduz. Ich hatte darin mein Unverständnis darüber dargelegt,<br />

dass er offenbar frustriert war, dass ich nicht in Frankfurt war und<br />

entschuldigte mich für die "Missverständnisse". Ich schlug vor und bat<br />

ihn auch, dass man sich in Berlin treffe wür<strong>de</strong>. Das Email hatte ich 3 Mal<br />

216


an die öffentlich bekannten Emailadressen (a.liechtenstein@sfl.li,<br />

office@fuerstenhaus.li, sfl@sfl.li, post@sfl.li o<strong>de</strong>r mail@sfl.li) gesandt. <strong>Die</strong>s trotz<br />

<strong>de</strong>r Gefahr, dass über die IP-Adresse meiner versan<strong>de</strong>t Email <strong>de</strong>r<br />

Standort <strong>de</strong>s Internetcomputers herausgefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n könnte. Aber<br />

ich wusste, dass wenn jemand die wirklich Strassenadresse ausforschen<br />

wür<strong>de</strong>, ich schon lange wie<strong>de</strong>r weg über alle Berge sei.<br />

Danach rief ich wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Bankdirektor an und erzählte ihm vom<br />

Email. Er sagte mir, dass er in <strong>de</strong>r Zwischenzeit wie<strong>de</strong>r mit Hans-Adam<br />

gesprochen hatte und dieser ihn nun über die Lage informiert hätte. So,<br />

so, dachte ich mir. Des Weiteren wur<strong>de</strong> mir erklärt, dass Hans-Adam<br />

grossen Wert darauf lege, dass ich mich mit <strong>de</strong>m Bankdirektor noch<br />

heute treffen wür<strong>de</strong>. Bis spät in die Nacht hatte ich mehrere Anrufe an<br />

die LGT Frankfurt gemacht und mit <strong>de</strong>m Bankdirektor gesprochen.<br />

Dabei wechselte ich immer <strong>de</strong>n Standort und rannte dafür wie ein<br />

geköpfter Hahn kreuz und quer im Zentrum von Berlin herum, auf <strong>de</strong>r<br />

Suche nach neuen, „frischen‚ Telefonzelle. <strong>Die</strong>s um zu verhin<strong>de</strong>rn, dass<br />

sie mich elektronisch lokalisieren konnten. Er wie<strong>de</strong>rum, so wie er mir<br />

erläuterte, muss jeweils telefonische Rücksprache mit Hans-Adam<br />

führen und sich sein „OK‚ zu holen. Ein paar Mal wur<strong>de</strong> heiss diskutiert<br />

und <strong>de</strong>r Frust von Seiten <strong>de</strong>s Bankdirektors war nicht zu überhören:<br />

„Enttäuschung‚ in Vaduz darüber, dass ich nicht in Frankfurt war, wie<br />

ich es geschrieben hätte.<br />

Mir wur<strong>de</strong> auch eine Liechtensteiner Handynummer mitgeteilt, die ich<br />

mir notierte. Es war die Nummer eines Handys worauf ich Hans-Adam<br />

persönlich anrufen könnte. Ich war erleichtert, dass offenbar Hans-Adam<br />

<strong>de</strong>n Bankdirektor aufgeklärt hatte. Ich sollte nun <strong>de</strong>n Zug um 19:56 von<br />

Berlin nach Köln nehmen: dort wür<strong>de</strong> er, <strong>de</strong>r Bankdirektor auf mich<br />

warten und ich wür<strong>de</strong> nur so mit <strong>de</strong>m Hans-Adam telefonieren können.<br />

<strong>Die</strong>s von <strong>de</strong>r LGT Köln aus über eine abhörsichere Leitung.<br />

Ob ich die Unterlagen auf mir o<strong>de</strong>r mit mir hätte, hatte <strong>de</strong>r Bankdirektor<br />

mich höflich gefragt. Na klar, lachte ich laut: Ich wür<strong>de</strong> sicherlich<br />

kiloweise Unterlagen und <strong>Daten</strong>träger jetzt mit mir in Berlin<br />

herumschleppen, auch noch zu dieser dunklen Stun<strong>de</strong>. Natürlich nicht!<br />

Sie wären gut versorgt, erwi<strong>de</strong>rte ich. Es wäre ein komplexes Thema, die<br />

<strong>Daten</strong>sicherung hier in Berlin, erklärte ich ihm. Ich sagte ihm auch, dass<br />

ich es ihm persönlich unter vier Augen in Berlin erklären könnte. <strong>Der</strong><br />

Bankdirektor versuchte mehrmals auf verschie<strong>de</strong>ne Art und Weise in<br />

Erfahrung zu bringen, wo ich die Unterlagen aufbewahrt hatte. Er<br />

217


schil<strong>de</strong>rte mir, dass Hans-Adam in <strong>de</strong>n Telefonaten mit ihm sehr besorgt<br />

über die <strong>Daten</strong> geäussert hatte.<br />

Um meiner ausgefeilten Sicherheit in Bezug auf die <strong>Daten</strong> etwas mehr<br />

Betonung zu geben, hatte ich <strong>de</strong>m Bankdirektor in Erinnerung gerufen,<br />

dass seine LGT <strong>de</strong>n Verlust <strong>de</strong>s DLT-Ban<strong>de</strong>s sowie <strong>de</strong>r<br />

Originaldokumente ja nicht einmal gemerkt hatten. Als ich dann weiters<br />

erwähnte, dass sie sicher in einem Schliessfach waren, dass in <strong>de</strong>r Nacht<br />

nicht zugänglich sei, versuchte er mir weiszumachen, dass Hans-Adam<br />

die Pässe heute Nacht übergeben wür<strong>de</strong> und im Gegenzug heute Nacht<br />

gerne die <strong>Daten</strong> zurück hätte. So einen Blödsinn dachte ich mir. Da ich<br />

die offensichtliche Dummheit dieser I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>m Bankdirektor nicht<br />

schnurgera<strong>de</strong> ins Gesicht schleu<strong>de</strong>rn konnte, fragte ich ihn künstlich<br />

erstaunt, aber höflich, wie dies <strong>de</strong>n geschehen sollte? Es sei jetzt<br />

Montagabend, alle Geschäfte sind zu, sagte ich.<br />

Obwohl ich nie erwähnt hatte, dass es sich um ein Schliessfach bei einer<br />

Bank han<strong>de</strong>ln wür<strong>de</strong>, nahm <strong>de</strong>r Bankdirektor dies als gesicherte<br />

Information an und behauptete weiters, dass wenn Hans-Adam wisse<br />

wür<strong>de</strong>, um welche Bank es sich han<strong>de</strong>lte, er die Mittel und Wege hätte,<br />

die Filiale noch heute Abend öffnen zu lassen. Ich konnte mein Gelächter<br />

nicht mehr unterdrücken. Ich entgegnete, es ist jetzt fast 20 Uhr und es<br />

ist mir durchaus ganz klar, dass Hans-Adam Macht und Milliar<strong>de</strong>n hat,<br />

aber bitte – dass er die Autorität hat – rein hypothetisch - einen<br />

Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>n eines Deutschen Bankkonzerns aus <strong>de</strong>m Bett zu<br />

holen und zum Öffnen einer seiner Filialen zu bewegen, damit dort<br />

Mitten in <strong>de</strong>r Nacht ein Safe geleert wer<strong>de</strong>n konnte - ist absolut<br />

unmöglich und reine Phantasie. Zu<strong>de</strong>m fragte ich <strong>de</strong>n Bankdirektor ob<br />

er und die in Vaduz wohl verrückt gewor<strong>de</strong>n seien: a) wie sollte –<br />

wie<strong>de</strong>rum rein hypothetisch – eine solche Aktion über die Bühne gehen,<br />

ohne das von Deutscher Seite (Bankvorsitzen<strong>de</strong>r, Filialleiter Mitarbeiter,<br />

Sicherheitspersonal etc.) irgendjemand die Sache sehr höchst suspekt<br />

vorkommen wür<strong>de</strong>. O<strong>de</strong>r b) sie allen Ernsten wünschten, dass ich das<br />

Fach leeren sollte und mit all <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> und Papieren quer durch<br />

Deutschland per Zug zu ihm reisen musste. Sowieso wür<strong>de</strong> eine<br />

<strong>Daten</strong>übergabe für mich gar nicht zu Frage stehen.<br />

Man hatte ja noch gar nichts in Sachen Argentinienfall gemacht. Wie<br />

kommt ihr da auf die I<strong>de</strong>e, ich wür<strong>de</strong> euch die <strong>Daten</strong> jetzt schon<br />

zurückgeben, fragte ich <strong>de</strong>n Bankdirektor. Er stammelte nur ständig,<br />

dass er die <strong>Daten</strong> zurück haben muss, muss, muss.... Was ich nicht<br />

wusste war, dass er nur darum ständig nach <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> fragte, weil er<br />

218


herausfin<strong>de</strong>n wollte, ob ich sie überhaupt hatte. Um <strong>de</strong>m Unsinn ein<br />

En<strong>de</strong> zu machen, erklärte ich ihm, dass es kein Banktresorfach sei und<br />

ich unmöglich heute Nacht an die <strong>Daten</strong> kommen könnte. En<strong>de</strong>. Punkt.<br />

Amen. Schluss. Aus. Ich sagte auch, dass ich hundskaputt war und keine<br />

Reise mehr irgendwohin machen wür<strong>de</strong>. Ich bat ihn, Hans-Adam<br />

mitzuteilen, dass ich am En<strong>de</strong> meines Lateins sei, mich aber für seine<br />

Geduld und angebotene Lösungshilfen bedanken wür<strong>de</strong>, was immer das<br />

war.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor bat mich, ihn in 20 bis 25 Minuten wie<strong>de</strong>r anzurufen.<br />

Was ich dann auch tat. Er sagte mir, dass Hans-Adam mir für meine<br />

Loyalität gegenüber seiner Familie, <strong>de</strong>r LGT und Liechtenstein bedankt<br />

hätte und nun keine nächtliche Reise von mir irgendwohin verlangen<br />

wür<strong>de</strong>. Ich musste das Gespräch kurz halten, da ich nur noch wenig<br />

Guthaben auf <strong>de</strong>r Telefonkarte hatte. Ich hatte <strong>de</strong>n Bankdirektor<br />

gewarnt, dass ich unter Umstän<strong>de</strong>n nicht mehr anrufen könnte, da ich<br />

nicht wüsste, wo ich zu dieser späten Stun<strong>de</strong> noch Telefonkarten kaufen<br />

könnte. Dann ein Klick, Null Euro Guthaben und die Verbindung war<br />

tot. Ich suchte verzweifelt nach einem Kiosk, <strong>de</strong>r noch um diese Zeit<br />

geöffnet hatte. Es war nichts zu fin<strong>de</strong>n. Halt. Weit weg brannte noch<br />

Licht in einem Geschäft. Zum Glück hatte ein Internetcafé noch offen: ich<br />

konnte günstige Telefonkarten kaufen. Ich hatte eine neue Telefonzelle<br />

erspäht und wählte die Nummer in Frankfurt. Es war jetzt 20.35 Uhr.<br />

Ich erklärte nochmals, dass ich jetzt NICHT an das Schliessfach konnte.<br />

Einen Tag später könnte ich aber an die <strong>Daten</strong> kommen. Ich schlug<br />

nochmals vor, dass er am nächsten Tag nach Berlin kommen sollte. Wir<br />

könnten uns um 10 o<strong>de</strong>r 11 Uhr treffen. Er sagte, dass er dies nicht<br />

alleine entschei<strong>de</strong>n könne, er sei auf Anordnungen von Hans-Adam<br />

angewiesen. Nur sein Wort gelte für ihn. <strong>Der</strong> Bankdirektor fragte mich<br />

ob ich ihm nicht mehr über die ganzen Umstän<strong>de</strong>, die zu diesem Drama<br />

geführt hatten, erzählen könne. Ich dachte zuerst, ich hatte mich verhört.<br />

Jetzt, nach zehn o<strong>de</strong>r mehr Telefonaten, so spät, wo alle mü<strong>de</strong> und<br />

gleichzeitig angespannt waren, jetzt wollte er, dass ich ihm am Telefon in<br />

20 bis 30 Minuten wohl als Schlecht-Nacht-Geschichte die Ereignisse <strong>de</strong>r<br />

letzten sechs Jahre erzählte. Ich wollte nun auflegen, aber <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor bat mich nochmals in einem Augenblick anzurufen. Er<br />

müsste wie<strong>de</strong>r Meldung nach Vaduz machen. Ich wartete. Dann<br />

erkannte ich, dass ich nun nicht genau wusste wo ich war und wie weit<br />

die nächste U-Bahn- o<strong>de</strong>r Bussstation entfernt war. Auch das noch,<br />

donnerte ich – ein langer Fussweg nach Hause stand mir bevor.<br />

219


Ich telefonierte, diesmal von <strong>de</strong>rselben öffentlichen Telefonkabine aus,<br />

zum letzten Mal mit <strong>de</strong>m Bankdirektor in Frankfurt. <strong>Der</strong> Ton hatte sich<br />

beachtlich verschlechtert. <strong>Der</strong> Bankdirektor schimpfte mit mir. Er sagte,<br />

dass es in Vaduz heftig zuginge. Man glaubte mir nicht (ohne mir zu<br />

sagen, was man mir <strong>de</strong>n nicht glaubte), man sei erbost, dass ich nicht in<br />

Frankfurt sei, man sei mir böse, dass ich angeblich nicht jetzt an die<br />

<strong>Daten</strong> kommen könnte u.s.w. Ich solle einen Beweis liefern, dass ich ein<br />

Schliessfach hatte. Ich fasste es nicht. Fuck! Das war wie<strong>de</strong>r so ein Trick,<br />

um mich auf die Palme zu treiben. Warum wollten die einen Beweis,<br />

dass ich ein Schliessfach hatte? Ich mag zwar ab und zu verrückt sein,<br />

aber nicht genug, um <strong>de</strong>ren Psychospiele nicht zu durchschauen. Ich<br />

erklärte nun, dass ich sicher war, dass sie eine Falle planten. Sie wollten,<br />

dass ich mit <strong>de</strong>m Schliessfachschlüssel sofort nach Frankfurt, Hannover<br />

o<strong>de</strong>r Köln komme.<br />

Ich war mit <strong>de</strong>n Nerven am En<strong>de</strong> und wie<strong>de</strong>rholte meine Bitte, er solle<br />

einfach nach Berlin kommen. Ich müsse jetzt auflegen, da die<br />

Telefonkarte nur noch zehn Sekun<strong>de</strong>n Gesprächsguthaben anzeigen<br />

wür<strong>de</strong>, sagte ich mit immer schwächer wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Stimme. Für „Gute<br />

Nacht‚ reichte die Zeit noch aus und ich ersuchte ihn auch bis 10 Uhr<br />

morgens eine Nachricht bei <strong>de</strong>r LGT in Berlin für mich zu hinterlassen.<br />

Klack – die Linie war tot. Ich rannte nochmals zum Internetcafé und<br />

kaufte eine weitere Telefonkarte für <strong>de</strong>n nächsten Tag. Eine U-<br />

Bahnstation war auch schnell gefun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Zug war aber schon weg. So<br />

blieb nur ein Fussmarsch um nach Hause zu kommen. Nach zehn<br />

Minuten war ich an einer einsamen Telefonzelle vorbei gekommen. Nun<br />

gut, dachte ich, besser <strong>de</strong>n Bankdirektor nochmals anrufen. Er war noch<br />

wach und in <strong>de</strong>r Frankfurter Nie<strong>de</strong>rlassung. <strong>Die</strong> Uhr zeigte 22.15 Uhr.<br />

Ich herrschte ihn an nach Berlin zu kommen. Er sagte, er wür<strong>de</strong> es<br />

versuchen. Könnte aber nichts garantieren. Höflich hatten wir uns dann<br />

verabschie<strong>de</strong>t. Man vereinbarte, dass ich ihn am nächsten Tag um 07.30<br />

Uhr in <strong>de</strong>r Früh wie<strong>de</strong>r telefonisch kontaktieren wür<strong>de</strong>.<br />

„Gute Nacht Herr Bankdirektor.‚ „Gute Nacht Herr Kieber.‚<br />

220


VADUZ 13. Januar 2003 (nachmittags bis spät abends)<br />

Seit <strong>de</strong>m Mittagessen rief <strong>de</strong>r Bankdirektor mehrmals Hans-Adam und<br />

die KKZ an, um über <strong>de</strong>n aktuellen Stand <strong>de</strong>r Dinge zu berichten und<br />

weitere Befehle vom <strong>Fürst</strong> zu erhalten. <strong>Der</strong> Professor sagte ihm, dass sie<br />

alle auf Zeit spielen sollten. <strong>Die</strong> Lage sei jetzt an<strong>de</strong>rs und komplizierter,<br />

da man nicht erwartet hatte, dass Kieber wahrhaftig in Deutschland und<br />

zu<strong>de</strong>m auch schon in Berlin war. Dort, wo alle Behör<strong>de</strong>n und die US-<br />

Botschaft waren. Sie glaubten <strong>de</strong>m Schreiben von Kieber ja nicht.<br />

Hans-Adam erhielt ein Handy <strong>de</strong>r Polizei, <strong>de</strong>ren Liechtensteiner<br />

Nummer Kieber heute mitgeteilt wer<strong>de</strong>n sollte. Ausser<strong>de</strong>m sollte ihm<br />

gesagt wer<strong>de</strong>n, dass es die Nummer war, auf <strong>de</strong>r er Hans-Adam<br />

persönlich anrufen könne. <strong>Die</strong> Liechtensteiner Telekom erhielt von <strong>de</strong>r<br />

KKZ <strong>de</strong>n Befehl, alle Anrufe auf diesem Handy aufzuzeichnen. Es<br />

wur<strong>de</strong> sehr fieberhaft zwischen <strong>de</strong>m Schloss, <strong>de</strong>r Regierung und <strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>ren Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s KKZ kommuniziert. Hans-Adam hatte <strong>de</strong>n<br />

Auftrag gegeben, herauszufin<strong>de</strong>n, wie Kieber sich bei <strong>de</strong>r LGT in Berlin<br />

verhalten hatte und was er dort <strong>de</strong>n Mitarbeitern sonst noch gesagt<br />

hatte. Er sagte <strong>de</strong>m KKZ, man solle Kieber mitteilen, dass er ihn direkt<br />

im Schloss anrufen könne, da <strong>de</strong>r Fürs die Sache mit ihm besprechen<br />

müsse. Hans-Adam wur<strong>de</strong> aber von Seite <strong>de</strong>s KKZ empfohlen, sich<br />

vorerst keine Anrufe von Kieber auf sein Schloss durchstellen zu lassen,<br />

falls dieser es versuchen sollte. <strong>Die</strong> Sache war sehr <strong>de</strong>likat. Denn alleine<br />

die Tatsache, dass ein ehemaliger Mitarbeiter <strong>de</strong>r LGT, <strong>de</strong>r weit<br />

reichen<strong>de</strong> Kenntnissen über das Geschäft „im Kopf‚ gespeichert hatte, in<br />

<strong>de</strong>r Hauptstadt <strong>de</strong>s „Fein<strong>de</strong>sland" herumirrte, war in <strong>de</strong>n Augen von<br />

Hans-Adam Sprengkraft genug, um eine eigene Reise nach Deutschland<br />

ins Auge zu fassen. Ihm wur<strong>de</strong> aber im Verlauf <strong>de</strong>s Abends gesagt, dass<br />

Kieber nicht nach Hannover kommen könne o<strong>de</strong>r wolle. Er erhielt dann<br />

von seiner Sekretärin auch das Email von Kieber aus Berlin.<br />

Hans-Adam erklärte, dass er persönlich grossen Wert auf ein<br />

Zustan<strong>de</strong>kommen eines Treffens zwischen <strong>de</strong>m Bankdirektor und<br />

Kieber legte. Dann wür<strong>de</strong> er mit <strong>de</strong>m Kieber re<strong>de</strong>n und zwar nur über<br />

eine gesicherte Leitung nach Vaduz. Das KKZ hielt fest, dass das Ziel<br />

nun war, <strong>de</strong>n Bankdirektor mit <strong>de</strong>m Kieber zusammenzubringen, um<br />

<strong>de</strong>n Wünschen und <strong>de</strong>r Autorität <strong>de</strong>s Hans-Adams entsprechen zu<br />

können. Er hätte <strong>de</strong>m Bankdirektor auch gesagt, dass er nicht über das<br />

221


Telefon über die <strong>Daten</strong> sprechen möchte, da dies Hans-Adam offenbar<br />

nicht wollte.<br />

Hans-Adam sagte <strong>de</strong>m KKZ, dass er abwarten wollte, ob Kieber nicht<br />

doch noch nach Frankfurt, Hannover o<strong>de</strong>r Köln reisen wür<strong>de</strong> und er,<br />

Hans-Adam dann weitere Anweisungen, wie und was nun geschehen<br />

soll, geben wür<strong>de</strong>. <strong>Der</strong> Liechtensteiner <strong>Fürst</strong> wur<strong>de</strong> sehr ungeduldig.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor mel<strong>de</strong>te zurück, dass Kieber ihm gesagt hätte, dass die<br />

<strong>Daten</strong> sicher in einem Schliessfach versorgt wären. Hans-Adam regte an,<br />

<strong>de</strong>m Kieber zu fragen, bei welcher Bank dies wäre. Er, Hans-Adam hätte<br />

dann die Macht <strong>de</strong>n Vorsitzen<strong>de</strong>n jener <strong>de</strong>utschen Bank anzurufen und<br />

zu arrangieren, dass sein Bankdirektor mit Kieber später das Fach<br />

gemeinsam leeren sollte.<br />

Hans-Adam wur<strong>de</strong> noch ungeduldiger. Es solle <strong>de</strong>m Kieber gesagt<br />

wer<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r Bankdirektor ein dickes A4 Kuvert mit <strong>de</strong>m von ihm<br />

gewünschten Inhalt und einem handschriftlichem Vermerk <strong>de</strong>s Hans-<br />

Adam für ihn hätte. Hans-Adam wollte wissen, warum ein Treffen nicht<br />

möglich war und wo die verdammten <strong>Daten</strong> waren. Nach Beratung gab<br />

Hans-Adam die Or<strong>de</strong>r, dass <strong>de</strong>r Bankdirektor sich für eine Reise nach<br />

Berlin am nächsten Tag vorbereiten sollte. Hans-Adam wur<strong>de</strong><br />

informiert, dass Kieber dankbar für seine Unterstützung sei und er<br />

nichts Böses wolle. Kieber hätte gesagt, dass er sich nicht vorstellen<br />

könnte, dass Hans-Adam in Deutschland nun mit <strong>de</strong>n vorgeschlagenen<br />

Treffen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Mitten-In-<strong>Der</strong>-Nacht-Tresor-Öffnen Aufsehen erregen<br />

wollte. Er wäre Hundskaputt und müsste nun ins Heim ins Bett.<br />

Das KZZ entschied sich, für heute kein Treffen mehr zu verlangen. Man<br />

kam zu <strong>de</strong>m Schluss, dass Kieber eben Kieber sei, verrückt aber hoch<br />

intelligent. Man konnte davon ausgehen, dass er die <strong>Daten</strong> gut und vor<br />

allem sicher versteckt hatte, falls er sie <strong>de</strong>nn hätte. Es wur<strong>de</strong> darüber<br />

gegrübelt, ob die <strong>Daten</strong> evt. in einem Postfach o<strong>de</strong>r in einem Schliessfach<br />

bei einem Bahnhof o<strong>de</strong>r Flughafen versteckt waren. Sicherheitshalber<br />

wur<strong>de</strong> entschlossen, eine Vollmacht zu Gunsten <strong>de</strong>s Bankdirektors in<br />

Vaduz erstellen zu lassen und ihm per Fax ins Hotel Palmenhof zu<br />

sen<strong>de</strong>n.<br />

Anm.: Um was für welche Art von Vollmacht es sich dabei han<strong>de</strong>lte, konnte ich<br />

lei<strong>de</strong>r nie ganz in Erfahrung bringen. Wohl eine Art gefälschte General-<br />

Vollmacht von mir für <strong>de</strong>n Bankdirektor für alle Schliessfächer in Deutschland.<br />

Wäre ich nach Frankfurt, Hannover o<strong>de</strong>r Köln gereist und sie hätten mich dort<br />

in Empfang genommen und irgendwie festgehalten, hätten sie versucht, mithilfe<br />

<strong>de</strong>r Vollmacht, an das Schliessfach zu kommen.<br />

222


<strong>Der</strong> Bankdirektor wur<strong>de</strong> gefragt, ob er im Hintergrund vielleicht<br />

Zuggeräusche o<strong>de</strong>r Flughafengeräusche gehört hatte. Er verneint dies.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor bestätigte, dass es ein weiteres Telefonat zwischen<br />

20.35 Uhr und 20.50 Uhr mit Kieber gab. Darin habe ihm Kieber zuerst<br />

offeriert, morgen mit <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> nach Köln zu kommen, dann aber<br />

korrigiert und gesagt, nein besser sei es, wenn man zu ihm nach Berlin<br />

komme. Kieber verstehe die Aufregung von Hans-Adam nicht, weil er<br />

nicht in Frankfurt sei. Kieber for<strong>de</strong>re, dass man seinen Brief vom 7.1.2003<br />

nochmals genau lesen solle. Darin stehe nichts davon, dass er am<br />

13.01.03 in Frankfurt sein wür<strong>de</strong>. Es müsse alles ein Missverständnis<br />

sein. Er habe nie vorgehabt, nach Frankfurt zu kommen, son<strong>de</strong>rn sich die<br />

Schutz-I<strong>de</strong>ntität irgendwo in Deutschland nachsen<strong>de</strong>n zu lassen. Dass er<br />

irgendwelche <strong>Daten</strong> im Austausch gegen die Schutzi<strong>de</strong>ntität<br />

aushändigen wür<strong>de</strong>, habe er nie zugesagt o<strong>de</strong>r geplant. Es ginge ja auch<br />

nicht um Millionen (für ihn), es ginge um was ganz an<strong>de</strong>res. Er brauche<br />

ja die Schutz-ID nicht um unterzutauchen, im Gegenteil, er wür<strong>de</strong> sogar<br />

so lange in Deutschland bleiben, bis Gerechtigkeit geschehen sei.<br />

Nach erneuter Beratung zur späten Stun<strong>de</strong>, entschloss man sich im KKZ<br />

Druck auf Kieber zu machen. <strong>Der</strong> Bankdirektor sollte ihm sagen, dass<br />

<strong>de</strong>r Hans-Adam enttäuscht war, dass Kieber die <strong>Daten</strong> nicht in <strong>de</strong>r<br />

Nacht holen konnte, dass Kieber nicht in Frankfurt war, dass Kieber in<br />

Berlin war u.s.w. Nach erfülltem Auftrag mel<strong>de</strong>te sich <strong>de</strong>r Bankdirektor<br />

wie<strong>de</strong>r beim Hans-Adam. Zum persönlichen Eindruck über Kieber<br />

befragt, sagte <strong>de</strong>r Bankdirektor, dass Kieber wohl weinend in Berlin<br />

stehen wür<strong>de</strong>, er sicherlich Angst hätte und verzweifelt sei. Kieber sei<br />

sich auch nicht sicher, ob er <strong>de</strong>m Bankdirektor vertrauen könne.<br />

<strong>Der</strong> Professor empfahl Hans-Adam Kieber weiterhin Hilfe anzubieten.<br />

Alle waren nun <strong>de</strong>r Überzeugung, dass es das Schliessfach wirklich gab.<br />

Man war sich nur nicht ganz im Klaren, was darin aufbewahrt wur<strong>de</strong>.<br />

Später erteilte Hans-Adam <strong>de</strong>n Auftrag, sich mit Kieber in Berlin zu<br />

treffen. Aber nicht so, wie Kieber sich das vorstellte. <strong>Der</strong> Bankdirektor<br />

wür<strong>de</strong> am <strong>Die</strong>nstagmorgen einen Flug von Frankfurt zurück nach<br />

Zürich nehmen und nach Hause kommen. Das A4 Kuvert wür<strong>de</strong> bei<br />

Herrn Gilbert Kaiser im Diplomatenwagen bleiben. <strong>Die</strong>ser wür<strong>de</strong> von<br />

Frankfurt nach Berlin fahren. <strong>Der</strong> persönliche Fahrer von Hans-Adam,<br />

Herr B. wür<strong>de</strong> am <strong>Die</strong>nstag früh um 07.25 Uhr das Flugzeug von Zürich<br />

nach Berlin nehmen und <strong>de</strong>n Wagen von Kaiser übernehmen. Kaiser<br />

müsste dann per Flugzeug von Berlin nach Zürich heim fliegen. Dem<br />

223


Kieber sollte dieses erst am nächsten Tag in <strong>de</strong>r Früh mitgeteilt wer<strong>de</strong>n.<br />

Wür<strong>de</strong> Kieber diese Variante nicht annehmen, müsste er mit <strong>de</strong>m Hans-<br />

Adam verhan<strong>de</strong>ln.<br />

BERLIN 14. Januar 2003 (in aller Herrgottsfrüh)<br />

Schon vor sechs Uhr war ich aus <strong>de</strong>m Bett raus. Daniela war lei<strong>de</strong>r auch<br />

schon aufgestan<strong>de</strong>n. Während eines schnellen Frühstücks hatte sie mich<br />

wie<strong>de</strong>r darüber ausgefragt, was ich <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n letzten Tagen in Berlin so<br />

gemacht hätte. Und was ich heute vorhätte. Ich hatte nicht viel Zeit und<br />

sagte, dass ich lei<strong>de</strong>r evt. heute schon wie<strong>de</strong>r heim in die Schweiz fahren<br />

müsste – „dringen<strong>de</strong> Geschäfte‚. Ich hatte gleich nachgeschoben, dass<br />

sie die nicht voll genutzte, schon bezahlte Monatsmiete natürlich<br />

behalten könne.<br />

Pünktlich um 07.30 Uhr rief ich, wie zuletzt abgemacht, <strong>de</strong>n<br />

Bankdirektor an. <strong>Die</strong> Nachricht, dass er von Hans-Adam zurückbeor<strong>de</strong>rt<br />

wor<strong>de</strong>n war, beunruhigte mich sehr. Ich entschuldigte mich für all die<br />

Hektik vom Vortag. <strong>Der</strong> Bankdirektor erzählte, dass sich Hans-Adam<br />

die ganze Sache mehrmals überlegt hätte und mir anbieten wür<strong>de</strong>, dass<br />

sein eigener Chauffeur mit <strong>de</strong>m dunklen Audi A8 heute in Berlin um 12<br />

Uhr o<strong>de</strong>r 12.15 Uhr vor <strong>de</strong>r LGT am Kurfürstendamm auf mich warten<br />

wür<strong>de</strong> und ich einsteigen solle, mit <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> natürlich. <strong>Der</strong><br />

Diplomatenwagen wer<strong>de</strong> dann auf schnellstem Weg nach Vaduz fahren,<br />

wo mich Hans-Adam auf seinem Schloss empfangen wer<strong>de</strong> und das<br />

weitere Vorgehen besprochen und Lösungen gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n könnten.<br />

Was sollte das ganze nun wie<strong>de</strong>r, dachte ich mir. Warum um Himmels<br />

Willen glaubte Vaduz, dass ich JETZT wie<strong>de</strong>r nach Hause fahren wür<strong>de</strong>.<br />

Irrsinnig! Und unter welchem Namen sollte ich die hun<strong>de</strong>rte von<br />

Kilometer im Wagen mitreisen, fragte ich ihn. Und wer garantiere mir,<br />

dass ich in Vaduz nicht im Gefängnis lan<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>? Alles sei geregelt,<br />

versuchte er mich zu beruhigen. <strong>Die</strong> Schutzi<strong>de</strong>ntität (die 2 Pässe) wür<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Fahrer ja dann haben. Es wäre zu<strong>de</strong>m ein Diplomatenwagen, eine<br />

Kontrolle unmöglich. Und es wäre keine Falle. Er instruierte mich auch,<br />

ihn ab jetzt auf seiner Handynummer anzurufen. Ich notierte sie. Ich<br />

sagte ihm, dass es wohl dass Beste wäre, wenn er wie befohlen nach<br />

Hause zurückkehrte. Offenbar wäre dies <strong>de</strong>r Wunsch Hans-Adams.<br />

Um Zeit zu gewinnen, behauptete ich, dass ich min<strong>de</strong>stens zweieinhalb<br />

Stun<strong>de</strong>n brauchte, bis ich alle <strong>Daten</strong> und Papiere eingesammelt hatte, da<br />

224


sie sich in drei separaten Schliessfächern befän<strong>de</strong>n. Was <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor nicht wusste war, dass ich unter enormem Zeitdruck stand,<br />

da ich noch vor 10 Uhr bei <strong>de</strong>r neuen Vermieterin Petra aufkreuzten<br />

musste.<br />

Ich musste schnell nach<strong>de</strong>nken. Ich unterbrach <strong>de</strong>n Bankdirektor in<br />

seiner langen Re<strong>de</strong> und sagte, dass ich in zehn Minuten wie<strong>de</strong>r anrufen<br />

wür<strong>de</strong>. Als ich ihn wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Leitung hatte, erzählte er mir, dass er<br />

inzwischen wie<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Hans-Adam telefoniert hätte und ich Hans-<br />

Adam um 10 Uhr o<strong>de</strong>r 10.15 Uhr anrufen sollte. Zum Schluss flehte mich<br />

<strong>de</strong>r Bankdirektor nachdrücklich an, in <strong>de</strong>n fürstlichen Wagen<br />

einzusteigen. Ich könne diesbezüglich nichts versprechen, erwi<strong>de</strong>rte ich.<br />

Ich wür<strong>de</strong> aber dort sein, beteuerte ich. Er bat mich ihn um 09:00 Uhr<br />

wie<strong>de</strong>r anzurufen. Was ich nicht tat. Weil keine Zeit dazu vorhan<strong>de</strong>n<br />

war.<br />

Ich ging zur Wohnung von Petra. Sie war eine sehr hübsche Frau, so um<br />

die Mitte Zwanzig. Sie zeigte mir das Zimmer und ich tat so, als ob ich<br />

alles genau inspizieren wür<strong>de</strong>, obwohl es für mich sowieso schon vor<br />

Eintritt klar war, dass ich es nehmen wür<strong>de</strong>, ja nehmen musste. Sie gab<br />

mir auch schon gleich die Schlüssel, nach<strong>de</strong>m ich die Miete für 4 Wochen<br />

bezahlt hatte.<br />

Sie arbeitete als Innen<strong>de</strong>korateurin beim französischen E<strong>de</strong>lkaufhaus<br />

Lafayette in <strong>de</strong>r Friedrichstrasse. Mein Zimmer war klein im Ausmass,<br />

aber mit hoher Decke. Eine nackte Matratze ohne Bettgestell lag auf <strong>de</strong>m<br />

Bo<strong>de</strong>n. Daneben eine Kommo<strong>de</strong> und einen Stuhl. Frische Bettwäsche<br />

hatte Petra säuberlich gefaltet aufs Bett gelegt. Ba<strong>de</strong>zimmer und Küche<br />

wür<strong>de</strong>n gemeinsam benutzt wer<strong>de</strong>n. Sie erwähnte aber noch, dass ihr<br />

Freund, ein Elsässer (<strong>de</strong>r irgendwo an<strong>de</strong>rs in Deutschland lebte und an<br />

einer Uni studierte) sehr eifersüchtig sein könne. Sie habe ihm nicht<br />

gesagt, dass sie evt. einen Mann als Untermieter nehmen wür<strong>de</strong>. Es<br />

könnte also sein, dass ihr Freund dies gar nicht mochte. Ist schon OK,<br />

erwi<strong>de</strong>rte ich ihr, erst mal einziehen und dann wer<strong>de</strong>n wir schon sehen.<br />

Sie solle ihn täuschen und einfach behaupten, dass ich wäre eine Frau,<br />

scherzte ich. Dann hätte ihr Freund sicherlich keine Be<strong>de</strong>nken mehr. Sie<br />

verabschie<strong>de</strong>te sich und ich war wie ein Wirbelwind zurück in die<br />

Ansbacherstrasse gedüst, die paar Stockwerke in Riesenschritten hinauf<br />

gesprungen.<br />

Daniela war zu Hause. Ich hatte etwas von „Flugzeug geht in 90<br />

Minuten‚ gemurmelt, mir meine zwei Koffer geschnappt, ihr die<br />

Wohnungsschlüssel in die Hand gedrückt, sie auf die Wange geküsst<br />

225


und ihr Alles Gute gewünscht. Ich habe sie nie wie<strong>de</strong>r gesehen. Mit <strong>de</strong>m<br />

Taxi war ich zurück in Petras leere Wohnung gefahren. <strong>Die</strong> Koffer hatte<br />

ich in das Zimmer geschleu<strong>de</strong>rt, die Türe zugeknallt und war mit<br />

<strong>de</strong>mselben Taxi wie<strong>de</strong>r zurück nach Berlin-Mitte gehetzt.<br />

Es war jetzt schon nach 09:30 Uhr. Ich musste mich auf <strong>de</strong>n Anruf an<br />

Hans-Adam geistig vorbereiten. Für alle Fälle setzte ich ein Schreiben in<br />

einem Internetcafé ein Schreiben am Computer auf, in <strong>de</strong>m ich die<br />

Ereignisse <strong>de</strong>r letzten 48 Stun<strong>de</strong>n aufgeschrieben hatte und kundtat was<br />

ich davon hielt. Das Resultat druckte ich mir aus und steckte es in ein<br />

neues Kuvert. Ich suchte eine noch nie von mir verwen<strong>de</strong>te Telefonzelle<br />

gegenüber einer Kneipe. An <strong>de</strong>r Theke wartete ich und beobachtete die<br />

Telefonzelle.<br />

VADUZ 14. Januar 2003 (vormittags)<br />

<strong>Der</strong> persönliche Fahrer von Hans-Adam, Herr B. flog mit <strong>de</strong>m 07.25 Uhr<br />

Flug von Zürich nach Berlin. <strong>Der</strong> Bankdirektor und Herr Kaiser checkten<br />

aus <strong>de</strong>m Hotel in Frankfurt aus und <strong>de</strong>r Bankdirektor lies sich bei <strong>de</strong>r<br />

LGT Frankfurt absetzten. Seine Rückreise nach Zürich per Flugzeug und<br />

Vaduz per Limousine hatte er sich für <strong>de</strong>n Nachmittag organisiert.<br />

Kaiser fuhr mit <strong>de</strong>m Audi nach Berlin. <strong>Der</strong> Bankdirektor mel<strong>de</strong>te sich<br />

um 7.50 Uhr beim KKZ und berichtete, dass Kieber ihn um 07.30 Uhr<br />

angerufen hatte.<br />

Er sei enttäuscht, dass <strong>de</strong>r Bankdirektor nun nach Hause beor<strong>de</strong>rt<br />

wor<strong>de</strong>n sei. Kieber habe bewiesen, dass ihm <strong>de</strong>r Schutz <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong><br />

wichtig sei und daher auch die Schutz-I<strong>de</strong>ntität dringend notwendig sei.<br />

Es täte im Leid, dass er nicht in Frankfurt sei, er sei halt in Berlin, weil<br />

sich dort alle Ministerien und auch die US-Botschaft befin<strong>de</strong>n. Er hätte<br />

dies ja alles im Brief geschrieben. Eine Reise mit öffentlichen<br />

Verkehrsmitteln von Berlin nach Frankfurt sei Kieber einfach zu riskant,<br />

ganz abgesehen davon, dass er <strong>de</strong>nke, dass ihn in Frankfurt eine Falle<br />

erwarte. Man muss Kieber zugute halten, dass er Loyalität wahre, mit<br />

Diskretion agiere und die <strong>Daten</strong> schützen kann und dies auch tut. Im<br />

KKZ wur<strong>de</strong> beraten, wie weiter vorzugehen sei. Es müsste auf Teufel<br />

komm raus versucht wer<strong>de</strong>n, Kieber nach Vaduz zu bringen. <strong>Die</strong> <strong>Daten</strong><br />

sollten dann vom Bankdirektor, <strong>de</strong>r dann schon wie<strong>de</strong>r nach Vaduz<br />

zurückgekehrt sein wür<strong>de</strong>, geprüft wer<strong>de</strong>n.<br />

226


<strong>Der</strong> Bankdirektor wur<strong>de</strong> unterwiesen, beim nächsten Anruf von Kieber<br />

ganz klar zu machen, dass es das letzte Angebot von Hans-Adam sei,<br />

seinen Chauffeur samt eigenem Wagen nach Berlin zu schicken. Hans-<br />

Adam müsse gegenüber Kieber auf ein „hohes Po<strong>de</strong>st‚ gehoben wer<strong>de</strong>n.<br />

Es müsse eindringlich stärker an die Loyalität, Sicherheit und Diskretion<br />

von Kieber appelliert wer<strong>de</strong>n. <strong>Der</strong> Bankdirektor ver<strong>de</strong>utlichte, dass er in<br />

diesem Sinne schon mit Kieber gesprochen habe. Er wür<strong>de</strong> es ihm aber<br />

nochmals mitteilen. Nach reiflicher Überlegung entschloss man sich,<br />

dass es das Beste wäre, wenn Kieber mit Hans-Adam direkt re<strong>de</strong>n<br />

könnte.<br />

Von Experten liess sich Hans-Adam nur ungern instruieren. Er war<br />

schon immer sehr „Beratungs-Resistent‚. Man teilte ihm mit, dass es<br />

taktisch gelungen sei, Kieber klar zu machen, dass dies die letzte<br />

Möglichkeit sei. Hans-Adam wur<strong>de</strong> empfohlen, sich auf keinen Fall auf<br />

längere Diskussionen mit Kieber einzulassen. Er sollte klar zum<br />

Ausdruck bringen, dass dieser am sichersten im Diplomatenwagen sei<br />

und <strong>de</strong>r Chauffeur ihn wohlbehalten nach Vaduz bringen wür<strong>de</strong>.<br />

Einwän<strong>de</strong> von Kieber sollten übergangen wer<strong>de</strong>n. Kieber müsste <strong>de</strong>n<br />

Eindruck erhalten, dass es sich um einen „wichtigen Auftrag‚ von Hans-<br />

Adam han<strong>de</strong>le. Aus psychologischen Beweggrün<strong>de</strong>n könnte Hans-<br />

Adam auch erwägen, Kieber zu sagen, dass er es nicht nötig habe mit<br />

ihm zu diskutieren. Es wur<strong>de</strong> ihm auch empfohlen, das Telefon nicht<br />

gleich abzunehmen und Kieber ein zweites Mal anrufen zu lassen,<br />

sodass „psychologisch‚ Zeit gewonnen wer<strong>de</strong>n könne. Inzwischen hatte<br />

sich <strong>de</strong>r Bankdirektor wie<strong>de</strong>r bei Hans-Adam gemel<strong>de</strong>t und berichtet,<br />

dass Kieber ihn nicht mehr angerufen hatte. <strong>Der</strong> Bankdirektor versuchte<br />

Hans-Adam zu beruhigen, in<strong>de</strong>m er berichtete, dass er ganz sicher wäre,<br />

dass Kieber die <strong>Daten</strong> sicherlich aus <strong>de</strong>n Schliessfächern in Berlin<br />

rausholen und auch Hans-Adam anrufen wür<strong>de</strong>.<br />

BERLIN 14. Januar 2003 (vormittags)<br />

Ich schlürfte sicher min<strong>de</strong>stens fünf Kaffeetassen leer und hielt die<br />

Telefonzelle immer unter Beobachtung. Ich war nervös und auf einmal<br />

dachte ich, was ist, wenn das Telefon nicht funktioniert. Besser war es,<br />

das Telefon zu testen. Gesagt, getan. Das Telefon war OK, die Karten<br />

227


auch. Gera<strong>de</strong> als 10 Uhr immer näher rückte, tauchte ein Passant auf und<br />

nahm Kurs auf die Kabine. Scheisse, dachte ich, wer weiss wie lange <strong>de</strong>r<br />

Telefonieren will. Ich rannte auf ihn zu, schrie, fluchte und schob ihn<br />

einfach weg, wie ein Bauer das Schwein. Verärgert ging dieser seiner<br />

Wege. Ich beruhigte mich wie<strong>de</strong>r und kehrte zurück zu meiner nächsten<br />

Kaffeetasse.<br />

<strong>Die</strong> Uhr über <strong>de</strong>r Theke zeigte 09.58 Uhr: Zeit zu gehen. Ohne Hektik<br />

ging ich auf die Telefonzelle zu. Mit zittern<strong>de</strong>n Fingern wählte ich die<br />

Liechtensteiner Handynummer. Es klingelte. Niemand nahm ab. Was<br />

nun wie<strong>de</strong>r, schimpfte ich. Hatte ich die richtige Nummer? Ich wartete<br />

und versuchte <strong>de</strong>n Herzschlag runter zu bringen. Ich wählte ein zweites<br />

Mal. <strong>Die</strong>smal klappte es. Ich erkannte seine Stimme sofort. Wie<strong>de</strong>rum<br />

kann ich meinen Lesern hier ein Originaldokument vorlegen. Das KKZ<br />

hat dieses Gespräch aufzeichnen lassen und eine Abschrift angefertigt.<br />

Protokoll <strong>de</strong>s Gespräches zwischen S.D. <strong>Fürst</strong> Hans-Adam von<br />

und zu Liechtenstein (LF) mit Heinrich KIEBER (K) am <strong>Die</strong>nstag<br />

<strong>de</strong>n 14. Januar 2003, 10:22:29 bis 10:33:22 Uhr:<br />

Begrüssung.<br />

KIEBER entschuldigt sich, dass alles schief gelaufen ist. Es tue<br />

ihm sehr leid. Es tue ihm leid. Er habe nicht erwartet, dass<br />

jemand nach Frankfurt komme. Es tue ihm leid. Er habe nicht<br />

verstan<strong>de</strong>n, dass (keine Fortsetzung dieses Satzes)<br />

Es wur<strong>de</strong> dann immer länger und (kein Fortsetzung dieses<br />

Satzes)<br />

K: Ich habe nicht verstan<strong>de</strong>n, dass Dr. S. nicht informiert wur<strong>de</strong>.<br />

LF: Das war mir zu heikel. Ich wollte nicht.<br />

K: Ja, das verstehe ich schon. <strong>Der</strong> Nachteil war halt, dass er bös<br />

war, weil ich nicht da war und ich verstehe das schon. Es tut mir<br />

wirklich leid. Ich habe ja geschrieben, dass ich ihn entwe<strong>de</strong>r<br />

anrufe o<strong>de</strong>r selber hole. Aber Sie müssen mich verstehen. Ich<br />

habe natürlich Angst gehabt, dass da .... Darum bin ich nicht<br />

selber hingegangen und habe angerufen. Lei<strong>de</strong>r verspätet, und<br />

dann war Dr. S. da. Ich habe das nicht verstan<strong>de</strong>n. Später hiess es<br />

dann, ich solle einen Beweis bringen und so<br />

Ich dachte mir, das kann doch nicht im Interesse von unseren<br />

Lan<strong>de</strong>sfürsten sein, dass ich mitten in <strong>de</strong>r Nacht einen Safe<br />

228


öffnen soll. Ich hab‘ das nicht begriffen, Ich habe auch nicht<br />

begriffen, Durchlaucht, dass, äh, äh .... (keine Fortsetzung <strong>de</strong>s<br />

Satzes).<br />

Ich solle <strong>de</strong>n Dr. S. aufklären, ich, ich, kann doch nicht ‚ äh über<br />

das Telefon, das kann ich mir nicht vorstellen. Und das wur<strong>de</strong><br />

dann fallengelassen. Das ist ein Drama, das ist ein Drama.<br />

LF: Also wir haben jetzt, wie Sie wissen umgestellt.<br />

K: Ja, ich weiss, Ja, ich weiss.<br />

LF: Sie müssen sich ganz genau an die Instruktionen halten. Das<br />

ist die einzige Möglichkeit. Sie wissen, dass das eine sehr heikle<br />

Sache ist.<br />

K: Ich weiss, ja, ja, ich weiss.<br />

LF: Man weiss nie, wer da alles mithört. Gut, <strong>de</strong>r Fahrer steht<br />

bereit.<br />

K: Ja, ich wer<strong>de</strong> auf je<strong>de</strong>n Fall dort sein, Ich weiss aber nicht, ob<br />

ich einsteigen kann. Sie wissen ja, Warum soll man mich<br />

verschonen? Wenn Sie sich jetzt, nur rein hypothetisch in meine<br />

Lage versetzen. Was ich alles gemacht habe. Warum soll ich<br />

zurückkommen? Das verstehe ich nicht.<br />

LF: Das ist die einzige Möglichkeit, dass wir das lösen. Das sage<br />

ich ihnen.<br />

K: Ja, ja. Er hat es ja aber bei sich gehabt. Ich verstehe nun nicht,<br />

weshalb es wegen <strong>de</strong>r 500 km gescheitert hat. Ich habe Ihnen<br />

doch geschrieben, ich .... kann doch nicht mit meiner Person<br />

meiner ID in <strong>de</strong>r Nacht durch Deutschland fahren. Darum habe<br />

ich nicht begriffen, darum habe ich (keine Fortsetzung <strong>de</strong>s Satzes)<br />

LF: Darum habe ich auch das Auto geschickt, mein Auto mit<br />

meinem Fahrer. Damit wir dieses Problem gelöst haben. Das<br />

kann ich Ihnen jetzt nicht genauer erklären. Es gibt keine an<strong>de</strong>re<br />

Möglichkeit. Ich kann es Ihnen im Einzelnen nicht erklären. Ich<br />

habe mir Ihre Unterlagen durchgelesen. Das ist ja wirklich ein<br />

grosser Aktenstoss, <strong>de</strong>n Sie mir da geschickt haben.<br />

K: Ja, ja, das tut mir leid.<br />

LF: Ich habe das genau studiert. Es gibt keine an<strong>de</strong>re Möglichkeit.<br />

Sie können Ihr Ziel nur erreichen, wenn Sie sich in das Auto<br />

setzen und hier her kommen. <strong>Der</strong> Chauffeur ist auch nicht<br />

instruiert. Er hat die Instruktion, Sie sicher hierher nach<br />

Liechtenstein zu bringen. Das sollte problemlos passieren.<br />

K: Ja, sicher. Über die österreichische Grenze. Kein Problem.<br />

229


LF: Ja, kein Problem.<br />

K: Ja, kein Problem. Ich bin auch über die österreichische Grenze<br />

hierher gefahren.<br />

LF: Sie können nur so ihr Ziel erreichen. Sie kommen zu mir her.<br />

Er fährt Sie zu mir aufs Schloss und dann besprechen wir im<br />

Einzelnen die nächsten Schritte.<br />

K: Ja, ja. Was wird mich erwarten. Warum, warum,... warum<br />

sollten Sie mit mir Gna<strong>de</strong> walten lassen. Warum... Sie haben ja<br />

keinen Grund Sie wissen ja ganz genau, warum sollten Sie<br />

warum Sie wissen ja warum sollten Sie?<br />

LF: Schauen Sie. Ich möchte und Sie möchten es auch, dass Ihnen<br />

in Ihrer Sache Gerechtigkeit wi<strong>de</strong>rfährt. Sie haben da vieles<br />

mitgemacht und jetzt müssen wir schauen, dass alles gerecht<br />

abläuft. Ich habe mich im Rahmen <strong>de</strong>s Möglichen und <strong>de</strong>r<br />

Beschränkungen hier erkundigt und was für Möglichkeiten es<br />

hier gibt. In Ihrem eigenen Interesse, im Interesse <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s,<br />

natürlich auch in meinem eigenen Interesse. Wir haben jetzt im<br />

Rahmen <strong>de</strong>s Möglichen, auch im Rahmen <strong>de</strong>r von Ihnen<br />

gestreckten Grenzen... haben wir versucht, uns daran zu halten,<br />

um auch Sie nicht zu exponieren und um mich nicht zu<br />

exponieren.<br />

K: Haben Sie das E-Mail gelesen? Das wo ich Ihnen geschickt<br />

habe. Ich habe ja unverbindlich geschrieben. Ich wusste nicht, ich<br />

wusste nicht, er war ein Vertrauensmann, er war informiert - er<br />

war nicht informiert. Es war verwirrend.<br />

LF: Das E-Mail konnte ich noch nicht (Satz nicht been<strong>de</strong>t) Es ist<br />

nicht mein Büro. Ich konnte noch nicht — Sie kennen die<br />

Probleme.<br />

K: Ja, ja. Ich kenne die Probleme.<br />

LF: Schauen Sie, es gibt wirklich nur eine Möglichkeit. Setzen Sie<br />

sich dort ins Auto und kommen Sie zu mir. Das ist wirklich <strong>de</strong>r<br />

einzig sichere Ort, wo Sie sich sicher fühlen können.<br />

K: Ja, ja ich weiss. Hier ist nur eine relative Sicherheit. Darum<br />

habe ich mich ja in die Höhle <strong>de</strong>s Löwen begeben. Ich weiss nicht,<br />

ob ich es schaffe, dort ins Auto zu steigen. Ich wer<strong>de</strong> sicherlich<br />

dort sein, wenn er kommt. Was ist es für ein Auto?<br />

LF: Ja, wissen Sie, es ist <strong>de</strong>r schwarze Audi. (Kurzes Gespräch<br />

über die Farbe). Wissen Sie, es ist das Auto, welches ich immer<br />

nehme für eine offizielle Sache. Sonst habe ich immer <strong>de</strong>n roten<br />

230


Pkw, <strong>de</strong>n kleinen. Jetzt haben wir diesen Audi gekauft und nicht<br />

mit FL 1 son<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>r Nummer FL 6333. Bequem und hat alles<br />

was Sie haben wollen.<br />

K: Was wird mich erwarten? Was wird mich erwarten? Das ist<br />

die Frage.<br />

LF: Ein Gespräch mit mir. Dann wer<strong>de</strong>n wir die Einzelheiten<br />

auch von <strong>de</strong>r juristischen Seite ganz genau Punkt für Punkt<br />

durchgehen, wie man das macht.<br />

K: Ja, man hat 6 Jahre gemacht. Man hat 6 Jahre lang nichts<br />

gemacht. Wenn es um kompetente Leute... wenn‘s ums Geld geht<br />

ist man schnell und wenn‘s ums Blut geht, dann hilft man<br />

keinem. Drum kommst so weit.<br />

LF: Ich gebe ihnen Recht, das ist ein Problem. Es gibt auch an<strong>de</strong>re<br />

Fälle, wo man einfach geschaut hat, wo die Sachen hier liegen.<br />

Wir haben nicht genügend Leute hier.<br />

K: Ja, zumin<strong>de</strong>st nicht genügend fähige. Ja, ich hab geschrieben<br />

und geschrieben und Arbeit gehabt. Ich hab ein Mo<strong>de</strong>ll gebaut<br />

und ausser Paul MEIER und mein Anwalt.... es hat keinen Sinn,<br />

was soll ich Sie belästigen


LF: Es ist ja kein Haftbefehl gegen Sie da.<br />

K: Ich habe ja immerhin gegen Sie, habe ja immerhin gegen Sie<br />

Sie wissen ja, was ich gemacht habe.<br />

LF: Das ist dann ein Problem, das können wir dann auch im<br />

Einzelnen besprechen. Sie müssen ja erkennen, dass das für Sie<br />

selber <strong>de</strong>r beste Weg ist. Ich möchte jetzt nicht auf Einzelheiten<br />

eingehen. Sie wissen, was für Probleme Sie jetzt haben.<br />

K: Ja, ich bin in Zugzwang. Ich habe die ganze Nacht nicht<br />

geschlafen. Aber da können Sie nichts dafür, Ich bin in<br />

Zugzwang. Ich bin nicht sicher hier will ja keine 30 Millionen. Ich<br />

will ja keinen Euro. Ich will nur Gerechtigkeit.<br />

LF: Richtig. Sie sollen Sie ja auch bekommen. Setzen Sie sich ins<br />

Auto, entspannen Sie sich und ... (Unterbrechung <strong>de</strong>s<br />

Gespräches, da die Wertkarte <strong>de</strong>s KIEBER aufgebraucht ist)<br />

Fortsetzung <strong>de</strong>s Gespräches:<br />

K: Entschuldigen Sie, die Karte ist so schnell fertig. Sehen Sie die<br />

Nummer auf <strong>de</strong>m Display, 886 Nein, nein? Ich wer<strong>de</strong> auf je<strong>de</strong>n<br />

Fall dort sein, wenn <strong>de</strong>r Wagen dort ist. Ich entschuldige mich für<br />

die Umstän<strong>de</strong>.<br />

LF: Ich sage Ihnen, das ist die einzige Möglichkeit die Sie haben.<br />

Vertrauen Sie mir, kommen Sie her. Hier können wir die<br />

Probleme lösen. Dann haben Sie ja immer noch die Möglichkeit<br />

sich zu entschei<strong>de</strong>n. Kommen Sie her, dann können wir das<br />

durch besprechen. Dann kann ich Ihnen auch das Drumherum<br />

erklären. Dann können wir wirklich das in Ruhe überlegen. Dann<br />

haben wir Zeit. Sie haben ja sonst keinen Ausweg. Sonst können<br />

Sie ja nichts erreichen. Ich kann jetzt nicht mehr. Steigen Sie jetzt<br />

ein-. Ich gebe Ihnen <strong>de</strong>n Befehl, Instruktion<br />

K: Ich danke Ihnen 1OOO-maI.<br />

Anmerkung:<br />

KIEBER war während <strong>de</strong>s gesamten Telefongesprächs sehr<br />

nervös, hektisch und emotional bzw. psychisch sehr angespannt.<br />

Auf Grund dieses Zustan<strong>de</strong>s sprach er un<strong>de</strong>utlich und vollen<strong>de</strong>te<br />

oftmals nicht seine angefangenen Sätze. Er wie<strong>de</strong>rholte sich<br />

fortwährend und fand nur schwer zu einem Gesprächskonzept.<br />

Anm.: <strong>Die</strong> obige Anmerkung stammt von <strong>de</strong>r KKZ, die das abgehörte Gespräch<br />

nie<strong>de</strong>rgeschrieben hat.<br />

232


Also GUT! Das zweite Telefonat mit Hans-Adam war überstan<strong>de</strong>n. Ich<br />

stand sicher noch 20 Minuten in <strong>de</strong>r Telefonzelle und wusste we<strong>de</strong>r ein<br />

noch aus. Wie konnten die in Vaduz nur glauben, dass ich, nach<strong>de</strong>m was<br />

ich alles in <strong>de</strong>n letzten fünf Jahren durchgemacht und erlebt hatte,<br />

wie<strong>de</strong>r nach Hause zurückkehren wür<strong>de</strong>? Vor allem, nach<strong>de</strong>m ich einen<br />

solchen Brief an Hans-Adam geschickt hatte. Offenbar hatten sie <strong>de</strong>n<br />

vollen Ernst <strong>de</strong>r Lage nicht begriffen. O<strong>de</strong>r doch? O<strong>de</strong>r nicht? Ich wer<strong>de</strong><br />

nicht, ich KANN nicht, ich darf nicht, NEIN, NEIN, NEIN. Wenn ich<br />

jetzt nach Hause gehen wür<strong>de</strong>, dann hätte sich nichts geän<strong>de</strong>rt. Und<br />

niemand gab mir eine Garantie, dass mir nichts angetan wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>.<br />

Ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass alles was sie mir gesagt hatten,<br />

nicht wahr sein könnte und sie nur mit mir „freundlich‚ re<strong>de</strong>n mussten,<br />

damit sie mich nach Hause locken konnten.<br />

Offenbar hatte Hans-Adam erkannt, dass es keine Sinn hatte, mir mit<br />

Drohungen zu kommen. Obwohl, <strong>de</strong>r Ausdruck von Hans-Adam am<br />

Telefon „Ich befehle Ihnen, in <strong>de</strong>n Wagen zu steigen‚ hatte schon ein<br />

seltsames Gefühl in mir hinterlassen. So hatte ich Hans-Adam noch nie<br />

re<strong>de</strong>n hören. Er „befiehlt‚ mir nach Hause zu kommen? So o<strong>de</strong>r so, ich<br />

kam zu <strong>de</strong>m Schluss, dass Hans-Adam und <strong>de</strong>r Bankdirektor mich nicht<br />

verstan<strong>de</strong>n hatten o<strong>de</strong>r verstehen wollten.<br />

Hans-Adam hatte ja am Telefon bestätigt, dass ich in <strong>de</strong>r Sache<br />

(Argentinien) Gerechtigkeit bekommen wür<strong>de</strong>. Gerechtigkeit im Fall<br />

Argentinien. Ich war erleichtert. Er hatte sich also <strong>de</strong>r Sache<br />

angenommen und erkannt, dass da vieles falsch gelaufen war in<br />

Liechtenstein.<br />

Anm.: Man darf nicht vergessen, dass ich nichts über ein KKZ und <strong>de</strong>ren<br />

Aktivitäten wusste. Ich dachte, dass zu diesem Zeitpunkt nur Hans-Adam in<br />

vollem Umfang und <strong>de</strong>r Bankdirektor im limitierten Umfang im Bil<strong>de</strong> waren.<br />

Mit schnellen Schritten machte ich mich auf und davon. Für die nächsten<br />

30 Minuten lief ich ziellos in Berlin-Mitte herum und versuchte mir einen<br />

Reim auf das Gespräch mit Hans-Adam zu machen. Ich war wie<br />

gespalten: Einerseits dachte ich, gut, steige ich in <strong>de</strong>n Wagen, dann<br />

wie<strong>de</strong>r: Nein – niemals. Nur ein Dummkopf wür<strong>de</strong> jetzt zurück nach<br />

Hause fahren. Solange ich nicht heimkehren wür<strong>de</strong>, solange wür<strong>de</strong>n sie<br />

mit mir re<strong>de</strong>n müssen. Sie hatten keine an<strong>de</strong>re Wahl. O<strong>de</strong>r? Mal sehen.<br />

233


VADUZ 14. Januar 2003 (nach <strong>de</strong>m Telefongespräch mit Hans-Adam)<br />

Hans-Adam war sich nach <strong>de</strong>m Telefongespräch mit Kieber sicher, dass<br />

in wenigen Stun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r ganze Spuk vorbei sein wür<strong>de</strong>. Kieber wür<strong>de</strong> in<br />

<strong>de</strong>n Wagen steigen und mit <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> nach Hause kommen. <strong>Die</strong><br />

Experten im KKZ zeichneten nun ein Bild von Kieber, worin sie zum<br />

Schluss kamen, dass er leicht zu knacken sei. Er wäre emotional am<br />

En<strong>de</strong>. Nicht nur wegen <strong>de</strong>m Erlittenem in Argentinien, nein –<br />

insbeson<strong>de</strong>re darum, weil er Gutes von Bösem unterschei<strong>de</strong>n konnte<br />

und schon jetzt starke Symptome von Reue, über das was er <strong>de</strong>m Hans-<br />

Adam angetan hatte, zeigte.<br />

Es wur<strong>de</strong> im KKZ beschlossen, <strong>de</strong>m Hans-Adam zu empfehlen, keinen<br />

Anruf mehr auf <strong>de</strong>m Handy entgegenzunehmen und für Kieber nicht<br />

mehr erreichbar zu sein. Aber Hans-Adam war damit nicht<br />

einverstan<strong>de</strong>n. Warum sollte er die „gut funktionieren<strong>de</strong>‚<br />

Kontaktmöglichkeit zwischen ihm und Kieber unterbin<strong>de</strong>n? Dann kam<br />

ihm in <strong>de</strong>n Sinn, dass er ja ein fest eingebautes, abhörsicheres Telefon im<br />

Staatswagen hatte. Wenn Kieber im Wagen sei, solle man ihm die<br />

Chance geben, mit diesem Telefon nochmals Hans-Adam anzurufen.<br />

<strong>Die</strong>sbezüglich gab es dann vor allem aber Be<strong>de</strong>nken von Seiten <strong>de</strong>r<br />

Regierung. Es wäre besser keinen „offiziellen‚ Kontakt mehr zwischen<br />

<strong>de</strong>m <strong>Die</strong>nstwagen auf <strong>de</strong>utschem Gebiet und Vaduz herzustellen,<br />

nach<strong>de</strong>m Kieber in <strong>de</strong>n Wagen eingestiegen sei, und <strong>de</strong>r Fahrer Richtung<br />

Vaduz abgefahren sei. Nur wenn Kieber die Rückreise nicht antreten<br />

wür<strong>de</strong>, sollte <strong>de</strong>r Fahrer sich telefonisch in Vaduz mel<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Der</strong> Audi A8 kam in Berlin an. Kaiser parkte <strong>de</strong>n Wagen vor <strong>de</strong>m<br />

Ankunftsterminal am Flughafen. Hr. B. war schon mit einer Maschine<br />

aus Zürich gelan<strong>de</strong>t und wartete auf ihn. <strong>Die</strong> bei<strong>de</strong>n tauschten kurz ein<br />

paar Worte aus und Kaiser übergab ihm das dicke Kuvert und die<br />

Wagenschlüssel. Kaiser buchte sich einen Flug nach Zürich. Hr. B. fuhr<br />

mit <strong>de</strong>m Wagen in die Stadt und rief über das Autotelefon auf <strong>de</strong>m<br />

Schloss an. Er wur<strong>de</strong> nochmals instruiert, sich gegenüber Kieber nur auf<br />

<strong>de</strong>n Auftrag <strong>de</strong>s Hans-Adam zu beziehen und ansonsten sich auf keine<br />

Gespräche mit ihm einzulassen. Er sollte insbeson<strong>de</strong>re auf <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>s<br />

Kuverts achten und müsste verhin<strong>de</strong>rn - wie besprochen - dass Kieber<br />

direkten Zugriff darauf hatte. Er sollte sich uninteressiert zeigen und<br />

sehr diskret verhalten. Er soll pünktlich laut Auftrag abfahren. Herr B.<br />

erreichte das Zentrum Berlins und parkte <strong>de</strong>n Wagen genau vor <strong>de</strong>r LGT<br />

234


Nie<strong>de</strong>rlassung am Kurfürstendamm. Er ging <strong>de</strong>n ihm aufgetragenen<br />

Plan nochmals im Kopf durch und wartete darauf, was jetzt geschehen<br />

soll.<br />

BERLIN 14. Januar 2003 (11:30 – 13:00 Uhr)<br />

Ich fuhr in meine neue Unterkunft, wo ich die externe Harddisk mit all<br />

<strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> <strong>de</strong>r ganzen Treuhand aus <strong>de</strong>m Koffer holte und in meiner<br />

Manteltasche verstaute. Ich setzte meine eigenen Schutzmassnahmen in<br />

Gang. Also die im dicken Brief vom 7.1. an Hans-Adam geschil<strong>de</strong>rte<br />

Massnahme unter Punkt IX. Es ist immer besser, früher als abgemacht<br />

aufzukreuzen. Ich schlich mich an jenen Strassenabschnitt <strong>de</strong>s<br />

Kurfürstendamm heran, wo die LGT das Büro hatte. Schon von Weitem<br />

konnte ich <strong>de</strong>n Audi A8 mit Liechtensteiner Kennzeichen erkennen. Es<br />

sass jemand im Wagen. Aha, es ist Herr B. Ich kannte ihn persönlich, da<br />

er oft nach <strong>de</strong>r Arbeit im Schloss runter ins Vaduzer Städtle kam und ein<br />

Feierabenddrink im Geschäft meines Onkels Guntram (<strong>de</strong>r Hermann<br />

meiner Tante) zu sich nahm. Herr B. ist ein feiner (Jung-)Geselle, <strong>de</strong>r mit<br />

seiner lieben Mutter im Vorarlberg lebt.<br />

Anm.: <strong>Die</strong> meisten Angestellten auf <strong>de</strong>m Schloss sind Auslän<strong>de</strong>r. Viele aus<br />

Österreich, einige aus <strong>de</strong>r Schweiz und sogar aus Brasilien. Aus zwei Grün<strong>de</strong>n:<br />

Hans-Adam ist sehr, na sagen wir es mal so: „kostenbewusst“. Ausländisches<br />

Personal kommt ihn nur halb so teuer wie Einheimisches. <strong>Die</strong>s ist aber nicht <strong>de</strong>r<br />

Hauptgrund. Im Gegensatz zu seinen Eltern, ist <strong>de</strong>m Hans-Adam in Bezug auf<br />

Diskretion das einheimisches Personal immer etwas suspekt geblieben. Er ist<br />

noch misstrauischer als ich. Auch die Aussen- und Innenrenovation <strong>de</strong>s<br />

Schlosses hat er zu 90 Prozent an ausländische Firmen gegeben. Das ist <strong>de</strong>m<br />

einheimischen Baugewerbe sehr sauer aufgestossen – obwohl sich öffentlich<br />

niemand traut, es zu beklagen.<br />

Aber halt, einen Moment mal, sagte ich zu mir. Wenn Hr. B. im Wagen<br />

sitzt, wo ist dann <strong>de</strong>r Herr Kaiser? Ich wusste von <strong>de</strong>n vielen Telefonaten<br />

mit <strong>de</strong>m Bankdirektor, dass Kaiser mit ihm in Frankfurt war. Es wur<strong>de</strong><br />

mir nicht gesagt, dass Kaiser nicht <strong>de</strong>r Fahrer sein wür<strong>de</strong>. Vielleicht<br />

versteckte sich Kaiser im Wagen o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Büros <strong>de</strong>r LGT.<br />

Ich schritt mehrmals im grossen Rechteck um <strong>de</strong>n Audi herum, um<br />

heraus zu fin<strong>de</strong>n, ob es eine Falle sein könnte. Irgendwelche Berliner<br />

235


Polizei? O<strong>de</strong>r gar Privatschnüffler? An<strong>de</strong>re Autos mit ausländischem<br />

Kennzeichen? Ich vermutete, dass ein mobiles Überwachungsteam sich<br />

so positionieren wür<strong>de</strong>, dass es freie Sicht auf <strong>de</strong>n Audi hätte. Alle<br />

parkierten Wagen, die diese Bedingung erfüllten, waren aber<br />

menschenleer. Dann blieben nur die Wohnungen und Büros auf bei<strong>de</strong>n<br />

Seiten <strong>de</strong>s Kurfürstendamm. Da hatte ich keine Chance herauszufin<strong>de</strong>n,<br />

ob man mich beobachtete. Ich lief auf <strong>de</strong>r gegenüberliegen<strong>de</strong>n<br />

Strassenseite zwischen <strong>de</strong>n Schaukästen und Bäumen in Richtung LGT.<br />

Blieb stehen und sah, dass Hr. B. am Telefon war. Er been<strong>de</strong>te das<br />

Gespräch. Ich wartete weiter ab. Er bewegte <strong>de</strong>n Kopf nicht und starrte<br />

nur nach vorne. Mein Puls stieg und trotz <strong>de</strong>r Kälte begann ich zu<br />

schwitzen. Ich sagte zu mir, OK – ich riskiere es. Wenn sie zuschlagen,<br />

dann jetzt. In meiner linken Manteltasche hielt ich die externe Harddisk<br />

mit meiner Hand fest umklammert. Ich setzte zum Sprint an und blieb<br />

hinter <strong>de</strong>m Audi abrupt stehen, schaute rechts und links, dann nach<br />

oben, zur Türe und <strong>de</strong>n Fenstern <strong>de</strong>s Treppenhauses <strong>de</strong>s Gebäu<strong>de</strong>s wo<br />

die LGT drin war, keine Seele war zu sehen. Nichts bewegte sich, kein<br />

Mensch weit und breit. Selbst auf <strong>de</strong>m Gehsteig niemand. <strong>Der</strong> Motor<br />

<strong>de</strong>s Audi war im Leerlauf. Ich ging zur Beifahrertür und klopfte an die<br />

Scheibe. Ohne auf die Einladung von Hr. B. zu warten, riss ich die Türe<br />

auf und sprang auf <strong>de</strong>n Sitz. Ich knallte die Türe sogleich zu und bat ihn<br />

sofort die Zentralverriegelung zu betätigen, damit alle Türen<br />

abgeschlossen sind. Er war etwas erstaunt und drückte aber ohne<br />

Diskussion die entsprechen<strong>de</strong> Taste. Er erkannte mich sofort. Ich<br />

bedankte mich, dass er gekommen war. Aber wo ist Kaiser, fragte ich. Er<br />

sagte, dieser sei mit <strong>de</strong>m Flugzeug nach Zürich zurückgeflogen. Und wo<br />

ist <strong>de</strong>r Bankdirektor? Von einem Bankdirektor wüsste er nichts. Wie ein<br />

Marktschreier röhrte ich mehrfach schnell nacheinan<strong>de</strong>r, dass ich meine<br />

Schutzvorkehrungen aktiviert hatte und daher keine Überraschungen<br />

haben möchte. Totenstille im Wagen. Herr B. war sehr erschrocken und<br />

mehr als etwas verlegen. Ich fragte ihn, ob er genau wisse, warum ich<br />

hier sei. Er erwi<strong>de</strong>rte überzeugend er habe „Keine Ahnung‚. Hans-<br />

Adam habe ihn gestern spät am Abend beauftragt, heute früh mit <strong>de</strong>m<br />

Flugzeug nach Berlin zu fliegen und einen Kun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r LGT per Auto<br />

wie<strong>de</strong>r nach Vaduz zu fahren. So, so einen Kun<strong>de</strong>n murmelte ich,<br />

während ich die Aussenwelt beäugte. Aha, ein LGT Kun<strong>de</strong>, wie<strong>de</strong>rholte<br />

ich. Dafür hätte die LGT ihre eigene Wagenflotte und Fahrer, bemerkte<br />

ich. Blö<strong>de</strong>s Gespräch, fuhr es mir gleich durch <strong>de</strong>n Kopf. Er was aber<br />

eher nicht erstaunt, dass er keinen Kun<strong>de</strong>n vor sich hatte.<br />

236


Ich erkannte sofort, dass Hr. B. keine Gefahr für mich darstellte. Er sagte<br />

dann zu mir, dass er <strong>de</strong>n Auftrag habe, mir etwas zu zeigen. Ich aber<br />

dafür aus <strong>de</strong>m Wagen steigen müsste und bitte vorne rum um <strong>de</strong>n<br />

Wagen vor die Fahrertüre kommen soll. <strong>Die</strong>s erschien mir dann etwas<br />

suspekt. Er drückte wie<strong>de</strong>r die Zentralverrieglungstaste und ich stieg<br />

aus und nahm <strong>de</strong>n Weg hinten, um das Heck <strong>de</strong>s Wagens herum, da mir<br />

fix <strong>de</strong>r Gedanke kam, er könnte mich auf Befehl seines Herrn mit Vollgas<br />

vor <strong>de</strong>m Wagen überfahren und es dann als „Unfall‚ verkaufen. <strong>Der</strong><br />

starke V8 Motor lief ja ständig.<br />

<strong>Der</strong> Gedanke an solche Pläne von Hans-Adam mag nur auf <strong>de</strong>n ersten<br />

Blick weltfremd sein. Aber hier ging es um ein Milliar<strong>de</strong>ngeschäft, da<br />

kann auch ein Hans-Adam ganz neue Wege gehen (wie sich fünf Jahre<br />

später zeigen sollte). Ich stieg aus und hörte ein „Klack‚ und alle Türen<br />

waren verschlossen. Dann hörte ich das Geräusch eines automatischen<br />

Fensters. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, da ich selber vor wenigen<br />

Minuten verlangt hatte, dass die Türen geschlossen wur<strong>de</strong>n. Trotz<strong>de</strong>m,<br />

Hallo! Ich war ja nicht mehr im Wagen. Spinnt er jetzt? Scheisse, dachte<br />

ich mir, es war eine Falle. Er hatte sich eingeschlossen, sodass ich ihn aus<br />

Zorn keine runterknallen könnte, wenn Hans-Adams Schläger<br />

zuschlagen. Nein, kein Ansturm weit und breit. Kommen die Bullen<br />

etwa? Ruhe, nichts.<br />

Herr B. hielt etwas in <strong>de</strong>r Hand und presste es an die Scheibe. Sofort<br />

konnte ich erkennen, dass es ein Liechtensteiner Reisepass war. Mit<br />

einem Foto von mir. <strong>Der</strong> Pass lautete auf <strong>de</strong>n Namen Ulrich Meier,<br />

geboren am 18.06.1963. Ich konnte noch die letzten drei Zahlen <strong>de</strong>r<br />

Passnummer erkennen: 212. Herr B. lies das Fenster noch ein Stück<br />

runter und sagte, dass er von Hans-Adam beauftragt wor<strong>de</strong>n sei, mir<br />

diesen Pass „auszuleihen‚. Allerdings nur, wenn ich mit ihm im Wagen<br />

zurück nach Hause fahre. Mit <strong>de</strong>m Pass sei ich Herr Ulrich Meier aus<br />

Liechtenstein und sollte keine Angst haben, falls wir auf <strong>de</strong>r langen<br />

Strecke von Berlin bis an die Grenze Österreich / Liechtenstein<br />

aufgehalten, bzw. kontrolliert wür<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> ca. 750 Kilometer wür<strong>de</strong>n wir<br />

leicht in sechseinhalb Stun<strong>de</strong>n abspulen.<br />

Da war er! <strong>Der</strong> Pass, die Schutz-ID. Ich wusste, sie wür<strong>de</strong>n es tun. Ich<br />

wusste es, sie wür<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Pass wegen <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> ausstellen. Sie hatten<br />

damit Zeit und Sicherheit erzielt, Zeit um die wahren Probleme zu lösen.<br />

Herr B. sagte aber gleich, dass ich <strong>de</strong>n Pass nicht in die Hand nehmen<br />

dürfte. Er wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Pass während <strong>de</strong>r Fahrt in einem abschliessbaren<br />

Koffer verwahren. Dort hinein müsste er auch alle Unterlagen und<br />

237


<strong>Daten</strong>träger, die ich von <strong>de</strong>r LGT mitgenommen habe, legen. Ohne<br />

Unterlagen keinen Pass, so die Or<strong>de</strong>r von Hans-Adam. Ohne Pass keine<br />

Heimreise.<br />

Ich schüttelte nur <strong>de</strong>n Kopf.<br />

Aha, Herr B. wusste also mehr als er zugeben wollte. Herr B. fragte mich<br />

dann besorgt, ob ich <strong>de</strong>nn die <strong>Daten</strong> nicht mitgebracht hätte? Ich <strong>de</strong>utete<br />

ihm an, dass ich wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Wagen steigen möchte. Er nickte mit <strong>de</strong>m<br />

Kopf und machte ein Handzeichen, ich solle vorne um <strong>de</strong>n Wagen zur<br />

Beifahrerseite kommen. <strong>Der</strong> Motor war noch an. Ich lief natürlich hinten<br />

rum. Im Wagen sagte ich zu ihm, dass die <strong>Daten</strong> sicher seien, ich einen<br />

Brief für Hans-Adam geschrieben habe und lei<strong>de</strong>r NICHT mitkommen<br />

könne.<br />

Herr B. war konsterniert und meinte nur, ob ich sicher nicht mitkommen<br />

wollte. Ich drückte ihm <strong>de</strong>n Brief in die Hand und bat ihn diesen Hans-<br />

Adam persönlich zu übergeben, sobald er in Vaduz angekommen sei.<br />

Ich rannte wie vom Teufel verfolgt davon, in die erste Seitenstrasse die<br />

ich fin<strong>de</strong>n konnte. Dann immer gera<strong>de</strong> aus. Immer nur gera<strong>de</strong> aus. Erst<br />

nach zwei, drei Kilometern musste ich atemlos anhalten. Wo gab es eine<br />

Telefonzelle? Dort war eine!<br />

Ich rief <strong>de</strong>n Bankdirektor auf seinem Handy an. Es klingelte, also war er<br />

entwe<strong>de</strong>r schon gelan<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r noch gar nicht abgeflogen, dachte ich mir.<br />

Ich schil<strong>de</strong>rte ihm kurz was geschah und schimpfte mit ihm, dass er<br />

nicht in Berlin war und vor allem darüber, dass mir die Schutz-ID nicht<br />

ausgehändigt wur<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn nur für eine Heimreise unter ihrer<br />

Beaufsichtigung ausgestellt wur<strong>de</strong>. Ich liess ihn fast gar nicht zu Wort<br />

kommen.<br />

Ich schrie ihn an, dass alles gemäss <strong>de</strong>n Anordnungen von Hans-Adam<br />

geschehen sei. Er erwi<strong>de</strong>rte, es gebe keine weitere Gelegenheit und ich<br />

wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n guten Willen von Hans-Adam sehr strapazieren. Worauf ich<br />

noch wüten<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong> und schrie: Welch guter Wille? Mir gegenüber?<br />

Scheiss guter Wille! Alles was ihr macht ist nur <strong>de</strong>swegen, damit<br />

Deutschland, die USA und all die an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>r Eure schmutzigen<br />

Geschäfte nicht erfahren.‚ Du kennst die Leichen im Keller, tobte ich am<br />

Hörer. Nach<strong>de</strong>m ich mich wie<strong>de</strong>r besonnen hatte, entschuldigte ich mich<br />

sogleich für <strong>de</strong>n Ausraster und sagte, dass ich an einer Lösung arbeiten<br />

wür<strong>de</strong> und ich mich bei Hans-Adam und allen bedankte. Ich<br />

verabschie<strong>de</strong>te mich mit <strong>de</strong>m Versprechen, ihn bald wie<strong>de</strong>r anzurufen.<br />

Ich müsste zuerst wie<strong>de</strong>r nach<strong>de</strong>nken.<br />

238


VADUZ 14. Januar 2003 (11:30 – 14:00 Uhr)<br />

Alle Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r KKZ trafen sich im Regierungsgebäu<strong>de</strong> und waren<br />

nervös. Man erhoffte sich endlich ein En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Dramas. Niemand ausser<br />

Hans-Adam mochte laut aussprechen, was mit Kieber geschehen sollte,<br />

sobald dieser heimischen, Liechtensteiner Bo<strong>de</strong>n unter seien Füssen<br />

hätte. Vertreter <strong>de</strong>r LGT verlangten aber das Kieber sofort nach<br />

Grenzübertritt von einem Polizeikommando überwältigt wer<strong>de</strong>n sollte,<br />

ihm alles abgenommen wer<strong>de</strong>n und er in das Gefängnis nach Vaduz<br />

überstellt wer<strong>de</strong>n sollte.<br />

<strong>Der</strong> Professor meinte aber, dass dafür später noch Zeit sei. Man sollte<br />

Kieber seinen Mut und die Entscheidung nach Hause zurückzukehren,<br />

hoch anrechnen. Zu<strong>de</strong>m warnte <strong>de</strong>r Professor, dass Kieber sehr, sehr<br />

misstrauisch sei und bewiesen habe, dass er zu hoch komplizierten<br />

Sicherheitsvorkehrungen in Bezug auf die <strong>Daten</strong> fähig war. Sollte er die<br />

<strong>Daten</strong> <strong>de</strong>n haben !<br />

Eines sei ganz sicher, führte <strong>de</strong>r Professor weiter aus. Wenn Kieber sich<br />

dazu entschei<strong>de</strong>n sollte, in <strong>de</strong>n Wagen einzusteigen, um sich nach Hause<br />

chauffieren zu lassen, dann wür<strong>de</strong> er auch je<strong>de</strong> nur er<strong>de</strong>nkliche<br />

Möglichkeit, die wir auf unsere Seite im Kampf gegen ihn besitzen,<br />

antizipiert und ergrün<strong>de</strong>t haben. Auch die Möglichkeit, dass wir ihn ins<br />

Gefängnis werfen könnten.<br />

Falls im Falle einer Falle Kieber keine sofortigen Reaktionen/Aktionen<br />

geplant haben sollte, hiesse dies noch lange nicht, dass er nicht später<br />

noch Aktionen umsetzten wür<strong>de</strong>. Wir könnten ihn ja nicht auf ewig<br />

hinter Gitter sperren. Mit <strong>de</strong>m Hinweis, dass in diesem Fall Kiebers<br />

Rache das Vorstellungsvermögen <strong>de</strong>r KKZ übersteigen wür<strong>de</strong>, schloss<br />

<strong>de</strong>r Professor seinen Ausführungen. <strong>Die</strong> Vertreter <strong>de</strong>r LGT beeindruckte<br />

dies nicht gross, da sie eher <strong>de</strong>r Meinung waren, dass Kieber die <strong>Daten</strong><br />

gar nicht hatte.<br />

Aufruhr in <strong>de</strong>r KKZ! Herr B. hatte gera<strong>de</strong> via Autotelefon mitgeteilt,<br />

dass Kieber zwar gekommen sei, kurz mit ihm gesprochen und ein<br />

Schreiben für Hans-Adam abgegeben hatte. Und er hatte gesagt, dass er<br />

nicht mitfahren wolle o<strong>de</strong>r könne. Herr B. hatte ihm <strong>de</strong>n Pass durch die<br />

Scheibe gezeigt. Herr B. wür<strong>de</strong> Kieber jetzt nicht mehr sehen. Er wer<strong>de</strong><br />

um 12.15 Uhr abfahren.<br />

Um 12.10 Uhr rief <strong>de</strong>r Bankdirektor in Vaduz an. Kieber habe ihn gera<strong>de</strong><br />

angerufen und gesagt, er verstehe nicht, warum er nicht in Berlin sei,<br />

239


warum ihm die gezeigte Schutz-ID nicht ausgehändigt wur<strong>de</strong>. Was sollte<br />

das alles, fragte sich <strong>de</strong>r Bankdirektor. Wie konnten sie nur glauben,<br />

dass Kieber jetzt nach Hause kommen wür<strong>de</strong>.<br />

Herr B. fuhr um 12.22 Uhr von Berlin ohne Kieber und vor allem ohne<br />

<strong>Daten</strong> Richtung Vaduz ab. Enttäuschung machte sich breit. Vielleicht um<br />

ihr eigenes Versagen zu schmälern, warfen die Vertreter <strong>de</strong>r LGT die<br />

Schlussfolgerung in die Run<strong>de</strong>, dass Kieber darum nicht in <strong>de</strong>n Wagen<br />

gestiegen sei, weil er in Wahrheit die <strong>Daten</strong> gar nicht hatte!<br />

Aha, interessante Hypothese, bemerkte <strong>de</strong>r Professor.<br />

Hans-Adam jedoch war sehr fuchsteufelswild, dass ihm bis heute<br />

niemand mit Sicherheit sagen konnte, ob nun Kieber die <strong>Daten</strong> hat o<strong>de</strong>r<br />

nicht. Selten hatte man ihn so fluchen hören. Offen wur<strong>de</strong> über<br />

unorthodoxe Massnahmen diskutiert. Weniger von Seiten <strong>de</strong>r Justiz und<br />

<strong>de</strong>r Polizei. Entschlossen aber von Seiten Hans-Adams, seiner<br />

Marionettenregierung und <strong>de</strong>r LGT, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Treuhand.<br />

Es sollte doch möglich sein, Kieber in Berlin aufzuspüren und<br />

überwachen zu lassen. Sobald er zu <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> gehen wür<strong>de</strong>, o<strong>de</strong>r man<br />

in Erfahrung gebracht hätte, wo sie sich befin<strong>de</strong>n fin<strong>de</strong>n, könnte man ihn<br />

samt <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> „nach Hause beför<strong>de</strong>rn‚.<br />

<strong>Der</strong> Professor hakte nach: Wie <strong>de</strong>nn? Mit Hilfe <strong>de</strong>r Deutschen? Ein<br />

Amts- o<strong>de</strong>r Rechtshilfegesuch? Interpol? Nein, nein – natürlich nicht,<br />

erwi<strong>de</strong>rten alle an<strong>de</strong>ren im Raum. Deutschland darf nichts, rein gar nichts<br />

erfahren, ver<strong>de</strong>utlichte Regierungschef Hasler. Kein Staat darf etwas<br />

davon erfahren. Nichts offizielles. Es gibt ja schliesslich private Firmen,<br />

die dann aushelfen, wenn <strong>de</strong>r Staat nicht kann. Es müsste doch sicher<br />

etwas in dieser Richtung in Berlin geben. <strong>Der</strong> Professor, die Justiz und<br />

die Polizei rieten von solchen Massnahmen dringend ab. Nicht<br />

vorzustellen, wenn dies dann an die Öffentlichkeit gelangen wür<strong>de</strong>. <strong>Der</strong><br />

Liechtensteiner Staat lässt einen eigenen Bürger in Berlin kidnappen und<br />

illegal „nach Hause bringen‚.<br />

Es zeigten sich die ersten Risse in <strong>de</strong>r durchs Schicksal<br />

zusammengewürfelten Gruppe in <strong>de</strong>r KKZ. <strong>Der</strong> Professor, die Justiz und<br />

die Polizei lehnten je<strong>de</strong> Gewaltanwendung kategorisch ab. Hans-Adam,<br />

die LGT und die Regierung konnten dies zwar nachvollziehen,<br />

jammerten aber, dass es hier um die Grun<strong>de</strong>xistenz gehe. Nicht nur sie<br />

son<strong>de</strong>rn auch viele tausend Kun<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n Probleme bekommen.<br />

Wenn die <strong>Daten</strong> und die Art und Weise, wie wir hier Geschäfte tätigen<br />

ausländischen Behör<strong>de</strong>n im Detail bekannt gemacht wür<strong>de</strong>n, dann<br />

müssten wir hier dicht machen! <strong>Die</strong> Zukunft <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s stehe auf <strong>de</strong>m<br />

240


Spiel, waren sich alle einig. Man beschloss sich von nun an je<strong>de</strong>n Tag<br />

min<strong>de</strong>stens einmal zu treffen. Zu<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> auch entschie<strong>de</strong>n, aus <strong>de</strong>n<br />

früheren Fehlern zu lernen und eine Liste anzufertigen, mit all jenen<br />

Personen, die von <strong>de</strong>r Angelegenheit wussten. <strong>Die</strong> Führungspersonen<br />

je<strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>r Justiz, Polizei, Regierung, LGT (das Schloss<br />

ausgenommen) sollten unter Androhung schwerer Konsequenzen (z.B.<br />

sofortige Kündigung) die mitwissen<strong>de</strong>n Angestellten zu äusserster<br />

Verschwiegenheit verpflichten.<br />

BERLIN 14. Januar 2003 (nach Abfahrt <strong>de</strong>s Diplomatenwagens)<br />

Was nun? Ich wusste es nicht. Am besten ginge ich schlafen, dachte ich<br />

mir, heim in Petras Wohnung. Dort angelangt, nahm ich eine heisse<br />

Dusche und legte mich flach. Obwohl ich todmü<strong>de</strong> war, konnte ich nicht<br />

einschlafen. Jetzt kam mir in <strong>de</strong>n Sinn, welche Person Hans-Adam<br />

gemeint hatte, als er mich im Telefongespräch am Montag kurz vor<br />

Mittag warnte, es könnte sein, dass eine Person, die ich im Brief erwähnt<br />

hatte, mithören wür<strong>de</strong>. Klar, da die Gespräche über das Handy von <strong>de</strong>n<br />

Bullen abgehört wür<strong>de</strong>n und dies Hans-Adam im voraus wusste, musste<br />

er einen <strong>de</strong>utschen Staatsbürger gemeint haben, <strong>de</strong>r dort als Experte für<br />

die FL-Polizei arbeite. Hans-Adam konnte sich nur von <strong>de</strong>n eigenen –<br />

wenn auch nicht von allen - Staatsbürgern 100 Prozent Loyalität<br />

erwarten. Selten von <strong>de</strong>n Ausländischen. Zu<strong>de</strong>m wären die <strong>Daten</strong> für<br />

Deutschland ja hochinteressant. Hans-Adam befürchtete anscheinend,<br />

dass dieser Deutsche, <strong>de</strong>r auch noch Polizist war, geneigt sein könnte, an<br />

die <strong>Daten</strong> ran zu kommen.<br />

VADUZ 14. Januar 2003 (nachmittags)<br />

<strong>Die</strong> Polizei verfasste einen weiteren schriftlichen Bericht über die<br />

ausge<strong>de</strong>hnten Überwachungs- o<strong>de</strong>r Nachforschungsmassnahmen für<br />

Hans-Adam. Es wur<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sbibliothek Vaduz in Erfahrung<br />

gebracht, dass Kieber einen Mitglie<strong>de</strong>rausweis besass und 1999 zwei<br />

Bücher, nämlich das Strafgesetzbuch(!) und die Strafprozessordnung(!)<br />

ausgeliehen und erst nach langer Zeit wie<strong>de</strong>r zurückgebracht hatte.<br />

Auch wur<strong>de</strong> fieberhaft versucht, alle Internetseiten, die er in <strong>de</strong>r<br />

Bibliothek angeschaut hatte, herauszufin<strong>de</strong>n, was aus technischen<br />

241


Grün<strong>de</strong>n nicht gelang. Auch wur<strong>de</strong>n all seine alten Bankkonten bis ins<br />

kleinste Detail auf Jahre zurück ausgeforscht und dokumentiert.<br />

Anm.: Dazu kann ich nur sagen: hätte die Liechtensteiner Justiz nur halb soviel<br />

Energie für die Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r Bankdaten von schlimmen Kun<strong>de</strong>n verwen<strong>de</strong>t<br />

wie für die „Ausgrabung“ meiner wenigen Bankunterlagen, dann müsste sie<br />

seit 2008 nicht hilflos zusehen, wie Woche um Woche, rund um <strong>de</strong>n Globus<br />

diese Art Kun<strong>de</strong>n entlarvt wer<strong>de</strong>n.<br />

Damit die Angelegenheit im Ländle selber nicht so bekannt wur<strong>de</strong>,<br />

beschloss das KKZ weiter, die am 13.01.03 befehligte Razzia von zwei<br />

Wohnungen und <strong>de</strong>m Haus von Kiebers Stiefmutter erst gegen En<strong>de</strong><br />

Januar o<strong>de</strong>r Anfang Februar 2003 durchzuführen.<br />

Anm.: Unglaublich aber wahr: Das KKZ ordnete die Durchsuchung von zwei<br />

bewohnten Wohnungen in Balzers an, obwohl ich nie dort gewohnt habe und es<br />

überhaupt keinen Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>n Wohnungen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r LGT gab.<br />

<strong>Die</strong> später dann erfolgte illegale Durchsuchung wur<strong>de</strong> sogar so orchestriert,<br />

dass die Bewohner nichts davon merkten, weil sie nicht anwesend waren.<br />

Natürlich war die Durchsuchung ohne brauchbares Ergebnis.<br />

Gegen späten Abend traf <strong>de</strong>r Chauffeur Herr B. mit <strong>de</strong>m Audi auf<br />

Schloss Vaduz ein. Hans-Adam wur<strong>de</strong> sofort aufgesucht. Er erhielt <strong>de</strong>n<br />

Brief von Kieber. Hans-Adam war nach <strong>de</strong>r Lektüre erleichtert, da er<br />

erkannte, dass eine von Kiebers Prioritäten vorerst die Sicherheit <strong>de</strong>r<br />

<strong>Daten</strong> und damit die <strong>de</strong>r Liechtensteiner Finanzwelt war. Dann war er<br />

wie<strong>de</strong>r besorgt, da Kieber ihm weiter schrieb, dass er unter Zugzwang<br />

stehe. Kieber könne nicht einfach sagen: „Schwamm drüber – hat halt<br />

nicht geklappt‚. Nein, Kieber müsse etwas machen, nur was, das wusste<br />

Kieber selbst noch nicht.<br />

BERLIN 15. Januar 2003<br />

Immer noch mü<strong>de</strong> stand ich trotz<strong>de</strong>m schon um 06.00 Uhr morgens auf.<br />

So konnte es nicht weiter gehen. <strong>Der</strong> Wagen war weg und nichts hatte<br />

sich geän<strong>de</strong>rt. Nach reiflicher Überlegung kam ich zum Schluss, dass es<br />

besser war, Abstand zu nehmen und Zeit zu gewinnen. Eine Woche<br />

sollte reichen. Dafür musste ich die nächste Stufe <strong>de</strong>r vorbereiteten<br />

Kommunikationsmöglichkeit aktivieren. <strong>Die</strong> Art von Verbindung wie<br />

ich es im Brief vom 07.01.03 unter Punkt "X." beschrieben hatte. Obwohl<br />

242


ich es darin präzise geschil<strong>de</strong>rte hatte, hatte ich be<strong>de</strong>nken, ob die in<br />

Vaduz diesen Punkt auch richtig lesen und interpretieren könnten.<br />

Mit <strong>de</strong>m Thema „Frankfurt‚ hatte es ja nun gar nicht geklappt. <strong>Der</strong><br />

Grund warum ich ein „codiertes‚ Kennwort ausgerechnet im sichersten<br />

Raum im Schloss Vaduz angebracht hatte, war ja, dass ich unbedingt<br />

erreichen wollte, dass sich Hans-Adam persönlich mit <strong>de</strong>m Fall befasste.<br />

Obwohl ich <strong>de</strong>n direkten Kontakt nicht scheute, absolut nicht, fand ich,<br />

dass es besser sei, wenn auf schriftlichen Weg kommuniziert wür<strong>de</strong> und<br />

zwar so lange bis wie<strong>de</strong>r ohne Drohungen und Schimpfen miteinan<strong>de</strong>r<br />

gere<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n konnte.<br />

Selbst bei <strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>s Internetprovi<strong>de</strong>rs für das gemeinsam zu<br />

benutzen<strong>de</strong> Emailkonto hatte ich mir vor <strong>de</strong>r Abreise aus Liechtenstein<br />

<strong>de</strong>n Kopf zerbrochen. <strong>Die</strong> drei Säulen von Hans-Adam bestehen aus<br />

Geld, Macht & Kirche (Glaube). <strong>Die</strong> ersten zwei Säulen hatte ich ja schon<br />

in starke Vibrationen gesetzt. Für die letzte Säule erschien mir die<br />

Webseite einer katholischen Organisation mit Sitz und Server in <strong>de</strong>n<br />

USA als i<strong>de</strong>al. Das Konto hatte ich schon im Dezember 2002 eingerichtet.<br />

Instruktionen wie das Konto von mir und Hans-Adam verwen<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n sollte, hatte ich in einer ersten Email im Ordner „Entwurf‚<br />

gespeichert. Da ja bei<strong>de</strong> Seiten dasselbe Emailkonto verwen<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n,<br />

wür<strong>de</strong> kein Email versandt wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn nur jeweils <strong>de</strong>r neue Text<br />

im Ordner „Entwurf‚ abgespeichert wer<strong>de</strong>n. Auf die I<strong>de</strong>e kam ich, weil<br />

meine Recherchen ergeben hatten, dass es ohne <strong>de</strong>n klassischen<br />

Emailversand praktisch unmöglich o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st sehr, sehr schwierig<br />

sein wür<strong>de</strong>, die IP-Adresse (und damit <strong>de</strong>n genauen Computerstandort)<br />

herauszufin<strong>de</strong>n. Mit <strong>de</strong>r Auswahl von „www.catholic.org‚ wollte ich<br />

auch im Unterbewusstsein an das starke Dogma von Hans-Adam<br />

appellieren.<br />

Klare Hinweise auf das LOGIN-Wort und damit auf das Passwort hatte<br />

ich ja schon im Brief vom 07.01.03 geschrieben. Es war nicht einfach, eine<br />

Wortkombination zu fin<strong>de</strong>n, die praktisch je<strong>de</strong>s Missverständnis<br />

ausschliessen wür<strong>de</strong>. Ich musste ihm nur noch <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>r Webseite<br />

mitteilen.<br />

Bevor ich dies aber tun konnte, formulierte ich eine neue Nachricht für<br />

ihn und speicherte sie im Entwurf-Ordner. Mit einem Trick <strong>de</strong>ponierte<br />

ich <strong>de</strong>n fertigen Text mit Datum 15.01.03, obwohl er am 14.01.03<br />

geschrieben wur<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>s aus taktischen Grün<strong>de</strong>n. Im Text wie<strong>de</strong>rholte<br />

ich die Begebenheiten <strong>de</strong>r letzten 48 Stun<strong>de</strong>n und meine Grün<strong>de</strong>, warum<br />

243


ich nicht in <strong>de</strong>n Wagen eingestiegen war. Ich erklärte, dass ich ab<br />

nächsten <strong>Die</strong>nstag, <strong>de</strong>n 21.01.03 ein Mal pro Tag bei <strong>de</strong>r LGT in Berlin<br />

anrufen wür<strong>de</strong>, um in Erfahrung zu bringen, ob ein Umschlag für mich<br />

angekommen sei.<br />

Um je<strong>de</strong> Unklarheit auszuschliessen, schrieb ich ganz <strong>de</strong>utlich, dass ich,<br />

falls Post da sein wür<strong>de</strong>, diese nicht selber abholen wür<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn eine<br />

an<strong>de</strong>re Lösung (z.B. Kurier o<strong>de</strong>r Weiterversand) im Sinne hätte. Sollte es<br />

nur die kleinste An<strong>de</strong>utung einer Falle geben, so wür<strong>de</strong> ich mich<br />

zurückziehen. Ausser<strong>de</strong>m schrieb ich, dass ich akzeptiere wür<strong>de</strong>, wenn<br />

Hans-Adam nun die Schutz-ID nicht mehr hergeben will. Dann sollte er<br />

im Gegenzug aber auch akzeptieren, dass ich an<strong>de</strong>re Wege gehen<br />

müsste. Um nicht ewig hier in Berlin herumhängen zu müssen, musste<br />

ich ein Datum festlegen. Ich schrieb, dass ich nur bis En<strong>de</strong> Januar, also<br />

Freitag, <strong>de</strong>n 31.01.03 warten könnte. Sollte bis dahin nichts gehen, so<br />

wür<strong>de</strong> ich mich simultan an die Deutschen und die Amerikaner wen<strong>de</strong>n.<br />

So weit – so gut. Ich schloss das gemeinsam zu nutzen<strong>de</strong> Emailkonto<br />

und loggte mich in mein eigenes, altes ein. Von diesem Emailkonto<br />

schrieb ich an die drei bekannten Emailadressen von Hans-Adam eine<br />

höfliche Mail mit einem Einzeiler, worin ich <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>r gesuchten<br />

Homepage (Webseite) preisgab: www.catholic.org.<br />

VADUZ 15. Januar 2003<br />

<strong>Die</strong> KKZ kam zusammen und diskutierte das weitere Vorgehen. <strong>Der</strong><br />

Professor distanzierte sich nochmals von jeglicher Anwendung von<br />

Gewalt. Er als Psychologe war naturgemäss dagegen. <strong>Die</strong> LGT Treuhand<br />

konnte immer noch keine felsenfesten Beweise vorlegen, ob nun Kieber<br />

die <strong>Daten</strong> hatte o<strong>de</strong>r nicht. Da die KKZ ja genügend Anhaltspunkte über<br />

<strong>de</strong>n Aufenthalt von Kieber besass, wur<strong>de</strong> beschlossen, eine private<br />

Firma, die sich auf das Aufspüren von Personen und Güter spezialisiert<br />

hatte, anzuheuern.<br />

<strong>Der</strong> Auftrag sollte aber sehr vorsichtig erteilt wer<strong>de</strong>n, man dürfte <strong>de</strong>r<br />

Spezialfirma auf keinen Fall mitteilen, dass Kieber Liechtensteiner sei, er<br />

bei <strong>de</strong>r LGT gearbeitet hatte und er eventuell alle <strong>Daten</strong> <strong>de</strong>r LGT<br />

Treuhand hatte. Es soll nur gefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, dass man Kieber ausfindig<br />

machen sollte, ihn beschatten müsste und ein Verhaltens- und<br />

Bewegungsmuster erstellt wer<strong>de</strong>n sollte. Auf keinen Fall dürfe er<br />

angesprochen wer<strong>de</strong>n. Nach erfolgreicher I<strong>de</strong>ntifikation sollte die Firma<br />

244


sofort Rückmeldung an <strong>de</strong>n Auftraggeber machen. Damit keine<br />

Rückschlüsse möglich waren, dass Liechtenstein <strong>de</strong>r Auftraggeber war,<br />

wäre es zweckdienlich, wenn die LGT über einen Firmenanwalt aus<br />

Belgien, genauer aus Brüssel <strong>de</strong>n Auftrag erteilen wür<strong>de</strong>. Auch sollten<br />

dafür keine Anrufe o<strong>de</strong>r Emails aus Liechtenstein gesen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

Kontakt mit <strong>de</strong>n Zwischenmännern wäre nur über das Schweizer<br />

Telefon- o<strong>de</strong>r Emailnetz erlaubt. Da keine Massnahmen mit<br />

Gewaltanwendung erteilt wor<strong>de</strong>n waren, war <strong>de</strong>r Professor mit diesem<br />

Plan einverstan<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> Email Kieber's mit <strong>de</strong>m Namen <strong>de</strong>r Webseite kam drei Mal auf<br />

Schloss Vaduz an. We<strong>de</strong>r die Sekretärin von Hans-Adam noch Alois<br />

selber nahmen sie vorerst ernst. Kieber könnte unmöglich im sichersten<br />

und wertvollsten Raum <strong>de</strong>s Schlosses ein Hinweis angebracht haben,<br />

dachten sie sich. Deswegen hatte Hans-Adam auch nicht nachgeschaut,<br />

als er davon im Brief vom 07.01.03 zum ersten Mal gelesen hatte. Das<br />

Sekretariat <strong>de</strong>s Schlosses sen<strong>de</strong>te um 14.32 Uhr eine Kopie <strong>de</strong>r Email zur<br />

Polizei und eine an das KKZ.<br />

VADUZ 16. Januar 2003<br />

Im Protokollzimmer <strong>de</strong>r KKZ wur<strong>de</strong> die Email ausgedruckt und fein<br />

säuberlich protokolliert. <strong>Die</strong> Kernmitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r KKZ, ohne Hans-Adam<br />

und seinen Sohn, kamen zu einer weiteren Sitzung zusammen. Man<br />

erinnerte sich an irgendwelches Zeug, dass Kieber in diesem<br />

Zusammenhang im Schreiben vom 07.01.03 erwähnt hatte. Es wur<strong>de</strong><br />

gerätselt ob Kieber vielleicht doch in <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rbunker gelangt war und<br />

ob er etwas hinterlassen o<strong>de</strong>r platziert haben könnte. Und ob es<br />

gefährlich sein könnte.<br />

Das KKZ rief Hans-Adam auf <strong>de</strong>m Schloss an und bat ihn doch<br />

nachschauen zu gehen. Er und sein Sohn Alois wollten aber nicht alleine<br />

in ihren eigenen Bil<strong>de</strong>rbunker gehen. Hans-Adam telefonierte mit <strong>de</strong>m<br />

Regierungschef Hasler und <strong>de</strong>m Kripochef Hoch. Er bat sie sofort aufs<br />

Schloss zu kommen. <strong>Der</strong> Kripochef nahm sich einen bewaffneten<br />

Beamten mit und holte dann Hasler mit einem unmarkiertem<br />

Polizeiwagen wie<strong>de</strong>r vom Regierungssitz ab. Gemeinsam fuhren sie zum<br />

Schloss. Herr Kaiser öffnete die schwere Türe zur betonierten<br />

245


Schatzkammer im Rundturm im Beisein von Hans-Adam, Alois, Hasler,<br />

Hoch und <strong>de</strong>m Beamten. Zuerst inspizierten sie die elektrische Anlage<br />

gleich rechts neben <strong>de</strong>m Eingang. Alles schien normal zu sein. Gemäss<br />

<strong>de</strong>n Angaben von Kieber sollte sich im Blickwinkel eines i<strong>de</strong>ellen<br />

Selbstbildnisses <strong>de</strong>s Malers Gerard DOU ein Hinweis verstecken, woraus<br />

Hans-Adam das LOGIN-Wort und auch das Passwort erraten könnte.<br />

Das Bild wur<strong>de</strong> schnell gefun<strong>de</strong>n. <strong>Der</strong> Metallrahmen Nr. 49/50 auch.<br />

Hans-Adam und Alois waren schockiert: ein 4 cm x 1 cm langer Kleber<br />

war dort angebracht, worauf „Mexico 67‚ stand. Hans-Adam, brachte<br />

kein Wort mehr heraus.<br />

So war es sein Sohn Alois, <strong>de</strong>m sofort das Wort „Hochzeitsreise‚ einfiel.<br />

Ja genau, erwi<strong>de</strong>rte Hans-Adam, im Jahre 1967 waren er und seine Frau<br />

Marie auf ihrer Hochzeitsreise in Mexiko. Somit hatten sie nun das<br />

LOGIN-Wort „mexico67‚ und das Passwort „hochzeitsreise‚.<br />

Langsam begriffen alle im Raum, dass Kieber sehr wohl alles äusserst<br />

penibel geplant haben musste.<br />

Anm.: Auch <strong>de</strong>r Hinweis auf <strong>de</strong>n Maler Gerard DOU war speziell von mir<br />

ausgesucht wor<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Verbindung zwischen <strong>de</strong>m Leben <strong>de</strong>s Maler Gerard<br />

Dou, diesem Bild und <strong>de</strong>s sich abspielen<strong>de</strong>n Dramas erkannten we<strong>de</strong>r Hans-<br />

Adam noch seine Truppe nicht. Sicherlich, es war nicht von soooo grosser<br />

Be<strong>de</strong>utung. Dou gilt als Begrün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Feinmalerei – Lei<strong>de</strong>n mussten<br />

hier in <strong>de</strong>m aktuellen Drama alle. Aber das beson<strong>de</strong>re für mich im Bild von Dou<br />

im Besitzt von Hans-Adam war, dass Dou sich selber als Musiker zeichnete und<br />

damit seinen wahren Beruf (Maler) verschleierte. <strong>Die</strong>se Kunst <strong>de</strong>r<br />

“Verschleierung, <strong>de</strong>r „Täuschung“ gefiel mir sehr als Metamorphose.<br />

Sie alle liefen die Treppe hoch ins Freie und runter zum kleinen<br />

„Bürokomplex‚, die an die Schlossaussenmauer grenzen<strong>de</strong>n<br />

Räumlichkeiten, die Hans-Adam als seine Geschäftszimmer benutzt. <strong>Die</strong><br />

Sekretärin loggte sich auf www.catholic.org ein. Mit Hilfe <strong>de</strong>s Punkt "X."<br />

aus <strong>de</strong>m Brief von Kieber fan<strong>de</strong>n sie seine erste Mitteilung, gespeichert<br />

im Entwurf-Ordner. <strong>Die</strong> im Raum nicht anwesen<strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s KKZ<br />

wur<strong>de</strong>n später über <strong>de</strong>n Stand <strong>de</strong>r Dinge informiert. Grundsätzlich<br />

waren alle etwas erleichtert, da sie jetzt schon mal eine Woche Zeit<br />

gewinnen konnten und <strong>de</strong>r Professor kam auch zu <strong>de</strong>m analytischen<br />

Schluss, dass Kieber vor En<strong>de</strong> Januar 2003 nichts unternehmen wür<strong>de</strong>.<br />

246


BERLIN 16. – 20. Januar 2003<br />

Ich hatte mir eine Verschnaufpause gegönnt, die ich dringend benötigte.<br />

Obwohl ich eigentlich im totalen Stresszustand war, fühlte ich mich<br />

sicherer hier in Berlin als in Liechtenstein. Was mich antrieb war <strong>de</strong>r<br />

„beruhigen<strong>de</strong>‚ Gedanke, dass im Unterschied zu <strong>de</strong>n vorhergegangenen<br />

sechs Jahren Liechtenstein nun gezwungen war, etwas zu tun. <strong>Die</strong>se<br />

Tatsache alleine war schon eine Tröstung für mich. Obwohl ich wusste,<br />

dass sie mir auch Böses antun konnten, war dies mir „scheiss egal‚.<br />

Hauptsache war - sie machten irgendwas.<br />

Meine Vermieterin Petra war sehr angenehm. Ich stellte sehr schnell fest,<br />

dass meine Sachen bei ihr nicht in Gefahr waren. Jeweils fürs<br />

Wochenen<strong>de</strong> fuhr sie ins Elsass zu ihrem Freund und ich hatte die ganze<br />

Wohnung für mich allein. Ich durfte sie sogar einmal bei ihrer Arbeit im<br />

Luxuskaufhaus Lafayette besuchen. Meine Situation war schon paradox.<br />

Ich war, wie immer, freundlich und lächelnd. Niemand hätte im Traum<br />

erraten, dass sich fürchterliches mit mir, um mich und wegen mir<br />

abspielte.<br />

Ich vermied in die Nähe <strong>de</strong>r LGT Berlin o<strong>de</strong>r in die Ansbacherstrasse zu<br />

gehen. Man wusste ja nie, ob die von <strong>de</strong>r LGT o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Ausschau<br />

nach mir hielten. Und meiner früheren Vermieterin Daniela wollte ich<br />

auch nicht wie<strong>de</strong>r über <strong>de</strong>n Weg laufen. Mit <strong>de</strong>m Bus, <strong>de</strong>r Bahn o<strong>de</strong>r zu<br />

Fuss ent<strong>de</strong>ckte ich an<strong>de</strong>re schöne Teile <strong>de</strong>r Grossstadt.<br />

Mit <strong>de</strong>r Zeit lernte ich die Berliner Strassen und Beson<strong>de</strong>rheiten gut<br />

kennen. Den Kiez, die grossen geschichtsträchtigen Plätze, die Museen,<br />

das Bran<strong>de</strong>nburger Tor, <strong>de</strong>r Berliner Schlag. Ab und zu besuchte ich ein<br />

Internetcafé, um mich abzulenken. Ich durchforschte die Schweizer<br />

Medienlandschaft, um zu beobachten, ob irgendwas bis zur Presse<br />

durchgesickert war.<br />

Nur ein Mal die Woche besuchte ich meine Bank. Dort wo ich die <strong>Daten</strong><br />

im Safe hatte. Ich notierte mir <strong>de</strong>n ausgewählten Weg dorthin je<strong>de</strong>s Mal<br />

genau, um später <strong>de</strong>nselben Weg nie mehr zu nehmen. Um eventuelle<br />

Verfolger zu verwirren, begab ich mich täglich in eine an<strong>de</strong>re<br />

Bank(Filiale) irgendwo in Berlin, wartete in <strong>de</strong>r Schlange vor <strong>de</strong>m<br />

Schalter bis ich an <strong>de</strong>r Reihe war, stellte dann triviale Fragen und<br />

versuchte nachher, wann immer es die Räumlichkeiten erlaubten, mich<br />

in eine Ecke zu stellen, die man von aussen nicht einsehen konnte. So<br />

247


wür<strong>de</strong>n eventuelle Beobachter <strong>de</strong>nken, ich sei in <strong>de</strong>n Tresorraum <strong>de</strong>r<br />

Bank gegangen. Verwirrung war, ist und bleibt immer Trumpf.<br />

Ich war stets übervorsichtig und beobachtete was um mich herum<br />

geschah. Ich beobachtete vor allem die parkierten o<strong>de</strong>r langsam<br />

fahren<strong>de</strong>n Wagen. Nie war etwas Beson<strong>de</strong>res zu bemerken. Dann aber<br />

löste ein Auto einen Blitzgedanken bei mir aus. Ein alter VW LT<br />

Transporter in orange-gelber Farbe. Viele Schweizer Dörfer und<br />

Gemein<strong>de</strong>n fuhren genau so einen als Kommunalwagen<br />

(Werkshofwagen). <strong>Der</strong> Wagen hatte ein Berliner Kennzeichen. Was mich<br />

nun sehr stutzig machte, war die Tatsache, dass ich genau diesen<br />

Wagentyp mit <strong>de</strong>r ungewöhnlichen Farbe schon früher am selben Tag<br />

gesehen und anscheinend im Unterbewusststein registriert hatte. Und<br />

zwar in Wedding. Nun befand ich mich aber in Dahlem. Nicht das ich<br />

behaupte übernatürliche Fähigkeiten zu besitzen o<strong>de</strong>r „James Bond‚ zu<br />

sein, <strong>de</strong>finitiv nicht. Aber <strong>de</strong>r Zufall, dass in <strong>de</strong>r Millionenstadt Berlin<br />

innerhalb von wenigen Stun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>rselbe auffällige Wagen genau dort<br />

war, wo ich mich befand, kann keiner sein.<br />

Dahlem und Wedding sind ein gutes Stück voneinan<strong>de</strong>r entfernt. Ich<br />

liess mir nichts anmerken und anstelle in die nächste zufällig<br />

ausgewählte Bank zu gehen, begab ich mich auf die an<strong>de</strong>re Strassenseite.<br />

<strong>Der</strong> VW war in einer Seitenstrasse geparkt. Niemand war im Wagen.<br />

Sofern ich dies erkennen konnte. Ich stellte mich vor einen La<strong>de</strong>n und<br />

drehte mein Gesicht zum Schaufenster. In <strong>de</strong>r Glasspiegelung konnte ich<br />

einen fetten Mann sehen, <strong>de</strong>r die Beifahrertüre öffnete, einstieg und<br />

dann in meine Richtung schaute.<br />

Unerwartet rannte ein kreuzdumm geklei<strong>de</strong>ter Jogger sehr nahe an<br />

meinem Körper vorbei. Er drehte sich um und schaute mich an. Ich<br />

dachte, was für ein Idiot, bei bald Minustemperaturen hier mitten in<br />

Berlin so geklei<strong>de</strong>t joggen zu gehen. Als <strong>de</strong>r Jogger nicht aufhören<br />

wollte, mich anzugucken und ich halt „zurückstarrte‚, wusste ich, dass<br />

hier etwas faul war. Spontan, ohne gross vorher nachzu<strong>de</strong>nken, rannte<br />

ich einfach los, auf ihn zu. Er erschrak und blieb wie versteinert stehen.<br />

Ich fragte ihn, ob er wisse wie spät es sei und er erwi<strong>de</strong>rte, dass er keine<br />

Uhr habe. OK, sagte ich. Schönen Tag noch. <strong>Der</strong> Jogger lief schnurgera<strong>de</strong><br />

auf <strong>de</strong>n VW Transporter zu und stieg hinten ein.<br />

Dem Dialekt nach zu beurteilen, war es ein Berliner. Mit weit geöffnetem<br />

Mund beobachtete ich dann wie ein weiterer, etwas älterer Mann aus<br />

einem Hauseingang trat und auch im Wagen verschwand. Verdammt<br />

noch mal – fluchte ich. Hans-Adam lässt mich beschatten und man hatte<br />

248


mich gefun<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Tatsache, dass sie mich gefun<strong>de</strong>n hatten, verwirrte<br />

mich nicht so sehr. Es war ja ein Kampf zwischen meiner Wenigkeit und<br />

<strong>de</strong>r geballten Geldmacht aus Liechtenstein. Da konnte ich nur <strong>de</strong>n<br />

Kürzeren ziehen. Aber was wussten sie? Wo ich wohnte, wo die <strong>Daten</strong><br />

waren?<br />

Ich rekapitulierte meine Aktivitäten <strong>de</strong>r letzten Tage und versuchte<br />

fieberhaft mich zu erinnern, ob ich <strong>de</strong>n Wagen schon mal an<strong>de</strong>rswo<br />

früher gesehen hatte – erfolglos. Ich konnte mich natürlich nicht<br />

erinnern. Mir wur<strong>de</strong> schlecht und ich brach alle geplanten Aktivitäten<br />

für diesen Tag ab. Ich fuhr mit <strong>de</strong>r Ringbahn sicher min<strong>de</strong>stens<br />

eineinhalb Stun<strong>de</strong>n im Kreis herum. Stets mit erneuertem Fahrschein,<br />

wo nötig. Ich traute mich erst im Dunkeln wie<strong>de</strong>r nach Hause. Keiner<br />

war mir gefolgt. Gott sei Dank. Ich entschloss mich, vorerst meinem<br />

Feind in Vaduz nichts darüber zu berichten, dass ich die Verfolger<br />

ent<strong>de</strong>ckt hatte.<br />

VADUZ 17. – 21. Januar 2003<br />

Das KKZ beschloss, die engsten Freun<strong>de</strong> von Kieber in Liechtenstein<br />

sorgfältig anzugehen und unter Anwendung von Tricks aus <strong>de</strong>r<br />

Psychologiekiste herauszufin<strong>de</strong>n, ob sie etwas wussten, o<strong>de</strong>r ob sie gar<br />

mit ihm im Januar Kontakt hatten. Einer <strong>de</strong>r Tricks war, es wur<strong>de</strong><br />

verbreitet, dass Kieber in Gefahr sei und man ihn dringend warnen<br />

müsste. Dazu bräuchte man aber seine Adresse o<strong>de</strong>r Kontaktnummer im<br />

Ausland.<br />

Eine meiner besten Freundinnen wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Polizei zur Seite<br />

genommen und ausgefragt. Erstaunlicherweise wur<strong>de</strong> ihr mehr o<strong>de</strong>r<br />

weniger reiner Wein eingeschenkt, sozusagen einen ‚Vaduzer Riesling‚.<br />

Man hatte ihr zwar nicht gesagt, dass Kieber behaupten wür<strong>de</strong>, dass er<br />

die <strong>Daten</strong> hätte, es wur<strong>de</strong> ihr aber gesagt, dass Kieber Hans-Adam einen<br />

bösen Brief geschrieben hatte. Sie wur<strong>de</strong> aufgefor<strong>de</strong>rt, sich bei <strong>de</strong>r<br />

Polizei sofort zu mel<strong>de</strong>n, falls Kieber sie kontaktieren wür<strong>de</strong>. Aus all <strong>de</strong>n<br />

Observationen und weiteren Befragungen (auch von an<strong>de</strong>ren Personen)<br />

waren dann schlussendlich keine brauchbaren Ergebnisse zu vermel<strong>de</strong>n.<br />

Gute Nachricht aus Deutschland: die KKZ mel<strong>de</strong>te Hans-Adam, dass die<br />

beauftragte Schnüfflerfirma aus Belgien Erfolg hatte. Sie konnten Kieber<br />

auf Grund <strong>de</strong>r ihnen per Email zugesandten Fotos i<strong>de</strong>ntifizieren. <strong>Die</strong><br />

249


grossen (finanziellen) Auslagen, um an 23 Internetcafés rund um das<br />

Zentrum von Berlin strategisch nach Kieber Ausschau zu halten, hatten<br />

sich gelohnt.<br />

Schon am dritten Tag war man erfolgreich. Wie so oft in dieser Affäre,<br />

versicherte Hans-Adam, dass er von <strong>de</strong>n Kosten nichts hören wollte, da<br />

Geld absolut keine Rolle spielte. Lei<strong>de</strong>r musste die KKZ <strong>de</strong>s Weiteren<br />

berichten, dass man noch nicht herausgefun<strong>de</strong>n habe, wo Kieber die<br />

<strong>Daten</strong> aufbewahren und wo er wohnen wür<strong>de</strong>. Es hätte auch einen<br />

Zwischenfall gegeben, bei <strong>de</strong>m Kieber einer <strong>de</strong>r Verfolger persönlich<br />

angesprochen und nach <strong>de</strong>r Uhrzeit gefragt hatte. <strong>Die</strong> beauftragte<br />

belgische Firma bestätigte, dass <strong>de</strong>ren Deutsche Partner aber ausgesagt<br />

hatten, dass Kieber nichts gemerkt hätte. Auf Grund <strong>de</strong>s<br />

„Feindkontakts‚ musste sich die Verfolgertruppe zurückziehen und<br />

hatte <strong>de</strong>shalb Kieber aus <strong>de</strong>n Augen verloren. Man sei sich aber ganz<br />

sicher, ihn wie<strong>de</strong>rzufin<strong>de</strong>n.<br />

Hans-Adam war mit diesem Zwischenbericht sehr zufrie<strong>de</strong>n und wollte<br />

nochmals versichert haben, dass we<strong>de</strong>r die Belgier noch <strong>de</strong>ren Deutsche<br />

Partner wissen, um was es in Wirklichkeit ginge. <strong>Die</strong>se Zusicherung<br />

wur<strong>de</strong> ihm vom Regierungschef Hasler erteilt. <strong>Die</strong> Stimmung innerhalb<br />

<strong>de</strong>s KKZ stieg merklich. Alle dachten nun, dass sie einen grossen<br />

taktischen Vorteil hatten. Was so beruhigend in <strong>de</strong>n Hinterköpfen <strong>de</strong>r<br />

meisten Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s KKZ war, war die Vorstellung, dass wenn alles<br />

Verhan<strong>de</strong>ln mit Kieber schief gehen wür<strong>de</strong>, man ihn auch mit harten<br />

Metho<strong>de</strong>n habhaft wer<strong>de</strong>n könnte. Dank <strong>de</strong>r Verfolger.<br />

Je länger <strong>de</strong>r Professor mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren aus <strong>de</strong>r KKZ über diesen Fall<br />

diskutiere und sich beriet, um so mehr wur<strong>de</strong> er stutzig und erkannte als<br />

Psychologe, dass vor allem <strong>de</strong>r Exboss von Kieber, Dr. Feuerstein, und<br />

die an<strong>de</strong>ren Herren <strong>de</strong>r LGT, sich mit moralischer Unterstützung von<br />

<strong>de</strong>r Regierung, auf einen gefährlichen Weg einschwenkten.<br />

In <strong>de</strong>n vergangenen Tagen musste Feuerstein mehrfach zur<br />

Besonnenheit aufgerufen wer<strong>de</strong>n, als er lautstark nach, wörtlich,<br />

„Anwendung von Stasimetho<strong>de</strong>n verlangte‚, um Kieber in Deutschland<br />

mit Hilfe von Privatfirmen festzuhalten und nach Liechtenstein zu<br />

verschleppen.<br />

In <strong>de</strong>r Hitze <strong>de</strong>r Debatte fielen auch symbolische Worte wie: „Wir<br />

müssen Kieber umlegen‚, „Er muss Mundtod gemacht wer<strong>de</strong>n‚. Hans-<br />

Adam, als „Oberkommandieren<strong>de</strong>r‚ hatte Mühe seine Truppe auf eine<br />

250


Linie zu bringen. Er begriff, dass Kieber gute Grün<strong>de</strong> hatte, als dieser ihn<br />

im Brief gebeten hatte, auf keinen Fall seinen Exboss als Mediator o<strong>de</strong>r<br />

Schlichter für dieses Drama zu ernennen.<br />

Hans-Adam entschied, dass neue I<strong>de</strong>en für eine Lösung nur vom<br />

Professor als Spezialisten kommen sollten. <strong>Der</strong> Professor wur<strong>de</strong><br />

beauftragt, einen Text vorzubereiten, <strong>de</strong>r dann als Mitteilung am<br />

nächsten Tag, <strong>de</strong>n 21.01.03 in das Emailkonto gestellt wer<strong>de</strong>n sollte.<br />

251


KAPITEL 9 Chaos-Tage ohne En<strong>de</strong><br />

BERLIN 21. Januar 2003<br />

<strong>Die</strong>nstag! Ein Tag <strong>de</strong>r Wahrheit, dachte ich mir schon die ganze Nacht<br />

hindurch. Ich war schon um fünf Uhr auf <strong>de</strong>n Beinen und im<br />

winterlichen Berlin unterwegs. Zum Glück gab es einige Bäcker, die<br />

schon früh ihre Ware an die Kundschaft verkauften. Bevor ich die LGT<br />

am späteren Nachmittag anrufen wür<strong>de</strong>, kam mir ein altes Sprichwort in<br />

<strong>de</strong>n Sinn: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.<br />

Ich war neugierig, was sich in Liechtenstein so zutragen wür<strong>de</strong>. Ich<br />

konnte <strong>de</strong>r Sache nur auf <strong>de</strong>n Grund gehen, in<strong>de</strong>m ich zufällig ein paar<br />

Bekannte und Freun<strong>de</strong> dort anrief.<br />

Himmel und Hölle noch mal. Nicht zu fassen! Schon beim zweiten Anruf<br />

brach die schöne Scheinwelt zusammen (siehe auch „Vaduz 22. Januar<br />

2003‚). Mir lief es kalt <strong>de</strong>n Rücken runter. <strong>Die</strong>se Mistkerle, dachten wohl,<br />

sie könnten mich übertölpeln. Nicht nur, dass sie in Berlin Verfolger auf<br />

mich angesetzt hatten, Nein, sie mussten auch noch das halbe<br />

Liechtenstein umgraben, um herauszufin<strong>de</strong>n, wer dort wo, was, warum<br />

und eventuell etwas wusste.<br />

Wartet nur, fluchte ich schon wie<strong>de</strong>r. Es wur<strong>de</strong> mir noch kälter als es<br />

sowieso schon war. Das be<strong>de</strong>utete, dass ich auf keinen Fall in die Nähe<br />

<strong>de</strong>r LGT, ja nicht einmal ins Zentrum von Berlin gehen durfte, es war<br />

eine Falle!<br />

Was nun, grübelte ich. Wenn ich etwas in <strong>de</strong>n letzten fünf Jahren gelernt<br />

hatte, dann dass man in einer solchen Situation zuerst immer <strong>de</strong>n Kopf<br />

klar bekommen muss und nicht gleich gegen die nächste Wand rennen<br />

darf. Ein Anruf bei <strong>de</strong>r LGT Berlin kam also nicht mehr in Frage. Ich fuhr<br />

mit <strong>de</strong>r Bahn an die südliche Stadtgrenze von Berlin und suchte ein<br />

Internetcafé auf. Ich öffnete das gemeinsame Emailkonto und fand<br />

nachstehen<strong>de</strong> Nachricht für mich im Entwurfs-Ordner:<br />

Ich wur<strong>de</strong> beauftragt, mit Ihnen eine Transaktion durchzuführen,<br />

welche von gegenseitigem Interesse getragen ist. In diesem<br />

Zusammenhang wur<strong>de</strong> ich sowohl über die Hintergrün<strong>de</strong> als<br />

auch über die bisherigen Versuche informiert, diese Transaktion<br />

abzuwickeln. <strong>Die</strong>sbezüglich enthalte ich mich jeglichen<br />

Kommentars. Mein Auftrag besteht lediglich darin, die von Ihnen<br />

252


gewünschte Transaktion vorzubereiten und in bei<strong>de</strong>rseitigem<br />

Interesse sauber durchzuführen. An weiteren<br />

Hintergrundinformationen (Namen, Details, Schuldzuweisungen<br />

etc.) habe ich kein Interesse, sind nicht Teil meines Auftrages und<br />

<strong>de</strong>shalb unerheblich. Geben Sie mir die weitere Vorgehensweise<br />

für die Transaktion bekannt.<br />

Anm.: Ich wusste natürlich zu jenem Zeitpunkt nicht, dass dies vom Professor<br />

Dr. Thomas Müller geschrieben wur<strong>de</strong>. Ich wusste ja auch nicht, dass<br />

überhaupt ein Professor angeheuert wur<strong>de</strong>.<br />

Aha, verspottete ich sie: Sie spielten auf Kooperation. „Wir helfen dir‚,<br />

„Wir suchen eine gemeinsame Lösung‚ u.s.w. – alles Quatsch und fauler<br />

Käse. Schnell loggte ich mich wie<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Emailkonto aus. Noch<br />

schneller verliess ich das Internetcafé. Ich verschwand in <strong>de</strong>r Masse von<br />

Fussgängern in Richtung Bahnhaltestelle. <strong>Die</strong>s alles ergab keinen Sinn.<br />

Im Gegensatz zum Gegner hatte ich nur mich selber. Meine Hirnmasse<br />

gegen alle an<strong>de</strong>ren, die da offenbar Böses erwogen. Na ja, ehrlich gesagt,<br />

mein eigenes Drehbuch war ja auch nicht gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Himmels würdig.<br />

Ich überlegte lange, was die Vor- und die Nachteile wären, wenn ich<br />

<strong>de</strong>nen in Liechtenstein mitteilen wür<strong>de</strong>, dass ich die Verfolger erkannt<br />

hatte und auch wusste, was im Ländle so vor sich ging. Ich entschloss<br />

mich, <strong>de</strong>m Hans-Adam eine diesbezügliche Nachricht im Emailkonto zu<br />

hinterlassen.<br />

<strong>Die</strong>smal ging ich dafür in einen Buchla<strong>de</strong>n. Ich versuchte mich ins<br />

Emailkonto einzuloggen. Klappte nicht. Ich zweifelte an meinem<br />

Geisteszustand. Warum konnte ich nicht ins Emailkonto rein? Das<br />

LOGIN und das Passwort stimmten. War ich nun wahnsinnig gewor<strong>de</strong>n,<br />

fragte ich mich. Fast drei Stun<strong>de</strong>n lang versuchte ich es. <strong>Die</strong> Angestellten<br />

vom Buchla<strong>de</strong>n wun<strong>de</strong>rten sich schon, da ich immer nervöser wur<strong>de</strong>.<br />

Aus Höflichkeit kaufte ich am En<strong>de</strong> ein Kochbuch (ich habe es heute<br />

noch).<br />

Aber, aber – die Superschlaumeier in Vaduz! Auf einmal wusste ich, was<br />

<strong>de</strong>r Grund für das Problem sein könnte. Garantiert hatte Hans-Adam<br />

angeordnet, im gemeinsamen Emailkonto ständig eingeloggt zu bleiben,<br />

um die Kontrolle zu haben. Klar, das musste es sein. Ich wusste, dass es<br />

wenige Emailprovi<strong>de</strong>r gibt, die technisch so ausgerüstet waren, dass<br />

gleichzeitig von zwei verschie<strong>de</strong>nen Terminals aus dasselbe Emailkonto<br />

benutzt wer<strong>de</strong>n konnte. <strong>Die</strong> Katholiken von www.catholic.org gehörten<br />

253


nicht dazu. Um 14.37 Uhr schickte ich <strong>de</strong>shalb, wie<strong>de</strong>rum von meinem<br />

eigenen, alten Emailkonto aus zwei Mal die folgen<strong>de</strong> Meldung an Hans-<br />

Adam eigene Büro-Emailadresse.<br />

Durchlaucht<br />

Ich habe die Nachricht im an<strong>de</strong>ren E-mailaccount heute Morgen<br />

gelesen. Seit ca. 4 Stun<strong>de</strong>n versuche ich eine neue Mitteilung<br />

einzugeben. Ich kann zwar das E-mailaccount aufrufen, aber die<br />

Anzeige bleibt BLANK: d.h. die Ordner sehe ich nicht. Am<br />

Terminal liegt es nicht, da ich schon an 4 verschie<strong>de</strong>nen es<br />

versucht habe. Kann es sein, dass Sie o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Herr das Emailaccount<br />

ständig offen haben? Bitte jeweils immer ausloggen,<br />

ansonsten kann ich nichts hineinschreiben. Vielen Dank und mfg<br />

h.k.<br />

Offenbar hatte man in Vaduz diese Email gleich begriffen, <strong>de</strong>nn ab 16<br />

Uhr war das Login von meiner Seite aus wie<strong>de</strong>r erfolgreich. Es war kein<br />

neuer Text für mich gespeichert. So sah ich es für angebracht, klares<br />

Wasser einzuschenken und <strong>de</strong>m Hans-Adam ein paar Dinge zu<br />

erzählen, von <strong>de</strong>nen er fest glaubte, dass ich nichts davon wusste. Erst<br />

spät in <strong>de</strong>r Nacht hatte ich <strong>de</strong>n formulierten Text fertig und stelle ihn in<br />

<strong>de</strong>n Entwurfsordner. Mit <strong>de</strong>r erhofften Sicherheit, dass mir niemand bis<br />

zur Wohnung gefolgt war, konnte ich <strong>de</strong>n Tag endlich vergessen und<br />

war froh, als Petra mich zu einem gemeinsamen gekochten Nachtessen<br />

einlud.<br />

VADUZ 22. Januar 2003<br />

Das KKZ war pünktlich ab 07.30 Uhr wie<strong>de</strong>r aktiv. Um 07.48 Uhr wur<strong>de</strong><br />

sich schon in das Emailkonto eingeloggt und ein drei Seiten langer Text<br />

von Kieber vom Vortag gefun<strong>de</strong>n. Darin schrieb Kieber, wie immer<br />

höflich aber bestimmt, dass er sich zuerst für die Nachricht bedankte,<br />

dann über zwei Vorkommnisse re<strong>de</strong>n möchte, die ihn offenbar sehr<br />

beunruhigten. Kieber schrieb, dass er wisse, dass Privat<strong>de</strong>tektive in<br />

Berlin auf ihn angesetzt wor<strong>de</strong>n waren. Er hatte sie erkannt. Er warnte<br />

sie, sollte er wie<strong>de</strong>r Verfolger sehen, wür<strong>de</strong> er eine Konfrontation mit<br />

katastrophalen Folgen provozieren. Er verlangte, dass man diese<br />

Schnüffler sofort abziehen sollte.<br />

254


Obwohl er im Brief vom 07.01.03 ausdrücklich darum gebeten hatte – im<br />

Interesse von allen wenigen Beteiligten und Informierten - alles zu<br />

unterlassen, was einer Bekanntmachung <strong>de</strong>s sich anbahnen<strong>de</strong>n Dramas<br />

gleich kommen wür<strong>de</strong>, habe er in Erfahrung bringen könnten, dass das<br />

Gegenteil geschehen war.<br />

Er wisse nun, dass es mehrere Krisensitzungen <strong>de</strong>r Regierung mit Hans-<br />

Adam und Co. gegeben hatte, dass die Polizei mehrfach diskret aber<br />

abnötigend bei Bekannten und Verwandten nach ihm geforscht hatten,<br />

dass dabei ständig nach seiner Adresse im Ausland gefragt wür<strong>de</strong>.<br />

Kieber wisse auch, dass es offenbar zu einer Anzeige gekommen sei und<br />

eine Art Krieg gegen ihn geführt wür<strong>de</strong>. Er schrieb sogar, dass dies ihn<br />

nicht überraschte, da ja je<strong>de</strong>r seine eigenen Ziele verfolgen wür<strong>de</strong>.<br />

Trotz<strong>de</strong>m sei er zu triefst geschockt. Kieber bat auch um ein Treffen am<br />

Freitag, <strong>de</strong>n 24.01.03.<br />

Rund um blasse Gesichter im <strong>de</strong>r KKZ. Niemand traute sich vor und<br />

wollte <strong>de</strong>rjenige o<strong>de</strong>r diejenige sein, die die Bad News <strong>de</strong>m Hans-Adam<br />

überbringen wür<strong>de</strong>. Jemand musste es aber tun. <strong>Der</strong> Professor war da<br />

wohl am Besten geeignet. Hans-Adam wur<strong>de</strong> aufgeklärt und er bekam<br />

einen seiner seltenen öffentlichen Wutanfälle. Er fragte, was für eine<br />

Tölpelfirma man da in Berlin angeheuert hätte, wenn Kieber schon beim<br />

ersten und offenbar einzigen Kontakt <strong>de</strong>ren Mission ent<strong>de</strong>ckt hatte. Er<br />

schrie, wie konnte Kieber, <strong>de</strong>r "1000 Km" weit weg in Berlin war,<br />

herausfin<strong>de</strong>n, was wir hier in Vaduz unternommen hatten. Er ging sogar<br />

soweit, dass er die Anwesen<strong>de</strong>n beschuldigte, einer von ihnen sei ein<br />

Maulwurf.<br />

Grrrrrrrrr. Harte Worte. Dann Stille wie auf einer Beerdigung. Er befahl<br />

diejenigen in Liechtenstein zu fin<strong>de</strong>n, die mit Kieber Kontakt hatten.<br />

Man fand die Personen nicht. Alle meine Freun<strong>de</strong> hielten dicht. <strong>Der</strong><br />

Professor war beauftragt wor<strong>de</strong>n, die Situation neu zu beurteilen. <strong>Die</strong>ser<br />

kam zum Ergebnis, dass Kieber nun noch misstrauischer gewor<strong>de</strong>n wäre<br />

und es schwieriger sein wür<strong>de</strong>, ihm ihre Position glaubhaft verkaufen zu<br />

können. Aber Zuckerbrot und Peitsche wären erstklassig in <strong>de</strong>r jetzigen<br />

Situation.<br />

Zuerst sollte man Kieber etwas Angst einjagen, in<strong>de</strong>m man ihm androht,<br />

dass Liechtenstein ihn an die Deutschen „verraten‚ wür<strong>de</strong>, ja verkaufen<br />

wür<strong>de</strong>, wenn er nicht das tue, was verlangt wird. Damit sich Kieber<br />

dann wie<strong>de</strong>r beruhigen wür<strong>de</strong> und als Zeichen, dass man es „gut‚ mit<br />

ihm meine, sollte man ihm die Hand ausstrecken und nochmals eine<br />

letzte Chance geben. Hans-Adam entschloss sich daher, seinen<br />

255


Chauffeur mit <strong>de</strong>m Staatswagen am nächsten Tag in <strong>de</strong>r Früh schon<br />

wie<strong>de</strong>r nach Berlin zu schicken. Dem Kieber sollte man aber nichts<br />

davon im Netz schreiben, son<strong>de</strong>rn nur eine kurze Botschaft hinterlassen.<br />

Um 18.10 Uhr ersetzte man Kiebers Drei-Seitentext mit einem Einzeiler<br />

von Hans-Adam.<br />

BERLIN 22. Januar 2003<br />

Seit meinem Erlebnis mit <strong>de</strong>n "Schnüfflern" war ich noch achtsamer<br />

gewor<strong>de</strong>n und wählte meine Wege von und zu Petras Wohnung immer<br />

neu aus. Während meiner Wan<strong>de</strong>rschaften durch Berlin fand ich mehr<br />

und mehr ausgezeichnete Internetstationen, die von aussen nicht als<br />

solche zu Erkennen waren. Meist han<strong>de</strong>lte es sich dabei um von<br />

Immigranten geführte Call-Center in einem alten Berliner La<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

Schuppen. Sobald ich ein solches Geschäft fand, notierte ich mir die<br />

Adresse in einem kleinen Buch, um es später wie<strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>n zu können.<br />

Um 16.55 Uhr schaute ich wie<strong>de</strong>r ins Emailkonto. Mein Text vom Vortag<br />

war immer noch da, keine Reaktion o<strong>de</strong>r Antwort von Hans-Adam. Um<br />

17.01 Uhr ergänzte ich meinen alten Text mit folgen<strong>de</strong>r Mitteilung:<br />

22.01.03 17 Uhr 01 - - wie ich sehe, haben sie meinen obigen text<br />

noch nicht gelesen, bzw. mir eine antwort gegeben. ich bitte sie,<br />

ein treffen für kommen<strong>de</strong>n freitag, 24.01. hier vorzumerken. ich<br />

danke für baldige antwort. ich wer<strong>de</strong> morgen - um 10 uhr -<br />

wie<strong>de</strong>r hier hinein schauen. danke H.K. Zur Info: bitte markieren<br />

und drucken Sie jeweils meine texte und behalten sie sie auf - um<br />

keine missverständnisse aufkommen zu lassen.<br />

VADUZ 23. Januar 2003 (A)<br />

Es war noch dunkel und die meisten schliefen noch, als <strong>de</strong>r Herr Kaiser<br />

<strong>de</strong>n Staatswagen in Bewegung setzte. Er hatte das Kuvert mit <strong>de</strong>m<br />

„falschen‚ Pass bei sich und auch sonst war alles so wie sein Boss es<br />

gewünscht hatte. Kaiser hatte <strong>de</strong>n Auftrag um ca. 18 Uhr vor <strong>de</strong>r LGT in<br />

Berlin zu parken, auf Kieber zu warten und ähnlich wie es <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

Fahrer, Herr B. gemacht hatte, ihn mit einem Pass zu einer Heimreise zu<br />

kö<strong>de</strong>rn. Kaiser soll aber Kieber nur dann mitnehmen, wenn dieser ihm<br />

256


zumin<strong>de</strong>st ansatzweise die <strong>Daten</strong> zeigen wür<strong>de</strong>. <strong>Der</strong> Audi A8 kam gut<br />

voran. Wenn alles klappte, dann wür<strong>de</strong> Kaiser am Nachmittag in Berlin<br />

eintreffen.<br />

BERLIN 23. Januar 2003 (Teil 1)<br />

Ich hatte verschlafen und war erst um 09.30 Uhr aufgestan<strong>de</strong>n. Ich fuhr<br />

direkt zu einem <strong>de</strong>r Internetanbieter von meiner langen Liste und loggte<br />

mich um 10.15 Uhr ins Emailkonto ein. Meine Mitteilung war noch<br />

gestern Abend gelöscht und mit folgen<strong>de</strong>m Einzeiler ersetzt wor<strong>de</strong>n:<br />

F. erwartet ihren Anruf unter 00423 xxx xxx, Donnerstag,<br />

23.01.2003, 09:00 Uhr.<br />

Anm.: F. steht für <strong>Fürst</strong>. Man beachte <strong>de</strong>n von Hans-Adam gefor<strong>de</strong>rten<br />

Zeitpunkt, wann ich ihn Anrufen sollte: 09.00 Uhr. <strong>Die</strong>s obwohl ich in meiner<br />

Mitteilung vor seiner Nachricht im Emailkonto klar geschrieben hatte, dass ich<br />

erst um 10.00 Uhr wie<strong>de</strong>r reinschauen wür<strong>de</strong>. Wie so oft in <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />

und in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Monaten, brachten sie es nicht fertig, Geschriebenes<br />

wirklich zu lesen!<br />

Oh mein Gott, dachte ich mir, <strong>de</strong>r Hans-Adam wird ja fuchsteufelwild,<br />

wenn man seine Termine nicht einhält. Aber, es war ja nicht meine<br />

Schuld, wenn er nicht lesen konnte. Ich schrieb ihm zurück:<br />

Sorry, ich bin erst jetzt ins internet gekommen, es ist jetzt 10:25.<br />

ich schrieb doch gestern, dass ich erst ca. nach 10 uhr wie<strong>de</strong>r hier<br />

hinein sehen kann. ich rufe jetzt trotz<strong>de</strong>m an. wenn es nicht<br />

klappt, bitte schreiben sie, ob sie grundsätzlich kommen o<strong>de</strong>r<br />

nicht, danke 23.01.03 10:25<br />

Ich war froh, dass Hans-Adam wie<strong>de</strong>r mit mir re<strong>de</strong>n wollte. <strong>Die</strong>s war ein<br />

gutes Zeichen. Ich rannte aus <strong>de</strong>m Internetla<strong>de</strong>n raus und kaufte mir für<br />

40 Euro genug Telefonkarten, sodass ich lange mit ihm re<strong>de</strong>n konnte,<br />

sofern dies notwendig und erwünscht war.<br />

Insgesamt telefonierte ich drei Mal mit ihm an diesem Tag: um 10.36<br />

Uhr, 14.00 Uhr und 14.12 Uhr. Nervös wählte ich jeweils die Nummer.<br />

257


Es war ja dieselbe Nummer, die ich schon am 14.01.03 angerufen hatte<br />

und daher nahm ich mir vor, darauf zu achten, dass ich we<strong>de</strong>r<br />

Liechtenstein, Bank, Treuhand o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re "verräterische" Worte im<br />

Gespräche nennen wür<strong>de</strong>, so wie es Hans-Adam wollte.<br />

Je<strong>de</strong>n einzelnen Anruf nahm er schon nach <strong>de</strong>m ersten Klingeln ab. Er<br />

war merklich künstlich angestrengt höflich. Er sagte, dass er<br />

nachvollziehen könnte, dass ich letzte Woche nicht in seinen Wagen<br />

eingestiegen war. Er palaverte etwas darüber, warum es die Anzeige<br />

gab. Es sei eben nicht gera<strong>de</strong> för<strong>de</strong>rlich von mir gewesen, die STA und<br />

an<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Inkompetenz und Lüge zu bezichtigen. Er könne mich aber<br />

verstehen. Er versicherte mir aber, dass es keinen Haftbefehl gegen mich<br />

gäbe.<br />

In Regierungs-, Banken- und Treuhandkreisen wäre man sehr besorgt<br />

über die ‚<strong>Daten</strong>‚ und mich natürlich auch. <strong>Die</strong> Staatsanwaltschaft wäre<br />

sehr verärgert. Ich erwi<strong>de</strong>rte, dass mich dies nicht im Geringsten<br />

verwun<strong>de</strong>rn wür<strong>de</strong>. Hans-Adam sagte, dass die Zeit für eine gute<br />

Lösung ablaufen wür<strong>de</strong>. Hans-Adam ver<strong>de</strong>utlichte mir, dass es nur zwei<br />

Varianten gäbe. Entwe<strong>de</strong>r ich wür<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>n ‚Unterlagen‚ heute Abend<br />

um 18:00 in <strong>de</strong>n Wagen einsteigen o<strong>de</strong>r er und die Liechtensteiner<br />

Regierung müssten <strong>de</strong>n Deutschen sagen, wo ich sei.<br />

Ich dachte zuerst, ich hätte mich verhört. Lei<strong>de</strong>r aber nicht! Hans-Adam<br />

wie<strong>de</strong>rholte seine zwei Varianten. Und die <strong>Daten</strong>, fragte ich. Ist es Euch<br />

egal, wenn sie in die Hän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Deutschen und Amis kommen? Uppps,<br />

ich vergass, dass ich keine solchen Wörter in <strong>de</strong>n Mund nehmen sollte.<br />

Merkwürdigerweise ging Hans-Adam darauf gar nicht ein. Er bemerkte<br />

hochmütig, dass er selber, als Multimilliardär eine solche Katastrophe<br />

locker überstehen wür<strong>de</strong> und seine Familie schon ganz an<strong>de</strong>re Krisen<br />

überlebt hätte. Er behauptete auch zu wissen, dass we<strong>de</strong>r die Deutschen<br />

noch die Amis o<strong>de</strong>r ein an<strong>de</strong>res Land Interesse an <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> hätten. Er<br />

meinte abschliessend, dass es besser für mich wäre, wenn ich die <strong>Daten</strong><br />

jetzt vernichten wür<strong>de</strong>. Denn sollte nach einer Verhaftung durch die<br />

Deutschen seine reiche Kundschaft massiven Ärger bekommen, wür<strong>de</strong><br />

er höchstpersönlich dafür sorgen, dass ich auch nach Absitzen einer<br />

jahrelangen Haftstrafe in Deutschland, o<strong>de</strong>r wo auch immer, auch noch<br />

in Vaduz für lange Zeit ins Gefängnis müsste. Mann oh Mann, dachte ich<br />

mir – <strong>de</strong>r Hans drehte jetzt völlig durch.<br />

Er erklärte mir nochmals, dass es nur die zwei Varianten gäbe. Ich<br />

versuchte ihm nicht zu versprechen, dass ich beim Auto sein wür<strong>de</strong>,<br />

in<strong>de</strong>m ich sagte, dass ich mehr Zeit für das Sammeln <strong>de</strong>r Unterlagen<br />

258


äuchte. Er ging auch darauf nicht ein. Ich merkte, dass Hans-Adam<br />

offenbar von irgendjemand angeleitet wor<strong>de</strong>n war. Es klang gar nicht<br />

nach ihm. Vor allem wie er es ausdrückte, kam mir komisch vor.<br />

OK, dachte ich mir, vielleicht re<strong>de</strong>te er so, weil es ja auch eine rundweg<br />

neue Lage für ihn war. Bis anhin war sein Imperium nie in eine solche<br />

Situation geraten. Als ich merkte, dass we<strong>de</strong>r er noch ich im Gespräch<br />

weiterkamen, verabschie<strong>de</strong>te ich mich und sagte noch, dass ich mich via<br />

Internet in wenigen Minuten mel<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>.<br />

VADUZ 23. Januar 2003 (B)<br />

Das KKZ wur<strong>de</strong> über <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>r drei Telefonate von Hans-Adam<br />

selber informiert. Obwohl die Gespräche zwar aufgezeichnet wor<strong>de</strong>n<br />

waren, war <strong>de</strong>r Inhalt erst einige Stun<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>m eigentlichen Anruf<br />

fürs KKZ abspielbar. <strong>Der</strong> Professor bekräftigte seine Analyse, dass<br />

Kieber nun gebrochen sei, die Drohung hätte gewirkt. Alle waren mit<br />

ihm einverstan<strong>de</strong>n. Natürlich war allen in Vaduz klar, dass auf keinen<br />

Fall irgendjemand irgen<strong>de</strong>twas <strong>de</strong>n Deutschen sagen wür<strong>de</strong>. Sonst<br />

könne man sich ja gleich selber erschiessen, scherzten sie. <strong>Der</strong> Fahrer<br />

Kaiser mel<strong>de</strong>te sich über das Autotelefon. Er wür<strong>de</strong> gut vorankommen<br />

und wür<strong>de</strong> sich wie<strong>de</strong>r mel<strong>de</strong>n, wenn er in Berlin angekommen sei.<br />

Nach <strong>de</strong>m letzten Telefonat lies Hans-Adam um 14.40 Uhr folgen<strong>de</strong>n<br />

Text ins Emailkonto schreiben:<br />

Vorgaben <strong>de</strong>s F. sind klar: Erscheinen bis 18.00 Uhr mit<br />

Unterlagen am vereinbarten Ort. Fahrzeug und Fahrer stehen<br />

bereit. Bei Nichtbefolgen tritt unverzüglich die zweite Option in<br />

Kraft.<br />

BERLIN 23. Januar 2003 (Teil 2)<br />

Ich fand die Mitteilung von Hans-Adam und schrieb um 16.22 Uhr<br />

zurück:<br />

ich habe ihre mitteilung gelesen. alle unterlagen bringe ich bis<br />

zum vereinbarten zeitpunkt nicht zusammen. bitte warten sie<br />

wenigstens bis morgen nachmittag. danke für das verständnis<br />

259


itte informieren sie die dame ihres büros (LGT) hier. ich wer<strong>de</strong><br />

morgen 13 uhr (dreizehn uhr) hier wie<strong>de</strong>r mich mel<strong>de</strong>n. danke<br />

Worauf er mit folgen<strong>de</strong>r Mitteilung um 16.41 Uhr antwortete:<br />

Vorgabe <strong>de</strong>s F. bleibt bestehen: Treffpunkt 18.00 Uhr, notfalls nur<br />

mit Teilunterlagen! Rufen sie F. unverzüglich an!<br />

Mir war von Anfang an klar, dass ich auch jetzt auf keinen Fall in <strong>de</strong>n<br />

Wagen steigen wür<strong>de</strong>. Ich hatte die dunkle Befürchtung, obwohl Hans-<br />

Adam das Gegenteil behauptete, dass ein Haftbefehl auf mich zu Hause<br />

wartete. Ich hatte Angst. Mir war das Risiko zu gross, um 18 Uhr zur<br />

LGT in Berlin zu gehen. Ich überlegte lange, was ich machen sollte.<br />

Unter Druck konnte ich erstaunlicher Weise gut funktionieren. Ich<br />

entschloss ihn nicht mehr anzurufen. Trotz<strong>de</strong>m wollte ich mit eigenen<br />

Augen sehen, ob überhaupt Hans-Adams Staatskarosse wie<strong>de</strong>r in Berlin<br />

aufkreuzte.<br />

Ich studierte <strong>de</strong>n Busfahrplan von Berlin und stieg in jenen Linienbus<br />

ein, <strong>de</strong>r schnurgera<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>r LGT vorbeifuhr. Wahrhaftig, <strong>de</strong>r dunkle<br />

Audi A8 war fast an <strong>de</strong>rselben Stelle wie letzte Woche parkiert.<br />

Niemand war im Wagen. Ich duckte mich fest in <strong>de</strong>n Bussitz und stieg<br />

erst an <strong>de</strong>r allerletzten Haltestelle aus. Ich schlich mich nach Hause und<br />

setzte mich im Dunkeln ins Zimmer. Was nun, dachte ich.<br />

VADUZ 23. Januar 2003 (C)<br />

Spät am Nachmittag erreichte Hans-Adam auf Schloss Vaduz ein<br />

wichtiger Anruf <strong>de</strong>r LGT Bank. Gera<strong>de</strong> hätte die IT-Abteilung von <strong>de</strong>r<br />

Treuhand berichtet, dass sie <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n letzten Tagen geäusserten<br />

Verdacht als Tatsache bestätigen könnte: Kieber hätte die <strong>Daten</strong> NICHT!<br />

Kieber konnte sie nicht haben. Hans-Adam war ausser sich vor Freu<strong>de</strong><br />

und Hass zugleich.<br />

Ja, Ja nickten sie alle in <strong>de</strong>r KKZ. Kieber hatte ja auch kein einziges<br />

Dokument als Beweis geliefert, wie es sonst so üblich ist, meinten alle.<br />

Jetzt zeigen wir <strong>de</strong>m Kieber mal so richtig, wer hier <strong>de</strong>r Herr im Ländle<br />

ist, schwelgten sie im süssen Sieg. Sofort wur<strong>de</strong>n die Regierung und die<br />

Justiz auf <strong>de</strong>n neusten Stand gebracht. Alle Beteiligten ausser <strong>de</strong>m<br />

Professor waren in einem Rausch nach Rache. Ihre Brummschä<strong>de</strong>l waren<br />

260


verschwun<strong>de</strong>n. Es wur<strong>de</strong> beschlossen, <strong>de</strong>n Kieber zum Abschuss<br />

freizugeben. Auge und Auge, Zahn um Zahn.<br />

Und hier, liebe Leserinnen und Leser wird es wie<strong>de</strong>r sehr interessant!<br />

Hans-Adam ordnete das Interpolbüro in Vaduz, dass in die<br />

Liechtensteiner Polizei integriert ist, an, eine Meldung an Interpol<br />

Wiesba<strong>de</strong>n und Madrid zu sen<strong>de</strong>n. Um 19.55 Uhr kam in Wiesba<strong>de</strong>n<br />

(BKA) und in Madrid eine offizielle Meldung / Warnung aus Vaduz an.<br />

Im Schreiben (in Englisch) wur<strong>de</strong>n zuerst die allgemeinen<br />

Personendaten von Kieber genannt, dann folgen<strong>de</strong> Punkte (mit allen<br />

Ausrufezeichen und Unterstreichungen) aufgelistet:<br />

SEHR DRINGEND !<br />

° Warnung: Kieber könnte bewaffnet sein! Er könnte<br />

geistesgestört sein!<br />

° Kieber hat schon einen Haftbefehl im Schengen-<br />

System.<br />

° Interpol Vaduz hat Hinweise, dass er sich in Berlin<br />

aufhalte. Sein genauer Aufenthaltsort ist nicht<br />

bekannt. Er kommuniziere über öffentliche Telefonzellen<br />

und Internetcafés.<br />

° Gemäss Information ist ein hohe Gewaltbereitschaft<br />

vorhan<strong>de</strong>n.<br />

° Kieber ist vermutlich bewaffnet!<br />

° Kieber kann Flugzeuge und Helikopter fliegen.<br />

° Foto von Kieber liegt bei. Fingerabdrücke folgen.<br />

Im Falle einer Verhaftung von Kieber, bitte Interpol Vaduz sofort<br />

verständigen. Vielen Dank für Ihre Kooperation.<br />

Anm.: Als ich das Original und an<strong>de</strong>re damit zusammenhängen<strong>de</strong> Dokumente<br />

ab <strong>de</strong>m Spätsommer 2003 zum ersten Mal lesen konnte o<strong>de</strong>r als Kopie inoffiziell<br />

erhalten hatte, traf mich <strong>de</strong>r berühmte Schlag. Was für ein Scheiss, dachte ich<br />

mir. Nie im Leben besass ich eine wirkliche Waffe. Geistesgestört war ich auch<br />

nicht. Und Gewalt ist nun wirklich nicht mein Ding.<br />

Richtig gemel<strong>de</strong>t war, dass ich einen Berufspilotenschein für Flugzeuge und<br />

einen Schein für Helikopter besass. Man bedachte, dass Vaduz sehr bewusst<br />

vermied, irgen<strong>de</strong>inen Zusammenhang mit Bankdaten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r LGT zu<br />

erwähnen. Aber erst Jahre später, als ich diese Meldung diversen Polizei- und<br />

Justizbehör<strong>de</strong>n im Ausland zeigen konnte, wur<strong>de</strong> mir klar, warum Liechtenstein<br />

261


schwarz auf weiss gelogen hatte. <strong>Die</strong> ausländischen Experten fan<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n<br />

Hintergedanken für solche massive Falschinformationen (bewaffnet,<br />

geistesgestört und gewaltbereit), kombiniert mit <strong>de</strong>m Hinweis, dass ich fliegen<br />

kann, sehr schnell: Mit <strong>de</strong>n Worten „bewaffnet, geistesgestört, hohe<br />

Gewaltbereitschaft“ sollte <strong>de</strong>r Eindruck beim BKA und in Madrid erweckt<br />

wer<strong>de</strong>n, dass es sich hier um einen sehr gefährlichen Mann, ja fast um einen<br />

„Terroristen“ („kann Flugzeuge fliegen“) han<strong>de</strong>ln wür<strong>de</strong>.<br />

Man bestätigte mir, dass dieses offizielle Schreiben von Interpol Vaduz sehr<br />

unprofessionell und entgegen <strong>de</strong>n Vorschriften war. Für die Profis war schnell<br />

ersichtlich, dass man sich in Liechtenstein offenbar erhoffte, dass man quasi<br />

Kieber zuerst an- o<strong>de</strong>r besser erschiessen wür<strong>de</strong> und erst dann Fragen stellen<br />

wür<strong>de</strong>. Auch wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich, dass Hans-Adam und seine Regierung das<br />

Interpolbüro in Vaduz für ihre individuellen, privaten Zwecke missbrauchten.<br />

Hans-Adam beschloss zusammen mit <strong>de</strong>r Regierung, dass man sich die<br />

günstige Gelegenheit nicht nehmen lassen wollte, <strong>de</strong>n Deutschen etwas<br />

mehr „unter die Arme‚ zu greifen. Man rief Kaiser, <strong>de</strong>r irgendwo im<br />

Grossraum Berlin im Auto sitzend auf weitere Instruktionen wartete, auf<br />

<strong>de</strong>m Autotelefon an. <strong>Die</strong> Lage hätte sich drastisch verän<strong>de</strong>rt. Er sollte<br />

sich kundig machen, wie die Telefonnummer einer <strong>de</strong>m LGT Büro nahe<br />

liegen<strong>de</strong>n Polizeistelle ist. Dann sollte er wie geplant um ca. 17.30 Uhr<br />

<strong>de</strong>n Wagen vor <strong>de</strong>r LGT Berlin parken und kurz vor 18.00 Uhr<br />

aussteigen, aber die Türen nicht abschliessen. Er sollte sich in ein<br />

Restaurant o<strong>de</strong>r Café setzen von wo aus er <strong>de</strong>n Wagen und die<br />

unmittelbare Umgebung gut beobachten könnte. Sollte er Kieber<br />

kommen sehen, so müsste er die Berliner Polizei unverzüglich anrufen<br />

und mitteilen, wo genau am Kurfürstendamm sich die international<br />

gesuchte Person mit Namen Kieber Heinrich aufhalte.<br />

Kaiser rief dann zehn Minuten später in Vaduz zurück und mel<strong>de</strong>te,<br />

dass er die nächstgelegene Polizeidienststelle gefun<strong>de</strong>n hätte, sie wäre<br />

sogar in <strong>de</strong>rselben Strasse. Am Kurfürstendamm Nr. 142. Also dann, er<br />

solle die Augen offen halten, wur<strong>de</strong> ihm zum Abschied gesagt. Aber<br />

Kieber war dann weit und breit nicht zu sehen. Kaiser wartete noch bis<br />

ca. 18.45 Uhr, immer <strong>de</strong>n Wagen beobachtend und die Nummer <strong>de</strong>r<br />

Polizei griffbereit.<br />

Um 19.00 Uhr rief er via Autotelefon auf <strong>de</strong>m Schloss an und vermel<strong>de</strong>te<br />

das Misslingen dieser Massnahme. Er durfte sich ein Hotel in Berlin<br />

suchen und sollte am nächsten Morgen in <strong>de</strong>r Früh wie<strong>de</strong>r nach Hause<br />

fahren.<br />

262


VADUZ 24. Januar 2003 (vormittags)<br />

Um 08.40 Uhr schreibt Hans-Adam die ultimativen Worte:<br />

<strong>Die</strong> gesetzte Frist ist abgelaufen. Variante zwei läuft.<br />

BERLIN 24. Januar 2003<br />

Im Hinterkopf störte mich irgen<strong>de</strong>twas am Gespräch mit Hans-Adam.<br />

Ich hatte so ein komisches Gefühl. Es war nicht einfach für mich, einen<br />

klaren Kopf zu behalten. Tief durchatmen, tief durchatmen. Es war ein<br />

beson<strong>de</strong>re Satz von ihm: „<strong>Die</strong> <strong>Daten</strong>, die sie glauben zu haben‚.<br />

Was meinte er wohl damit? Oh – NEIN, jetzt dämmerte es mir:<br />

„<strong>Die</strong> <strong>Daten</strong> die sie glauben zu haben‚.<br />

<strong>Die</strong> in Vaduz glaubten mir also nicht! Natürlich, dass musste es sein.<br />

Sonst wür<strong>de</strong>n sie doch nicht so cool daherre<strong>de</strong>n. Oh mein Gott. Ein<br />

Desaster. Darum lief die 2. Variante nun?! Ich befürchtete, die Berliner<br />

Bullen wür<strong>de</strong>n gleich vor meiner Haustür stehen.<br />

Um 12.40 Uhr schrieb ich Hans-Adam folgen<strong>de</strong>n Text:<br />

Sehr geehrte Damen und Herren<br />

Obwohl ich gestern um die Frist bis heute Nachmittag bat —<br />

haben sie die 2. Variante aktiviert. dann kann man jetzt nichts<br />

mehr machen. ich möchte zum Schluss noch folgen<strong>de</strong>s sagen: ich<br />

bin mir sicher, dass beim gestrigen Telefongespräch mit mir in<br />

diesem <strong>de</strong>tail und Klarheit gere<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, um sich später<br />

abzusichern, sicherlich wur<strong>de</strong> das Gespräch aufgezeichnet und<br />

dient für evt. spätere Erklärungen. ich wur<strong>de</strong> vorverurteilt wie<br />

ich es schon kannte. wie ich jetzt sehe‚ ist mit einer Hilfe aus<br />

meinem Heimatland nicht mehr zu rechnen. Im Gegenteil. ich<br />

war dumm dies zu glauben — aber eben unser F... war meine<br />

letzte Hoffnung diese stirbt zuletzt. das ich das Tape zu mir<br />

genommen habe — war ein Fehler. <strong>de</strong>r F. sagte im gestrigen<br />

Gespräch (sinngemäss) "die <strong>Daten</strong>, die ich angeblich habe", sollte<br />

ich besser vernichten; damit es‚ wenn es zu Verhaftung kommt,<br />

keine weiteren Probleme für mich gibt. dazu möchte ich wie folgt<br />

sagen: A) wenn auch nur <strong>de</strong>r kleinste Zweifel vorhan<strong>de</strong>n war,<br />

dass ich die <strong>Daten</strong> vom Tape lesbar machen konnte, dann hätten<br />

263


sie mir aus <strong>de</strong>r bandbreite <strong>de</strong>r Mandats-Nummern (wie ich sie im<br />

Brief beschreiben habe) 1, 5 10 ‚ 20 o<strong>de</strong>r 30 willkürlich<br />

ausgewählte MAN-Nummern nennen können und ich hätte<br />

ihnen die dazugehörigen <strong>Daten</strong> <strong>de</strong>r MAN auf CD gebrannt und<br />

zukommen lassen. soweit zu <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong>. ich besitze genau die<br />

<strong>Daten</strong> darüber, die ich im Brief geschil<strong>de</strong>rt habe. B) wieso soll ich<br />

die <strong>Daten</strong> jetzt vernichten, da wo mein eigenes land mich bei <strong>de</strong>n<br />

Behör<strong>de</strong>n hier preisgibt??? Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht<br />

im kopf hatte, die <strong>Daten</strong> zu verwerten, ich glaubte —<br />

fälschlicherweise — dass mir mein F. helfen kann. nun bin ich<br />

aber soweit: gehe ich unter — geht teilweise Liechtenstein mit<br />

mir. alles kann man überleben — so wie es <strong>de</strong>r F. gestern sagte.<br />

ich glaube ihm aber nicht (vermutlich haben ihn seine Berater<br />

dazu bewogen sich so zu äussern), dass er wirklich es so meinte,<br />

als er sagte, dass die Bekanntgabe <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> <strong>de</strong>r tausen<strong>de</strong>r von<br />

Kun<strong>de</strong>n ihm nichts aus macht. er ist sich wie ich und alle<br />

Mitwisser <strong>de</strong>s Flächenbrands voll bewusst. ich bin nur ein kleiner<br />

fisch mit einem dicken „<strong>Daten</strong>buch‚. ich bin kein Mör<strong>de</strong>r...<br />

vermutlich haben auch seine Berater ihm geraten mir einzure<strong>de</strong>n,<br />

dass we<strong>de</strong>r das eine noch das an<strong>de</strong>re land wirklich Interesse an<br />

<strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> haben könnte. diese Auffassung entspricht nicht <strong>de</strong>r<br />

Wirklichkeit. ich bin aus Berlin jetzt raus und wer<strong>de</strong> meinen weg<br />

suchen‚ um das schlimmste zu verhin<strong>de</strong>rn. ich wer<strong>de</strong> nicht mehr<br />

mit ihnen kommunizieren, da sie sich ja gegen mich entschie<strong>de</strong>n<br />

haben. falls sie ein Schlusswort eingeben möchten, steht dies<br />

ihnen frei. ich wer<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n nächsten tagen noch 1 mal hier<br />

hineinschauen. ich danke <strong>de</strong>nen‚ die mir glaubten und<br />

verwünsche jene, die gegen mich waren.<br />

Natürlich war ich aus Berlin noch nicht raus. Wohin sollte ich auch<br />

gehen. Ich kam mir sehr verlassen vor und meine letzte Hoffnung war,<br />

dass die in Vaduz endlich <strong>de</strong>n Durchblick erlangen wür<strong>de</strong>n und sich<br />

wie<strong>de</strong>r mel<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n. Dass die Behauptung von Hans-Adam, kein<br />

Land hätte Interesse an <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong>, ein schwachköpfiger Witz war,<br />

musste sowohl mir als auch ihm von Anfang an klar sein. Langsam aber<br />

sicher begriff ich, dass es wohl besser wäre, wenn ich aus Berlin<br />

wegginge.<br />

264


VADUZ 24. Januar 2003 (nachmittags)<br />

Das KKZ war <strong>de</strong>n ganzen Tag berauscht anlässlich <strong>de</strong>s Siegs über<br />

Kieber. Einige Stimmen wur<strong>de</strong>n zwar laut, da sie befürchteten, dass<br />

Kieber in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Deutschen <strong>de</strong>nnoch Scha<strong>de</strong>n anrichten<br />

könnte, da er zu viel wusste – auch ohne das <strong>Daten</strong>material zu besitzen.<br />

Hans-Adam äusserte sich dazu später am Tag, wobei er versicherte, dass<br />

er und auch die ganze heimische Bankenwelt dies schon überleben<br />

wür<strong>de</strong>n.<br />

So viel konnte Kieber gar nicht wissen, beruhigte man sich gegenseitig.<br />

Und ohne Material, wer sollte da <strong>de</strong>m Kieber ein einziges Wort glauben.<br />

<strong>Die</strong> Freu<strong>de</strong> war unmessbar. <strong>Die</strong> <strong>Daten</strong> sind sicher, jubelten sie. Niemand<br />

knackt unsere Tresore. <strong>Die</strong> Truppe war lediglich enttäuscht darüber,<br />

dass man Kieber am Vortag <strong>de</strong>n Deutschen nicht bei <strong>de</strong>r ersten<br />

Gelegenheit auf <strong>de</strong>m Tablett hatte servieren können.<br />

Man loggte sich zwar noch einmal ins Emailkonto ein, druckte die<br />

Mitteilung von Kieber von 12.40 Uhr auf Papier und löschte <strong>de</strong>n Text<br />

ohne eine Antwort zu hinterlassen. Nach kurzer Beratung mit <strong>de</strong>m<br />

Professor entschloss man sich, Hans-Adam, das grosse Staatsoberhaupt,<br />

nicht mehr mit <strong>de</strong>r Causa Kieber zu belästigen und ihm daher das letzte<br />

Schreiben vorerst nicht vorzulegen. Bei <strong>de</strong>r STA, speziell in Hauns Büro,<br />

rieb man sich schon mal die Hän<strong>de</strong> und hoffte, dass Kieber bald in Berlin<br />

o<strong>de</strong>r sonst wo gefasst wür<strong>de</strong>.<br />

Mehr als das! „Wenn schon – <strong>de</strong>nn schon‚, sagte mach sich im KKZ und<br />

befand, dass es wie<strong>de</strong>r einmal an <strong>de</strong>r Zeit wäre, für die „armen<br />

Verbrecher" Helmut Roegele, seine Frau Hidalgo und seinen Schwager<br />

Karl-Heinrich K. sowie <strong>de</strong>n Spanier Mariano M.-V. etwas zu tun.<br />

Interpol Vaduz wur<strong>de</strong> um 15.15 Uhr und 16.00 Uhr befohlen, nochmals<br />

eine dringen<strong>de</strong> Meldung nach Wiesba<strong>de</strong>n und Madrid zu sen<strong>de</strong>n. Darin<br />

bat Liechtenstein die zwei Län<strong>de</strong>r,<br />

OZA- doch bitte die Roegele’s & Co. zu warnen, <strong>de</strong>nn es könnte sein,<br />

dass Kieber auf <strong>de</strong>m Weg zu ihnen sei und ihnen schlimmes antun<br />

wür<strong>de</strong>. Er sei sehr gefährlich. Er habe zwar bis heute noch nie jeman<strong>de</strong>n<br />

bedroht und auch sonst nie Gewalt angewen<strong>de</strong>t, aber Interpol Vaduz<br />

gehe davon aus, dass er es tut -OZE.<br />

265


Gewisse Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s KKZ, im Delirium vom hohen Ross nicht mehr<br />

runterzukriegen, verschärften <strong>de</strong>n Ton und schwadronierten darüber,<br />

dass sie doch einen Versuch unternehmen sollten, Kieber selber dingfest<br />

zu machen. Sie hätten doch alles Recht <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> dafür.<br />

So wie man Kieber kenne, hätte <strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r unbegreifliches Glück und<br />

könnte auf nimmer Wie<strong>de</strong>rsehen abtauchen. Vertreter <strong>de</strong>r Polizei, <strong>de</strong>r<br />

Justiz und <strong>de</strong>r Professor distanzierten sich sofort von solchen Gedanken.<br />

<strong>Der</strong> Professor, als Topfachmann und einzige Psychologe, versicherte <strong>de</strong>n<br />

Anwesen<strong>de</strong>n, dass Kieber sicher nicht untertauchen wür<strong>de</strong>. Er könnte<br />

nun allerdings nicht ausschliessen, dass Kieber, von <strong>de</strong>m Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>s<br />

KKZ in die Enge gedrängt, eine Kurzschlusshandlung beschliesst und<br />

sich <strong>de</strong>n Amis o<strong>de</strong>r Deutschen anvertraut.<br />

<strong>Daten</strong> o<strong>de</strong>r keine <strong>Daten</strong> – das spielte keine Rolle.<br />

BERLIN 25. – 30. Januar 2003<br />

Am Samstag wachte ich schweissgeba<strong>de</strong>t und mit Kopfweh auf, als hätte<br />

Godzilla mir eine runtergeknallt. Ich wusste nicht mehr ein noch aus. Ich<br />

war sicher, dass meine sehr präzisen Angaben bezüglich <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> im<br />

Brief vom 07.01. an Hans-Adam reichen wür<strong>de</strong>n. Nie kam mir in <strong>de</strong>n<br />

Sinn, eine Kopie <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> als Beweis <strong>de</strong>m Hans aufs Schloss zu<br />

schicken. Warum auch?<br />

Wenn er Zweifel an meinen Angaben gehabt hätte, dann könnte er ja<br />

runter ins Tal gehen und selber nachschauen; es war ja seine eigene<br />

Firma, die LGT Treuhand. Und wenn er wirklich Skepsis gehabt hätte,<br />

warum hatte er mich dann am Telefon nicht direkt gefragt? Vielleicht<br />

war dies wie<strong>de</strong>r so ein Psychospiel von <strong>de</strong>nen in Vaduz, mutmasste ich.<br />

Sie mussten doch wissen, dass ich die <strong>Daten</strong> hatte. Eventuell wollten sie<br />

mich nur unter Druck setzten, sodass ich Angst bekam und schnell nach<br />

Hause kommen wür<strong>de</strong>. Ein hochriskantes Manöver, meiner Meinung<br />

nach.<br />

Angst? Ich? Jetzt? Mein Begriff „von wirklich Angst haben‚ war im März<br />

und April 1997 neu <strong>de</strong>finiert wor<strong>de</strong>n. Aber <strong>de</strong>nnoch, vermutlich hatte<br />

Hans-Adam so gute Berater, dass man schon in <strong>de</strong>n zwei Wochen, seit<br />

ich Liechtenstein verlassen hatte, ent<strong>de</strong>ckt hatte, dass ich <strong>de</strong>n drastischen<br />

Schritt, die <strong>Daten</strong> auszuhändigen, einfach NICHT machen konnte. <strong>Der</strong><br />

Grund: Ich war ja selber ein Bürger Liechtensteins, mit Heimatgefühlen,<br />

266


ein Monarchist durch und durch, konnte Gutes von Bösem auseinan<strong>de</strong>r<br />

halten. Nach <strong>de</strong>m Frühstück än<strong>de</strong>rte sich meine Meinung schlagartig:<br />

nicht aus Berlin raus, nein weglaufen bringt nichts. Wenn sie mit <strong>de</strong>m<br />

Feuer spielen wollten, Bitte Schön!<br />

Ich setzte mich an meine kleine Kommo<strong>de</strong> im Zimmer und bereitete<br />

einen vier Seiten langen, handgeschriebenen Brief auf Englisch vor.<br />

Darin schil<strong>de</strong>rte ich <strong>de</strong>m US-Botschafter in Berlin, Hr. D.R. Coasts und<br />

seinem Vize T.R. Suell meine Lage und bat um Hilfe.<br />

Ich verabschie<strong>de</strong>te mich von Petra, die sich gera<strong>de</strong> aufmachte, ihren<br />

Freund besuchen zu gehen. Ich nahm die externe Harddisk, packte sie<br />

zusammen mit meinem Pass in die Manteltasche und fuhr mit <strong>de</strong>n<br />

öffentlichen Verkehrsmitteln so nahe wie möglich an die US-Botschaft in<br />

die Neustädtische Kirchstrasse Nr. 4-5.<br />

War schwer Bewacht die Bu<strong>de</strong>. „9/11‚ war ja noch sehr frisch in <strong>de</strong>n<br />

Köpfen. Ich schlen<strong>de</strong>rte an <strong>de</strong>r Botschaft vorbei und versuchte so gut es<br />

geht keine Aufmerksamkeit bei <strong>de</strong>n Polizisten zu erwecken. Auf einmal<br />

war ich mir meiner Mission nicht mehr sicher. Wür<strong>de</strong>n die Amis ohne<br />

vorherigen Kontakt (Telefon, Emails), meine Geschichte verstehen,<br />

verstehen wollen? Hätten sie genügend Zeit für mich? I didn’t know!<br />

Ich könnte ja später wie<strong>de</strong>r kommen. Ich notierte mir die Öffnungszeiten<br />

für Besucher/Antragsteller und nahm <strong>de</strong>n Bus zum Zoologischen Garten.<br />

Dann kam mir in <strong>de</strong>n Sinn, dass ich <strong>de</strong>n nahe liegen<strong>de</strong>n Wittenberg Platz<br />

ja vermei<strong>de</strong>n musste, wegen meiner früheren Vermieterin Daniela. Ich<br />

spazierte <strong>de</strong>n ganzen Tag herum. Auf einmal stand ich in <strong>de</strong>r Strasse, in<br />

<strong>de</strong>r auch das Finanzministerium ist, in <strong>de</strong>r Wilhelmstrasse. Ob dies ein<br />

Zeichen war, fragte ich mich. Es musste etwas her, was mich ablenken<br />

wür<strong>de</strong>. Sport war immer gut dafür. Ein Schwimmbad hatte offen und ich<br />

schwamm min<strong>de</strong>stens 60 Minuten und konnte meine Gedanken dabei<br />

wie<strong>de</strong>r reinwaschen und ordnen. Hungrig wie ein Bär nach <strong>de</strong>m<br />

Winterschlaf würgte ich nach <strong>de</strong>m Schwimmen einen feinen Kebab<br />

runter. Da neben <strong>de</strong>r Fastfoodbu<strong>de</strong> praktischerweise ein türkischer<br />

Coiffeur & Barbier war, machte ich mich 35 Minuten später frisch<br />

geschnitten und sauber rasiert auf <strong>de</strong>n Heimweg.<br />

<strong>Der</strong> Sonntag war einer <strong>de</strong>r einsamsten, <strong>de</strong>n ich je erlebt hatte. Was mir<br />

etwas Tröstung gab, war die Gewissheit, dass einige in Vaduz <strong>de</strong>rzeit<br />

267


auch kein leichtes Leben hatten. Nach langem Grübeln entschloss ich<br />

mich am Montag, einen Beweis nach Vaduz zu liefern.<br />

<strong>Der</strong> 27. Januar kam und ich stand schon als erster Kun<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>r Berliner<br />

Sparkassenfiliale, wo ich meinen Laptop im Safe verstaut hatte. Ich<br />

entnahm ihn und fuhr mit <strong>de</strong>m Taxi in Richtung Wohnung, wobei ich<br />

mich ca. 800m Meter davon entfernt absetzten liess. Sicher ist Sicher.<br />

Für eine gute Weile musste ich die Software für die Entschlüsselung<br />

laufen lassen. Erst dann konnte ich die <strong>Daten</strong> lesen. <strong>Die</strong> Frage war nun,<br />

wie viel von <strong>de</strong>n hun<strong>de</strong>rttausen<strong>de</strong> Dokumenten ich als Beweis auf<br />

externe <strong>Daten</strong>träger, die ich irgendwie nach Vaduz beför<strong>de</strong>rn musste,<br />

brennen sollte. Ich hätte nach Mandatsnummer o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Alter <strong>de</strong>s<br />

Mandats gehen können, o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r Grösse <strong>de</strong>r Vermögen, o<strong>de</strong>r nach<br />

einer eigenen Liste <strong>de</strong>r dicksten Leichen im Keller o<strong>de</strong>r PEPs (Politisch<br />

exponierte Persönlichkeiten o<strong>de</strong>r Parteien).<br />

Da ich reichlich Zeit hatte, fand ich es genüge, wenn ich ca. 10 Prozent<br />

<strong>de</strong>r Gesamtmenge aller Kun<strong>de</strong>ndaten auf die CDs brannte. Das sollte<br />

genügen, um die in Vaduz zu überzeugen. Ich schloss die externe<br />

Master-Harddisk, eine eins zu eins Kopie <strong>de</strong>s DLT-Tapes, an <strong>de</strong>n Laptop<br />

an. Dann wählte ich <strong>Daten</strong> aus fast allen Kun<strong>de</strong>ndossiers aus und<br />

brannte diese unverschlüsselt und unkomprimiert auf vier neue CDs mit<br />

jeweils 700 MB Speicherplatz.<br />

Ich inkludierte alle PEP-Mandate sowie auch ca. 25 Prozent aller Leichen<br />

(Mandate mit erkennbarem kriminellen Hintergrund, mit o<strong>de</strong>r ohne<br />

Mitwirkung <strong>de</strong>r LGT Gruppe). Darin waren auch alle jene Mandate (von<br />

US- und Deutschen Kun<strong>de</strong>n), die ich im Brief vom 7.1.03 an Hans-Adam<br />

unter Punkt V. + VI. geschil<strong>de</strong>rt hatte.<br />

Anm.: Mit Absicht hatte ich keine <strong>de</strong>r massenhaften INTERNEN, nicht<br />

mandatspezifischen Dokumente auf die CDs kopiert, da ich nicht preisgeben<br />

wollte, an welchem Datum ich 2002 das Back-Up-Tape entwen<strong>de</strong>t hatte und sie<br />

anhand solcher Dokumente <strong>de</strong>n Tag sehr genau hätten errechnen können.<br />

Bis heute weiss niemand in Vaduz, welche und wie viel interne Dokumente in<br />

meinem und nun im Besitz <strong>de</strong>r ausländischen Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong>n sind.<br />

Was <strong>de</strong>n Letzteren immer noch zum strategischen Vorteil dient.<br />

268


Das Total <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> auf <strong>de</strong>n vier CDs erreichte dann genau 1,590<br />

Gigabyte. Ich hätte diese vier CDs auch aus Sicherheitsgrün<strong>de</strong>n<br />

verschlüsseln können, entschied mich aber dagegen, da ich vermei<strong>de</strong>n<br />

wollte, dass noch mehr Zeit verloren ging und unvorhergesehene<br />

Störungen erst gar nicht aufkommen konnten.<br />

Nicht, dass ich an <strong>de</strong>r Fähigkeit <strong>de</strong>r IT-Abteilung <strong>de</strong>r LGT gezweifelt<br />

hätte, verschlüsselte <strong>Daten</strong> mittels mitgelieferter<br />

Entschlüsselungssoftware lesbar zu machen. Aber die Tatsache, dass sie<br />

meine Entwendung <strong>de</strong>s DLT-Tapes und somit <strong>de</strong>n Besitz <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong><br />

offenbar kategorisch abgelehnt hatten, musste ich in meinem Denken<br />

und Han<strong>de</strong>ln berücksichtigen. Zu<strong>de</strong>m hatte ich ja vor, die <strong>Daten</strong> auf <strong>de</strong>n<br />

CDs zusammen mit Instruktionen Hans-Adam zukommen zu lassen,<br />

sodass er mittels einem seiner Computer im Schloss die Dateien ohne<br />

Probleme öffnen könnte.<br />

Das grösste Problem für mich war, die CDs sicher bei Hans-Adam<br />

abzuliefern, ohne die <strong>Daten</strong> und natürlich mich selbst in Gefahr zu<br />

bringen. Am Besten wäre es, wenn ich von meinem Plan überhaupt<br />

nichts im Voraus erzählte. Viele Möglichkeiten hatte ich ja nicht. Nach<br />

Vaduz zu reisen? Logischerweise NIE. Jemand von dort nach Berlin zu<br />

beor<strong>de</strong>rn? Keine gesun<strong>de</strong> I<strong>de</strong>e. Hatte sich ja gezeigt. Per Einschreiben die<br />

Ware versen<strong>de</strong>n? Zu grosses Risiko, da das Paket verloren gehen könnte.<br />

Zu<strong>de</strong>m wür<strong>de</strong> eine solche Sendung über <strong>de</strong>n Schweizer Zoll gehen, was<br />

auch nicht wünschenswert war.<br />

Schliesslich fand ich eine Lösung. Das kleine Liechtenstein hatte ja eine<br />

eigene Botschaft in Berlin. Und zwar eingeglie<strong>de</strong>rt in eine<br />

Rechtsanwaltskanzlei o<strong>de</strong>r ähnlichem. In <strong>de</strong>r Mohrenstrasse 42, in Berlin<br />

– 10117. Ich war mir ganz sicher, dass die von <strong>de</strong>r Botschaft nichts von<br />

<strong>de</strong>m Drama <strong>de</strong>r vergangenen 14 Tage wussten. Ich erinnerte mich, wer<br />

<strong>de</strong>r nicht residieren<strong>de</strong> Botschafter von Liechtenstein in Deutschland war.<br />

Er wohnte noch im Ländle. Erst viele Monate später, als Liechtenstein<br />

eine Villa in bester Lage in Berlin kaufte, sie<strong>de</strong>lte er um. Ich rief die<br />

Botschaft an und mel<strong>de</strong>te mich unter <strong>de</strong>m Namen Sebastian. Eine Frau<br />

Namens Frenkel gab mir die Öffnungszeiten bekannt und ich bedankte<br />

mich brav. Bevor ich dort aufkreuzen wollte, musste ich die Umgebung<br />

genau inspizieren. Es war ein nicht gera<strong>de</strong> schönes Bürogebäu<strong>de</strong>,<br />

obwohl relative neu. Eine kleine Tafel informierte die Passanten, dass<br />

hier die Botschaft Liechtensteins angesie<strong>de</strong>lt war. Ich fuhr mit <strong>de</strong>m Lift<br />

269


in die angegebene Etage und schaute mich um. Alles OK. Ich entschloss<br />

mich, die CDs spätestens am Mittwoch, <strong>de</strong>n 29.01. ohne Ankündigung<br />

bei <strong>de</strong>r Botschaft abzugeben.<br />

Am <strong>Die</strong>nstag, <strong>de</strong>n 28.01. fertigte ich zwei Briefe an, einen von Hand,<br />

einen brannte ich auf CD.<br />

H. Kieber, 28.01.2003 - An die Liechtensteinische Botschaft z. Hd.<br />

Frau Frenkel, Mohrenstrasse 42 - 10117 Berlin - Sehr geehrte Frau<br />

Frenkel. In <strong>de</strong>r Beilage erhalten Sie einen Umschlag, <strong>de</strong>r für<br />

unseren <strong>Fürst</strong>en, S.D. Hans-Adam <strong>de</strong>r II. bestimmt ist. Es sind<br />

<strong>Daten</strong>träger im Umschlag. Ich bitte Sie, das Schloss in Vaduz<br />

o<strong>de</strong>r die persönliche Handynummer S.D. 00423 xxx xx xx gleich<br />

anzurufen und mitzuteilen, dass ein Umschlag mit <strong>Daten</strong> S.D.<br />

abgegeben wor<strong>de</strong>n ist. Ich bitte Sie, die Weiterleitung an S.D.<br />

gemäss seinen Wünschen auszuführen. Wenn S.D. eine<br />

Abholung per Gesandten nicht wünscht, bitte ich auf je<strong>de</strong>n Fall<br />

<strong>de</strong>n Umschlag mit Diplomatenpost nach EL zu versen<strong>de</strong>n, da die<br />

<strong>Daten</strong> unverschlüsselt sind. Ich danke viel Ihnen vielmals und<br />

verbleibe mit freundlichen Grüssen H.K.<br />

Anschliessend brachte ich <strong>de</strong>n Laptop zurück in <strong>de</strong>n Banksafe.<br />

Am Mittwochmorgen packte ich die CDs in ein Kuvert und schrieb mit<br />

dickem Filzstift drauf: Bitte Aushändigen - Persönlich/Vertraulich. An<br />

S.D. <strong>Fürst</strong> Hans-Adam, Schloss Vaduz, 9490 Vaduz, F. Liechtenstein. Auf<br />

<strong>de</strong>r Rückseite: H.Kieber. <strong>Die</strong>ses Kuvert verklebte ich mit breitem<br />

Paketklebeband und steckte es in ein grösseres Kuvert. Darauf notierte<br />

ich: FL-Botschaft, Frau Frenkel, Mohrenstr. 42, 10117 Berlin.<br />

Ich begab mich zu dieser Adresse und fuhr mit <strong>de</strong>m Lift hoch. Ich betrat<br />

das Büro und fragte nach Frau Frenkel. Sie kam und ich sagte ihr in<br />

wenigen Worten, dass ich <strong>de</strong>n Auftrag hätte, dieses Paket hier<br />

abzugeben und sie zu bitten, das <strong>Fürst</strong>enhaus gleich anzurufen. <strong>Die</strong><br />

wür<strong>de</strong>n auf ihren Anruf warten, täuschte ich vor. Vielen Dank und auf<br />

Wie<strong>de</strong>rsehen. Sie wollte noch was fragen, aber ich war schon auf <strong>de</strong>m<br />

Sprung hinaus. Rauf, rein, runter, raus - alles innerhalb von 2 Minuten.<br />

Ich entfernte mich so schnell es ging von <strong>de</strong>r Botschaft. Um ganz sicher<br />

zu gehen, dass Hans-Adam die Ware bekommen wür<strong>de</strong>, ging ich in ein<br />

Internetcafé und schrieb von meinem eigenen Emailkonto aus aufs<br />

Schloss. Keine vielen Sätze. Ich vermerkte lediglich, dass gera<strong>de</strong><br />

270


<strong>Daten</strong>material für Hans-Adam bei <strong>de</strong>r FL-Botschaft in Berlin abgegeben<br />

wor<strong>de</strong>n war.<br />

Bitte, er solle sich gleich darum kümmern, da die <strong>Daten</strong> unverschlüsselt<br />

wären. Es hatte natürlich einen Grund, warum ich für diese Mitteilung<br />

nicht das gemeinsame Emailkonto auf catholic.org verwen<strong>de</strong>t hatte. Ich<br />

wollte dieses mal Hans-Adam die technische Möglichkeit geben,<br />

nachzuprüfen, ob meine Email wirklich aus Berlin kam.<br />

Dank <strong>de</strong>r IP-Adresse könnte er dies herausfin<strong>de</strong>n. Mit <strong>de</strong>r Zuversicht,<br />

dass <strong>de</strong>r Ball wie<strong>de</strong>r bei Hans-Adam lag, begab ich mich erleichtert auf<br />

<strong>de</strong>n Heimweg.<br />

Unangenehme Nachrichten gab es aber dann bei Ankunft. Petra hatte<br />

ihrem eifersüchtigen Schatz erzählt, dass ich bei ihr in Untermiete war.<br />

Er sei sehr beunruhigt darüber und Petra bat mich darum, etwas an<strong>de</strong>res<br />

zu suchen. Was konnte ich da noch erwi<strong>de</strong>rn? Ich erreichte, dass ich<br />

noch bis zum Montag, <strong>de</strong>n 03. Februar bleiben konnte. Ich war mir<br />

sicher, dass ich etwas an<strong>de</strong>res fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>.<br />

VADUZ 25. – 30. Januar 2003<br />

Mit einer Mischung aus Angespanntheit und Verdrängung ging man in<br />

Vaduz mangels neuer Nachrichten in <strong>de</strong>r Causa Kieber <strong>de</strong>m gewohnten<br />

Gang <strong>de</strong>r Dinge nach. The Show must go on! Hans-Adam und seine<br />

Familie waren in <strong>de</strong>r Endphase <strong>de</strong>s erbitterten Abstimmungskampfs<br />

über die neue Verfassung für Liechtenstein. <strong>Die</strong> Abstimmung war für<br />

März 2003 geplant. Eine neue Verfassung, die einseitig von ihm<br />

erwünscht wur<strong>de</strong> und von seinen eigenen Experten formuliert wur<strong>de</strong>,<br />

wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Hans-Adam noch nie da gewesene Macht verleihen.<br />

Insbeson<strong>de</strong>re in Sachen Richterernennung, und -bestätigung, <strong>de</strong>r<br />

Auflösung <strong>de</strong>s Parlaments, <strong>de</strong>m Notrecht und an<strong>de</strong>ren grundstaatlichen<br />

Pfeiler wur<strong>de</strong> heftig im Land gestritten.<br />

Hans-Adam hatte mehrfach damit gedroht, dass – falls er nicht die<br />

Mehrheit <strong>de</strong>r Stimmen bekommen wür<strong>de</strong>, er OZA- mit Sack und Pack<br />

(Familie und Bil<strong>de</strong>r) nach Wien auswan<strong>de</strong>rn wür<strong>de</strong> -OZE. Er sagte auch,<br />

OZA- dass sich das Ländle seiner Meinung nach, dann Microsoft nennen<br />

könnte -OZE. Den Namen „Liechtenstein‚ nehme er ja mit (nach Wien).<br />

271


<strong>Die</strong> Befürworter und Gegner waren in ungefähr zwei gleichgrosse Lager<br />

geteilt. Trotz<strong>de</strong>m erlebte die Mehrheit <strong>de</strong>r Liechtensteiner wie<br />

anmassend und verletzend Hans-Adam mit einigen Bürgern und<br />

<strong>de</strong>mokratisch gewählten Politikern umging. Insbeson<strong>de</strong>re die, die sich<br />

offen gegen die neue Verfassung stellten, erlebten blanken Horror.<br />

Hans-Adam hatte immer schon eine hinterlistige, sehr perfektionierte<br />

Strategie, um seine (politischen) Gegner mit Worten zu verletzen.<br />

Wirkliche Gegner waren es aus seiner Sicht ja eh nicht. Hans-Adam<br />

kalkulierte sehr clever. Er wusste, solange er die Fiktion <strong>de</strong>r<br />

aufziehen<strong>de</strong>n, bösen Wolken am Himmel über Liechtenstein, die wie ein<br />

Hurrikan über die Menschen herabstürzen wür<strong>de</strong>n sobald das Blaue<br />

Blut abzieht, in <strong>de</strong>n Köpfen vor allem <strong>de</strong>r älteren Bevölkerung frisch<br />

hielt, solange konnte er sich einem Sieg sicher sein. Ich selber war ja ein<br />

Monarchist. Ich verbin<strong>de</strong> vor allem wun<strong>de</strong>rschöne und persönliche<br />

Erinnerungen mit <strong>de</strong>n 1989 verstorbenen Eltern von Hans-Adam, <strong>Fürst</strong><br />

Franz-Josef und <strong>Fürst</strong>in Gina. Bei<strong>de</strong> waren ein ganz an<strong>de</strong>rer<br />

Menschenschlag.<br />

Am Montag, <strong>de</strong>n 27.01. exekutierte man eine Razzia in zwei Wohnungen<br />

in Balzers. Man wartete, bis die Bewohner nicht anwesend waren. Es<br />

wur<strong>de</strong> nichts gefun<strong>de</strong>n. Dann aber am Mittwoch, <strong>de</strong>n 29.01., keine zehn<br />

Minuten nach<strong>de</strong>m auf Schloss Vaduz eine neue Email von Kieber<br />

geöffnet und gelesen wur<strong>de</strong>, rief <strong>de</strong>r Liechtensteiner Botschafter aus<br />

Berlin an. Er fragte, ob Hans-Adam anwesend sei. Man verneinte dies. Er<br />

habe ein versiegeltes Kuvert für Hans-Adam in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n. Auf <strong>de</strong>r<br />

Rückseite stehe „H.Kieber‚. Und dazu einen handgeschriebener Brief.<br />

Man bat ihn diesen am Telefon vorzulesen, die Leitung sei relativ sicher.<br />

Er las ihn vor. Auf Grund <strong>de</strong>r ihr bekannten Sachlage, stellte die<br />

Sekretärin im Schloss <strong>de</strong>n Anruf zum Bürotisch von Erbprinz Alois<br />

durch. <strong>Die</strong>ser fragte <strong>de</strong>n Botschafter, ob er Kieber gesehen hätte, was<br />

dieser verneinte. Man kenne die Person, die <strong>de</strong>n Umschlag abgegeben<br />

habe, nicht. Gemäss Frau Frenkel soll es sich um einen "Kurier"<br />

gehan<strong>de</strong>lt haben. Alois ordnete an, <strong>de</strong>n Umschlag NICHT zu öffnen und<br />

bat <strong>de</strong>n Botschafter so schnell wie möglich die Ware persönlich nach<br />

Vaduz zubringen. Um eine mögliche Kontrolle zu vermei<strong>de</strong>n, solle <strong>de</strong>r<br />

Botschafter <strong>de</strong>n Diplomatenkoffer als Transportmittel für die <strong>Daten</strong><br />

verwen<strong>de</strong>n. Ein Diplomatenkoffer kann von Deutscher Seite aus nicht<br />

inspiziert wer<strong>de</strong>n.<br />

272


Bei nächster Gelegenheit wur<strong>de</strong> Hans-Adam von seinem Sohn<br />

informiert, anschliessend die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s KKZ. Es wur<strong>de</strong> eine Sitzung<br />

<strong>de</strong>s KKZ für Donnerstagmittag, 13 Uhr anberaumt. Bis dahin sollte <strong>de</strong>r<br />

Botschafter angekommen sein. Nach Ankunft in Zürich am Donnerstag,<br />

<strong>de</strong>n 30.01. wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Botschafter von Chauffeur Kaiser abgeholt und<br />

direkt aufs Schloss gefahren. Er wun<strong>de</strong>rte sich etwas über die grosse<br />

Aufmerksamkeit, die er da erleben durfte. Er wur<strong>de</strong> we<strong>de</strong>r von Hans-<br />

Adam noch vom KKZ je aufgeklärt. Als gebil<strong>de</strong>ter Mann konnte er sich<br />

schon einiges nahe <strong>de</strong>r Wahrheit selber vorstellen. <strong>Die</strong> CDs wur<strong>de</strong>n im<br />

Schloss vom Botschafter abgegeben und vom Sekretariat bis auf <strong>de</strong>n<br />

nächsten Tag in einem Safe eingeschlossen, weil Hans-Adam selber beim<br />

Öffnen <strong>de</strong>r Datei anwesend sein wollte.<br />

Einige Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s KKZ gerieten kurzzeitig in Panik, da sie in <strong>de</strong>r<br />

Hektik etwas missverstan<strong>de</strong>n hatten. Irgendjemand hatte gesagt, dass<br />

Kieber angeblich CDs mit LGT-Kun<strong>de</strong>ndaten <strong>de</strong>r US-Botschaft gegeben<br />

hätte und die Amis sich nun gemel<strong>de</strong>t hätte. Weiterhin wur<strong>de</strong> gesagt,<br />

dass man davon ausgehen müsste, dass die <strong>Daten</strong> echt seien. Es folgten<br />

ein paar klären<strong>de</strong> Telefonate zwischen <strong>de</strong>m KKZ, <strong>de</strong>m Büro <strong>de</strong>s<br />

Regierungschefs und <strong>de</strong>m Schloss. Erleichtert, dass es sich um die eigene<br />

Botschaft und nicht die <strong>de</strong>r Amis han<strong>de</strong>lte, warteten alle gespannt auf<br />

<strong>de</strong>n nächsten Tag und was ihnen Hans-Adam berichten wür<strong>de</strong>.<br />

273


KAPITEL 10 Heinrich! Mir graut’s vor Dir.<br />

VADUZ 31. Januar 2003<br />

Zu ungewöhnlich früher Stun<strong>de</strong> waren Hans-Adam und sein Sohn in<br />

ihren Büros schon sehr aktiv. <strong>Der</strong> Bankdirektor konnte nicht anwesend<br />

sein, da er ausser Lan<strong>de</strong> war. Im Hinterkopf <strong>de</strong>r Hochwohlgeborenen<br />

muss es wohl immer noch das Hirngespinst gegeben haben, Kieber habe<br />

die <strong>Daten</strong> nicht. Hans-Adam kam auf die übergeschnappte I<strong>de</strong>e, dass<br />

Kieber ihm anstelle <strong>de</strong>r behaupteten <strong>Daten</strong> einen Computervirus, o<strong>de</strong>r<br />

noch schlimmer, eine Briefbombe geschickt haben könnte.<br />

Da we<strong>de</strong>r er noch sonst jemand aus seiner Familie sich die Finger<br />

verbrennen wollten, rief man die Kriminalpolizei zu sich. <strong>Die</strong>se brachte<br />

das Paket in ihre Spezialabteilung unten im Polizeigebäu<strong>de</strong>. Während<br />

eines Telefongesprächs mit <strong>de</strong>m Schloss öffnete man unter strengen<br />

Sicherheitsvorkehrungen das kleine braune Paket. Nein, kein Sprengstoff<br />

drin, nur vier brandneue CDs. Ein Virencheck wur<strong>de</strong> durchgeführt: alles<br />

clean. Kein Virus.<br />

Hans-Adam verlangte dann sofort, dass man die CDs aufs Schloss<br />

bringen sollte. Er untersagte er seiner Polizei, sich die Dokumente auf<br />

<strong>de</strong>r CD anzusehen. Er wollte von <strong>de</strong>n Original-CDs eine Kopie erstellen<br />

und diese <strong>de</strong>r LGT zur Prüfung geben.<br />

Doch es gab ein Missverständnis zwischen <strong>de</strong>r Sekretärin vom Schloss<br />

und <strong>de</strong>m ranghohen Beamten. Er verstand es so, dass er eine<br />

originalgetreue Kopie <strong>de</strong>r CDs brennen und diese zum Schloss bringen<br />

sollte. <strong>Die</strong> Originale wür<strong>de</strong> er dann (ungesehen) bei <strong>de</strong>r Kripo im Safe<br />

lassen. Er stelle also die Kopien her und fuhr sie hoch zum Schloss.<br />

Anm.: Hans-Adam wusste bis zum Spätsommer 2003 nicht einmal, dass seine<br />

Polizei En<strong>de</strong> Januar 2003 irrtümlicherweise die Original-CDs behielt und diese<br />

seit damals in ihrem Safe aufbewahrte und er nur eine Kopie erhalten hatte. Ich<br />

erfuhr davon per Zufall, als ich im Spätsommer 2003 einen diesbezüglichen<br />

kleinen Vermerk <strong>de</strong>r Polizei in einer an<strong>de</strong>ren Aufzeichnung gefun<strong>de</strong>n hatte. Ich<br />

kopierte diesen Vermerk und schickte es mit einer Kurznotiz Anfang September<br />

2003 Hans-Adam zur Kenntnisnahme ins Schloss.<br />

Oben im Schloss hatte niemand bemerkt, dass die gelieferten CDs gera<strong>de</strong><br />

erst frisch von <strong>de</strong>r Kripo gebrannt wor<strong>de</strong>n waren. Es wur<strong>de</strong> die erste CD<br />

in das Laufwerk gelegt. Mit je<strong>de</strong>m Klick, mit je<strong>de</strong>m Öffnen einer Datei<br />

274


wur<strong>de</strong>n die Gesichter länger, die Augen grösser, <strong>de</strong>r Druck im Kopf<br />

stärker. <strong>Die</strong> genauen ersten Worte sind nicht überliefert, aber Hans-<br />

Adam wünschte sich in die Zeiten Napoleons zurück (übrigens erst dank<br />

diesem Kaiser ging es mit <strong>de</strong>n „von Liechtensteins‚ steil bergauf), wo<br />

Blaublut machen konnte, was es wollte. Beson<strong>de</strong>rs mit Leuten wie<br />

Kieber.<br />

ER HATTE DIE DATEN! ER HATTE DIE DATEN!<br />

<strong>Der</strong> Mistkerl hatte die Scheissdaten! TONNENWEISE! Augenblicklich<br />

wur<strong>de</strong> Hans-Adam bewusst, dass er von seinen Untergebenen im Land<br />

und <strong>de</strong>r Führung <strong>de</strong>r LGT komplett falsch informiert wor<strong>de</strong>n war.<br />

<strong>Die</strong> Magensäure musste sich hoch gefressen haben, als ihm und seinem<br />

Sohn klar wur<strong>de</strong>, dass sie seit sie Kieber in Deutschland via Interpol<br />

„zum Abschuss‚ freigegeben hatten, an ihrem Grabstein meisselten. Es<br />

muss eine sehr absur<strong>de</strong> Situation für sie gewesen sein.<br />

Es dauerte einige Stun<strong>de</strong>n, bis man sich auf <strong>de</strong>m Schloss wie<strong>de</strong>r beruhigt<br />

hatte. <strong>Der</strong> Professor war <strong>de</strong>r Erste, <strong>de</strong>n Hans-Adam zu sich rief.<br />

Psychologischer Beistand war jetzt gefragt. <strong>Der</strong> Professor, <strong>de</strong>r die <strong>Daten</strong><br />

selber nie einsehen durfte (und auch in dieser Situation nicht zu Gesicht<br />

bekam), konnte sein Kopfschütteln nicht verbergen. Es war aber kein<br />

Schütteln, weil Kieber die <strong>Daten</strong> hatte, nein, er wagte zu bemerken, dass<br />

er sie doch gewarnt hatte, nichts in Sachen inoffizielle o<strong>de</strong>r offizielle Jagd<br />

und Hetzte auf Kieber zu unternehmen, solange man mit ihm re<strong>de</strong>n<br />

könnte und solange man nicht zu 100 Prozent sicher war, dass er keine<br />

<strong>Daten</strong> habe.<br />

Von diesem Zeitpunkt an hörte Hans-Adam ein wenig mehr auf <strong>de</strong>n<br />

Professor. <strong>Die</strong> an<strong>de</strong>ren Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s KKZ wollten nicht glauben, dass<br />

Kieber die <strong>Daten</strong> hatte. Sie baten einen Blick darauf werfen zu dürfen.<br />

Insbeson<strong>de</strong>re die LGT musste natürlich mit eignen Augen sehen, was<br />

ihnen abhan<strong>de</strong>n gekommen war. Man schlug <strong>de</strong>m Hans-Adam vor, die<br />

vier CDs gemeinsam bei <strong>de</strong>r LGT Bank, nicht bei <strong>de</strong>r LGT Treuhand,<br />

anzuschauen. Hans-Adam war zuerst dagegen. Drei Stun<strong>de</strong>n später<br />

beschloss er, nur eine auf <strong>de</strong>m Schloss neuerstellte Kopie <strong>de</strong>r CDs auf<br />

einem Computer <strong>de</strong>s KKZ öffnen zu lassen, da er Angst hatte, die LGT<br />

sei nicht in <strong>de</strong>r Lage, die <strong>Daten</strong> ohne grosses Aufsehen auf ihren eigenen<br />

PCs zu la<strong>de</strong>n. Nicht unbedingt ganz nachvollziehbar, jedoch hatte er,<br />

wie immer, das letzte Wort. Aber nur eine Person aus <strong>de</strong>m KKZ, die<br />

dorthin von <strong>de</strong>r LGT gesandt wor<strong>de</strong>n war, durfte die CDs im Detail<br />

inspizieren. <strong>Die</strong> an<strong>de</strong>ren Anwesen<strong>de</strong>n durften aus gutem Grund nur<br />

275


flüchtig einen Blick auf die heisse Ware werfen. <strong>Die</strong> LGT Person<br />

errechnete das Total <strong>de</strong>r gesamten gespeicherten <strong>Daten</strong>menge auf 1,287<br />

Gigabyte.<br />

Anm.: Achtung! Man rechne: In Berlin abgegeben: 1,590 GB, beim KKZ<br />

angelangt: 1,287 GB. Hoppla, da fehlen ja 0,303 GB, also über 300 MB. Wo<br />

sind die <strong>de</strong>nn hin? Dafür gibt es nur eine Erklärung: Hans-Adam muss<br />

angeordnet haben, die seiner Meinung nach schlimmsten Mandate für die neue<br />

Kopie wegzulassen.<br />

Er wollte Verhin<strong>de</strong>rn, dass frem<strong>de</strong>n Augen, namentlich die <strong>de</strong>r Justiz, Polizei<br />

und Regierung - obwohl auf je<strong>de</strong>n Fall alle auf seiner Seite waren - Dinge sehen,<br />

die sie prinzipiell nichts angehen.<br />

Er wusste ja nicht, dass die Polizei eine eigene Kopie im Safe schlummern hatte.<br />

Ich kann auch berichten, dass einzelne Personen aus <strong>de</strong>r Kripo später die <strong>Daten</strong><br />

in <strong>de</strong>r Tat gemustert hatten. Warum sollten sie auch nicht?<br />

Man kann ruhig sagen, dass allen Anwesen<strong>de</strong>n kotzübel wur<strong>de</strong>, wobei<br />

auf einer Skala unten die Polizei, in <strong>de</strong>r Mitte die Justiz und an <strong>de</strong>r<br />

Spitze die Regierung zusammen mit <strong>de</strong>r LGT einzuglie<strong>de</strong>rn waren. Man<br />

holte sich die Verantwortlichen <strong>de</strong>r IT-Abteilung. <strong>Die</strong>se waren verblüfft<br />

und geschockt. Es machte keinen Sinn, übermässig auf die IT-Leute<br />

einzudreschen.<br />

<strong>Die</strong> KKZ beriet was man tun könnte, um zu verhin<strong>de</strong>rn, dass die<br />

<strong>de</strong>utschen Behör<strong>de</strong>n Kieber fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Wahrscheinlichkeit das<br />

Deutschland Kieber aktiv suchen wür<strong>de</strong>, hatte Liechtenstein selber<br />

massiv gesteigert, in<strong>de</strong>m es Kieber als bewaffnet, geistesgestört und mit<br />

hoher Gewaltbereitschaft gebrandmarkt hatten. Und darüber noch<br />

nachschoben, dass <strong>de</strong>utsche Bürger (Helmut R. und sein Schwager)<br />

angeblich in "Lebensgefahr" seien.<br />

Man war sich in Vaduz sicher, dass die <strong>de</strong>utsche Polizei eine in <strong>de</strong>ren<br />

Augen sicher „seriöse‚ Meldung mit solchem Inhalt nicht einfach links<br />

liegen lassen wür<strong>de</strong>. Etliche Varianten wur<strong>de</strong>n diskutiert. Z.B. könnte<br />

man nach Deutschland eine neue Interpolmeldung sen<strong>de</strong>n, worin man<br />

die erste und zweite Meldung korrigierte, in<strong>de</strong>m man schreiben wür<strong>de</strong><br />

dass Kieber nicht in Berlin son<strong>de</strong>rn in Basel sei.<br />

<strong>Die</strong> Hinweise, die Interpol Vaduz erhalten hatte, wären falsch gewesen.<br />

Man hätte die Städte verwechselt. O<strong>de</strong>r ein an<strong>de</strong>rer Vorschlag war, dass<br />

man mel<strong>de</strong>te, man hätte Kieber verhaften können und es daher keine<br />

Anhaltspunkte mehr gäbe, ihn in Berlin zu vermuten o<strong>de</strong>r gar zu<br />

suchen. Am En<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> beschlossen, keine neue Meldung in Sachen<br />

276


Kieber an Interpol Wiesba<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r sonst jeman<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r EU zu sen<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong>s darum, weil man befürchtete, dass eine erneute Meldung nur die<br />

Aufmerksamkeit auf <strong>de</strong>n Fall lenken wür<strong>de</strong>. Ein an<strong>de</strong>res, Hirn<br />

verbrennen<strong>de</strong>s Gefühl machte sich innerhalb <strong>de</strong>s KKZ breit. Vor ein paar<br />

Tagen noch wollten viele <strong>de</strong>n Kopf von Kieber rollen sehen, nun war es<br />

so, dass sie ihm „zu Hilfe‚ eilen mussten.<br />

Man entschloss sich, wie<strong>de</strong>r mit Kieber zu re<strong>de</strong>n, ihm aber nichts über<br />

Interpol u.s.w. zu sagen, damit er nicht noch aufgewühlter wür<strong>de</strong>.<br />

Langsam aber sicher sank die Erkenntnis in <strong>de</strong>n Köpfen, selbst bei Hans-<br />

Adam, ein, dass Kieber mit seiner Argumentation zu Gunsten einer<br />

Schutz-ID eigentlich Recht hatte.<br />

Man kam zum Schluss, dass Kieber im Moment sicherlich sehr gut auf<br />

sich selber aufpassen konnte und einem Zugriff <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Behör<strong>de</strong>n<br />

zu entgehen wusste. <strong>Der</strong> Professor wur<strong>de</strong> beauftragt, eine Strategie zu<br />

entwickeln, die <strong>de</strong>r neuen Lage entsprach. Das ursprüngliche Ziel aber<br />

bleibe weiterhin bestehen: die <strong>Daten</strong> und <strong>de</strong>n Kieber sicher nach Vaduz<br />

bringen, koste es was es wolle.<br />

Nach einem sehr langen und harten Tag ordnete Hans-Adam an, <strong>de</strong>n<br />

folgen<strong>de</strong>n Text um 20.04 Uhr in das Emailkonto zu stellen.<br />

Material ist angekommen. Weitere Infos hier am Montag,<br />

03.02.2003, ca. 11:30<br />

BERLIN 31. Januar 2003<br />

Den ganzen Tag zerbrach ich mir meinen Kopf darüber, was<br />

Liechtenstein wohl alles mit <strong>de</strong>r „Variante 2‚ ausgelöst hatte. Ich<br />

vermutete, dass die Schnüffler nicht zurückgepfiffen wor<strong>de</strong>n waren,<br />

son<strong>de</strong>rn im Gegenteil, weiter im Sol<strong>de</strong> Hans-Adams stehen wür<strong>de</strong>n, um<br />

mich zu fin<strong>de</strong>n und mich dann <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Behör<strong>de</strong>n zu übergeben.<br />

Alles abgewogen, entschloss ich, Berlin zu verlassen. Aber wohin nur,<br />

mit all <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> und Papierdokumenten?<br />

Ich konnte keinen internationalen Flug buchen, da ich wusste, dass die<br />

Wahrscheinlichkeit sehr hoch sein wür<strong>de</strong>, dass ausgerechnet mein Pass<br />

o<strong>de</strong>r die ID am Flughafen durch das Lesegerät gezogen wür<strong>de</strong>n und<br />

dann das Chrom <strong>de</strong>r Handschellen blitzen wür<strong>de</strong>. Ich ging die Liste <strong>de</strong>r<br />

Län<strong>de</strong>r durch, die ich auf <strong>de</strong>m Landweg erreichen könnte: Österreich?<br />

Nein, zu nah an Liechtenstein. Schweiz? Nein, Grenzüberschritt zu<br />

277


iskant. Frankreich? Nein, nicht mein Favorit. Polen o<strong>de</strong>r sonst wo in <strong>de</strong>n<br />

Osten? Nein, auch keine Alternative. Nordwärts, nach Schwe<strong>de</strong>n? Nein,<br />

zu lange Fahrt (und mir war schon kalt genug in Berlin). Holland? Ja.<br />

Holland. Warum nicht? In Amsterdam war ich noch nie.<br />

Ich recherchierte im Internet nach <strong>de</strong>n Transportmöglichkeiten dort hin.<br />

Günstig und schnell könnte ich mit <strong>de</strong>n Busgesellschaften fahren, die<br />

regelmässige Touren von Berlin nach Amsterdam anboten. Lei<strong>de</strong>r war es<br />

Vorschrift, dass alle Firmen vor <strong>de</strong>r Abfahrt genaue Angaben zum<br />

Passagier einsammeln und speichern mussten. Dazu zählten auch die<br />

Nationalität und die Nummer <strong>de</strong>s Reiseausweises.<br />

Ich fand keinen Anbieter, <strong>de</strong>r diese Regel nicht auf <strong>de</strong>r Firmenwebseite<br />

hatte. Eine Möglichkeit wäre, kurze Teilstrecken mit so genannten<br />

Kaffeefahrten innerhalb Deutschlands zu buchen, am Ziel auszusteigen<br />

und einfach die Rückfahrt nicht mehr anzutreten. O<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Zug bis<br />

an die Grenze zu fahren und dann weiter schauen. Per Zufall stiess ich<br />

auf Webseiten, wo private Kfz-Besitzer Mitfahrer für bestimme Strecken<br />

und Tage suchten (Mitfahrzentrale o<strong>de</strong>r Mitfahrgelegenheit). Das schien<br />

mir die beste Lösung zu sein. Da keine aktuellen Angebote für eine Fahrt<br />

von Berlin nach Amsterdam vorhan<strong>de</strong>n waren, trug ich mich unter<br />

einem Pseudonym als suchen<strong>de</strong>r, zahlen<strong>de</strong>r Mitfahrer ein. Gepäck: ein<br />

grosser und ein kleiner Koffer. Für eine Fahrt von Berlin nach<br />

Amsterdam ab <strong>de</strong>r ersten Februarwoche 2003.<br />

Eine eigens dafür neu eröffnete Emailadresse sollte als<br />

Kontaktmöglichkeit zu mir dienen. Ich entschloss mich, heute am späten<br />

Abend nochmals ein Internetcafé aufzusuchen und nachzuschauen, ob<br />

ich Erfolg hatte.<br />

Ich lud Petra zum Aben<strong>de</strong>ssen ein und wir gingen in ein vor ihr<br />

gewähltes Restaurant. Ich sagte ihr, dass ich ein an<strong>de</strong>res Zimmer in<br />

Sü<strong>de</strong>n Berlins gefun<strong>de</strong>n hätte und am kommen<strong>de</strong>n Montag ausziehen<br />

wür<strong>de</strong>. Sie freute sich für mich und fragte nach, ob es mir <strong>de</strong>n soooo gut<br />

in Berlin gefallen wür<strong>de</strong>, jetzt im hässlichen Winter? Nach <strong>de</strong>m Essen<br />

suchte ich eine Internetbu<strong>de</strong> aus meiner Liste aus. Lei<strong>de</strong>r kein Angebot<br />

für eine Mitfahrgelegenheit nach Holland. Haufenweise in an<strong>de</strong>re<br />

<strong>de</strong>utsche Städte, vor allem Münster. Aha, klar – ist ja eine grosse Uni-<br />

Stadt. Ein kurzer Blick auf die Landkarte und Münster sollte es sein. Lag<br />

nahe an <strong>de</strong>r Grenze. Ich schrieb an drei Angebote und suchte dann nach<br />

einer Wohngelegenheit im Netz. Schnell fand ich eine passen<strong>de</strong><br />

Unterkunft.<br />

278


Eine Iris aus Münster suchte jeman<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r ihr kleines möbliertes<br />

Zimmer in einer WG für <strong>de</strong>n ganzen Februar 2003 für 170 Euro mieten<br />

möchte. Sie sei dann in München, bei ihrer Familie. Ich notierte mir ihre<br />

Telefonnummer und rief gleich an. Sie war froh, dass sich jemand so<br />

schnell mel<strong>de</strong>te, da sie das Angebot erst vor ein paar Stun<strong>de</strong>n ins Netz<br />

gestellt hatte. Sie musste nach München gehen und in <strong>de</strong>n harten Zeiten<br />

einer Uni-Stu<strong>de</strong>ntin, ist je<strong>de</strong>r Euro nicht ausgegeben, einer gespart.<br />

Ich musste einen guten Eindruck bei ihr hinterlassen haben, da sie<br />

sogleich zusagte aber erwähnte, dass sie morgen, Samstag schon<br />

abreisen wür<strong>de</strong>. Sie vertraue mir. <strong>Die</strong> 170 Euro müsste ich auf ihr Konto<br />

bei einer Sparkasse in München einbezahlen. Bei Ankunft in Münster<br />

sollte ich an <strong>de</strong>r Haustüre klingeln und man wür<strong>de</strong> mir die Schlüssel<br />

geben. Super, sagte ich. Tausend Dank! Ein Problem weniger. Jetzt nur<br />

noch die Fahrt dorthin.<br />

Um ca. 23.00 Uhr las ich die Mitteilung von Hans-Adam. Mann, war ich<br />

dann wie<strong>de</strong>r erleichtert. Meine Hoffnung stieg, dass ich meinem Ziel, die<br />

verdammten Verbrecher Roegele & Co. hinter Gitter zu bringen, wie<strong>de</strong>r<br />

etwas näher gekommen war. Wenn auch nur in mikroskopischen<br />

Schritten. Ich schrieb Hans-Adam nichts zurück, liess seinen Text stehen.<br />

Ich hatte ja Zeit bis Montagmittag. Ich schlief beruhigter wenn auch zu<br />

später Stun<strong>de</strong> ein.<br />

BERLIN 1.- 3. Februar 2003<br />

Moralisch gefestigt, dass ich das Richtige getan hatte, schaute ich schon<br />

morgens früh am Samstag, <strong>de</strong>n 01.02. im Internet nach, ob ich Erfolg mit<br />

<strong>de</strong>r Mitfahrgelegenheit hatte. Zwei <strong>de</strong>r drei Kontaktierten hatten<br />

geantwortet. <strong>Der</strong> Eine wür<strong>de</strong> schon am Sonntagabend von Berlin<br />

losfahren und <strong>de</strong>r An<strong>de</strong>re am Montag um die Mittagszeit. Ich rief bei<strong>de</strong><br />

an. <strong>Der</strong> Fahrkostenanteil war so um die 30-40 Euros. <strong>Der</strong> Erste wollte die<br />

Kohle jetzt gleich, noch vor <strong>de</strong>r Abfahrt haben, damit er sicher gehen<br />

konnte, dass ich auch zum Treffpunkt kommen wür<strong>de</strong> und er nicht<br />

verarscht wür<strong>de</strong>. Ich wandte ein, wie kann ich <strong>de</strong>n sicher sein, dass er<br />

zum Treffpunkt kommen wür<strong>de</strong>, wenn er dann das Fahrgeld schon tags<br />

zuvor erhalten hätte. Er hängte das Telefon einfach auf. <strong>Der</strong> Zweite war<br />

sehr freundlich und sagte mir zu, mich am Montag pünktlich um 12 Uhr<br />

vor <strong>de</strong>m Beate Uhse Sexla<strong>de</strong>n, nähe Bahnhof Zoo abzuholen. Auf meine<br />

279


Frage hin, ob sein Auto gross genug für meine 2 Koffer wäre, sagte er<br />

„Null Problemo‚. Es wür<strong>de</strong>n nur er und ich im Wagen fahren.<br />

<strong>Der</strong> Abschied von Berlin war nicht einfach. Gerne wäre ich hier<br />

geblieben. Ich konnte mich mittlerweile gut in <strong>de</strong>r Stadt bewegen und<br />

dass die Amis und die <strong>de</strong>utsche Regierung hier waren, empfand ich stets<br />

als eine Art Sicherheit. Nebst <strong>de</strong>r geistigen Fitness, wollte ich auch<br />

körperlich am Ball bleiben. Ich hatte irgendwo gelesen, dass heute die<br />

Eröffnung eines neuen Fitnesstempel sein wür<strong>de</strong>. An <strong>de</strong>r Hasenhei<strong>de</strong> am<br />

Herrmannplatz. Ich suchte ihn auf und konnte für ca. 20 Euro eine<br />

Tageskarte kaufen, und dann alles auf <strong>de</strong>n zwei Stockwerken benutzten.<br />

Da meine Abreise und die neue Bleibe geregelt waren, hatte ich wie<strong>de</strong>r<br />

Zeit, mich <strong>de</strong>m Thema Hans-Adam zuzuwen<strong>de</strong>n. Um zu vermei<strong>de</strong>n,<br />

dass er wie<strong>de</strong>r vorschlägt, dass ich nach Vaduz kommen sollte, und auch<br />

auf Grund <strong>de</strong>r Möglichkeit, dass ich reisebedingt in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n<br />

Tagen nicht ins Netz kann, dachte ich, es wäre besser, ihm eine<br />

Nachricht zu schreiben. Genau um 14.11 Uhr drückte ich die<br />

Entwurfsspeichertaste im Emailkonto.<br />

Sehr geehrte Herren, ich habe ihre Nachricht erhalten. auf Grund<br />

<strong>de</strong>r nun vorliegen<strong>de</strong>n Lage möchte ich folgen<strong>de</strong>s mitteilen: wir<br />

haben 2 Möglichkeiten.<br />

A) wir lassen die Situation wie sie jetzt ist:<br />

° sie helfen aktiv mich zu fassen.<br />

° ich versuche das - so lange es geht - zu verhin<strong>de</strong>rn.<br />

° alle Beteiligten suchen nach <strong>de</strong>m besten Weg, um <strong>de</strong>n Scha<strong>de</strong>n<br />

für sich selber so klein wie möglich zu halten. Wobei je<strong>de</strong>r seine<br />

diesbezüglichen Möglichkeiten nutzt.<br />

B) wir fin<strong>de</strong>n einen Weg aus <strong>de</strong>m Drama:<br />

° das ich nicht zurückkehren kann - nach<strong>de</strong>m nun alles offiziell<br />

und amtlich ist - verstehen sie sicher.<br />

° ich bin nun in <strong>de</strong>r Situation, wo ich - wie so oft in meinem<br />

Leben - alleine grundsätzliche Entschei<strong>de</strong> fällen muss. nicht das<br />

ich mich davon scheue - nein - nur die Zeit wird knapp.<br />

° abgesehen von <strong>de</strong>n unrechtmässig entwen<strong>de</strong>ten <strong>Daten</strong> bin ich<br />

als unschuldig anzusehen‚ solange bis das Gegenteil bewiesen ist.<br />

280


° ich habe nichts mehr zu verlieren! es klingt zwar wie ein Spruch<br />

aus einem billigen Film; aber - wenn ich meine Situation<br />

anschaue - trifft dies genau zu.<br />

° in diesen Tagen schwanke ich zwischen einer Art flucht nach<br />

vorne (was nicht beinhaltet, nach Hause zu kommen) o<strong>de</strong>r einer<br />

Flucht nach hinten.<br />

Bei Variante A) bitte ich Sie nichts mehr hier hineinzuschreiben;<br />

nicht mal das Sie die „Variante A)‚ wählen o<strong>de</strong>r wünschen.<br />

Löschen sie dann bitte einfach diesen ganzen Text.<br />

Bei Variante B) kommt es drauf an, was ihr und mein Ziel ist. Da<br />

u.a. meine Anwesenheit in diesem Land (Deutschland) hier<br />

offensichtlich IHR grösstes Problem darstellt, versuche ich samt<br />

<strong>de</strong>n Unterlagen (die Originaldokumente machen mir zu schaffen)<br />

dies zu än<strong>de</strong>rn.<br />

Es kann also sein, dass ich mich erst in <strong>de</strong>r 2. Februar-<br />

Monatshälfte hier wie<strong>de</strong>r mel<strong>de</strong>n kann. meine Hoffnung ist es<br />

zurzeit, dass man dann ein Treffen mit einem wirklich<br />

Informierten organisieren kann, um unter 4 Augen zu sprechen.<br />

natürlich bin ich mir bewusst, dass sie einen solchen Anlass als<br />

Gelegenheit für das Ziel von Variante A) missbrauchen könnten.<br />

aber ich möchte nicht mehr über das Telefon o<strong>de</strong>r hier Tagelang<br />

kommunizieren.<br />

Ich hoffe Sie können dies alles nachvollziehen und ich verspreche<br />

Ihnen, dass ich mit <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> unter keinen Umstän<strong>de</strong>n (mit einer<br />

Ausnahme) etwas unternehmen wer<strong>de</strong>, bevor es zu einem 4-<br />

Augengespräch gekommen ist. H. K.. N.B. bitte Text markieren<br />

und für sie ausdrucken. Auch hoffe ich, dass nur ein sehr, sehr<br />

begrenzter Kreis von Menschen dieses Emailaccount samt<br />

Passwort kennen; o<strong>de</strong>r?<br />

Mit diesem Text, so glaubte ich, sollte für alle wie<strong>de</strong>r grösstmögliche<br />

Klarheit herrschen.<br />

Am Sonntag, <strong>de</strong>n 02.02. gab es noch das letzte gemeinsame Frühstück<br />

mit Petra. Sie war an diesem Wochenen<strong>de</strong> nicht weggefahren. Danach<br />

281


suchte ich <strong>de</strong>n Sexla<strong>de</strong>n auf, sodass ich am Montag ohne Verzögerung<br />

<strong>de</strong>n Treffpunkt fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Auch rief ich <strong>de</strong>n Fahrer nochmals an, um<br />

ganz sicher zu gehen, dass er morgen auch fährt. Alles beim Alten. Es<br />

war <strong>de</strong>r einzige Tag, an <strong>de</strong>m ich Berlin etwas entspannter geniessen<br />

konnte. Man hätte mich von einem <strong>de</strong>r wenigen Touristen, die um diese<br />

Jahreszeit in Berlin herumspazierten, nicht unterschei<strong>de</strong>n können.<br />

Am Montag, <strong>de</strong>n 03.02. präzise als die Glastüre <strong>de</strong>r Sparkasse sich für<br />

Publikum öffnete, stand ich schon davor. Ich löste mein Konto auf, leerte<br />

<strong>de</strong>n Safe und gab die zwei Safeschlüssel zurück. Den Laptop und die<br />

an<strong>de</strong>ren Sachen verstaute ich in einen roten Baumwollsack einer<br />

Bäckereikette aus Berlin.<br />

Wie<strong>de</strong>r zu Hause, Petra war schon arbeiten gegangen, verstaute ich alles<br />

tief unten in <strong>de</strong>n Taschen. <strong>Der</strong> Computer verschwand in einer<br />

gepolsterten, schwarzen Laptoptasche aus Le<strong>de</strong>r. Ich räumte mein<br />

Zimmer auf, spülte das Geschirr in <strong>de</strong>r Küche ab, schrieb ein<br />

Abschiedsgruss an Petra und liess die Haustüre hinter mir zufallen. Ich<br />

schleppte die Koffer um die Ecke zu einer kleinen Berliner Kneipe. Von<br />

dort bestelle ich mir ein Taxi, das mich zum Treffpunkt bringen sollte.<br />

Dort angekommen, musste ich nicht lange warten, bis mein Fahrer an<br />

<strong>de</strong>r Strassenseite vor <strong>de</strong>m Beate Uhse La<strong>de</strong>n anhielt. Er half mir beim<br />

Einla<strong>de</strong>n und ich bezahlte <strong>de</strong>n gewünschten Anteil an <strong>de</strong>n Fahrkosten in<br />

bar.<br />

<strong>Die</strong> Fahrt ging sehr zügig voran und mir lag nicht viel an tiefen<br />

Gesprächen. Small Talk war OK. Er setzte mich in Münster vor <strong>de</strong>m<br />

Haus mit <strong>de</strong>r Adresse von Iris ab. Ich bedankte mich und er verschwand<br />

im Verkehr. Vorbei an Mülltonnen zog ich mein Gepäck hinter mir her<br />

zum Hauseingang. Klar, die Wohnung lag im dritten o<strong>de</strong>r vierten Stock<br />

und kein Lift.<br />

Einer <strong>de</strong>r Mitbewohner war zu Hause und fragte mich, ob ich „Gerhard‚<br />

sei. Ich nickte und er zeigte mir das Zimmer von Iris. Sie hatte einen<br />

Zettel mit <strong>de</strong>r Bankverbindung und einen Wohnungs- sowie<br />

Zimmerschlüssel für mich hinterlegt. Ich sah mich im Zimmer um. Das<br />

Fenster war genau auf <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>r Bahnlinie, die hinter <strong>de</strong>m Haus, auf<br />

<strong>de</strong>r Dammhöhe verlegt war. <strong>Der</strong> Bahnhof war ca. 500 Meter entfernt. Ein<br />

Bett, grösser als in Berlin aber wie<strong>de</strong>rum ohne Beine, ein Tisch, ein<br />

kleiner Fernseher sowie ein Bücherregal, das aus alten Holzteilen<br />

282


zusammengehämmert war. Holz aus einer Kiste, die im früheren Leben<br />

einer Explosion zum Opfer gefallen wor<strong>de</strong>n sein musste. Immerhin alles<br />

schön sauber. Ich packte meine Klei<strong>de</strong>r aus und versicherte mich, dass<br />

alles LGT <strong>Daten</strong>material gut verstaut war. Ich hatte Hunger. Das<br />

Türschloss war eher primitiv. Dennoch, besser als gar kein Schloss. Ich<br />

drehte <strong>de</strong>n dazugehören<strong>de</strong>n, antiken Schlüssel zwei Mal um und<br />

inspizierte das Bad (dreckig), die Küche (noch schlimmer) und schimpfte<br />

über mich, dass ich in eine solche Lage geraten war.<br />

Nicht dass mein üblicher Ärger, sprich die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit<br />

Hans-Adam, Anlass genug sein sollte, kräftig über mich selber zu<br />

fluchen. Aber in solch Situationen sind es oft ganz triviale Dinge, die<br />

einem anstrengen<strong>de</strong>r erscheinen. Ein Spaziergang durch die<br />

Einkaufsmeile von Münster brachte etwas Erlösung. Aber nur<br />

hinsichtlich meines grossen Hungers. Eine Pizza und Cola fühlte <strong>de</strong>n<br />

Magen schnell auf. Im Winter sehen alle <strong>de</strong>utschen Städte nicht sehr<br />

einla<strong>de</strong>nd aus. Dank <strong>de</strong>r hohen Konzentration junger Stu<strong>de</strong>nten in <strong>de</strong>r<br />

Stadt war die Anzahl von Internetmöglichkeiten blen<strong>de</strong>nd. Es war schon<br />

nach 17 Uhr als ich dann diese Nachricht aus Vaduz lesen konnte:<br />

Erwarte Anruf unter bekannter Nummer heute um 17:00 Uhr.<br />

Nun gut.<br />

<strong>Die</strong>sen Termin hatte ich verpasst, hätte aber sowieso nicht angerufen. Ich<br />

hatte ja <strong>de</strong>m Hans-Adam berichtet, dass ich – reisebedingt - mich<br />

eventuell erst in <strong>de</strong>r zweiten Februarhälfte wie<strong>de</strong>r mel<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>.<br />

283


KAPITEL 11 <strong>Die</strong> Polizei, <strong>de</strong>in Freund und Helfer<br />

<strong>Die</strong>se schöne, geschichtsträchtige Stadt mit einer sehr alten Universität,<br />

war für mich nur ein Streckenposten auf <strong>de</strong>m Weg nach Amsterdam und<br />

eine kleine Oase <strong>de</strong>r Ruhe, da ich hier sicher sein konnte, dass keine<br />

Staatskarossen aus Vaduz auf mich lauerten. Da Münster eine kleine und<br />

somit überschaubare Stadt war, wollte ich von hier aus keine Email<br />

schreiben, vor allem aber keinen Anruf machen. Mein Plan war es ja, hier<br />

in Münster keine Ferien zu machen. Keine Wurzeln zu schlagen. Dass es<br />

trotz<strong>de</strong>m zehn lange Tage hier wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n, hätte ich mir am ersten<br />

Tag auch nicht erträumt.<br />

Am nächsten Tag musste ich <strong>de</strong>r Iris die Miete bezahlen. Sie hatte ein<br />

Konto bei einer Sparkasse in München aufgeschrieben. Ich rief sie von<br />

einer Telefonzelle an und sagte ihr, dass ich angekommen und alles OK<br />

sei. Sie bedankte sich, dass ich mein Wort gehalten hatte und auch für<br />

die Einzahlung <strong>de</strong>r Miete. Ich fragte sie, ob ich nicht einfach die 170 Euro<br />

ihrem Mitbewohner übergeben könnte. Bloss nicht, jammerte sie hurtig.<br />

Sie kenne die an<strong>de</strong>ren auch nicht so gut, da die Leute kommen und<br />

gehen. Je<strong>de</strong>n Monat ent<strong>de</strong>ckte sie auf <strong>de</strong>m Weg zum Bad o<strong>de</strong>r in die<br />

Küche neue Gesichter. <strong>Die</strong> einzige langjährige Mitbewohnerin sei auch<br />

verreist.<br />

Ich machte mich auf <strong>de</strong>n Weg zur Sparkasse in Münster. Bis anhin waren<br />

es für mich nur Gerüchte. Meine diesbezüglich eigenen Erfahrungen in<br />

Berlin waren eigentlich gut. Horrorgeschichten, Schreckenszenarios die<br />

offenbar je<strong>de</strong>r Deutsche zu erzählen wusste. Wie diffizil und<br />

unfreundlich einige Banken in Deutschland seien. Es war dann auch eine<br />

Mammutanstrengung die 170 Euro in Münster auf ein Konto <strong>de</strong>r<br />

Sparkasse in München einzuzahlen. Ich hatte ja kein Konto in Münster.<br />

Sparkasse ist eben nicht gleich Sparkasse. Erst nach drei Anläufen in<br />

<strong>de</strong>rselben Bank gelang es mir, einen Schalterangestellten zu überzeugen,<br />

dass ich das Geld unbedingt überweisen musste.<br />

Ich musste zwei dicke Formulare ausfüllen und eine Gebühr von ca. 35<br />

Euro bezahlen. Am En<strong>de</strong> war die Kohle auf <strong>de</strong>m Weg nach München.<br />

Und meine Miete war bis En<strong>de</strong> Februar 2003 bezahlt. Anschliessend<br />

spazierte ich in Richtung Uni. Dort auf <strong>de</strong>m Gelän<strong>de</strong> gab es verschie<strong>de</strong>n<br />

Kantinen und Cafeterias. Ich kaufte mir einen Kaffee und ein Stück<br />

Kuchen, setzte mich ins Foyer. Ich erinnere mich noch genau an <strong>de</strong>n<br />

feinen Kuchen, die Holztische und dunklen Stühle. Stun<strong>de</strong>nlang<br />

beobachtete ich die wenigen Stu<strong>de</strong>nten, die zu dieser Zeit offenbar eine<br />

284


Pause hatten. <strong>Der</strong> Ausblick war auf <strong>de</strong>n parkähnlichen Garten <strong>de</strong>r Uni.<br />

Für mich war dieser Augenblick doch wie Ferien. Ein schönes Gefühl.<br />

Dann wur<strong>de</strong> ich wie<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Gedanken eingeholt und ich stellte mir<br />

vor, was sich in <strong>de</strong>n Köpfen <strong>de</strong>rjenigen in Vaduz abspielte, verdrängte es<br />

aber gleich wie<strong>de</strong>r.<br />

Es war wie ein an<strong>de</strong>res Leben, das sich parallel zu meinem entfaltete. Da<br />

ich in Münster sozusagen inkognito war, fühlte ich mich prächtig. Keine<br />

Telefonate mit Hans-Adam, keine Staatskarre, die auf mich wartete.<br />

Keine Fragen wo die <strong>Daten</strong> sind. Keine Befehle. Keine Appelle. Keine<br />

Drohungen. Keine. Keine. Ich verbrachte auch viele Stun<strong>de</strong>n im Bahnhof<br />

Münster. <strong>Der</strong> Vorplatz war schön gestaltet. Eine Art kreisförmige<br />

Zufahrtsstrasse mit ein paar Geschäften auf <strong>de</strong>r Rechten Seite. In <strong>de</strong>r<br />

Mitte die Taxis. Ich musste mich sehr anstrengen, um abgelenkt zu<br />

bleiben. Im Moment, wo mir dies nicht gelang, drängte sich sofort die<br />

Realität wie<strong>de</strong>r auf. Das Bedürfnis, zu erfahren ob man mir wie<strong>de</strong>r eine<br />

Nachricht im Emailkonto hinterlassen hatte, wur<strong>de</strong> immer stärker.<br />

Zuerst wollte ich dies an einem Computer in Münster machen. Nur<br />

Nachschauen. Nicht mehr, nicht weniger. Nachsehen, ohne etwas<br />

hineinzuschreiben wür<strong>de</strong> das mögliche Risiko ganz beseitigen, meinen<br />

Standort preiszugeben. Was aber, wenn ich antworten o<strong>de</strong>r gar<br />

telefonieren musste? <strong>Die</strong> beste Lösung war, dass ich dafür von Münster<br />

wegging.<br />

Da ich nur gute Erfahrung damit gemachte hatte, suchte ich im Internet<br />

nach einer Mitfahrgelegenheit in eine <strong>de</strong>r grösseren o<strong>de</strong>r kleineren<br />

Städte im Umfeld von Münster (Ich kann mich noch so sehr anstrengen:<br />

ich bin mir heute – im Rückblick - nicht mehr ganz sicher, ob es dann<br />

Osnabrück, Hamm, Bielefeld o<strong>de</strong>r gar eine an<strong>de</strong>re Kleinstadt war, wo<br />

ich einen Tag verbrachte. Ich tippe auf Osnabrück. Ohne Gewähr). Auf<br />

je<strong>de</strong>n Fall war es in jener Stadt, wo eine grössere Polizeistelle, eine Art<br />

Regionalkommando, evt. <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sgrenzschutz stationiert war.<br />

Was hatte ich aber mit <strong>de</strong>nen zu tun?<br />

Ein Tag, <strong>de</strong>ssen Anfang verrückter nicht hätte sein können. Ich fand<br />

folgen<strong>de</strong>s Angebot: Ein Mann offerierte eine Mitfahrgelegenheit für vier<br />

bis fünf Mal pro Woche für die nächsten Monate. Abfahrt war jeweils<br />

früh am Morgen und Rückfahrt am späten Nachmittag. Er erzählte mir,<br />

dass er in Münster (o<strong>de</strong>r im nahen Umland von Münster) lebte und<br />

285


täglich zur Arbeit nach „Osnabrück‚ pen<strong>de</strong>lte. Für ein paar Euro könnte<br />

man mit ihm mitfahren. Super, sagte ich. Wann geht es los, fragte ich. Er<br />

fuhr sehr, sehr früh jeweils von zu Hause ab. Ich gab ihm meine Adresse<br />

und er sagte, dass er am nächsten Tag (es muss so um die 05.30 Uhr o<strong>de</strong>r<br />

06.00 Uhr gewesen sein) abholen wür<strong>de</strong>. Ich ahnte ja nichts von <strong>de</strong>m was<br />

kommen sollte.<br />

Pünktlich wie eine Schweizer Uhr und eingeklei<strong>de</strong>t wie für einen Trip<br />

auf einen Schweizer Gletscher, stand ich in <strong>de</strong>r Kälte am Strassenrand<br />

gegenüber <strong>de</strong>m Haus wo ich wohnte. Er, ich erinnere mich nicht mehr<br />

an seinen Namen, nennen wir ihn mal ‚Bruno‚, stoppte vor meiner<br />

Nase. Ich war ja auch <strong>de</strong>r einzige Mensch weit und breit, <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r<br />

Strasse zu dieser ungemütlichen Zeit stand. Ich fragte ihn, ob er <strong>de</strong>r<br />

Bruno sei, er bejahte dies. Ich stieg in seinen Wagen ein. Ich glaube mich<br />

zu erinnern, dass es ein <strong>de</strong>utsches Fabrikat war. Ein VW Passat Kombi<br />

o<strong>de</strong>r ein Opel Kombi. Dunkle Farbe, evt. Grau o<strong>de</strong>r Blau. <strong>Die</strong> Fahrt muss<br />

zwischen 30 und 50 Minuten gewesen sein. Wir plau<strong>de</strong>rten so daher und<br />

er fragte mich, woher aus <strong>de</strong>r Schweiz ich komme. Ich erzählte von<br />

Zürich und dass ich auf Besuch in Münster sei und mir die Stadt<br />

Osnabrück anschauen möchte. Was er <strong>de</strong>n so mache, fragte ich.<br />

Er erzählte, dass er seit Jahren bei <strong>de</strong>r Polizei arbeitete. Er habe einen<br />

guten Rang erreichen können.<br />

Polizei? Polizei! Flink hatte ich das Gefühl, als wür<strong>de</strong>n mich ein<br />

Hirnschlag und ein Herzinfarkt gleichzeitig treffen. Zum Glück war es<br />

drinnen so dunkel wie draussen. Sonst hätte er gesehen, wie mein Blut<br />

das Gesicht verliess und tsunamihaft runter in die Beine entkam. Nicht<br />

zu vergessen, die vielen Schweissperlen auf meiner Stirn.<br />

Ehrlich, ich glaubte, dass ich voll in eine Falle gelaufen war. Ich weiss, es<br />

mag für euch Leser absurd klingen, aber es war Krieg zwischen mir und<br />

Hans-Adam. Ich wusste ja, dass er seine Variante 2 aktiviert hatte.<br />

Vielleicht wussten sie, dass ich in Münster war. Tausend Gedanken<br />

schossen durch mein fast blutleeres Hirn. Aber es war doch ich <strong>de</strong>r<br />

Bruno zuerst kontaktiert hatte, erinnerte ich mich blitzartig. Nicht<br />

umgekehrt. Er konnte mich also nicht kennen.<br />

Und er erzählte mir von seiner Familie, seinen Kin<strong>de</strong>rn und sogar seiner<br />

Arbeit. Hatte etwas zu tun mit Grenzschutz, eventuell mobilem<br />

Grenzschutz. Wir re<strong>de</strong>ten über Verbrecher, Schmuggler, Drogen und die<br />

kläglichen Löhne bei <strong>de</strong>r Polizei. Mein lieber Vater, dachte ich mir, da<br />

fährt <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche Polizist in seinem Wagen mit einem falschen<br />

286


„Touristen‚ aus <strong>de</strong>r Schweiz durch die Gegend, einer <strong>de</strong>r in Wahrheit<br />

heiss gesucht wur<strong>de</strong>, in Münster brisante <strong>Daten</strong> stapelte und plau<strong>de</strong>rt<br />

mit ihm über Vergleiche von <strong>de</strong>utschen und schweizerischen<br />

Polizeitaktiken.<br />

Es kam noch schlimmer: Als wir schon im Stadtpendlerverkehr von<br />

Osnabrück steckten, offerierte er mir auf einmal einen Kaffee in seinem<br />

Büro (!). Jetzt wur<strong>de</strong> mir ganz heiss. Es ist eine Falle, man wird mich<br />

verhaften, dachte ich mir und mir wur<strong>de</strong> noch schlechter. Ich überlegte<br />

mir schon, ob und wie ich aus <strong>de</strong>m nun langsamer rollen<strong>de</strong>n Fahrzeug<br />

springen sollte. Ich lehnte das Angebot ab, was ihn erstaunte.<br />

Es war noch so früh, dass keine an<strong>de</strong>res Geschäft offen hatte. Daher<br />

verwun<strong>de</strong>rte es ihn schon, dass ich sein schönes Angebot ablehnte. Er<br />

fragte nochmals und bemerkte zum wie<strong>de</strong>rholten male, dass ich mit ihm<br />

am späteren Nachmittag auch zurück nach Münster fahren könnte. Da<br />

ich nicht unhöflich sein wollte und keinen Verdacht aufkommen lassen<br />

wollte, sagte ich diesmal zu. Es war ein wenig heller draussen gewor<strong>de</strong>n.<br />

Wir fuhren auf ein älteres mehrstöckiges Gebäu<strong>de</strong> zu. An <strong>de</strong>r<br />

Aussenmauer waren einige Polizeitransportwagen parkiert. Er hielt vor<br />

einem grossen Tor und nach<strong>de</strong>m es sich geöffnet hatte, sah ich eine Art<br />

Innenhof, eng und verwinkelt wie bei einer Burg o<strong>de</strong>r so ähnlich. Es war<br />

<strong>de</strong>finitiv kein neues, mo<strong>de</strong>rnes Gebäu<strong>de</strong>. Eher eine Verschachtelung von<br />

verschie<strong>de</strong>nen Bauwerken. Es gab nicht viele Parkplätze hinter <strong>de</strong>m Tor.<br />

Da er einen hatte, be<strong>de</strong>utete dies für mich, dass er einen höheren<br />

Rang/Funktion bei <strong>de</strong>r Polizei ausüben musste. So wie er es gesagt hatte.<br />

Ich glaube aber, er war kein Kommissar, evt. eine Stufe darunter. Sicher<br />

aber ein Gruppenleiter.<br />

Wir stiegen aus und ich lief ihm hinterher. Er schritt auf eine Treppe zu,<br />

die entwe<strong>de</strong>r aus Beton o<strong>de</strong>r Steinen geformt war und ein einfaches<br />

Eisenstangen<strong>de</strong>sign als Treppengelän<strong>de</strong>r hatte. So genau konnte ich es<br />

nicht sehen, da es noch nicht genug hell war. Ein Publikumseingang war<br />

es nicht, das stand fest. Es kamen uns uniformierte Polizisten entgegen.<br />

Er grüsste sie und erhielt <strong>de</strong>n Gruss erwi<strong>de</strong>rt. Gleich nach Eintritt stand<br />

ich in einem Gang. Ich musste dort warten und er holte mir einen Kaffee<br />

vom Automaten. Ich bedankte mich und versuchte meine flattern<strong>de</strong><br />

Nervosität zu verbergen.<br />

Als nächstes erwartete ich seine Einladung. „Nehmen sie doch bitte Platz<br />

und nennen sie uns ihren Namen und Anschrift.‚ Aber Nein, wie<strong>de</strong>r<br />

einmal Glück gehabt. Er zeigte mir <strong>de</strong>n Weg aus <strong>de</strong>m Labyrinth im<br />

Innenhof und verabschie<strong>de</strong>te sich. Er wollte sogar die paar Euro, sein<br />

287


Fahrgeld, nicht entgegennehmen. Touristen hilft man doch gerne in<br />

Deutschland, sagte er zum Abschied.<br />

Ich bestand aber darauf, dass er <strong>de</strong>n Zehner erhält und drückte ihn fest<br />

in die Hand. Er hatte keine Ahnung, wie ERFREUT ich war, dass ich<br />

gehen durfte. Ich musste ihm versprechen, dass ich ihn im Büro anrufen<br />

wür<strong>de</strong>, sollte ich doch noch mit ihm nach Hause fahren wollen.<br />

Wie neugeboren bummelte ich in Osnabrück durch die mir unbekannten<br />

Strassen. Endlich fand ich ein geöffnetes Café. Mit einer Tasse heisser<br />

Schokola<strong>de</strong> und einem belegten Brötchen war die Welt wie<strong>de</strong>r in<br />

Ordnung. Ich blieb noch eine Weile dort und beobachtete die<br />

Kundschaft. Um die Mittagszeit fand ich eine Gelegenheit ins Internet zu<br />

kommen. Ergebnis: Keine neue Nachricht. Auch gut. Ich rief Bruno, <strong>de</strong>n<br />

Polizisten, kurz nach Mittag in seinem Büro an und sagte, dass ich schon<br />

jetzt nach Hause fahren wür<strong>de</strong> und zwar mit <strong>de</strong>r Regionalbahn. Er<br />

wünschte mir noch eine schöne Zeit in Deutschland.<br />

Zurück in Münster verbrachte ich die Tage mit <strong>de</strong>m neuen Thema:<br />

Holland und die Reise dahin. Mit <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong>trägern und <strong>de</strong>n<br />

Dokumenten. <strong>Die</strong> Gelegenheit mit <strong>de</strong>m Zug via Ensche<strong>de</strong> nach<br />

Amsterdam zu fahren, kam für mich nicht in Frage. Ich wusste, dass<br />

trotz <strong>de</strong>r „offenen EU-Grenzen‚, die internationalen Züge von mobilen<br />

Grenzbeamten kontrolliert wer<strong>de</strong>n. Zu viel Geld in Deutschland und zu<br />

günstige Drogen in Holland. <strong>Die</strong> Möglichkeit mit <strong>de</strong>r Regionalbahn bis<br />

an die Grenze zu fahren, dann mit einem Linienbus rüber und auf <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Seite mit <strong>de</strong>m holländischem Zug weiter, wäre machbar<br />

gewesen. Aber das Restrisiko, auch hier kontrolliert zu wer<strong>de</strong>n, blieb<br />

bestehen. <strong>Die</strong> einzige und letzte Lösung, war die mir schon bekannte Art<br />

und Weise: die gute alte Mitfahrgelegenheit. Sie wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n<br />

Deutschen rege genutzt und war praktisch immer billiger als mit <strong>de</strong>m<br />

Bus o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Zug. Da fragte niemand nach Ausweisen o<strong>de</strong>r wollte <strong>de</strong>in<br />

Gepäckinhalt inspizieren. Von Deutschland aus wur<strong>de</strong>n Fahrten bis nach<br />

Madrid o<strong>de</strong>r gar Moskau angeboten o<strong>de</strong>r gesucht. <strong>Die</strong> Angebote für<br />

Münster - Amsterdam waren aber sehr dünn gesät. Gleichwohl hatte ich<br />

Erfolg. Ein Stu<strong>de</strong>nt aus Münster plante für Mitte Februar eine Reise nach<br />

Amsterdam. Ich traf ihn an <strong>de</strong>r Uni und um sicher zu gehen, dass er<br />

mich mitnehmen wür<strong>de</strong>, zahlte ich ihm die Hälfte <strong>de</strong>s Fahrpreises schon<br />

mal gleich. Er erschien mir vertrauenswürdig. Jetzt noch eine Unterkunft<br />

in Amsterdam suchen, dann hätte mal wie<strong>de</strong>r alles super geklappt, sagte<br />

ich zu mir. Ich war noch nie in Amsterdam City und suchte im Internet<br />

288


nach einem günstigen Bed & Breakfast, wo ich zwei bis drei Monate<br />

bleiben könnte.<br />

Nach Durchsicht von etlichen B&Bs, die entwe<strong>de</strong>r zu teuer o<strong>de</strong>r mitten<br />

in <strong>de</strong>r Stadt waren, stiess ich auf eine schöne Webseite eines B&B in<br />

Monnikendam. Das B&B hiess Flowergar<strong>de</strong>ns und war in <strong>de</strong>r<br />

Margrietstraat zu fin<strong>de</strong>n. Für Langzeitgäste nur 21 Euro pro Nacht, incl.<br />

Frühstück. Das ist aber günstig. Ich reservierte das Zimmer für erstmals<br />

2 Monate. Jane und ihr Mann erwarteten mich am 14. Februar 2003 in<br />

Monnikendam (Wie<strong>de</strong>r dieser 14.02.: Hans-Adams Geburtstag). In<br />

Holland wür<strong>de</strong> ich mich Claudio nennen. Ein attraktiver Name.<br />

Donnerstag, <strong>de</strong>r 13.02. Wie abgemacht, stand ich zuverlässig um 10 Uhr<br />

am Bahnhof Münster, wartete auf <strong>de</strong>n Fahrer. 10.30 Uhr, 10.45 Uhr, 11.10<br />

Uhr. Immer noch kein Fahrer in Sicht. Mist noch mal. Wo blieb <strong>de</strong>r nur,<br />

beschwerte ich mich laut. Ich konnte nicht weggehen und ihn anrufen,<br />

<strong>de</strong>nn dann wür<strong>de</strong> ich ja nicht auf <strong>de</strong>m abgemachten Platz stehen und er<br />

wür<strong>de</strong> mich nicht sehen und ohne mich wegfahren. Endlich, um 11.30<br />

Uhr hielt ein alter, roter Ford Fiesta, mit schon zwei Leuten drin vor<br />

meinen Füssen an. Er fragte mich, ob ich Claudio sei. Ich erwi<strong>de</strong>rte die<br />

Frage mit <strong>de</strong>r Gegenfrage ob dies das Auto sei, mit <strong>de</strong>m wir nach<br />

Amsterdam fahren wür<strong>de</strong>n.<br />

Ja, Ja. Aber hat es da noch Platz für mein Gepäck, fragte ich. Sicher,<br />

sicher – war seine Antwort. Seine Freundin und er fuhren nur fürs<br />

verlängerte Wochenen<strong>de</strong> weg. Nicht viel Gepäck dabei. Und so war’s<br />

auch. <strong>Der</strong> Kofferraum war praktisch leer. Wir verstauten meinen grossen<br />

Reisekoffer und <strong>de</strong>n Rest packten wir hinten auf die Sitzbank. Ich durfte<br />

vorne Platz nehmen. Bei<strong>de</strong> waren ein sehr aufgestelltes Paar. Ihre<br />

Musikauswahl während <strong>de</strong>r Fahrt traf meinen Geschmack oft. Wir<br />

stoppten 2, 3 Mal für Benzin und kleine Snacks. <strong>Die</strong> unsichtbare Grenze<br />

war in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r Autobahn und niemand hat uns aufgehalten.<br />

VADUZ Erste Monatshälfte Februar 2003<br />

Das gemeinsam benutzte Emailkonto wur<strong>de</strong> jeweils am Wochenen<strong>de</strong>,<br />

wenn das Sekretariat oben im Schloss nicht besetzt war, von einer Person<br />

unten in Vaduz, die für das KKZ arbeitete, vier bis fünf Mal pro Tag<br />

kontrolliert. Am Sonntag (02.02.) fand man <strong>de</strong>n längeren Text von<br />

Kieber, <strong>de</strong>n er am Tag zuvor abgespeichert hatte, druckte ihn aus und<br />

289


lieferte ihn beim Portier im Schloss ab. Am Montag traf mach sich wie<strong>de</strong>r<br />

zu einer KKZ-Sitzung. Kiebers letzter Text wur<strong>de</strong> in seine Einzelteile<br />

zerlegt, x-mal analysiert, verschie<strong>de</strong>ne Mutmassungen darüber<br />

angestellt und wie<strong>de</strong>r verworfen.<br />

Man war sich einig, dass die beschriebene Möglichkeit „A)‚ (siehe<br />

‚Berlin 1-3.Februar 2003‚ ) niemand mehr hier als eine Lösung <strong>de</strong>s<br />

Problems betrachtete. Kieber hatte ja die <strong>Daten</strong> und wenn die in die<br />

falschen Hän<strong>de</strong>, sprich <strong>de</strong>utsche o<strong>de</strong>r amerikanische, geraten, dann<br />

Gna<strong>de</strong> uns Gott, resümierte <strong>de</strong>r Regierungschef.<br />

Hinsichtlich <strong>de</strong>s restlichen Textes, unter „B)‚ (siehe wie oben), waren<br />

sich alle Anwesen<strong>de</strong>n nicht einig, wie man es zu <strong>de</strong>uten hatte. Kieber<br />

wusste ja nichts von <strong>de</strong>m Missgeschick mit <strong>de</strong>n Interpolmeldungen,<br />

daher war man in Vaduz aber erleichtert, dass er offenbar von sich aus<br />

entschied, das Land zu wechseln und sich auch sorgen wegen <strong>de</strong>r<br />

mitgeschleppten Dokumenten machte.<br />

Besser als Kieber kann keiner auf die <strong>Daten</strong> aufpassen, hob Hans-Adam<br />

hervor. Es wur<strong>de</strong>n wil<strong>de</strong> Spekulationen darüber angestellt, wohin er<br />

wohl reisen wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong> einen tippten auf Spanien, weil dies das letzte<br />

Land wäre, wo man in vermuten wür<strong>de</strong>n. An<strong>de</strong>re auf Skandinavien<br />

o<strong>de</strong>r auf ferne Län<strong>de</strong>r wie Südafrika. Einige mutmassten, dass Kieber<br />

mit <strong>de</strong>m Hinweis, dass er eventuell erst in <strong>de</strong>r zweiten Februarhälfte<br />

wie<strong>de</strong>r Kontakt aufnehmen könnte, nur Zeit für sich gewinnen wollte,<br />

um weit weg abzuhauen o<strong>de</strong>r gar Gespräche mit <strong>de</strong>n Deutschen o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>n Amis zu beginnen.<br />

<strong>Der</strong> Professor schüttelte seinen Kopf. Ihm machten Kiebers Sätze „<br />

…alleine grundsätzliche Entschei<strong>de</strong> zu fällen… die Zeit wird knapp‚ grosse<br />

Sorgen. Er <strong>de</strong>utete dies als ein Zeichen für hohen Stress und eventueller<br />

Selbstmordgefährdung. Quasi ein Selbstzerstörungsplan plus grossem<br />

Knall. Welchen Knall, fragte Hans-Adam. Natürlich <strong>de</strong>n Knall beim<br />

Hochgehen <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>bombe, bekam er als Antwort.<br />

Teile <strong>de</strong>s KKZ tauchten wie<strong>de</strong>r in alte I<strong>de</strong>en ab: Es müsse doch möglich<br />

sein, dass wir uns <strong>de</strong>n Kieber schnappen. <strong>Die</strong> Gelegenheit wäre doch<br />

dann gegeben, wenn Kieber zu einem von ihm gewünschten Vier-Augen<br />

Gespräch erscheinen wür<strong>de</strong>. Bis dahin sei man ja sicher, wegen <strong>de</strong>r<br />

<strong>Daten</strong>, da er ja versprochen hatte, nichts mit <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> zu machen, bis<br />

ein solches stattgefun<strong>de</strong>n hatte.<br />

Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Sitzung berief sich <strong>de</strong>r Professor auf seine jahrelange<br />

Berufserfahrung und beruhigte damit die Anwesen<strong>de</strong>n. Er wür<strong>de</strong> für ein<br />

solches Gespräch zur Verfügung stehen, sagte er. Und schloss mit <strong>de</strong>r<br />

290


Bemerkung ab - in Richtung LGT und Hans-Adam schauend – dies<br />

natürlich nur nach einer Zusicherung von Seiten Hans-Adam, dass keine<br />

Falle für Kieber geplant wer<strong>de</strong>. Für solche Spiele sei er bei allem<br />

bezahlten Geld nicht zu haben. Ja, Ja – rief man ihm aus dieser Ecke zu.<br />

Lasst uns abwarten und schauen, ob Kieber um 17 Uhr anrufen wür<strong>de</strong>,<br />

verabschie<strong>de</strong>te man sich aus <strong>de</strong>r Run<strong>de</strong>.<br />

Kieber rief nicht an. <strong>Die</strong>se schlechte Nachricht wur<strong>de</strong> per Telefonkette<br />

weitergemel<strong>de</strong>t. Wie<strong>de</strong>r fingen die wil<strong>de</strong>n Spekulationen an.<br />

Hans-Adam fragte nach, ob man <strong>de</strong>n letzten genauen Standort von<br />

Kieber irgendwo stichhaltig festlegen könnte. Z.B. von wo genau aus er<br />

die letzte Meldung geschrieben hatte. Das KKZ forschte nach und kam<br />

mit <strong>de</strong>r erstaunlichen Auskunft zurück, dass Kieber in Köln gewesen sein<br />

muss. Köln, fragte Hans-Adam mehrmals. In Köln? Was macht Kieber in<br />

Köln, wun<strong>de</strong>rte man sich. <strong>Die</strong>s alles ergab keinen Sinn.<br />

Anm.: Ich weiss schon, warum die in Vaduz damals auf Köln gestossen sind.<br />

Um es an diesem konkretem Beispiel aufzuzeigen: Am 01.02.03 hatte ich in<br />

Berlin an einem Computer eines Internetcafés eine Nachricht im gemeinsamem<br />

Emailkonto geschrieben und wie immer nur im Entwurfsordner gespeichert.<br />

Das KKZ versuchte <strong>de</strong>n Standort <strong>de</strong>s Computers via <strong>de</strong>r am Entwurf<br />

(manchmal) elektronisch angehängten IP-Adresse herauszufin<strong>de</strong>n. <strong>Der</strong>en<br />

Nachforschungen ergaben, dass die gespeicherte IP-Adresse eine Nummer eines<br />

Computers hatte, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Stadt Köln stand. Man hatte mich daher am<br />

01.02.03 in Klön vermutet. In einer Stadt, in <strong>de</strong>r ich nie gewesen bin. Es war ja<br />

meine I<strong>de</strong>e für die Kommunikation ein Emailkonto zu haben, dass wir<br />

gemeinsam nutzten. Als Begründung gab ich im Brief an Hans-Adam an, dass<br />

wir dadurch keine Emails versen<strong>de</strong>n müssen, die evt. z.B. am falschen Ort<br />

lan<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Weg zum Empfänger von unerwünschten Mitlesern<br />

gesehen wer<strong>de</strong>n könnten. Was ich ihm nicht erzählte, war mein an<strong>de</strong>rer<br />

Hintergedanke: Ich wusste, dass bei einer Abspeicherung eines Textes im<br />

Entwurfsordner NICHT - wenn überhaupt - die IP-Adresse <strong>de</strong>s Terminals wo<br />

<strong>de</strong>r Text eingetippt wur<strong>de</strong>, abgespeichert wird, son<strong>de</strong>rn die IP-Adresse wo <strong>de</strong>r<br />

nächstgelegene Server <strong>de</strong>s Provi<strong>de</strong>rs physisch stand. In diesem Fall in <strong>de</strong>r Stadt<br />

Köln.<br />

Sicherlich hätte das KKZ die Mittel und Wege gehabt, mit Hilfe von<br />

Internetspezialisten zumin<strong>de</strong>st die richtige Stadt, von <strong>de</strong>r von mir benutzte<br />

Computerterminals stand, zu fin<strong>de</strong>n, aber – wie das KKZ in einem<br />

Aktenvermerk richtig erkannte – wur<strong>de</strong>, während <strong>de</strong>r Zeit wo ich in<br />

Deutschland war,<br />

291


OZA- in Absprache mit allen Beteiligen (Polizei, Justiz,<br />

Regierung, LGT und Hans-Adam) nicht versucht, die genauen<br />

Örtlichkeiten (von Kieber) zu ermitteln, da man ansonsten <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen Polizei <strong>de</strong>n Sachverhalt hätte mitteilen müssen -OZE.<br />

Am 06.02., aufgrund <strong>de</strong>r neuen Lage, ordnete das KKZ, nach Auftrag<br />

von Hans-Adam, das Landgericht Vaduz an, <strong>de</strong>ssen (inaktiven)<br />

Haftbefehl vom 13.01.03 so abzuän<strong>de</strong>rn, dass er nur für Liechtenstein<br />

und die Schweiz gelte. Man wolle nicht, dass an<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r von einem<br />

Liechtensteiner Haftbefehl erfahren wür<strong>de</strong>n. Nach <strong>de</strong>n Ereignissen in<br />

Vaduz am 31.01. wollte man keine Mitteilung über diese Än<strong>de</strong>rung an<br />

Deutschland o<strong>de</strong>r Spanien machen, da dies nur wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren<br />

Aufmerksamkeit erhöhen wür<strong>de</strong>. Was absolut nicht erwünscht war.<br />

Auftragsgemäss schrieb das Interpoliere Vaduz am 10.02. um 16.10 Uhr<br />

an die Schweizer Polizei (RIPOL und Interpol Bern) folgen<strong>de</strong>n<br />

Ausschnitt:<br />

Sachverhalt:<br />

1. Kieber Heinrich steht im Verdacht, im Jahre 2002 in Vaduz, als<br />

damaliger Angestellter Unterlagen seiner Arbeitgeberin, einer<br />

juristischen Person liechtensteinischem Rechts mit Sitz in<br />

Vaduz/FL, mit <strong>de</strong>m Vorsatz unterdrückt zu haben, zu<br />

verhin<strong>de</strong>rn, dass jene im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts,<br />

eines Rechtsverhältnisses o<strong>de</strong>r einer Tatsache gebraucht wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Weiters steht Kieber im Verdacht, im Januar 2003 vom Ausland<br />

aus durch gefährliche Drohung, nämlich durch die Behauptung,<br />

er wer<strong>de</strong> die von ihm unter Ziffer 1 erlangten Unterlagen Dritten<br />

übergeben, wodurch seine damalige Arbeitgeberin Kun<strong>de</strong>ngel<strong>de</strong>r<br />

verlieren wer<strong>de</strong>, sohin durch Drohung mit <strong>de</strong>r Vernichtung <strong>de</strong>r<br />

wirtschaftlichen Existenz, zu weiteren Handlungen zu nötigen<br />

versuchte.<br />

Zusatz Interpol Vaduz: Es kann nicht ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n,<br />

dass Kieber Heinrich b e w a f f n e t ist! Kieber ist bisher nicht<br />

gewalttätig in Erscheinung getreten. Nach hier vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Erkenntnissen muss jedoch aufgrund seiner aktuellen<br />

psychischen Verfassung von einer hohen Gewaltbereitschaft<br />

ausgegangen wer<strong>de</strong>n.<br />

292


Wie<strong>de</strong>rum konnte Vaduz <strong>de</strong>r Versuchung nicht wi<strong>de</strong>rstehen, gefälschte<br />

Angaben zu machen („bewaffnet, hohe Gewaltbereitschaft‚ und auch<br />

<strong>de</strong>n kleinen „Terroristenhinweis‚: „kann Flugzeuge fliegen‚), wohl als<br />

Ermutigung an die Schweizer zum Abschuss von Kieber.<br />

Anm.: Einigen Lesern ist sicherlich aufgefallen, dass im Gegenteil zu <strong>de</strong>r<br />

Interpolmeldung nach Wiesba<strong>de</strong>n und nach Madrid (vom 23.01.), wo nichts<br />

über <strong>de</strong>n Sachverhalt geschil<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>, die Liechtensteiner <strong>de</strong>n Schweizern<br />

sehr offen über <strong>de</strong>n Tatbestand schreiben. <strong>Die</strong>s aus zwei Grün<strong>de</strong>n:<br />

1. Logischerweise musste man bei <strong>de</strong>r Meldung vom 23.01.2003 verhin<strong>de</strong>rn,<br />

dass <strong>de</strong>utsche o<strong>de</strong>r spanische Behör<strong>de</strong>n erfahren, dass jemand Bankdaten über<br />

<strong>de</strong>utsche und spanische Kun<strong>de</strong>n in Liechtenstein gestohlen hatte und damit (in<br />

Deutschland) herumirrte.<br />

2. Konnte Vaduz gegenüber <strong>de</strong>r Schweiz etwas freimütigerer sein, da man in<br />

dieser Branche ja im gleichen Boot sass. Es war je<strong>de</strong>m Schweizer Polizisten klar,<br />

dass mit <strong>de</strong>n Angaben über <strong>de</strong>n Sachverhalt eine Bank o<strong>de</strong>r Treuhandfirma<br />

gemeint war. Man konnte sich in Vaduz auf die Verschwiegenheit <strong>de</strong>r Schweizer<br />

verlassen, sollten sie Kieber samt <strong>Daten</strong> festhalten können. Auch wäre eine<br />

Überstellung von Kieber als Gefangener von <strong>de</strong>r Schweiz nach Liechtenstein<br />

eine reine Formsache.<br />

Wie immer hatte das letzte Wort <strong>de</strong>r Hans-Adam. Als er über <strong>de</strong>n<br />

neusten Stand <strong>de</strong>r Dinge unterrichtet wur<strong>de</strong>, bemerkte er, dass die<br />

Ausschreibung (zur Verhaftung) im Schweizer Polizeisystem (RIPOL)<br />

absolut nicht i<strong>de</strong>al für seine Sache wäre. Hans-Adam befürchtete, dass<br />

u.a. die Schweizer Behör<strong>de</strong>n aus politischen Grün<strong>de</strong>n Interesse an<br />

gewissen <strong>Daten</strong> von Kun<strong>de</strong>n aus Drittlän<strong>de</strong>rn haben könnten.<br />

Um eine bessere Kontrolle zu haben, ordnete Hans-Adam die<br />

Lan<strong>de</strong>spolizei an, <strong>de</strong>n Schweizer Behör<strong>de</strong>n mitzuteilen, dass Vaduz nur<br />

die passive Ausschreibung in <strong>de</strong>r Schweiz wünschte. Was am 11.02. dann<br />

auch geschah. Bei dieser Art <strong>de</strong>r Ausschreibung wür<strong>de</strong>n die Schweizer,<br />

sofern sie über Kieber stolpern sollten, nur <strong>de</strong>ssen Aufenthaltsort nach<br />

Vaduz mel<strong>de</strong>n, ihn aber nicht verhaften. <strong>Die</strong>s aber auch nur, sofern die<br />

Schweizer nicht erkennen wür<strong>de</strong>n, dass Kieber auch im Schengen-<br />

System vermerkt war, was genau Vaduz sich insgeheim erhoffte und mit<br />

dieser „Zurückstufung‚ auch erzielen wollte.<br />

293


Auch am 06.02. stellte die LGT Treuhand ohne Konsultation mit Hans-<br />

Adam <strong>de</strong>n Antrag an das LG Vaduz auf die strafrechtliche Verfolgung<br />

Kiebers wegen <strong>Daten</strong>diebstahls. Am 10.02. (o<strong>de</strong>r am 18.02 –<br />

verschie<strong>de</strong>nen Dokumente nennen bei<strong>de</strong> Tage) informierte das<br />

Landgericht das Schloss Vaduz darüber und unterbrach <strong>de</strong>n oben<br />

genannten Antrag vorläufig, da Hans-Adam mit <strong>de</strong>r Anzeige von Dr.<br />

Feuerstein „im Namen‚ <strong>de</strong>r LGT Treuhand gar nicht einverstan<strong>de</strong>n war,<br />

mit <strong>de</strong>m Resultat, dass später, am 02.07.03 die Anzeige zurückgezogen<br />

wur<strong>de</strong>. Eine Verurteilung in Sachen <strong>Daten</strong>diebstahl war also nicht<br />

erwünscht.<br />

<strong>Der</strong> Professor und <strong>de</strong>r von einer längeren Auslandsreise heimkehren<strong>de</strong><br />

Bankdirektor trafen sich in mehreren Sitzungen, da <strong>de</strong>r Professor noch<br />

mehr über das Wesen von Kieber erfahren wollte und <strong>de</strong>r Bankdirektor<br />

diesen ja persönlich kannte. Dem Bankdirektor wur<strong>de</strong> von bei<strong>de</strong>n Seiten<br />

eine beson<strong>de</strong>re Rolle zugeteilt. Von Seiten Hans-Adam, da er ihm<br />

vertrauen konnte und von Seiten Kiebers, da dieser ihn im Brief vom<br />

07.01.03 als einen <strong>de</strong>r zwei möglichen Gesprächspartner namentlich<br />

genannt hatte und daher Kieber ihm offenbar traute.<br />

Je mehr <strong>de</strong>r Professor über Kieber erfuhr, umso mehr empfand er es als<br />

eine Herausfor<strong>de</strong>rung, <strong>de</strong>r Sache auf <strong>de</strong>n Grund zu gehen. Er musste ihn<br />

kennen lernen. Er erkannte, dass es nicht einfach sein wür<strong>de</strong>, die Psyche<br />

von Kieber richtig zu verstehen. <strong>Der</strong> Professor und <strong>de</strong>r Bankdirektor<br />

stellten sich auf komplizierte und lange Diskussionen mit Kieber ein, um<br />

an das gewünschte Ziel von Hans-Adam zu kommen.<br />

Inzwischen war es in <strong>de</strong>n Justizkreisen von Vaduz kein Geheimnis mehr,<br />

dass sich seit Anfang Januar offenbar Dramatisches zwischen Kieber,<br />

Hans-Adam und seiner Regierung abspielte. In dieser<br />

spannungsgela<strong>de</strong>nen Zeit wagte niemand offen Partei zugunsten Kieber<br />

zu ergreifen. Natürlich war die grosse Mehrheit, vor allem diejenigen,<br />

die keine Detailkenntnisse hatten, auf <strong>de</strong>r Seite <strong>de</strong>s „armen‚ Hans-<br />

Adam.<br />

Ein weiteres wichtiges Ereignis in <strong>de</strong>r Saga Kieber passierte am 14.02.03<br />

beim Oberbersten Gerichtshof in Vaduz. Da entschied das Gericht im<br />

Zivilstreit um die in Österreich blockierten Gel<strong>de</strong>r in einer nicht-<br />

294


öffentlichen Sitzung, <strong>de</strong>m Revisionsantrag von Kieber nicht Folge zu<br />

leisten und das Urteil <strong>de</strong>r unteren Instanz zu bestätigen.<br />

Anm.: Obwohl mein Anwalt exzellente Grün<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Revision darlegte, waren<br />

meine Chancen dafür auf Null geschrumpft, nach<strong>de</strong>m ich seit Januar 2003 das<br />

Land in <strong>de</strong>n Schwitzkasten genommen hatte. Meine berechtigten Vorwürfe auch<br />

gegen die Justiz im Brief und auf <strong>de</strong>r Tonkassette (07.01.03) sind logischerweise<br />

bei <strong>de</strong>n Betroffenen nicht gut angekommen. <strong>Die</strong>sen Beschluss vom 14.02.03<br />

reichte <strong>de</strong>r RA von Helmut Roegele sofort beim Bezirksgericht Feldkirch ein.<br />

<strong>Die</strong>ses Gericht fällte dann am 26.02.03 einen Vollstreckbarkeitsbeschluss.<br />

Am gleichen Tag entschloss man sich, die am ursprünglich am 13.01.<br />

geplante Razzia <strong>de</strong>s Elternhauses von Kieber durchzuführen. Es ging<br />

nicht darum, Kieber selbst dort zu fin<strong>de</strong>n. Man erhoffte sich die <strong>Daten</strong><br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Computer von Kieber dort vorzufin<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Suche ergab nicht<br />

das erwünschte Resultat. Alle im KKZ waren über die neuen, erledigten<br />

Aktivitäten von Polizei und Justiz voll zufrie<strong>de</strong>n. Man musste nur<br />

sicherstellen, dass Kieber nichts davon erfahren wür<strong>de</strong>. Um dies<br />

sicherzustellen, wur<strong>de</strong> nochmals allen Beteiligten mehr o<strong>de</strong>r weniger<br />

freundlich eingehämmert, dass es als (Lan<strong>de</strong>s-)Verrat angesehen wür<strong>de</strong>,<br />

wenn jemand Kieber etwas davon erzählen wür<strong>de</strong>.<br />

295


KAPITEL 12 Holländischer Käse<br />

AMSTERDAM<br />

Hurra, hurra - Holland ich war da.<br />

Ich war sehr erleichtert. Bei so vielen Kilometer zwischen mir und<br />

Liechtenstein fühlte ich mich besser. Warum genau wusste ich nicht. Ich<br />

war ja nicht auf einer Flucht. Ich glaubte auch, dass ich mich in<br />

Amsterdam unauffälliger in <strong>de</strong>r Menschenmenge bewegen könnte, als in<br />

Berlin. Man liess mich beim Hauptbahnhof aussteigen. Ich wollte das<br />

bunte Leben von Amsterdam rund um <strong>de</strong>n Bahnhof auf mich einwirken<br />

lassen. Hier müsste es sich eine Weile aushalten lassen, da war ich mir<br />

sicher. Ich stieg in eines <strong>de</strong>r vielen warten<strong>de</strong>n Taxis ein und liess mich<br />

nach Monnikendam fahren. Nach 20 Minuten stieg ich aus <strong>de</strong>m Taxi und<br />

stand vor einem <strong>de</strong>r typischen holländischen Reihenhäuschen. Ein Schild<br />

an <strong>de</strong>r Wand bestätigte mir, dass ich vor <strong>de</strong>m Flowergar<strong>de</strong>n B&B stand.<br />

Alles niedlich und sauber, wenn auch sehr klein.<br />

Ich klingelte und eine schlanke Dame öffnete die Türe. Claudio? Jane?, Ja<br />

– Ja. Herzlich Willkommen, Haaartelijk welkom en Holland,<br />

willkommen in Monnikendam, willkommen im Flowergar<strong>de</strong>n. Sie führte<br />

mich eine schmale Treppe hoch in <strong>de</strong>n ersten Stock <strong>de</strong>s Hauses.<br />

Ich bekam das Zimmer Nr. 3, mit <strong>de</strong>m grossen Einzelbett, einem<br />

Schminktisch, <strong>de</strong>r später als Bürotisch dienen sollte, einem Stuhl,<br />

Spiegel, einem Ventilator einem eingebautem Wandschrank. Rechts<br />

neben mir waren die Gästezimmer Nr. 1 und 2, eines mit zwei<br />

Einzelbetten und das an<strong>de</strong>re mit einem grossen Ehebett, bei<strong>de</strong> mit etwas<br />

mehr Platz. Auf <strong>de</strong>m Gang befand sich eine Dusche mit WC. Alles trotz<br />

<strong>de</strong>s Alters sehr gut im Schuss. Schriftliche Instruktionen klebten an <strong>de</strong>n<br />

Wän<strong>de</strong>n: bezüglich Benutzung <strong>de</strong>r Dusche und allgemeine<br />

Pflegehinweise. Ein Blick von meinem Zimmer aus in <strong>de</strong>n Garten<br />

erklärte <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s B&B: ein paradiesischer Garten, eher die<br />

englische Art. Es blühten schon ein paar Blumen. Im Sommer wür<strong>de</strong> dies<br />

aber ein Meer an Farben geben, sagte ich zu mir.<br />

Ich konnte meine Sachen auspacken, bevor ich wie<strong>de</strong>r runter ging, um<br />

die Formalitäten zu erledigen. Na ja, da war nicht viel Formelles zu tun.<br />

Bezahlen wür<strong>de</strong> ich immer in bar einen Monat im Voraus. Ausweise<br />

wollte hier niemand sehen. Unten, da waren die <strong>Die</strong>le, die Küche und<br />

296


die Stube mit Blick zur Strasse hinaus. Am an<strong>de</strong>ren En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Stube stand<br />

ein grosser, run<strong>de</strong>r Tisch mit schweren Stühlen. Dort dürfte ich das<br />

Frühstück einnehmen, sagte Jane. In meiner Zimmermiete war das<br />

Frühstück auch inbegriffen. Zwischen 07.30 Uhr und 08.30 Uhr wur<strong>de</strong> es<br />

serviert: Englisch Breakfast Tea o<strong>de</strong>r ab und zu mal heisse Schokola<strong>de</strong>,<br />

Toastscheiben, dazu Butter und Konfitüre, ein paar Scheiben<br />

holländischer Käse und dünnen Wurstaufschnitt. Sieben Mal die Woche.<br />

Ich war froh, auf Anhieb eine gute Unterkunft gefun<strong>de</strong>n zu haben.<br />

Monnikendam ist ein reizen<strong>de</strong>s Dorf, mit einem Hafen, einer kleinen, auf<br />

Touristen ausgerichteten Geschäftsmeile und endlosen Kanälen. Es war<br />

ruhig und Amsterdam trotz<strong>de</strong>m gut erreichbar. Nur 13 Kilometer weit<br />

weg. Ich konnte zwischen <strong>de</strong>m Linienbus, <strong>de</strong>r von frühmorgens bis spät<br />

in die Nacht regelmässig verkehrte, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Fahrrad wählen. Sobald<br />

das Wetter besser und ich mich in <strong>de</strong>r Gegend mehr auskennen wür<strong>de</strong>,<br />

könnte ich von einem Bekannten von Jane, <strong>de</strong>r auch in Monnikendam<br />

wohnte, für eine kleine Gebühr einen holländischen Drahtesel mieten.<br />

In <strong>de</strong>r ersten Woche versuchte ich, eine Bank für eine Schliessfachmiete<br />

zu fin<strong>de</strong>n. Lei<strong>de</strong>r war es in Holland gar nicht einfach ein Bankkonto zu<br />

eröffnen, das die Voraussetzung für eine Safemiete war. Als nicht EU-<br />

Bürger und ohne Aufenthaltsbewilligung in Holland war es mir<br />

unmöglich, ein Konto zu eröffnen.<br />

Egal, dachte ich mir. Ich war zuversichtlich, dass wenn ich <strong>de</strong>n Laptop,<br />

das DLT-Tape, die an<strong>de</strong>ren <strong>Daten</strong>speicher und Papierdokumente gut im<br />

kleineren Koffer verstaute und abschliesse, niemand an sie ran könnte.<br />

Den Koffer verstaute ich ganz hinten im eingebauten Klei<strong>de</strong>rschrank im<br />

Zimmer. Obwohl Jane täglich mein Bett machte, hatte ich nichts zu<br />

befürchten. Sie war immer diskret und höflich. Aber wenn sie etwas<br />

störte, dann hielt sie auch nicht hinter <strong>de</strong>m Berg zurück.<br />

Ich erzählte ihr, dass ich etwas länger als üblich hier bleiben wollte, da<br />

ich von hier aus diverse Tagesausflüge in alle Ecken von ihrem schönen<br />

Land machten wollte.<br />

Amsterdam war so an<strong>de</strong>rs als Berlin. Zuerst einmal die Hor<strong>de</strong>n von<br />

Touristen, schon im Februar. Dann die Häuser und das Leben am und<br />

auf <strong>de</strong>m Kanal. Ich hatte noch nie so schöne Innenstadtgebäu<strong>de</strong> gesehen.<br />

Einige <strong>de</strong>r mehrstöckigen Bauwerke waren vor ein, zwei o<strong>de</strong>r gar drei<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rten gebaut wor<strong>de</strong>n und stan<strong>de</strong>n immer noch prachtvoll da.<br />

297


<strong>Die</strong> alte Aktienbörse ist sogar noch älter, sie ist aus <strong>de</strong>m Jahr 1611. Und<br />

dann die vielen Grachten mit <strong>de</strong>n Hausbooten.<br />

Ich absolvierte alle er<strong>de</strong>nklichen Touren, die man als Tourist machen<br />

konnte. <strong>Die</strong> Kanalfahrten, Besuch <strong>de</strong>s Seefahrermuseums, das<br />

Rijksmuseum, das Museum <strong>de</strong>r holländischen Maler. <strong>Die</strong> Mischung von<br />

Kulturen aus allen Ecken <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> drückte sich auch in <strong>de</strong>r immensen<br />

Auswahl von verschie<strong>de</strong>nen Restaurants aus. Stun<strong>de</strong>nlang konnte ich in<br />

<strong>de</strong>n Strassen umherlaufen, immer mit <strong>de</strong>m Stadtplan in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n. In<br />

Amsterdam gab es min<strong>de</strong>stens so viele Internetmöglichkeiten wie es<br />

Apotheken in Berlin gab. Mit <strong>de</strong>r Zeit liebte ich diese phantastische Stadt<br />

immer mehr. Sobald man sich nämlich von <strong>de</strong>n städtischen<br />

Hauptwan<strong>de</strong>rrouten <strong>de</strong>r Touristen entfernte, ent<strong>de</strong>ckte man schnell die<br />

ruhigen, oft entvölkerten Strassen und Parks.<br />

AMSTERDAM 17. Februar 2003<br />

Nach einem schönen Wochenen<strong>de</strong> voller Sehenswürdigkeiten, war<br />

wie<strong>de</strong>r die Zeit gekommen, wo ich mich bei Hans-Adam mel<strong>de</strong>n sollte.<br />

Montags war immer ein guter Tag für einen Neuanfang. Ich schrieb ihm<br />

eine kurze Nachricht ins Emailkonto. Ich wünschte ihm nachträglich<br />

alles Gute zum Geburtstag und bat um Entschuldigung, dass ich Anfang<br />

Februar nicht angerufen hatte. Ich erwähnte mit keinem Wort, wohin ich<br />

verreist war. Ich fragte aber nach <strong>de</strong>r Schutz-ID. Ich wie<strong>de</strong>rholte meine<br />

Grün<strong>de</strong> warum ich glaubte, eine Schutz-ID für die Zeit bis zu meiner<br />

Rückkehr sei dringend notwendig. Ich war überzeugt, dass schon am<br />

gleichen Tag eine Antwort aus Vaduz kommen wür<strong>de</strong>.<br />

Lei<strong>de</strong>r war <strong>de</strong>m nicht so.<br />

VADUZ 18. Februar 2003<br />

In <strong>de</strong>r KKZ machte mach sich Sorgen, weil Kieber sich noch nicht wie<strong>de</strong>r<br />

gemel<strong>de</strong>t hatte. Taktisch wur<strong>de</strong> so vorgegangen, dass, sobald er sich<br />

mel<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, man einen Tag mit <strong>de</strong>r Antwort warten wür<strong>de</strong>. Um<br />

Kieber nicht offenbaren zu müssen, dass Hans-Adam und die Regierung<br />

wie auf Nägeln sitzend auf Nachricht warteten.<br />

Hans-Adam hatte nochmals rigoros festgelegt, dass unter keinen<br />

Umstän<strong>de</strong>n die gedruckten Pässe Kieber überlassen wer<strong>de</strong>n sollten. Er,<br />

298


wie auch die Hälfte <strong>de</strong>s KKZ, befürchtete, dass Kieber heimlich<br />

Verhandlungen mit <strong>de</strong>m Feind aufgenommen hatte und <strong>de</strong>n Pass gegen<br />

sie verwen<strong>de</strong>n könnte: als Beweis, dass man in Vaduz auch zu allen<br />

Mitteln greife, um wie<strong>de</strong>r an die <strong>Daten</strong> kommen.<br />

AMSTERDAM 18. Februar 2003<br />

Mein neues Zuhause behagte mir sehr. Es war die i<strong>de</strong>ale<br />

Rückzugsmöglichkeit. Während <strong>de</strong>s Tages schwirrte ich in <strong>de</strong>r quirligen<br />

Stadt herum und abends genoss ich die Friedhofsruhe in Monnikendam.<br />

Alles, was man zum Leben brauchte, konnte man dort fin<strong>de</strong>n.<br />

Gemüsela<strong>de</strong>n, Bäckerei, Spazierwege, Kirche und auch ein Autohaus.<br />

Auto? Ja warum nicht, dachte ich mir und besuchten <strong>de</strong>n Händler. Ich<br />

könnte mir einen alten Volvo kaufen. Damit wäre ich etwas flexibler.<br />

Müsste nur aufpassen, nicht in eine Kontrolle zu geraten. Lei<strong>de</strong>r hatte<br />

die Holländische Regierung ein Gesetz erlassen, dass praktisch nur im<br />

Lan<strong>de</strong> wohnhafte Personen ein Auto mit Holländischem Kennzeichen<br />

kaufen und fahren dürfen (Ausgenommen Mietwagen natürlich).<br />

In <strong>de</strong>r Vergangenheit, als dies noch keine Vorschrift war, wur<strong>de</strong> offenbar<br />

diese Gesetzeslücke von zu vielen zweifelhaften Gestalten missbraucht<br />

und nun fahren zigtausend Kisten mit holländischen Kennzeichen in<br />

ganz Europa herum, ohne Steuern o<strong>de</strong>r Abgaben zu bezahlen. Somit war<br />

das Thema Automobile auch gleich wie<strong>de</strong>r gestorben.<br />

Am Nachmittag suchte ich eine Internetstation auf. Aus <strong>de</strong>m Osten war<br />

nichts Neues zu lesen. Erst kurz vor 19:30 konnte ich folgen<strong>de</strong> Nachricht<br />

lesen:<br />

In <strong>de</strong>r ID-Frage gibt es wie kommuniziert keinen Spielraum.<br />

Erwarten Anweisungen für das von ihnen vorgeschlagene Vier-<br />

Augen-Gespräch.<br />

Aha, dachte ich mir, sie sind immer noch stur in Sachen ID. Wollten die<br />

Schutz-ID nur für eine „begleitete‚ Heimreise zu Verfügung stellen.<br />

Wirklich ein enger Spielraum. Was mich auch verwun<strong>de</strong>rte, war, dass sie<br />

nicht nachgefragt hatten, wohin ich <strong>de</strong>n nun verreist sei. Ich war zu<br />

mü<strong>de</strong> um zu überlegen, was ich jetzt wie<strong>de</strong>r schreiben sollte. Besser war<br />

es, wenn ich nach Hause ginge und mir über Nacht Gedanken machte.<br />

299


VADUZ 19. Februar 2003 (1)<br />

Man fand die neuste Nachricht von Kieber, die er am morgen um 08.16<br />

Uhr abgespeichert hatte. Kieber bedanke sich für die letzte Nachricht<br />

und war allgemein verärgert, dass die Schutz-ID ihm nicht für eine Zeit<br />

ausgeliehen wür<strong>de</strong>. Er wäre frustriert und beklagte sich darüber, dass<br />

wenn man nur einen Bruchteil <strong>de</strong>r Energie und Arbeitsstun<strong>de</strong>n, die man<br />

jetzt in die Lösung <strong>de</strong>s aktuellen Problems steckte, in seinen 101er und<br />

140er Gerichtsfall investiert hätte, wäre es nie so weit gekommen.<br />

Er befän<strong>de</strong> sich nun ist einer Situation, in <strong>de</strong>r er nicht viele Optionen<br />

hätte. Er habe keine an<strong>de</strong>re Wahl als sich um an<strong>de</strong>re Papiere zu<br />

bemühen. Er wüsste zwar nicht wie und wo, aber er wür<strong>de</strong> solange<br />

suchen, bis er sie fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Es dauerte ihm alles zu lange. Er könnte<br />

ja unmöglich als H.K. hier auf eine Lösung warten.<br />

Er vermutete auch, dass Hans-Adam dies wohl so wollte. Damit er<br />

kriechend nach Hause zurückkehren wür<strong>de</strong>. Kieber wäre sich im Klaren<br />

darüber, dass die in Vaduz <strong>de</strong>n längeren Atmen hätten. Da er weiters<br />

vermutete, dass man nur Zeit gewinnen wollte, setze er eine Frist bis<br />

En<strong>de</strong> Februar 2003, <strong>de</strong>n 28.02.03. Sollte bis dann keine Lösung in Bezug<br />

auf eine temporäre Schutz-ID gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, dann gäbe es keinen<br />

Sinn weiterhin zu kommunizieren. Am Schluss seines Schreibens<br />

entschuldigte er sich dafür, dass er keine besseren Nachrichten<br />

übermitteln konnte.<br />

Man rätselte wie nach je<strong>de</strong>r Botschaft von Kieber, was er nun wie<strong>de</strong>r<br />

damit meinte. <strong>Die</strong> im Raum Anwesen<strong>de</strong>n blickten hoffnungsvoll in die<br />

Augen vom Professor. Wie üblich, wur<strong>de</strong> je<strong>de</strong>r einzelne nach <strong>de</strong>ssen<br />

Mutmassungen gefragt. Kieber sei sicher noch in Berlin, sonst hätte er<br />

uns doch geschrieben, wenn er Deutschland verlassen hätte. O<strong>de</strong>r,<br />

Kieber sei schon in Verhandlungen mit <strong>de</strong>n Amis und schreibe nur um<br />

selber Zeit zu gewinnen und um keinen Verdacht zu schöpfen. O<strong>de</strong>r,<br />

Kieber re<strong>de</strong>t schon mit <strong>de</strong>n Deutschen über die <strong>Daten</strong>.<br />

Hans-Adam beauftragte wie<strong>de</strong>rum die KKZ herauszufin<strong>de</strong>n, von wo aus<br />

Kieber diesmal die abgespeicherte Nachricht geschrieben hatte. Nach ca.<br />

35 Minuten kam die Antwort zurück: Frankreich. Wo in Frankreich,<br />

fragte <strong>de</strong>r Schlossherr. Lei<strong>de</strong>r wäre dies nicht zu ermitteln, wur<strong>de</strong> ihm<br />

gesagt.<br />

300


Frankreich? Aha, in Frankreich, machte die Feststellung die Run<strong>de</strong>. Oh<br />

Gott, Frankreich! Dabei dachte Feuerstein laut über <strong>de</strong>n sehr grossen<br />

Treuhandkun<strong>de</strong>n aus Frankreich nach, <strong>de</strong>r seit Jahren fast eine halbe<br />

Milliar<strong>de</strong> Euro in verschie<strong>de</strong>nen Stiftungen und an<strong>de</strong>ren Gesellschaften<br />

gebunkert hatte. Ja, ja – meinte Hasler, wir haben keine Zeit um jetzt an<br />

einzelne Kun<strong>de</strong>n zu <strong>de</strong>nken. Wir müssen han<strong>de</strong>ln, been<strong>de</strong>te er laut seine<br />

Gedanken. <strong>Der</strong> Professor regte an, dass man <strong>de</strong>n Bankdirektor auf ein<br />

Treffen mit Kieber vorbereiten sollte. Nach Einholen <strong>de</strong>s<br />

Einverständnisses von Hans-Adam, informierte man Kieber:<br />

Zwecks Lösungsfindung kontaktieren Sie heute um 1700 die<br />

Ihnen bekannte Kontaktperson unter <strong>de</strong>r Nr. OT Entfernt<br />

AMSTERDAM 19. Februar 2003 (a)<br />

Ich verbrachte die meiste Zeit dieses Tages im Foyer <strong>de</strong>s Hotels Victoria<br />

am Damrak, gegenüber <strong>de</strong>m Hauptbahnhof. Dort konnte ich mich in<br />

einem Klubsessel an ein grosses Fenster setzen und die vorbeiziehen<strong>de</strong><br />

Welt draussen beobachten. O<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Brasserie <strong>de</strong>s Hotels, wo ich<br />

näher am Geschehen sitzen konnte. Knipsen<strong>de</strong> Urlauber, an<strong>de</strong>re<br />

Fussgänger wie Immigranten aus allen Herren Län<strong>de</strong>r, Bettler,<br />

Drogenabhängige und die Taschendiebe. Alle zwei Stun<strong>de</strong>n ging ich<br />

nachsehen, ob Vaduz endlich mit positiven Meldungen aufwartete. Je<br />

mehr ich versuchte, mich in <strong>de</strong>ren Lage hineinzu<strong>de</strong>nken, <strong>de</strong>sto mehr<br />

kamen mir die Zweifel, ob es überhaupt Hans-Adam sei, mit <strong>de</strong>m ich im<br />

Netz „plau<strong>de</strong>rte‚.<br />

Angriffslustig nachfragen, ja das wäre am Einfachsten, sagte ich zu mir.<br />

Es war mir natürlich klar, dass ich keine ehrliche Antwort erwarten<br />

konnte. Aber immerhin, besser als keine Antwort. Ich fand es auch<br />

zweckmässig, wenn ich Hans-Adam mit diversen Fragen beschäftigt<br />

halte.<br />

Beim dritten Internetbesuch ent<strong>de</strong>ckte ich die jüngste Nachricht aus<br />

Vaduz. Sie wollten, dass ich <strong>de</strong>n Bankdirektor direkt auf seinem Handy<br />

anrufe. Er war <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>n ich in meinem Schreiben als<br />

Vertrauensperson erwähnt hatte. Na endlich, schoss es mir durch <strong>de</strong>n<br />

Kopf. <strong>Die</strong>ser Kurs war <strong>de</strong>r einzige Richtige. Bei <strong>de</strong>r Auswahl einer<br />

301


Vertrauensperson war ich sehr vorsichtig vorgegangen. Nebst <strong>de</strong>m<br />

Bankdirektor hatte ich <strong>de</strong>n Erstgeborenen, Alois, angeführt.<br />

Obwohl ich stark vermutete, dass Hans-Adam seinen Alois nicht zu<br />

Diskussionen mit mir sen<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Dazu sind sie zu schreckhaft. Aber<br />

ganz genau wusste man ja nie. Hans-Adam lässt die Drecksarbeit lieber<br />

von <strong>de</strong>r „<strong>Die</strong>nerschaft‚ o<strong>de</strong>r über Mittelsmänner erledigen, um es mal<br />

salopp auszudrücken. Das hatte <strong>de</strong>n Vorteil, nebst vielen an<strong>de</strong>ren, dass<br />

er und seine Familie nie direkt überführt wer<strong>de</strong>n können. Den<br />

Bankdirektor hatte ich mir als mögliche Diskussionsperson ausgewählt,<br />

da er – obwohl Banker – eine hohe emotionale Intelligenz hatte und ich<br />

ihn aus meiner Anfangszeit bei <strong>de</strong>r LGT Treuhand persönlich kannte.<br />

Ein ausseror<strong>de</strong>ntlicher Mensch. Ich formulierte die nachstehen<strong>de</strong><br />

Antwort:<br />

Danke für die Nachricht, die Nummer habe ich noch von Früher.<br />

Zuerst mochte ich fragen, ob hier in diesem Emailaccount mit mir<br />

aus einem Haus im Gewerbeweg (neben Passamt) in <strong>de</strong>r<br />

Herrengasse (Anm.: das wäre dann das Polizeigebäu<strong>de</strong> gewesen), im<br />

Städtle (Anm.: LGT) o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r <strong>Fürst</strong>-Franz-Josef-Strasse (Anm.:<br />

Schloss) kommuniziert wird? Danke für eine Antwort. Ich bin<br />

froh, dass jene Person, mit <strong>de</strong>r ich schon im an<strong>de</strong>ren Land so oft<br />

telefoniert hatte nun wie<strong>de</strong>r da ist. Ich kann aber ihn nicht<br />

anrufen: bitte verstehen sie, dass durch einen Anruf sie <strong>de</strong>n<br />

Anruf eventuell zurückverfolgen können. Ich nehme an, dass er<br />

mir am Telefon vermutlich auch erklären will und muss, warum<br />

eine Schutz-ID nicht möglich ist. Ich weiss, dass es unter<br />

normalen Umstän<strong>de</strong>n nicht möglich ist - wenn man aber wollte,<br />

dann ginge es schon. Über die an<strong>de</strong>ren möglichen<br />

Lösungsvorschläge, die sie haben, kann man auch hier im<br />

Emailkonto schreiben.<br />

Durchlaucht, En<strong>de</strong> Februar sind es 6 Wochen und 4 Tage seit<br />

<strong>de</strong>m 13.01.2003. Wir alle hatten sehr viel Zeit, um über alles<br />

nachzu<strong>de</strong>nken etc. Darf ich was fragen? Haben / konnten sie<br />

wirklich sich die Zeit nehmen und die Unterlagen zum Fall 10 Vr<br />

101/97 lesen? Konnten sie das?<br />

Ich glaube auch, dass sie von <strong>de</strong>n zuständigen Behör<strong>de</strong>n (STA<br />

etc.) nicht im ganz informiert wor<strong>de</strong>n sind - alles belasten<strong>de</strong> über<br />

mich hat man ihnen wohl voll erzählt - die Fehler <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>n<br />

in Akt 101er u. 140er wur<strong>de</strong>n sicher verschwiegen. Vielleicht<br />

302


wäre es gut, wenn sie meinen langen Brief, <strong>de</strong>n sie mit <strong>de</strong>m 1.<br />

Paket erhalten haben - jetzt nochmals lesen könnten - vielleicht<br />

sehen sie es nun in einem an<strong>de</strong>rem Licht.<br />

Mehr kann ich lei<strong>de</strong>r nicht schreiben - ich habe auch kein Rezept<br />

für eine Lösung. Ich habe / hatte auch keinen PLAN ‚X‚ wenn<br />

dies o<strong>de</strong>r jenes geschieht. Alles ist schief gelaufen und ich<br />

empfin<strong>de</strong> irgendwie auch das En<strong>de</strong> nahen. Es kommt wohl <strong>de</strong>r<br />

Punkt, wo sie das tun müssen, was sie entschei<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n und<br />

ich dasselbe. Vielen Dank für ihre Zeit und es tut mir wirklich<br />

leid, dass Ausgerechnet ich - ein grosser Fan ihrer Familie - dies<br />

tue. Ich schaue heute (19.02.03) nochmals um ca. 18 30 nochmals<br />

rein: ansonsten morgen um ca. 11 Uhr<br />

VADUZ 19. Februar 2003 (2)<br />

Je<strong>de</strong> Zeile wur<strong>de</strong> aufmerksam gelesen und interpretiert. <strong>Der</strong> Professor<br />

merkte an, dass Kieber offenbar sehr <strong>de</strong>utlich mit sich selber kämpfte.<br />

Und auch Anzeichen grosser Reue zeigte. <strong>Die</strong>se Indizien müssten für die<br />

Ziele von Hans-Adam ausgenützt wer<strong>de</strong>n können. Man musste ihm<br />

unbedingt die Angst vor einer Falle nehmen.<br />

Hans-Adam wollte, dass keine Lösungsvorschläge mehr übers Telefon<br />

o<strong>de</strong>r das Netz mitgeteilt wür<strong>de</strong>n. Wo bleibt da sonst die Diskretion, die<br />

Verschwiegenheit und die Vorsicht, ermahnte er sie alle. Nach kurzer<br />

Diskussion einigte man sich auf folgen<strong>de</strong> Antwort an Kieber:<br />

Telefonat dient lediglich <strong>de</strong>r Vorbereitung <strong>de</strong>s von ihnen<br />

gewünschten Vier-Augen-Gesprächs mit Vertrauensperson.<br />

Mögliche Lösungsvorschläge wer<strong>de</strong>n aus verständlichen<br />

Grün<strong>de</strong>n nicht am Telefon o<strong>de</strong>r im Netz diskutiert. Zusicherung,<br />

dass bei Organisation und Durchführung <strong>de</strong>s Treffens mit<br />

Vertrauensperson keine Fallen gestellt wer<strong>de</strong>n. Vorschlag für<br />

Organisation <strong>de</strong>s Vier-Augen-Gespräch bis morgen<br />

Donnerstagmittag.<br />

AMSTERDAM 19. Februar 2003 (b)<br />

Meine Antwort kam dann prompt:<br />

303


Danke für die Nachricht. Es wur<strong>de</strong>n zwar keine meiner Fragen<br />

beantwortet. Ich bin mir jetzt nicht mehr sicher, ob ein Gespräch<br />

die Lösung bringen wür<strong>de</strong>. Ich kann mir auch mit <strong>de</strong>r grössten<br />

Mühe nicht vorstellen, was sie vorschlagen könnten: <strong>Die</strong><br />

Verbrecher von Argentinien wer<strong>de</strong>n wohl nie durch ein Gericht<br />

meiner Heimat verfolgt wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Schutz-ID ist also nicht<br />

machbar. Gegen mich läuft alles... Ein Treffen, ohne dass eine<br />

Schutz-ID gegeben wird - macht keinen Sinn für mich. Danke für<br />

die Zusicherung: logischerweise wür<strong>de</strong>n sie mir aber auch nie<br />

sagen, wenn sie ein Falle organisieren. Ich bitte sie mir<br />

wenigstens in An<strong>de</strong>utungen hier hinzuschreiben, was für welche<br />

Lösungsansätze es wären. Ich mel<strong>de</strong> mich wie<strong>de</strong>r morgen um ca.<br />

11 Uhr<br />

VADUZ 20. Februar 2003<br />

<strong>Die</strong> letzte Meldung von Kieber lag schon frisch ausgedruckt auf <strong>de</strong>m<br />

Tisch im Sitzungszimmer <strong>de</strong>s KKZ. Nun gut, dachte man sich in Vaduz.<br />

Bis zu einer Antwort hätten sie ja noch über zweieinhalb Stun<strong>de</strong>n Zeit.<br />

Es müsste nur eine neue Nachricht vor 11 Uhr eingegeben wer<strong>de</strong>n,<br />

sodass Kieber nicht <strong>de</strong>nken wür<strong>de</strong>, die in Vaduz hätten ihn<br />

abgeschrieben.<br />

<strong>Die</strong> morgendliche Sitzung <strong>de</strong>s KKZ wur<strong>de</strong> dazu genutzt, eine offene<br />

Diskussionsrun<strong>de</strong> zu starten. Sehr zum Frust <strong>de</strong>s Professors, <strong>de</strong>r Polizei<br />

und <strong>de</strong>r Justiz, stimmten einige von <strong>de</strong>r LGT und <strong>de</strong>r Regierung wie<strong>de</strong>r<br />

ein tot geglaubtes Lied an: Man sollte Kieber so schnell wie möglich<br />

dingfest machen. Ohne auf „fremdstaatliche Hilfe‚ angewiesen zu sein.<br />

Ohne Zweifel stand fest, dass Liechtenstein aufgrund internationaler<br />

Vereinbarungen und Mitgliedschaften schon lange hätte Genaueres <strong>de</strong>m<br />

Ausland mitteilen müssen.<br />

Mit <strong>de</strong>m Resultat, dass Kieber nicht in Vaduz son<strong>de</strong>rn in Spanien<br />

gelan<strong>de</strong>t wäre, was - verständlicherweise - das Staatsoberhaupt Hans-<br />

Adam ausdrücklich nicht wünschte. So waren die Gegner solcher I<strong>de</strong>en<br />

schon etwas Sprachlos, als die Befürworter ein fertiges Konzept auf <strong>de</strong>n<br />

Tisch legten. Schliesslich stan<strong>de</strong>n die höchsten Staatsinteressen auf <strong>de</strong>m<br />

Spiel. Man könnte doch Kieber mit <strong>de</strong>r Zusage einer Aushändigung <strong>de</strong>r<br />

304


Schutz-ID kö<strong>de</strong>rn und ihn für ein Gespräch nahe an die französischschweizerische<br />

Grenze einla<strong>de</strong>n. Z.B. nach Strassburg o<strong>de</strong>r besser noch<br />

nach Mulhouse.<br />

Psychologisch müsste ihm dies aber so verkauft wer<strong>de</strong>n, dass er glaubt,<br />

es sei seine I<strong>de</strong>e gewesen, dorthin zu kommen. In Strassburg müsste <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor Kiebers Vertrauen in ihn festigen und herausfin<strong>de</strong>n, ob er<br />

die Sicherheitsmassnahmen, wie er sie im Brief vom 7.1.03 beschrieben<br />

hatte, wie<strong>de</strong>r in die Wege gleitet hatte. Vielleicht hätte er gar keine<br />

solcher Massnahmen aktiviert. Möglicherweise blufft er nur. Ja, sicher,<br />

sicher, erwi<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r Professor, wur<strong>de</strong>n wir nicht gera<strong>de</strong> selber<br />

überrumpelt, als sich herausstellte, dass er die angeblich nicht<br />

entwendbaren <strong>Daten</strong> in <strong>de</strong>r Tat hatte? Er konnte als Experte nicht ganz<br />

ausschliessen, dass Kieber nur aus schlauen Überlegungen so explizit auf<br />

seine eigenen Schutzvorkehrungen hingewiesen hatte. Ihn wür<strong>de</strong> es aber<br />

ganz und gar nicht verwun<strong>de</strong>rn, wenn er im Gegenteil, grössere und<br />

bessere Vorkehrungen organisiert hat, als er uns mitgeteilt hatte. Er<br />

wür<strong>de</strong> dies lieber nicht testen wollen.<br />

<strong>Die</strong> Befürworter radikaler Massnahmen hatten einiges an Arbeit in das<br />

Manuskript gesteckt und wollten es darum fertig diskutieren. Für die<br />

Ausführung hatte man verschwiegene Dritte zur Hand. Nein, keine<br />

Schnüffler. Man könnte auf gewisse Kreise zurückgreifen, die aus<br />

innerlicher Überzeugung mithelfen wür<strong>de</strong>n. Natürlich gegen<br />

entsprechend fettes Geld, wegen <strong>de</strong>m allgemeinen hohen „Risiko‚. <strong>Der</strong><br />

Plan sah Folgen<strong>de</strong>s vor: Sobald <strong>de</strong>r Bankdirektor überzeugt war, dass<br />

Kieber ihm voll vertrauen wür<strong>de</strong> und dieser keine Massnahmen<br />

getroffen hätte und er wisse, wo Kieber die <strong>Daten</strong> aufbewahre, dann, erst<br />

dann soll er Kieber in die Tiefgarage seines Hotels führen, um ihm die<br />

angeblich dort im Mietwagen verstaute Schutz-ID aushändigen zu<br />

können.<br />

Bevor Kieber merken wür<strong>de</strong>, was los ist, wäre er schon von einer Gruppe<br />

starker Männer überwältigt und ruhig gestellt wor<strong>de</strong>n. Ein Abtransport<br />

über einen nicht bewachten, nicht besetzten Grenzübergang mit einem<br />

Auto mit Schweizer Kennzeichen sei absolut kein Hin<strong>de</strong>rnis und man<br />

hätte dann freie Fahrt für die drei bis vier Stun<strong>de</strong>n bis nach<br />

Liechtenstein. Sollte Kieber, aus welchen Grün<strong>de</strong>n auch immer, nicht mit<br />

in die Garage kommen wollen, so könne man auch ohne Probleme die<br />

305


Festnahme im Hotelzimmer vom Bankdirektor organisieren, in<strong>de</strong>m man<br />

dort auf die bei<strong>de</strong>n wartete. Man sei sich zu 1000 Prozent sicher, dass<br />

Kieber, zurück in Vaduz, voll kooperativ wäre und sofort mitteilen<br />

wür<strong>de</strong>, ob er noch evt. Kopien, z.B. in Berlin gelassen hätte o<strong>de</strong>r schon<br />

mit frem<strong>de</strong>n Staaten gesprochen hätte. Sollte sich Kieber immer noch<br />

unbelehrbar zeigen, so könnte man ihn mit <strong>de</strong>r Auslieferung nach<br />

Spanien drohen. Egal, das Spanien dies nie verlangt hatte.<br />

Da das ganze Konzept ohne die Mitarbeit und ohne Absprache mit <strong>de</strong>m<br />

Bankdirektor erstellt wor<strong>de</strong>n war, lehnte dieser es kategorisch ab,<br />

Komplize einer solch illegalen Aktion zu wer<strong>de</strong>n, wäre sie auch noch so<br />

gerechtfertigt. Hans-Adam und Alois gefielen diese Zukunftspläne auch<br />

nicht.<br />

<strong>Der</strong> Skandal wäre unvorstellbar, erinnerten sie die Anwesen<strong>de</strong>n, wenn<br />

es später an die Öffentlichkeit kommen wür<strong>de</strong>. Sie schimpften auch mit<br />

<strong>de</strong>n Erfin<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s Konzepts: Was wäre, wenn Kieber sich vehement<br />

gegen einen gewaltsamen Zugriffsversuch wehren wür<strong>de</strong>? Wollte man<br />

ihn halb totschlagen? Nein, auf keinen Fall. Auch daran hätten sie<br />

gedacht, sagte Feuerstein. Es gäbe hochwirksame Beruhigungsmittel in<br />

Spritzenform, die innerhalb von Sekun<strong>de</strong>n ihre volle Wirkung entfalten<br />

wür<strong>de</strong>n. Kieber hätte gar keine Chance, da er keine eigene Kraft mehr<br />

hätte, sich zu wehren. <strong>Die</strong> Dosierung könnte so abgestimmt wer<strong>de</strong>n,<br />

dass er erst wie<strong>de</strong>r nach zwei, drei o<strong>de</strong>r vier Stun<strong>de</strong>n zu sich kommen<br />

wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong> Metho<strong>de</strong> sei medizinisch abgesichert und Kieber wür<strong>de</strong><br />

keine bleiben<strong>de</strong>n Schä<strong>de</strong>n davontragen. Spuren <strong>de</strong>r Droge wür<strong>de</strong>n zwar<br />

im Blut noch lange nachweisbar sein, aber <strong>de</strong>r Plan sehe ja nicht vor,<br />

dass Kieber die Gelegenheit für eine „Beschwer<strong>de</strong>‚ o<strong>de</strong>r Arztvisite habe.<br />

Dem Professor wur<strong>de</strong> es zu viel. Er verabschie<strong>de</strong>te sich von <strong>de</strong>r Run<strong>de</strong><br />

und sagte, dass er frische Luft atmen gehen müsste. Wenn sie Glück<br />

hätten, dann käme er vielleicht wie<strong>de</strong>r zurück.<br />

Dem Bankdirektor wur<strong>de</strong> auch ganz bange. Da fiel ihm etwas ein, was<br />

einem Banker normalerweise beim Aufstehen immer als erstes in <strong>de</strong>n<br />

Sinn kommt: das liebe Geld. Moment mal, sagte er, warum das Geld<br />

nicht <strong>de</strong>m Kieber anbieten, anstelle es dubiosen Gestalten (‚die Gruppe<br />

starker Männer‚) nachzuwerfen.<br />

Geld gegen <strong>Daten</strong>, das könnte die Lösung sein. Man wäre ja heilfroh,<br />

wenn <strong>de</strong>m so wäre, erwi<strong>de</strong>rte Hans-Adam. Aber darum geht es Kieber<br />

306


doch gar nicht. Er hat nie ein Wort davon gesagt. Hier haben wir es<br />

lei<strong>de</strong>r nicht mit einem klassischen Fall zu tun, fasste Hasler, fast schon<br />

wehmütig, zusammen.<br />

<strong>Der</strong> Liechtensteiner Weg, wo Geld alle Wun<strong>de</strong>n heilt, funktioniert eben<br />

nicht immer, erwi<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r Bankdirektor. Trotz<strong>de</strong>m, lasst es uns<br />

versuchen, ermunterte das Staatsoberhaupt. Von einem chaotischen Tag<br />

blieben dann nur noch folgen<strong>de</strong> kurze Zeilen für Kieber übrig:<br />

<strong>Die</strong> in ihrem gestrigen Mail von 10:33 ange<strong>de</strong>uteten alternativen<br />

Lösungsvarianten wer<strong>de</strong>n nur in persönlichem Treffen mit<br />

Vertrauensperson besprochen. FL-ID-Variante <strong>de</strong>finitiv nicht<br />

möglich. Manchmal kann aber Geld Probleme lösen.<br />

Besprechung dieser Variante mit Vertrauensperson persönlich<br />

und nicht über Internet und Telefon.<br />

AMSTERDAM 20. Februar 2003<br />

Ich wusste es. Ich wusste es! Früher o<strong>de</strong>r später – wie immer bei solchen<br />

Leuten – bil<strong>de</strong>ten sie sich ein, mit Geld alle Probleme lösen zu können.<br />

Tja, in meinem Fall hatten sie falsch gedacht. Sie begriffen es immer noch<br />

nicht. Ich war eher erbost, dass sie mir Geld offerierten, anstatt ihre<br />

eigenen (Justiz-)Fehler einzugestehen und zu korrigieren. Dann wie<strong>de</strong>r<br />

konnte ich sehen, dass es eben <strong>de</strong>r einfachste Weg für sie war.<br />

Ich wollte aber kein Geld. Nie und nimmer. Ich war auf das Ziel fixiert,<br />

die Verbrecher Roegele & Co. hinter Gitter zu bringen. Koste was es<br />

wolle. Ich blieb in meiner Antwort ehrlich und versuchte meine gefühlte<br />

Wut nicht zum Ausdruck zu bringen. Was mir gegen En<strong>de</strong> nicht so gut<br />

gelang. Mit <strong>de</strong>r unbehaglichen Gewissheit, dass meine Zeilen ein paar<br />

neue Wutanfälle in <strong>de</strong>r Heimat auslösen wür<strong>de</strong>n, schrieb ich folgen<strong>de</strong>s<br />

und drückte dann die Speichertaste:<br />

Tja - da bin ich aber überrascht wor<strong>de</strong>n! Wenn man all meine<br />

Unterlagen gelesen hat, dann weiss man, dass ich NIE um GELD<br />

gebeten habe. Ist dies ein Versuch mich in einen Gel<strong>de</strong>rpresser zu<br />

wan<strong>de</strong>ln? Damit es später besser in die ‚Geschichte‚ passt: sollte<br />

die Katastrophe eintreten?!?<br />

Ich bin kein Erpresser.<br />

307


<strong>Die</strong> Verurteilung <strong>de</strong>r Folterer wäre meine Erlösung. Sicherlich -<br />

Geld macht das leben leichter, ich gebe auch zu‚ dass ich auch mit<br />

<strong>de</strong>m Gedanken gespielt habe, Ersatz für <strong>de</strong>n finanziellen<br />

Scha<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n ich durch das Urteil im 2002 in <strong>de</strong>r Zivilsache<br />

gegen <strong>de</strong>n Hauptverbrecher aus Argentinien erlitt, nämlich die<br />

über eine Million CHF (blockiertem Geld, Anwaltskosten von 5 ½<br />

Jahren etc.) zurückzufor<strong>de</strong>rn.<br />

Aber wie sie ja wissen, habe ich nie ein Wort davon erwähnt. Ich<br />

habe mit meinem Han<strong>de</strong>ln auf die unrechtmässige Behandlung<br />

meinerseits durch die Justiz hingewiesen. Meine Ziele habe ich<br />

lei<strong>de</strong>r nicht erreicht! Ich hatte so gehofft (selbst wenn sie es nicht<br />

glauben), dass <strong>de</strong>r <strong>Fürst</strong> etwas bewegen kann: natürlich habe ich<br />

in <strong>de</strong>n letzten Wochen auch erkennen müssen, dass er es nicht<br />

einfach hat und wohl so han<strong>de</strong>ln muss, wie er es sieht.<br />

Ich verstehe ihre Seite ganz und gar - wie sie ja wissen, bin ich<br />

nicht dumm (um es so auszudrücken). Ich kann mich sehr gut in<br />

ihre Lage versetzten (was man allgemein mit analytischem<br />

Denkvermögen betitelt). Ich nehme an, dass auch sie sich mehr<br />

o<strong>de</strong>r weniger in meine Lage versetzten können und auf Grund<br />

<strong>de</strong>r Vorkommnisse <strong>de</strong>r letzten 6 Wochen verstehen und<br />

nachvollziehen können, dass ich übervorsichtig und extrem<br />

misstrauisch gewor<strong>de</strong>n bin... Ich sehe die Teamsitzungen <strong>de</strong>r<br />

involvierten Behör<strong>de</strong>n vor mir, wo die vorherrschen<strong>de</strong> Meinung<br />

gilt, dass sie mich schon kriegen wer<strong>de</strong>n - dies sind die Ihnen,<br />

Durchlaucht doch schuldig - o<strong>de</strong>r?<br />

Apropos Meinungen: sollte die Meinung vorherrschen, dass ich<br />

nie und nimmer die <strong>Daten</strong> verraten könnte, da ich sonst ja nichts<br />

mehr in <strong>de</strong>r Hand hätte, dann irren jene Leute, die dies<br />

proklamieren: abgesehen davon, dass ich nur ein paar Tage<br />

hintereinan<strong>de</strong>r mich mittels meiner immer noch frischen<br />

Erinnerungen und <strong>de</strong>n Unterlagen aus <strong>de</strong>m 101er die erlittene<br />

Folter in Argentinien vor Augen halten muss - um in eine solche<br />

Wut zu geraten, dass ich keine Probleme habe <strong>de</strong>n involvierten<br />

Staaten ein DVD zu sen<strong>de</strong>n, hat ja <strong>de</strong>r Besitz aller <strong>Daten</strong> für mich<br />

auch keinen ‚nutzten‚ gebracht, da ich ja nichts damit erreicht<br />

habe: mir sind die I<strong>de</strong>en ausgegangen.<br />

Aber solange wir noch miteinan<strong>de</strong>r kommunizieren, muss es eine<br />

Lösung geben. Wenn ich nur zu 100 % sicher wäre, dass ein 4-<br />

Augen-Gespräch keine Falle ist.<br />

308


VADUZ 21. Februar 2003<br />

Mist, <strong>de</strong>n Plan Kieber Geld zu offerieren war ihm in <strong>de</strong>n falschen Hals<br />

geraten, lästerte man im KKZ schon zu früher Stun<strong>de</strong>. Und die Drohung<br />

am En<strong>de</strong>, was sollte das wie<strong>de</strong>r heissen? Man war wie<strong>de</strong>r am Anfang<br />

<strong>de</strong>s Problems. Je<strong>de</strong> Debatte unter <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s KKZ, die hin und<br />

her Schreiberei mit <strong>de</strong>m Kieber, alles für nichts und wie<strong>de</strong>r nichts.<br />

Kieber erschien ihnen abermals wie ein Buch mit sieben Siegeln,<br />

schlimmer noch, eines mit 7000. Alle sahen ein, dass nur ein Gespräch<br />

mit Kieber sie aus <strong>de</strong>r verfahrenen Situation führen konnte. Hans-Adam<br />

befahl, alle Pläne und Konzepte einzufrieren und abzuwarten, was das<br />

Meeting mit Kieber an neuen Erkenntnissen bringen wür<strong>de</strong>.<br />

<strong>Der</strong> Professor war <strong>de</strong>rselben Meinung. <strong>Die</strong> KKZ stellte folgen<strong>de</strong><br />

Mitteilung ins Netz:<br />

Sie haben Recht. Kommunikation ist die Voraussetzung einer<br />

Lösung. Ein vertrauliches Vier-Augen-Gespräch dient zur<br />

Lösungsfindung. Es gibt keine Fallen, sie bestimmen Ort, Zeit<br />

und Vorgehensweise für dieses Gespräch mit <strong>de</strong>r<br />

Vertrauensperson.<br />

AMSTERDAM 22. Februar 2003<br />

Nach langem hin und her, konnte ich meine Befürchtungen etwas<br />

<strong>de</strong>zimieren und entschloss mich das Experiment „Treffen‚<br />

durchzuziehen. Schlussendlich war mir klar, dass ich ohne Diskussionen<br />

meine Ziele nicht erreichen konnte. Um Hans-Adam und seine, meiner<br />

Vermutung nach gross angeschwollene Beratertruppe, so lange wie<br />

möglich im Bezug auf Holland zu täuschen, setzte ich wie<strong>de</strong>r auf die<br />

Verwirrungstaktik, in<strong>de</strong>m ich ein Treffen im hohen Nor<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>utete.<br />

Ich konnte es mir nicht verkneifen, einen Hinweis in Sachen<br />

Sicherheitsvorkehrung mitzuliefern. Folgen<strong>de</strong>r Text war das Resultat<br />

meiner Gedanken:<br />

Also, einen Versuch will ich wagen .... obwohl alles dagegen<br />

spricht. Könnte sich Dr. S. MO + DI, <strong>de</strong>n 3. + 4. März 03 o<strong>de</strong>r DI +<br />

MI, <strong>de</strong>n 4. + 5. März freihalten? Es ist für mich erst zu jenen<br />

Tagen möglich, weil ich noch einiges vorbereiten muss, was sie<br />

309


sicher verstehen. Das Treffen fin<strong>de</strong>t in einem <strong>de</strong>r<br />

Skandinavischen Län<strong>de</strong>r statt. Welches Land es ist, kann ich erst<br />

später mitteilen.<br />

Ich bitte aber um folgen<strong>de</strong>s: Dr. S. soll eine Schriftkopie meiner<br />

Tonbandaussage bei <strong>de</strong>r Kripo vom 11.04.1997 über die<br />

Ereignisse in Argentinien erhalten, sowie eine Kopie <strong>de</strong>s<br />

gerichtsmedizinischen Gutachten. Er möge bei<strong>de</strong>s intensiv lesen.<br />

Ich möchte nämlich nicht, dass er ohne meine Motive zu kennen,<br />

mir gegenüber steht. Falle: ich bin mir bewusst, dass sie durchaus<br />

eine (erfolgreiche) Falle vorbereiten könnten. Daher bleibt mir<br />

auch nichts an<strong>de</strong>res übrig, einen automatischen Mechanismus<br />

vorzubereiten, wo sichergestellt ist, dass ein paar Län<strong>de</strong>r und 3<br />

Medien alle <strong>Daten</strong> auf einmal erhalten, sollte ich nicht frei<br />

bleiben. Ich nehme an, dass sie dies verstehen. Ich mel<strong>de</strong> mich<br />

wie<strong>de</strong>r anfangs nächster Woche.<br />

AMSTERDAM 23. - 27. Februar 2003<br />

<strong>Die</strong> Tage vergingen wie im Flug. Komisch, ich fand keine Reaktion auf<br />

meine letzte Nachricht. War wohl zu <strong>de</strong>ftig, dachte ich mir. Aber besser<br />

Klartext re<strong>de</strong>n, als die Gegenseite an falsche Sicherheit glauben zu<br />

lassen. Dass wür<strong>de</strong> nur die Geburt von Radikallösungen, die mir sicher<br />

nicht gut bekommen wür<strong>de</strong>n, för<strong>de</strong>rn. Da war ich mir sicher. O<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor kann nicht Anfang März reisen. O<strong>de</strong>r „Skandinavien‚<br />

passt ihnen nicht. O<strong>de</strong>r Hans-Adam hatte an<strong>de</strong>re Probleme. Ich wusste<br />

es nicht. Egal, er wird sich sicher wie<strong>de</strong>r mel<strong>de</strong>n, sagte ich zu mir. Es<br />

war ja noch Zeit bis Anfang März.<br />

Am Mittwoch, 26.02. stellte ich <strong>de</strong>nselben Text wie vom 22.02. nochmals<br />

in Netz und fügte einen Satz vorneweg, wo ich Hans-Adam fragte, ob er<br />

meine Nachricht vom Samstag, <strong>de</strong>n 22.02.03 gelesen habe.<br />

Am nächsten Tag, um die Mittagszeit hoffte ich schon eine Antwort zu<br />

bekommen. Wie<strong>de</strong>r war nichts. Oje, ich befürchtete, dass etwas schief<br />

gelaufen sei muss. Ich konnte es nicht verstehen, dass die in Vaduz<br />

offenbar nicht begriffen hatten, dass je<strong>de</strong>r Unterbruch in <strong>de</strong>r<br />

Kommunikation nur zu wil<strong>de</strong>n Spekulationen führen wür<strong>de</strong>. Das galt<br />

für bei<strong>de</strong> Seiten. Ich schrieb an Hans-Adam:<br />

310


Bitte löschen sie jeweils <strong>de</strong>n Text nach <strong>de</strong>m sie ihn gelesen haben.<br />

Auch wenn sie nichts antworten; damit sehe ich (und umgekehrt<br />

auch sie), dass man die Nachricht bekommen hat. Da sie meinen<br />

letzten langen Text über Tage stehen haben lassen, nehme ich an,<br />

dass sie noch nicht hier in <strong>de</strong>r Emailbox waren. Danke.<br />

<strong>Die</strong>se Tage ohne ihre Nachricht brachten mich auch auf <strong>de</strong>n<br />

Gedanken, dass sie eventuell die Meinung bezüglich eines<br />

Treffens geän<strong>de</strong>rt haben. <strong>Die</strong>s ist nicht weit hergeholt, da auch<br />

ich, wie sie auch, <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n entsprechend mehrere ‚Wege<br />

aus <strong>de</strong>m Wald planen‚ muss.<br />

Wenn es <strong>de</strong>m Dr. S. am MO + DI ‚ 3. + 4.03.03 zeitlich gehen<br />

wür<strong>de</strong>, dann wer<strong>de</strong> ich ihm am Sonntagabend auf seinem Handy<br />

anrufen und die Route durchgehen. Ist dies OK für sie? Hat er die<br />

Unterlagen lesen können? Es ist zwar eine idiotische Frage, aber<br />

ich stelle sie bewusst trotz<strong>de</strong>m: sind sie sicher, dass es keine Falle<br />

wird? Ich bitte sie, <strong>de</strong>n Dr. S. über die offenen Akten (101er,<br />

140er, neuer etc.) zu informieren und ihm zu erlauben, dass er<br />

mich informiert. Auch möchte ich bei <strong>de</strong>m Treffen erfahren<br />

können, was mich zu hause erwarten wür<strong>de</strong>, wenn ich im März<br />

03 samt allen Unterlagen freiwillig nach hause kommen wür<strong>de</strong>?<br />

Vielen dank für ihre Mühe und wirklichem Vorhaben, ein Treffen<br />

ohne Überraschung zu wollen.<br />

VADUZ 22. - 27. Februar 2003<br />

Rasch sprach sich in <strong>de</strong>n involvierten Kreisen herum, dass Kieber nicht<br />

wie vermutet in Frankreich war, son<strong>de</strong>rn irgendwo in Skandinavien<br />

o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st auf <strong>de</strong>m Weg dorthin wäre. Man versuchte <strong>de</strong>n<br />

Aufenthaltsort von Kieber zu eruieren. <strong>Der</strong> Befund sagte, dass die<br />

vorletzte E-Mail aus Rotterdam, Holland kam und die Letzte wie<strong>de</strong>r<br />

irgendwo aus Frankreich. <strong>Die</strong>s brachte auch kein Licht in die vernebelte<br />

Angelegenheit. Beim Wort Skandinavien zogen nicht nur die LGT und<br />

die Regierung die Mundwinkel nach unten. Clever ausgesucht, sagten<br />

sie.<br />

Kieber wusste offenbar, dass die skandinavischen Län<strong>de</strong>r sehr strenge<br />

Steuergesetzte haben und er dort sicher auf offene Türen stossen wür<strong>de</strong>,<br />

sollte er sich an die Behör<strong>de</strong>n wen<strong>de</strong>n (müssen). <strong>Die</strong> LGT Treuhand<br />

311


estätigte, dass mehrere hun<strong>de</strong>rt Bürger aus dieser Län<strong>de</strong>rgruppe ihre<br />

Kun<strong>de</strong>n waren. Man war verärgert, da man eine Lösung <strong>de</strong>s Problems<br />

im „Strassbourg‚-Stil in Skandinavien nicht so einfach durchziehen<br />

könnte. Man müsste wie<strong>de</strong>r zuerst die Möglichkeiten eruieren. <strong>Die</strong> Kluft<br />

zwischen <strong>de</strong>n KKZ-Mitglie<strong>de</strong>rn wur<strong>de</strong> immer grösser. Auf <strong>de</strong>r einen<br />

Seite hatten die Vertreter <strong>de</strong>r LGT und die Regierung immer weniger<br />

Geduld in <strong>de</strong>r Sache.<br />

Hans-Adam und seine Familie hatten als Zerstreuung, wenn dies auch<br />

keine herrliche Vergnügungstour war, die laufen<strong>de</strong>, heisse End<strong>de</strong>batte<br />

um die neue Verfassung zur Verfügung. <strong>Die</strong> Abstimmung war auf <strong>de</strong>n<br />

16. März angesetzt. Hans-Adam war auch mehr und mehr frustriert,<br />

dass es überhaupt soweit kommen konnte. Das er und seine LGT wegen<br />

brutalen Fehlern <strong>de</strong>r eigenen Justiz nun so lei<strong>de</strong>n mussten.<br />

In <strong>de</strong>n vergangenen Tagen gab es mehrere längere und private<br />

Beratungen zwischen <strong>de</strong>m Professor und Hans-Adam. <strong>Der</strong> Professor<br />

warnte vor einer Katastrophe, sollte man einem Konzept im Stil<br />

„Strassburg‚ zustimmen. Als gebil<strong>de</strong>ter Mann war natürlich auch Hans-<br />

Adam klar, dass man sich auf sehr dünnes Eis begeben wür<strong>de</strong>, sollte<br />

man Kieber mit kriminellen Metho<strong>de</strong>n schnappen. Aber die Zeit, die Zeit<br />

läuft mir davon, jammerte er zu Recht.<br />

Erst nach grosser Überzeugungskunst von Seiten <strong>de</strong>s Professors, fällte er<br />

als Staatsoberhaupt einen wichtigen Entscheid. Er befahl, dass sich die<br />

Regierung, die Justiz und die Polizei aus <strong>de</strong>r ganzen Angelegenheit<br />

zurückziehen mussten und er bis auf Wi<strong>de</strong>rruf keine Vorschläge und<br />

Randbemerkungen von <strong>de</strong>nen mehr hören wollte. Er erklärte weiters,<br />

dass er die <strong>de</strong>m KKZ mündlich erteilten speziellen Vollmachten<br />

annulliert habe und sich <strong>de</strong>r Sache nur noch direkt annehmen wür<strong>de</strong>.<br />

Es wäre eine grosse Untertreibung zu behaupten, dass gewisse Kreise in<br />

Vaduz nicht hocherfreut über diese Dekret vom Staatsoberhaupt waren.<br />

<strong>Die</strong> Polizei vermerkte am 28.02.03 in einem Protokoll, dass man sich<br />

absprachegemäss aus <strong>de</strong>m Kontakt mit Kieber zurückgezogen hatte und<br />

war sichtlich erleichtert. <strong>Die</strong> Justiz hatte auch genug an<strong>de</strong>re Fälle und<br />

wurschtelte wie üblich weiter als wäre nichts geschehen. An<strong>de</strong>rerseits<br />

<strong>de</strong>uteten die Befürworter radikaler Massnahmen, namentlich die LGT<br />

und die Regierung, diese Än<strong>de</strong>rung im Kurs gegenüber Kieber als<br />

Zeichen von Hans-Adam, dass er doch noch geneigt wäre, ihre I<strong>de</strong>en zur<br />

312


Lösung <strong>de</strong>s Falls in die Tat umzusetzen. Denn die Justiz sowie die<br />

Polizei hatten ihn ja in diese Lage gebracht, durch ihre bewiesene<br />

Inkompetenz und offensichtlichen Fehlurteile in Sachen Argentinien und<br />

das „Interpol<strong>de</strong>bakel‚. Als aktuelle Mitteilung liess Hans-Adam am<br />

27.02., am früheren Abend folgen<strong>de</strong>n Text eintippen:<br />

Dr. S. wartet ihren Anruf am Sonntagabend. Er hat ihren Fall<br />

studiert. Es ist keine Falle.<br />

Anm.: <strong>Die</strong>s war dann auch die allerletzte Mitteilung, die von Seiten Hans-<br />

Adams über dieses System gemacht wur<strong>de</strong>.<br />

AMSTERDAM 28. Februar 2003<br />

Mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich die Nachricht las, dass <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor meinen Fall studiert hatte. Nichts hasste ich mehr in <strong>de</strong>n<br />

vergangenen Jahren als mit Leuten zu re<strong>de</strong>n, die vorgaben, <strong>de</strong>n<br />

Sachverhalt zu kennen, wenn das in Wahrheit nicht <strong>de</strong>r Fall war.<br />

Obwohl meine früher gesetzte Frist „En<strong>de</strong> Februar 2003‚ abgelaufen<br />

war, ohne dass ich die Schutz-ID erhalten hatte, freute ich mich<br />

irgendwie auf das Treffen mit <strong>de</strong>m Bankdirektor. Es waren über sieben<br />

Wochen vergangen, seit ich auf meiner Mission gestartet bin. Um<br />

überleben zu können, wusste ich, dass ich äusserst flexibel sein musste.<br />

Und das war ich immer schon in meinem Leben. Anpassungsfähig wo es<br />

nötig und richtig erschien. Als meine letzte Meldung nach Vaduz schrieb<br />

ich:<br />

Vielen Dank für ihre Nachricht. Ich wer<strong>de</strong> ihn am Sonntagabend<br />

sicher anrufen. Ich bitte ihn für die Reise auch eine Ba<strong>de</strong>hose<br />

(nicht das er verkabelt kommt) und gutes Schuhwerk<br />

mitzubringen, sowie sein Handyla<strong>de</strong>gerät. Ich wer<strong>de</strong> am<br />

Sonntag um die Mittagszeit nochmals hier hinein schauen. Vielen<br />

Dank für ihre Mühe.<br />

Ich hatte mich noch nicht festgelegt, wo und unter welchen Umstän<strong>de</strong>n<br />

ich ihn treffen wollte. Den Hinweis mit <strong>de</strong>r Ba<strong>de</strong>hose formulierte ich<br />

<strong>de</strong>swegen, weil ich verhin<strong>de</strong>rn wollte, dass die in Vaduz auf die I<strong>de</strong>e<br />

kamen, <strong>de</strong>n Bankdirektor zu verkabeln, um das Gespräch zwischen uns<br />

313


aufzunehmen o<strong>de</strong>r einen so genannten Lokalisierungssen<strong>de</strong>r an seinem<br />

Körper zu verstecken.<br />

Ich ging davon aus, dass solche technischen Spielereien batteriebetrieben<br />

und voll mit elektronischen Komponenten sein wür<strong>de</strong>n. Da gab es nur<br />

eines, was diesen Geräten <strong>de</strong>n Saft abdrehte: eintauchen in viel, viel<br />

Wasser. Im Schwimmbad o<strong>de</strong>r in einer heissen türkischen Sauna.<br />

Heisser Dampf bekommt solchem Schnickschnack sicher auch nicht gut.<br />

Natürlich hätte man <strong>de</strong>n Bankdirektor auch mit wasserdichtem Material<br />

ausrüsten können. Aber nur mit Ba<strong>de</strong>hose beklei<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r gar<br />

splitternackt, da müsste er es schon sehr gut verstecken. Mit <strong>de</strong>m<br />

Hinweis gutes Schuhwerk mitzubringen, wollte ich auf die Möglichkeit<br />

einer Wan<strong>de</strong>rschaft zu einem Treffpunkt hinweisen, vielleicht an einem<br />

abgelegenen, schwer erreichbaren Ort.<br />

VADUZ En<strong>de</strong> Februar / Anfang März 2003<br />

Als hätten die in Vaduz nicht schon genug Probleme (Kieber) und Ärger<br />

(<strong>de</strong>r Abstimmungskampf um die Neue Verfassung), tat sich ein neues<br />

Grab in Vaduz auf. Ein ehemaliger, langjähriger Angestellter <strong>de</strong>r<br />

Liechtensteiner Lan<strong>de</strong>sbank (LLB), Herr Roland Lampert, kündigte im<br />

Februar aus heiterem Himmel seine Stelle und begab sich auf eine<br />

folgenschwere Erpressertour. Nach<strong>de</strong>m die LLB <strong>de</strong>n wahren Grund für<br />

seinen Abschied erkannt hatte und ihn wegen Kontoungereimtheiten<br />

sprechen wollte, informierte er im Gegenzug die LLB, dass er im<br />

Übrigen über 2300 <strong>Daten</strong>ausdrucke mit einer Vermögensübersicht von<br />

über 1300 verschie<strong>de</strong>nen <strong>de</strong>utschen Kun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r LLB besitzen wür<strong>de</strong>.<br />

Zuerst glaubte man ihm nicht. Bis er <strong>de</strong>n Beweis dafür lieferte. Da die<br />

LLB mehrheitlich in Staatsbesitz(!) war (und heute noch ist), wur<strong>de</strong> –<br />

entgegen <strong>de</strong>n aktuellen Beteuerungen aus Liechtenstein - natürlich die<br />

Regierung und somit Hans-Adam sofort im Februar 2003 informiert.<br />

Nicht schon wie<strong>de</strong>r, man konnte es nicht fassen. War „<strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>s<br />

jüngsten Gerichts‚ in Liechtenstein angebrochen, fragte man sich nun in<br />

Vaduz. Nachforschungen <strong>de</strong>r LLB ergaben, dass Lampert zwischen<br />

August 2000 und En<strong>de</strong> Februar 2003 klammheimlich die <strong>Daten</strong><br />

gesammelt hatte.<br />

314


Da ja <strong>de</strong>r <strong><strong>Die</strong>b</strong>stahl von <strong>Daten</strong> ein Antrags<strong>de</strong>likt war, wur<strong>de</strong>n vorerst<br />

Polizei und Justiz nicht informiert. <strong>Die</strong> nicht kleine Unterschlagung von<br />

(Kun<strong>de</strong>n-)Gel<strong>de</strong>rn wur<strong>de</strong> zwar auch rasch bemerkt, jedoch we<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Polizei noch <strong>de</strong>r Justiz gemel<strong>de</strong>t. <strong>Die</strong> LLB versuchte am Anfang mit <strong>de</strong>r<br />

Billigung von Regierung und Hans-Adam alleine, dann mit <strong>de</strong>r geballten<br />

Macht <strong>de</strong>r Liechtensteiner Justiz und am Schluss mit Privat<strong>de</strong>tektiven<br />

und millionenschweren Eurozahlungen, die Sache zu bereinigen. Mit<br />

einem katastrophalen En<strong>de</strong>rgebnis aus Liechtensteiner Sicht.<br />

Anm.: Über diesen Fall, <strong>de</strong>n LLB-Fall, wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Medien seit<br />

2008 ausgiebig berichtet. Eigentlich nur <strong>de</strong>swegen, weil jene Gruppe von<br />

Kriminellen, die nach <strong>de</strong>r geheimen Verurteilung von Lampert in Liechtenstein<br />

an die betroffenen <strong>Daten</strong> gelangten, selber nun in Rostock vor Gericht stehen.<br />

Ich rege meine Leser an, im Internet die Einzelheiten nachzulesen.<br />

Einiges macht aber <strong>de</strong>n LLB-Fall in Bezug auf meine Sache sehr interessant.<br />

Erst mal die Tatsache, dass es sich zeitlich praktisch parallel zu meinem Fall<br />

abspielte und ich daher aufzeigen kann, wie heuchlerisch die Regierung und<br />

Hans-Adam agierten. Zu<strong>de</strong>m – was <strong>de</strong>r Öffentlichkeit nicht bekannt ist - wur<strong>de</strong><br />

versucht, mich mit <strong>de</strong>m LLB-Fall zu kö<strong>de</strong>rn und zu manipulieren (nachzulesen<br />

in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Kapiteln).<br />

Da praktischerweise <strong>de</strong>r Professor Dr. Thomas Müller in Vaduz schon<br />

seine Zelte aufgeschlagen hatte, fragte die Regierung ihn, ob er ihnen<br />

auch im LLB-Fall helfen könnte. Er erkannte die aussergewöhnliche<br />

Herausfor<strong>de</strong>rung und sagte zu.<br />

Hans-Adam bestand darauf, acht zu geben, dass man die zwei Fälle<br />

nicht vermischen wür<strong>de</strong>. Von diesem Zeitpunkt an arbeitete <strong>de</strong>r<br />

Professor im behördlichen Auftrag <strong>de</strong>r Justiz am LLB-Fall und nur noch<br />

im Privatauftrag von Hans-Adam am LGT-Fall.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor Dr. Pius Schlachter wur<strong>de</strong> am letzten Samstag im<br />

Februar von Hans-Adam und Alois aufs Schloss eingela<strong>de</strong>n und dort auf<br />

seine Mission vorbereitet. Es wur<strong>de</strong> beschlossen vorerst keine Falle für<br />

Kieber vorzubereiten. Erstens fehlten für <strong>de</strong>n Entscheid zugunsten einer<br />

Falle die wichtigen Informationen, wie welches Land in Skandinavien?<br />

Hatte man Verbindungen dorthin? Hatte man Verbün<strong>de</strong>te dort? Wie<br />

lauten die Gesetze dort? Gibt es Spielraum in diesen Gesetzen? Und<br />

Zweitens hatte <strong>de</strong>r Bankdirektor seinen persönlichen Wunsch klar zum<br />

315


Ausdruck gebracht, kein Komplize einer solchen Sache wer<strong>de</strong>n zu<br />

wollen.<br />

Hans-Adam akzeptierte dies. Er meinte zwar, ein bisschen<br />

Einschüchterung, wenn es die Situation bei einem Meeting mit Kieber<br />

erlauben wür<strong>de</strong>, wäre schon abgebracht. Nicht zuletzt, um ihm zu<br />

zeigen, wie schwer er die in Vaduz beleidigt und verletzt hatte. Wer hier<br />

<strong>de</strong>r Herr im Hause ist ! Mal sehen, erwi<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r Bankdirektor.<br />

Ihm wur<strong>de</strong> weiterhin eingetrichtert, dass es das oberste Ziel sei, die<br />

<strong>Daten</strong> zu bekommen und Kieber zu überre<strong>de</strong>n, nach Hause zu kommen.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor wollte die Gelegenheit dieser privaten Audienz mit<br />

Hans-Adam & Erbprinz Alois für eine Debatte über ein bisher nicht<br />

angesprochenes Thema nutzten: Sollte man nicht die Kun<strong>de</strong>n warnen?<br />

Wie aus einer Pistole geschossen, riefen Hans-Adam und sein Sohn<br />

gleichzeitig, NEIN, auf keinen Fall. Warum auch? Es gab keinen Grund.<br />

Kieber habe zu keiner Sekun<strong>de</strong> jemals etwas gesagt o<strong>de</strong>r geschrieben,<br />

dass er direkt auf die Kun<strong>de</strong>n zugehen wür<strong>de</strong>. Und mit <strong>de</strong>n<br />

ausländischen Behör<strong>de</strong>n hatte Kieber hoffentlich noch nicht gere<strong>de</strong>t.<br />

Wenn <strong>de</strong>m aber so wäre, dann wäre es sowieso zu spät, die Kun<strong>de</strong>n zu<br />

warnen.<br />

Wie sich <strong>de</strong>r Bankdirektor dies vorstellen wür<strong>de</strong>, fragten sie ihn. Da<br />

Kieber ja die komplette <strong>Daten</strong>bank hatte, müsste man ja extra 50 neue<br />

Leute einstellen, um die tausen<strong>de</strong> aktuellen und die hun<strong>de</strong>rte ehemalige<br />

Kun<strong>de</strong>n entwe<strong>de</strong>r telefonisch o<strong>de</strong>r per Brief warnen. Bitte, Herr<br />

Bankdirektor, Sie müssten es doch besser wissen, die Medien wür<strong>de</strong>n<br />

schon nach <strong>de</strong>m zehnten Kun<strong>de</strong>n sicher irgendwie Wind davon<br />

bekommen.<br />

Unser Bankengeheimnis, die Säule unseres Geschäfts, wür<strong>de</strong><br />

implodieren, re<strong>de</strong>te Hans-Adam auf ihn ein. Da half auch nicht <strong>de</strong>r<br />

Hinweis <strong>de</strong>s Bankdirektors, welche Konsequenz es für die Kundschaft<br />

von Dr.Dr. Batliner hatte, als dieser sie nicht warnte, als eine CD-Rom<br />

mit <strong>de</strong>ren <strong>Daten</strong> gestohlen wur<strong>de</strong>. Eine CD-Rom die erst lange Zeit<br />

später bei <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Behör<strong>de</strong>n lan<strong>de</strong>te. Hans-Adam und Alois<br />

beharrten auf ihre Auffassung, dass eine Warnung ihrer Kun<strong>de</strong>n zu viel<br />

Scha<strong>de</strong>n für ihr gesamtes Geschäft bringen wür<strong>de</strong>. Sollte die Katastrophe<br />

eintreten, „wovor Gott uns bewahren soll‚.<br />

316


Man versicherte <strong>de</strong>m Bankdirektor auch, dass, sollte ein Wun<strong>de</strong>r<br />

geschehen, und Kieber schon nach <strong>de</strong>m ersten Treffen nach Hause<br />

kommen wollen, ein Anruf von ihm genügen wür<strong>de</strong> und Hans-Adam<br />

sein Auto samt Fahrer und Schutzvorkehrungen für Kieber schicken<br />

wür<strong>de</strong>. <strong>Der</strong> Bankdirektor hatte schon vom Sekretariat die Informationen<br />

zu allen möglichen Flugkursen von Zürich nach Schwe<strong>de</strong>n, Norwegen<br />

und Finnland erhalten.<br />

317


KAPITEL 13 Ein Essen für Sechs Euros<br />

Also gut, dachte ich mir. Wie wür<strong>de</strong> ich dieses Treffen überleben? Ich<br />

verbrachte die Tage damit, einen dafür geeigneten Platz in <strong>de</strong>r Stadt<br />

Amsterdam zu fin<strong>de</strong>n. Meine ursprüngliche I<strong>de</strong>e, das Treffen weit ins<br />

freie, flache Land hinaus zu verlegen, verwarf ich wie<strong>de</strong>r, da dies nur die<br />

Möglichkeit von „Überraschungen‚ seitens <strong>de</strong>r Gegner erhöhen wür<strong>de</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Anonymität <strong>de</strong>r Menschenmenge von Amsterdam war mir da lieber.<br />

Zu<strong>de</strong>m hoffte ich, dass mir niemand mitten in <strong>de</strong>r Stadt am helllichten<br />

Tag etwas antun wür<strong>de</strong>. Bevor es überhaupt zu einem direkten<br />

Wortwechsel zwischen mir und <strong>de</strong>m Bankdirektor kommen konnte,<br />

stand für mich fest, dass ich <strong>de</strong>rjenige sein müsste, <strong>de</strong>r ihn vorher für eine<br />

Zeitspanne von min<strong>de</strong>stens 30 Minuten im Auge behalten und<br />

beobachten musste und nicht umgekehrt.<br />

Dafür wollte ich ihn irgendwie ständig in Bewegung halten und dies<br />

auch noch mit einer an<strong>de</strong>ren Fortbewegungsart als die meine. Ihn in<br />

einen Bus o<strong>de</strong>r Taxi einsteigen und irgendwohin hinfahren zu lassen,<br />

kam daher nicht in Frage. Weil ich dann auch auf ein ähnliches<br />

Transportmittel hätte zugreifen müssen, um Schritt halten zu können.<br />

Ein Blick auf die Wasserkanäle vor meiner Nase brachte mich auf eine<br />

knifflige, aber machbare Lösung. Das war’s! Eine Kanalfahrt. Ich<br />

studierte die Grachtenrundfahrten mit <strong>de</strong>m Kanalbus sehr genau. Ab<br />

<strong>de</strong>m Hauptbahnhof, <strong>de</strong>m Central Station East fuhren in regelmässigen<br />

Abstän<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Rundfahrten ab. Ich kaufte mir ein Tagesticket<br />

und fuhr je<strong>de</strong> einzelne Strecke ab. Mit <strong>de</strong>r roten Linie kam man nach ca.<br />

60 Minuten an <strong>de</strong>r Endstation „Van Gogh Museum‚ an. Davor waren ein<br />

paar Haltestellen. <strong>Die</strong> Vorletzte hiess Leidseplain. Ich fuhr mit <strong>de</strong>m Boot<br />

zurück an <strong>de</strong>n Ausgangspunkt. Dem nächsten Boot zum Van Gogh<br />

Museum folgte ich auf <strong>de</strong>m Landweg zu Fuss und stoppte die Zeit bis<br />

zur Station Leidseplain: knapp 50 Minuten. I<strong>de</strong>al!<br />

Könnte klappen, rechnete ich mir aus. <strong>Der</strong> Fussweg führte über Strassen<br />

und Brücken. Oft in einer Richtung, was ein Fahrverbot für Autos<br />

be<strong>de</strong>utete, weil es entwe<strong>de</strong>r eine Einbahnstrasse o<strong>de</strong>r die Brücke zu<br />

schmal war. Und sowieso wäre man mit <strong>de</strong>m Auto schnell verloren, da<br />

man aufgrund <strong>de</strong>r Verkehrsführung in <strong>de</strong>r Stadt schon nach fünf<br />

Minuten das Boot und somit mich als begleiten<strong>de</strong>n Fussgänger aus <strong>de</strong>n<br />

Augen verlieren wür<strong>de</strong>. Es gäbe für eventuelle Schattenmänner nur zwei<br />

318


Chancen uns zu verfolgen. Entwe<strong>de</strong>r man stieg mit <strong>de</strong>m Bankdirektor in<br />

dasselbe Boot ein, o<strong>de</strong>r man wür<strong>de</strong> es zu Fuss verfolgen.<br />

<strong>Die</strong> Strecke zu Fuss führt so stark im Zick-Zack Kurs durch die Stadt,<br />

dass es mir sofort auffallen wür<strong>de</strong>, wenn jemand wie ich das Boot zu<br />

Fuss verfolgen wür<strong>de</strong>. Zu<strong>de</strong>m hatte ich ja nicht vor, mich <strong>de</strong>m<br />

Bankdirektor vor seiner Kanalfahrt zu zeigen. Er wür<strong>de</strong> nicht erfahren,<br />

wo ich bin. Zugegeben, ich hatte ja die möglichen Schattenmänner o<strong>de</strong>r<br />

Kamera<strong>de</strong>n vom Bankdirektor nie gesehen und wür<strong>de</strong> sie daher auch<br />

nicht erkennen können, falls sie mit ihm ins Boot einsteigen wür<strong>de</strong>n.<br />

Dagegen gab es auch ein einfaches Mittel. Sollte ich <strong>de</strong>n Verdacht haben,<br />

dass Begleiter im Boot anwesend waren, so könnte ich <strong>de</strong>n Bankdirektor<br />

zum Aussteigen an einer Zwischenstation auffor<strong>de</strong>rn und ihn dort auf<br />

<strong>de</strong>n nächsten Kurs für die Weiterfahrt warten lassen. Sollte(n) dann die<br />

Verdachtsperson(en) auch mit aussteigen und in <strong>de</strong>r Nähe von ihm<br />

bleiben und dumm aus <strong>de</strong>r Wäsche gucken, wüsste ich was die Stun<strong>de</strong><br />

geschlagen hätte.<br />

Ich fand es besser, nur kurz mit <strong>de</strong>m Bankdirektor am Telefon zu re<strong>de</strong>n,<br />

sobald er in Holland war. Das Gespräch sollte sich nur auf folgen<strong>de</strong> Bitte<br />

beschränken: Er sollte sich am Montag in die Eingangshalle <strong>de</strong>r grossen<br />

St. Nicholas Kirche gegenüber <strong>de</strong>m Hauptbahnhof, an <strong>de</strong>r Prins<br />

Hendrickka<strong>de</strong> begeben, das Prospektregal aufsuchen und dort ganz<br />

oben rechts, hinter <strong>de</strong>m Stapel <strong>de</strong>s Rundschreibens <strong>de</strong>r Kirchgemein<strong>de</strong>,<br />

wür<strong>de</strong> er weitere Instruktionen von mir fin<strong>de</strong>n. Ich hatte die<br />

Öffnungszeiten <strong>de</strong>r Kirche kontrolliert und musste nur noch die<br />

Instruktionen zu Papier bringen. Ich setzte mich in ein Internetcafé und<br />

formulierte:<br />

Hallo Herr Direktor. Bitte gehen Sie aus <strong>de</strong>r Kirche wie<strong>de</strong>r raus.<br />

Ein Kreuzschlag vorher wäre vielleicht nicht schlecht. Schräg<br />

gegenüber <strong>de</strong>r Kirche sehen Sie am Kanal ein kleines Häuschen,<br />

dass Tickets für Kanalrundfahrten, <strong>de</strong>n Canalbus verkauft.<br />

Kaufen Sie sich bitte einen Tagespass für die Rote Linie bis zur<br />

Endstation. Nehmen Sie <strong>de</strong>n nächst verfügbarem Kurs und<br />

setzten Sie sich bitte auf einen unüberdachten Sitz, so weit hinten<br />

im Boot wie möglich. Wie ich Sie gebeten hatte, rufen Sie<br />

nieman<strong>de</strong>n an und lassen alle Handy ausgeschaltet. Im Verlauf<br />

<strong>de</strong>r Kanalfahrt wer<strong>de</strong> ich Ihnen weitere Instruktionen zukommen<br />

lassen. Falls ich aber irgend etwas faules sehen o<strong>de</strong>r spüren sollte,<br />

319


ist unser Treffen damit zu En<strong>de</strong> und ich wünsche keine weiteren<br />

Kontakt mit Ihnen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Schlossherrn zu Hause.<br />

Entschuldigen Sie die Umstän<strong>de</strong>. 03. März 2003.<br />

Bewusst nannte ich keine Namen. Ich druckte diese Zeilen aus und<br />

kopierte sie sechs Mal. Ich knickte je<strong>de</strong>s einzelnes Blatt genau so wie <strong>de</strong>r<br />

Rundbrief in <strong>de</strong>r Kirche gefaltet war. Sodass man dachte, dass es Teil <strong>de</strong>s<br />

Zirkulars wäre. Ich begab mich am Samstag, <strong>de</strong>n 1.3. zur Kirche und<br />

steckte fünf <strong>de</strong>r sechs Schreiben fein säuberlich hinter <strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>nen<br />

Stapel.<br />

In einem an<strong>de</strong>ren Internetcafé, nach<strong>de</strong>m ich ganz sicher war, dass mir<br />

keiner über die Schulter schauen konnte, passte ich meine elektronische<br />

Sicherheitsvorkehrung an die geän<strong>de</strong>rte Situation an. Obwohl ich ja<br />

datenmässig nichts mehr in Berlin hatte, wollte ich die ursprünglichen<br />

Empfänger von dort aus <strong>de</strong>r Liste nicht auswechseln. Ich än<strong>de</strong>rte nur<br />

<strong>de</strong>n Text in Bezug auf meinen neuen Wohnort und die Adresse in<br />

Monnikendam, schil<strong>de</strong>rte wo die <strong>Daten</strong> aufbewahrt waren und fügte<br />

einen neuen Adressenten dazu: die Polizei <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>, genauer die<br />

Politie Centrum. Das sollte reichen.<br />

Ich wusste, sobald ich am Sonntagabend auf <strong>de</strong>m Handy vom<br />

Bankdirektor anrufen wür<strong>de</strong>, er zumin<strong>de</strong>st das Land herausfin<strong>de</strong>n<br />

könnte, wo ich mich befand. <strong>Die</strong>s sah ich als kein Problem an. Entwe<strong>de</strong>r<br />

möchte ich das Treffen o<strong>de</strong>r ich lasse es ganz bleiben.<br />

Ich wollte aber nicht preisgeben, dass ich in Amsterdam war. Ich fuhr<br />

<strong>de</strong>swegen am Sonntag mit <strong>de</strong>m Zug 20 Minuten nach Haarlem an die<br />

Nordseeküste. Schönes Städtchen. Dort setzte ich mich in ein<br />

Touristencafé und ging im Kopf <strong>de</strong>n Plan für die nächsten zwei Tage<br />

nochmals durch.<br />

Ich kaufte mir eine Telefonkarte und wählte die Handynummer vom<br />

Bankdirektor. Er nahm gleich ab und war hörbar froh, dass ich mich<br />

gemel<strong>de</strong>te hatte. Ich bedankte mich für seine Geduld und entschuldigte<br />

mich nochmals für die Umstän<strong>de</strong>. Ich fragte ihn, wie es <strong>de</strong>n so im Ländle<br />

zu und her und wie es <strong>de</strong>m Hans-Adam ginge. Ob sich alles etwas<br />

beruhigt hatte?<br />

Er antwortete: alles sei soweit ruhig. Hans-Adam sei sehr nervös wegen<br />

<strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> und <strong>de</strong>r Abstimmungskampf sei immer noch voll im Gange.<br />

320


Ich erzählte ihm, dass ich etwas davon im Internet gelesen hatte. Er<br />

fragte mich, wohin die Reise nun gehen sollte.<br />

Ich fragte ihn, was er <strong>de</strong>nn vermuten wür<strong>de</strong>. Er sagte, er hätte die kleine<br />

Vermutung, dass es nicht in <strong>de</strong>n Nor<strong>de</strong>n ginge. Ich lachte und sagte, ja<br />

nix mit Skandinavien. Er solle sich bitte heute Abend <strong>de</strong>n letzten Kurs<br />

o<strong>de</strong>r für morgen früh <strong>de</strong>n Ersten nach Amsterdam buchen. Ich wür<strong>de</strong><br />

von einer an<strong>de</strong>ren Stadt nach Amsterdam kommen. Er solle bitte<br />

spätestens um die Mittagszeit in <strong>de</strong>r Stadt sein. Ich wür<strong>de</strong> ihn anrufen<br />

und dann sagen, wo wir uns treffen wür<strong>de</strong>n.<br />

Amsterdam? Amsterdam! rief er aus. Da wäre er zum letzten Mal auf<br />

seiner Hochzeitsreise gewesen. Nicht wahr? bemerkte ich. Na dann ist es<br />

doch wie<strong>de</strong>r Zeit diese schöne Stadt zu besuchen. Ob er die Ba<strong>de</strong>hose<br />

eingepackt hätte und ob er alleine komme, fragte ich in schnell. Und ob<br />

es sicher sei, dass es keine Falle wäre, schob ich hinten nach. Ja, Ja, Ja,<br />

antwortete er zurück. Obwohl mir die letzten zwei Fragen auch sinnlos<br />

vorkamen. Hätten sie eine Falle geplant, dann wäre ich <strong>de</strong>r letzte auf<br />

Er<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r davon im Voraus erfahren wür<strong>de</strong>. Aber, ich sagte ihm, ich<br />

stelle die Frage nur, damit nachher nicht behauptet wird, ich hätte euch<br />

nicht gewarnt. Ich erwähnte auch das Inkrafttreten meiner<br />

Schutzmassnahmen. Ab jetzt, betonte ich. Er bedankte sich.<br />

Bis Morgen Herr Kieber. Bis Morgen Herr Bankdirektor.<br />

Montag! Ich fuhr schon mit <strong>de</strong>m ersten Linienbus von Monnikendam<br />

nach Amsterdam. Bei mir hatte ich eine <strong>de</strong>r externen Harddisk mit <strong>de</strong>n<br />

elektronisch gespeicherten <strong>Daten</strong>. Ich wollte überprüfen, ob die Kirche<br />

auch wirklich offen war. Gut, die Kirche war offen. Gar nicht gut war,<br />

dass meine fünf Blätter weg waren. Ich schaute mich schnell um, weil<br />

mich ein Gefühl überkam, als ob mich jemand beobachtete. Aber es war<br />

niemand am Eingang. Nur ein paar ältere Damen und zwei<br />

Frühaufsteher-Touristen waren in <strong>de</strong>r Kirche. <strong>Die</strong> Einen beteten, die<br />

An<strong>de</strong>ren staunten.<br />

So ein Mist, dachte ich mir, da musste wohl ein übereifriger<br />

Kirchenpfleger meine Zettel gefun<strong>de</strong>n und gleich festgestellt haben, dass<br />

es nix mit Religion zu tun hatte und weg waren sie.<br />

Kein Problem: was war noch mal mein Plan B? Ohh, ja hatte gar keinen.<br />

Ich musste mir was einfallen lassen, da ich <strong>de</strong>m Bankdirektor nicht am<br />

321


Telefon erklären wollte, wohin er gehen sollte. <strong>Die</strong>s wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Gegner<br />

einen zeitlichen Vorsprung geben, falls sie am Telefon mithören wür<strong>de</strong>n.<br />

Ich könnte <strong>de</strong>n letzten Zettel nochmals in <strong>de</strong>r Kirche <strong>de</strong>ponieren. Was<br />

aber wenn wie<strong>de</strong>r einer aufräumen kommt?<br />

Besser wäre es, eine an<strong>de</strong>re Hinterlegungsmöglichkeit zu fin<strong>de</strong>n. Aber<br />

wo? Ein Hotel?<br />

HOTEL !! Das Hotel Victoria gleich unter <strong>de</strong>m Hauptbahnhof, wo ich<br />

schon ausge<strong>de</strong>hnte Ruhezeiten im Sessel verbracht hatte, wäre i<strong>de</strong>al<br />

dafür. Ich lief die kurze Strecke dorthin und fragte beim Concierge nach,<br />

ob ich eine Nachricht für einen Bekannten abgeben könnte. Man fragte<br />

mich, ob dieser <strong>de</strong>nn Gast bei ihnen wäre. Ich behauptete, nein, aber er<br />

wür<strong>de</strong> heute einziehen und in ein paar Stun<strong>de</strong>n kommen. Im Zettel für<br />

<strong>de</strong>n Bankdirektor strich ich die Worte Kirche durch und schrieb Hotel<br />

Victoria darüber. Anstelle schräg gegenüber, schrieb ich Central Station<br />

East. Er wür<strong>de</strong> schon raus fin<strong>de</strong>n können, wo dies war. Man gab mir ein<br />

leeres Kuvert, ich legte <strong>de</strong>n Zettel rein, verklebte die Rückseite und<br />

notierte <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s Bankdirektors vorne rauf. Zusammen mit fünf<br />

Euro händigte ich <strong>de</strong>n Umschlag <strong>de</strong>m Angestellten aus.<br />

Bis zur Mittagszeit waren es noch gute drei Stun<strong>de</strong>n. Ich war schon<br />

hungrig und wählte für das heutige Mahl eines <strong>de</strong>r asiatischen<br />

Minirestaurants aus. In <strong>de</strong>n letzten Tagen hatte sich ein Restaurant als<br />

meinen Favoriten entwickelt. Es gab viele von ihnen, aber in diesem<br />

waren die Köche spitze. Es hatte nur um die zehn kleinen Tische mit<br />

jeweils vier Stühlen. <strong>Die</strong> Kundschaft war immer dieselbe: ein paar<br />

Touristen, viele Immigranten und oft auch jämmerlich aussehen<strong>de</strong>, vom<br />

täglichen Drogenkampf gezeichnete Gestalten o<strong>de</strong>r aufgedonnerte<br />

Huren, die vom nahen Rotlichtbezirk hoch kamen. Man konnte aus einer<br />

Vielzahl verschie<strong>de</strong>ner Gerichte auswählen. Ich bestellte mir heute eine<br />

frisch zubereitete, schmackhafte Run<strong>de</strong> mit Reis und Huhn. Dazu eine<br />

Cola Light.<br />

Ein feines Essen für unglaubliche 6 Euro.<br />

Mahlzeit.<br />

322


KAPITEL 14 Weisswein und Rotes Blut<br />

Nach <strong>de</strong>m Essen hatte ich noch Zeit, einen Tee im Hotel Viktoria zu<br />

geniessen und eine englischsprachige Zeitung zu lesen. <strong>Die</strong> Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Wahrheit rückte immer näher. Für <strong>de</strong>n Anruf auf das Handy vom<br />

Bankdirektor wählte ich eine etwas versteckte Telefonzelle in einer <strong>de</strong>r<br />

schmalen Gassen hinter <strong>de</strong>r Kirche. Hallo, Hallo? Ja?<br />

Endlich, sagte ich zu ihm, endlich können wir uns unter vier Augen<br />

aussprechen. Ja, sagt er, er sei auch erleichtert. Ich fragte ihn wo er jetzt<br />

wäre. Er sagte in einem Hotel in <strong>de</strong>r Stadt. Welches? Er wollte es mir<br />

nicht sagen. Auch gut! Ich bat ihn in das Hotel Victoria zu gehen und<br />

dort wäre eine Nachricht für ihn beim Concierge hinterlegt. Gut, und<br />

dann wollte er zur nächsten Frage ansetzten.<br />

Bitte keine Fragen mehr, es sei alles in <strong>de</strong>r Nachricht vermerkt,<br />

unterbrach ich ihn. Ohne dass ich ihn danach gefragte hatte, sagte er<br />

noch schnell, dass er alleine hier sei und es keine Falle sei. Dann ist ja<br />

gut, erwi<strong>de</strong>rte ich und bat ihn sein Handy jetzt auszuschalten. Ich<br />

wartete nicht auf seine Antwort und legte <strong>de</strong>n Hörer auf.<br />

Mein Puls stieg wie<strong>de</strong>r in ungesun<strong>de</strong> Höhen. Ich lief rasch zu meinem<br />

ersten Streckenposten, von wo aus ich <strong>de</strong>n Bankdirektor gut beobachten<br />

konnte, wenn er sich in Richtung Canalbus bewegen wür<strong>de</strong>. Es erschien<br />

mir wie eine Ewigkeit, bis ich ihn sehen konnte.<br />

Er war elegant geklei<strong>de</strong>t und hatte einen beigefarbenen langen, dünnen<br />

Businessmantel an. Er hielt klar ersichtlich einen weissen Zettel in <strong>de</strong>r<br />

Hand. Er näherte sich <strong>de</strong>r Ticketverkaufsstelle und schaute sich um. Ich<br />

duckte mich in eine Ecke und musterte die Umgebung, vor allem die<br />

Strassen hinter <strong>de</strong>m Bankdirektor. Niemand folgte ihm. Ich sah, wie er<br />

sich ein Ticket kaufte und etwas gelangweilt wirkte, als er auf die<br />

Abfahrt wartete. Es war noch kein Boot da. Als sein Kurs angelegt hatte,<br />

bestiegen nur fünf weitere Personen das Boot. Eine Familie mit Kind und<br />

ein Ehepaar.<br />

Er nahm weit weg von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Bootsgästen Platz, so wie ich es<br />

gewünscht hatte. Ich observierte abwechselnd ihn und die Umgebung.<br />

Vor allem war ich scharf darauf sehen, ob er mit jeman<strong>de</strong>n telefonieren<br />

323


wür<strong>de</strong>. Das Boot legte ab. Es war ein schöner Tag. Kein Regen, nur ein<br />

leichter Wind.<br />

Mein zweiter Streckenposten war ein kleines, burgturmähnliches<br />

Gebäu<strong>de</strong> am Kanal mit einem kleinen Café drin. Ich lief im Eiltempo<br />

dort hin. <strong>Die</strong>ser Posten war <strong>de</strong>r einzige, an <strong>de</strong>m ich zeitlich vor Schiff<br />

ankommen wür<strong>de</strong>. Bei allen an<strong>de</strong>ren wür<strong>de</strong> ich immer schräg hinter<br />

<strong>de</strong>m Boot mitlaufen. Ich drückte mich an die kalte Mauer <strong>de</strong>s Turms.<br />

Das Boot schaukelte an mir vorbei und ich konnte ihn gut sehen. Er<br />

starrte die meiste Zeit nur nach vorn. Ich konnte nieman<strong>de</strong>n sehen, <strong>de</strong>r<br />

mir folgen wür<strong>de</strong>. Von jetzt an lief ich mit einem guten Abstand <strong>de</strong>m<br />

Boot hinterher. Um mich zu sehen, hätte <strong>de</strong>r Bankdirektor min<strong>de</strong>stens<br />

seinen Kopf um 150 Grad drehen müssen. Er hatte seine Hän<strong>de</strong> auf die<br />

Lehne <strong>de</strong>s Stuhl vor ihm platziert. Nach ca. 20 Minuten merkte ich, dass<br />

er etwas nervös wur<strong>de</strong> und sich gelegentlich ganz umdrehte. Er<br />

ent<strong>de</strong>ckte mich aber nicht. Auch wechselte er ein paar Worte mit <strong>de</strong>r<br />

Crew. Ich nahm an, er fragte nach <strong>de</strong>r Uhrzeit o<strong>de</strong>r wie lange die Fahrt<br />

bis zur Endstation dauern wür<strong>de</strong>.<br />

Nach 40 Minuten war es an <strong>de</strong>r Zeit, ihm ein Zeichen zu geben, dass ich<br />

noch da war. Ich rannte weg vom Kanal, durch ein paar Seitenstrassen<br />

hindurch, bis zu einer Brücke. Das Boot näherte sich. <strong>Der</strong> Bankdirektor<br />

konnte mich auf <strong>de</strong>r Brücke nicht sehen, da seine Sicht wegen <strong>de</strong>s<br />

Schiffsaufbaus ver<strong>de</strong>ckt war. Zu<strong>de</strong>m stand ich auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

Brückenseite.<br />

Als das Boot unten durch kam, rief ich ihn beim Namen. Er drehte sich<br />

etwas um und freute sich, mich zu sehen. Ich rief ihm zu, bei <strong>de</strong>r<br />

nächsten Haltestelle auszusteigen. Er nickte. Ich entschied mich für die<br />

vorletzte Haltestelle, sodass mögliche Kamera<strong>de</strong>n vom Bankdirektor<br />

vergebens auf uns an <strong>de</strong>r letzten Haltestelle warten wür<strong>de</strong>n.<br />

Ich verschwand wie<strong>de</strong>r aus seinem Blickwinkel. Ich nahm eine<br />

Abkürzung und war schon fünf Minuten vor seiner Ankunft am<br />

Leidseplein. Sein Boot legte an und er stieg aus. Natürlich hätte er jetzt<br />

telefonieren können. Aber er wusste ja nicht, dass ich ihn für sieben bis<br />

acht Minuten aus <strong>de</strong>n Augen verloren hatte. <strong>Die</strong> an<strong>de</strong>ren Gäste blieben<br />

sitzen. Ich stand gut 150 Meter weit weg. Am Sockel einer grösseren<br />

Brücke. Ich winkte ihm zu und <strong>de</strong>utete an, dass er mir bitte folgen sollte.<br />

Ihm war dies alles merklich unangenehm.<br />

324


Nach ca. 400 Meter wagte ich mich, an ihn heranzutreten und schüttelte<br />

heftig seine Hand zur Begrüssung. Er erwi<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>n Gruss und bedankte<br />

sich, dass ich mich mit ihm treffen wollte. Er übermittelte auch die<br />

Grüsse von Hans-Adam. Ich fragte ihn, ob er mir sein Handy geben<br />

könnte. Ohne Wi<strong>de</strong>rre<strong>de</strong> streckte er mir sein Telefon entgegen. Es war<br />

ausgeschaltete. Ich nahm die Batterie aus <strong>de</strong>r Rückseite raus und bat ihn<br />

bei<strong>de</strong>s getrennt in seiner Manteltasche aufzubewahren. Ich fragte ihn, ob<br />

er ein an<strong>de</strong>res Handy habe, ob er verkabelt sei und ob er wirklich alleine<br />

sei und ich warnte ihn, dass ich eine <strong>de</strong>r externen Harddisks bei mir<br />

tragen wür<strong>de</strong>.<br />

Nein, nein, ja, verstehe, entgegnete er flott. Da zeigte sich wie<strong>de</strong>r, dass er<br />

ein Schnell<strong>de</strong>nker war, wie ich. Man verstand sich darum besser. Ich<br />

wollte mich auf keinen Fall irgendwo hinsetzten, um mit ihm zu re<strong>de</strong>n.<br />

Behutsam schob ich ihn daher in <strong>de</strong>n nahe gelegenen grossen Park und<br />

wir spazierten dort fast zwei Stun<strong>de</strong>n. Er fragte, ob ich eine gute<br />

Unterkunft gefun<strong>de</strong>n hätte. Ich sagte ihm, dass ich angeblich in<br />

Rotterdam ein Zimmer hätte.<br />

Er erzählte mir, dass alle in Vaduz extrem bestürzt über meine<br />

Geschichte, die Verletzungen und Erlebnisse wären und natürlich auch<br />

entsetzt über die Fehler <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>n wären. Er habe meinen Akt gut<br />

studiert. Er konnte auch nicht verstehen, warum die Justiz nicht schon<br />

lange Anklage gegen die Verbrecher erhoben hatte. Ich fragte, wo jetzt<br />

die Unterlagen und das 3D-Mo<strong>de</strong>ll waren, die ich Hans-Adam<br />

zugesen<strong>de</strong>t hatte. Er sagte, er wüsste es nicht. Aber, er <strong>de</strong>nke, dass sie<br />

noch auf <strong>de</strong>m Schloss sind. Gut, erwi<strong>de</strong>rte ich.<br />

Natürlich sei Hans-Adam am Anfang sehr erbost gewesen und hätte<br />

auch die LGT böse zusammen geschissen. Ich fragte, ob Köpfe rollen<br />

mussten. Er sagte nein, vorerst nicht. Ich war erleichtert darüber. Ich<br />

wollte ja nicht, dass irgendjemand von meinen ehemaligen Mitarbeitern<br />

<strong>de</strong>swegen <strong>de</strong>n Job verliert.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor bemerkte aber, dass Hans-Adam fundamentale<br />

Verän<strong>de</strong>rungen in <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>sicherheit verlangt hätte. Während wir so<br />

re<strong>de</strong>ten, drehte ich mich pausenlos nervös um die eigene Achse und<br />

auch um <strong>de</strong>n Bankdirektor, um Ausschau zu halten, ob nicht doch noch<br />

ein Rollkommando andonnerte. Er fragte mich, ob die <strong>Daten</strong> gut<br />

325


versorgt seien. Frech antwortete ich, dass ich auf die <strong>Daten</strong> besser<br />

aufpassen kann, als die in Vaduz.<br />

Ja, klagte er, man habe in Vaduz we<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Verlust <strong>de</strong>s DLT-Tapes noch<br />

das Fehlen von irgendwelchen Originalpapieren bemerkt. Ich fragte<br />

nach, warum man offenbar sofort zu <strong>de</strong>n Bullen gerannt sei. Ich hätte<br />

doch darum gebeten, alles zu vermei<strong>de</strong>n, was dazu führen wür<strong>de</strong>, dass<br />

die Öffentlichkeit davon erfährt.<br />

Ja eben, sagte er, Hans-Adam war halt <strong>de</strong>r Meinung, das heisst, er wur<strong>de</strong><br />

im Glauben gelassen, dass ich die <strong>Daten</strong> nicht hätte und nur bluffen<br />

wür<strong>de</strong>. Ich schlug meine Hän<strong>de</strong> über <strong>de</strong>m Kopf zusammen. Warum,<br />

warum um Himmels Willen hätte ich Hans-Adam einen solch<br />

gewaltigen Brief zusen<strong>de</strong>n sollen, wenn ich nur alles vortäuschen<br />

wür<strong>de</strong>?<br />

Ich sagte auch, dass man in Vaduz froh sein sollte, dass, nach<strong>de</strong>m es mir<br />

niemand direkt sagen wollte o<strong>de</strong>r konnte, ich selber es gemerkte hätte.<br />

Aber auch nur, weil mir <strong>de</strong>r Satz von Hans-Adam „die <strong>Daten</strong>, die Sie<br />

glauben zu haben‚ im Hinterkopf hängen geblieben war. Sonst wäre heute<br />

vielleicht alles ganz an<strong>de</strong>rs, betonte ich. Ich fragte ihn, warum es mir<br />

niemand einfach ins Gesicht sagen konnte.<br />

Er hatte eine plausible Erklärung dafür. Da man nach einigem Hin und<br />

Her davon überzeugt war, dass ich die <strong>Daten</strong> NICHT hatte, nicht haben<br />

konnte und die logische Konsequenz daraus war, dass ich selber dies<br />

wusste, war es überflüssig und sinnlos bei mir nach <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> zu fragen.<br />

Einleuchtend, sagte ich und ergänzte, na dann wollen wir mal Hans-<br />

Adam loben, dass er einen Kommentar dazu am Telefon abgegeben<br />

hatte, sonst wäre ich nie darauf gekommen.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor wollte über die vier CD-ROMs re<strong>de</strong>n. Kein Problem,<br />

sagte ich. Er wun<strong>de</strong>rte sich, dass ich soviel Aufwand wegen einer<br />

Neuerstellung <strong>de</strong>s <strong>Daten</strong>aufbaus (die Art und Weise wie ich die<br />

Mandate auf <strong>de</strong>n neuen <strong>Daten</strong>trägern strukturiert hatte) betrieben hatte.<br />

Er wüsste doch, dass ich sehr gründlich arbeite, erwi<strong>de</strong>rte ich.<br />

Er fragte, ob er Recht in <strong>de</strong>r Annahme hätte, dass ich mehr <strong>Daten</strong> als die<br />

auf die vier CD-ROMs gebrannten Informationen hätte. Ich zuckte nur<br />

mit <strong>de</strong>n Schultern, weil mir die Frage zu dumm war. Was für an<strong>de</strong>re<br />

<strong>Daten</strong> ich <strong>de</strong>nn hätte, wolle Hans-Adam wissen. Den Rest vom Backup-<br />

Tape, sagte ich wahrheitsgemäss.<br />

326


Welcher Tag, fragte er mich. Ich habe <strong>de</strong>n genauen Tag vergessen, sagte<br />

ich. Wir bei<strong>de</strong> wussten, dass dies eine fette Lüge war. Ich ergänzte, dass<br />

man sich in Vaduz nicht <strong>de</strong>n Kopf zerbrechen soll, welches Tagestape ich<br />

besitze. Da ja unser aller Ziel eine friedliche Lösung wäre, spiele dies<br />

keine wirkliche Rolle.<br />

Ich wechselte das Thema und wollte wissen, warum man mir in Berlin<br />

Privat<strong>de</strong>tektive o<strong>de</strong>r Schnüffler auf <strong>de</strong>n Hals gehetzt hatte. <strong>Die</strong>s sei eine<br />

äusserst dumme I<strong>de</strong>e gewesen, klärte ich ihn auf. Ja, meinte er, im<br />

Rückblick sicher. Er wäre dagegen gewesen. Aber sein Wort, dazu als<br />

Auslän<strong>de</strong>r (er ist Österreicher), hätte nicht viel an Gewicht in Vaduz.<br />

Da wür<strong>de</strong>n ganz an<strong>de</strong>re Kreise bestimmen, was gemacht wird. Hans-<br />

Adam wäre wohl etwas falsch beraten wor<strong>de</strong>n, entschuldigte sich <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor. Er erklärte mir, dass es Privat<strong>de</strong>tektive gewesen wäre, die<br />

primär ‚zu meinem Schutz‚ da gewesen seien. Verdutzt schaute ich ihn<br />

an. Zu meinem Schutz, fragte ich ihn ungläubig. Er antwortete, man<br />

hatte Angst, dass mir was in Berlin passieren könnte. <strong>Der</strong> Schutz hätte<br />

aber diskret erfolgen sollen. Aber da ich sie bemerkt hätte, zog man sich<br />

zurück, erklärte er mir. Diskreter Schutz, wie<strong>de</strong>rholte ich seine Worte<br />

und klopfte ihm auf <strong>de</strong>n Rücken. Na klar doch, sagte ich betont<br />

überzeugend. Logisch !!!!!!!!!<br />

Woran ich die „Beschützer‚ erkannt hätte, fragte er mich. Hätte Hans-<br />

Adam die Leute anständig bezahlt, dann könnten sie sich auch ein<br />

richtiges Auto leisten und nicht mit einer alten Kiste herumfahren, die so<br />

ins Auge sticht, wie ein Schweizer Jodler im Trachtenkostüm auf <strong>de</strong>m<br />

Kurfürstendamm. Nun zuckte er mit <strong>de</strong>n Schultern.<br />

Ich erzählte ihm dann von Daniela in Berlin und <strong>de</strong>m Polizisten in<br />

Münster. Wie knapp wir da einer Katastrophe entkommen konnten. Er<br />

kam aus <strong>de</strong>m Staunen nicht mehr raus. Ich fragte auch nach <strong>de</strong>r Schutz-<br />

ID. Ob er sie dabei hätte. Ich sei sehr verärgert gewesen über die<br />

ständige Zurschaustellung <strong>de</strong>s Passes. Nein, lei<strong>de</strong>r nicht. Falls ich mich<br />

aber dazu entschliessen wür<strong>de</strong>, mit ihm nach Hause zu fahren, dann<br />

läge sie dafür bereit.<br />

Ich lachte nur. Ihr habt eine gedruckt, aber sie mir übergeben wollt ihr<br />

nicht. Nur wenn es euch passt und es euch dienlich ist, dann wür<strong>de</strong> sie<br />

benutzt wer<strong>de</strong>n. Unfassbar und typisch Vaduz. Ich teilte ihm mit, dass<br />

ich die Schutz-ID vielleicht gar nicht mehr brauchen wür<strong>de</strong>. Warum<br />

327


auch, ich war quer durch Europa ohne sie gereist und hatte bisher Glück<br />

und wur<strong>de</strong> nie kontrolliert. Und überhaupt, nach Hause<br />

zurückzukehren, ohne dass man eine unabhängige<br />

Untersuchungsperson für <strong>de</strong>n Argentinienfall benannt hätte, wäre kein<br />

Thema für mich. Ich ergänzte, dass ich solange ausharren wür<strong>de</strong>, bis<br />

meine For<strong>de</strong>rung danach erfüllt sei. Ich konnte sehen, wie <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor die Augen verdrehte.<br />

<strong>Die</strong> Lage in Vaduz sei schwieriger als ich <strong>de</strong>nke, eröffnete er seine lange<br />

Re<strong>de</strong>. <strong>Der</strong> Abstimmungskampf in <strong>de</strong>r Verfassungsfrage hätte <strong>de</strong>n<br />

Höhepunkt erreicht und <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sführer könne im Moment nicht so<br />

herumkommandieren. Er wolle nicht, dass seine politischen Gegner<br />

sehen wür<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r erfahren könnten, dass er als Staatsoberhaupt wie<strong>de</strong>r<br />

in die auf <strong>de</strong>m Papier unabhängige Judikative eingriff.<br />

Zu<strong>de</strong>m wüssten mittlerweile Richter und Staatsanwaltschaft, dass ich sie<br />

bei Hans-Adam <strong>de</strong>r Inkompetenz und <strong>de</strong>r Lüge bezichtigt hatte und<br />

daher sei von dieser Seite keine grosse Hilfe für mich zu erwarten.<br />

Zu<strong>de</strong>m, und dass wüsste ich, betonte er, hatte ich mir mit <strong>de</strong>r Drohung,<br />

<strong>de</strong>m Ausland die <strong>Daten</strong> zu übergeben, viele hasserfüllte Fein<strong>de</strong> in Vaduz<br />

gemacht. Alles schlechte Voraussetzungen, um hier For<strong>de</strong>rungen zu<br />

stellen. Darum sei auch in <strong>de</strong>n letzten Wochen so vieles schief gelaufen.<br />

Ich war schon etwas beleidigt, aber im Grun<strong>de</strong> sprach <strong>de</strong>r Bankdirektor<br />

die Wahrheit. Besser so, als wenn er mir was vormachen wür<strong>de</strong>, sagte<br />

ich zu ihm. Ich fragte ihn, ob man die Anzeige wegen <strong>de</strong>s Briefs nicht<br />

wie<strong>de</strong>r zurücknehmen könnte. Hans-Adam hätte gemäss Verfassung das<br />

Recht dazu, klärte ich ihn auf. Ein Recht, dass er in <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />

schon oft in Anspruch genommen hatte.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor sagte dazu nur, dass versuchte Nötigung nicht so<br />

einfach ausradiert wer<strong>de</strong>n kann. Welche versuchte Nötigung, fragte ich.<br />

Eben <strong>de</strong>r Brief in <strong>de</strong>m ich von Hans-Adam seine Intervention in die<br />

Angelegenheiten <strong>de</strong>s Gerichts for<strong>de</strong>re. Wie bitte, fragte ich. Wir wissen<br />

alle, dass Hans-Adam in <strong>de</strong>r Vergangenheit oft interveniert hat. Wenn<br />

auch nur meistens dann, wenn es entwe<strong>de</strong>r um seinen politischen o<strong>de</strong>r<br />

ökonomischen Vorteil ging.<br />

328


Ich beharrte auf <strong>de</strong>m Standpunkt, dass in diesem Fall es um<br />

Gerechtigkeit gehen wür<strong>de</strong>. Ich wür<strong>de</strong> ja nicht verlangen, dass Hans-<br />

Adam irgendjemand in <strong>de</strong>n Kerker wirft o<strong>de</strong>r Urteile zu meinen<br />

Gunsten abän<strong>de</strong>rn sollte. Natürlich sei mir bewusst, dass meine<br />

Vorgehensweise nicht die feine Art sei.<br />

<strong>Die</strong> Dinge seien nun aber so wie sie sind, hielt ich fest. Warum, fragte<br />

ich, warum wollte man mir jetzt nicht helfen, aber bei je<strong>de</strong>m illegalen<br />

Geschäft <strong>de</strong>r Banken und Treuhän<strong>de</strong>r in Liechtenstein, da wer<strong>de</strong>n alle<br />

Augen zugedrückt.<br />

Bei diesem Thema kannte <strong>de</strong>r Bankdirektor kein Pardon. Ich müsse mein<br />

Schicksal strickt von <strong>de</strong>n Personen, die Kun<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r LGT o<strong>de</strong>r in<br />

Liechtenstein sind, trennen. <strong>Die</strong> Gesetze wären im Ländle halt an<strong>de</strong>rs als<br />

im Ausland. Was dort illegal sei, sei halt im Ländle legal, versuchte er<br />

meine steigen<strong>de</strong> Wut zu besänftigen. Er musste mich auch bitten, mit <strong>de</strong>r<br />

Lautstärke herunter zu kommen, sonst wür<strong>de</strong>n uns doch alle hören.<br />

Ich wechselte um auf <strong>de</strong>n Flüsterton um und fand es an <strong>de</strong>r Zeit ihn an<br />

die vielen Mandaten zu erinnern, von <strong>de</strong>nen die LGT wusste, dass<br />

kriminelle Geschäfte im Spiel waren und auch jetzt vermutlich in diesen<br />

Minuten immer noch gemacht wer<strong>de</strong>n. Und zu<strong>de</strong>m auch <strong>de</strong>r dümmste<br />

Aussenstehen<strong>de</strong> eine aktive und passive Mittäterschaft <strong>de</strong>r LGT<br />

(„mitgegangen ist mitgefangen‚) erkennen wür<strong>de</strong>.<br />

Ich sagte ihm, man solle mir hier bitte keine Lektion in guter Moral und<br />

ehrlichem Business erteilen. <strong>Die</strong> nächsten 15 Minuten sagte er nichts<br />

mehr. Wie weiter, fragte er dann. Ich weiss es auch nicht, antwortetet ich<br />

resignierend. Ich hätte auch keine Lösung zur Hand.<br />

Ich entschuldigte mich bei ihm, dass ich so rasend gewor<strong>de</strong>n war. Auch<br />

dafür, dass für mich feststehe, dass ich nicht nach Hause kommen<br />

wür<strong>de</strong>, solange niemand mir beweisen könnte, dass am 101er Fall und<br />

am 140er Fall ein frischer, unabhängiger Staatsanwalt arbeitete.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor könne mir glauben, dass mir schon bewusst wäre, dass<br />

ich viele schlaflose Nächte in Vaduz verursacht hatte. Aber eben, dass<br />

ich heute mit ihm hier in einem Park in Amsterdam stehe, sei die<br />

Wirkung einer Ursache. <strong>Die</strong> Ursache war ganz klar die behördliche<br />

Inkompetenz und Lügerei. Und auch <strong>de</strong>r Amtsmissbrauch.<br />

Amtsmissbrauch? fragte er. Ja, Amtsmissbrauch. Ein pensionierter<br />

Richter in Liechtenstein, <strong>de</strong>r meinen Fall gut kannte, hatte einmal zu mir<br />

329


gesagt: "Nicht-Han<strong>de</strong>ln ist auch eine Art von Amtsmissbrauch", klärte<br />

ich <strong>de</strong>n Bankdirektor auf.<br />

Bei dieser Gelegenheit fragte ich ihn, ob er wüsste, was <strong>de</strong>r Stand <strong>de</strong>r<br />

Dinge in Sachen Zivilprozess sei. Er verneinte dies. Und stellte die<br />

Gegenfrage, ob ich <strong>de</strong>nn nicht mit meinem Rechtsanwalt Kontakt hätte.<br />

Nein, sicher nicht, erwi<strong>de</strong>rte ich. Ich hätte mit niemand Kontakt dort und<br />

<strong>de</strong>r Rechtsanwalt Dr. Hirn wüsste von nichts.<br />

Wie weiter, fragte er mich zum wie<strong>de</strong>rholten Male. Er versuchte an mein<br />

gutes Herz zu appellieren, in<strong>de</strong>m er mir vorrechnete, wie viele <strong>de</strong>r<br />

Kun<strong>de</strong>n in grosse Schwierigkeiten geraten wür<strong>de</strong>n. Nicht nur finanziell,<br />

nein auch emotional, psychologisch. Und zwei, drei politische Skandale,<br />

zum Beispiel in Deutschland, Frankreich und an<strong>de</strong>rswo wür<strong>de</strong> es auch<br />

geben. Von <strong>de</strong>n Wirtschaftsskandalen gar nicht zu re<strong>de</strong>n. Es müsste mir<br />

doch klar sein, dass einige Kun<strong>de</strong>n im Gefängnis lan<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n.<br />

Vermutlich wür<strong>de</strong>n sich auch ein paar umbringen. Ob es das wäre, was<br />

ich wolle, fragte er mit <strong>de</strong>m Hintergedanken, dass das Thema<br />

Selbstmord mir sehr sensibel war. Was wäre mit <strong>de</strong>r Witwen und <strong>de</strong>n<br />

Waisenkin<strong>de</strong>rn, wenn sich ein Kun<strong>de</strong> umbringen wür<strong>de</strong>? Und zu Hause,<br />

in Liechtenstein, wür<strong>de</strong> man mich als <strong>de</strong>n grössten Verräter aller Zeiten<br />

ansehen. Ob ich das alles bedacht hätte?<br />

Ja, ja – klar sehe ich die Probleme, erwi<strong>de</strong>rte ich. Ob ich diese massiven<br />

Schwierigkeiten für die Kun<strong>de</strong>n von Hans-Adam wollte, fragt er fast wie<br />

ein Pfarrer. Nein, nein, nein – natürlich nicht. Ich fühlte mich in eine<br />

Ecke gedrängt. Lei<strong>de</strong>n sollte niemand wegen mir. Das wollte ich nicht.<br />

Ich erklärte ihm, er wür<strong>de</strong> nur seine Zeit vergeu<strong>de</strong>n, falls er mir künftig<br />

wie<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Mitleidstour kommen sollte.<br />

Er antwortete nicht und rieb nur <strong>de</strong>n rechten Daumen über die vier<br />

an<strong>de</strong>ren Finger kreisförmig vor und zurück. Aha, jetzt kam es mir<br />

wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Sinn. Das geliebte Pulver, das geliebte Geld. Hans-Adam<br />

verdiente ja Millionen mit seiner LGT.<br />

Apropos Geld, fragte ich ihn. Wer kam auf die Schiessi<strong>de</strong>e mir zu<br />

schreiben, ob Geld das Problem lösen könnte? <strong>Der</strong> Bankdirektor lief rot<br />

an und sagte, wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte man dies nicht im<br />

Text geschrieben. Son<strong>de</strong>rn, fragte ich.<br />

Er als Banker wür<strong>de</strong> einen solchen Lösungsvorschlag nur diskret und in<br />

einem Gespräch an<strong>de</strong>uten. Man wür<strong>de</strong> mir auch nochmals anbieten,<br />

330


mich mit Geld sicher nach Südamerika zu bringen. Für ewig sicher, fügte<br />

er an. Aha, "für ewig sicher" wie<strong>de</strong>rholte ich seine Worte. Vermutlich<br />

vergraben auf <strong>de</strong>r mexikanischen Halbinsel, erwi<strong>de</strong>rte ich. Diskretion bis<br />

zum En<strong>de</strong>, dachte ich. Ich muss euch lei<strong>de</strong>r enttäuschen, sagte ich ihm,<br />

bei mir gibt es nichts ‚diskret anzu<strong>de</strong>uten‚. Geld interessiert mich nicht.<br />

Er hätte auch kein Angebot in <strong>de</strong>r Tasche, entgegnete er schnell. Ja dann<br />

ist ja gut, been<strong>de</strong>te ich dieses Thema.<br />

Er fragte mich, wo ich <strong>de</strong>n wohnen wür<strong>de</strong>, worauf er nur ein Grinsen<br />

von mir erhielt. Er fragte sachte nach, ob er mich zum Aben<strong>de</strong>ssen<br />

einla<strong>de</strong>n könnte. Wir könnten in ein feines Restaurant gehen. Ich hätte<br />

doch sicher schon lange nicht gut gegessen. Absolut nicht, ich esse sehr<br />

gut, erwi<strong>de</strong>rte ich. Ob ich Geld zum Leben brauche, er hätte von Hans-<br />

Adam ein Budget erhalten, um Spesen und an<strong>de</strong>re Kosten zu bezahlen.<br />

Nein, ich habe meine eigenen Euros. Aber Danke.<br />

Ich hatte das Gefühl, dass <strong>de</strong>r Bankdirektor noch mehr mit mir re<strong>de</strong>n<br />

wollte o<strong>de</strong>r musste. Einem feinen Essen war ich nie abgeneigt. Ich sagte,<br />

nur wenn ich das Lokal aussuchen könnte. OK, sagte er, ich solle ruhig<br />

ein teures auswählen, egal was es kosten wür<strong>de</strong>. Ich fragte ihn, ob ihm<br />

Asiatische Küche schmecken wür<strong>de</strong>. Ja klar, sagte er. Ich verabschie<strong>de</strong>te<br />

mich mit <strong>de</strong>m Hinweis, dass ich ihn um 18 Uhr auf sein Handy anrufen<br />

wür<strong>de</strong>. Er sollte bitte aber erst 15 Minuten nach mir aus <strong>de</strong>m Park gehen,<br />

sagte ich ihm auch.<br />

Bis dann Herr Kieber. Bis dann Herr Bankdirektor.<br />

Mann war ich froh, dass nichts passiert war. Ich lief so schnell ich konnte<br />

in Richtung Bahnhof. Ich setzte mich in eines <strong>de</strong>r vielen kleinen Cafés.<br />

Erstmal Luft holen. So, so fein essen gehen wollte man mit mir. Keine<br />

schlechte Taktik, dachte ich mir. Egal, riskieren könnte ich es ja.<br />

Ich war auch überaus erleichtert darüber, dass man in Vaduz offenbar<br />

nicht allzu brutal nach meinem Kopf schreien wür<strong>de</strong>. Gemäss <strong>de</strong>n<br />

Schil<strong>de</strong>rungen vom Bankdirektor wür<strong>de</strong> man jetzt in Vaduz auf meine<br />

Heimreise hoffen und nicht allzu böse sein, wenn am Schluss niemand<br />

zu Scha<strong>de</strong>n gekommen wäre. Ich fragte bei <strong>de</strong>r Touristeninformation<br />

nach, welches das teuerste asiatische Restaurant <strong>de</strong>r Stadt war. Es wur<strong>de</strong><br />

mir ein malaysisches o<strong>de</strong>r indonesisches Restaurant empfohlen. Ich<br />

notierte mir die Adresse und ging gleich auf einen Besichtigungstrip.<br />

331


Das Wirtshaus war in einer überschaubaren Ecke <strong>de</strong>r Stadt. D. h. Es gab<br />

gute Ecken in <strong>de</strong>r Umgebung sodass ich das Restaurant vor eintreffen<br />

<strong>de</strong>s Bankdirektor eine Weile beobachten könnte.<br />

Es war 17.15 Uhr. Ich entschied, dass es am Besten wäre, wenn ich hier,<br />

schräg gegenüber <strong>de</strong>m Lokal auf <strong>de</strong>n Bankdirektor wartete. Dadurch<br />

konnte die Umgebung beobachten. Man wusste ja nie. Um 18 Uhr rief<br />

ich ihn an und gab die Adresse durch. Es war kühl gewor<strong>de</strong>n und wenn<br />

ich mich richtig erinnere, rieselte <strong>de</strong>r Regen ein wenig.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor kam zu Fuss. <strong>Der</strong> Eingang versprach nicht so viel, aber<br />

im oberen Stock eröffnete sich ein prächtig <strong>de</strong>koriertes Gastlokal. Es<br />

waren ausser uns nur zwei, drei an<strong>de</strong>re Gäste anwesend. Wir setzten uns<br />

an einen Tisch am Fenster. Weit weg von <strong>de</strong>n An<strong>de</strong>ren. Es war die erste<br />

Gelegenheit, bei <strong>de</strong>r ich etwas gelöster mit <strong>de</strong>m Bankdirektor re<strong>de</strong>n<br />

konnte. Er erschien mir auch etwas entlasteter.<br />

Auf einmal fragte er mich, ob ich die Sicherheitsvorkehrungen immer<br />

aktiviert halte. Ich sagte, ja natürlich. Warum er dies wissen wollte,<br />

fragte ich zurück. Er sagte, man befürchtet in Vaduz, dass ein Unfall<br />

passieren könnte und die Fein<strong>de</strong> wegen eines Systemfehlers o<strong>de</strong>r so die<br />

<strong>Daten</strong> bekommen könnten. Aber nein, versicherte ich ihm, wenn einer<br />

hier Fehler manchen wür<strong>de</strong>, dann SIE.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor erzählte mir auch von <strong>de</strong>n Geschäften zu Hause. Ich<br />

bin mir nicht mehr ganz sicher, aber er erwähnte entwe<strong>de</strong>r dass die LGT<br />

Gruppe <strong>de</strong>n Kauf <strong>de</strong>r altehrwürdigen Schweizer Treuhand Gesellschaft<br />

(die "STG", mit Sitz in Basel) schon gemacht hat o<strong>de</strong>r in Kürze<br />

abschliessen wür<strong>de</strong>. <strong>Der</strong> Preis war um die 200 MIO. CHF. Man sei in<br />

Vaduz sehr stolz, dieses Schweizer Haus kaufen zu können. Na ja,<br />

erwi<strong>de</strong>rte ich - wenn es sein muss.<br />

Nach <strong>de</strong>r Vorspeise und zwei Gläsern feinem Wein, wur<strong>de</strong> seine Zunge<br />

etwas lockerer. Ich fühlte mich wohl und nicht bedroht. Ich hatte ein<br />

Gefühl, dass nun alles gut gehen wür<strong>de</strong>. Bis er sich entschloss, quasi als<br />

einen Wink mit <strong>de</strong>m Zaunpfahl, mehr noch, als Zeichen <strong>de</strong>r<br />

Überlegenheit, mir mitzuteilen, dass Hans-Adam und seine Gehilfen<br />

je<strong>de</strong>rzeit die Macht und die Mittel dazu hätten, mich nach Liechtenstein<br />

bringen zu lassen.<br />

332


Ich schluckte erstmal leer und fragte aufsässig: Wie <strong>de</strong>nn? Nichts leichter<br />

als das, fuhr er fort, eine angeheuerte Truppe könnte mich in nullkomma-nichts<br />

überwältigen, in <strong>de</strong>n Kofferraum eines Diplomatenwagen<br />

stecken und in zehn Stun<strong>de</strong>n wäre ich auf <strong>de</strong>m kalten Betonbo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Gefängnisses in Vaduz zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Mir wur<strong>de</strong> kotzübel. Ich dachte, hoffentlich sind meine eigenen<br />

Sicherheitsvorkehrungen stabil genug. Er merkte, dass ich nervös wur<strong>de</strong><br />

und beruhigte mich schnell, in<strong>de</strong>m er sagte, dass diese Lösung angeblich<br />

nie ernsthaft diskutiert wor<strong>de</strong>n wäre und angeblich niemand dies wollte.<br />

Im Gegenteil, alle hofften, dass man mit „mir re<strong>de</strong>n kann‚ und ich<br />

freiwillig nach Hause zurück kehre. Ich war immer noch erzürnt und<br />

murmelte etwas im Sinne: „Ja, ja versucht’s nur mal mich mit Gewalt in<br />

einen Wagen zu packen. Vorher wehre ich mich bis zum letzten Tropfen<br />

Blut.‚<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor hörte mir gar nicht mehr zu, da er schon wie<strong>de</strong>r mit<br />

seinem an<strong>de</strong>ren Tropfen, <strong>de</strong>m Weisswein, beschäftigt war. Morgen sei<br />

auch noch ein Tag, kam es aus seinem Mund. Ja, morgen, da sollten wir<br />

uns wie<strong>de</strong>r treffen, o<strong>de</strong>r? Ich wollte dies nicht. Er war enttäuscht<br />

darüber. Ich sagte, es sei besser wenn er morgen nach Hause fliegen<br />

wür<strong>de</strong> und <strong>de</strong>nen dort versichere, dass ich die <strong>Daten</strong> sicher aufbewahrt<br />

hatte. Und das ich nicht nach Hause kommen wür<strong>de</strong>, solange keine<br />

wirklichen Anstrengungen unternommen wür<strong>de</strong>n, die Fehler von Justiz<br />

und STA zu untersuchen.<br />

Ich sagte es ihm ungern, aber ich wie<strong>de</strong>rholte, dass ich felsenfest davon<br />

überzeugt sei, dass mir Deutschland o<strong>de</strong>r die USA helfen wür<strong>de</strong>n. Er<br />

schüttelte nur <strong>de</strong>n Kopf. Ist mir egal, was ihr über diese meine Gedanken<br />

<strong>de</strong>nkt, es mag zwar sein, dass we<strong>de</strong>r die USA noch Deutschland helfen<br />

könnten, sagte ich. Aber eben dieses herauszufin<strong>de</strong>n wäre <strong>de</strong>r einzige<br />

richtige Schritt für mich. Entwe<strong>de</strong>r räumt Liechtenstein seinen Saustall<br />

auf o<strong>de</strong>r eben nicht. Er wollte eine Zusicherung von mir, dass ich mich<br />

wie<strong>de</strong>r mit ihm treffen wür<strong>de</strong>, wenn er zurückkehren wür<strong>de</strong>. Klar,<br />

natürlich wer<strong>de</strong> ich, sagte ich.<br />

Wann er dann wie<strong>de</strong>r kommen wolle. In einer Woche. Gut OK. Passt mir<br />

auch. Wir vereinbarten, dass ich ihn am kommen<strong>de</strong>n Freitag o<strong>de</strong>r<br />

Samstag auf seinem Handy anrufen wer<strong>de</strong>. Er erklärte mir, dass sein<br />

333


Handy nicht abgehört wird. Er schwöre es. <strong>Die</strong> Behör<strong>de</strong>n seien ja auf<br />

Geheiss von Hans-Adam aus <strong>de</strong>m Spiel draussen. Ich erwi<strong>de</strong>rte kühl, ja,<br />

ja – wer’s glaubt wird selig. Er fragte mich, ob ich noch zur so später<br />

Stun<strong>de</strong> eine Heimfahrt nach Rotterdam fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Ja, sagte ich. <strong>Die</strong><br />

Züge fahren bis spät in die Nacht. Also bis nächste Woche dann. Ja, bis<br />

dann. Er bestellte die Rechnung. Er bezahlte und ich bedankte mich für<br />

das feine Essen. Mein Abendbrot kostete sechzig Euro.<br />

Guten Flug Herr Bankdirektor. Gute Heimfahrt Herr Kieber.<br />

334


KAPITEL 15 Heinrich‘s Tod in Utrecht<br />

VADUZ März 2003 (1)<br />

Hans-Adam und Alois warteten ungeduldig auf die Rückkehr vom<br />

Bankdirektor. <strong>Die</strong>ser lan<strong>de</strong>te am frühen Nachmittag <strong>de</strong>s 04.03. aus<br />

Amsterdam kommend in Zürich. <strong>Die</strong>ses Mal wur<strong>de</strong> er vom<br />

Firmenwagen <strong>de</strong>r LGT Gruppe abgeholt und gleich hoch zum Schloss<br />

gefahren.<br />

Er berichtete über das Treffen mit Kieber. Ob er die <strong>Daten</strong>träger gesehen<br />

hätte, fragte <strong>de</strong>r Schlossherr.<br />

Nein, aber er wäre sich ganz sicher, dass Kieber auf sie aufpassen wür<strong>de</strong>.<br />

Und die Papierdokumente, wo sind diese? Er wisse es nicht, erwi<strong>de</strong>rte<br />

<strong>de</strong>r Bankdirektor. Und die Schutz-ID, hat Kieber sie wie<strong>de</strong>r verlangt? Ja,<br />

aber nur zu Beginn. Kieber hätte die Meinung geän<strong>de</strong>rt, schil<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor, er wür<strong>de</strong> sich überlegen, ob er auch ohne sie leben könnte.<br />

Solange er sich an gewisse Grundregeln im Bezug auf Reisetätigkeiten<br />

halten wür<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong> er es sicher überleben.<br />

Kieber wür<strong>de</strong> aber ausrichten lassen, dass, sollte seine I<strong>de</strong>ntität im<br />

Ausland erkannt wer<strong>de</strong>n, und die Auf<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> eine<br />

Konsequenz daraus wäre, dieses Risiko alleine Hans-Adam und die<br />

Finanzbu<strong>de</strong>n in Liechtenstein übernehmen und akzeptieren müssten.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor sagte auch, dass er <strong>de</strong>nke, selbst wenn man Kieber nun<br />

die Schutz-ID anbieten wür<strong>de</strong>, er sie nicht mehr annehmen wolle. <strong>Der</strong><br />

Bankdirektor hätte im Gespräch mit Kieber <strong>de</strong>n Eindruck erhalten, als<br />

wür<strong>de</strong> er es einfach darauf ankommen lassen, ob nun seine I<strong>de</strong>ntität<br />

ent<strong>de</strong>ckt wür<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r nicht. Dass es <strong>de</strong>m Kieber bald wurscht sein<br />

wür<strong>de</strong>, ob ihm nun Vaduz bei diesem Punkt helfen wür<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r eben<br />

nicht.<br />

Hans-Adam bat <strong>de</strong>n Bankdirektor über diese Wahrnehmungen mit <strong>de</strong>m<br />

Professor zu re<strong>de</strong>n, um so ein genaues, momentanes Bild von Kiebers<br />

Psyche erstellen und <strong>de</strong>mentsprechend han<strong>de</strong>ln zu können.<br />

Nach<strong>de</strong>m die Polizei und Justiz von Hans-Adam aus <strong>de</strong>m KKZ<br />

ausgeschlossen wur<strong>de</strong>n, musste man nur noch <strong>de</strong>n Regierungschef<br />

Hasler und <strong>de</strong>n Professor informieren. <strong>Der</strong> Professor analysierte die<br />

neue Situation und kam zum Schluss, dass Kieber an eine friedliche<br />

Lösung glaube, sehr gesprächsbereit wäre und man auf keinen Fall die<br />

Kommunikation unterbrechen sollte, wollte man eine mögliche<br />

Katastrophe abwen<strong>de</strong>n.<br />

335


Vermutlich wür<strong>de</strong> es aber mehrere Gespräche und daher Reisen zu<br />

Kieber bedürfen, bis dieser soweit bearbeitet wäre, nach Hause zu<br />

kommen. Hans-Adam ordnete an, dass <strong>de</strong>r Bankdirektor weitere Reisen<br />

nach Holland in seinem Zeitplanung vorsehen sollte. Vor <strong>de</strong>r nächsten<br />

Reise solle er ihn o<strong>de</strong>r seinen Sohn nochmals kontaktieren. Er wür<strong>de</strong><br />

dann genaue Anweisungen erhalten.<br />

Amsterdam März 2003 (a)<br />

Ich genoss meine Freiheit in diesem schönen, grossen Land. Obwohl<br />

Liechtenstein auch ein wun<strong>de</strong>rschönes Landschaftsbild mit <strong>de</strong>n Bergen,<br />

<strong>de</strong>m Rhein und <strong>de</strong>n Wiesen und Wäl<strong>de</strong>rn abgibt, war das neue Leben in<br />

Holland für mich sehr attraktiv. Ich wollte und musste mein<br />

Monnikendam vor Ent<strong>de</strong>ckung durch Hans-Adam schützen. Deswegen<br />

musste ich tief in die Trickkiste greifen, um nach <strong>de</strong>m Aben<strong>de</strong>ssen mit<br />

<strong>de</strong>m Bankdirektor, <strong>de</strong>n Weg nach Hause so gut es ging verschleiern. Fast<br />

eineinhalb Stun<strong>de</strong>n brauchte für <strong>de</strong>n Heimweg, aufgeteilt ein Drittel<br />

Taxi, ein Drittel Bus und <strong>de</strong>r Rest zu Fuss.<br />

Fest im Glauben, dass man in Vaduz das richtige tue, schlief ich beruhigt<br />

ein. Ich mietete mir für die nächsten sieben Tage ein Fahrrad und<br />

erkun<strong>de</strong>te die nähere Umgebung. Am letzten Tag meiner Fahrradmiete<br />

war ich in Amsterdam City zu Fuss unterwegs. In einer <strong>de</strong>r kleinen<br />

Seitengassen wur<strong>de</strong> ich von einem jungen, etwas traurig<br />

dreinschauen<strong>de</strong>n Mann auf einer Brücke auf Englisch ruppig aber leise<br />

angesprochen. Das man angepöbelt wur<strong>de</strong>, kam <strong>de</strong>s öfteren vor, vor<br />

allem in <strong>de</strong>m Stadtteil, wo Drogen konsumiert o<strong>de</strong>r verkauft wer<strong>de</strong>n. Zu<br />

einer Plage wur<strong>de</strong> die Anmache aber nicht. <strong>Die</strong>ser Mann wollte we<strong>de</strong>r<br />

Drogen verkaufen noch welche kaufen. Er sah aber wie ein typischer<br />

Drogenkonsument aus. Zu meinem Erstaunen fragte er mich, ob ich<br />

dieses Hollandrad, das er mit einer Hand festhielt, kaufen möchte. Er<br />

bräuchte unbedingt Geld. Es war ein schönes Mo<strong>de</strong>ll. 3-Gang und<br />

rabenschwarz. Sah nicht sehr alt o<strong>de</strong>r gebraucht aus. Ob es ihm gehören<br />

wür<strong>de</strong>, fragte ich. Ja, sagte er. Wie viel? Fünf Euro. Wie viel? 50?, Nein!<br />

Fünf Euro und es ist <strong>de</strong>ins, sagte er. Nach<strong>de</strong>m ich ihn von oben bis unten<br />

genauer gemustert hatte, um zu sehen ob er mir kräftemässig gewachsen<br />

wäre, sagte ich zu ihm, dass er ein <strong><strong>Die</strong>b</strong> sei und dazu ein blö<strong>de</strong>r. Ich<br />

sagte ihm, dass je<strong>de</strong>r doch sofort merken wür<strong>de</strong>, dass er das Velo<br />

336


gestohlen haben muss, wenn er es für nur fünf Euro verkaufen wür<strong>de</strong>.<br />

Nein Danke, sagte ich. Ich hätte mein eigenes Velo. Verärgert ging er<br />

weg und schob das Velo vor sich hin. Ich beobachtete, wie er schon die<br />

nächste Person anquatschte und wahrhaftig, nach drei Minuten,<br />

vermutlich für die fünf Euro, wechselte das Bike <strong>de</strong>n Besitzer. <strong>Der</strong> neue,<br />

stolze Eigentümer kam an mir vorbei und ich rufte ihm auf Englisch zu,<br />

günstig gekauft, das geklaute Fahrrad, Yes? Er starrte mich mit<br />

Entsetzten an und entfernte sich in aller Eile mit seinem neuem Besitz.<br />

Das Wetter wur<strong>de</strong> immer schöner und ich mietete mir das Velo für einen<br />

weiteren längeren Zeitraum. Oft ra<strong>de</strong>lte ich nach Volendam, eine an<strong>de</strong>re<br />

Stadt in <strong>de</strong>r Provinz Noord-Holland, die am Ostufer <strong>de</strong>s Markermeers<br />

lag, dass wie<strong>de</strong>rum ein Teil <strong>de</strong>s Ijsselmeers war. Volendam liegt etwa 20<br />

Kilometer nördlich von Amsterdam und war bekannt für feinen<br />

(Edamer) Käse. Was für ein Unterschied, biken in Holland war ganz<br />

ohne Qual. Alles flach und übersichtlich und viele Radwege überall hin.<br />

Ich begann auch mit <strong>de</strong>m Fahrrad regelmässig nach Amsterdam zu<br />

ra<strong>de</strong>ln. Auf <strong>de</strong>r Rückseite <strong>de</strong>s Hauptbahnhofs, an <strong>de</strong>r nördlichen<br />

Flussuferseite (Amsterdam Nord) konnte ich mein Velo am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

langen Buikslotenweg an geeigneter Stelle stehen lassen und die Gratis-<br />

Fähre rüber zum Hauptbahnhof nehmen. Manchmal genoss ich die<br />

Überfahrt so sehr, dass ich einfach 30 Minuten lang auf <strong>de</strong>m Schiff<br />

ausharrte und mit hin- und herfuhr. Einmal fuhr ich schon um fünf Uhr<br />

in <strong>de</strong>r Früh von zu Hause los und war dann einer <strong>de</strong>r ersten am Pier. Ich<br />

kettete mein Velo an eine lange Stahlröhre und nahm die Fähre rüber.<br />

Nach ein paar Stun<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r City kehrte ich zum Fahrrad zurück. Aber<br />

welches war meines? In <strong>de</strong>r Zwischenzeit waren sicher 200 an<strong>de</strong>re Velos<br />

auf <strong>de</strong>m Platz. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich meines erkannte; fast<br />

alle Fahrrä<strong>de</strong>r in Holland sehen gleich aus. Auch wünschte ich mir, ich<br />

hätte auf die Warnung meines Velovermieters gehört, als dieser sagte,<br />

ich solle die Pumpe vom Velo wegnehmen, wenn ich das Velo irgendwo<br />

abstellen wür<strong>de</strong>. "Seinen Rat ich nicht befolgte, drum ich auch keine<br />

Pumpe mehr vorfin<strong>de</strong>n sollte".<br />

Ich plante, <strong>de</strong>n Bankdirektor am Freitag anzurufen. <strong>Die</strong>ses Mal wie<strong>de</strong>r<br />

aus einer an<strong>de</strong>ren Stadt. Lei<strong>de</strong>n, südwestlich von Amsterdam, sollte es<br />

sein. Ich war erstaunt, wie billig Zug fahren in Holland war. Wirklich! In<br />

35 Minuten war ich schon dort angelangt. Ich rief ihn um die Mittagszeit<br />

an und er schlug vor, da er ja glaubte ich wür<strong>de</strong> in Rotterdam wohnen,<br />

dass wir und doch auf halbem Weg treffen könnten, in Utrecht. OK,<br />

337


sagte ich. Er hätte sich für drei Tage und zwei Nächte Zeit genommen. Er<br />

müsse mir wichtiges sagen. Gut, erwi<strong>de</strong>rte ich und bestätigte ihm, dass<br />

ich ihn am kommen<strong>de</strong>n Montagnachmittag auf seinem Handy anrufen<br />

wür<strong>de</strong>. Keine Überraschungen, ermahnte ich ihn. Natürlich, keine<br />

einzige, meinte er.<br />

Am Sonntag sah ich mir Utrecht an. Hauptstadt <strong>de</strong>r Provinz Utrecht.<br />

Auch nur 30 Minuten mit <strong>de</strong>m Zug von Amsterdam Ceentral. Eine Stadt<br />

mit vielen historischen Bauten. Vor allem <strong>de</strong>r berühmte gotische Dom<br />

mit seinem Kreuzgang und <strong>de</strong>m freistehen<strong>de</strong>n Turm währen da zu<br />

erwähnen. Ich spazierte durch die Strassen und Gassen. Nicht viele<br />

Touristen unterwegs. Als Treffpunkt geeignet, erkannte ich. Ich notierte<br />

mir die Zugverbindungen und rechnete die benötigte Anreisezeit für<br />

Montag aus. In einem Internetcafé aktivierte ich meine<br />

„Lebensversicherung‚.<br />

Wie<strong>de</strong>r zu Hause abgekommen, prüfte ich mein ganzes Gepäck und<br />

verstaute alle Unterlagen und <strong>Daten</strong>träger behutsam im Handkoffer. Es<br />

war noch Zeit für einen kleinen Schwatz mit Jane in ihrem Garten. Mehr<br />

und mehr Blumen blühten und sie strahlte <strong>de</strong>swegen sehr. Meistens war<br />

ich <strong>de</strong>r einzige Gast im Haus.<br />

Meine Wäsche konnte ich nicht bei ihr Waschen. Im Dorf gab es aber<br />

eine Kun<strong>de</strong>nwäscherei, die <strong>de</strong>n Auftrag jeweils zu meiner grössten<br />

Zufrie<strong>de</strong>nheit ausgeführt hatte. Für fast alle Handwerksbetriebe in<br />

Monnikendam waren dies ruhige Zeiten. Erst im Sommer, wenn die<br />

Besucher kommen, dann sollte es hektisch zu und her gehen und die<br />

Umsätze steigen.<br />

Am Montag, <strong>de</strong>n 10.03. gab es dann die zweite Zusammenkunft mit <strong>de</strong>m<br />

Bankdirektor. Als Treffpunkt hatte ich ihm <strong>de</strong>n Dom vorgeschlagen. Er<br />

soll dort bitte pünktlich um 14 Uhr auf mich warten. Von einer<br />

ver<strong>de</strong>ckten Stelle aus konnte ich <strong>de</strong>n Platz gut beobachten.<br />

Er kam alleine. Ich liess ihn bewusst 15 Minuten einsam dort stehen. Er<br />

nahm mehrmals das Handy aus <strong>de</strong>r Manteltasche und blickte auf das<br />

Display. <strong>Die</strong>se Mal hatte ich ihn nicht aufgefor<strong>de</strong>rt, sein Handy<br />

auszuschalten. Ich lief auf ihn zu und wir begrüssten uns<br />

freundschaftlich. Er wollte wissen, ob ich meine<br />

Sicherheitsvorkehrungen eingeschaltet hätte. Ich bejahte es und bat ihn<br />

sein Handy jetzt auszuschalten.<br />

338


Ich unterwies ihn, bitte in Zukunft mich <strong>de</strong>swegen nicht mehr zu fragen,<br />

er solle dies als gegeben annehmen. Für je<strong>de</strong>s Treffen.<br />

Da wir nun schon mal da waren, wollten wir was für die Bildung tun<br />

und besuchten <strong>de</strong>n Dom. Wie lasen uns durch die vielen Hinweistafeln<br />

durch und waren beson<strong>de</strong>rs von <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n eingelassenen<br />

Schrifttafeln beeindruckt. <strong>Der</strong> Dom wur<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>m 13. und 16<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rt gebaut. Wir konnten lernen, dass Kaiser Heinrich <strong>de</strong>r V.<br />

(Heiliges Römisches Reich, Schwiegersohn von Heinrich I. von England)<br />

im Jahr 1125 in Utrecht starb. Na dann wollen wir mal hoffen, dass ein<br />

an<strong>de</strong>res Geschlecht, welches das Heilige Römische Reich überleben<br />

konnte (die „‚von Liechtenstein‚), nicht dafür sorgen wür<strong>de</strong>, das im<br />

Jahre 2003 ein an<strong>de</strong>rer Heinrich – nämlich <strong>de</strong>r Heinrich Kieber - hier in<br />

Utrecht seinen Tod fin<strong>de</strong>n sollte, betete ich laut vor.<br />

Wir lachten bei<strong>de</strong>n darüber.<br />

Nun aber zum Business, sagte <strong>de</strong>r Bankdirektor. Als Zeichen <strong>de</strong>s Guten<br />

Willens mir gegenüber, so wur<strong>de</strong> mir erklärt, hätte sich Hans-Adam<br />

diskret an vertrauenswürdige Staatsrechtler ausserhalb von<br />

Liechtenstein gewandt. <strong>Die</strong>se sollen prüfen, wie man in <strong>de</strong>m<br />

festgefahrenen Strafverfahren gegen Helmut Roegele & Co. am Besten<br />

vorgehen sollte.<br />

Hans-Adam wür<strong>de</strong> die Kosten dafür persönlich übernehmen. Er konnte<br />

mir die Freu<strong>de</strong> buchstäblich von <strong>de</strong>n Augen ablesen. Ohne die mir<br />

unbekannten Aka<strong>de</strong>miker (die erwähnten Staatsrechtler) düpieren zu<br />

wollen, sagte ich, wäre es doch am Einfachsten, wenn die STA <strong>de</strong>n Fall<br />

wie<strong>de</strong>r öffnen und dann die Anklage erstellen wür<strong>de</strong>. Dazu bräuchte<br />

Hans-Adam nur ein paar Telefonate zu führen. Und er müsste wegen<br />

mir nicht einmal irgen<strong>de</strong>in Gesetz brechen o<strong>de</strong>r erwürgen.<br />

<strong>Die</strong> Liechtensteiner Strafprozessordnung sieht eine solche Möglichkeit<br />

explizit für das Staatsoberhaupt vor. Deswegen hatte ich ihm ja, nebst<br />

<strong>de</strong>r Tatsache, dass er <strong>de</strong>r Besitzer <strong>de</strong>r LGT war, Anfang Januar 2003 <strong>de</strong>n<br />

Brief geschrieben. Schon mit diesen wenigen Schritten, wäre ich Hans-<br />

Adam auf immer und ewig dankbar, versicherte ich. <strong>Die</strong> Untersuchung<br />

war seit langem fertig, je<strong>de</strong>r halbwegs zum Denken fähige STA sollte es<br />

zustan<strong>de</strong> bringen, binnen kürzester Zeit eine Anklageschrift beim<br />

Kriminalgericht in Vaduz einzureichen, betonte ich.<br />

339


Ich sagte auch, dass sobald die Anklage für rechtsgültig erklärt wür<strong>de</strong>,<br />

ich am nächsten Tag wie<strong>de</strong>r in Vaduz auf <strong>de</strong>r Matte stehen wür<strong>de</strong>. Mit<br />

<strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> und allem was dazugehört. Mehr könnte und wür<strong>de</strong> ich nicht<br />

verlangen. Ohne <strong>de</strong>r Zukunft vorauszueilen, hob ich weiters hervor,<br />

wür<strong>de</strong> nach erfolgter Anklage <strong>de</strong>r Oberste Gerichtshof in Vaduz <strong>de</strong>n zu<br />

erwarten<strong>de</strong>n, letztinstanzlichen Entscheid in <strong>de</strong>r Zivilsache ums<br />

blockierte Geld aussetzen, um das Urteil im Fall 101er abzuwarten. <strong>Der</strong><br />

Bankdirektor nickte zustimmend.<br />

Ich wür<strong>de</strong> auch Hans-Adam die Kosten ersetzten, versprach ich. Sofern<br />

es mir finanziell möglich sein sollte, musste ich nachschieben.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor holte tief Luft und sagte: Als Zeichen <strong>de</strong>s guten Willen<br />

gegenüber Hans-Adam erbitte dieser, dass ich anfangen wür<strong>de</strong>, die<br />

Extrakopien, also eine <strong>de</strong>r elektronischen externen Harddisks o<strong>de</strong>r DVDs<br />

zu vernichten. Stück für Stück. Ich hatte nicht viel Zeit erstaunt zu sein,<br />

<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Vortrag war noch nicht zu En<strong>de</strong>. Auch wür<strong>de</strong> Hans-Adam<br />

gerne vom Bankdirektor bestätigt bekommen, dass ich die über 2000<br />

Stück Originalpapierdokumente ebenfalls anfange zu zerreissen. Man<br />

könnte mir einen Dokumentenvernichter zur Verfügung stellen o<strong>de</strong>r das<br />

Geld zum Kauf dafür geben.<br />

Wie bitte, fragte ich ihn entsetzt. Das ich eine kleine Harddisk zerstöre,<br />

leuchtet mir ein. Aber ihr wünscht euch, dass Originaldokumente, mit<br />

Originalunterschriften <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n vernichtet wer<strong>de</strong>n? Ihr wollt dies<br />

wirklich, erkundigte ich mich. Muss wohl ein Witz sein, sagte ich. Nein,<br />

ver<strong>de</strong>utlichte er. <strong>Die</strong> Kun<strong>de</strong>n wissen ja nicht, dass ihre Originalpapiere,<br />

die ja keine Wertpapiere waren, fast 1000 Kilometer entfernt von dort wo<br />

sie sein sollten, waren. Zu<strong>de</strong>m hätte man ja je<strong>de</strong>s Dokument auch im<br />

elektronischen Speicher bei <strong>de</strong>r LGT. Das stimmte. Ich weiss nicht<br />

warum, aber mir gefiel <strong>de</strong>r Gedanke überhaupt nicht.<br />

Nicht das ich Mühe damit hätte, die über 2000 Seiten in <strong>de</strong>n<br />

Papierfresser zu stopfen, aber ich vertrat die Meinung, das die<br />

Dokumente <strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n gehörten und sie wie<strong>de</strong>r dorthin zurück<br />

gelangen sollten, wo sie hergekommen sind. Offenbar hatte sich <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor keine solchen Gedanken gemacht. Er runzelte die Stirn und<br />

fragte wie die Papiere <strong>de</strong>nn transportiert wer<strong>de</strong>n sollen.<br />

Es bedarf einiger Überredungskunst, um ihn zu überzeugen, dass er<br />

doch die Papiere in Etappen wie<strong>de</strong>r mit nach Hause nehmen könnte. Ich<br />

könnte ihm morgen schon einige Stapeln bringen. Kopien jener<br />

Dokumente hätte ich ja auch auf meinen elektronischen <strong>Daten</strong>trägern.<br />

Mir wäre es sogar lieber, wenn ich die Papiere loswer<strong>de</strong>n könnte. Immer<br />

340


diese Schlepperei, sagte ich. Was aber, wenn er an <strong>de</strong>r Grenze<br />

kontrolliert wür<strong>de</strong> und man in seiner Tasche tausen<strong>de</strong> Bank- o<strong>de</strong>r<br />

Treuhandpapiere aus Liechtenstein fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>.<br />

Mein Gott, sagte ich zu ihm, er sei doch <strong>de</strong>r weitgereiste Bankdirektor.<br />

Wie viel Gepäck er sich für diese Reise mitgebracht hätte, fragte ich ihn.<br />

Eine Mappe und ein Handrollkoffer. Das ist doch schon ein guter<br />

Anfang, rief ich aus. Er soll seinen Pyjama und die Zahnbürste in die<br />

Mappe quetschen und die Papiere in <strong>de</strong>n Rollkoffer. <strong>Die</strong>sen soll er am<br />

Flughafen Schiphol als Gepäckstück aufgeben und nur mit <strong>de</strong>r Mappe<br />

als Handgepäck reisen.<br />

Soweit ich wusste, wur<strong>de</strong> in Amsterdam bei aufgegebenem Handgepäck<br />

noch keine Extrakontrolle durchgeführt. <strong>Der</strong> Abflug war also kein<br />

Problem. Bei Ankunft in Zürich sei er ja schon fast auf heimischem<br />

Bo<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Schweizer Zöllner wür<strong>de</strong>n bei einer Kontrolle keine Fragen<br />

zu solchen Papieren stellen.<br />

Dem Bankdirektor gefiel die I<strong>de</strong>e noch nicht so ganz. Mir kam nicht in<br />

<strong>de</strong>n Sinn, warum er Angst davor hatte. Er müsse mit Hans-Adam<br />

Rücksprache halten. Kein Problem, sagte ich. Wenn er möchte, so könnte<br />

er alles schon morgen haben, offerierte ich ihm. Falls alles in seinen<br />

Koffer passte, fügte ich hinzu.<br />

Er entfernte sich von mir und machte ein Telefongespräch. Nach 20<br />

Minuten kam er zurück und strahlte über das ganze Gesicht. Hans-<br />

Adam sei begeistert von <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e. Und er schätze meine Fürsorge um die<br />

<strong>Daten</strong>. Bitte, gern geschehen, erwi<strong>de</strong>rte ich. Also gut, ich wür<strong>de</strong> ihm als<br />

Zeichen <strong>de</strong>s guten Willens Teile <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> morgen übergeben. Wo,<br />

fragte er. Ich antwortete, lass uns doch in Amsterdam treffen. Von<br />

"Rotterdam" wäre es nur eine Stun<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Zug. <strong>Der</strong> Bankdirektor<br />

war damit einverstan<strong>de</strong>n. Ob ich schon eine elektronische Kopie bis<br />

Morgen vernichten wür<strong>de</strong>, fragte er höflich. Nur nicht so übereifrig,<br />

sagte ich. Eines nach <strong>de</strong>m An<strong>de</strong>rem. Morgen gibt es die Dokumente und<br />

dann sehen wir weiter.<br />

Ich erklärte ihm auch, dass ich es gar nicht eilig hätte. Und ich zum<br />

Schluss gekommen sei, dass ich die Schutz-ID wirklich nicht mehr wolle.<br />

Ich wür<strong>de</strong> schon ohne sie durchkommen. Wenn die in Vaduz so stur<br />

seien und <strong>de</strong>n Vorteil für sie nicht sehen wollen, dann müssten sie eben<br />

dieses Extrarisiko selbst tragen. Ich müsste jetzt wie<strong>de</strong>r heim nach<br />

Rotterdam fahren, sagte ich zu ihm. Er wollte mich noch zum<br />

Aben<strong>de</strong>ssen einla<strong>de</strong>n. Ich lehnte dankend ab. Wir verabre<strong>de</strong>ten, uns am<br />

nächsten morgen um 11 Uhr in <strong>de</strong>r Lobby <strong>de</strong>s Hotel Marriott, in <strong>de</strong>r<br />

341


Stadhou<strong>de</strong>rska<strong>de</strong> zu treffen. Ich versprach mit <strong>de</strong>n Dokumenten zu<br />

kommen. Ich warnte ihn, es solle mir ja keiner folgen. Es sei zwecklos,<br />

machte ich im vor, da die Papierdokumente nicht am selben Ort seien,<br />

wo die elektronischen <strong>Daten</strong>träger aufbewahrt wür<strong>de</strong>n. Aber nein,<br />

niemand wür<strong>de</strong> mir folgen, er sei alleine da, versicherte er mir immer<br />

wie<strong>de</strong>r. Und was war dann das ganze Gere<strong>de</strong> beim ersten Treffen, über<br />

gewaltsame Verschleppung und so? Ich solle dies vergessen, bat er mich.<br />

Alle nur dummes Geschwätz. Na wollen wir mal hoffen, dass das<br />

stimmt, sagte ich als Abschiedsgruss.<br />

Auf Umwegen lief ich zum Bahnhof und nahm erst <strong>de</strong>n dritten Zug nach<br />

Amsterdam. Ich wechselte min<strong>de</strong>stens vier Mal <strong>de</strong>n Platz. Keiner zeigte<br />

Interesse an mir. Nach Ankunft im Hauptbahnhof in Amsterdam bestieg<br />

ich die kleine Fähre rüber nach Amsterdam Nord. Mein Fahrrad hatte<br />

niemand geklaut. Aber einen Platten hatte ich. Mist! Zum Glück gab es<br />

ca. 300m nordwärts, am Buikslotenweg auf <strong>de</strong>r linken Seite, ein<br />

Fahrradgeschäft mit Reparaturstätte. Für ein paar Euro war die Sache<br />

geregelt. Ich ra<strong>de</strong>lte mit Genuss Richtung geliebtes Heim in<br />

Monnikendam. Das Fahrrad durfte ich immer neben <strong>de</strong>m Schuppen am<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Gartens abstellen. Es brannten keine Lichter mehr im Hause.<br />

Jane und ihr Mann mussten wohl ausgegangen o<strong>de</strong>r schon zu Bett<br />

gegangen sein. Ich verspürte <strong>de</strong>n Drang wie<strong>de</strong>r etwas für meine Fitness<br />

zu tun. Monnikendam hatte ein Gemein<strong>de</strong>hallenschwimmbad. Ein<br />

kleines Sportgebäu<strong>de</strong> und lei<strong>de</strong>r war das Wasser im 25m Becken nur<br />

hüfttief. Etwas ungewohnt, aber zur Muskelbewegung reichte es allemal.<br />

Wie<strong>de</strong>r zu Hause packte ich die Papierstapel aus und schaute sie mir<br />

nochmals an. Da war Eines mit <strong>de</strong>r Unterschrift von Klaus Zumwinkel.<br />

Einer <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen PEPs. Wenn <strong>de</strong>r wüsste, was hier vor sich ginge,<br />

dachte ich. Ich nahm die Hälfte aller Dokumente aus <strong>de</strong>m Koffer und<br />

legte sie für morgen früh bereit. Wie immer verschloss ich in <strong>de</strong>r Nacht<br />

meine Zimmertüre von innen.<br />

Am <strong>Die</strong>nstag, <strong>de</strong>n 11.03. war ich schon um 7 Uhr mit <strong>de</strong>m Velo<br />

unterwegs Richtung Amsterdam City. Schwer bepackt mit einer<br />

Plastiktüte, die ich von <strong>de</strong>r Wäscherei in Monnikendam erhalten hatte.<br />

Darin waren die Unterlagen nochmals in Einkaufstüten eingewickelt. Es<br />

war irgendwie ein lustiges Gefühl, als ich mit Treuhandurkun<strong>de</strong>n wie<br />

etwa Verträgen o<strong>de</strong>r internen Aktenvermerken und mit Bankbelegen in<br />

Milliar<strong>de</strong>nhöhe die frische Brise <strong>de</strong>r kurzen Kanalüberfahrt zum<br />

342


Hauptbahnhof genoss. Ich stellte mir vor, mit welcher Freu<strong>de</strong> ich von<br />

je<strong>de</strong>m Steuerfahn<strong>de</strong>r und je<strong>de</strong>m Kriminalpolizisten in Holland<br />

empfangen wür<strong>de</strong> (auch ohne die elektronischen <strong>Daten</strong>träger, wo<br />

1000fach mehr <strong>Daten</strong>material zu fin<strong>de</strong>n war). Weihnachten schon im<br />

März 2003! Ein Bankett für die Kämpfer gegen Geldwäscherei,<br />

Kriminalität und Steuerhinterziehung. Aber offenbar war die Zeit noch<br />

nicht reif dafür.<br />

Ich nahm mir ein Taxi vom Hauptbahnhof zum Hotel Marriott. Ich war<br />

25 Minuten zu früh da. Ich setzte mich in die Lobby und versuchte, nicht<br />

all zu grosse Aufmerksamkeit mit <strong>de</strong>m langen, dicken Plastiksack zu<br />

verursachen. Zu spät.<br />

Ein Wachmann sah mich und kam auf mich zu. Er fragte, ob ich Gast<br />

wäre, was ich verneinte. Ich sagte, dass ich auf einen Bekannten warten<br />

wür<strong>de</strong>. <strong>Der</strong> Bankdirektor bog gera<strong>de</strong> um die Ecke. Er musste durch <strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>ren, kleineren Eingang auf <strong>de</strong>r Vor<strong>de</strong>rseite ins Hotel gelangt sein.<br />

<strong>Der</strong> Wachmann nahm seinen Rundgang wie<strong>de</strong>r auf.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor war mit seinem geleerten Rollkoffer gekommen. Da<br />

ich ihm nicht einfach <strong>de</strong>n Sack so zuwerfen wollte, suchten wir uns eine<br />

ruhige Ecke und nahmen Platz. Zuerst drückte ich ihm zwei Bün<strong>de</strong>l mit<br />

ca. je 500 Blättern in die Hand und erklärte, dass dies nun die Hälfte <strong>de</strong>r<br />

Papiere wäre. So viele, so viele und so schwer, sagte er mit offenem<br />

Mund. Er bedankte sich artig, überflog sie schnell und erinnerte sich laut<br />

an <strong>de</strong>n einen o<strong>de</strong>r jenen vermerkten Kun<strong>de</strong>n. Dabei machte er<br />

Randbemerkungen im Sinne von „oh, nicht dieser‚ o<strong>de</strong>r „was, von<br />

dieser Kundschaft auch?‚.<br />

Ich erinnerte mich, dass wir eigentlich bis anhin gar nicht gross über die<br />

Originaldokumente gesprochen hatten. Selbst beim ersten Treffen wur<strong>de</strong><br />

ich niemals danach gefragt. Speziell nicht nach <strong>de</strong>r Kategorie von<br />

Dokumenten, die ich im Brief an Hans-Adam unter Punkt „III. C)‚<br />

beschrieben hatte. Er berichtete, dass nach<strong>de</strong>m sie sich in Vaduz vom<br />

Schock erholt hatten, spielten die Originaldokumente keine grosse Rolle<br />

mehr. Je<strong>de</strong>s dieser Papierstücke wäre ja ohnehin auch auf <strong>de</strong>m<br />

elektronischen <strong>Daten</strong>speicher. Ja genau, erwi<strong>de</strong>rte ich. Was für Papiere<br />

sind diese <strong>de</strong>nn, fragt er und zeigte mit <strong>de</strong>m Finger auf das letzte, kleine<br />

Bün<strong>de</strong>l. Ich hielt noch ein kleineres Bün<strong>de</strong>l mit ca. 125 Blatt Papier mit<br />

bei<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n fest, solange bis es <strong>de</strong>r Bankdirektor auch merkte. Er<br />

fragte mich: „Und diese Akten?‚ Ich erwi<strong>de</strong>rte scherzend, welche? Er<br />

zeigte auf meine Hän<strong>de</strong>.<br />

343


<strong>Die</strong>s sind die Originaldokumente jener Mandate, <strong>de</strong>ren Vermögen<br />

politischen Parteien o<strong>de</strong>r Körperschaften davon gehören, so wie ich sie<br />

unter Punkt „VI‚. im Brief vom 7.1.03 beschrieben hatte, sagte ich.<br />

Er kannte alle „politischen Mandate‚ und wusste auf Anhieb um welche<br />

"Gruppe" es sich han<strong>de</strong>lte.<br />

<strong>Die</strong> Kun<strong>de</strong>ndatenspeichersysteme von Treuhand und Bank sind zwar<br />

getrennt. Da er aber selber mehrere Jahre bei <strong>de</strong>r Treuhand gearbeitet<br />

hatte, wun<strong>de</strong>rte es mich nicht, dass er die Kun<strong>de</strong>n und die Hintergrün<strong>de</strong><br />

zumin<strong>de</strong>st <strong>de</strong>r heiklen, politischen Mandate im Detail kannte.<br />

Trotz <strong>de</strong>r hohen Nummer von fast 4000 Mandaten. Ich übergab sie ihm<br />

mit <strong>de</strong>r Bitte, diese <strong>de</strong>m Hans-Adam persönlich zu geben. Er blätterte sie<br />

durch und schüttelte mehrmals <strong>de</strong>n Kopf. Er legte sie vorsichtig zu <strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>ren Papieren im Koffer und zog <strong>de</strong>n Reissverschluss zu.<br />

Als wür<strong>de</strong> er sich selber belehren wollen, meinte er, dass die LGT diese<br />

Mandate gar nie hätten annehmen dürfen. Nicht auszu<strong>de</strong>nken, wenn<br />

diese Mandate <strong>de</strong>r Öffentlichkeit bekannt wür<strong>de</strong>n.<br />

Wir wun<strong>de</strong>rten uns gemeinsam, was für Motive die Auftraggeber dieser<br />

Mandate hatten, Konten in Liechtenstein zu eröffnen und so viele<br />

Millionen zu horten. Aus Steuergrün<strong>de</strong>n sicher nicht. Besser keine<br />

Fragen dazu stellen, schlossen wir das Thema ab.<br />

Er müsse jetzt kurz nach Vaduz telefonieren, sagte er mir. OK, ich wür<strong>de</strong><br />

im Terrace Café <strong>de</strong>s Hotels auf ihn warten, erwi<strong>de</strong>rte ich. Als er 15<br />

Minuten später zu mir kam, war seine Freu<strong>de</strong> über meine Lieferung fast<br />

schon verflogen. Er richtete ein Dankeschön von Hans-Adam aus. <strong>Die</strong>ser<br />

wür<strong>de</strong> es hoch schätzen, dass ich mich Kooperative zeigen wür<strong>de</strong> und<br />

die Loyalität ihm gegenüber aufrechterhalten wür<strong>de</strong>.<br />

Hans-Adam wür<strong>de</strong> fragen, wann er die an<strong>de</strong>re Hälfte <strong>de</strong>r<br />

Originalpapiere bekommen könnte. <strong>Der</strong> Bankdirektor erzählte weiter,<br />

dass <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sführer gerne heute noch hören wür<strong>de</strong>, dass ich einen <strong>de</strong>r<br />

<strong>Daten</strong>speicher vernichtet hätte. <strong>Die</strong>s darum, weil er sich Sorgen machen<br />

wür<strong>de</strong>, falls mir etwas gestohlen wür<strong>de</strong>. Zum hun<strong>de</strong>rtsten Male<br />

versicherte ich <strong>de</strong>m Bankdirektor, dass nichts passieren könne. <strong>Die</strong><br />

<strong>Daten</strong> seien in einem Safe aufbewahrt, behauptete ich.<br />

Er fragte mich, ob ich schon einen Heimreisetermin im Kopf hätte. Ich<br />

sagte ihm, dass ich vieles im Kopf hätte, aber lei<strong>de</strong>r noch keinen solchen<br />

Termin. Zuerst müssten wir doch abwarten, zu welchem Schluss die<br />

Rechtsexperten in Sachen Anklage gegen Helmut Roegele & Co.<br />

344


kommen wür<strong>de</strong>n. O<strong>de</strong>r hat Hans-Adam etwas von einer Frist gesagt,<br />

fragte ich ihn. Nein, nein, er habe nichts in dieser Richtung erwähnt, aber<br />

in Vaduz sei man natürlich <strong>de</strong>r Meinung, je früher ich nach Hause<br />

kommen wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>sto besser.<br />

Da es schon fast Aben<strong>de</strong>ssenszeit war, schlug ich eine Einladung von<br />

ihm nicht aus. Wir blieben in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Hotels und ich wollte<br />

während <strong>de</strong>s Essens kein Wort mehr über die LGT o<strong>de</strong>r Bankengeschäfte<br />

im Allgemeinen verlieren.<br />

Er erzählte mir von seiner lieben Frau, die ich nie kennen gelernt hatte.<br />

Und von seinen gut erzogenen Kin<strong>de</strong>rn. Eines Tages, so hoffte ich,<br />

wür<strong>de</strong> ich auch Frau und Kin<strong>de</strong>r haben. Das hatte ich aber auch schon<br />

vor sechs Jahren gehofft, als ich angekettet in einem feuchten Kerker<br />

sass.<br />

Er wür<strong>de</strong> noch eine Nacht in Holland bleiben, da er erst für <strong>de</strong>n nächsten<br />

Tag <strong>de</strong>n Rückflug gebucht hatte. Ich bedankte mich für seine<br />

Gastlichkeit und vor allem für sein Verständnis und die Geduld mit mir.<br />

Ich fragte ihn, wann wir uns wie<strong>de</strong>r sehen wür<strong>de</strong>n. Er überlegte kurz<br />

und antwortete, dass er am Freitag, <strong>de</strong>n 21.03. nach Amsterdam kommen<br />

könnte. Gut, sagte ich. Das passt mir sehr. Nicht, dass ich viele an<strong>de</strong>re<br />

Termine hätte, scherzte ich. Also, abgemacht, sagte er zum Abschied. Ich<br />

solle ihn nächste Woche am 18. o<strong>de</strong>r 19. auf seinem Handy anrufen,<br />

sodass wir die Details <strong>de</strong>s nächsten Treffens absprechen könnten. Mach<br />

ich doch. Auf Wie<strong>de</strong>rsehen Herr Bankdirektor. Pass auf Dich auf, rief er<br />

mir zu.<br />

Überzeugt mit <strong>de</strong>r Rückgabe das Richtige getan zu haben, machte ich<br />

mich zufrie<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>n Heimweg. <strong>Die</strong>s nicht ohne die übliche<br />

Verschleierungstaktik, was die Streckte anbelangte.<br />

VADUZ März 2003 (2)<br />

Während Kieber mit <strong>de</strong>m Bankdirektor lange Diskussionen über die<br />

<strong>Daten</strong>, Gott und die Welt hatte, war man in Liechtenstein auch wie<strong>de</strong>r<br />

aktiv gewor<strong>de</strong>n. In einer nicht-öffentlichen Sitzung wur<strong>de</strong> am 10.03. <strong>de</strong>r<br />

Einspruch von Kieber vom 07.11.02 gegen die Anklage im Fall 140er vom<br />

Gericht einstimmig abgelehnt. Gleichzeitig wur<strong>de</strong> beschlossen, das<br />

(Verbrecher-)Ehepaar Helmut Roegele und Salud Hidalgo als Zeugen<br />

<strong>de</strong>r STA einzula<strong>de</strong>n.<br />

345


Hans-Adam wur<strong>de</strong> wunschgemäss über diese Beschlüsse informiert und<br />

er ordnete an, diese unter Verschluss zu halten, sodass we<strong>de</strong>r Kiebers<br />

RA, noch er selbst davon erfahren wür<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>s begrün<strong>de</strong>tet Hans-<br />

Adam in einer kurzen mündlichen Stellungsnahme damit, dass man<br />

zum Wohle Liechtenstein nichts riskieren dürfte, was die komplizierten<br />

Gespräche mit Kieber im Ausland stören könnten. Er befürchtete, dass<br />

Kieber explodieren wür<strong>de</strong>, sollte er insbeson<strong>de</strong>re vom Umstand<br />

erfahren, dass die STA Helmut Roegele & Co. eingela<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>.<br />

Da <strong>de</strong>r Professor jetzt regelmässig zur Arbeit in Liechtenstein war,<br />

mietete er sich ein Zimmer in Triesen. Seine Künste waren jetzt vor allem<br />

an <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Front in Liechtenstein gefragt.<br />

<strong>Der</strong> ehemalige LLB Banker Lampert verlängerte praktisch je<strong>de</strong> Woche<br />

die Liste seiner For<strong>de</strong>rungen. Lampert for<strong>de</strong>rte u.a. CHF 700'000.- in bar<br />

und sofort. <strong>Die</strong> LLB war geschockt über seine Rücksichtslosigkeit. <strong>Die</strong><br />

Regierung Hasler hatte grosse Angst, dass die Medien davon erfahren<br />

könnten. Vor solcher Art Publizität hatte man und hat man heute noch<br />

eine <strong>de</strong>rartige Angst, wie <strong>de</strong>r Teufel vor <strong>de</strong>m Weihwasser. Einerseits<br />

wollte man auch die begangenen Fehler im Fall LGT vermei<strong>de</strong>n,<br />

an<strong>de</strong>rerseits war dieser Fall ganz an<strong>de</strong>rs.<br />

Erstens war Lampert noch im Land und daher kontrollier- o<strong>de</strong>r<br />

überwachbar und zweitens, was aus Liechtensteiner Sicht kein Problem<br />

darstellte, verlangte er Geld!<br />

Ähnlich wie am Anfang bei Kieber, hatte Lampert noch keinen Beweis<br />

geliefert, dass er die <strong>Daten</strong> hatte. <strong>Die</strong>s holte er in <strong>de</strong>r zweiten Woche im<br />

März nach. Mitte März händigte man ihm dann CHF 100'000.- in bar aus.<br />

Was Lampert nicht wusste war, dass die LLB ihn ständig beschatten lies.<br />

Trotz<strong>de</strong>m konnten sie nicht verhin<strong>de</strong>rn, dass er sie für die kommen<strong>de</strong>n<br />

acht Wochen mehr als einmal an <strong>de</strong>r Nase herumführten konnte.<br />

Hans-Adam interessierte dies alles im Moment nur am Ran<strong>de</strong>.<br />

Mitte März, am 16. war <strong>de</strong>r Tag. Sein Tag, an <strong>de</strong>m er für sich und seine<br />

Familie über die nächsten hun<strong>de</strong>rt Jahre das Sagen in Liechtenstein<br />

durch die neuen Verfassung einzementieren lassen wür<strong>de</strong>. <strong>Der</strong><br />

Abstimmungstag war gekommen. <strong>Die</strong> Bürger und Bürgerinnen<br />

stimmten ab. 66 Prozent Zustimmung für <strong>de</strong>n Hans-Adam. Viele<br />

stimmten darum für die neue Verfassung, also für "ihn", weil sie Angst<br />

davor hatten, dass sonst Hans-Adam samt Familie und Kunstbil<strong>de</strong>rn<br />

nach Wien auswan<strong>de</strong>rn wür<strong>de</strong>. Da hat man es, Liechtenstein wie in<br />

346


Bayern: Alles ungewisse, je<strong>de</strong> Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Status Quo ist zu<br />

vermei<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Angst war und ist immer grösser. Nach <strong>de</strong>m<br />

Abstimmungssieg fühlte sich Hans-Adam so stark wie ein Godzilla. Er<br />

vergeu<strong>de</strong>te nicht viel Zeit damit, sich bei <strong>de</strong>n 66 Prozent zu bedanken.<br />

<strong>Die</strong> politischen Gegner waren eingeschüchtert und sollten <strong>de</strong>n Sieg von<br />

Hans-Adam über sie seit jenem Tag ständig zu spüren bekommen.<br />

Schon Tage vor seinem Triumph in <strong>de</strong>r Abstimmungssache, hatte Hans-<br />

Adam an<strong>de</strong>ren Grund zur Freu<strong>de</strong>. Er und sein Sohn Alois kamen an<br />

einem Nachmittag zu einem Sechs-Augengespräch mit <strong>de</strong>m<br />

Bankdirektor auf Schloss Vaduz zusammen. <strong>Die</strong> Dokumente hätte er<br />

<strong>de</strong>m Direktor Dr. Feuerstein am Morgen schon übergeben. <strong>Der</strong><br />

Bankdirektor übergab dann wunschgemäss das Bün<strong>de</strong>l mit <strong>de</strong>n 125 Blatt<br />

Papier an Hans-Adam. <strong>Die</strong>ser dachte zuerst, es wäre ein neuer Brief von<br />

Kieber. Ein dicker Brief. Er nahm die Papiere entgegen und las<br />

aufmerksam die Kun<strong>de</strong>nnamen und an<strong>de</strong>re Details. Warum er und nicht<br />

die Treuhand die Papiere nun habe, fragte er.<br />

Etwas verlegen erklärte <strong>de</strong>r Gesandte, dass Kieber damit nur zeigen<br />

wollte, dass Deutschland solche Mandate sehr heiss begehren wür<strong>de</strong>.<br />

Solle er dies als Drohung auffassen, wur<strong>de</strong> Hans-Adam laut. Nein,<br />

absolut gar nicht. Kieber wollte nur einen Beweis abgeben. Weil Hans-<br />

Adam ihm ja am Telefon erklärt hatte, dass niemand in Deutschland<br />

Interesse an <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> hätte. <strong>Der</strong> Bankdirektor war sich auch ganz<br />

sicher, dass Kieber nie vorhatte, unterzutauchen son<strong>de</strong>rn er sich ganz<br />

fest vorgenommen hätte, eine glückliche Lösung für alle Beteiligten zu<br />

fin<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>s gefiel <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>sführer.<br />

Hans-Adam wollte daher abgeklärt haben, ob es jetzt nicht besser wäre,<br />

Kieber einen <strong>de</strong>r zwei gedruckten Pässe für die paar Wochen, bis er nach<br />

Hause kommen wür<strong>de</strong>, auszuhändigen. Wenn es unserer Sache dienlich<br />

sein soll, dann müssen wir es in Betracht ziehen, resümierte er.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor wur<strong>de</strong> auch mit an<strong>de</strong>ren Neuigkeiten überrascht.<br />

Hans-Adam erwähnte im Gespräch, dass man auch in Zürich nicht<br />

fündig gewor<strong>de</strong>n sei. In Zürich, fragte er nach. Alois <strong>de</strong>utete an, dass<br />

man gewisse alte I<strong>de</strong>en aus <strong>de</strong>m KKZ nichts ganz verwerfen wollte. Eine<br />

davon war, herauszufin<strong>de</strong>n, ob Kieber bei seiner Ex-Freundin in Zürich<br />

eventuell <strong>Daten</strong>träger versteckt haben könnte. Es sei in <strong>de</strong>r Zwischenzeit<br />

gelungen, ohne Schweizer Teilnahme die Dreizimmerwohnung <strong>de</strong>r<br />

besagten Dame zu durchsuchen. Es wur<strong>de</strong> lei<strong>de</strong>r nichts gefun<strong>de</strong>n.<br />

347


<strong>Der</strong> Bankdirektor erkundigte sich, ob <strong>de</strong>nn die betroffene Frau einer<br />

Hausdurchsuchung ohne Schweizer Durchsuchungsbefehl zugestimmt<br />

hätte. Wäre gar nicht notwendig gewesen, da man ihre Wohnung erst<br />

dann betreten hatte, als feststand, dass sie zu Bekannten in die<br />

Ostschweiz abgefahren war, erklärte ihm Alois.<br />

Anm.: Als ich dann selber gegen En<strong>de</strong> Oktober 2003 von dieser Aktion erfahren<br />

hatte, war ich sehr empört. Ich schimpfte dann mit <strong>de</strong>m Professor Dr. T. Müller<br />

darüber. Er wusste von <strong>de</strong>r Sache nichts. Verwun<strong>de</strong>rn wür<strong>de</strong> es ihn aber nicht.<br />

Meine eigene Nachforschungen ergaben, dass meine Ex-Freundin wahrhaftig<br />

zum angegebene Zeitpunkt nicht in ihrer Wohnung war. Sie sagte mir auch,<br />

dass sie zu keiner Zeit von irgendjemand über mich befragt wor<strong>de</strong>n sei. Ich hatte<br />

sie nie über das ganze Drama <strong>de</strong>r LGT-<strong>Daten</strong> aufgeklärt.<br />

Für mich steht fest, dass Hans-Adam sie beschatten lies. Ich gehe davon aus,<br />

dass die üblichen Handlanger von Hans-Adam die Wohnung professionell<br />

durchsucht hatten, ohne Spuren zu hinterlassen.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor rapportierte, dass ihn Kieber wie<strong>de</strong>r am 18. o<strong>de</strong>r 19.<br />

anrufen wür<strong>de</strong>. Wie abgemacht, hätte er sich einen Flug nach Holland<br />

für <strong>de</strong>n 21.3. schon fest gebucht. Er bat um Instruktionen, was er Kieber<br />

am Telefon o<strong>de</strong>r beim nächsten Besuch erzählen soll.<br />

Amsterdam März 2003 (b)<br />

Während ich mich schon auf <strong>de</strong>n nächsten Besuch vom Bankdirektor in<br />

knapp zehn Tagen freute, stieg meine Zuversicht Tag um Tag. Ich war<br />

heilfroh, mit <strong>de</strong>r Auswahl vom Bankdirektor richtig gelegen zu haben.<br />

Mit ihm konnte man wirklich von Mensch zu Mensch re<strong>de</strong>n.<br />

Meine Vermieterin hatte keine Probleme mit mir und ich keine mit ihr.<br />

Ich war ein ruhiger und kein lästiger Gast, die sie auch ab und zu mal<br />

hatte. Ich war die meiste Zeit unterwegs und ging zeitig zu Bett, d.h.<br />

selten war ich nach 20 Uhr zu Hause. In <strong>de</strong>m kleinen Haus konnte man<br />

je<strong>de</strong>s Geräusch hören. Manchmal durfte ich mit ihr und ihrem Mann vor<br />

<strong>de</strong>m grossen TV sitzen und gemeinsam schauten wir uns eine<br />

holländische Abendsendung an. In meinem Zimmer konnte ich einen<br />

Deutschen Sen<strong>de</strong>r empfangen. Ich schaute nie viel Fern, ich war immer<br />

schon kein grosser Glotzengucker.<br />

348


Am 19.03. vormittags und am 20.3. um 13 Uhr rief ich <strong>de</strong>n Bankdirektor<br />

an. Beim ersten Anruf entschuldigte ich mich, dass ich am 18. nicht<br />

angerufen hatte, da ich die Aufgabe in meinem Kalen<strong>de</strong>r am falschen<br />

Tag eingetragen hatte. Er hatte nicht viel Zeit und bat mich einen Tag<br />

später anzurufen, was ich dann auch tat. Am 19.03. rief ich <strong>de</strong>n<br />

Bankdirektor an. Das Gespräch war schon nach 2 Minuten zu En<strong>de</strong>. Er<br />

war sehr kurzgebun<strong>de</strong>n und sagte nur, er sei am Freitag um 10 Uhr im<br />

Marriott. OK, sagte ich. Bis dann. Seltsam, sein Ton war auch ganz<br />

an<strong>de</strong>rs, nicht mehr so freundlich. Hört sich gar nicht gut an, sagte ich zu<br />

mir. Aber was soll’s, es hatte keinen Sinn sich darüber gross <strong>de</strong>n Kopf zu<br />

zerbrechen. Morgen wür<strong>de</strong> ich ja sehen können, was nun wie<strong>de</strong>r los war.<br />

Am Freitag, <strong>de</strong>n 21.03. wartete ich schon seit 9 Uhr auf ihn in <strong>de</strong>r<br />

Hotellobby. Er erschien auch pünktlich um 10 Uhr. Es gab eine kühle<br />

Begrüssung. Er schien über etwas verärgert zu sein. Ich fragte, was los<br />

wäre. Er kam mit einer Gegenfrage und wollte wissen, ob ich mit meiner<br />

Ex-Freundin Kontakt hatte.<br />

Nein, sagte ich, sollte ich? Und wer will das wissen? Nein, nichts<br />

beson<strong>de</strong>res, erwi<strong>de</strong>rte er. Einige wür<strong>de</strong>n in Vaduz <strong>de</strong>nken, dass ich ihr<br />

was gesagt o<strong>de</strong>r erzählt haben könnte. Ich lachte nur und sagte, dass sie<br />

doch endlich begreifen sollen, dass ich ein Einzelkämpfer bin und es<br />

immer war. OK, wenn es ihnen besser gefallen wür<strong>de</strong>, dann eben ein<br />

Einzeltäter. Zu<strong>de</strong>m wür<strong>de</strong> ich nie an<strong>de</strong>re in Gefahr bringen. <strong>Die</strong>s sei<br />

mein Kampf und dies wür<strong>de</strong> immer so bleiben, been<strong>de</strong>te ich dieses<br />

Thema. <strong>Der</strong> Bankdirektor schien mit meiner Antwort zufrie<strong>de</strong>n zu sein.<br />

Er erzählte mir, dass er in Vaduz immer betont hätte, dass er überzeugt<br />

wäre, dass ich eine One-Man-Show wäre.<br />

Wir wechselten von <strong>de</strong>r Lobby zum Terrace Café <strong>de</strong>s Hotels. Ich wollte<br />

von ihm wissen, ob man mir schon Neues zum Thema Anklage gegen<br />

Roegele & Co. sagen könnte. Er schluckte sicher zwei Mal leer und<br />

erzählte, dass er lei<strong>de</strong>r nichts Neues gehört habe. Wie soll ich dies<br />

verstehen, fragte ich. <strong>Die</strong>s sei unter <strong>de</strong>r Kontrolle von Hans-Adam und<br />

dieser hätte ihm beim letzten Meeting nichts Frisches gesagt, was er mir<br />

mitteilen könnte. Er erzählte weiter, dass man in Vaduz wie<strong>de</strong>r<br />

ungeduldiger gewor<strong>de</strong>n sei. Man wür<strong>de</strong> dort nicht verstehen, warum ich<br />

nicht nach Hause kommen wür<strong>de</strong>, jetzt wo doch alles in die Wege<br />

geleitete wor<strong>de</strong>n sei.<br />

Ungeduldig fragte mich <strong>de</strong>r Bankdirektor noch mehrmals während<br />

dieses Besuchs, wie viele Reisen er noch machen müsse. Er als<br />

Bankdirektor hätte auch an<strong>de</strong>re Verpflichtungen. Das Geschäft blühe zu<br />

349


Hause, man brauche ihn auch dort. Schliesslich hätte er auch eine<br />

Mannschaft zu leiten und das ihm direkt unterstellte Führungsteam<br />

wür<strong>de</strong> sich schon wun<strong>de</strong>rn, warum er praktisch je<strong>de</strong> Woche ein, zwei<br />

Tage verschwin<strong>de</strong>t.<br />

Auf Anordnung von Hans-Adam wisse niemand von <strong>de</strong>r LGT ausser<br />

seiner persönliche Sekretärin und Herr Piske, (vom Vorstand <strong>de</strong>r Bank)<br />

dass er auf heikler Mission wäre. Im elektronischen Kalen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r LGT<br />

wären seine Besuche als Kun<strong>de</strong>ntrips getarnt. Ob ich schon eine Ahnung<br />

davon hätte, wann ich nach Hause kommen wür<strong>de</strong>. Ich erwi<strong>de</strong>rte, ich<br />

kann jetzt nicht nach Hause kommen. Für mich habe sich nichts<br />

geän<strong>de</strong>rt. Wo sei <strong>de</strong>r Beweis, dass man wenigstens ein Teil meiner Bitten<br />

erfüllt hätte? Ich bleibe lieber hier in Holland und wenn alles so läuft,<br />

wie man mir durch ihn ausrichten lässt, dann sehe ich kein Problem, in<br />

<strong>de</strong>r nahen Zukunft nach Hause zu kommen. Hans-Adam lässt nach<br />

nachfragen, ob ich schon einen <strong>de</strong>r elektronischen <strong>Daten</strong>träger vernichtet<br />

hätte, sagte er. Ich musste lei<strong>de</strong>r eine negative Auskunft geben. Aber ich<br />

versprach ihm, bis zum nächsten Besuch eine solche Kopie <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> zu<br />

vernichten. Ob er <strong>de</strong>n Beweis für die Zerstörung bräuchte, fragte ich ihn.<br />

Er verneinte. Er wäre sinnlos einen Beweis nach Vaduz zu bringen, da es<br />

ja technisch kein Probleme für mich wäre, vor <strong>de</strong>r Zerstörung wie<strong>de</strong>r<br />

eine neue Kopie zu machen. Darum wäre es reine Zeitverschwendung<br />

auf einen solchen Beweis zu beharren. Er argumentierte, dass ich doch<br />

innerhalb einer Woche eine Entscheidung treffen könnte, ob ich nach<br />

Hause zurückkehre. Er sei unter Druck von Hans-Adam. Wie gesagt,<br />

wür<strong>de</strong> dieser immer ungeduldiger. Dennoch, als weiteres Zeichen seines<br />

Guten Willens könnte er mir folgen<strong>de</strong>s offerieren. Wenn ich ihm, und<br />

damit Hans-Adam, jetzt versprechen wür<strong>de</strong>, dass ich spätestens bis<br />

En<strong>de</strong> April, also in ca. fünf Wochen, wie<strong>de</strong>r in Liechtenstein sein wür<strong>de</strong>,<br />

dann käme er am 2. o<strong>de</strong>r 3. April wie<strong>de</strong>r nach Amsterdam und wür<strong>de</strong><br />

mir einen <strong>de</strong>r zwei Pässe als Schutz-ID für die Reise nach Hause<br />

übergeben. Ich müsste mich aber auch verpflichten und dies hoch heilig<br />

schwören, dass ich im April alle <strong>Daten</strong>träger vernichte und nichts mit<br />

auf die Reise nach Hause nehmen wür<strong>de</strong>.<br />

So, so – was hat euch bewegt, mir auf einmal einen Schutz-Pass<br />

auszuhändigen. <strong>Die</strong> Antwort darauf wüsste ich ja, erwi<strong>de</strong>rte er. Und wie<br />

wür<strong>de</strong>t ihr verhin<strong>de</strong>rt, dass – wenn ich wollte, rein theoretisch – mit<br />

<strong>de</strong>m Pass in eine „an<strong>de</strong>re Richtung‚ reise. Auch dafür hätte man<br />

350


vorgesorgt, sagt er. Ich war schon ganz gespannt, welche Lösung sie<br />

dafür gefun<strong>de</strong>n hatten. Er ver<strong>de</strong>utlichte. Um zu verhin<strong>de</strong>rn, dass ich <strong>de</strong>n<br />

Pass als neue Lebensgrundlage verwen<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong> man - falls ich<br />

am 30.04.03 im Laufe <strong>de</strong>s Tages nicht in Vaduz eintreffen wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n<br />

Pass am 01.05. polizeilich als gestohlen mel<strong>de</strong>n und die Passnummer in<br />

ein internationales Register eintragen lassen. Keine schlechte I<strong>de</strong>e,<br />

erwi<strong>de</strong>rte ich. Und die <strong>Daten</strong>? Was ist, wenn ich – rein hypothetisch –<br />

mit <strong>Daten</strong> und Pass auf Wan<strong>de</strong>rschaft gehen wür<strong>de</strong>?<br />

Was er dann zur Antwort gab, erstaunte mich schon und bewies mir,<br />

dass sie sich offenbar in die Materie, in die Gedankenwelt von mir<br />

vertieft hatten. Er schil<strong>de</strong>rte mir, dass man in Vaduz alle meine<br />

möglichen Optionen studiert hätte. Davon hätte ich nur zwei:<br />

A) ich fin<strong>de</strong> eine friedliche Lösung mit Hans-Adam o<strong>de</strong>r B) ich suche die<br />

Hilfe bei <strong>de</strong>n Deutschen o<strong>de</strong>r Amis. Ein Abtauchen o<strong>de</strong>r Untertauchen<br />

als „Ulrich Meier‚ mit <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> wür<strong>de</strong> keinen Vorteil für mich<br />

ergeben, been<strong>de</strong>te er <strong>de</strong>ren Theorie. <strong>Der</strong> Bankdirektor sagte mir „im<br />

Vertrauen‚ (was immer dies be<strong>de</strong>utete), dass man sich in Vaduz sicher<br />

sei, dass ich die oben genannte Variante A) auswählen wür<strong>de</strong>.<br />

<strong>Die</strong>s wür<strong>de</strong> im Grossen und Ganzen ungefähr meinen Vorstellungen<br />

entsprechen, offenbarte ich ihm, auch „im Vertrauen‚. Mit <strong>de</strong>m<br />

Aushändigen <strong>de</strong>s Passes wollte man mir <strong>de</strong>n Stress <strong>de</strong>r Heimreise<br />

nehmen. Natürlich müsste ich im Tausch alle meine Ausweise, die auf<br />

Heinrich Kieber lauteten, aushändigen.<br />

Ich erbat mir Be<strong>de</strong>nkzeit von ein paar Tagen.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor hatte bei diesem Besuch nicht viel Zeit für mich. Er bat<br />

mich ihn spätestens in einer Woche wie<strong>de</strong>r anzurufen. Wir<br />

verabschie<strong>de</strong>ten uns und ich entfernte mich mit <strong>de</strong>m üblichen<br />

Verwirrspiel in Richtung Menschenmenge.<br />

In <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Tagen überlegte ich, ob ich das Angebot annehmen<br />

sollte. Ich sagte zu mir, dass ich es <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>sführer Hans-Adam hoch<br />

anrechnen sollte, dass er mit mir - wenn auch nur durch seinen<br />

Gesandten – überhaupt re<strong>de</strong>t. O<strong>de</strong>r vielleicht das Angebot doch nicht<br />

annehmen? Wür<strong>de</strong> es nicht eher so sein, dass sie mir genau dass sagen,<br />

was ich hören will, fragte ich mich auch ständig. Er war zum Verrückt<br />

wer<strong>de</strong>n. Wenn ich nur nicht so misstrauisch wäre. Aber ich konnte ja mit<br />

nieman<strong>de</strong>m re<strong>de</strong>n. Eine Minute lang dachte ich alles passiere so, wie<br />

man es mir geschil<strong>de</strong>rt hatte. <strong>Die</strong> nächste Minute glaubte ich wie<strong>de</strong>r kein<br />

351


Wort von <strong>de</strong>m, was man mir gesagt hatte. Aber so konnte es auf ewig ja<br />

nicht weitergehen.<br />

Irgendwann musste ich klein beigeben o<strong>de</strong>r sie klein beigeben, ich die<br />

Bombe zün<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r sie Gewalt anwen<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>s waren in Wahrheit die<br />

Möglichkeiten. Ich konnte keinen <strong>de</strong>finitiven, keinen klaren Entscheid<br />

fällen.<br />

Ich war sehr traurig, da zu jener Zeit meine Schwestern und meine<br />

Mutter ihren Geburtstag feierten. Ich hätte keine Be<strong>de</strong>nken gehabt mit<br />

ihnen zu telefonieren. Ich konnte es nicht, weil ich keine Kraft dazu<br />

hatte. Ich fand auch keinen Gefallen mehr, die schönen Seiten von<br />

Amsterdam zu erkun<strong>de</strong>n und die Freiheit zu geniessen. Ich sperrte mich<br />

für ein paar Tage im Zimmer ein und verliess es nur, um zu frühstücken<br />

und wenn Jane das Zimmer machen wollte. Sie fühlte meine<br />

Nie<strong>de</strong>rgeschlagenheit. Als Ausre<strong>de</strong> erzählte ich ihr von einer<br />

unglücklichen Liebe. Sie zeigte Mitleid mit mir und das Thema war vom<br />

Tisch.<br />

Am 28.3. um 20 Uhr rief ich <strong>de</strong>n Bankdirektor an. Er sagte mir, dass er<br />

gera<strong>de</strong> zu Hause bei seiner Familie angekommen sei. Ich erzählte ihm<br />

dass ich mehr durcheinan<strong>de</strong>r als klar im Kopf sei. Ich wollte keinem<br />

Druck ausgesetzt wer<strong>de</strong>n und im Grun<strong>de</strong> hätte man mir nichts gezeigt,<br />

was in die erfor<strong>de</strong>rliche Richtung einer Anklage <strong>de</strong>r Verbrecher aus<br />

Argentinien gehen wür<strong>de</strong>.<br />

Ich behauptete, dass ich an die Existenz eines Auftrages von Hans-Adam<br />

an ein Rechtsexpertenteam absolut nicht glauben wür<strong>de</strong>. Um meiner<br />

Unsicherheit gleich noch eines drauf zu geben, erwähnte ich im selben<br />

Atemzug, dass, sollte es dieser Auftrag wirklich geben, ich mich für die<br />

Behauptung entschuldigen wür<strong>de</strong>. Er fragte mich, ob er nun am 2. und 3.<br />

April kommen soll o<strong>de</strong>r nicht. Ich bat ihn zu kommen. Ich wäre aber<br />

nicht sicher, ob es ein fruchtbares Treffen wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Ich versprach<br />

ihn am 1.04. wie<strong>de</strong>r anzurufen. Er konsultierte seinen Kalen<strong>de</strong>r und bat<br />

mich um 13 Uhr anzurufen. Einen friedlichen Geburtstag wünschte er<br />

mir aus heiterem Himmel für <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Sonntag.<br />

Danke schön Herr Bankdirektor. Bitte, gern geschehen, Herr Kieber.<br />

352


VADUZ April 2003 (1)<br />

Jetzt waren es schon bald ganze drei Monate seit Kieber Liechtenstein<br />

mit <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> verlassen hatte. Und immer noch keine Heimreise von<br />

ihm in Sicht. <strong>Die</strong> Restgruppe <strong>de</strong>s KKZ, Hans-Adam, sein Sohn Alois,<br />

Regierungschef Hasler, Piske, Feuerstein und <strong>de</strong>r Bankdirektor waren<br />

mit <strong>de</strong>r Situation gar und gar nicht zufrie<strong>de</strong>n. Guter Rat in Form einer<br />

besten Lösung <strong>de</strong>s Problems war einfach nicht zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Obwohl sich <strong>de</strong>r Professor die allergrösste Mühe gab, die Restgruppe in<br />

regelrechten Marathonsitzungen o<strong>de</strong>r in einzelnen Gesprächen davon zu<br />

überzeugen, dass man von <strong>de</strong>r fixen I<strong>de</strong>e ein Problem lösen zu müssen,<br />

wegkommen sollte. Natürlich war es aus Sicht Liechtenstein ein<br />

massives Problem. <strong>Der</strong> Professor erklärte ihnen aber, dass es vorerst eine<br />

Bedrohung sei und es erst dann ein massives Problem wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>,<br />

wenn Kieber die <strong>Daten</strong>bombe zün<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Man müsse daran arbeiten<br />

und darauf aufbauen, was einem mit Kieber verbin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong> und nicht<br />

was sie trennen wür<strong>de</strong>. Kieber sei noch immer extrem misstrauisch. <strong>Der</strong><br />

Professor sagte, dass es zwar gegenseitigen Sympathie und Vertrauen<br />

zwischen Kieber und <strong>de</strong>m Bankdirektor gebe, dass Kieber schlussendlich<br />

aber eher dazu neigen wür<strong>de</strong>, die (angeblichen) guten Handlungen, die<br />

in Vaduz für ihn gestartet wor<strong>de</strong>n seien, nicht zu glauben. Besser wäre<br />

es, wenn eine völlig neutrale Person, d.h. neutral aus <strong>de</strong>r Sicht von<br />

Kieber, mit ihm re<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Er hatte dabei an sich selbst gedacht.<br />

Hasler und Feuerstein konnten erst nach intensiven Gesprächen mit <strong>de</strong>m<br />

Professor endgültig von <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e, Gewalt anzuwen<strong>de</strong>n, Abschied<br />

nehmen. Ziel sei es Kieber nach Vaduz zu bringen und dann hätte man<br />

ja immer noch die Gelegenheit ihm ein schönes Dankeschön<br />

auszudrücken.<br />

<strong>Der</strong> Professor hatte wie<strong>de</strong>rum mehrfach darauf hingewiesen, dass man<br />

<strong>de</strong>m Kieber nichts Versprechen soll, was man von vornherein nicht<br />

einhalten wür<strong>de</strong>. Wie so oft in Liechtenstein, spürte auch dieser<br />

ausländische Experte, dass sich die Herrschen<strong>de</strong>n im Ländle nicht gerne<br />

vorschreiben lassen, wie man auf heimischen Bo<strong>de</strong>n zu agieren ge<strong>de</strong>nke.<br />

Unbestritten, man brauchte <strong>de</strong>n Professor um Kieber und die <strong>Daten</strong> nach<br />

Liechtenstein zu bringen. Einmal zu Hause angekommen, wür<strong>de</strong>n die<br />

I<strong>de</strong>en und Ratschläge vom Professor allenfalls zur Kenntnis genommen.<br />

In diesem Punkt sah man bei Hans-Adam, Alois, Hasler und Feuerstein<br />

keinen Spielraum. Nach jeweiligen solchen offenen Gedankenspiele war<br />

<strong>de</strong>r Professor beunruhigt. Trotz seiner guten Entlohnung stellte er mehr<br />

353


als einmal die Frage, ob <strong>de</strong>n Worten auch die Taten folgen wür<strong>de</strong>n. Ob<br />

Hans-Adam die Strafverfolgung <strong>de</strong>r Täter aus Argentinien und die<br />

daraus folgen<strong>de</strong>n Konsequenzen wirklich im Sinne habe. Aber<br />

natürlich, erwi<strong>de</strong>rte Hans-Adam. Man wäre es Kieber irgendwie<br />

schuldig, sollte dieser die Bombe nicht zün<strong>de</strong>n und nach Hause<br />

zurückkehren, ergänzte Hans-Adam.<br />

Mit dieser Aussage von Hans-Adam war <strong>de</strong>r Professor zufrie<strong>de</strong>n. Er<br />

machte aber, mit Blick zu Hasler und <strong>de</strong>r LGT, auch klar, dass er nicht<br />

dazu missbraucht wer<strong>de</strong>n könnte, <strong>de</strong>m Kieber Hoffnungen zu<br />

vermitteln, die Liechtenstein nie zu erfüllen ge<strong>de</strong>nke.<br />

Bei einem weiteren Treffen mit Hans-Adam eröffnete <strong>de</strong>r Professor ihm<br />

seine neue Strategie. Es hatte ja nichts mehr gebracht wie<strong>de</strong>r an Kiebers<br />

Loyalität, Diskretion und Autoritätsgläubigkeit zu appellieren. Auch<br />

nicht viel weiter war man gekommen, als man ihn an seine guten Seiten<br />

erinnerte o<strong>de</strong>r sein Schuldgefühl gezielt bearbeitete. Eine dritte Chance<br />

Kieber zur raschen Heimreise zu bewegen, sah er darin, Kieber um Hilfe<br />

zu bitten. Hilfe? Von Kieber? <strong>Der</strong> Lan<strong>de</strong>sführer wur<strong>de</strong> hellhörig. <strong>Der</strong><br />

Professor erklärte, dass er in seiner Arbeit am aktuellen LLB-Fall<br />

(Lampert) begriffen hatte, dass man Kieber, völlig realistisch, um Hilfe in<br />

diesem Fall bitten könnte. Kiebers Denkvorgänge seien nicht zu<br />

unterschätzen und könnten zur Problemlösung mit Lampert angewen<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n. Man müsste ja <strong>de</strong>m Kieber nicht alle Details erzählen. Aber er<br />

hätte schon ein paar Fragen an Kieber, die nur dieser – zwar mit<br />

unterschiedlichen Motiven, aber <strong>de</strong>nnoch eben auch als Täter –<br />

beantworten könnte.<br />

Zu<strong>de</strong>m hätte dies <strong>de</strong>n positiven Seiteneffekt, dass Kieber fühlen wür<strong>de</strong>,<br />

dass man ihn als Mensch braucht, als jemand, <strong>de</strong>ssen Meinung gefragt<br />

ist. Wenn Kieber etwas in <strong>de</strong>n letzten fünf Jahren mit <strong>de</strong>n Liechtensteiner<br />

Behör<strong>de</strong>n erleben musste, so war die eine endlose Abneigung und<br />

gigantische Ignoranz. Und da <strong>de</strong>r LLB-Fall in <strong>de</strong>r Tat existiere, müsste<br />

man ihn für Kieber nicht neu erfin<strong>de</strong>n.<br />

Hans-Adam rief <strong>de</strong>n Bankdirektor zu sich und ordnete ihn an, diese<br />

Chance mit <strong>de</strong>m Professor zu diskutieren.<br />

354


Amsterdam April 2003 (a)<br />

Ein neuer Monat, ein neuer Anfang, dachte ich mir. Wie versprochen rief<br />

ich am 1.4. pünktlich um 13 Uhr <strong>de</strong>n Bankdirektor an. Er bestätigte seine<br />

Ankunft für <strong>de</strong>n nächsten Tag und fragte, ob er <strong>de</strong>n Schutzpass<br />

mitbringen sollte. En<strong>de</strong> April schien mir einfach zu früh. In ein, zwei<br />

o<strong>de</strong>r drei Monaten könnte nicht so viel geän<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r in Bewegung<br />

gesetzt wor<strong>de</strong>n sein, selbst wenn Hans-Adam am Drücker sei. Doch ich<br />

wollte ihn nicht enttäuschen und sagte nichts am Telefon, da mir ganz<br />

klar war, dass ich noch nicht nach Hause fahren wür<strong>de</strong>. Ich sagte daher<br />

<strong>de</strong>m Bankdirektor, er könne die Schutz-ID mitbringen. Er freute sich<br />

über meine „Einsicht in die Notwendigkeit".<br />

Nach <strong>de</strong>m Anruf kam ich an einem Coiffeurla<strong>de</strong>n vorbei und sah mich<br />

im Spiegel. Oh, die Haare waren aber wie<strong>de</strong>r gewachsen, sagte ich zu<br />

mir. 20 Minuten später verliess ich <strong>de</strong>n La<strong>de</strong>n mit einem Haarschnitt wie<br />

nach <strong>de</strong>m Einrücken ins Militär. Nicht dass ich selber irgendwelche<br />

Erfahrungen im Militär hätte, das Ländle hat ja keine Armee, aber eine<br />

kolossale Kaserne; für die Hor<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Internationalen Steuerhinterzieher.<br />

<strong>Die</strong>nstag, <strong>de</strong>r 2.4. <strong>Der</strong> Bankdirektor hatte schon an einem Fenster im<br />

Terrace Café Platz genommen, als ich von <strong>de</strong>r gegenüberliegen<strong>de</strong>n<br />

Strassenseite auf das Hotel zuging. Ich sah ihn mir zuwinken. Er fragte<br />

mich, ob ich froh sei, dass das Drama mit <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> bald zu En<strong>de</strong> sei.<br />

Ich lächelte gezwungen. Ich versuchte das Thema zu wechseln und<br />

fragte ihn, was er <strong>de</strong>nn seiner Frau sagen wür<strong>de</strong>, wenn er fast je<strong>de</strong><br />

Woche nach Holland fliegen wür<strong>de</strong>. Er sagte, dass er sie beschränkt<br />

informieren konnte, über das was vor sich ging.<br />

Ich war nervöser als sonst, weil ich gleich <strong>de</strong>n Bankdirektor enttäuschen<br />

wür<strong>de</strong>. Er war voller Zuversicht und schlug vor, dass wir im nahen Park<br />

spazieren gehen. Das Wetter war ja sehr einla<strong>de</strong>nd. Er fragte mich, ob ich<br />

angefangen hätte, die <strong>Daten</strong>träger zu vernichten. Ich sagte, dass ich ja<br />

noch Zeit dafür hätte. Ich erwähnte dann, dass ich meinen Mietvertrag<br />

um zwei Monate verlängert hätte. Zwei Monate, fragte er erstaunt. Ja, bis<br />

En<strong>de</strong> Mai. <strong>Die</strong>s darum, weil ich nicht mehr sicher sei, ob ich schon En<strong>de</strong><br />

April nach Hause kommen könnte.<br />

Er schlug die Hän<strong>de</strong> über seinem Kopf zusammen. Er habe extra <strong>de</strong>n<br />

Pass mitgebracht. Ich hätte doch darum gebeten. Ich erwi<strong>de</strong>rte, dass ich<br />

355


es gestern noch nicht genau wusste. Heute aber sei ich mir sicher, dass<br />

ich En<strong>de</strong> April nicht nach Hause kommen wer<strong>de</strong>. Wo, bitte schön, wäre<br />

<strong>de</strong>r versprochene Beweis dafür, dass man die Täter von Argentinien<br />

anklagen wür<strong>de</strong>? Ich müsse ihm glauben, obwohl er sich auch nur auf<br />

die Angaben von Hans-Adam berufen könnte, versuchte er die Situation<br />

zu retten.<br />

Ich verlangte, selbst mit Hans-Adam zu sprechen. <strong>Die</strong>s sollte ja kein<br />

Problem sein, da er selbst erlebt hatte, dass man mit mir am Telefon<br />

eigentlich normal re<strong>de</strong>n könnte, bemerkte ich. Er sagte, dies sei<br />

kompliziert, dafür wäre er ja da. Aber, wenn ich ihm nicht glauben<br />

wür<strong>de</strong>, was er scha<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, dann hätte man da jemand zur<br />

Hand, <strong>de</strong>r mir bei meiner Entscheidungsfindung helfen könnte.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor erzählte mir, dass man in Vaduz langsam aber sicher<br />

die Geduld mit mir verlieren wür<strong>de</strong>. Das wäre nichts Neues für mich,<br />

konterte ich. Man wür<strong>de</strong> aber nachvollziehen können, dass ich, in<br />

meiner jetzigen Lage, sehr skeptisch gegenüber Vertretern <strong>de</strong>s<br />

Establishments sei. Trotz<strong>de</strong>m sei ich manchmal hartnäckiger als ein alter<br />

Esel, fügte er hinzu. Das er auch erkannt habe, dass ich unter massivem<br />

psychologischem Druck stehe und es ihn nicht verwun<strong>de</strong>rn wür<strong>de</strong>,<br />

wenn ich früher o<strong>de</strong>r später ganz durchdrehe. Wenn ich damit<br />

einverstan<strong>de</strong>n wäre, könnte ein Psychologe nach Holland kommen und<br />

mit mir re<strong>de</strong>n, offerierte er mir. Einen Psychofreak also, rief ich aus. Und<br />

wer soll dies <strong>de</strong>n sein, fragte ich. Es dürfe mir <strong>de</strong>n Namen nicht nennen.<br />

Aha, griff ich ihn an, wohl wie<strong>de</strong>r so ein Trick, um mich zu benebeln<br />

und Zeit für einen Angriff zu gewinnen. Warum kann man mir <strong>de</strong>n<br />

Namen nicht nennen? Ich treffe mich mit nieman<strong>de</strong>m, über <strong>de</strong>n ich nicht<br />

vorher Bescheid wisse. Er sagte, ich solle mich nicht so aufführen. Es<br />

wäre ja kindisch. <strong>Der</strong> „Psycho‚ wäre eine grosse Hilfe für alle. Er sei<br />

wegen einer ganz an<strong>de</strong>ren Geschichte, die sich momentan in Vaduz<br />

abspielte, angeheuert wor<strong>de</strong>n. Ein an<strong>de</strong>res schweres Drama, wobei<br />

meine Hilfe möglicherweise gebraucht wer<strong>de</strong>n könnte.<br />

An<strong>de</strong>res Drama? Jetzt? Meine Hilfe? Röhrte ich kopfschüttelnd und legte<br />

eine Gang beim Laufen zu, um weg von solchen übergeschnappten<br />

I<strong>de</strong>en zu kommen. Ich sagte ihm auch, er müsse wohl geisteskrank<br />

gewor<strong>de</strong>n sein. Ich bat ihn, es nicht auf die Spitze zu treiben. Es wäre mir<br />

klar, dass die in Vaduz auch unter Zeitdruck stehen und daher auf<br />

absur<strong>de</strong> Geschichten kommen wür<strong>de</strong>n, nur um mich nach Hause zu<br />

356


locken. Aber nein, aber nein, sagte er mir. Ich müsse ihm versprechen,<br />

dass ich nieman<strong>de</strong>m absolut gar nichts davon erzählen wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong> Sache<br />

sei auch unter strenger Geheimhaltung in Vaduz. Ob ich einen Roland<br />

Lampert aus Vaduz kenne. Nein, vielleicht, wenn ich ihn sehe, dann<br />

eventuell, erwi<strong>de</strong>rte ich. <strong>Die</strong>ser wäre ein Ex-Mitarbeiter von <strong>de</strong>r LLB und<br />

hätte dort <strong>Daten</strong> von <strong>de</strong>utschen Kun<strong>de</strong>n gestohlen und wür<strong>de</strong> jetzt seit<br />

Februar/März die LLB erpressen.<br />

Wie bitte? Für einen Moment genoss ich die absur<strong>de</strong> Situation. Da war<br />

ich selber mitten in einem län<strong>de</strong>rübergreifen<strong>de</strong>n Krimi, hatte also genug<br />

eigene Probleme am Hals, und da kommt man mir mit einer Story, in <strong>de</strong>r<br />

ich angeblich ähnliches ZUR GLEICHEN ZEIT IN VADUZ abspielen<br />

sollte. Ich hatte absolut keine Zweifel, dass überhaupt jemand <strong>Daten</strong> von<br />

<strong>de</strong>r LLB gestohlen haben könnte. <strong>Die</strong>s kam in <strong>de</strong>r Vergangenheit vor<br />

und wird immer passieren. Dass aber eine Erpressung ausgerechnet jetzt<br />

stattfin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, wollte ich nicht glauben. Blitzschnell kam mir laut<br />

<strong>de</strong>r Gedanke, dass dies eine Taktik sein könnte, wobei man <strong>de</strong>n LGT<br />

Fall, also meinen Fall, als zweitrangig herabstufen wür<strong>de</strong>, um mir das<br />

Gefühl zu geben, dass man keine Zeit und Ressourcen für mich hätte.<br />

Gleich verwarf ich diese Gedanken. Ich vergrub mein Gesicht in <strong>de</strong>n<br />

Hän<strong>de</strong>n. Nicht zu fassen. <strong>Die</strong> „Konkurrenz‚ schläft wohl nie, witzelte<br />

ich. Zuerst ein Psychofreak, dann die LLB, was kommt als nächstes,<br />

fragte ich. <strong>Die</strong> Abdankung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>sführers?<br />

Ganz und gar nicht, erwi<strong>de</strong>rte er. Wür<strong>de</strong> ich im LLB-Fall helfen, dann<br />

könnte ich mein ramponiertes Image bei <strong>de</strong>r Justiz und <strong>de</strong>r STA in<br />

Vaduz sicherlich verbessern. Geld sei an Lampert schon geflossen, aber<br />

man sei sich in Vaduz nicht sicher, ob er all die <strong>Daten</strong> hat, die er<br />

behauptete zu haben.<br />

Je mehr <strong>de</strong>r Bankdirektor im Detail darüber erzählte, <strong>de</strong>sto glaubhafter<br />

wur<strong>de</strong> er für mich und umso ernster wur<strong>de</strong> mein Gesicht. Ich fragte ihn<br />

postwen<strong>de</strong>nd, ob <strong>de</strong>r Lampert auf <strong>de</strong>r Flucht sei. Nein, <strong>de</strong>r sitze<br />

gemütlich zu Hause. Ich war ob dieser Antwort sehr erstaunt. Komisch,<br />

sagte ich, <strong>de</strong>r Lampert muss wohl sehr starke Nerven haben o<strong>de</strong>r etwas<br />

geisteskrank sein. <strong>Die</strong> grösste Knacknuss im LLB-Fall wäre, meiner<br />

Meinung nach, herauszufin<strong>de</strong>n, ob und wie viele Kopien <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> er<br />

habe. Genau dies sei das Kernproblem, erwi<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r Bankdirektor. Ich<br />

fragte ihn, was dies alles mit mir zu tun habe, die LLB wäre ja das<br />

Problem <strong>de</strong>r Regierung, <strong>de</strong>r Aktienmehrheitsbesitzerin <strong>de</strong>r LLB und<br />

nicht das Problem von Hans-Adam o<strong>de</strong>r seiner LGT.<br />

357


<strong>Der</strong> Bankdirektor versuchte mir eine Heimreise schmackhaft zu machen,<br />

in<strong>de</strong>m er sagte, dass, wenn ich nach Hause kommen wür<strong>de</strong>, man mich<br />

bitten wür<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>m Lampert zu re<strong>de</strong>n. Ich sollte versuchen, ihm die<br />

Erpressung auszure<strong>de</strong>n und herausfin<strong>de</strong>n, wie viele <strong>Daten</strong>, vor allem<br />

wie viele Kopien er davon er habe und wo er sie versteckt haben könnte.<br />

Warum gera<strong>de</strong> ich, fragte ich. Schickt doch euren Top-Psycho hin. <strong>Der</strong><br />

kann dies sicher tausendmal besser. <strong>Der</strong> Bankdirektor sagte, dass <strong>de</strong>r<br />

Psychologe, intern "<strong>de</strong>r Professor" gerufen, noch nicht persönlich mit<br />

<strong>de</strong>m Lampert gesprochen hätte.<br />

Warum nicht, war die logische Frage von mir. Weil man noch abwarten<br />

wollte. Einem Professor wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Lampert nichts erzählen wollen, mir<br />

schon eher, sagte <strong>de</strong>r Bankdirektor. Warum das, fragte ich und fuhr fort:<br />

Soll ich <strong>de</strong>n einfach zu Lampert gehen und ihm sagen: „Hallo ich bin <strong>de</strong>r<br />

Heinrich Kieber aus Mauren, ich habe auch tonnenweise <strong>Daten</strong> von einer<br />

„Bank‚ gestohlen, komme gera<strong>de</strong> von einer „Tour <strong>de</strong> <strong>Daten</strong>‚ in Berlin<br />

und Amsterdam zurück, habe die Sinnlosigkeit <strong>de</strong>r Handlung erkannt<br />

und bin jetzt hier um dich vor einem grossen Fehler zu bewahren.‚ Ja<br />

ungefähr so, erwi<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r Bankdirektor. Einen Versuch wäre es Wert,<br />

meinte er.<br />

Aha, sagte ich, obwohl mir dies alles keinen Sinn mehr ergab. Sowieso,<br />

ich hätte genug an<strong>de</strong>re Probleme, ich hatte keine Zeit o<strong>de</strong>r Energie um<br />

<strong>de</strong>r LLB zu helfen, sagte ich. Es wäre ja primär keine Hilfe für die LLB,<br />

son<strong>de</strong>rn fürs ganze Land. <strong>Die</strong> LLB sei ja <strong>de</strong> facto eine Staatsbank, meinte<br />

<strong>de</strong>r Bankdirektor. Was ich ja wusste. Hans-Adam wür<strong>de</strong> auch froh sein,<br />

wenn ich meinen Anteil an <strong>de</strong>r Lösung <strong>de</strong>s LLB-Falls beitragen könnte.<br />

Mann oh Mann, dachte ich mir, sollten wir nicht zuerst unseren Fall<br />

lösen?<br />

Ich willigte ein, mich zuerst einmal mit <strong>de</strong>m Professor zu treffen. <strong>Die</strong>ser<br />

könnte also kommen, wenn er wollte. Ich bat <strong>de</strong>n Bankdirektor aber mir<br />

vor einem solchen Treffen etwas mehr Hintergrundinformationen über<br />

die Persönlichkeit dieses Professors zu geben. Den Namen könnte er für<br />

sich behalten. Aber Angaben über die fachliche Kompetenz, das<br />

Herkunftsland und die Beziehung zur LGT und Hans-Adam wür<strong>de</strong> ich<br />

schon gerne erhalten.<br />

Nach <strong>de</strong>m Spaziergang gingen wir zurück zu seinem Hotel und er lud<br />

mich zum Aben<strong>de</strong>ssen ein. Vorher musste er mir aber noch eine an<strong>de</strong>re<br />

Bitte von Hans-Adam vortragen. <strong>Die</strong>ser habe ihn beauftragt, von mir<br />

eine schriftliche Erklärung zu bekommen, worin ich bestätige, dass ich<br />

358


alle <strong>Daten</strong>träger vernichtet hätte. <strong>Der</strong> Bankdirektor wür<strong>de</strong> gerne ein<br />

solches Schreiben morgen mit nach Hause nehmen. Ohlala, entfiel es mir<br />

da. Ich hätte aber mit <strong>de</strong>r Zerstörung noch nicht begonnen, sagte ich<br />

wahrheitsgetreu. Das sei schon OK, erwi<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r Bankdirektor. Solange<br />

ich es vor meiner <strong>de</strong>r Heimreise erledigen wür<strong>de</strong>, sei dies kein Problem.<br />

Hans-Adam wolle einfach etwas in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n haben. Wenn ich dann<br />

die <strong>Daten</strong>träger vernichtet hätte, dann könnte ich eine neue persönliche<br />

Erklärung darüber für Hans-Adam ausfertigen und er wür<strong>de</strong> dies ihm<br />

dann auch überreichen. Hans-Adam wür<strong>de</strong> ja auch aktiv an<br />

Lösungswege arbeiten, sodass am En<strong>de</strong> die Verbrecher vor ein Gericht<br />

gestellt wer<strong>de</strong>n können. Fair für Hans-Adam, sagte ich. Das Min<strong>de</strong>ste<br />

was ich momentan in dieser Situation für ihn tun könnte. Ich versprach<br />

ihm, ein solches Schreiben mit ihm morgen aufzusetzen.<br />

Nach <strong>de</strong>m Essen kam wie<strong>de</strong>r eine neue I<strong>de</strong>e vom Bankdirektor. Um eine<br />

bessere Kontaktmöglichkeit zu haben, sodass die in Vaduz nicht immer<br />

auf meine Anrufe angewiesen waren, schlug <strong>de</strong>r Bankdirektor vor, ich<br />

sollte mir doch eine holländische SIM-Karte für ein Handy kaufen.<br />

Dadurch könnte er mich telefonisch erreichen und mich auf <strong>de</strong>m<br />

laufen<strong>de</strong>n Halten.<br />

Zuerst schüttelte ich vehement <strong>de</strong>n Kopf. Auf gar keinen Fall. Ihr wollt<br />

dies nur, um mich lokalisieren zu können, johlte ich ihn an. Komm mir ja<br />

nicht mit dieser Tour, tobte ich. Manchmal könnte ich sehr fanatisch sein,<br />

brüllte er. Nach<strong>de</strong>m wir uns wie<strong>de</strong>r beruhigt hatten, willigte ich ein, ein<br />

holländisches Handy samt Nummer zu kaufen. Allerdings wür<strong>de</strong> ich es<br />

nur für einen kurzen Anruf von ihm zu exakt abgemachter Zeit<br />

einschalten. Er war damit einverstan<strong>de</strong>n und offerierte, mir ein neues<br />

Handy samt SIM-Karte und Guthaben zu berappen. Wir suchten ein<br />

Geschäft auf und nach 15 Minuten war ich Besitzer eines neuen Telefons<br />

mit Prepaid-Nummer und einem 100 Euro Guthaben.<br />

Ich wollte nun nach Hause, nach „Rotterdam‚ gehen und versprach ihm,<br />

am nächsten Morgen um 11 Uhr wie<strong>de</strong>r beim Hotel zu sein. Er bedankte<br />

sich für meine Einsicht und wünschte mir eine gute Nacht. Ich<br />

verschwand in <strong>de</strong>n schwach beleuchteten Gassen von Amsterdam.<br />

Vorher schaltete ich mein neues Handy aus und entnahm die SIM-Karte<br />

sowie die Batterie.<br />

Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Ich wusste, dass ich morgen<br />

in eine furchtbare Situation kommen wür<strong>de</strong>, sollte ich die gewünschte<br />

359


Erklärung für Hans-Adam abgeben. Selbst wenn ich in <strong>de</strong>r Nacht alle<br />

<strong>Daten</strong>träger noch vernichten hätte, eine Masterkopie bliebe immer<br />

vorhan<strong>de</strong>n. Erstmals kann ich meinen Lesern ein weiteres meiner<br />

Geheimnisse verraten. Bisher weiss niemand davon. Je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r mich<br />

kennt, kann bestätigen, dass ich mit <strong>de</strong>r Zeit, speziell ab 1997 sehr<br />

Vorsichtig gewor<strong>de</strong>n bin. Ich sichere mich immer mehrfach auf allen<br />

Seiten ab. Natürlich konnte ich die Reaktion von Hans-Adam und <strong>de</strong>n<br />

hohen Finanz-Herren aus Vaduz nicht zu 100 Prozent voraussagen. Mein<br />

Plan im 2002 sah vor, dass ich das Original DLT-Band, die DVDs und<br />

externe Harddisks mit nach Berlin nehmen wür<strong>de</strong>. Für <strong>de</strong>n Fall, dass<br />

Hans-Adam mir im Verlauf <strong>de</strong>r Konfrontation mit Gewalt die<br />

<strong>Daten</strong>träger abnehmen könnte o<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Fall, dass ich sie verlieren<br />

wür<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r sie sonst wie unlesbar gewor<strong>de</strong>n wären, erstellte ich En<strong>de</strong><br />

Dezember 2002 eine so genannte Masterkopie <strong>de</strong>s Back-Up-Tape auf<br />

einer neuen, stabilen 100 GB Harddisk.<br />

Es verstand sich von selber, dass ich dies gegenüber Hans-Adam nicht<br />

erwähnt hatte o<strong>de</strong>r je erwähnen wollte. <strong>Die</strong>se Kopie zusammen mit<br />

verschie<strong>de</strong>nen an<strong>de</strong>ren Dokumenten bewahrte ich in einem neuen<br />

ausschliesslich dafür angemietetes Banksafe in <strong>de</strong>r Westschweiz auf.<br />

Ich eröffnete ein Bankkonto mit genügend finanziellen Mittel, um die<br />

jährlich automatisch abgezogene Mietgebühr bis En<strong>de</strong> 2008 bezahlen zu<br />

können. Ich wählte auch bewusst eine Bank in <strong>de</strong>r französischen<br />

Schweiz aus. Denn sollte irgen<strong>de</strong>twas mit mir auf <strong>de</strong>n Reisen 2003<br />

passieren und mein Namen in <strong>de</strong>n Medien in Liechtenstein, Deutschland<br />

o<strong>de</strong>r Österreich genannt wer<strong>de</strong>n, so wäre die Wahrscheinlichkeit, dass<br />

man <strong>de</strong>utschsprachige Zeitungen o<strong>de</strong>r News in <strong>de</strong>r<br />

französischsprachigen Schweiz lesen wür<strong>de</strong>, sehr gering. Bei<strong>de</strong> Schlüssel<br />

durfte ich, eigentlich entgegen <strong>de</strong>n normalen Gepflogenheiten, bei <strong>de</strong>r<br />

Bank selber <strong>de</strong>ponieren. Ich entschied mich auch für eine kleinere Bank<br />

und keine Filiale einer Schweizer Grossbank. <strong>Die</strong>s <strong>de</strong>swegen, weil die<br />

Grossbanken eine zentral geführte Kun<strong>de</strong>ndatenbank führten. Und<br />

praktisch alle diese Grossbanken ihren Firmenhauptsitz in <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschsprachigen Schweiz hatten.<br />

Zurück nach Amsterdam. Also selbst wenn ich alle <strong>Daten</strong>träger in<br />

Holland hätte vernichten wollen, eine Kopie wür<strong>de</strong> ja immer noch in <strong>de</strong>r<br />

Schweiz bestehen bleiben. So schnell <strong>de</strong>r Gedanke gekommen war, so<br />

schnell ging er wie<strong>de</strong>r weg. Für einen Moment dachte ich nach, ob ich<br />

<strong>de</strong>m Bankdirektor beim Gespräch morgen davon erzählen sollte. Aber<br />

360


dann befürchtete ich, dass man mir nicht glauben wür<strong>de</strong>, dass dies DIE<br />

letzte Kopie sein wür<strong>de</strong>. Und jetzt in die Schweiz zu reisen, wür<strong>de</strong> völlig<br />

unmöglich sein.<br />

Wie vereinbart traf ich um 11 Uhr im Hotel Marriott ein. <strong>Der</strong><br />

Bankdirektor erzählte mir, dass er mit Vaduz telefoniert habe und mir<br />

weiteres Positives mitteilen könnte. Ich solle mit ihm aufs Zimmer<br />

kommen. Ich wollte lieber nicht in einen Raum, wo er und ich alleine<br />

waren, sagte ich. Was ist, wenn ich überrumpelt wür<strong>de</strong>, fragte ich. Er<br />

versicherte mir, dass nichts geschehen wür<strong>de</strong>. Und - wie immer –<br />

erwi<strong>de</strong>rte ich, klar, wenn ihr die Anwendung von Gewalt plant, dann<br />

wür<strong>de</strong> man mir es ja nicht auch noch vorher ankündigen. Nach etwas<br />

Gere<strong>de</strong>, fuhren wir gemeinsam mit <strong>de</strong>m Lift hoch. Im Zimmer half mir<br />

<strong>de</strong>r Bankdirektor die Erklärung für Hans-Adam anzufertigen und zeigte<br />

mir eine neutrale Vollmacht. Hans-Adam hatte ihm diese mitgegeben.<br />

Eine Vollmacht für Hans-Adam, fragte ich. <strong>Die</strong> hatte er ja schon,<br />

ergänzte ich. Ich habe ihm schon eine in meinem Schreiben vom 7.1.03<br />

beigelegt, falls er eine brauche, um meine vollständigen Gerichtsakten<br />

lesen zu können. Nein, die Vollmacht wäre nicht für Hans-Adam, sagte<br />

<strong>de</strong>r Bankdirektor. Um meine Interessen im Argentinienfall bestmöglich<br />

zu wahren, sollte man einen Rechtsanwalt damit beauftragen. Einen<br />

neuen Rechtsanwalt? Ich hatte ja schon einen seit Jahren, sagte ich.<br />

Besser wäre es einen wirklichen Profi damit zu betreuen. Hans-Adam<br />

übernehme die Kosten, sagte <strong>de</strong>r Bankdirektor. Wie heisst <strong>de</strong>r neue<br />

Anwalt <strong>de</strong>nn, fragte ich. Er wisse es noch nicht, sagte er. Man suche nach<br />

einem geeigneten Anwalt, <strong>de</strong>r auch internationale Verbindungen hatte<br />

weil die Täter aus Argentinien ja in verschie<strong>de</strong>nen Län<strong>de</strong>rn leben<br />

wür<strong>de</strong>n und verschie<strong>de</strong>ne Nationalitäten hatten. Leuchtete mir ein.<br />

Na dann, vielen Dank erstmal, war alles was ich darauf erwi<strong>de</strong>rn konnte.<br />

Ich unterschrieb die blanko Vollmacht. Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Bankdirektor das<br />

Schreiben in seinem Koffer verstaut hatte, dachte ich mir, die<br />

Gelegenheit wäre günstig, ihn zu fragen, ob ich <strong>de</strong>n Pass mal in die<br />

Hän<strong>de</strong> nehmen könnte. Er wusste, dass ich ihn in Berlin lei<strong>de</strong>r nur durch<br />

die Fensterscheiben <strong>de</strong>s Diplomatenwagen von Hans-Adam hatte sehen<br />

können. Er konnte dies nicht erlauben, Hans-Adam hätte ihm<br />

ausdrücklich verboten, mir <strong>de</strong>n Pass zu zeigen, geschweige <strong>de</strong>nn zu<br />

geben, falls ich nicht hoch und heilig versprechen wür<strong>de</strong>, spätestens am<br />

31.04.03 wie<strong>de</strong>r in Vaduz zu sein.<br />

361


Ich stichelte <strong>de</strong>n Bankdirektor und sagte, dass ich jetzt versprechen<br />

wür<strong>de</strong>, am 31.04.03 zu Hause zu sein. Netter Versuch, sagte er nur. Er<br />

wüsste jetzt ganz genau, dass es noch eine Weile dauern wür<strong>de</strong>, bis ich<br />

nach Hause kehren wür<strong>de</strong>.<br />

Er war mit <strong>de</strong>m Erreichten zufrie<strong>de</strong>n und wollte nochmals von mir<br />

bestätigt haben, dass ich mit <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>trägervernichtung anfangen<br />

wür<strong>de</strong>. Wann er die an<strong>de</strong>re Hälfte <strong>de</strong>r Papierdaten mitnehmen wolle,<br />

fragte ich ihn zum Abschluss. <strong>Die</strong>s hätte Zeit, erwi<strong>de</strong>rte er. <strong>Die</strong>smal<br />

könne er sie nicht mitnehmen, da er nach Ankunft in <strong>de</strong>r Schweiz ein<br />

paar Sitzungen habe, wo er die <strong>Daten</strong> auf keinen Fall bei sich tragen<br />

wolle. Ich schlug vor, die Papiere doch bei <strong>de</strong>r LGT in Zürich zu<br />

<strong>de</strong>ponieren, bis er dann nach Vaduz fahren wür<strong>de</strong>. Geht gar nicht, sagte<br />

er. Da niemand von <strong>de</strong>r LGT Schweiz etwas wüsste und man alles<br />

geheim halten wür<strong>de</strong>. Auf Grund geschäftlicher Verpflichtungen wür<strong>de</strong><br />

er mit mir die nächsten zwei Wochen nicht telefonieren können. Er sei<br />

aber wie<strong>de</strong>r am 24. und 25. April für mich da. Er hätte schon ein Zimmer<br />

im Luxushotel „Karl V.‚ in Utrecht, am Geertebolwerk 1 gebucht. Ich<br />

müsste dann nicht so weit von Rotterdam anreisen, bemerkte er. Zu<strong>de</strong>m<br />

wür<strong>de</strong>n die nächsten zwei Wochen in Vaduz genutzt wer<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>n<br />

Professor auf <strong>de</strong>n Besuch einzustimmen und die angefangenen Arbeiten<br />

in Sachen Anklage gegen Roegele & Co. weiterzuführen.<br />

Ich war mit <strong>de</strong>m Ergebnis dieses Treffens auch sehr zufrie<strong>de</strong>n.<br />

Insbeson<strong>de</strong>re war ich froh, dass man in Vaduz einige <strong>de</strong>r eigenen Fehler<br />

erkannt und zugegeben hatte und mir nun helfen wür<strong>de</strong>. Obwohl ich<br />

zuerst mit <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>bombe hatte drohen müssen. Während dieser Tage<br />

in Amsterdam war ich eigentlich in Hochstimmung. Nicht weil ich in <strong>de</strong>r<br />

Lage war, Drohungen auszusprechen o<strong>de</strong>r sonst wie Druck auszuüben.<br />

Nein, mich überkam ein unbeschreibliches Glücksgefühl, weil man mir<br />

sagte, dass man mir helfen wür<strong>de</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Tatsache, dass ich nichts vom meiner Masterkopie in <strong>de</strong>r Schweiz<br />

erzählt hatte, verdrängte ich. Es störte mich auch nicht gross. Ich könnte<br />

diese <strong>Daten</strong>bombe ganz einfach auslöschen, in<strong>de</strong>m ich sie einfach später<br />

vernichtete. Irgendwann sollte ich ja wie<strong>de</strong>r in die Schweiz reisen<br />

können.<br />

362


VADUZ April 2003 (2)<br />

Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Bankdirektor die Adligen von Liechtenstein, <strong>de</strong>n Professor<br />

und <strong>de</strong>n Regierungschef Hasler über die letzte Reise nach Holland<br />

aufgeklärt hatte, machte sich das Gefühl breit, wenigstens an einer <strong>de</strong>r<br />

zwei Fronten erfolgreich zu sein.<br />

An <strong>de</strong>r LLB-Front bro<strong>de</strong>lte es sehr. Lampert war überrascht, dass ihm<br />

ohne grosses Trallala gleich mal CHF 100'000.- in bar übergeben und<br />

zusätzlich an<strong>de</strong>re Versprechungen gemacht wur<strong>de</strong>n. Wie z.B. die<br />

Annullierung o<strong>de</strong>r Teilannullierung seiner Hypothek bei <strong>de</strong>r LLB,<br />

weitere monatliche Zahlungen und ein Beratervertrag. Auch sollten die<br />

restlichen 600'000.- CHF seiner Erstfor<strong>de</strong>rung bald fliessen. Spätestes bei<br />

<strong>de</strong>m Angebot als Berater in Teilzeit weiterhin für die LLB zu arbeiten,<br />

hätte ihm ein Licht aufgehen sollen. Lampert erkannte <strong>de</strong>n Wert seiner<br />

Sammlung offenbar erst im April. Er for<strong>de</strong>rte frech und ohne Umwege,<br />

die kleine Summe von 18 Millionen CHF. Ein Klacks für die LLB, dachte<br />

er sich wohl. Ohne erst auf eine Reaktion von Seiten <strong>de</strong>r LLB auf die<br />

18 MIO. For<strong>de</strong>rung zu warten, machte er einen weiteren seiner vielen<br />

Fehler.<br />

Er schickte einem Dutzend Kun<strong>de</strong>n eine Kopie ihrer<br />

Vermögenszusammenstellung bei <strong>de</strong>r LLB per Post (aus <strong>de</strong>r Schweiz,<br />

wenn ich mich richtig erinnere). Er wusste, dass die Kun<strong>de</strong>n aus<br />

Deutschland sofort irgendwie die LLB anrufen wür<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> LLB wandte<br />

sich dann Hilfe suchend an Polizei und Justiz in Vaduz. Alles aber unter<br />

strengster Geheimhaltung.<br />

<strong>Der</strong> Professor wur<strong>de</strong> abwechselnd von <strong>de</strong>r Polizei für <strong>de</strong>n LLB-Fall und<br />

von Hans-Adam für <strong>de</strong>n LGT-Fall für Ratschläge angegangen. <strong>Der</strong><br />

Lan<strong>de</strong>sführer hämmerte <strong>de</strong>m Professor immer wie<strong>de</strong>r ein, dass es<br />

gelingen musste, Kieber so schnell wie möglich nach Hause zu bringen.<br />

Er befürchtete, wenn <strong>de</strong>r LLB-Fall zu einer Katastrophe führen sollte und<br />

die <strong>Daten</strong> in Deutschland lan<strong>de</strong>ten, Kieber davon erfahren könnte und<br />

sich im Zuge <strong>de</strong>r nachfolgen<strong>de</strong>n Medienschlacht dazu ermutigt fühlen<br />

könnte, sich <strong>de</strong>n Deutschen anzuvertrauen.<br />

O<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Rummel um einen LLB-Skandal könnte zu einem<br />

Informationsleck in Liechtenstein führen, wobei irgendjemand <strong>de</strong>n LGT-<br />

Fall <strong>de</strong>n Medien verraten wür<strong>de</strong> und Kieber sich gezwungen sähe, an<br />

die <strong>de</strong>utsche o<strong>de</strong>r die US-Regierung zu gelangen. <strong>Der</strong> Professor sah<br />

diese Gefahr nicht und versprach, alles zu tun, was in seiner Autorität<br />

363


stehen wür<strong>de</strong>. Zuerst einmal sollte man das nächste Treffen zwischen<br />

<strong>de</strong>m Bankdirektor und Kieber abwarten.<br />

Amsterdam April 2003 (b)<br />

<strong>Die</strong> knapp zwei Wochen bis zum nächsten Besuch aus <strong>de</strong>r Heimat waren<br />

wie Ferien für mich. Ich war überzeugt, dass mir Hans-Adam, dank<br />

seiner Macht und seinen Verbindungen helfen wür<strong>de</strong>. Gewiss, ab und zu<br />

glaubte ich trotz allem dunkle Wolken am blauen Himmel zu sehen.<br />

Wür<strong>de</strong> es nicht doch eine Falle sein? Wür<strong>de</strong> man mir keinen Bären<br />

aufbin<strong>de</strong>n? Dennoch, das Positive dominierte das Negative bei weitem.<br />

Ich vernichtete <strong>de</strong>r Reihe nach je<strong>de</strong> <strong>de</strong>r vier DVDs. Ich zerstückelte sie in<br />

unzählige Einzelteile und warf alle vermischten Bruchstücke, verteilt in<br />

acht kleine Abfallsäcke, an verschie<strong>de</strong>nen Orten rum um Monnikendam<br />

und Volendam in <strong>de</strong>n Müll.<br />

Als nächstes war eine <strong>de</strong>r externen Harddisk dran. Ich borgte mir einen<br />

Hammer von Janes Mann und fuhr mit <strong>de</strong>m Velo zum Hafen von<br />

Monnikendam. Dort spazierte ich am Ufer entlang und sobald ich weit<br />

genug weg von <strong>de</strong>n Häusern war, breitete ich ein altes T-Shirt von mir<br />

auf <strong>de</strong>r Kanalmauer aus, legte die unschuldige Harddisk in die Mitte<br />

und hämmerte wie wild auf sie ein. Ich schlug so fest, dass sogar Teile<br />

<strong>de</strong>r Mauer darunter zerbröckelten.<br />

Sicher ist sicher, dachte ich und sammelte alle zerquetschen Elektroteile<br />

ein. Verpackt in altes Zeitungspapier und Essensreste, verteilt auf drei<br />

kleine Abfallsäcke, warf ich sie in Amsterdam City in drei verschie<strong>de</strong>ne<br />

Müllcontainer. Nur ein Wun<strong>de</strong>r wür<strong>de</strong> diese Harddisk wie<strong>de</strong>r zum<br />

Leben erwecken. Und Wun<strong>de</strong>r gibt es ja bekanntlich keine.<br />

Nun hatte ich nur noch die zweite externe Harddisk und das original<br />

DLT-Back-Up-Tape. Bei<strong>de</strong>s lagerte nun schon seit zwei Monaten in<br />

meinem Koffer bei Jane. <strong>Die</strong> externe Harddisk wür<strong>de</strong> ich erst vor<br />

Abreise vernichten. Das DLT-Tape zusammen mit <strong>de</strong>m Bankdirektor, so<br />

hatte ich es mir vorgenommen.<br />

Am Donnerstag, <strong>de</strong>n 24.4. fuhr ich mit <strong>de</strong>r Bahn und <strong>de</strong>m DLT-Tape<br />

nach Utrecht. Um 17.30 Uhr betrat ich die kleine Lobby <strong>de</strong>s Hotels Karl<br />

V. An <strong>de</strong>r Rezeption erkundigte ich mich nach <strong>de</strong>r Zimmernummer <strong>de</strong>s<br />

Bankdirektors und rief ihn dann von <strong>de</strong>r Lobby aus an.<br />

364


Er kam im Freizeitlook runter. Lass uns die Stadt etwas ansehen gehen,<br />

schlug er vor. Wir bestellten uns ein Taxi und liessen uns ins Zentrum,<br />

das eh nicht weit weg war, chauffieren. Ich erzählte, dass ich die vier<br />

DVDs und die externe Harddisk schon zerstört hatte. <strong>Die</strong>s gefiel ihm<br />

sehr. Als ich ihm ohne Vorwarnung das DLT-Tape unter die Nase hielt,<br />

erschrak er heftig. Nur ruhig Blut, sagte ich. Niemand ausser uns zweien<br />

weiss, was das ist. Ich sah ein paar Schweissperlen auf seiner Stirn.<br />

Warum ich das Band mitgebracht hätte, wollte er wissen. Um es<br />

gemeinsam zu zerstören. O<strong>de</strong>r wenn er es wollte, dann könnte er es<br />

gleich mitnehmen, offerierte ich ihm und strecke es ihm entgegen. Dann<br />

wür<strong>de</strong> er zwar in Erfahrung bringen können, von welchem Tag im<br />

Herbst 2002 das Band stammte, dies war mir nun aber egal. Es waren ja<br />

an<strong>de</strong>re Zeiten angebrochen. Frie<strong>de</strong>nszeiten, mit Aussicht auf einen „100jährigen<br />

Frie<strong>de</strong>n‚, wenn es nach mir ginge.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor lehnte aber dankend ab. Er könne das Band nicht<br />

mitnehmen. <strong>Die</strong>s sei zu gefährlich. Sollte ihm auf <strong>de</strong>r Heimreise etwas<br />

zustossen, wäre das Desaster perfekt und, wenn er sich nicht irre, seien<br />

ja die <strong>Daten</strong> auf <strong>de</strong>m Band nicht verschlüsselt, erklärte er mir. Er<br />

vertraue da lieber auf meine Fürsorge um die <strong>Daten</strong>. Zu<strong>de</strong>m hätte ich,<br />

wenn er richtig gerechnet hatte, ja noch eine externe Harddisk irgendwo<br />

versteckt, sagte er. Jawohl, salutierte ich ihm. Das die <strong>Daten</strong> auf <strong>de</strong>m<br />

BackUp-Tape nicht verschlüsselt waren, sei nicht meine Schuld.<br />

Ja, erwi<strong>de</strong>rte er, seit <strong>de</strong>m Februar seien sie in <strong>de</strong>r LGT neuerdings<br />

verschlüsselt. Garantiert! Ich versprach ihm, das DLT-Tape noch im<br />

April zu vernichten. Ob er die Überreste davon dann haben möchte,<br />

fragte ich ihn. Nein, um Gottes Willen nicht, was soll er damit anfangen,<br />

fragte er mich. Man könnte es <strong>de</strong>m Hans bringen, schlug ich vor. Nein,<br />

nein – <strong>de</strong>r will sicher keinen Abfall sehen.<br />

Mir wur<strong>de</strong> dann gesagt, dass <strong>de</strong>r Professor sich freuen wür<strong>de</strong>, mich zu<br />

treffen. Ich fragte nochmals nach, was die Aufgabe <strong>de</strong>s Professors sein<br />

wür<strong>de</strong>. <strong>Der</strong> Bankdirektor antwortete, dass dieser mir von neutraler Seite<br />

erklären wür<strong>de</strong>, wie, was und wo nach meiner Rückkehr geschehen<br />

wür<strong>de</strong>. Ich war etwas überrascht und fragte nach, ob <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Professor<br />

<strong>de</strong>n Argentinienfall so gut kennen wür<strong>de</strong>. Ich dachte er wäre primär mit<br />

<strong>de</strong>m LLB-Fall beschäftigt, sagte ich. Nicht nur, sagte er. <strong>Der</strong> Professor<br />

wür<strong>de</strong> eben <strong>de</strong>swegen kommen, sodass ich von einer neutralen Person 1.<br />

bestätigt bekommen wür<strong>de</strong>, was man in Liechtenstein im 101er in die<br />

Wege geleitet hatte und 2. eine Lösung für ein gemeinsames Ziel<br />

365


aufgezeigt bekommen wür<strong>de</strong>. Also, wenn es <strong>de</strong>r Sache dienlich sein<br />

wür<strong>de</strong>, dann bin ich damit einverstan<strong>de</strong>n. Aber ich müsse mehr über<br />

diesen Professor erfahren, sagte ich.<br />

Später erzählte er mir, dass die LGT grossen Erfolg mit Neukun<strong>de</strong>n habe<br />

und die Eröffnung <strong>de</strong>r einzelnen Büros in Deutschland gemäss Plan<br />

stattfin<strong>de</strong>. Glücklicherweise hätte niemand von <strong>de</strong>r LGT Frankfurt und<br />

Berlin etwas von unserer Tragödie gemerkt, fügte er an. Ich war sehr<br />

froh darüber. <strong>Der</strong> Bankdirektor erwähnte nochmals, dass ich in einer<br />

ausseror<strong>de</strong>ntlichen Lage sei. Wür<strong>de</strong> ich nach Hause zurückkehren ohne<br />

dass jemand zu Scha<strong>de</strong>n kommt, und wür<strong>de</strong> ich einige <strong>de</strong>r Bedingungen<br />

von Hans-Adam erfüllen, dann könne ich mein Leben neu beginnen.<br />

Bedingungen? Welche Bedingungen, fragte ich. Es wären da noch ein<br />

paar mehr Bedingungen, die ich aber besser vom Professor erklärt haben<br />

sollte. <strong>Der</strong> Professor, so, so. Es wür<strong>de</strong>n hoffentlich keine unerfüllbaren<br />

Bedingungen sein, fragte ich. Nein, nein. Solange ich mich benehme und<br />

<strong>de</strong>m Hans-Adam und Liechtenstein helfen wür<strong>de</strong>, dass so etwas nicht<br />

nochmals passieren könnte, müsste ich nichts befürchten. Mir war jetzt<br />

gar nicht klar, was ich davon halten soll. Mir blieb aber nichts an<strong>de</strong>res<br />

übrig, als <strong>de</strong>n Besuch vom Professor abzuwarten. <strong>Die</strong>ser sollte ja ein<br />

Genie sein.<br />

Ich wusste was <strong>de</strong>n Bankdirektor seit seinem ersten Besuch auf <strong>de</strong>n<br />

Nägeln brennt. Damals und bei je<strong>de</strong>m späteren Besuch fragte er mir<br />

Löcher in <strong>de</strong>n Bauch, wie es mir gelang, a) eine Back-Up-Tape zu<br />

entwen<strong>de</strong>n und b) dies so durchzuziehen, ohne dass die EDV-Abteilung<br />

<strong>de</strong>n Verlust bemerkt hatte. Ich hatte ihm schon beim ersten Besuch<br />

gesagt, dass ich mit <strong>de</strong>n Details erst rausrücken wür<strong>de</strong>, wenn dieses<br />

Drama ein glückliches En<strong>de</strong> genommen hätte. Es hätte keinen Sinn, Zeit<br />

für Detailfragen zu verschwen<strong>de</strong>n. Ein paar Geheimnisse müsste ich<br />

vorerst schon noch behalten, sagte ich zu ihm. Er konterte immer wie<strong>de</strong>r<br />

mit <strong>de</strong>rselben Aussage, dass es wichtig sei, jetzt zu Erfahren wo offenbar<br />

die Sicherheitslücke sei.<br />

Ich hatte darauf auch immer wie<strong>de</strong>r dieselbe Antwort. Ich gehe davon<br />

aus, dass man seit Februar 2003 a) die <strong>Daten</strong> auf <strong>de</strong>m Back-Up-Tape<br />

verschlüsselt und b) sicherlich je<strong>de</strong>s Back-Up-Tape keine Sekun<strong>de</strong> aus<br />

<strong>de</strong>n „Augen lässt‚. Um ihn zu beruhigen, versprach ich ihm bald die<br />

Details offen zu legen. Da es schon spät war, offerierte er mir ein Zimmer<br />

im Hotel Karl V. Ich lehnte ab und sagte, ich könne ihn am nächsten Tag,<br />

um 11 Uhr wie<strong>de</strong>r besuchen kommen. Ja, das wäre Prima, erwi<strong>de</strong>rte er.<br />

366


Am nächsten Morgen, in <strong>de</strong>r Früh begann ich mit <strong>de</strong>r Zerstörung <strong>de</strong>s<br />

DLT-Ban<strong>de</strong>s. <strong>Die</strong>s war schwieriger als ich dachte. Ich öffnete das<br />

Gehäuse und fing an, das fette Band abzuspulen. Erstaunlich, wie lang<br />

so ein Band sein konnte. Hun<strong>de</strong>rte von Metern, min<strong>de</strong>stens. Alle paar<br />

Minuten schnitt ich das Band in <strong>de</strong>r Mitte durch und steckte <strong>de</strong>n<br />

Abschnitt in ein C5 Kuvert. Am En<strong>de</strong> hatte ich 18 fette solcher Kuverts.<br />

Mit meinem Velo fuhr ich in Richtung Amsterdam. An einem Kanal<br />

stoppte ich ausserhalb <strong>de</strong>r Sichtweite <strong>de</strong>r wenigen Hausboote. Ich<br />

entnahm die 18 Kuverts aus meiner Tragetasche und schichtete sie am<br />

Wegrand aufeinan<strong>de</strong>r. Ich zün<strong>de</strong>te die unterste Lage an und lies sie<br />

brennen. Dicker Rauch stieg empor und das Feuerchen stank sehr. Mit<br />

einem Holzstecken mischte ich die brennen<strong>de</strong>n Umschläge auf, sodass<br />

je<strong>de</strong>r Einzelne Feuer fing. Nach ca. fünf Minuten sah ich zwei<br />

Velofahrer, die aus Richtung Sü<strong>de</strong>n kamen. Noch waren sie weit weg.<br />

Schnell stampfte ich heftig auf das Lagerfeuer und löschte es. Dann<br />

sammelte ich die verschmolzene Ware ein und packte sie in einen<br />

Plastiksack. Auf einem <strong>de</strong>r grösseren Plätze in <strong>de</strong>r City schmiss ich <strong>de</strong>n<br />

Sack in einen Abfallcontainer. Vorher warf ich noch einen Blick in <strong>de</strong>n<br />

Sack. Nein, dachte ich, niemals wür<strong>de</strong> irgendjemand daraus<br />

irgendwelche <strong>Daten</strong> lesen können. Wie<strong>de</strong>r ein Problem weniger. Und<br />

mein Gepäck „leichter‚.<br />

Für <strong>de</strong>n Bankdirektor war <strong>de</strong>r Glanzpunkt <strong>de</strong>s nächsten Tags meine<br />

Meldung über die erfolgreiche Einäscherung <strong>de</strong>s DLT-Tapes. Er bestellte<br />

sich ein Taxi und ich wartete mit ihm auf <strong>de</strong>r Treppe vom Hoteleingang.<br />

Wir vereinbarten, dass ich mein neues Handy am 30.04. zwischen 12 und<br />

14 Uhr eingeschaltet lassen wür<strong>de</strong>. Sein Besuch mit <strong>de</strong>m Professor<br />

wür<strong>de</strong> am 12. und 13. Mai in Amsterdam erfolgen, sagte er zum<br />

Abschied.<br />

Gute Heimreise Herr Bankdirektor. Es wird alles Gut Herr Kieber.<br />

Ich blieb noch eine Stun<strong>de</strong> in Utrecht und wan<strong>de</strong>rte durch die Stadt,<br />

bevor ich mit <strong>de</strong>m Zug zurück nach Amsterdam fuhr. Ich war mir nicht<br />

sicher, ab man mir die Wahrheit gesagt hatte und mir nicht<br />

nachspioniert wur<strong>de</strong>. Ich blieb sehr wachsam. So gut es ging, versuchte<br />

ich meine Bewegungsmuster nicht zu wie<strong>de</strong>rholen.<br />

Da ich jetzt ein Handy hatte, wäre es <strong>de</strong>nen in Vaduz – Hans-Adam<br />

hatte immer die feste Überzeugung, dass mit Geld für ihn alles<br />

367


erreichbar war – möglich gewor<strong>de</strong>n, mich mit Hilfe <strong>de</strong>r SIM-Karte<br />

geographisch zu lokalisieren. Ich musste also aufpassen, dass ich<br />

innerhalb Amsterdams immer mein Handy ein- und ausschalten wür<strong>de</strong>,<br />

um meinen Standort in Monnikendam nicht preiszugeben. Ratsam war<br />

es auch, die SIM-Karte und die Batterie aus <strong>de</strong>m Gehäuse zu entfernen.<br />

Technisch ist es möglich, trotz ausgeschaltetem Handy <strong>de</strong>n Standort zu<br />

i<strong>de</strong>ntifizieren. Man kann bei <strong>de</strong>n hohen Finanz-Herren aus Vaduz nie<br />

vorsichtig genug sein. Auch musste ich für je<strong>de</strong>n angekündigten Anruf<br />

einen an<strong>de</strong>ren, neuen Standort innerhalb Amsterdams suchen. Nur<br />

dadurch konnte ich vermei<strong>de</strong>n, dass ab <strong>de</strong>m zweiten Anruf eine<br />

Leibwache von Hans-Adam auf mich wartete. Ich protokollierte ab jetzt<br />

je<strong>de</strong>n „verbrauchten‚ Standort in meinem Taschenkalen<strong>de</strong>r (ein früheres<br />

Geschenk <strong>de</strong>r LGT an Angestellte).<br />

Am nächsten Tag, <strong>de</strong>m 30.04., war viel los in <strong>de</strong>r Stadt. Massenhaft<br />

Menschen unterwegs. Es war <strong>de</strong>r Geburtstag <strong>de</strong>r Königin Beatrix. Wenn<br />

ich mich nicht irre, hatte es aus Kübeln geregnet. Ich stand unter einer<br />

Markise eines Cafés in <strong>de</strong>r Haarlemstraat und setzte mein Handy um<br />

genau 12 Uhr in Betrieb.<br />

Rein theoretisch hätte <strong>de</strong>r Bankdirektor auch um 13:59 anrufen können<br />

und hätte somit eine Stun<strong>de</strong> und 58 Minuten Zeit gehabt, mit Hilfe von<br />

bezahlten Spezialisten meine Position in Amsterdam auf ein paar Meter<br />

genau zu fin<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>s war mir klar. Aber ich hatte keine Probleme<br />

damit, da ich nur mein Zimmer in Monnikendam vor einem Zugriff<br />

schützen wollte.<br />

Ich musste aber nicht lange warten. Schon nach zehn Minuten rief er an.<br />

Er sagte, er wür<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Professor nächste Woche, am 12. Mai um 10<br />

Uhr auf mich warten. Ich sollte so nett sein und die restlichen<br />

Papierdokumente mitbringen, sofern ich dies ohne Gefährdung machen<br />

könnte.<br />

Ich fragte nach Details zum Professor. Er sagte, dass er mir <strong>de</strong>n Namen<br />

am Telefon aus Sicherheitsgrün<strong>de</strong>n nicht nennen könnte.<br />

Sicherheitsgrün<strong>de</strong>? Ist <strong>de</strong>r Mann in Gefahr, fragte ich erstaunt. Nein,<br />

erwi<strong>de</strong>rte er, aber Hans-Adam will nicht, dass die ganze Welt erfährt,<br />

dass <strong>de</strong>r Professor in seinen <strong>Die</strong>nsten steht. Aha, OK, sagte ich. Es<br />

folgten ein paar Details: ungefähres Alter, er komme aus <strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>utschsprachigen Raum und sei in jenem o<strong>de</strong>r diesem Feld ein Experte.<br />

Mir genügten die paar Hinweise. Wenn die Angaben stimmen sollten,<br />

dann müsste ich in <strong>de</strong>r Lage sein, <strong>de</strong>n Professor zu i<strong>de</strong>ntifizieren.<br />

368


Zum Abschluss ermahnte ich <strong>de</strong>n Bankdirektor nur alleine mit <strong>de</strong>m<br />

Professor zu kommen. Und nicht, dass sich <strong>de</strong>r Professor als weisser<br />

südafrikanischer Söldner entpuppt. Er schwöre es, hörte ich von ihm.<br />

Wir vereinbarten, dass ich das Handy am 7., 8. + 9. Mai jeweils zwischen<br />

12 – 14 Uhr eingeschaltet halte. Er wür<strong>de</strong> nicht unbedingt anrufen, aber<br />

wenn etwas in Sachen Reise sich än<strong>de</strong>rn sollte, dann könnte er mir es<br />

sagen. Ich war damit einverstan<strong>de</strong>n.<br />

369


KAPITEL 16 Vier mal 9 mm<br />

Amsterdam Mai 2003<br />

Noch 12 Tage bis zum wohl wichtigsten Treffen. Ich packte die LGT-<br />

Dokumente schon mal um, so dass ich sie bei Bedarf schnell griffbereit<br />

und reisefertig hatte. Meine Gastgeberin wun<strong>de</strong>rte sich schon darüber,<br />

dass ich immer noch bei ihr logierte. Nie hatten sie so lange einen Gast.<br />

Sie freute sich, dass es mir offenbar gut bei ihr und in Holland gefallen<br />

wür<strong>de</strong>.<br />

Ich weiss nicht mehr warum, aber auf einmal gefiel mir die Sache ganz<br />

und gar nicht mehr. Ich än<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>n Plan und anstatt auf seinen Anruf<br />

zu warten, rief ich ihn <strong>de</strong>n Bankdirektor an. Er war überrascht. Ich<br />

machte im etwas vor und sagte, dass ich nur das Handy nochmals testen<br />

wollte. Er hätte nichts Neues für mich und ich hatte nichts Neues für ihn.<br />

Ich sagte, dass ich aber gerne das Anruffenster um eine Stun<strong>de</strong><br />

reduzieren möchte. Demnach wür<strong>de</strong> ich von 13 – 14 Uhr mein Handy<br />

eingeschaltet haben.<br />

OK, sagte er. Also dann bis morgen, verabschie<strong>de</strong>te ich mich schnell.<br />

Am nächsten Tag, <strong>de</strong>n 8.5. schien die Sonne prächtig. Ich begab mich in<br />

<strong>de</strong>n berühmten Amsterdamer Zoo. Ich durchstreifte sicher drei Stun<strong>de</strong>n<br />

die weitläufige Anlage, bewun<strong>de</strong>rte ein Gehege nach <strong>de</strong>m An<strong>de</strong>ren. Zur<br />

Mittagszeit setzte ich mich draussen ins Openair-Café. Ich wartete an<br />

einem <strong>de</strong>r kleineren Tische, weit weg von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Gästen, auf <strong>de</strong>n<br />

Anruf vom Bankdirektor.<br />

Als es dann klingelte war ich lei<strong>de</strong>r nicht mehr in guter Stimmung. Ich<br />

hatte wie<strong>de</strong>r Zweifel daran, dass man in Vaduz wirklich an einer guten<br />

Lösung arbeitete. Es wäre mir zwar viel erzählt und berichtet wor<strong>de</strong>n,<br />

was alles angeblich in Vaduz schon in die Wege geleitet wor<strong>de</strong>n wäre.<br />

Aber einen Beweis dafür sei man mir immer noch schuldig geblieben.<br />

Ich fasste für <strong>de</strong>n Bankdirektor am Telefon zusammen, dass ich<br />

praktisch alles was von mir verlangt wor<strong>de</strong>n war, erfüllt o<strong>de</strong>r in die<br />

Wege geleitet hatte. Er re<strong>de</strong>te wie ein Trainer auf mich ein und am En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s 38 Minuten langen Gesprächs war wie<strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>n zwischen uns.<br />

24 Stun<strong>de</strong>n später stand ich im Historischen Museum in <strong>de</strong>r City.<br />

Wie<strong>de</strong>r notierte ich mir <strong>de</strong>n Standort in <strong>de</strong>r Liste <strong>de</strong>r Plätze an <strong>de</strong>nen ich<br />

mein Handy eingeschaltet hatte. <strong>Der</strong> Bankdirektor rief zur vollen Stun<strong>de</strong><br />

370


an. Alle in Vaduz seien zuversichtlich und er wür<strong>de</strong> am Montagmorgen<br />

mit <strong>de</strong>m Professor abfliegen. Nach <strong>de</strong>m Anruf suchte ich ein Internetcafé<br />

auf und suchte nach <strong>de</strong>m Professor. Es gab nicht viele, auf die die Details<br />

passten. Am En<strong>de</strong> hatte ich drei Psychologen auf meiner Liste. Einer von<br />

ihnen müsste es sein. Keiner hatte eine eigene Webseite, aber aufgrund<br />

ihrer Fähigkeiten und Erfolge konnte man einiges im Netz nachlesen.<br />

Alle waren Europäer. Halt, hier! <strong>Der</strong>, <strong>de</strong>r müsste es meiner Meinung<br />

nach sein.<br />

12. Mai. Heute war <strong>de</strong>r grosse Tag <strong>de</strong>s Kennenlernens, sagte ich zu mir.<br />

Um nicht verschwitzt zur Verabredung zu kommen, nahm ich <strong>de</strong>n<br />

Linienbus nach Amsterdam und nicht wie sonst üblich das Velo. Zuerst<br />

aktivierte ich meine eignen Sicherheitsvorkehrungen und schlich mich<br />

dann in die Nähe <strong>de</strong>s Hotel Marriott. Gegenüber <strong>de</strong>m Terrace Café nahm<br />

ich auf <strong>de</strong>r Kanalmauer, hinter einem Baum Platz und beobachtete das<br />

Hotel. Es war 9.55 Uhr. Ich fand es besser, wenn ich diesmal nicht<br />

pünktlich erscheinen wür<strong>de</strong>. Ich wollte sehen, was <strong>de</strong>r Bankdirektor und<br />

sein Begleiter machen wür<strong>de</strong>n, wenn ich bis 10.30 Uhr noch nicht<br />

aufgekreuzt wäre. Da ich für Pünktlichkeit bekannt war, wollte ich nun<br />

mein Han<strong>de</strong>ln in diesem Punkt etwas weniger voraussehbar machen.<br />

Nach zehn Minuten wur<strong>de</strong> es mir aber selbst zu bunt und ich war<br />

neugierig auf <strong>de</strong>n Professor. Ich rannte aus <strong>de</strong>r Deckung durch <strong>de</strong>n<br />

mehrspurigen Verkehr gera<strong>de</strong> wegs auf die grosse Glasscheibe <strong>de</strong>s<br />

Terrace Café zu. Ich sah <strong>de</strong>n Bankdirektor, <strong>de</strong>r an einem kleinen Tisch<br />

sass. Mit <strong>de</strong>m Gesicht zu mir gewandt. Ihm gegenüber sass ein etwas<br />

grösserer Mann mit <strong>de</strong>m Rücken zu mir. Ich ging auf sie zu und sobald<br />

<strong>de</strong>r Bankdirektor mich erblickte, lächelte er und sein Gast stand auf.<br />

Ich streckte meinen Arm aus und die Hand in die <strong>de</strong>s Bankdirektors.<br />

Bevor er etwas sagen konnte, drehte ich mich zum Professor runter und<br />

nannte seinen Name: Dr. Thomas Müller. Er lächelte und war gleichzeitig<br />

überrascht. Ich wusste damit, dass ich <strong>de</strong>n richtigen Psycho erraten<br />

hatte. Herr Kieber! Endlich treffe ich sie, sagte er und stand auf. Ich<br />

bedankte mich für sein Kommen. Er war immer noch etwas verdutzt<br />

über die Tatsache, dass ich seinen Namen erraten hatte. <strong>Der</strong><br />

Bankdirektor sagte schnell zum Professor, dass er mir - wie abgemacht -<br />

seinen Namen nicht genannt hatte, aber – wie bekannt – einige Details<br />

preisgeben musste.<br />

Ich setzte mich zu ihnen an <strong>de</strong>n Tisch und bestellte eine Cola. Da war er<br />

also, <strong>de</strong>r berühmte Professor. Wir re<strong>de</strong>ten zuerst über belangloses Zeug<br />

371


wie das Wetter, die Kirche, die Stadt, die Menschheit, seine Heimat und<br />

dann meine Heimat. Ich wollte nicht zu lange am selben Ort bleiben und<br />

schlug vor, dass wir alle spazieren gehen könnten. <strong>Der</strong> Bankdirektor<br />

bezahlte wie üblich die Zeche und wir bummelten über <strong>de</strong>n Kanal rüber<br />

und dann immer Nordwärts.<br />

<strong>Der</strong> Professor trug eine offenbar schwerere Tüte mit sich herum. Ich<br />

wollte ihn provozieren und fragte nach, ob er eine Waffe darin hätte.<br />

Nein lachte er, aber ein Geschenk von Hans-Adam. Ein Geschenk von<br />

Hans Adam? Ich wun<strong>de</strong>rte mich. Er griff in die Tüte und entnahm eine<br />

Holzschachtel, so gross wie ein DIN A4-Blatt und fünf o<strong>de</strong>r sechs<br />

Zentimeter hoch. Er drückte mir die Schachtel in die Hand und sagte, so<br />

wird alles en<strong>de</strong>n. Ich verzog meine Lippen und schaute nach <strong>de</strong>m<br />

Bankdirektor. <strong>Die</strong>ser zuckte die Schultern und gab an, von nichts zu<br />

wissen. Ich öffnete die Schachtel und zu meinem Glück lagen keine vier<br />

9 mm Schusspatronen drin.<br />

Es waren keine Patronen eines Schiesseisens drin, son<strong>de</strong>rn eine original<br />

Sachertorte aus Wien. <strong>Die</strong> Echte. <strong>Die</strong> Beste. Ich musste laut lachen, weil<br />

ich erkannte, dass jemand in Vaduz auffallend gut die Hausaufgaben<br />

gemacht hatte. Mit nichts besserem hätte man das Eis brechen können,<br />

als mit einer so schönen, süssen Geste. Ich bedankte mich artig und fügte<br />

gleich an, dass ich lei<strong>de</strong>r mit nieman<strong>de</strong>m die Torte teilen könnte. Es seien<br />

ja harte Zeiten momentan. <strong>Der</strong> Bankdirektor war mit <strong>de</strong>r Vorstellung <strong>de</strong>s<br />

Professors zufrie<strong>de</strong>n und er verabschie<strong>de</strong>te sich, da er uns bei<strong>de</strong>n Zeit<br />

für ein Vieraugengespräch lassen wollte.<br />

<strong>Der</strong> Professor war sehr geduldig mit mir. Ich re<strong>de</strong>te sicher die ersten<br />

eineinhalb Stun<strong>de</strong>n alleine. Er nickte nur ab und zu o<strong>de</strong>r brummte ein Ja<br />

o<strong>de</strong>r ein Nein. Ich gab ihm eine extreme Kurzfassung meiner letzten acht<br />

Jahre. Als ich fertig war, holte er tief Luft und schil<strong>de</strong>rte mir seinen<br />

Lebenslauf. Nicht schlecht, dachte ich. Ich war überrascht, dass er sich<br />

um meinen Fall kümmerte. Normalerweise, so hatte ich es nachforschen<br />

können, arbeitete er eher mit „Toter Materie‚ (Leblose Opfer von<br />

Gewaltverbrechen). Das letzte Mal als ich bei mir nach schaute, stand<br />

aber fest, dass ich noch Lebe, scherzte ich.<br />

Er bestätigte mir, dass er im direkten Auftrag <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>sführers handle<br />

und ihm auch persönlich rapportieren müsste. Also auf <strong>de</strong>r Lohnliste<br />

von Hans-Adam, sagte ich. Ja, aber dies sollte kein Problem für mich<br />

372


sein, sagte er. Er wür<strong>de</strong> auf keiner Seite stehen, son<strong>de</strong>rn immer<br />

versuchen bei<strong>de</strong> Seiten an einen Tisch zu bringen. Ich fragte nach <strong>de</strong>m<br />

LLB-Fall und ob es stimmen wür<strong>de</strong>, dass er von <strong>de</strong>r Regierung für<br />

diesen Fall angeheuert wur<strong>de</strong>. Er bestätigte mir dies und verlangte von<br />

mir, dass ich meine Kenntnisse über diesen Fall für mich behalten<br />

müsste. Ich schaute mich um, mit einem Blick als hätte ich einen<br />

Kirchenchor hinter mir, <strong>de</strong>m ich alles gleich verpetzen wür<strong>de</strong> und sagte<br />

ihm: Logisch, wem sollte ich auch etwas verraten.<br />

Dann schil<strong>de</strong>rte er im Detail <strong>de</strong>n LLB-Fall. Brand aktuell sei die<br />

Verhaftung von Lampert in <strong>de</strong>r vergangenen Woche gewesen. <strong>Der</strong><br />

Lampert wur<strong>de</strong> verhaftet? Wo wur<strong>de</strong> er verhaftet? In Liechtenstein, am<br />

8.5., sagte <strong>de</strong>r Professor. Bei einer fingierten Geldübergabe nähe<br />

Triesenberg, ergänzte er. Er hätte 18 MIO. CHF verlangt. Wie viel?<br />

Achtzehn Millionen Schweizer Franken, wie<strong>de</strong>rholte ich langsam die<br />

Worte vom Professor. Wow! <strong>Die</strong>ser Lampert muss Nerven haben, sagte<br />

ich. Gemütlich von zu Hause aus For<strong>de</strong>rungen stellen. Und welch<br />

schwachköpfigen Ansprüche. <strong>Der</strong> Professor versuchte mir mehr o<strong>de</strong>r<br />

weniger überzeugend einzure<strong>de</strong>n, dass ich <strong>de</strong>nen in Vaduz helfen<br />

könnte, herauszufin<strong>de</strong>n, was Lampert über die „schwierigen‚ Geschäfte<br />

<strong>de</strong>r LLB, also die Leichen im Keller wisse und was er sonst geplant<br />

haben könnte. Ich könnte ja so <strong>de</strong>nken wie Lampert.<br />

Vielen Dank für die dornigen Blumen, sagte ich. Wäre das nicht gera<strong>de</strong><br />

seine Domäne, fragte ich <strong>de</strong>n Professor. Im Prinzip schon, antwortete er.<br />

Aber man glaube, dass ich schneller als er auf die richtige Antwort <strong>de</strong>r<br />

vielen Fragen an Lampert kommen wür<strong>de</strong>.<br />

Ich bin nicht Lampert, stellte ich als erstes fest. Wenn dieser 18 MIO.<br />

CHF verlangt hat, dann ist er nicht nur ein Idiot son<strong>de</strong>rn auch hoch<br />

kriminell. <strong>Der</strong> Professor sagte, dass Lampert sehr geschockt über die<br />

Verhaftung gewesen wäre, da ihm ein solches mögliches En<strong>de</strong> in seiner<br />

Planung sichtbar nicht in <strong>de</strong>n Sinn kam. Ja, sonst wäre er nicht in seinem<br />

Haus und im Ländle geblieben, sagte ich kopfnickend. Im Gefängnis<br />

wür<strong>de</strong> Lampert wie ein wil<strong>de</strong>r Stier wüten.<br />

Warum er <strong>de</strong>n nicht mit ihm re<strong>de</strong>, fragte ich <strong>de</strong>n Professor. <strong>Der</strong> Lampert<br />

wolle mit nieman<strong>de</strong>n ausser Hans-Adam o<strong>de</strong>r seinem Sohn re<strong>de</strong>n,<br />

bekam ich als Antwort und ich dachte wie klein die Welt war: alle<br />

wollen nur mit <strong>de</strong>m blauen Blut re<strong>de</strong>n. Ständig wür<strong>de</strong> Lampert die<br />

Drohung aussprechen, dass er die <strong>Daten</strong> <strong>de</strong>n ausländischen Behör<strong>de</strong>n<br />

verraten wür<strong>de</strong>. Hat er die <strong>Daten</strong> wirklich, fragte ich. Ja, man hätte ein<br />

373


vollständiges Set bei ihm zu Hause gefun<strong>de</strong>n. Man wisse aber nicht ganz<br />

sicher ob dies all die Originalkopien wären, die er aus <strong>de</strong>r LLB<br />

mitgenommen hatte. Und ob er an<strong>de</strong>re <strong>Daten</strong> als diejenigen, die man<br />

gefun<strong>de</strong>n hat, besitze. Man befürchtete bei <strong>de</strong>r LLB und <strong>de</strong>r Regierung,<br />

dass Lampert nur mit <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Kun<strong>de</strong>n gewe<strong>de</strong>lt hatte,<br />

um seine Geldfor<strong>de</strong>rung erfüllt zu bekommen, er aber weiteres,<br />

brisanteres Material, vor allem <strong>Daten</strong> von grossen russischen Kun<strong>de</strong>n<br />

mitgenommen hatte. Ich antwortete <strong>de</strong>m Professor, dass ich <strong>de</strong>n<br />

Lampert zwar nicht kenne, ginge aber davon aus, dass er, wenn er nur<br />

halbwegs Grips hätte, eine Kopie ausserhalb einer Zugriffsmöglichkeit<br />

durch die Liechtensteiner versteckt halten wür<strong>de</strong>.<br />

Ganz an<strong>de</strong>rs wäre es natürlich in meinem Fall, ich selber hatte ja<br />

Liechtenstein mit allen <strong>Daten</strong> verlassen, fügte ich sehr schnell an. Ich<br />

hoffte, dass <strong>de</strong>r Professor meine Antwort nicht allzu sehr analysierte. Ich<br />

dachte nämlich dabei an meinen geheim gehaltenen Banksafe in <strong>de</strong>r<br />

Schweiz. Nach meiner Meinung gefragt, sagte ich <strong>de</strong>m Professor, dass,<br />

wenn Lampert die <strong>Daten</strong> wie beschrieben habe, dann wür<strong>de</strong> ich<br />

persönlich allen empfehlen, ihn mit Samthandschuhen anzufassen,<br />

solange man nicht sicher sein konnte, ob er weiteres Material hatte. Ich<br />

fragte nach, ob man <strong>de</strong>nke, dass Lampert eine eigene<br />

Sicherheitsmassnahme geplant hätte. Falls es mit seinem Plan nicht<br />

klappt. Und was wäre mit eventuellen Komplizen? Nein, keines von<br />

bei<strong>de</strong>n, sonst hätte man ihn sicher nicht ins Gefängnis geworfen, meinte<br />

<strong>de</strong>r Professor.<br />

Nach wochenlanger Analyse <strong>de</strong>r Situation kam man zum Schluss, dass<br />

Lampert alleine agiere. Es hätte lange Diskussionen gegeben, ob man ihn<br />

verhaften sollte. Ein Restrisiko wür<strong>de</strong> immer da sein. Am Schluss musste<br />

man ihn verhaften. Er hätte einfach keine Einsicht gezeigt. Da hätte ich<br />

aber „Glück‚ gehabt, o<strong>de</strong>r, fragte ich.<br />

Mein Fall liege ganz an<strong>de</strong>rs, erklärte <strong>de</strong>r Professor. Hans-Adam wür<strong>de</strong><br />

meine Motive anerkennen. Er, <strong>de</strong>r Professor, hätte auch in diesem Sinne<br />

auf Hans-Adam eingere<strong>de</strong>t. Wie bitte, fragte ich. Es wäre mir unbekannt,<br />

dass man auf Hans-Adam einre<strong>de</strong>n könnte. <strong>Die</strong>ser sei doch massiv<br />

beratungsresistent. Nein, meinte er. Ich hätte zwar Hans-Adam schon in<br />

eine Ecke gedrängt wie noch keiner vor mir. Aber je<strong>de</strong> Wirkung hat ihre<br />

Ursache. Aha, sagte ich. Alles Klar. O<strong>de</strong>r nicht. Egal, sagte ich, wie geht<br />

es nun weiter?<br />

374


<strong>Der</strong> Professor bestätigte mir, dass Hans-Adam an einer Lösung meiner<br />

Anliegen arbeitete. Nach Prüfung <strong>de</strong>r Sachlage wür<strong>de</strong> man eine Anklage<br />

gegen Helmut Roegele & Co. befürworten und unterstützen. Aber alles<br />

müsse <strong>de</strong>r Reihe nach erfolgen. Ich erinnerte ihn daran, dass es Fristen<br />

einzuhalten gäbe. Ich wüsste, dass ich mit meiner langen Abstinenz<br />

vielleicht die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re gesetzliche Frist verpasst hätte. Aber ich<br />

kenne die StPO und eine Wie<strong>de</strong>raufnahme einer Strafuntersuchung kann<br />

je<strong>de</strong>rzeit erfolgen, solange die Verjährungsfrist, wie in meinem Fall<br />

(101er), nicht abgelaufen wäre.<br />

<strong>Der</strong> Professor konnte dazu nichts sagen. Und was wäre mit <strong>de</strong>r Anzeige<br />

wegen <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>, fragte ich. <strong>Die</strong>se wür<strong>de</strong> zurückgezogen o<strong>de</strong>r für<br />

nichtig erklärt, sollte ich nach Hause kommen und kein Kun<strong>de</strong> einen<br />

Scha<strong>de</strong>n erlitten haben. Und die falsche Anzeige von Roegele gegen<br />

mich, fragte ich. Da we<strong>de</strong>r Spanien noch <strong>de</strong>r angebliche geschädigte<br />

Roegele einen Antrag auf Strafverfolgung an o<strong>de</strong>r in Liechtenstein<br />

gestellt hatten, könnte Hans-Adam dieses Verfahren einstellen lassen,<br />

berichtete <strong>de</strong>r Professor.<br />

Vielen Dank, sagte ich. Vielen Dank.<br />

Und was ist mit <strong>de</strong>m blockierten Geld in Österreich? Er habe vom<br />

Regierungschef Hasler gehört, dass die Justiz in Liechtenstein<br />

angewiesen wür<strong>de</strong>, solange mit einem endgültigem Urteil zu warten, bis<br />

eine Kriminalgericht in <strong>de</strong>r Sache Argentinien letztinstanzlich ein Urteil<br />

gefällt hätte.<br />

Ich bedankte mich tausendmal und konnte mein Glück nicht fassen.<br />

Zuerst dachte ich laut nach, ob <strong>de</strong>r Professor mich anlügen wür<strong>de</strong>. O<strong>de</strong>r<br />

ob er von Seiten <strong>de</strong>r hohen Finanz-Herren bewusst angelogen wur<strong>de</strong>,<br />

um mich nach Hause zu bringen. Aber vorläufig glaubte ich ihm je<strong>de</strong>s<br />

Wort. Ich wollte es glauben. Er verstand meine Be<strong>de</strong>nken und konnte<br />

dazu nur sagen, dass ich an das Gute im Menschen glauben sollte, so wie<br />

die in Vaduz an mein Gutes glauben wür<strong>de</strong>n. Leuchtete mir ein. Wo sei<br />

<strong>de</strong>r Haken an <strong>de</strong>r ganzen Sache, fragte ich.<br />

Er zählte mir die Bedingungen von Hans-Adam auf. Ich spitze dafür<br />

meine Ohren. Hans-Adam wünschte: <strong>Die</strong> Vernichtung aller <strong>Daten</strong>. <strong>Die</strong><br />

Abgabe einer diesbezüglichen Erklärung. <strong>Die</strong> Rückkehr nach<br />

Liechtenstein. Kein Kun<strong>de</strong> darf zu Scha<strong>de</strong>n kommen. Volle Kooperation<br />

in Liechtenstein. Eine Denkschrift von mir, worin ich beschreiben soll,<br />

wie man in Zukunft bei <strong>de</strong>r LGT Gruppe einen <strong>Daten</strong>diebstahl<br />

verhin<strong>de</strong>rn kann und, im Falle von notwendigen Verhandlungen (bei<br />

375


zukünftigen <strong>Daten</strong>diebstählen), Liechtenstein eine mögliche Katastrophe<br />

abwen<strong>de</strong>n kann.<br />

Hans-Adam biete mir als Unterstützung für die kommen<strong>de</strong>n Wochen<br />

und Monate folgen<strong>de</strong>s an: Sichere Überfahrt von Holland nach<br />

Liechtenstein. Bestellung und Bezahlung eines Rechtsanwaltes.<br />

Anmietung und Bezahlung einer möblierten Unterkunft in Vaduz.<br />

Bestellung und Bezahlung eines Psychologen.<br />

<strong>Der</strong> Professor erwähnte extra, dass Hans-Adam ihm aufgetragen hatte,<br />

mir ausdrücklich zu sagen, dass er, Hans-Adam, meine Sicherheit und<br />

Unverletztheit garantieren wür<strong>de</strong>. Niemand wür<strong>de</strong> mir ein Haar<br />

krümmen. Vielen Dank. Ich wür<strong>de</strong> Hans-Adam nicht enttäuschen. <strong>Der</strong><br />

Bankdirektor war wie<strong>de</strong>r zu uns gestossen und sagte zu mir: „Siehst Du,<br />

ich hatte Dich nicht angelogen.‚<br />

Ich bedankte mich bei ihm. <strong>Der</strong> Professor fragte, ob ich die restlichen<br />

Papierdokumente bringen könnte. Ich fragte nach <strong>de</strong>r Zeit und sagte ja.<br />

In zweieinhalb Stun<strong>de</strong>n sollte dies machbar sein. Sie dachten ja ich<br />

wür<strong>de</strong> in Rotterdam leben. Wir verabre<strong>de</strong>ten uns um 16 Uhr am Hotel.<br />

Ich lief in Richtung Kanal weg. <strong>Die</strong> Sachertorte in <strong>de</strong>r Holzschachtel in<br />

<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n. Da kam mir etwas in <strong>de</strong>n Sinn. Ich drehte mich auf <strong>de</strong>n<br />

Absätzen um und rannte zu <strong>de</strong>n Bei<strong>de</strong>n. Ich erkundigte mich, ob die<br />

Batterie <strong>de</strong>s Peilsen<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>r Sachertorte noch genug Saft hätte, um<br />

auch noch in Rotterdam Signale sen<strong>de</strong>n zu können. O<strong>de</strong>r müsste ich eine<br />

neue Batterie für euch kaufen? Wir alle lachten uns krumm.<br />

Ich nahm mir vom Hotel Marriott aus ein Taxi zum Hauptbahnhof von<br />

Amsterdam. Dann inspizierte ich die Sachertorte ganz genau. Nicht das<br />

da doch was mit "eingebacken" wur<strong>de</strong>. Als ich sicher war, dass mir<br />

keiner gefolgt war, schlich ich mit hinten aus <strong>de</strong>m Bahnhof wie<strong>de</strong>r raus,<br />

rauf auf die Fähre und mit <strong>de</strong>m nächsten Linienbus in Richtung<br />

Monnikendam. Auf halber Strecke musste ich nur auf einen an<strong>de</strong>ren Bus<br />

umsteigen. Zu Hause legte ich mich zuerst mal aufs Bett. Ich hatte ja<br />

genug Zeit.<br />

Wie<strong>de</strong>r in Amsterdam angekommen hatte ich erstmal wie<strong>de</strong>r grossen<br />

Hunger. Eine Kebab löste dieses Problem. Ich kam an einem Käsela<strong>de</strong>n<br />

vorbei und kaufte <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n spontan ein dickes Stück Edamer Käse für<br />

ihren Heimweg.<br />

Pünktlich um 16 Uhr stand ich wie<strong>de</strong>r vor <strong>de</strong>m Marriott. Ich überreichte<br />

wie in einer Zeremonie <strong>de</strong>m Bankdirektor unter <strong>de</strong>n wachsamen Augen<br />

<strong>de</strong>s Professors die Dokumente. Bei<strong>de</strong> fragten mich, wann ich <strong>de</strong>n letzten<br />

376


<strong>Daten</strong>träger vernichten wür<strong>de</strong>. Wenn ihr wollt, heute Nacht schon, war<br />

meine Antwort. Prima, sagte <strong>de</strong>r Professor, dann könnte ich auch schon<br />

morgen eine neue, letzte diesbezügliche Erklärung für Hans-Adam<br />

unterschreiben. <strong>Die</strong>s News wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>sführer sehr gefallen. Ich<br />

fragte <strong>de</strong>n Professor, ob er in Anwesenheit <strong>de</strong>s Bankdirektors nochmals<br />

die Punkte aufzählen wür<strong>de</strong>. Was alles in Vaduz passiert wäre und<br />

passieren wür<strong>de</strong>. Sowie was man von mir verlangte.<br />

Er hatte damit keine Probleme und erfüllte meinen Wunsch. <strong>Der</strong><br />

Bankdirektor nickte nur ständig und meinte zum Schluss, dass wir alle<br />

froh sein können, dass es nicht wie beim Lampert geen<strong>de</strong>t hätte. Ich<br />

wur<strong>de</strong> zu einem Nachtessen eingela<strong>de</strong>n und um 22 Uhr war Schluss mit<br />

<strong>de</strong>n Aussprachen. Ich erreichte mein kleines Heim gegen Mitternacht.<br />

Fix und fertig warf ich mich ins Bett. In Gedanken ging ich <strong>de</strong>n heutigen<br />

Tag durch und ich war seelenfroh, dass Hans-Adam diesen Professor<br />

ausgewählt hatte. Ich sinnierte lange wegen <strong>de</strong>r Vernichtung <strong>de</strong>r letzten<br />

externen Harddisk.<br />

Ich kam zum Schluss, dass ich ihnen lei<strong>de</strong>r etwas vormachen müsste.<br />

Nein, sie anzulügen behagte mir jetzt nicht. Ich wür<strong>de</strong> ihnen sagen, dass<br />

ich diese Harddisk am Tage vor meiner Abreise zerstören wür<strong>de</strong> und<br />

hoffte, dass sie dies verstehen können. In dieser Nacht konnte ich sehr<br />

tief schlafen.<br />

<strong>Die</strong>nstag, <strong>de</strong>n 13.5.<br />

Schon vor 10 Uhr war ich wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Hotels. Als ich über<br />

die kleine Brücke schräg gegenüber vom Marriott lief, sah ich <strong>de</strong>n<br />

Professor und <strong>de</strong>n Bankdirektor gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n vor<strong>de</strong>ren Eingang <strong>de</strong>s<br />

Hotels gehen. Ich rief ihnen zu und winkte. Sie drehten sich um und <strong>de</strong>r<br />

Professor winkte zurück. Ohne zu schauen rannte ich quer über die<br />

grosse Strassenkreuzung und fast hätte es mich erwischt. Ein kleiner<br />

Lieferwagen, <strong>de</strong>r von links kam, musste wegen mir eine Vollbremsung<br />

einleiten und massiv nach rechts, in seinen Gegenverkehr steuern.<br />

Ich entschuldigte mich in<strong>de</strong>m ich bei<strong>de</strong> Handflächen in die Höhe hob.<br />

Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite angelangt, scherzte <strong>de</strong>r Bankdirektor, dass es jetzt<br />

schon OK wäre, wenn ich <strong>de</strong>n Tod im Strassenverkehr fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Ich<br />

hätte ja alle <strong>Daten</strong>träger vernichtet. Sicher, es wür<strong>de</strong> in Liechtenstein ein<br />

paar Fragen aufwerfen, wenn Kieber ausgerechnet am <strong>de</strong>m ersten Tag<br />

nach Vernichtung aller <strong>Daten</strong> zu To<strong>de</strong> gekommen wäre. Halt, Halt, nicht<br />

so voreilig. Ich hätte die letzte externe Harddisk noch nicht vernichtet,<br />

vernichten können, sagte ich.<br />

377


Oh, <strong>de</strong>r Lieferwagen wäre also nicht unsere Lösung gewesen,<br />

kombinierte <strong>de</strong>r Professor grinsend. Wir alle begaben uns in ein<br />

Hotelzimmer. Ich hatte <strong>de</strong>n Eindruck, dass das Zimmer von keinem <strong>de</strong>r<br />

bei<strong>de</strong>n benutzte wur<strong>de</strong>. Vielleicht hatten sie sich nur ein Tageszimmer<br />

für unser Treffen heute gemietet. Ich erzählte ihnen von meinem Plan,<br />

<strong>de</strong>n letzten <strong>Daten</strong>träger erst kurz vor <strong>de</strong>r Abreise zu vernichten. Sie<br />

waren damit einverstan<strong>de</strong>n. Sie sagten, dass sie meinen Worten<br />

glaubten. <strong>Der</strong> Professor fügte hinzu, dass es ihn aus psychologischer<br />

Sicht nicht verwun<strong>de</strong>rn wür<strong>de</strong>, wenn ich als Garantie <strong>de</strong>n letzten<br />

<strong>Daten</strong>träger nicht vernichten wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>s wäre eine Hypothese, die man<br />

erforschen könnte, erwi<strong>de</strong>rte ich. Trotz<strong>de</strong>m wäre es von Vorteil, meinte<br />

<strong>de</strong>r Bankdirektor, wenn ich noch einmal einige persönliche Zeilen an<br />

Hans-Adam richten wür<strong>de</strong>. Was ich dann auch tat. Ich bedankte mich<br />

bei ihm für die Hilfe und versprach ihm, alle Bedingungen zu erfüllen.<br />

Ich drückte meine Hoffnung aus, dass ich mich bald dazu entschliessen<br />

könnte, nach Hause zu kommen und das mir bei Ankunft nichts<br />

passieren wür<strong>de</strong>. Sobald ich diesen Brief fertig hatte, zauberte <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor wie<strong>de</strong>r eine Vollmacht hervor. <strong>Die</strong>se hatte einen Briefkopf<br />

einer Rechtsanwaltskanzlei. Man hätte einen sehr guten Rechtsanwalt,<br />

Dr. Wolfgang Müller von <strong>de</strong>r Kanzlei Müller & Partner in Schaan/FL<br />

angeheuert. <strong>Die</strong>se Kanzlei hatte Internationale Verbindungen auch nach<br />

Spanien und Deutschland, dort wo ja einige <strong>de</strong>r Täter aus Argentinien<br />

wohnen wür<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong> mir weiters erklärt.<br />

Den kenne ich, sagte ich. <strong>Der</strong> ist gut und vertritt ja prominent <strong>de</strong>n<br />

Treuhän<strong>de</strong>r Dr. Dr. Batliner im Prozess bei die Scha<strong>de</strong>nsersatzfor<strong>de</strong>rungen<br />

von Dr. Paul Schockemöhle aus Deutschland. Ohne mich<br />

zu fragen, ob ich mit diesem RA einverstan<strong>de</strong>n wäre, sagte <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor, dass dies nun mein RA wäre. Sie bezahlen ja die<br />

Rechnung. Mir war dieses Angebot etwas schwammig. Nicht, dass ich<br />

die Kanzlei Müller für nicht gut genug gehalten hätte. Lieber hätte ich<br />

die Rechnung selber bezahlt, auch wenn mir das Geld dafür sicher schon<br />

sehr schnell ausgegangen wäre. Aber ich hätte mich sicher auf einen<br />

Abzahlungsplan mit einem RA geeinigt. Wenn ich selber bezahlen<br />

könnte, dann hätte ich <strong>de</strong>n optimalen Einfluss auf einen RA. <strong>Die</strong>ser<br />

Punkt war beson<strong>de</strong>res wichtig, da ich dann zumin<strong>de</strong>st eine stärkere<br />

Mitsprache im Argentinien-Fall haben wür<strong>de</strong>. Schlussendlich<br />

unterschrieb ich trotz<strong>de</strong>m die Vollmacht und fragte nach <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren,<br />

378


die ich früher unterschrieben hatte. <strong>Die</strong> wolle man für später<br />

aufbewahren, doppelt hält besser, war die Antwort vom Bankdirektor.<br />

Ich fragte, wer alles wüsste, dass ich in Holland sei und wer in<br />

Liechtenstein auch von meiner baldigen Heimreise Kenntnis hatte. Nur<br />

ganze fünf Personen, sagte <strong>de</strong>r Bankdirektor. Zwei davon wären jetzt im<br />

Raum. <strong>Die</strong> an<strong>de</strong>ren wären Hans-Adam und Alois, Regierungschef<br />

Hasler und Justizministerin Rita Kieber-Beck. Man hätte dies so<br />

vereinbart, um eine mögliche Sabotage <strong>de</strong>r Operation „Rückführung von<br />

Kieber‚ zu verhin<strong>de</strong>rn. Sabotage? Wer wür<strong>de</strong> eine Sabotage wollen,<br />

fragte ich. Er gäbe Leute in Vaduz, die es lieber hätten, wenn ich in<br />

Spanien anstatt in Liechtenstein lan<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Ich schluckte leer und<br />

blieb still sitzen. <strong>Die</strong> Anzahl <strong>de</strong>rer hätte sich aber in <strong>de</strong>r letzten Woche<br />

verkleinert, angesichts was Lampert gemacht hätte. <strong>Die</strong>s be<strong>de</strong>utet, dass<br />

es Personen aus <strong>de</strong>m kleinen Kreis <strong>de</strong>rjenigen sein mussten, die von <strong>de</strong>m<br />

LGT- und <strong>de</strong>m LLB-Fall wussten. Genau, sagten bei<strong>de</strong>. Sobald fest stehen<br />

wür<strong>de</strong>, wann ich konkret heimreisen wollte, wür<strong>de</strong>n Hans-Adam o<strong>de</strong>r<br />

Alois schon sicherstellen, dass niemand auf die I<strong>de</strong>e kommen wür<strong>de</strong>,<br />

effektiv dazwischenzufunken. Dann bin ich aber beruhigt, sagte ich.<br />

Um auf Lampert zurückzukommen fragte ich ob <strong>de</strong>r Professor <strong>de</strong>nn<br />

<strong>de</strong>nke, dass man mich in Vaduz überhaupt zum Lampert ins Gefängnis<br />

gehen lasse. Wenn er es empfehle und Hans-Adam es anordne, dann<br />

wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>m nichts im Wege stehen. Einen Versuch wür<strong>de</strong> er auf je<strong>de</strong>n<br />

Fall befürworten und anregen, sagte er.<br />

Ich wollte auch wissen, wie die sich eine Reise von Holland nach Vaduz<br />

vorstellen wür<strong>de</strong>n. <strong>Der</strong> Professor wollte sich, ich weiss nicht warum, aus<br />

dieser Diskussion heraushalten und verliess <strong>de</strong>n Raum. Er sagte, dass er<br />

Sandwich für uns kaufen ginge. <strong>Die</strong>s sei eine heikle Sache, erwi<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor. Natürlich hätte man verschie<strong>de</strong>ne Optionen geprüft. Eine<br />

von Hans-Adam favorisierte Lösung wäre ein Flug von einem kleinen<br />

Flughafen in Holland nach Zürich o<strong>de</strong>r Altenrhein (auch in <strong>de</strong>r<br />

Schweiz). Man könnte dafür eine im EU-Raum registrierte Maschine<br />

buchen.<br />

Ich weiss nicht, sagte ich. Eine an<strong>de</strong>re Variante wäre mit einem<br />

Privatauto in die Nähe <strong>de</strong>r französisch-schweizerischen Grenze zu<br />

fahren, dort <strong>de</strong>n Wagen zu wechseln und bei einem <strong>de</strong>r unbemannten<br />

Grenzübergänge mit einem Fahrzeug mit Schweizer Nummernschild in<br />

379


die Schweiz zu fahren. Gefällt mir nicht, lehnte ich ab. Ich wür<strong>de</strong> es<br />

Hans-Adam und <strong>de</strong>r Liechtensteiner Regierung aber auch nicht leicht<br />

machen, beklagte sich <strong>de</strong>r Bankdirektor. Sorry, sagte ich, mir wäre es<br />

auch lieber, wenn es keine Probleme für alle geben wür<strong>de</strong>.<br />

Am kommen<strong>de</strong>n Freitag wür<strong>de</strong> er sich mit <strong>de</strong>m Hans-Adam treffen. Wir<br />

hätten ja noch Zeit, um eine <strong>de</strong>finitive Lösung zu erarbeiten. Zu<strong>de</strong>m<br />

wür<strong>de</strong> ich nicht als „H.K.‚ reisen, sagte er. Das wäre ja klar, beruhigte<br />

mich <strong>de</strong>r Bankdirektor. <strong>Der</strong> Professor kam zurück. Sie müssten bald zum<br />

Flughafen aufbrechen und wir vereinbarten die weiteren Termine. Ich<br />

begann, mich mit <strong>de</strong>m Gedanken anzufreun<strong>de</strong>n, bald wie<strong>de</strong>r in Vaduz<br />

zu sein.<br />

Sie verabschie<strong>de</strong>ten sich und ich wünschte ihnen eine gute Heimreise.<br />

"Halt die Ohren steif, achte auf Lieferwagen und Tschau Herr Kieber".<br />

Auf baldiges Wie<strong>de</strong>rsehen, Herr Professor und Herr Bankdirektor.<br />

In <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Tagen hatte ich 3 Anrufe vom Bankdirektor und 2 x<br />

war <strong>de</strong>r Professor mit an <strong>de</strong>r Strippe. <strong>Die</strong> Telefonate fan<strong>de</strong>n am 15. um<br />

13:30, am 21. um 13:05 und 17:30 und am 26. um 13 Uhr statt.<br />

Ich wur<strong>de</strong> darüber informiert, dass es am 16.5. ein längeres Treffen mit<br />

Hans-Adam gegeben hatte und eine Arbeitssitzung zwischen <strong>de</strong>m<br />

Bankdirektor und <strong>de</strong>m Professor am 20.5. In <strong>de</strong>r Folge wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Regierungschef Hasler in <strong>de</strong>r 3. und 4. Maiwoche persönlich konsultiert<br />

und unterrichtet.<br />

VADUZ Mai 2003<br />

Alle Beteiligten bewerteten <strong>de</strong>s Professors Reise als Erfolg. <strong>Der</strong> Professor<br />

konnte nicht <strong>de</strong>finitive sagen, wann Kieber zurück nach Vaduz kommen<br />

wür<strong>de</strong>. Aber er versicherte Hans-Adam, dass Kieber kommen wür<strong>de</strong>.<br />

<strong>Die</strong> restlichen ca. rund 1000 Originaldokumente wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Chef <strong>de</strong>r<br />

Treuhand, Feuerstein übergeben. <strong>Die</strong>ser bat zwei eingeweihte Mitglie<strong>de</strong>r<br />

aus <strong>de</strong>m Verwaltungsrat <strong>de</strong>r Treuhand ihm behilflich zu sein, sie in die<br />

jeweiligen Akten im begehbaren Tresor im dritten Stock einzuordnen.<br />

Man konnte keinen Kun<strong>de</strong>nberater o<strong>de</strong>r gar eine Sachbearbeiterin damit<br />

beauftragen, da sonst in <strong>de</strong>r Belegschaft bekannt gewor<strong>de</strong>n wäre, dass<br />

380


irgen<strong>de</strong>twas faul war o<strong>de</strong>r dass <strong>Daten</strong> entwen<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n waren. Bis<br />

anhin wusste niemand von <strong>de</strong>r Belegschaft darüber.<br />

Lampert bekam einen Anfall im Untersuchungsgefängnis in Vaduz und<br />

musste ärztlich betreut wer<strong>de</strong>n. Er hatte nicht aufgehört zu toben und zu<br />

schreien. <strong>Die</strong> LLB und die Regierung waren beruhigt, weil nach <strong>de</strong>r<br />

Verhaftung von Lampert am 8. Mai keine Zeichen von irgendwelchen<br />

Katastrophen in Deutschland erkennbar waren. We<strong>de</strong>r riefen Kun<strong>de</strong>n<br />

aus Russland noch Kun<strong>de</strong>n aus Deutschland an. Auch mel<strong>de</strong>te sich<br />

niemand sonst bei <strong>de</strong>r LLB direkt. Also keine Komplizen, schlussfolgerte<br />

man. <strong>Der</strong> kleine Kreis, <strong>de</strong>r sich mit <strong>de</strong>r Planung <strong>de</strong>r Rückkehr von<br />

Kieber befasste, steckte in einer Sackgasse. Am 16.5. trafen sich <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor und Hans-Adam zu einer Krisensitzung. <strong>Der</strong> Gesandte<br />

berichtete, dass Kieber nicht einfach einzuschätzen wäre. Kieber hätte<br />

ständige Wechselbä<strong>de</strong>r in Bezug auf was er <strong>de</strong>nen in Vaduz glauben soll<br />

o<strong>de</strong>r nicht. Hans-Adam ordnete an, dass verstärkt auf Kieber einzure<strong>de</strong>n<br />

wäre, aber ohne ihm zu drohen, da sonst er wie<strong>de</strong>r in ein<br />

psychologisches Loch fallen wür<strong>de</strong> und die in Vaduz noch an<br />

Weihnachten ins ferne Holland reisen müssten.<br />

Hans-Adam wollte wissen, ob Kieber etwas von grobschlächtigen<br />

Taktiken, die man am Anfang <strong>de</strong>s Dramas angewen<strong>de</strong>t hatte, wüsste.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor war sich sicher, dass Kieber nur limitiert über die<br />

geplanten, teilweise ausgeführten, mehrheitlich abgeblasenen<br />

Handlungen und Hintergrün<strong>de</strong>, wie z.B. über die Schnüffler in Berlin,<br />

Bescheid wüsste. Am 20.5. kamen <strong>de</strong>r Professor und <strong>de</strong>r Bankdirektor zu<br />

einem Brainstorming zusammen.<br />

Amsterdam Juni 2003<br />

Während einer Velotour machte ich mir Gedanken über die Zukunft.<br />

Wie wür<strong>de</strong> wohl mein Leben nach einer Rückkehr nach Liechtenstein<br />

sein? Da <strong>de</strong>r Gerichtsprozess gegen Roegele & Co. sicherlich lange<br />

dauern wür<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong> ich mich auf Jahre hinaus in Liechtenstein<br />

einrichten, hoffentlich einen guten Job fin<strong>de</strong>n, und – wer weiss –<br />

vielleicht auch bald eine eigene Familie haben. Da ich äusserst<br />

anpassungsfähig bin, hätte ich keine Mühe damit, nach <strong>de</strong>r Rückkehr<br />

erstmal klein anzufangen. Eines stand aber schon jetzt für mich fest.<br />

Sollte ich das greifbare Glück haben und alles ohne „Blutvergiessen‚<br />

381


und ohne die Rache von Hans-Adam o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r hohen Finanz-Herren<br />

überstehen, dann müsste ich für alle in Stein meisseln:<br />

„Wirklich Schwein gehabt.‚<br />

Ich wüsste nicht, wieso es nicht so kommen sollte. Wenn ich nach Hause<br />

komme, dann wür<strong>de</strong> dies be<strong>de</strong>uten, dass niemand zu Scha<strong>de</strong>n<br />

gekommen war. Das heisst, nach Liechtensteiner Re<strong>de</strong>nsart: Kein Kun<strong>de</strong><br />

ist belästigt wor<strong>de</strong>n, keine Kun<strong>de</strong>ngel<strong>de</strong>r sind verloren gegangen,<br />

keinen Einnahmeverlust für Hans-Adam.<br />

Was übrig bleiben wür<strong>de</strong>, wäre eine Geschichte einer Beinahe-<br />

Katastrophe, mit einem beleidigtem, aber verzeihen<strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>sführer,<br />

ein paar gekränkten Staatsanwälten, einem verstummten Treuhandchef,<br />

einem beruhigten Bankdirektor, einem wie<strong>de</strong>r heiteren Regierungschef,<br />

einem erfolgreichen Professor, meine Folterer für Jahre hinter Gittern<br />

und zu guter Letzt, ein wie<strong>de</strong>r lebensfroher Kieber.<br />

Na, dann wollen wir mal sehen.<br />

Ich hielt mich fit in<strong>de</strong>m ich fast je<strong>de</strong>n Tag ins Freibad, dass auf <strong>de</strong>r<br />

Velostrecke nach Amsterdam war, schwimmen ging. Ab und zu setzte<br />

ich mich in eines <strong>de</strong>r Hotels <strong>de</strong>r Stadt und beobachtete Tee schlürfend<br />

was sich vor mir abspielte. Selber schuld, als mir Mitte Juni ein Stück<br />

Kuchen fast im Hals stecken blieb. Ich sass im La Terrasse <strong>de</strong>s Hotels De<br />

L’Europe beim Muntplein und las eine ältere Ausgabe <strong>de</strong>s<br />

Nachrichtenmagazins <strong>Der</strong> SPIEGEL. Auf einmal wan<strong>de</strong>rte meine<br />

Konzentration, vorab unbewusst zu einer Konversation zwischen zwei<br />

Herren, die ein paar Meter weg von mir sassen und mit tiefer Stimme<br />

aufeinan<strong>de</strong>r einre<strong>de</strong>ten. Aha, Schweizer dachte ich zuerst. Oho,<br />

Rheintaler Dialekt stellte ich dann fest. Mist, Liechtensteiner Mundart,<br />

fluchte ich leise. Ich spitzte meine Ohren, einer <strong>de</strong>r Zwei war <strong>de</strong>finitiv<br />

aus Liechtenstein. Ich drehte mich um und schaute nach ihnen.<br />

Himmel Donnerwetter noch mal, das sass ein Treuhän<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r LLB<br />

eigenen Treuhandbu<strong>de</strong>. Ich erkannte ihn. Ich hatte ihn schon mehrmals<br />

in Vaduz gesehen und mit ihm übers Geschäft im Allgemeinen<br />

geplau<strong>de</strong>rt. Vermutlich war <strong>de</strong>r An<strong>de</strong>re ein Kun<strong>de</strong>. Oft wur<strong>de</strong>n solche<br />

Treffen im Ausland abgehalten, wenn <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> sich scheute nach<br />

Liechtenstein zu kommen. Wie hiess er noch mal, strengte ich mein Hirn<br />

an. Egal wie er heisst, dachte ich mir, gefährlicher ist, dass er wissen<br />

könnte, wer ich bin. Langsam packte ich <strong>de</strong>n Spiegel in meine Tasche<br />

und entfernte mich wie ein geschlagener Hund in Richtung Concierge,<br />

wo ich darauf bestehen musste, dass ich dort meine Konsumation<br />

382


ezahlen konnte. Noch mal gut gegangen. Ich war mir zwar sicher, dass<br />

er nichts von meinem Drama wusste, aber besser war es auf je<strong>de</strong>n Fall,<br />

wenn er mich nicht sehen wür<strong>de</strong>.<br />

Das letzte Telefongespräch am 26. Mai brachte <strong>de</strong>n erhofften<br />

Durchbruch lei<strong>de</strong>r noch nicht. Je<strong>de</strong>s Mal wenn sie wie<strong>de</strong>r weg waren,<br />

<strong>de</strong>r Professor und <strong>de</strong>r Bankdirektor, bekam ich wie<strong>de</strong>r Zweifel, ob alles<br />

so geschehen wür<strong>de</strong>, wie man mir es gesagt hätte. Über <strong>de</strong>n Monat Juni<br />

verteilt hatte ich mehrmaligen telefonischen Kontakt mit <strong>de</strong>m<br />

Bankdirektor, <strong>de</strong>m Professor o<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n zusammen. So 25’(Minuten)<br />

am 2. Juni um 13:30, 4’ am 4. um 12:30, 13’ am 10. um 12:20, 10’ am 18.<br />

um 13:38 und die letzten 22’ am 26. um 13:30.<br />

Es gab immer noch einige Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten, aber im Grossen<br />

und Ganzen wur<strong>de</strong> man sich einig, dass ich am 01. Juli 2003 die<br />

Heimreise unter Begleitung antreten wür<strong>de</strong>. Genau 175 Tage nach<strong>de</strong>m<br />

ich Liechtenstein verlassen hatte. Fast ein halbes Jahr lang war ich im<br />

Ausland. Wer hätte das gedacht.<br />

Da nun feststand, dass ich wie<strong>de</strong>r nach Hause reisen wür<strong>de</strong>, entschloss<br />

ich mich auch die in meinen eigenen Laptop eingebaute Harddisk und<br />

<strong>de</strong>n Arbeitsspeicher (RAM) ganz zu entfernen und endgültig zu<br />

zerstören. Ich hatte zwar nie <strong>Daten</strong> von <strong>de</strong>r LGT in meinem Laptop<br />

direkt gespeichert gehabt. Vor <strong>de</strong>r Entnahme kopierte ich ein paar<br />

persönlich Dateien auf eine CD-ROM und zerstörte die ausgebauten<br />

Teile. In einem Computerla<strong>de</strong>n kaufte ich eine neue Harddisk plus RAM<br />

und ein Fachmann baute sie ein.<br />

Anm.: Hier en<strong>de</strong>t die im Kapitel 8 angefangene Aufteilung in <strong>de</strong>r Erzählung<br />

zwischen mir im Ausland und <strong>de</strong>n An<strong>de</strong>ren in Liechtenstein, sowie <strong>de</strong>r Ersten<br />

& Dritten Person. In <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Kapiteln, nicht weniger spannend, schreibe<br />

ich wie<strong>de</strong>r im alten Stil.<br />

383


KAPITEL 17 Explosives Gutachten und Freies Geleit<br />

<strong>Die</strong> in Vaduz Eingeweihten brüteten lange über einer Lösung nach, wie<br />

man mich sicher nach Liechtenstein zurückbringen könnte.<br />

Dabei ging es überhaupt nicht um die Frage, ob ich <strong>de</strong>n Zusicherungen<br />

von Seiten Liechtenstein glauben wür<strong>de</strong>. Alle, <strong>de</strong>r Professor, <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor und Hans-Adam, hatten mir ja mehrmals zugesichert, dass<br />

ich nicht im Kerker verschwin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, sobald ich heimischen Bo<strong>de</strong>n<br />

betreten wür<strong>de</strong>. Ich glaubte ihnen zu 75 Prozent. Da ich die Reise mit<br />

<strong>de</strong>m Flugzeug kategorisch ausgeschlossen hatte – wer weiss, vielleicht<br />

wäre <strong>de</strong>r Pilot auch in Barcelona gelan<strong>de</strong>t - blieb nur <strong>de</strong>r Weg über Land.<br />

Wobei ich auf die schnellste und kürzeste Strecke pochte ohne Begleitung<br />

einer offiziellen Liechtensteiner Aufsicht. Auf keinen Fall wollte ich die<br />

Reise mit einer unbekannten Person durchführen. Tief in mir war immer<br />

die Angst da, dass es eine Falle sein könnte. Man darf in dieser ganzen<br />

Geschichte nie vergessen, dass es hier um ein Milliar<strong>de</strong>ngeschäft geht. Es<br />

waren gewaltige Interessen damit verbun<strong>de</strong>n. Menschen sind schon<br />

wegen viel „weniger‚ spurlos verschwun<strong>de</strong>n. Da ich mich aber<br />

freiwillige zur Rückkehr entschlossen hatte, musste ich diese Ängste<br />

irgendwie unterdrücken.<br />

Jetzt ging es um Juristische und Rechtsstaatliche Fragen!<br />

Das Problem für Liechtenstein war, wie dies alles geschehen sollte, ohne<br />

dass es politische o<strong>de</strong>r juristische Komplikationen mit Deutschland (und<br />

im gerigeren Masse mit Holland) geben wür<strong>de</strong>, wenn das offizielle<br />

Liechtenstein mich von Amsterdam aus quer durch Deutschland zum<br />

Bo<strong>de</strong>nsee nach Österreich transportieren wür<strong>de</strong>. Wür<strong>de</strong>n wir in eine<br />

(mobile) Zoll- o<strong>de</strong>r Strassenkontrolle kommen, und ich mich als „H.K.‚<br />

ausweisen, wür<strong>de</strong> Deutschland aufgrund <strong>de</strong>s Eintrags im<br />

Schengencomputersystem <strong>de</strong>n spanischen Haftbefehl ent<strong>de</strong>cken und<br />

eine Weiterreise fuer mich unmöglich machen.<br />

<strong>Die</strong> grösste Sorge für Hans-Adam, die Regierung und die LGT war<br />

natürlich die Gefahr, dass ich mich dann <strong>de</strong>n Deutschen „datenmässig<br />

offenbaren‚ wür<strong>de</strong>. Da sind darauf hoffen konnten, dass ich alle <strong>Daten</strong><br />

und Kopien vor einer Abreise vernichten wuer<strong>de</strong>, war ihnen bewusst,<br />

dass es einen endgültigen Beweis dafür nie geben wür<strong>de</strong> und zu<strong>de</strong>m<br />

meine insi<strong>de</strong>r Geschäftskenntnisse auch ohne das <strong>Daten</strong>material<br />

gefährlich wer<strong>de</strong>n könnten.<br />

384


Regierungschef Hasler und Hans-Adam wollten von diskreten Experten<br />

in einer Art Gutachten mehr zum Problem „Transport H.K. von Holland<br />

nach Liechtenstein via Deutschland und Österreich‚ erfahren. Anfang<br />

Juni 2003 wur<strong>de</strong> es in Auftrag gegeben. In einer Sitzung vom 10.6.03<br />

wur<strong>de</strong> die Expertenmeinung behan<strong>de</strong>lt. Aufgrund <strong>de</strong>r Brisanz <strong>de</strong>r<br />

Schlussfolgerungen wur<strong>de</strong> es sofort als Geheimsache abgestempelt und<br />

unter Verschluss gehalten.<br />

Darin wur<strong>de</strong> zuerst daran erinnert, dass sollte ich nicht nach Hause<br />

kommen, dann wür<strong>de</strong> schlussendlich Deutschland bestimmt die <strong>Daten</strong><br />

von mir erhalten und dies wäre ein Desaster für Liechtenstein, Hans-<br />

Adam und die LGT.<br />

Anm.: Zum Zeitpunkt <strong>de</strong>s Gutachtens hatte Vaduz ja noch nicht von mir<br />

"mitgeteilt bekommen", dass ich alle <strong>Daten</strong>träger "vernichtet" haette.<br />

Weiters wur<strong>de</strong> festgehalten, dass ohne die Verletzung von national und<br />

internationalen Vereinbarungen und Bestimmungen es unmöglich sein<br />

wür<strong>de</strong>, mich von Holland via Deutschland und Österreich nach<br />

Liechtenstein zu bringen, ohne das Land Liechtenstein in Gefahr zu<br />

bringen und mich als Person samt meinem spezifischem Fachwissen zu<br />

exponieren. Liechtenstein könne ja Deutschland nicht um Hilfe für <strong>de</strong>n<br />

Transport bitten. Das offizielle Deutschland (sowie Österreich &<br />

Holland) müsse um je<strong>de</strong>n Preis raus gehalten wer<strong>de</strong>n. Es wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Regierung empfohlen, nur nach Lösungen zu suchen, die eine 100 %<br />

Gefahrlosigkeit fuer Hans-Adam, Liechtenstein und <strong>de</strong>ssen Regierung<br />

gewährleisten wür<strong>de</strong>n. Wie immer wussten sich Hans-Adam und die<br />

Hohen Finanzherren aus Liechtenstein zu helfen.<br />

Anm.: Das ich über die Existenz dieses Gutachten weiss liegt wie folgt:<br />

Einige Wochen nach meiner Rückkehr nach Liechtenstein im Juli 2003, war mir<br />

beim Aktenstudium ein kleiner schriftlicher Aktenvermerk aufgefallen: eine<br />

kleine Randnotiz über das oben erwähnten Gutachten. Am 13.08.03 bat ich bei<br />

Landgericht schriftlich um eine Kopie dieses Gutachtens. Nichts regte sich.<br />

Sechs Wochen später, am 23.09. 03 schrieb ich nochmals an das Gericht.<br />

Erstaunlicherweise erhielt ich nicht vom Gericht eine Reaktion. Eine Dame aus<br />

<strong>de</strong>r Regierungskanzlei rief mich an und teilte mir mit, dass es lei<strong>de</strong>r keine Kopie<br />

für mich gäbe. Ich erwi<strong>de</strong>rte, dass ich aber gerne eine hätte. Eine Woche später<br />

kam wie<strong>de</strong>r ein Anruf und es wur<strong>de</strong> behauptet, dass das Gutachten aus <strong>de</strong>m<br />

Archiv verschwun<strong>de</strong>n sei. Es müsse doch eine Kopie davon irgendwo an einer<br />

385


an<strong>de</strong>ren Stelle geben, sagte ich. Elf Tage später wur<strong>de</strong> mir dann ausgerichtet,<br />

dass es nie ein Gutachten gegeben hätte.<br />

Damit sei das Thema been<strong>de</strong>t, wur<strong>de</strong> mir erklärt. Ich wollte nicht locker lassen<br />

und schrieb am 13.10.03 abermals ans Gericht mit <strong>de</strong>r Bitte, mir eine Kopie <strong>de</strong>s<br />

Gutachtens zuzusen<strong>de</strong>n. Es kam nie eine Antwort. Ich hatte aber Glück.<br />

Einen knappen Monat später, im November '03 erhielt ich dank eines<br />

Bekannten aus <strong>de</strong>m Staatsapparat die Möglichkeit eine Originalkopie <strong>de</strong>s<br />

Gutachtens zu lesen. <strong>Der</strong> Name <strong>de</strong>s Verfassers war dunkelblau übermalt<br />

wor<strong>de</strong>n. Jetzt begriff ich, warum ich keine Kopie <strong>de</strong>s Gutachtens erhalten hatte.<br />

Zurück zum Juni 2003<br />

In <strong>de</strong>r Zwischenzeit hatte sich „mein‚ neuer Rechtsanwalt, Dr. Wolfgang<br />

Müller, gemäss Auskunft vom Bankdirektor, in die Materie eingelesen.<br />

Mit <strong>de</strong>r Vollmacht von mir hatte er zumin<strong>de</strong>st alle Gerichtsakten<br />

einsehen können. Er konnte nicht mit mir kommunizieren, <strong>de</strong>nn er<br />

wusste nicht wo ich war. Ihm wur<strong>de</strong> gesagt, dass ich bald nach Hause<br />

kommen wür<strong>de</strong>. Wann und wie, darüber durfte er keine Fragen stellen.<br />

Auch sonst wur<strong>de</strong> er vorläufig eher im Dunkeln darüber gelassen, was<br />

man mit mir vorhatte. Obwohl er von meinen, sozusagen nun alten (wie<br />

ich dachte) Gegnern bezahlt wur<strong>de</strong>. Man wür<strong>de</strong> ihn nach meiner<br />

Ankunft kontaktieren und "aufklären".<br />

Als schlauer Rechtsanwalt bemerkte er rasch, dass hier ein Problem für<br />

seinen Mandanten entstehen könnte. Da mein Einspruch gegen die<br />

Anklage im 140er am 10.3.03 vom Gericht abgewiesen wur<strong>de</strong> (was mir<br />

niemand im Ausland sagte) und da eine mögliche Anklage wegen <strong>de</strong>s<br />

<strong>Daten</strong>diebstahls drohte (was mir auch niemand im Ausland sagte!),<br />

befürchtete er, dass ich nach meiner Ankunft eventuell in U-Haft<br />

genommen wer<strong>de</strong>n könnte. <strong>Die</strong>s war umso wahrscheinlicher, da ich ja<br />

seit bald einem halben Jahr unterwegs im Ausland war.<br />

Er wusste nichts von <strong>de</strong>n Zusicherungen seitens Hans-Adams. Als Profi<br />

stellte er in meinem Namen einen Antrag auf freies Geleit. Freies Geleit<br />

ist ein Instrument <strong>de</strong>r Strafprozessordung, das Beschuldigten von Seiten<br />

<strong>de</strong>r Justiz bestätigt, dass diese nicht verhaftet wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn bis zum<br />

En<strong>de</strong> eines allfälligen Prozesses auf freiem Fuss bleiben können.<br />

386


<strong>Der</strong> Antrag wur<strong>de</strong> am 04.06.03 gestellt und vom Obergericht in Vaduz<br />

formell in einer nicht-öffentlichen Sitzung am 16.06.03 genehmigt. Gültig<br />

nur in Liechtenstein. Das Gericht kam zum Schluss, dass ich sicher nicht<br />

nach Hause kommen wür<strong>de</strong>, wenn kein freies Geleit gewährt wür<strong>de</strong>.<br />

Eine brillante Schlussfolgerung! Eine Aufhebung <strong>de</strong>s Liechtensteiner<br />

Haftbefehls alleine genüge gewiss nicht, wur<strong>de</strong> bei Gericht erkannt.<br />

<strong>Die</strong> am Entscheid beteiligen Behör<strong>de</strong>n wussten aber nicht, dass ich in<br />

Holland war. Sie mussten es nicht wissen. Sie wussten nur, dass ich<br />

irgendwo im Ausland war. <strong>Die</strong> STA, die wie immer auch ihren Senf<br />

dazu sagen konnte, hatte (wen wun<strong>de</strong>rt’s) keine Einwän<strong>de</strong> gegen ein<br />

freies Geleit. Obwohl die STA es lieber gesehen hätte, wenn ich in<br />

Spanien gelan<strong>de</strong>t wäre.<br />

Ich erfuhr vom Freien Geleit erst nach meiner Rückkehr nach<br />

Liechtenstein. Wobei mir <strong>de</strong>r Sinn und Zweck dieser Übung (Freies<br />

Geleit) nie ganz durchsichtig erschien.<br />

Notabene war im Obergerichtsentscheid zum Freien Geleit protokolliert,<br />

dass es eine verbindliche Zusage <strong>de</strong>r LGT gebe, dass sie auf eine<br />

Bestrafung von mir verzichten wür<strong>de</strong>n, wenn ich nach Hause kommen<br />

sollte.<br />

387


KAPITEL 18 Ach wie gut, dass niemand weiss...<br />

...dass ich Kieber Heinrich heiss.<br />

In <strong>de</strong>n sieben Telefonaten im Monat Juni zwischen mir und <strong>de</strong>m<br />

Bankdirektor und/o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Professor wur<strong>de</strong> mir erklärt, dass man in<br />

Vaduz eine Lösung für eine reibungslose Reise zurück nach<br />

Liechtenstein gefun<strong>de</strong>n hätte. Ich bestand auf eine schriftliche Garantie<br />

von Hans-Adam, bei Ankunft nicht doch noch ins Gefängnis geworfen<br />

zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Auch dafür hätte man gesorgt. Ich wür<strong>de</strong> vor Abreise eine<br />

handschriftliche Note von Hans-Adam erhalten, auf seinem Briefpapier<br />

mit Stempel und so. Darin wür<strong>de</strong> er mir als Staatsoberhaupt garantieren,<br />

dass ich we<strong>de</strong>r Haft noch sonstige psychische o<strong>de</strong>r physische Nachteile<br />

zu erlei<strong>de</strong>n hätte. Ich war mit <strong>de</strong>m Text zufrie<strong>de</strong>n, wies aber darauf hin,<br />

dass ich die Unterschrift von Hans-Adam kennen wür<strong>de</strong> und daher man<br />

nicht versuchen sollte, mir eine Fälschung unter die Nase zu reiben.<br />

Nach einigen Feinabstimmungen wur<strong>de</strong> mir vom Bankdirektor die<br />

gefun<strong>de</strong>ne Transportlösung mitgeteilt.<br />

Ich solle meine sieben Sachen packen und am 30. Juni, spätestens um 18<br />

Uhr zum Hotel Marriott, genauer in das Terrace Café kommen. <strong>Der</strong><br />

Professor wür<strong>de</strong> dort auf mich warten. Er wür<strong>de</strong> im Hotel zwei Zimmer<br />

mieten. Eines für ihn und eines für mich. Am nächsten Tag, <strong>de</strong>m 01. Juli<br />

2003 wür<strong>de</strong>n er und ich zusammen in einem Mietwagen mit<br />

holländischem Kennzeichen frühmorgens Amsterdam verlassen und auf<br />

direktem Weg die ca. 880 Kilometer bis zur Grenze Österreich-<br />

Liechtenstein fahren.<br />

Auf meine Frage hin, was ist, wenn wir irgendwo kontrolliert wer<strong>de</strong>n,<br />

sagte er mir, dass ich mir keine Sorgen darum machen sollte. Ich<br />

protestierte und sagte, wenn ich nicht genau wüsste, wie alles abläuft,<br />

steige ich in keinen Wagen ein. Er begriff, dass ich unter keinen<br />

Umstän<strong>de</strong>n mich auf ein vernebeltes Abenteuer in Sachen Heimreise<br />

einlassen wer<strong>de</strong>. Mit <strong>de</strong>m Hinweis, dass Hans-Adam ihm eigentlich<br />

strengstens aufgetragen hatte, mir nicht allzu viele Details <strong>de</strong>r Lösung zu<br />

verraten, lies ich mich beruhigen, als er mir <strong>de</strong>n Plan erklärte.<br />

Ich müsste alle meine Ausweise (Pass, ID-Karte, Führerschein), einfach<br />

alles, wo Heinrich Kieber drauf steht, vor <strong>de</strong>r Abreise in ein weisses<br />

Kuvert einpacken, zukleben und ihnen vor <strong>de</strong>r Abfahrt aushändigen.<br />

388


Sollten <strong>de</strong>r Professor und ich in eine Kontrolle in Holland, Deutschland<br />

o<strong>de</strong>r Österreich geraten, dann wür<strong>de</strong> man „H.K.‚ nicht ent<strong>de</strong>cken.<br />

Bevor er <strong>de</strong>n logischen zweiten Teil <strong>de</strong>s Plans weiter erklären konnte,<br />

konterte ich schon <strong>de</strong>r Frage, als wer ich mich <strong>de</strong>nn bei einer möglichen<br />

Kontrolle ausgeben sollte. Und was wür<strong>de</strong> mit meinen Papieren<br />

geschehen, wenn diese zwar nicht bei mir aber mit uns im Mietwagen<br />

gefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n? Ihr wür<strong>de</strong>t nicht alleine sein, sagte <strong>de</strong>r Bankdirektor.<br />

Ein Zweitwagen mit zwei Passagieren wür<strong>de</strong> unserem Auto ab <strong>de</strong>m<br />

Hotel in Amsterdam folgen. Meine Papiere wür<strong>de</strong>n versiegelt und sicher<br />

in einem Diplomatenkoffer verstaut transportiert. Eine eventuelle<br />

Polizei- o<strong>de</strong>r Zollkontrolle <strong>de</strong>s Koffers sei nicht möglich. Er könne mir<br />

aber nicht sagen, wer die Personen im an<strong>de</strong>ren Wagen seien. Klar sei<br />

aber, dass es (diplomatisch) befugte Personen seien.<br />

Ich fragte, ob es Diplomaten aus <strong>de</strong>m Liechtensteiner Corps seinen. Er<br />

sagte, er glaube dies nicht. So wie er es mitbekommen habe, seien es<br />

Personen aus jenem Kreis, die seit Jahren von Hans-Adam mit<br />

Liechtensteiner Diplomaten-Pässen ausgestattet wer<strong>de</strong>n. Geplant sei,<br />

dass <strong>de</strong>r Professor die An<strong>de</strong>ren einmal kurz vorher in Zürich o<strong>de</strong>r<br />

Vaduz treffen wür<strong>de</strong>, damit er sie dann in Amsterdam wie<strong>de</strong>r erkennen<br />

könnte. Nun gut, soweit schien mir die Lösung als OK.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor wusste schon, was jetzt meine nächste Frage sein<br />

wür<strong>de</strong> und sagte, dass ich mir keine Sorgen um meine "I<strong>de</strong>ntität‚<br />

während <strong>de</strong>r Transitfahrt machen müsste. <strong>Der</strong> Liechtensteiner Pass, <strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Fahrer von Hans-Adam mir am 14.01.03 in Berlin vor <strong>de</strong>r LGT<br />

Nie<strong>de</strong>rlassung durch das Wagenfenster gezeigt hatte, sei <strong>de</strong>r geniale<br />

Schlüssel. Hans-Adam und die Regierung in Vaduz haben aber darauf<br />

bestan<strong>de</strong>n, dass mir <strong>de</strong>r Pass mit Namen „Ulrich Meier‚ nicht persönlich<br />

für die Rückreise ausgehändigt wer<strong>de</strong>n dürfe. Um mich zu beruhigen,<br />

soll mir <strong>de</strong>r Pass aber vor Abfahrt gezeigt wer<strong>de</strong>n. Sonst wür<strong>de</strong> ich es<br />

wie<strong>de</strong>r nicht glauben. <strong>Der</strong> Pass soll jedoch in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Insassen<br />

<strong>de</strong>s Zweitwagens, <strong>de</strong>r uns immer mit Abstand und in Sichtweite<br />

nachfahren wür<strong>de</strong>, bleiben. Sollten <strong>de</strong>r Professor und ich durch<br />

ausländische Beamte aufgehalten wer<strong>de</strong>n, dann wür<strong>de</strong> unsere Schatten<br />

dies sofort mitbekommen und hinter uns aufschliessen. Ich solle dann<br />

sagen, dass ich meinen Pass im an<strong>de</strong>ren Wagen hinter uns eingepackt<br />

hätte. Dann könnte ich ihn holen und zeigen. Eine clevere Lösung, sagte<br />

ich. Und wir bei<strong>de</strong> erkannten, wie schon oft in <strong>de</strong>n letzten Wochen, wie<br />

viel Wahrheit im Spruch „Geld regiert die Welt‚ liegt.<br />

389


Wenn es um die heiligste Kuh aller Kühe in Liechtenstein geht, dann<br />

sind Hans-Adam und seine Regierung sofort bereit, ihre eigene sowie<br />

internationale Gesetzte zu brechen. Was nicht verwun<strong>de</strong>rlich ist, wenn<br />

man sich jetzt - im Rückblick - die gefun<strong>de</strong>ne Lösung für <strong>de</strong>n LLB-Fall<br />

anschaut. Dort hat die LLB über Jahre hinweg Erpressern ca. 9 Mio. Euro<br />

ausbezahlt, Mittels- und Strohmänner angeheuert, Spitzel auf die<br />

Erpresser angesetzt und so weiter. Da die Mehrheitsaktionärin <strong>de</strong>r LLB<br />

das Land Liechtenstein ist und diese Beteiligung durch die Regierung (!)<br />

kontrolliert wird, konnte dies alles NICHT ohne die Zustimmung von<br />

Hasler und Hans-Adam geschehen. Selbstverständlich kam mir die von<br />

Liechtenstein orchestrierte Lösung für meinen sicheren Transport von<br />

Holland via Deutschland nach Hause auch ganz gelegen. Wobei ich<br />

nochmals betonen möchte, dass ich freiwillig nach Hause zurückkehren<br />

wollte. Nach monatelangen Diskussionen mit <strong>de</strong>n Gesandten von Hans-<br />

Adam war es allen Beteiligten klar, dass ich unter Zwang niemals<br />

heimkehren wür<strong>de</strong>.<br />

Trotz aller Ehrenworte seitens <strong>de</strong>s Professors und <strong>de</strong>s Bankdirektors war<br />

ich mir nicht ganz sicher, ob es nicht <strong>de</strong>nnoch eine Kurzschlusshandlung<br />

auf <strong>de</strong>ren Seite geben wür<strong>de</strong>. Ich machte mir eine Liste <strong>de</strong>r Pro und<br />

Contra. Ich hatte <strong>de</strong>m Duo Professor und Bankdirektor versprechen<br />

müssen, dass ich die letzte externe Harddisk mit <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> vor <strong>de</strong>r<br />

Abreise vernichten wür<strong>de</strong>. Nach reiflicher Überlegungen kam ich zum<br />

Schluss, dass es Liechtenstein nicht riskieren wür<strong>de</strong>, mich auf <strong>de</strong>m<br />

Heimweg in Deutschland zu „verkaufen‚. Ich wusste zu viel und das<br />

war meine Versicherung. Zu<strong>de</strong>m waren fast sechs Monate vergangen,<br />

seit ich Liechtenstein verlassen hatte. Lange Monate in <strong>de</strong>nen alle Seiten<br />

sich beruhigen konnten und die Sache mit <strong>de</strong>r nötigen Distanz<br />

betrachten konnten. Ich vernichtete <strong>de</strong>n letzten <strong>Daten</strong>speicher im Juni<br />

auf dieselbe Art wie sein Zwillingsbru<strong>de</strong>r. Hart hämmernd, aber<br />

schmerzlos.<br />

<strong>Die</strong> I<strong>de</strong>e, die Nacht zum 1.7. im selben Hotel wie <strong>de</strong>r Professor zu<br />

verbringen, gefiel mir nicht so gut. Es wäre das erste Mal, dass sie<br />

wissen wür<strong>de</strong>n, wo ich übernachtete. Ich wollte aber <strong>de</strong>n steigen<strong>de</strong>n<br />

Enthusiasmus vom Professor nicht unnötig eindämmen und sagte <strong>de</strong>m<br />

Treffen im Terrace Café zu. Meine gepackten sieben Sachen liess ich aber<br />

bei Jane in ihrem B&B in Monnikendam. Ich hatte ja bis En<strong>de</strong> Juni 2003<br />

das Zimmer dort bezahlt und konnte ohne weiteres eine extra Nacht<br />

bleiben.<br />

390


Am 30.06. fuhr ich frühmorgens mit <strong>de</strong>m Linienbus Richtung<br />

Amsterdam City und war schon um 09.30 Uhr beim Marriott. Ich war<br />

<strong>de</strong>n ganzen Tag sehr nervös und bereute es, schon so früh in <strong>de</strong>r City zu<br />

sein. Ich verliess das Hotel wie<strong>de</strong>r und schlen<strong>de</strong>rte das letzte Mal in <strong>de</strong>r<br />

schönen Stadt herum. Plötzlich stand ich vor einem alten Barbiershop.<br />

Ich ging hinein und liess mir <strong>de</strong>n kürzesten Haarschnitt <strong>de</strong>n es gibt<br />

machen. Ich nannte ihn <strong>de</strong>n Prison-Cut, <strong>de</strong>n Gefängnisschnitt. Nach<br />

einem letzten feinen Essen in meinem Lieblingslokal lief ich zurück ins<br />

Hotel und wartete auf <strong>de</strong>n Professor.<br />

Er erschien erst nach 18.00 Uhr. Wir waren bei<strong>de</strong> sehr aufgeregt und<br />

gleichzeitig froh, dass es bald zu En<strong>de</strong> war. Er gab mir meinen<br />

Zimmerschlüssel. Sein Zimmer sei in einem an<strong>de</strong>ren Stockwerk. Er lud<br />

mich zu einem späten Aben<strong>de</strong>ssen ein, wie immer von Hans-Adam<br />

spendiert. Er übergab mir ein zugeklebtes Kuvert. Ich erkannte sofort,<br />

dass es vom Schloss Vaduz war, da es auf <strong>de</strong>r Rückseite die Krone<br />

aufgedruckt hatte. Ich sagte, dass ich es erst später öffnen wür<strong>de</strong> und<br />

steckte es behutsam ein.<br />

Wir gingen nochmals die wichtigsten Punkte durch. Er bestätigte mir,<br />

dass die vom an<strong>de</strong>ren Wagen auch schon in Amsterdam seien und er sie<br />

schon getroffen hätte. Ich sagte, dass ich noch die letzte Nacht alleine in<br />

<strong>de</strong>r Stadt verbringen möchte und wenn er nichts mehr von mir auf<br />

seinem Handy hören wür<strong>de</strong>, ich um 07.00 Uhr am nächsten Morgen in<br />

<strong>de</strong>r Hotellobby auf ihn warten wür<strong>de</strong>. Ich bestellte noch eine Cola, mit<br />

<strong>de</strong>m Hintergedanken, länger als er im Café bleiben zu können. Endlich<br />

war er so mü<strong>de</strong>, dass er sich verabschie<strong>de</strong>te. Ich versicherte mich, dass<br />

er, wie angekündigt, <strong>de</strong>n Lift hoch zu <strong>de</strong>n Zimmern nahm. Er war ausser<br />

Sichtweite.<br />

Ich rannte hoch in mein Zimmer. Ich riss die Bett<strong>de</strong>cke hoch, schmiss ein<br />

paar Handtücher im Ba<strong>de</strong>zimmer auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n, benutzte die Seife,<br />

öffnete eine Packung Chips und goss Wasser in ein Glas ein. Meine<br />

Absicht war ganz und gar nicht, hier zu übernachten. Ich konnte die zu<br />

Recht vorhan<strong>de</strong>nen Ängste (siehe ihre Aktivitäten in Berlin!), dass sie<br />

mich evt. mit Gewalt irgendwo hinschleppen wür<strong>de</strong>n, einfach nicht aus<br />

meinem Kopf löschen. Auch darum nicht, weil dies die erste und letzte<br />

Möglichkeit wäre, mich ohne Zeugen zu erwischen.<br />

Ich war mir ganz sicher, dass sie einen Zweitschlüssel für mein Zimmer<br />

hatten, da sie ja die Zimmer reserviert und bezahlt hatten. Bis anhin<br />

hatte ich bei fast allen Treffen beharrlich darauf geachtet, dass sie in <strong>de</strong>r<br />

Öffentlichkeit stattfan<strong>de</strong>n.<br />

391


D.h. von an<strong>de</strong>ren Menschen umgeben zu sein, o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st eine<br />

geprüfte Fluchtmöglichkeit zu kennen. Ich machte mich auf <strong>de</strong>n Weg<br />

zurück nach Monnikendam. Erst dort öffnete ich <strong>de</strong>n Umschlag.<br />

Darin befand sich die postkartengrosse Notiz, mit aufgedruckter<br />

A<strong>de</strong>lskrone und aus weissem Büttenpapier vermutlich. Auf je<strong>de</strong>n Fall<br />

super teure Papierqualität. Unter <strong>de</strong>m Logo vom Schloss Vaduz war von<br />

Hans-Adam handschriftlich genau das vermerkt, was man mir<br />

angekündigt hatte. Unten stand noch zusätzlich: Angenehme Reise.<br />

Daneben die schnelle Unterschriftsvariante von ihm.<br />

Nach viereinhalb Monaten als Gast verabschie<strong>de</strong>te ich mich von meinen<br />

Gastgebern am Abend, weil ich am nächsten Morgen schon um 5 Uhr in<br />

<strong>de</strong>r Früh von einem Taxi abgeholt wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Jane und ihr Mann<br />

bedankten sich sehr für meine Treue und wünschten mir alles Gute. Ich<br />

schlief nicht so gut. Eigentlich gar nicht. Pünktlich um 05.00 Uhr hielt<br />

das Taxi in <strong>de</strong>r kleinen Strasse vor <strong>de</strong>m B&B und 25 Minuten später liess<br />

es mich in einer Seitenstrasse in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Hotels Marriott wie<strong>de</strong>r<br />

raus.<br />

Es war ein wun<strong>de</strong>rschöner Sommermorgen. Ich liess meine Koffer unten<br />

an <strong>de</strong>r Rezeption stehen und nahm <strong>de</strong>n Lift hoch zum Zimmer. Dort, in<br />

einem Anfall von „die letzten guten Tage sind vorüber‚, sammelte ich<br />

<strong>de</strong>n ganzen Inhalt <strong>de</strong>s Kühlschranks (mit Ausnahme <strong>de</strong>r alkoholischen<br />

Getränke) inklusive allem Essbaren (Schokoriegel, Chips, Käsesnacks)<br />

ein und packte es in eine Tasche. Noch schnell eine kalte Dusche und das<br />

war’s. Amsterdam A<strong>de</strong>.<br />

Wie<strong>de</strong>r unten, wartete ich in <strong>de</strong>r Lobby auf <strong>de</strong>n Professor. Er kam frisch<br />

rasiert und parfümiert zur abgemachten Zeit runter und wir stopften<br />

unser Gepäck in <strong>de</strong>n praktisch brandneuen Mietwagen <strong>de</strong>r Marke<br />

Renault, Mo<strong>de</strong>ll Twingo. Zurück an <strong>de</strong>r Rezeption kam die übliche<br />

Frage: Minibar? Verlegen fragte ich ihn, ob Hans-Adam was dagegen<br />

hätte, dass ich praktisch alles ausser Alkohol aus <strong>de</strong>r Minibar abgeräumt<br />

hatte. Gleichzeitig zeigte ich ihm die gefüllte Plastiktasche. <strong>Der</strong> Professor<br />

lachte und bezahlte bei<strong>de</strong> Zimmer und die ca. 50 Euro für meine<br />

Minibarsammlung.<br />

Er sagte mir, dass er beauftragt wor<strong>de</strong>n sei, mich nun nach einem<br />

weissen Kuvert zu fragen. Ich übergab es ihm. Ich fragte ihn, ob er wisse,<br />

was da drin ist. Er verneinte es. Er wolle und müsse es nicht wissen. Er<br />

bat mich in <strong>de</strong>r Lobby zu warten und er verschwand mit meinem<br />

Umschlag. Nach 20 Minuten kam er wie<strong>de</strong>r. Ohne Kuvert. Er bat mich,<br />

392


nach draussen zu kommen. Ich dachte mir nichts dabei. Er bat mich die<br />

kurvige Einfahrt entlang zu laufen. Auf halben Weg dorthin stand ein<br />

Mann, <strong>de</strong>n ich noch nie vorher gesehen hatte. Als er mich mit Herr<br />

Ulrich Meier begrüsste, fiel auch mir <strong>de</strong>r Groschen runter. Er öffnete eine<br />

blaue Dokumentenmappe, grösser als ein DIN A4-Format und zeigte mir<br />

<strong>de</strong>n Pass mit meinem Foto drin. Den allezeit beliebten Schutz-Pass, die<br />

Schutz-ID. Ich bedankte mich und er nickte nur. Dann verstaute er <strong>de</strong>n<br />

Pass wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Mappe und ging in Richtung Vor<strong>de</strong>rseite <strong>de</strong>s Hotels.<br />

<strong>Der</strong> Herr Professor und <strong>de</strong>r Herr Ulrich Meier stiegen in <strong>de</strong>n Mietwagen<br />

ein. Vorher musste ich noch mein Handy samt SIM-Karte abgeben. Ich<br />

hatte keine Probleme damit, es war ja ihr Eigentum. <strong>Der</strong> Professor selber<br />

hatte zwei eigene Handys bei sich, die abwechselnd während <strong>de</strong>r ganzen<br />

Fahrt min<strong>de</strong>stens alle 30 Minuten klingelten o<strong>de</strong>r vibrierten. Wir hatten<br />

eine Europastrassenkarte mit uns und <strong>de</strong>r Weg sollte uns ungefähr via<br />

Köln, Frankfurt, Karlsruhe und Stuttgart führen.<br />

Nach einer Stun<strong>de</strong> Fahrt, rief Hans-Adam an und fragte, ob alles gemäss<br />

Plan abgelaufen sei. Zu meiner Verblüffung, wollte Hans-Adam mit mir<br />

re<strong>de</strong>n. Er fragte mich, wie es mir gehe und dass ich mir keine Sorgen<br />

wegen <strong>de</strong>r Deutschen machen soll. Er fragte auch, ob ich ja nichts in<br />

Holland vergessen hätte. Ich versicherte ihm, nein, nichts vergessen. Nur<br />

noch alles in meinem Kopf! Er gab zurück: „Ja, das wissen wir alle.‚ Er<br />

beteuerte nochmals, dass ich ihn sobald als möglich persönlich sehen<br />

könne und auf mich ein schönes, kleines, neu möbliertes Zimmer in<br />

Vaduz warten wür<strong>de</strong>. Ich erwi<strong>de</strong>rte, hoffentlich nicht in <strong>de</strong>r<br />

Aeulestrasse/Gewerbeweg (dort wo das Gefängnis ist). Er lachte und<br />

rief< nein, nein, nein.<br />

<strong>Die</strong> Fahrt war angenehm. Dank meines grossen Vorrats an Süssem aus<br />

<strong>de</strong>m Hotelzimmer musste ich auch nicht hungern. Ganz offen schaute<br />

ich ständig nach unserem Schatten. <strong>Der</strong> Professor hatte nichts dagegen.<br />

Ich erblickte <strong>de</strong>n richtigen Wagen schon als wir noch auf <strong>de</strong>m<br />

Stadtgebiet Amsterdam fuhren. Es war ein dunkler BMW <strong>de</strong>r 5er Reihe,<br />

kein holländisches Kennzeichen. Das konnte ich sehen. <strong>Der</strong> Wagen blieb<br />

immer vier bis fünf Autos hinter uns. Später konnte ich erkennen, dass<br />

es ein österreichisches Kennzeichen hatte. Sofort rief ich zum Professor:<br />

„Aha, es sind sicher Hans-Adams Verwandte aus Österreich, die mit <strong>de</strong>n<br />

Diplomatenpässen, gell?‚<br />

393


Er sagte, er wisse es nicht und blickte nur stur nach vorne. Auf halber<br />

Strecke entschie<strong>de</strong>n wir zu tanken und kalte Getränke einzukaufen. <strong>Der</strong><br />

BMW hielt auch. Im La<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Autobahnraststätte kauften wir uns<br />

Essen und bezahlten das Benzin. Ich sah zwei Männer neben <strong>de</strong>m BMW<br />

stehen, einer tankte <strong>de</strong>n Wagen, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re lief weg um mit <strong>de</strong>m Handy<br />

zu telefonieren. Es war <strong>de</strong>r Mann, <strong>de</strong>r mir in Amsterdam <strong>de</strong>n Schutz-<br />

Pass gezeigt hatte. Um nicht in einer Radarkontrolle gestoppt zu wer<strong>de</strong>n,<br />

fuhren wir strikt nach Vorschrift.<br />

<strong>Die</strong> Stun<strong>de</strong>n vergingen und wir machten Witze übers Bücherschreiben.<br />

Ich könne doch ein Buch schreiben, nach<strong>de</strong>m was ich alleine und wir<br />

zusammen erlebt hatten, sagte <strong>de</strong>r Professor. Und über Argentinien.<br />

Natürlich könnte ich die Dinge nicht beim Namen nennen. Das ginge<br />

nicht, sagte er. Dann wür<strong>de</strong> man ja erkennen können, dass Liechtenstein<br />

knapp einer Katastrophe entkommen war und dass Hans-Adam ganz<br />

an<strong>de</strong>rs war, als die meisten Menschen dachten und dass die<br />

<strong>Daten</strong>sicherheit in Liechtenstein löchrig wie ein Schweizer Käse war. Wir<br />

erfan<strong>de</strong>n Pseudonamen für ein imaginäres Buch: aus STA Haun wur<strong>de</strong><br />

STA Schaum, aus Hans-Adam wur<strong>de</strong> Duke of Full-Pockets, aus LGT<br />

wur<strong>de</strong> Banque <strong>de</strong> la Liberté, aus Liechtenstein wur<strong>de</strong> Monaco. Ich<br />

erinnere mich noch ganz gut daran, dass ich <strong>de</strong>m Professor sagte, dass es<br />

unmöglich sein wür<strong>de</strong>, ein Buch zu schreiben, ohne die Dinge beim<br />

richtigen Namen zu nennen.<br />

Hätte man mir damals gesagt, dass ich über 5 Jahren später, in 2008/2009<br />

wirklich dieses Buch mit <strong>de</strong>r wahren Geschichte schreiben wür<strong>de</strong>, ich<br />

hätte alle für verrückt erklärt.<br />

Während <strong>de</strong>r Professor uns unaufhaltsam Liechtenstein näherten, spielte<br />

sich in Vaduz an<strong>de</strong>res ab. <strong>Der</strong> Kreis <strong>de</strong>r Informierten war ja sehr klein.<br />

Polizei und Justiz wussten ja nicht, dass ich jetzt unterwegs war. Da<br />

Hans-Adam telefonisch vom Professor über <strong>de</strong>n Fortschritt <strong>de</strong>r<br />

Heimführung auf <strong>de</strong>m Laufen<strong>de</strong>n gehalten wur<strong>de</strong>, ordnete er die<br />

Vaduzer Polizei an, eine dringen<strong>de</strong> Interpolmeldung nach Deutschland<br />

(BKA, Wiesba<strong>de</strong>n) zu sen<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>r man alle vorhergegangenen<br />

Meldungen und Sachverhalte wi<strong>de</strong>rrufen sollte. Gemäss Aktennotiz<br />

wur<strong>de</strong> dies (am 1.7.) dann um 15:58 erledigt.<br />

<strong>Die</strong> <strong>de</strong>utsch-österreichische Grenze kam näher. Erstaunlicherweise<br />

atmete ich nicht schwerer son<strong>de</strong>rn leichter. Vielleicht weil ich mich<br />

sichere fühlte. Österreich grenzt ja an Liechtenstein. <strong>Der</strong> Bo<strong>de</strong>nsee war<br />

394


so schön an diesem Tag. <strong>Die</strong> Sonne hoch und stark, praktisch windstill.<br />

Nur die Musik aus <strong>de</strong>m Radiosen<strong>de</strong>r störte etwas. Wir überquerten die<br />

unsichtbare Grenze <strong>de</strong>r zwei EU-Staaten und dann waren es nur noch<br />

ein paar Minuten bis nach Feldkirch. Ich erinnerte mich, wie ich vor fünf<br />

Monaten und 24 Tagen hier <strong>de</strong>n Zug nach München genommen hatte.<br />

Niemals hätte ich gedacht, dass ich unter diesen Umstän<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r<br />

durch Feldkirch fahren wür<strong>de</strong>. Ich behielt <strong>de</strong>n BMW im Seitenspiegel<br />

streng im Auge.<br />

Auf <strong>de</strong>r Höhe, wo es rechts ein Thai- o<strong>de</strong>r Chinarestaurant gab, genau in<br />

<strong>de</strong>r Anhaltebucht <strong>de</strong>r Stadtbusse, bevor es wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Hügel runter<br />

geht, Richtung Grenzposten, hielt <strong>de</strong>r BWM an und wur<strong>de</strong> im Spiegel<br />

immer kleiner und kleiner. Wir waren nur noch ca. 1,5 Kilometer von<br />

liechtensteinischem Bo<strong>de</strong>n entfernt. Da brauchte man <strong>de</strong>n „Schutz‚ jener<br />

aus <strong>de</strong>m BWM wohl nicht mehr, sagte ich.<br />

<strong>Der</strong> Grenzübergang Schaanwald war schon in Sichtweite. Ich kramte die<br />

handschriftliche Botschaft von Hans-Adam aus meiner Computertasche<br />

und hielt sie fest, wie ein Kleinkind sein liebstes Spielzeug. <strong>Die</strong>s sollte<br />

mich vor je<strong>de</strong>m Ärger schützen, dachte ich. An <strong>de</strong>r Grenze, die von<br />

Schweizer Zöllnern auf liechtensteinischem Bo<strong>de</strong>n kontrolliert und<br />

bewacht wird, verlief alles sehr schnell. Man winkte uns wie Touristen<br />

durch. Gleichzeitig stiessen wir bei<strong>de</strong> einen erlösen<strong>de</strong>n Seufzer aus.<br />

Endlich am Ziel!<br />

JETZT war ich wie<strong>de</strong>r voll in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n und unter Gna<strong>de</strong>n von Hans-<br />

Adam. Etwas zu wild für <strong>de</strong>n Professor schaute ich mit langem Hals<br />

ständig nach vorne, nach hinten, rechts und links. Er beruhigte mich. Es<br />

sei keine Falle. Er fahre mich nach Vaduz zu <strong>de</strong>r gemieteten<br />

Einzimmerwohnung. Sofort klingelte sein Handy wie<strong>de</strong>r: Das Schloss<br />

wusste schon, dass alles gut gegangen war.<br />

Es war ein unbeschreibliches Gefühl, wie<strong>de</strong>r in meiner Heimat zu sein.<br />

Wie als wären die letzten sechs Monate gar nicht passiert, so ruhig war<br />

alles. Fast je<strong>de</strong>s Haus an <strong>de</strong>m wir vorbeifuhren, je<strong>de</strong> Strasse die wir<br />

benutzten, alle kannte ich sie auswendig. Es war ja mein Hinterhof.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor rief <strong>de</strong>n Professor an. Man fragte mich, ob es OK wäre,<br />

wenn wir zuerst zur LGT BANK in <strong>de</strong>r Herrengasse fahren wür<strong>de</strong>n.<br />

Kein Problem, sagte ich. Wir fuhren in die Tiefgarage, vorbei am Portier<br />

und <strong>de</strong>r Sicherheitskanzel und parkten <strong>de</strong>n Wagen.<br />

395


Zuerst musste ich mich mal richtig strecken. <strong>Der</strong> Bankdirektor kam aus<br />

<strong>de</strong>m Personalausgang auf uns zu und begrüsste uns freundlich. Ob es<br />

mir wie<strong>de</strong>r daheim gefallen wür<strong>de</strong>, fragte er. Ja, alles beim alten,<br />

erwi<strong>de</strong>rte ich. Zu meinem Erstaunen, hatte er <strong>de</strong>n weissen Umschlag in<br />

seinen Hän<strong>de</strong>n, mit meinen Ausweispapieren drin. Er gab ihn mir. Er<br />

gab uns die Wohnungsschlüssel und nannte uns die Adresse:<br />

Buchenweg 1, Vaduz.<br />

Ich kannte <strong>de</strong>n Weg und dirigierte <strong>de</strong>n Professor dort hin. Er habe ein<br />

Zimmer in Triesen, erwähnte er noch. Es war so gegen 17 Uhr als wir auf<br />

<strong>de</strong>m Parkplatz vor <strong>de</strong>m Haus ankamen. Ich hatte ja nicht viel Gepäck<br />

und nach zehn Minuten war ich schon eingezogen. Es war eine kleine<br />

eineinhalb Zimmerwohnung. Es roch noch frisch gestrichen. <strong>Die</strong> Möbel<br />

waren brandneu, ebenso Bettwäsche und Handtücher. Es gab einen<br />

Esstisch mit vier Stühlen, ein Bett mit Nachtisch, ein Le<strong>de</strong>rsofa mit<br />

Glastischchen, einen Klei<strong>de</strong>rschrank und eine Stehlampe. Alles gediegen<br />

und farblich abgestimmt. <strong>Die</strong> Einbauküche war relativ gross und das<br />

Ba<strong>de</strong>zimmer auch. Es hatte einen kleinen Balkon, <strong>de</strong>r direkt über <strong>de</strong>m<br />

Hauseingang war. Links, weg vom Balkon konnte man auf die Wiese vor<br />

<strong>de</strong>r Wohnung meines Nachbarn laufen und runter zum Parkplatz.<br />

<strong>Der</strong> Professor verabschie<strong>de</strong>te sich mit <strong>de</strong>r Bemerkung, dass ich mich<br />

erstmals einrichten und ein paar Tage erholen soll. Am Freitag, <strong>de</strong>n 4.7.<br />

hätte ich um 10 Uhr einen Termin beim RA Dr. Wolfgang Müller. <strong>Der</strong><br />

Bankdirektor und eventuell er selber wür<strong>de</strong>n auch dort sein. Zu<strong>de</strong>m<br />

solle ich mich auch auf ein Vier-Augen-Treffen mit Hans-Adam für<br />

nächste Woche Mittwoch, <strong>de</strong>n 9.7. vorbereiten. Wenn es mir genehm<br />

wäre. Es wäre, erwi<strong>de</strong>rte ich und bedankte mich bei ihm für alles was er<br />

getan hatte. Er bat mich, ihm die persönliche Notiz von Hans-Adam<br />

zurückzugeben. Jetzt wäre es ja klar, dass mir nichts passieren wür<strong>de</strong>.<br />

<strong>Die</strong>ser Meinung war ich auch. Ich wollte die Notiz aber als An<strong>de</strong>nken<br />

behalten. Ging lei<strong>de</strong>r nicht.<br />

<strong>Der</strong> grösste Teil am Erfolg dieser Etappe war <strong>de</strong>m Professor<br />

zuzuschreiben. <strong>Der</strong> Rest <strong>de</strong>m Bankdirektor. Natürlich darüber<br />

schwebend immer <strong>de</strong>r Hans-Adam. Obwohl <strong>de</strong>r Professor auf <strong>de</strong>r<br />

Lohnliste von ihm stand (nebenbei noch bis weit ins letzte Jahr, 2008<br />

hinein), war sein Teil <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>de</strong>r schwierigste. Nämlich mich zu<br />

überzeugen und mir neue Wege aufzuzeigen. <strong>Die</strong>s erledigte er so gut<br />

wie nur möglich. Er war wie ein Ventil zwischen Hans-Adam und mir.<br />

396


Während <strong>de</strong>r vielen Debatten in <strong>de</strong>n vergangenen Monaten hatte ich, oft<br />

direkt, überwiegend zwischen <strong>de</strong>n Sätzen horchend, mitbekommen, dass<br />

Hans-Adam mehrfach eine ganze an<strong>de</strong>re, bestialische Sprache<br />

verwen<strong>de</strong>te, wenn er mit seiner Regierung, <strong>de</strong>m Bankdirektor und <strong>de</strong>m<br />

Professor über mich sprach. <strong>Die</strong>s galt auch für <strong>de</strong>n umgekehrten Weg.<br />

Teil <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>de</strong>s Professors war es, <strong>de</strong>ren und meine Worte so<br />

umzuformulieren, dass eine Lösung schlussendlich zustan<strong>de</strong> kommen<br />

konnte. Ich habe meine Meinung über <strong>de</strong>n Professor auch dann nicht<br />

geän<strong>de</strong>rt, als ich später, nach meiner Rückkehr erfuhr, dass <strong>de</strong>r einzige<br />

Auftrag von Hans-Adam an ihn lautete: OZA- „Bring mir die <strong>Daten</strong><br />

zurück! Koste es was es wolle! Mit Kieber o<strong>de</strong>r ohne Kieber, ist mir<br />

scheiss egal‚ -OZE.<br />

Ich hoffte nun, dass, ganz nach <strong>de</strong>m Spruch „Zeit heilt Wun<strong>de</strong>n‚, die fast<br />

sechs Monate meiner Abwesenheit reichen wür<strong>de</strong>n, sodass sich auch die<br />

zornigsten Gemüter wie<strong>de</strong>r beruhigt hatten. Es sah ganz danach aus.<br />

397


KAPITEL 19 Dickes Kissen und dünne Aktenmappe<br />

Ich packte meine sieben Sachen aus und richtete mich gemütlich in<br />

meinem neuen Heim ein. Im Ba<strong>de</strong>zimmerspiegel starrte ich mich an.<br />

"Hast es mal wie<strong>de</strong>r geschafft, Herr Kieber". Fast sechs Monate lang<br />

unzählige Menschen unzählige Nerven gekostet. Ich schämte mich<br />

meiner Taten. Es war nicht <strong>de</strong>r richtige weg. Ich will nicht sagen, dass<br />

ich keine an<strong>de</strong>re Wahl hatte. Wenn man wählen kann, dann muss es ja<br />

min<strong>de</strong>stens zwei verschie<strong>de</strong>ne Wege geben. Was soll’s? Ich hatte eine<br />

Entscheidung getroffen. Ich fühlte auch, dass – egal was ich in <strong>de</strong>n 6<br />

Monaten zuvor angestellt hatte – sich ein grosses Gefühl <strong>de</strong>r Erlösung<br />

bei <strong>de</strong>n Machthabern breit gemacht hatte. Nicht so sehr, weil ich wie<strong>de</strong>r<br />

daheim war. Nein, son<strong>de</strong>rn weil keine <strong>Daten</strong> verraten wur<strong>de</strong>n und es<br />

somit keine geschädigten Kun<strong>de</strong>n gab, und was für Liechtenstein viel<br />

wichtiger war, das Land wur<strong>de</strong> von einem politischen Tsunami mit<br />

vielen furchtbaren Konsequenzen verschont.<br />

Ich inspizierte die ganze Wohnung. Keine versteckten Kameras?<br />

Mikrofone? Wer weiss. Ich wusste, es wür<strong>de</strong> immer diejenigen geben,<br />

die mir nicht ganz vertrauen wür<strong>de</strong>n. Genau so wie ich ihnen nie zu 100<br />

Prozent trauen konnte. <strong>Der</strong> Abend war schwül. <strong>Die</strong> Sonne heizte <strong>de</strong>n<br />

Raum trotz heruntergelassenen Rollos heftig ein. <strong>Der</strong> Jahrhun<strong>de</strong>rtsommer<br />

2003 war ja voll im gang. Von <strong>de</strong>r langen Fahrt mü<strong>de</strong>, war<br />

schon um 19 Uhr Bettzeit. Ein besseres Kopfkissen müsste ich noch<br />

kaufen, war das letzte, was ich vor <strong>de</strong>m Tiefschlaf dachte.<br />

Am nächsten Morgen sah die Welt auch wie<strong>de</strong>r gut aus. Es war schön,<br />

wie<strong>de</strong>r zu Hause zu sein. Ich lief über Nebenstrassen bis zum Denner<br />

(Einkaufsla<strong>de</strong>n) nach Triesen. <strong>Die</strong> nette Verkäuferin (er)kannte mich<br />

zum Glück nicht. Ich kaufte Milch, Brot und Müsli ein. Und ein frisches<br />

heisses Leberkäs-Brötchen. Himmel auf Er<strong>de</strong>n: ein Liechtensteiner<br />

Leberkäse. So fein. Wie<strong>de</strong>r zurück in <strong>de</strong>r Wohnung wur<strong>de</strong> es mir schnell<br />

langweilig. Es war ein ungewohntes Gefühl. Kein Versteckspiel mehr,<br />

keine Sicherheitsvorkehrungen, kein ständiges Handyein- und<br />

ausschalten. Aber vor allem keine Diskussionen mehr und keine<br />

schwedischen Gardinen.<br />

Da ich ja kein Auto hatte, auch kein Velo mehr, machte ich mich zu Fuss<br />

in Richtung Hauptstrasse, zur Bushaltestelle. <strong>Die</strong> Haltestelle ist auf <strong>de</strong>r<br />

Höhe <strong>de</strong>s Gebäu<strong>de</strong>komplex, wo sich die Polizei, das Passamt und das<br />

Gefängnis befan<strong>de</strong>n. Ich dachte an Lampert, <strong>de</strong>r dort in einer Zelle sitzen<br />

wür<strong>de</strong>. War ich froh, dass ich meine Drohungen nicht in die Tat<br />

398


umgesetzt hatte, sonst wäre ich auch dort. Ich war frei. Vogelfrei. Dank<br />

Hans-Adams persönlicher, schriftlicher Notiz. Ich wusste zu diesem<br />

Zeitpunkt nicht, dass auch etwas ganz an<strong>de</strong>res sein Gültigkeit hatte: das<br />

freie Geleit. Ich hätte auch die Hauptstrasse entlang die paar Kilometer<br />

ins Dorfzentrum laufen können. Aber das halbe Land fährt zu dieser Zeit<br />

diese Strasse entlang zur Arbeit. Und ich wollte nicht gesehen und<br />

erkannt wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Möglichkeit, dass es einen Knall gab, war meines<br />

Erachtens schon da. Was, wenn jemand von <strong>de</strong>r Justiz, <strong>de</strong>r Polizei o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Führungsetage <strong>de</strong>r LGT mich sehen wür<strong>de</strong> und vor lauter Schreck<br />

einen Karambolage auslösen wür<strong>de</strong>?<br />

Ich setzte mich auf die Bank im Wartehäuschen, wartete auf <strong>de</strong>n Bus und<br />

beobachtete die vorbeifahren<strong>de</strong>n Autos. Ich erkannte die eine o<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>re Person. Niemand sah zu mir rüber. Im Zentrum angekommen<br />

wollte ich bei <strong>de</strong>r Post eine Monatsbusfahrkarte kaufen. <strong>Der</strong> Erste, <strong>de</strong>r<br />

mir über <strong>de</strong>n Weg lief, war mein Onkel Guntram (<strong>de</strong>r Ex-Mann meiner<br />

Tante). Ja Heinrich, ja Heinrich – wo warst du dann, rief er voller Freu<strong>de</strong>.<br />

Ich merkte sofort, dass er etwas wusste. Wenn etwas los war in Vaduz, er<br />

wusste es immer. Ohne auf meine Antwort zu warten, sagte er, dass<br />

hoffentlich alles gut gegangen sei. Er wusste, dass ich im Januar <strong>de</strong>m<br />

Hans-Adam einen Brief geschrieben hatte. Er erzählte mir davon. Mehr<br />

Details wusste er aber dieses Mal offenbar nicht. Ich hatte ihn und seine<br />

Freundin Marina immer sehr gemocht. Ich versprach, sie bald besuchen<br />

zu kommen. Grüsse von hier aus an die Bei<strong>de</strong>n.<br />

Vaduz ist wie ein Dorf in <strong>de</strong>n Bergen. (Fast) je<strong>de</strong>r kennt je<strong>de</strong>n persönlich<br />

o<strong>de</strong>r man weiss zumin<strong>de</strong>st wohin mit <strong>de</strong>m Gesicht. Bist ein Kieber, gell?<br />

Es war für mich ein Einfaches zu erkennen, wer, egal wie viel, etwas von<br />

<strong>de</strong>m Drama wusste o<strong>de</strong>r nicht. <strong>Die</strong>jenigen, die gar nichts wussten,<br />

grüssten mich ganz an<strong>de</strong>rs und erinnerten sich oftmals erst dann, dass es<br />

lange her war, seit sie mich das letzte Mal gesehen hatten. Ja, ich war halt<br />

im Ausland unterwegs. Von <strong>de</strong>n An<strong>de</strong>ren traute sich die Hälfte gar nicht<br />

mich anzusprechen. <strong>Der</strong> Rest wusste nicht ob sie mich verteufeln o<strong>de</strong>r<br />

loben sollten. So o<strong>de</strong>r so, das Volk, das etwas wusste, war erkennbar<br />

froh, dass ich wie<strong>de</strong>r da war und dass augenscheinlich keine<br />

Katastrophe eingetreten war, sonst hätten sie es ja in <strong>de</strong>n Medien gelesen<br />

und ich wür<strong>de</strong> am Galgen hängen.<br />

Ich erblickte die Bäckerei Amman. Da musste ich hin. Endlich wie<strong>de</strong>r<br />

heimische Backwaren. Ich kaufte mir einen Nussgipfel und trank eine<br />

heisse Ovomaltine. Beim Kiosk Schreiber sah ich Jumbo (sein Spitzname)<br />

399


,er wusste nichts. Ich erwarb ich eine Telefonkarte. Erst als ich mich<br />

umdrehte, erinnerte ich mich, dass schnurgera<strong>de</strong> gegenüber die LGT<br />

Treuhand war. Mist, nichts wie weg. Ich wollte nicht, dass mich jemand<br />

von dort sieht.<br />

Ich rief meine Stiefmutter, meine Schwester und ein paar Freun<strong>de</strong> aus<br />

einer Telefonzelle bei <strong>de</strong>r Post Vaduz an. Alle konnten es nicht glauben,<br />

dass ich wie<strong>de</strong>r zu Hause war. Ich entschuldigte mich dafür, dass ich<br />

mich nicht gemel<strong>de</strong>t hatte und auch für alle Belästigungen, die sie<br />

eventuell wegen mir hatten. Niemand schimpfte mit mir. Das war schon<br />

mal positiv.<br />

Was sollte ich als nächstes tun, fragte ich mich. Ein Besuch beim<br />

gescheitesten Mann in <strong>de</strong>r Justiz. Ohne Termin? Wie immer! Ich<br />

versuche es einfach. Ich lief rüber zum Gerichtsgebäu<strong>de</strong>. <strong>Die</strong> Treppe<br />

hoch und klopfte bei seiner lieben Sekretärin an. <strong>Die</strong> war überrascht.<br />

Herr Kieber, aber Hallo! Gut, Sie wie<strong>de</strong>r zu sehen. Kann ich mit <strong>de</strong>m<br />

Landrichter Dr. Paul Meier re<strong>de</strong>n? Ja sicher. Von 11:30 bis 12:25 durfte<br />

ich mit ihm plau<strong>de</strong>rn.<br />

Er war, wie seine zwei Damen im Vorzimmer, sehr geschockt, als sie im<br />

Januar von meinem Brief an Hans-Adam hörten. Sorry, konnte ich da<br />

nur sagen. Ich fragte natürlich sofort, ob es im 101er vorwärts gegangen<br />

sei. Nein, <strong>de</strong>r Akt sei immer noch beim Obergericht, im Büro vom<br />

Richter Dr. G. Mislik (übrigens <strong>de</strong>rselbe Richter, <strong>de</strong>r das freie Geleit<br />

beschlossen hatte). <strong>Die</strong>ser wür<strong>de</strong> in Kürze über meinen Antrag (vom<br />

22.11.02) auf Fortsetzung <strong>de</strong>r Strafuntersuchung gegen Roegele & Co.<br />

entschei<strong>de</strong>n, erinnerte mich UR Dr. Meier.<br />

Komisch, sagte ich. Hätte sich <strong>de</strong>n nicht <strong>de</strong>r RA Dr. Wolfgang Müller bei<br />

ihm gemel<strong>de</strong>t, als mein neuer RA in dieser Sache? Nein, nichts<br />

<strong>de</strong>rgleichen. Ich sagte, dies könne nichts stimmen. Er bestätigte aber,<br />

dass es seit meiner Abreise im Januar zu keinem Wechsel <strong>de</strong>s<br />

Rechtsanwalts gekommen sei. Ob mich Dr. Hirn nicht mehr vertreten<br />

wür<strong>de</strong>, fragte er. Nein, seit ca. sechs bis acht Wochen sollte es <strong>de</strong>r neue<br />

RA Müller aus Schaan sein. Er sei immer noch <strong>de</strong>r UR in diesem Fall und<br />

er wür<strong>de</strong> schwören, dass er mich nicht an <strong>de</strong>r Nase herumführe, sagte er.<br />

Seltsam, seltsam, sagte ich zu ihm. Noch dachte ich mir nichts dabei. Ich<br />

bat ihn jetzt und hier <strong>de</strong>n RA-Wechsel offiziell zu protokollieren. Im<br />

Moment ginge es zeitlich gera<strong>de</strong> nicht, sagte er. Am nächsten <strong>Die</strong>nstag,<br />

<strong>de</strong>n 8.7. hätte er Zeit. Ich bedankte mich bei ihm. Also dann bis nächsten<br />

<strong>Die</strong>nstag.<br />

400


In <strong>de</strong>r Zwischenzeit gingen ein paar Gerüchte wie ein Lauffeuer in<br />

Vaduz umher. Eines, ein Falsches, erreichte schliesslich die Polizei. <strong>Die</strong>se<br />

war etwas irritiert, als sie hörte, dass ich heute, am 2.7. nach Vaduz<br />

zurückkehren wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong> Polizei war ja gestern beauftragt wor<strong>de</strong>n,<br />

schnellst möglich <strong>de</strong>n Deutschen eine Meldung zukommen lassen. <strong>Die</strong><br />

Polizei kontaktierte die STA per Email und fragte nach, ob die etwas<br />

wüssten und formulierte ihre Be<strong>de</strong>nken, sollte ich von irgen<strong>de</strong>iner<br />

Richtung aus schon heute zurückkommen.<br />

Sie sorgten sich um mich, da ich noch passiv im Schweizer System<br />

(RIPOL) ausgeschrieben war. Es folgten mehrere hektische Anrufe und<br />

Faxe zwischen <strong>de</strong>r Polizei und <strong>de</strong>r STA. <strong>Die</strong> STA wusste auch nichts<br />

Genaueres, wünschte aber, dass die Polizei schleunigst die Grenzstelle in<br />

Schaanwald anrufen sollte, um als Vorsichtsmassnahme anzuordnen,<br />

mich nicht aufzuhalten, sollte ich die Grenze dort überschreiten. Gleich<br />

als nächstes sollte die Polizei die Ausschreibung im RIPOL von <strong>de</strong>n<br />

Schweizern löschen lassen. Wie sich später herausstellte, war dieses<br />

Gerücht gezielt gestreut wor<strong>de</strong>n, um mögliche Saboteure im Glauben zu<br />

lassen, dass ich erst am 2.7. einreisen wür<strong>de</strong>.<br />

<strong>Die</strong> LGT Treuhand schickte am 2.7. <strong>de</strong>m Landgericht einen Brief, worin<br />

sie <strong>de</strong>n Rückzug ihrer Privatanklage in Sachen <strong>Daten</strong>diebstahl erklärten<br />

und <strong>de</strong>n Antrag stellten, das Gericht möge daher das Verfahren gegen<br />

mich einstellen.<br />

Nach<strong>de</strong>m ich das Büro <strong>de</strong>s UR Dr. Meier verlassen hatte, überlegte ich,<br />

wo ich ein Kissen kaufen könnte. Hunger hatte ich auch wie<strong>de</strong>r. Und ich<br />

wollte mein Mittagessen nicht in einem Restaurant in Vaduz einnehmen.<br />

Im Einkaufszentrum Buchs, auf <strong>de</strong>r Schweizer Rheinseite gab es<br />

genügend Auswahl. Buchs ist zwar Ausland, aber we<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Professor<br />

noch <strong>de</strong>r Bankdirektor hatte mir untersagt in die Schweiz zu gehen. Ich<br />

nahm <strong>de</strong>n Bus dorthin. Es dauerte nicht lange, bis ich die erste von<br />

mehreren peinlichen Situationen <strong>de</strong>r kommen<strong>de</strong>n Zeit erlebte.<br />

Ich spazierte vom Bahnhof Buchs auf <strong>de</strong>r linken Seite <strong>de</strong>r Einkaufsmeile<br />

Richtung Wer<strong>de</strong>nberg. Auf <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>s COOP La<strong>de</strong>ns hörte ich zuerst<br />

lautes, unverständliches Gefasel und dann die Klänge von<br />

weggestossenen Stühlen. Ich schaute auf und drehte meinen Kopf zum<br />

rechten Bürgersteig. Dort sah ich einen Mann, <strong>de</strong>r fluchtartig die Tische<br />

eines kleinen Cafés verlies. An <strong>de</strong>r Hand hielt er eine junge Frau. Erst<br />

dann erkannte ich ihn. Es war <strong>de</strong>r Chef <strong>de</strong>r IT-Abteilung <strong>de</strong>r LGT<br />

Treuhand.<br />

401


Er musste mich zuerst gesehen haben und war wohl geschockt. Ich<br />

erinnerte mich, dass er immer mehrmals in <strong>de</strong>r Woche zum Mittagessen<br />

nach Buchs zu seiner Freundin fuhr. Bei<strong>de</strong> waren Schweizer. Er wollte<br />

wohl eine Konfrontation mit mir vermei<strong>de</strong>n. Besser so. Ich wüsste auch<br />

nicht, was ich ihm hätte sagen sollen. Ich bog in die nächste Abzweigung<br />

nach links und dann zum Migroseinkaufszentrum. Ich kaufte mir ein<br />

Kissen und einen dazu passen<strong>de</strong>n Bezug. Auf <strong>de</strong>m Weg zur<br />

Bushaltestelle beim Bahnhof Buchs kam ich an einem TV-Geschäft<br />

vorbei. Es gab da ein Superangebot für ein kleines Kombigerät, TV und<br />

Vi<strong>de</strong>orecor<strong>de</strong>r in einem. CHF 300.- kostete es. Fünf Minuten später war<br />

ich CHF 300.- ärmer und um einen Fernseher reicher. Das TV-Gerät<br />

wür<strong>de</strong> man mir am Wochenen<strong>de</strong> ausnahmsweise nach Vaduz bringen<br />

können, da ein Mitarbeiter <strong>de</strong>r Firma in <strong>de</strong>r Nähe von mir wohnen<br />

wür<strong>de</strong>. Super. Wie<strong>de</strong>r etwas Positives erlebt. Mit <strong>de</strong>m Kissen unter <strong>de</strong>m<br />

Arm fuhr ich mit <strong>de</strong>m Linienbus gleich wie<strong>de</strong>r nach Vaduz.<br />

Den Donnerstag hatte ich mit meiner alten Liebe abgemacht. Zuerst<br />

wollte ich aber mit <strong>de</strong>m Bus in meine Heimatgemein<strong>de</strong> fahren und das<br />

Grab vom Vater besuchen. Dort angekommen, re<strong>de</strong>te ich mit ihm und<br />

erinnerte mich, als ich das letzte Mal dort war, hätte ich nie geglaubt,<br />

dass ich ihn überhaupt und wenn doch auch noch so schnell wie<strong>de</strong>r<br />

besuchen kommen konnte. Ich betrat auch die wun<strong>de</strong>rschöne renovierte<br />

Kirche in Mauren. Weisser Marmor überall. Mit <strong>de</strong>m Bus erreichte ich<br />

wie<strong>de</strong>r Buchs und traf mich mit meinem Schatz. Wir verbrachten <strong>de</strong>n<br />

Tag am kleinen Wer<strong>de</strong>nbergersee. Sie hatte von nichts eine Ahnung und<br />

ich entschied, dass es besser war, es so zu belassen.<br />

Am Freitag, <strong>de</strong>n 4.7., gera<strong>de</strong> als ich mich auf <strong>de</strong>n Weg zum neuen RA<br />

Dr. W. Müller machte, bog <strong>de</strong>r Bankdirektor mit seinem Wagen in meine<br />

Strasse ein. Er sagte mir, dass er vergessen hätte, mir mitteilen zu lassen,<br />

dass er mich abholen wür<strong>de</strong>. Im Auto gab er mir ein Geschenk. Es war<br />

das Nokiatelefon aus Holland. Da das Handy ja keinen SIM-Lock hatte,<br />

hatte er mir eine neue SIM-Karte mit Rufnummer von <strong>de</strong>r Telekom<br />

Liechtenstein kaufen und aktivieren können. Sie war auf meinen Namen<br />

registriert. So, sagte ich, wie konnte er <strong>de</strong>nn die Nummer auf meinen<br />

Namen einlösen, ohne dass ich dabei war? Man musste sich nämlich<br />

dafür ausweisen. Er wich aus und sagte nur, schönes Wetter heute.<br />

Er drückte mir auch eine Kopie <strong>de</strong>s Rückzuges <strong>de</strong>r Privatanklage <strong>de</strong>r<br />

LGT Treuhand in die Hand. Ich bedankte mich dafür.<br />

402


Um 09.50 Uhr waren wir schon im grossen Sitzungszimmer <strong>de</strong>r Kanzlei.<br />

<strong>Der</strong> Professor konnte lei<strong>de</strong>r nicht kommen, da er wie<strong>de</strong>r nach Hause,<br />

nach Österreich gefahren war. Er brauchte auch seine Ruhetage. Seine<br />

Hauptaufgabe hatte er ja soweit erfüllt. Zehn Minuten später begrüsste<br />

uns Dr. Wolfgang Müller und legte eine Aktenmappe auf <strong>de</strong>n Tisch. <strong>Die</strong>s<br />

ist aber sehr mager, dachte ich gleich. Ich bedankte mich für sein Zeit<br />

und die Annahme <strong>de</strong>s Mandats. <strong>Die</strong> erste halbe Stun<strong>de</strong> sprach er<br />

ausschliesslich mit <strong>de</strong>m Bankdirektor und widmete mir keine Minute.<br />

Zu meinem Schrecken erkannte ich bald, dass er sich, wenn überhaupt,<br />

extrem minimal in meine Geschichte eingelesen hatte. Nicht nur stellte er<br />

Fragen, <strong>de</strong>ren Antworten er eigentlich wissen müsste, hätte er die Akten<br />

studiert. Er kam auf Schlussfolgerungen, die fern <strong>de</strong>r Realität waren.<br />

Kein Wun<strong>de</strong>r, dass seine Mappe über mich so dünn war. Nach bald 35<br />

Minuten wandte er sich direkt an mich. Man kann sagen, die Beziehung<br />

startete auf <strong>de</strong>m linken Fuss. Sehr zum Erstaunen <strong>de</strong>s Bankdirektors,<br />

und wohl ganz im Sinne <strong>de</strong>s wirklichen Auftraggebers (Hans-Adam),<br />

ta<strong>de</strong>lte Müller mich und meinte, dass sich mein Vater im Grab<br />

umdrehen wür<strong>de</strong>, wüsste er was ich <strong>de</strong>m Blaublut angetan habe. Ich war<br />

absolut nicht auf so etwas vorbereitet und anstatt ihm zu antworten,<br />

starrte ich <strong>de</strong>n Bankdirektor an.<br />

<strong>Die</strong>ser konnte meine verschie<strong>de</strong>nen Gesichtsausdrücke ja schon im<br />

Schlaf richtig <strong>de</strong>uten. Ich stand auf und lief die Treppe hinunter zum<br />

Ausgang. Draussen sass ich auf <strong>de</strong>r steinernen Treppe und beobachtete<br />

<strong>de</strong>n Verkehr auf <strong>de</strong>r Schaaner Hauptstrasse. Nach fünf Minuten kam <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor raus und bat mich wie<strong>de</strong>r herein. Müller sagte, dass er es<br />

nicht so gemeint hätte. Er schil<strong>de</strong>rte was in <strong>de</strong>n letzten 4 Wochen alles<br />

passiert sei und als er dann anfing von einem erfolgreichen freien Geleit<br />

zu erzählen, erlaubte ich mir ihn zu unterbrechen.<br />

Er durchblätterte die wenigen Seiten im Akt und zeigte mir <strong>de</strong>n<br />

Beschluss. Er hätte dies in weiser Voraussicht Anfang Juni beantragt. Ich<br />

kam aus <strong>de</strong>m Staunen nicht raus und rechnete die Tage, Wochen zurück.<br />

Warum stand da, ich wür<strong>de</strong> bis zu einer erstinstanzlichen Verurteilung<br />

auf freiem Fuss bleiben? <strong>Der</strong> Bankdirektor schaute verlegen aus <strong>de</strong>m<br />

Fenster. Müller fragte mich, ob Hans-Adam noch nicht mit mir<br />

gesprochen hätte. Nein, erst nächste Woche, erwi<strong>de</strong>rte ich. Man hätte die<br />

Anzeige wegen <strong>de</strong>r Nötigung noch nicht zurückgezogen, erklärte er mir<br />

dann. <strong>Die</strong>s sei jedoch alles nur eine Formsache. Ich sollte mir weiters<br />

keine Gedanken machen. Aha, OK, konnte ich da zuerst nur stammeln.<br />

403


Aber seine Antwort genügte mir nicht. Ich fragte <strong>de</strong>n Bankdirektor für<br />

was dann die persönliche Notiz von Hans-Adam gewesen sein soll,<br />

wenn da steht, dass ich sowieso freies Geleit hätte. Und warum hier im<br />

Beschluss suggeriert wird, dass ich unter Umstän<strong>de</strong>n im Gefängnis<br />

lan<strong>de</strong>n könnte? Sonst hätte ja RA Müller kein freies Geleit beantragen<br />

müssen. <strong>Der</strong> Bankdirektor rechtfertigte, dass die Notiz eine Geste von<br />

Hans-Adam gewesen, sonst wäre ich doch nie mit <strong>de</strong>m Professor im<br />

Wagen nach Hause gefahren.<br />

Ja gilt die Notiz <strong>de</strong>nn nicht mehr, fragte ich entsetzt. Natürlich, doch,<br />

immer, war die Antwort. Und warum musste ich sie dann zurückgeben?<br />

Hans-Adam wollte solch ein Schriftstück nicht im Umlauf haben, war<br />

die banale Auskunft darauf. Und das mit <strong>de</strong>m „bis zum Urteil auf freiem<br />

Fuss bleiben‚ soll ich nicht wortwörtlich nehmen, alles nur rein<br />

juristische Formsache. <strong>Der</strong> Bankdirektor wur<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r etwas<br />

griesgrämiger.<br />

Ich wandte mich <strong>de</strong>shalb an Dr. Müller mit <strong>de</strong>r Frage, warum er sich<br />

beim UR Dr. P. Meier noch nicht als mein neuer RA im 101er gemel<strong>de</strong>t<br />

hätte. Und was war mit <strong>de</strong>m Zivilverfahren? Er war ehrlich sehr<br />

überrascht: Von einem 101er o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Zivilverfahren hätte er zwar am<br />

Ran<strong>de</strong> gehört. Sein Mandat beschränke sich aber auf die juristischen<br />

Konsequenzen meines Briefes vom 7.1. an Hans-Adam. Innerlich wur<strong>de</strong><br />

ich schon wie<strong>de</strong>r wütend: „Am Ran<strong>de</strong> gehört?‚ Bei<strong>de</strong> Fälle sind im<br />

Detail als Beilage meines Schreibens an Hans-Adam geschil<strong>de</strong>rt, sagte<br />

ich. Ich war völlig perplex. <strong>Der</strong> Bankdirektor entschärfte die Lage, in<strong>de</strong>m<br />

er sagte, dass sich alles aufklären wür<strong>de</strong>. Eines nach <strong>de</strong>m An<strong>de</strong>ren.<br />

Müller sagte, dass er es im Gespräch mit Hans-Adam so verstan<strong>de</strong>n<br />

hätte, dass dieser Gna<strong>de</strong> vor Rache walten liesse. Wie bitte? Gna<strong>de</strong> vor<br />

was? Rache? Das höre ich zum ersten Mal, stöhnte ich.<br />

Was soll das wie<strong>de</strong>r be<strong>de</strong>uten, fragte ich.<br />

Mir wur<strong>de</strong> schlecht und ich musste die Toilette aufsuchen. Als ich<br />

zurückkam weinte ich und wollte gehen. Man überre<strong>de</strong>te mich aber zu<br />

bleiben. Nichts wür<strong>de</strong> mir geschehen. Hans-Adam hätte dies auch <strong>de</strong>m<br />

RA am Telefon versichert. Ich fragte <strong>de</strong>n RA ob er sicher meine Interessen<br />

vertreten wür<strong>de</strong>, da er ja schlussendlich aus <strong>de</strong>r Kasse von Hans-Adams<br />

bezahlt wür<strong>de</strong>. Er erklärte, dass es sich hier um einen sehr<br />

aussergewöhnlichen Fall han<strong>de</strong>ln wür<strong>de</strong> und die Interessen aller<br />

berücksichtigt wer<strong>de</strong>n müssten. Aber, prinzipiell sei er natürlich für mich<br />

da. Ich bedankte mich artig beim ihm. Zum Abschied drückte er mir fest<br />

404


die Hand und beglückwünschte mich zu meinem klugen Entscheid,<br />

freiwillig nach Hause zurückzukehren.<br />

Nach diesem eher bemerkenswerten Meeting fuhr mich <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor nach Vaduz, zur Arbeitslosenversicherung (ALV),<br />

Stempelgeld beantragen. Ich wollte nicht, dass die LGT mir auch noch<br />

Brot und Butter bezahlt. <strong>Die</strong> Übernahme <strong>de</strong>r Mietkosten (ca. CHF 750.-<br />

pro Monat) war schon grosszügig genug. Er war immer noch<br />

angespannt. Wir verloren daher keine Worte mehr über juristische und<br />

an<strong>de</strong>re Kämpfe. Bei <strong>de</strong>r ALV wur<strong>de</strong> mir mitgeteilt, dass ich ab sofort<br />

bezugsberechtigt wäre. Mein Arbeitslosengeld wür<strong>de</strong> ca. 70 Prozent <strong>de</strong>s<br />

Durchschnittslohns <strong>de</strong>r letzten fünf Jahre betragen. Ich hätte Anspruch<br />

auf 250 bezahlte Wochenarbeitstage, also ein gutes Jahr lang.<br />

Als Beweis für meine Bemühungen einen neuen Job zu fin<strong>de</strong>n, müsste<br />

ich meinem zugeteilten Sachbearbeiter fünf Bewerbungen pro Monat<br />

vorlegen. Kein Problem, sagte ich. Mein kalkulierter Durchschnittslohn<br />

war CHF 3'840.- und damit sehr hoch. Ich hatte also mehr als genug für<br />

meinen beschei<strong>de</strong>nen Lebensunterhalt. Ich sagte zum Bankdirektor, dass<br />

ich die Miete selber bezahlen wolle. <strong>Die</strong>ser lehnte dankend ab. <strong>Die</strong> LGT<br />

habe ja die Möbel gekauft und <strong>de</strong>r Mietvertrag läuft auf ihren Namen.<br />

Wenn ich dann eines nicht allzu fernen Tages ausziehen wür<strong>de</strong>, könnte<br />

die Firma die Wohnung für an<strong>de</strong>res Personal benutzen. Nochmals<br />

tausend Dank dafür, sagte ich. Er fuhr mich nach Hause und<br />

verabschie<strong>de</strong>te sich ins Wochenen<strong>de</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Polizei war immer noch nicht voll im Bil<strong>de</strong> und offenbar hatte mich<br />

we<strong>de</strong>r sie noch jemand von <strong>de</strong>r STA schon gesichtet. Am 4.7. verfasste<br />

die Polizei eine Randbemerkung. Angeblich soll ich wie<strong>de</strong>r nach<br />

Liechtenstein eingereist sein. Daher bat sie um ein Treffen mit <strong>de</strong>r STA<br />

und <strong>de</strong>r Justiz, um zu besprechen, wie in dieser Sache weitergefahren<br />

wer<strong>de</strong>n soll.<br />

Am Wochenen<strong>de</strong> kamen mir die ersten Zweifel auf, ob sich alles so<br />

abspielen wür<strong>de</strong>, wie man es mir im Ausland bunt ausgemalt hatte.<br />

Schlimmer noch, ob sich in Vaduz in <strong>de</strong>n letzten paar Monaten alles so<br />

abgespielt hatte, wie man es mir im Ausland erzählt hatte. Ich merkte,<br />

wie mein analytisches Denkvermögen wie<strong>de</strong>r überdrehte.<br />

Nein, es konnte nicht sein, dass sich nach so vielen monatelangen<br />

Diskussionen mit <strong>de</strong>m Bankdirektor und <strong>de</strong>m Professor alles in Luft<br />

auflösen sollte. Nein, un<strong>de</strong>nkbar. Und ich war keiner, <strong>de</strong>r je<strong>de</strong>s zweite<br />

405


o<strong>de</strong>r dritte Wort falsch verstan<strong>de</strong>n hatte. Im Gegenteil, ich ging je<strong>de</strong><br />

Aussage, je<strong>de</strong>m Versprechen von Seiten <strong>de</strong>s Bankdirektors und Hans-<br />

Adam gründlich auf <strong>de</strong>n Grund. Natürlich hatten wir selten dieselbe<br />

Meinung, aber in Bezug auf die Lösungswege stellte ich sicher, dass wie<br />

alle dasselbe darunter verstehen. Wahrscheinlich, so kam im zum Schluss,<br />

war ich nur <strong>de</strong>swegen verwirrt, da ich erst seit vier Tagen wie<strong>de</strong>r<br />

daheim war und <strong>de</strong>n vollständigen Überblick noch nicht hatte.<br />

Ich war mir sicher, dass die Audienz bei Hans-Adam mir <strong>de</strong>n nötigen<br />

Durchblick bringen wür<strong>de</strong>. Zum Glück wur<strong>de</strong> mir am<br />

Samstagnachmittag <strong>de</strong>r Fernseher geliefert. <strong>Die</strong>s brachte etwas<br />

Ablenkung.<br />

Für Montag, <strong>de</strong>n 7.7., hatte sich niemand angemel<strong>de</strong>t und ich hatte auch<br />

keine Termine. Ich überlegte lange, ob ich in <strong>de</strong>n sauren Apfel beissen<br />

und STA Haun direkt anrufen sollte. Nachfragen, wann man die<br />

Anklage im 101er erheben wür<strong>de</strong>. Je mehr ich darüber nachdachte, umso<br />

weniger gefiel mir die Ausführung. Wenn überhaupt, wäre es besser<br />

zuerst einen Brief zu schreiben und die Reaktion abzuwarten. Eine<br />

schöne Abwechslung wür<strong>de</strong> mir ein Ausflug in die Berge geben. Also ab<br />

ging es mit <strong>de</strong>m Bus nach Malbun, <strong>de</strong>m Liechtensteiner „St. Anton‚. Ich<br />

wan<strong>de</strong>rte eine Run<strong>de</strong> im Kreis, dann runter nach Steg und durch einen<br />

kleinen Tunnel auf die Westseite <strong>de</strong>s Höhenzugs. <strong>Die</strong> Aussicht war<br />

atemberaubend. Das ganze Rheintal lag einem zu Füssen. Welch<br />

Kontrast zur holländischen Landschaft. Ich durchquerte Wiesen und<br />

etliche Wald- und Feldwege bis ich in Triesenberg angelangte. Von dort<br />

ging es mit <strong>de</strong>m Bus wie<strong>de</strong>r heim. Nach einem langen Tag war ich froh,<br />

die Beine hoch legen zu können.<br />

Wie abgemacht stand ich am <strong>Die</strong>nstag, <strong>de</strong>n 8.7., pünktlich um 11 Uhr<br />

beim UR Dr. Meier auf <strong>de</strong>r Matte. <strong>Der</strong> Zufall wollte es, dass <strong>de</strong>r Neffe<br />

vom RA Wolfgang Müller, Dr. Roland Müller (Partner/Rechtsanwalt in<br />

<strong>de</strong>r Kanzlei Müller) wegen einer an<strong>de</strong>ren Sache gera<strong>de</strong> beim UR im Büro<br />

war. Trifft sich gut, sagte ich. Ich bat ihn doch für das kurze Gespräch<br />

mit <strong>de</strong>m UR zu bleiben. Gerne willigte er ein.<br />

<strong>Der</strong> UR erläuterte ihm schnell die Sachlage im 101er Gerichtsfall. Als UR<br />

im 101er wäre er überaus zuversichtlich, dass das Obergericht sehr bald<br />

meinem Antrag zur Fortsetzung <strong>de</strong>r Strafuntersuchung befürworten<br />

wür<strong>de</strong>. Das wäre zu begrüssen, erwi<strong>de</strong>rte ich. Aber, fuhr ich fort, schon<br />

vorher wür<strong>de</strong> die STA ihn informieren, dass sie die Strafuntersuchung<br />

406


gegen die Verbrecher Helmut Roegele & Co. wie<strong>de</strong>r aufgenommen habe<br />

und eine Anklage einreichen wür<strong>de</strong>. Dann müsste ich ja nicht selber als<br />

Subsidiarankläger fungieren. Das wür<strong>de</strong> viele erleichtern, antworteten<br />

bei<strong>de</strong> Juristen. Noch hätte <strong>de</strong>r UR aber nichts in diese Richtung von <strong>de</strong>r<br />

STA gehört. Wird schon noch kommen, versicherte ich bei<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Der</strong> Dr. Roland Müller versprach mir, seinen Onkel zu bitten, rasch seine<br />

Rechtsvertretung von mir in diesem Fall formell abzuschliessen.<br />

Am Nachmittag rief <strong>de</strong>r Bankdirektor auf meinem Handy an und teilte<br />

mit, dass ich morgen um 9 Uhr ins Schloss kommen kann. Er sagte auch,<br />

dass ich nie vergessen soll, was Hans-Adam für mich getan hätte und<br />

keine Angst haben soll. Und wenn es geht, soll ich wegen allfälligen<br />

Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten nicht gleich aufbrausen. Warum? Warum<br />

sollte ich Missverständnisse mit ihm haben, fragte ich. <strong>Die</strong>s wäre nur ein<br />

guter Tipp von ihm. Er müsse jetzt gehen und been<strong>de</strong>te das Telefonat.<br />

407


KAPITEL 20 Hochheilige Audienz bei Hans-Adam<br />

<strong>Der</strong> wohl wichtigste und schwierigste Tag meiner letzten sechs Jahre<br />

war gekommen. DAS Vier-Augen-Gespräch mit Hans-Adam <strong>de</strong>m II.,<br />

<strong>de</strong>m Staatsoberhaupt und Lan<strong>de</strong>sführer. Am Abend zuvor hatte ich mir<br />

bei meiner Nachbarin ein Bügeleisen ausgeliehen. Frisch geduscht und<br />

rasiert, mit weissem Hemd und blauer Jeans beklei<strong>de</strong>t, war ich<br />

marschbereit.<br />

<strong>Der</strong> schnellste Weg hinauf zum Hans wäre die Abkürzung durch <strong>de</strong>n<br />

Wald unterhalb vom Schloss, vorbei an <strong>de</strong>r Rückseite <strong>de</strong>s<br />

Regierungssitzes und <strong>de</strong>m Restaurant Real. Dann wür<strong>de</strong> ich aber<br />

verschwitzt ankommen, erkannte ich. Und das ging nicht. Besser <strong>de</strong>n<br />

Bus ins Zentrum nehmen und meinen Onkel Guntram bitten, mich zum<br />

Schloss zu fahren. Er war immer eine hilfsbereit Seele . Beim grossen<br />

Eisentor <strong>de</strong>s Schlosses angekommen, drehte er seinen Wagen um und<br />

wünschte mir viel Glück.<br />

Es war jetzt 15 Minuten vor 9 Uhr. Ich klopfte ans Fenster <strong>de</strong>s kleinen<br />

Portierhäuschen. Man erwartete mich schon, wur<strong>de</strong> mir gesagt. Zum<br />

meiner Verwirrung kam die rechte Hand von Hans-Adam, Gilbert<br />

Kaiser <strong>de</strong>n Kieselweg auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite <strong>de</strong>s eisernen Tors hoch<br />

gelaufen. Das schwere Portal öffnete elektronisch und ich schritt ihm<br />

entgegen. Ich war nicht zum ersten Mal auf Besuch im Schloss. In meiner<br />

Kindheit und Jugend hatte ich ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu<br />

Hans-Adams Mutter, <strong>Fürst</strong>in Gina. Oft backte ich ihr meinen köstlichen<br />

Apfelstru<strong>de</strong>l und lief zu Fuss, im Sommer wie im Winter, <strong>de</strong>n langen<br />

<strong>Fürst</strong>enweg von Schaan nach Vaduz durch <strong>de</strong>n Wald, zu ihrem Schloss.<br />

Bis zu ihrem Tod 1989 hatte ich schriftlichen Kontakt und besuchte sie ab<br />

und zu. <strong>Der</strong> heutige Besuch war natürlich an<strong>de</strong>rs. Normalerweise wird<br />

ein Besucher alleine durch das Tor und dann runter zu alten Holzbrücke<br />

gelassen. Von dort sind es nur ein paar Schritte, vorbei an <strong>de</strong>n Kanonen,<br />

die Richtung Tal ausgerichtet sind, bis zu <strong>de</strong>n Büroräumen o<strong>de</strong>r rechts<br />

um die Kurve in <strong>de</strong>n Innenhof <strong>de</strong>r Burg. Je nach <strong>de</strong>m, was für einen<br />

Termin man mit <strong>de</strong>m Blaublut hatte.<br />

Man wollte wohl bei mir von nun an auf Nummer sicher gehen. Ich<br />

kannte Kaiser seit einigen Jahren persönlich. Er hatte auch seit Jahren<br />

Kenntnis von meinem Argentinienfall. Er und seine nette Frau, die ab<br />

408


und zu mit im Schloss arbeitete, gehören zum treuesten Mitarbeiterstab<br />

<strong>de</strong>r von Liechtenstein. Endlich, endlich bist du wie<strong>de</strong>r da, rief er mir zu.<br />

Ich murmelte etwas verlegen und fragte ihn, ob Hans-Adam gut gelaunt<br />

wäre. Jetzt wie<strong>de</strong>r, freute ich mich zu hören. Er beschwerte sich, dass ich<br />

ab <strong>de</strong>m 7.1. reichlich Hektik hier in <strong>de</strong>n Haushalt gebracht hätte.<br />

Man wäre sehr besorgt um die Reputation <strong>de</strong>r Familie und <strong>de</strong>r LGT<br />

gewesen, nicht zu vergessen die Gefahr für die Kun<strong>de</strong>n. Ich weiss, ich<br />

weiss, erwi<strong>de</strong>rte ich. Dann wur<strong>de</strong> er ernst und sagte, dass man es mir<br />

sehr übel genommen hätte, dass ich so viele Monate schlaflose Nächte<br />

hier im Schloss produziert hatte. Es sei ja alles noch mal gut gegangen,<br />

war das wenige, dass ich zu meiner Verteidigung sagen konnte. Er<br />

wur<strong>de</strong> noch <strong>de</strong>utlicher und sagte wortwörtlich, wenn ich die <strong>Daten</strong><br />

verraten hätte, hätte ich diese Übeltat nicht überlebt. <strong>Die</strong>sen Satz<br />

untermauerte er bildlich in<strong>de</strong>m er langsam mit <strong>de</strong>m Daumen seiner<br />

rechten Hand von ganz links bis ganz rechts entlang seiner Kehle fuhr.<br />

Mir wur<strong>de</strong> sofort klar, dass es kein Witz war.<br />

Auf <strong>de</strong>m Weg zum Büro erzählte er mir, dass mich die Blaublüter bis<br />

zum bitteren En<strong>de</strong> gejagt hätten. Keiner pisst ungestraft <strong>de</strong>nen ans Bein<br />

(Kaisers Worte). Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich weiter laufen o<strong>de</strong>r<br />

umkehren und raus rennen sollte. Aber, ich hatte in Wirklichkeit keine<br />

Wahl. Mir war bewusst, dass Hans-Adam mich die ersten 30 Minuten<br />

<strong>de</strong>finitiv beschimpfen wird. Da musste ich durch und damit Basta.<br />

Kaiser begleitete mich bis ins Vorzimmer, wo die zwei Sekretärinnen am<br />

Computer sassen. Mir wur<strong>de</strong> gesagt, dass ich noch ein paar Minuten<br />

warten müsste. Dann wäre Durchlaucht empfangsbereit.<br />

Ich stülpte meine Hemdsärmel wie<strong>de</strong>r runter und knöpfte sie zu, strich<br />

Hemd und Hose glatt und versuchte meine Nervosität zu unterdrücken.<br />

<strong>Die</strong> dunkle Holztüre öffnete sich und auf seine charakteristische Art &<br />

Weise kam Hans-Adam zwei Schritte auf mich zu und drückte meine<br />

Hand. Ich begrüsste ihn stürmisch und bedankte mich 10'000 Mal für die<br />

Audienz. Er drehte sich um und ich folgte ihm. Da erst erkannte ich,<br />

dass er gleich geklei<strong>de</strong>t war wie ich: weisses Hemd und eine blaue,<br />

jeans-artige Hose. Blau, die Farbe <strong>de</strong>r A<strong>de</strong>ligen. <strong>Die</strong> Aussprache fand im<br />

jenem Raum statt, in <strong>de</strong>m er auch die ausländischen Gäste und ab und<br />

zu die Medien zu Gesprächen empfängt. Wir nahmen, je<strong>de</strong>r auf einem<br />

<strong>de</strong>r Sofas, im 90° Winkel zueinan<strong>de</strong>r Platz. <strong>Die</strong> Möbel waren noch aus<br />

Zeiten seines Vaters, Franz Josef II.<br />

409


Er wirkte nicht nur gelöst, er war es auch. Ich, sonst immer eine grosse<br />

Klappe, war ganz still und wartete ab, was als nächstes passieren wür<strong>de</strong>.<br />

Er war auch nicht gera<strong>de</strong> ein Gesprächsschnellstarter. Stille. Keine<br />

Schimpftira<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Torte, kam es mir in <strong>de</strong>n Sinn. <strong>Die</strong> feine Torte. Ich<br />

bedankte mich für die Sachertorte. Gern geschehen, erwi<strong>de</strong>rte er. Ich sah,<br />

dass er vor sich auf <strong>de</strong>m Salontisch eine Mappe liegen hatte, die mit<br />

Heinrich Kieber markiert war. Sie war dicker als diejenige beim RA<br />

Müller. Ich dachte es wäre immer eine gute I<strong>de</strong>e, nach <strong>de</strong>m<br />

Wohlbefin<strong>de</strong>n seiner Frau, seiner Kin<strong>de</strong>rn und <strong>de</strong>n Enkelkin<strong>de</strong>rn zu<br />

fragen. Allen gehe es gut, sagte er. <strong>Der</strong> Gesundheitsstand seiner<br />

Schwiegertochter gab Anlass zur Sorge in letzter Zeit.<br />

Ich bedankte mich für die Notiz. Keine Ursache. Es wäre auch für ihn ein<br />

Novum gewesen. Er hätte schon vieles in seinem Leben gemacht, aber<br />

eine solche Notiz hätte er noch nie ausfertigen lassen und unterschrieben<br />

müssen. <strong>Der</strong> Professor hatte ihm dies empfohlen, sagte er.<br />

Mit <strong>de</strong>m Stichwort Professor gewann unsere Unterredung an Fahrt. Wir<br />

re<strong>de</strong>ten über die Richter, die STA, die Justiz im Gesamten, seinen Erfolg<br />

bei <strong>de</strong>r Abstimmung im März, die LGT, die <strong>Daten</strong>, die Kun<strong>de</strong>n, seine<br />

Beteiligung an <strong>de</strong>r Firma Ricetec, über <strong>de</strong>n ehemaligen CEO <strong>de</strong>r LGT<br />

Gruppe, <strong>de</strong>n Hans-Adam vor vielen Jahren wegen (ABB-) Insi<strong>de</strong>rtrading<br />

(illegaler Han<strong>de</strong>l mit ABB Aktien) schassen musste und über seinen<br />

Bunker wo die kostbaren Bil<strong>de</strong>r aufbewahrt wer<strong>de</strong>n.<br />

Hans-Adam war überrascht, dass ich so viele Detailkenntnisse über seine<br />

Belange hatte. <strong>Die</strong> meisten Liechtensteiner wüsste nur ein Zehntel<br />

davon, sagte er. Ich erwi<strong>de</strong>rte, dass ich immer mit offenen Augen und<br />

Ohren durch die Gegend ziehe, sehr viel lese und mich die Familie<br />

Liechtenstein immer schon fasziniert hatte. Er lachte freimütig – dies war<br />

für mich ein gutes Zeichen – und sagte, ja, mit offenen Augen und<br />

Ohren, sonst hätte ich die Gelegenheit, das <strong>Daten</strong>band zu entnehmen<br />

wohl nie erspäht.<br />

Er wollte mehr über die näheren Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s <strong><strong>Die</strong>b</strong>stahls erfahren. Ihm<br />

sei gesagt wor<strong>de</strong>n, dass ich <strong>de</strong>n Kniff noch nicht im Detail verraten hätte.<br />

Aber zuerst wolle er wissen, wie und warum ich ausgerechnet einen<br />

Hinweis in seiner Bil<strong>de</strong>rkammer hinterlegt hatte.<br />

Ich erzählte ihm die Vorgeschichte dazu und dass ich unbedingt einen<br />

Mechanismus fin<strong>de</strong>n musste, bei <strong>de</strong>m ich sicher war, dass er selbst<br />

agieren musste und nicht wie immer einfach alles ohne es zu lesen<br />

410


weiter<strong>de</strong>legiere. Er sagte mir, dass er schon herausgefun<strong>de</strong>n hatte, wie<br />

ich mir ohne Gewalt Zugang zum Bunker verschafft hatte. <strong>Die</strong>se Lücke<br />

sei jetzt geschlossen, sagte er und hob <strong>de</strong>n Zeigefinger.<br />

Aber natürlich erwi<strong>de</strong>rte ich, nie im Leben wür<strong>de</strong> ich irgendwo<br />

einbrechen o<strong>de</strong>r so. In Bezug zum DLT-Band, sagte ich, dass es kein<br />

grosser Trick war; eher eine günstige Verkettung von Unachtsamkeiten<br />

seitens <strong>de</strong>r LGT Treuhand. Ich erzählte ihm die Details. Unbewusst<br />

nannte ich das genaue Datum nicht. Erst später fiel mir auf, dass er auch<br />

nicht danach gefragt hatte.<br />

Er beschrieb mir, dass er strengere Sicherheitsvorkehrungen angeordnet<br />

hatte. Zusammen, mit meiner noch abzuliefern<strong>de</strong>n Analyse, wie in<br />

Zukunft so etwas verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n könnte, wür<strong>de</strong> das die LGT wie<strong>de</strong>r<br />

an die Spitze in Sachen <strong>Daten</strong>sicherheit katapultieren. Er erzählte mir<br />

auch, dass die <strong>Daten</strong>träger, die ich für ihn in Berlin abgegeben hatte,<br />

unter Aufsicht vollständig zerstört wor<strong>de</strong>n waren.<br />

Ich hätte ja vom aktuellen Drama bei <strong>de</strong>r LLB gehört, sagte er. Ja!<br />

Inwiefern man <strong>de</strong>nken wür<strong>de</strong>, dass ich da eine Hilfe sein könnte, fragte<br />

ich ihn. Nun ja, antwortete er, er <strong>de</strong>nke, dass es mir gelingen wür<strong>de</strong>, die<br />

richtigen Fragen an Lampert zu stellen o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st für die Polizei zu<br />

formulieren. Ich bat ihn meinen Beitrag nicht zu überschätzen. Nein,<br />

nein, sagte er, mein Input wäre wichtig und Teil meiner eigenen<br />

Rehabilitation. Er erwarte in Bezug auf seine LGT schon eine gut<br />

formulierte Denkschrift (Analyse) von mir. Wann er diese haben möchte,<br />

fragte ich ihn. So schnell es ginge, antwortete er mir. Ich wür<strong>de</strong> schon<br />

morgen damit beginnen, versprach ich ihm.<br />

Warum ich keinen Beweis als Beilage in meinem Brief vom 7.1. geliefert<br />

hätte, fragte er mich als nächstes. Ich hätte halt gedacht, dass mein langer<br />

Brief, mit <strong>de</strong>n vielen Details ausreichen wür<strong>de</strong>.<br />

Er erzählte davon, wie es zu Missverständnissen innerhalb <strong>de</strong>r LGT<br />

gekommen wäre. Einmal hiess es, Kieber hätte die <strong>Daten</strong> nicht, dann<br />

hiess es er hätte sie doch und so weiter, sagte er mit Unterstützung<br />

seiner Arme. Ich entschuldigte mich für die Ungenauigkeit meines<br />

Schreibens. Ich fragte ihn, ob es wirklich keine personellen<br />

Konsequenzen für meine ehemaligen Mitarbeiter gab. Hoffentlich sei<br />

niemand entlassen wor<strong>de</strong>n. Er bestätigte, dass niemand zur<br />

Rechenschaft gezogen wor<strong>de</strong>n sei. Er wür<strong>de</strong> aber lügen, hätte er nicht<br />

411


mit <strong>de</strong>m Gedanken gespielt. Insbeson<strong>de</strong>re dachte er an Dr. Feuerstein,<br />

teile er mir mit.<br />

Jetzt, da nichts passiert sei, müsse man aber wie<strong>de</strong>r in die Zukunft<br />

blicken. Das Geschäft laufe ausgezeichnet, sagte er wortwörtlich. Er<br />

bedankte sich ausdrücklich dafür, dass ich <strong>de</strong>m Bankdirektor gegenüber<br />

so beharrlich war und er <strong>de</strong>shalb die Papieroriginale wie<strong>de</strong>r mit nach<br />

Hause genommen hat. Anstelle man sie in <strong>de</strong>n Reisswolf stopfte.<br />

Ob ich mich versichert hätte, dass alle <strong>Daten</strong>träger unwi<strong>de</strong>rruflich<br />

zerstört sind. Nicht dass sie jemand fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong> und die <strong>Daten</strong><br />

rekonstruiert, sagte er. Ja, ja die <strong>Daten</strong>, sagte ich, Gott sei Dank wäre ich<br />

die los.<br />

Er fragte mich, ob die <strong>Daten</strong> <strong>de</strong>r Mandate seiner grossen Familie, sei es<br />

als Begünstigte o<strong>de</strong>r z.B. im Stiftungsrat, je in Gefahr gewesen waren.<br />

Nein, sagte ich. Es wäre so gewesen, wie ich es in meinem Brief an ihn<br />

vom 7.1. geschil<strong>de</strong>rt hatte. All diese Mandate wären nicht auf <strong>de</strong>n zwei<br />

externen Harddisks und <strong>de</strong>n vier DVDs gespeichert gewesen, aber auf<br />

<strong>de</strong>m DLT-Band natürlich vorhan<strong>de</strong>n waren. Er konterte mit <strong>de</strong>r<br />

Diagnose <strong>de</strong>r IT-Abteilung <strong>de</strong>r LGT Treuhand, die ihm gesagt hätte, eine<br />

Trennung solcher Mandate von <strong>de</strong>r Masse sei nicht möglich. Ich war<br />

sehr erstaunt darüber und erklärte ihm, nichts sei einfacher als das.<br />

Wenn man eine Kopie von einem <strong>Daten</strong>stamm herstellt und man<br />

diverse Dateien nicht in dieser Kopie (auf neuem <strong>Daten</strong>träger) haben<br />

möchte, dann kopiert man sie einfach nicht rüber. Was nie rüberkopiert<br />

wor<strong>de</strong>n war, kann auch nie dort gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

Er war mit meiner Antwort merklich zufrie<strong>de</strong>n.<br />

Warum ich in Berlin nicht in seinen Wagen eingestiegen bin, fragte er<br />

weiter. Ich konnte nicht. Ich wäre mir sicher gewesen, dass eine so frühe<br />

Rückkehr ein an<strong>de</strong>res Resultat gebracht hätte, als wir es jetzt erlebt<br />

hatten und erleben wür<strong>de</strong>n. Warum ich ausgerechnet nach Holland<br />

weitergefahren bin, fragte er mich. In Berlin konnte ich nicht mehr<br />

bleiben, erwi<strong>de</strong>rte ich. Nach<strong>de</strong>m ihre berühmte Option 2 o<strong>de</strong>r Variante 2<br />

in Kraft getreten war, sagte ich. Hätte man mir die Schutz-ID in Berlin<br />

überlassen, wäre alles viel leichter für mich gewesen. Das Risiko war<br />

enorm, mit <strong>de</strong>n Originalpapieren und <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong>trägern kreuz und quer<br />

durch Europa zu reisen. Ich hätte ihn aber per Emailkommunikation<br />

darauf hingewiesen, dass er und die LGT dieses zusätzliche Risiko<br />

tragen müssten, erlaubte ich mir zu erwähnen.<br />

412


Ja, sagte Hans-Adam, im Rückblick hätte er mir <strong>de</strong>n Schutz-Pass in<br />

Berlin übergeben sollen. Nie im Leben wür<strong>de</strong> ich ihm <strong>de</strong>swegen<br />

Vorwürfe machen, sagte ich ihm. Uns allen hier in Vaduz kam die<br />

Vorstellung, wie ich mit <strong>de</strong>n Angaben zu knapp 4000<br />

Treuhandgesellschaften mit einem kombiniertem Bankvermögen von<br />

mehr als 7 Milliar<strong>de</strong>n CHF in Berlin herumrenne, wie <strong>de</strong>r Beginn <strong>de</strong>s<br />

letzten Abendmahls vor, formulierte er es bildhaft.<br />

Ich fragte vorsichtig, ob ich diesbezüglich ein paar Anekdoten erzählen<br />

dürfte. Gerne, er habe heute für alles ein offenes Ohr. Ich berichtete ihm<br />

über meine Vermieterin Daniela in Berlin, ihre Ängste ich könnte ein<br />

Terrorist sein. Und über <strong>de</strong>n Polizisten aus Münster/Osnabrück.. Da<br />

Hans-Adam sein Glück fast nicht fassen konnte, legte ich noch eines<br />

drauf und illustrierte ihm mein Aufeinan<strong>de</strong>rtreffen mit <strong>de</strong>n<br />

angeheuerten Schnüfflern in Berlin.<br />

Nach<strong>de</strong>m er tief Luft geholt hatte, sagte er mit grosser Erleichterung,<br />

dass wir alle nochmals mit einem dicken veilchenblauen Auge<br />

davongekommen waren. Ich nickte beipflichtend. Und <strong>de</strong>r Zwischenfall<br />

in Berlin mit <strong>de</strong>n Privat<strong>de</strong>tektiven wäre nicht seine I<strong>de</strong>e gewesen. Ich<br />

konnte ihn verstehen. Ich hätte an seiner Stelle vermutlich dasselbe<br />

getan, sagte ich etwas gedrückt. Ich fragte ihn, ob es stimme, dass man<br />

sich mit <strong>de</strong>m Gedanken befasst hatte, mich mit Gewalt nach Hause zu<br />

holen. O<strong>de</strong>r mich ganz zu beseitigen. Sofort nach<strong>de</strong>m ich diese Fragen<br />

artikuliert hatte, bereute ich sie gestellt zu haben. Ich war mir sicher,<br />

dass er mir darauf keine ehrliche Antwort geben wür<strong>de</strong>, geben könnte.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor und sein Gilbert Kaiser hätten sich diesbezüglich klar<br />

geäussert, fügte ich fix dazu, um nicht <strong>de</strong>n Eindruck zu hinterlassen,<br />

dass ich ihm offen und direkt solche gangstermässigen Pläne<br />

unterstellen wür<strong>de</strong>. Er hielt inne und dachte nur kurz nach. Offenbar<br />

fühlte er sich sehr (selbst-) sicher und es war ihm auch bewusst, dass,<br />

was immer er jetzt dazu sagen wür<strong>de</strong>, er es einmal und nie wie<strong>de</strong>r in<br />

Worte fassen wür<strong>de</strong> und es unter uns bleiben wür<strong>de</strong>. Man sah es ihm<br />

gera<strong>de</strong>zu im Gesicht an, dass er als Lan<strong>de</strong>sführer, als Mensch, wohl noch<br />

nie in eine solche Lage geraten war, die in soweit bringen wür<strong>de</strong>,<br />

überhaupt auf solche Fragen eine Antwort zu formulieren.<br />

Trotz<strong>de</strong>m war seine Antwort glasklar: Obwohl er als Katholik<br />

Gewalttaten wie Kidnapping o<strong>de</strong>r ähnliches ablehnen wür<strong>de</strong>, hätte ich<br />

ihm mit meinem Han<strong>de</strong>ln nur zwei Optionen offen gelassen. Nie wür<strong>de</strong><br />

er es zulassen, dass sein Geschäftsimperium einen Scha<strong>de</strong>n erlei<strong>de</strong>n<br />

413


wür<strong>de</strong>. Natürlich sei es klar, fuhr er fort, dass wenn <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>n gross<br />

wäre, die davon am schwersten Betroffenen ihr Recht, <strong>de</strong>n Schuldigen<br />

aus <strong>de</strong>r Welt zu schaffen, in die eigenen Hän<strong>de</strong> nehmen wür<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>s sei<br />

eine rein theoretische Frage, erwi<strong>de</strong>rte er, da ja keine <strong>Daten</strong> verraten<br />

wor<strong>de</strong>n waren. Aber wären die <strong>Daten</strong> wirklich verraten wor<strong>de</strong>n, dann<br />

wäre eine solche drastische Massnahme – von wem auch immer -<br />

durchaus evi<strong>de</strong>nt, schloss er seinen Vortrag dazu. Wobei er sich keine<br />

Mühe gab zu verbergen, wen er mit <strong>de</strong>n Schwerstbetroffenen meinte.<br />

Seine Sippe.<br />

Das Dümmste was ich dazu sagen konnte, hörte er dann auch von mir:<br />

Aha, ich verstehe ganz – kann ich zu 100 Prozent nachvollziehen, sagte<br />

ich. Wie blöd von mir, stellte ich in Gedanken fest. Als wür<strong>de</strong> ich eine<br />

solche Massnahme auch noch selber befürworten. Besser in dieser<br />

Richtung nicht tiefer bohren, dachte ich.<br />

Da ich spürte, dass man mit ihm wirklich Klartext re<strong>de</strong>n konnte und ich<br />

das Gespräch von meinem Han<strong>de</strong>ln wegleiten wollte, wagte ich mich vor<br />

und erwähnte seine Leichen im Keller. Schliesslich waren wir zwei<br />

alleine im Raum. Ich schil<strong>de</strong>rte, wie erstaunt ich gewesen war, bei <strong>de</strong>r<br />

LGT nicht nur Leichen gefun<strong>de</strong>n zu haben, son<strong>de</strong>rn auch aktive Mandate<br />

i<strong>de</strong>ntifizieren konnte, die im starken Kontrast stand zu <strong>de</strong>m gängigen<br />

Bild was die (Finanz-) Welt von <strong>de</strong>r LGT hatte und die LGT selber<br />

pflegen wür<strong>de</strong>. Dass nicht nur ich, auch an<strong>de</strong>re Mitarbeiter <strong>de</strong>s Projekts<br />

e-Doc aus allen Wolken gefallen wären,als wir die vielen Mandate mit<br />

kriminellem Hintergrund gefun<strong>de</strong>n hätten.<br />

Er äusserte sich dahingehend, dass ich schon verstehen müsse, dass er<br />

selber nie alle Mandate persönlich kennen könnte. Sein Bru<strong>de</strong>r aber<br />

schon, meinte ich frech. Ich sagte auch, dass ich we<strong>de</strong>r ihn noch die LGT<br />

kritisieren wolle.<br />

Ich fragte ihn, ob man mittlerweile so klug gewesen wäre und sich jener<br />

Mandate entledigt hatte. Nein, war die kurze Antwort. Hans-Adam<br />

erklärte dazu, dass was im Ausland als kriminell gelten wür<strong>de</strong>, nicht<br />

automatisch bei uns so sei. Na, wenn <strong>de</strong>m so sei, dann lasst uns nur<br />

hoffen, dass die <strong>Daten</strong> nie <strong>de</strong>n ausländische Behör<strong>de</strong>n in die Hän<strong>de</strong><br />

fallen, erwi<strong>de</strong>rte ich.<br />

Um das Gespräch weg von solchen Horrorszenarien zu bringen, bat ich<br />

ihn, mir das 3-D-Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s Kerkers in Argentinien zurückzugeben. <strong>Der</strong><br />

414


UR Dr. Meier hätte mir gestern gesagt, dass es nicht zum Gericht<br />

gebracht wur<strong>de</strong>. Ach ja, die grosse Schachtel, sagte Hans-Adam, die habe<br />

er entsorgen lassen. Man wusste nicht wohin damit im Schloss. Ich<br />

dachte zuerst es wäre ein blö<strong>de</strong>r Scherz von ihm. Aber nein, lei<strong>de</strong>r nicht,<br />

sagte er.<br />

Mich traf es sehr. Er war dann auch über <strong>de</strong>n Schock, <strong>de</strong>n seine Antwort<br />

im mir auslöste, sehr betroffen. Es tue im Leid, aber in <strong>de</strong>r Anfangsphase<br />

wäre man sehr wütend auf mich gewesen. Das Mo<strong>de</strong>ll wäre ein<br />

wichtiges Beweisstück, sagte ich, für <strong>de</strong>n Gerichtsprozess. Wie konnte er<br />

es da wegwerfen? Warum man es nicht runter zum Gericht habe bringen<br />

können, fragte ich. Er wisse es nicht mehr. Mir kamen die Tränen und er<br />

wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Er bestellte<br />

Papiertaschentücher bei seiner Sekretärin.<br />

Um die Stimmung wie<strong>de</strong>r zu heben, erzählte er mir, dass er <strong>de</strong>n 101er<br />

und <strong>de</strong>r 140er selber studiert hätte. Grausam was mir dort angetan<br />

wor<strong>de</strong>n war. Er kenne Südamerika gut. Abscheuliche Dinge passieren da<br />

immer wie<strong>de</strong>r. Von diesem Spanier Ventosa und <strong>de</strong>m Deutschem,<br />

Roegele heisst er, nicht wahr? Ich wür<strong>de</strong> ihm Leid tun, sagte er wie<strong>de</strong>r.<br />

Wenige Menschen hätten solchen Terror ohne einen psychischen<br />

Scha<strong>de</strong>n überlebt. Ich wusste nicht genau, wie ich diese wortwörtliche<br />

Aussage von ihm <strong>de</strong>uten sollte. Meinte er damit, ich hätte einen<br />

Dachscha<strong>de</strong>n davongetragen, o<strong>de</strong>r meinte er ich hätte keinen.<br />

Egal, Böse hatte er sicher nicht gemeint, dachte ich.<br />

Ich fragte ihn vorsichtig, warum <strong>de</strong>r neue RA Müller noch nicht beim<br />

Gericht in diesen zwei Fällen vorstellig gewor<strong>de</strong>n sei. Er selber sei lei<strong>de</strong>r<br />

kein Jurist, antwortete er. Oft hätte er sich dies in <strong>de</strong>r Vergangenheit aber<br />

gewünscht, sagte er in Anspielung auf die verbittert geführte<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzung im Abstimmungskampf um die neue Verfassung.<br />

Er führte weiters aus, dass ihm seine Experten auch bescheinigt hätten,<br />

dass mir Unrecht geschehen war. <strong>Die</strong> STA hätte ohne Schwierigkeit<br />

Anklage erheben können. Ob das Kriminalgericht in <strong>de</strong>r Folge die Täter<br />

verurteilt hätte, stün<strong>de</strong> in einem an<strong>de</strong>rem Buch, sagte er. Ich stimmte<br />

vollkommen mit ihm überein. Ich sagte, dass die STA die ganzen Jahre<br />

hindurch stets eine an<strong>de</strong>re Ausre<strong>de</strong> gesucht und gefun<strong>de</strong>n haben muss,<br />

um im 101er nicht vorwärts zu kommen.<br />

415


Auf einmal piepste es aufdringlich aus Richtung <strong>de</strong>s alten Schrank o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Kommo<strong>de</strong> nahe <strong>de</strong>m Kasten.. Ich erschrak. Er stand auf,<br />

entschuldigte sich und verliess <strong>de</strong>n Raum. Ich sass da und dachte über<br />

das bisher gesprochenen nach. Dann kam mir <strong>de</strong>r Gedanke, dass er<br />

womöglich das Gespräch heimlich aufzeichnen lässt. Darum <strong>de</strong>r<br />

Piepston. <strong>Die</strong> Tonbandkassette voll o<strong>de</strong>r das Digitalaufnahmegerät hatte<br />

keinen Saft mehr.<br />

Es vergingen zwei o<strong>de</strong>r drei Minuten, dann kam er wie<strong>de</strong>r rein und<br />

setzte sich auf seinen Platz. Er wür<strong>de</strong> gerne jetzt über meine Zukunft<br />

re<strong>de</strong>n, sagte er. Das wäre wünschenswert, erwi<strong>de</strong>rte ich. Er erzählte mir,<br />

dass er folgen<strong>de</strong>n Plan habe. Ihm sei es angeblich nicht gelungen, die<br />

Justiz davon zu überzeugen, dass man <strong>de</strong>n 140er Gerichtsfall und die<br />

Strafuntersuchung im Zusammenhang mit meinem Brief an ihn einstellt.<br />

Noch bis Anfang dieser Woche hätte er Gespräche <strong>de</strong>swegen geführt.<br />

Als er merkte, dass ich wie<strong>de</strong>r zu einem fast nie en<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Re<strong>de</strong>schwall<br />

ansetzen wollte, unterbrach er mich gleich zu Beginn und bat mich, ihn<br />

bitte ausre<strong>de</strong>n zu lassen. Wegen <strong>de</strong>r ganzen Angelegenheit hätte sich bei<br />

<strong>de</strong>r Justiz und <strong>de</strong>r STA ein gewisser Level an Ressentiments (Groll,<br />

Hass) mir gegenüber aufgebaut. <strong>Die</strong>se Hass sei zwar keine i<strong>de</strong>ale,<br />

professionelle Berufsauffassung, <strong>de</strong>nnoch führe kein Weg daran vorbei,<br />

die Affäre ein für alle mal, hier und jetzt in Vaduz zu been<strong>de</strong>n.<br />

Er müsse <strong>de</strong>n involvierten Parteien, <strong>de</strong>r Justiz eine gewisse Lösung<br />

anbieten, wobei sie ihr Gesicht nicht verlieren. Ein Ablassventil<br />

sozusagen, um <strong>de</strong>r angestauten dicken Luft die Gelegenheit zu geben,<br />

kontrolliert entweichen zu können, erklärte er mir buchstäblich. Unter<br />

kontrolliert wür<strong>de</strong> er mit „minimalem Scha<strong>de</strong>n für mich‚ meinen,<br />

ergänzte er. Ich hatte eher das Gefühl, dass er das Ventil braucht, um<br />

seine angestaut Pressluft loszuwer<strong>de</strong>n. Er war noch nicht fertig mit <strong>de</strong>r<br />

Ausführung seines Plans.<br />

Da die Anklage im 140er rechtskräftig wäre, wür<strong>de</strong> man die neu dazu<br />

gekommenen Straftaten, wie die versuchte Nötigung seiner Person mit<br />

<strong>de</strong>m 140er zusammenlegen und alles in einem raschen Verfahren<br />

gerichtlich abschliessen. Ich müsste es von <strong>de</strong>r positiven Seite sehen.<br />

Ich konnte nicht mehr ruhig sitzen bleiben und bombardierte ihn mit<br />

Fragen. Seit wann wäre die Anklage im 140er rechtskräftig? Warum<br />

wur<strong>de</strong> mir nichts davon gesagt? Warum wur<strong>de</strong> mir von seinen zwei<br />

Gesandten etwas ganz an<strong>de</strong>res in Holland aufgetischt? Als er merkte,<br />

dass ich wie<strong>de</strong>r zu einem fast nie en<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Re<strong>de</strong>schwall ansetzte,<br />

416


unterbrach er mich gleich zu Beginn und bat mich, ihn bitte ausre<strong>de</strong>n zu<br />

lassen.<br />

Zu<strong>de</strong>m wür<strong>de</strong> ich nicht verstehen, warum er sagt, dass er die Justiz von<br />

einer Einstellung <strong>de</strong>r Verfahren nicht überzeugen konnte, wenn er doch<br />

Kraft <strong>de</strong>r Verfassung je<strong>de</strong>s Gerichtsverfahren in Liechtenstein eröffnen,<br />

wie<strong>de</strong>reröffnen o<strong>de</strong>r einstellen kann.<br />

Er wisse dies alles, erwi<strong>de</strong>rte er zu meinem erstaunen. Aber, a-b-e-r, das<br />

Endresultat wäre dasselbe. Warum, fragte ich. Sie wollen doch das alles<br />

rasch hinter sich bringen, nicht wahr, fragte er mich und fuhr fort, ohne<br />

auf meine Antwort zu warten. Meine eigene Position in <strong>de</strong>r Verfolgung<br />

<strong>de</strong>r Täter von Argentinien wür<strong>de</strong> immens an Stärke gewinnen, wenn<br />

vorher alle an<strong>de</strong>ren Fälle juristisch abgeschlossen waren, sagte er und<br />

fügte folgen<strong>de</strong> Argumentation an: Wir hätten hier zwei Optionen. Wir<br />

könnten die Spanier nochmals anfragen, ob die <strong>de</strong>n bei Gericht in<br />

Barcelona hängigen Fall an uns abtreten wür<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r wir könnten die<br />

in Spanien vorgeworfene Tat bei unserem Gericht selber behan<strong>de</strong>ln (<strong>de</strong>m<br />

140er) und das Resultat an die Spanier übermitteln.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r Vereinbarung mit <strong>de</strong>r spanischen Justiz wür<strong>de</strong> das<br />

Gericht in Barcelona unser Urteil anerkennen und somit <strong>de</strong>n Fall dort<br />

schliessen. Was be<strong>de</strong>uten wür<strong>de</strong>, dass endlich, nach so vielen Jahren,<br />

auch <strong>de</strong>r spanische Haftbefehl gegen mich aufgehoben wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>s<br />

leuchtete mir ein. Er habe das Gericht und die STA angewiesen, diesem<br />

Fall nun die höchste Priorität zu geben, sodass alles am En<strong>de</strong> dieses<br />

Jahres erledigt sein wür<strong>de</strong>. En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Jahres, sagte ich entsetzt und<br />

schüttelte <strong>de</strong>n Kopf hin und her. Unmöglich! Und sowieso, welches<br />

Resultat wür<strong>de</strong> er sehen, fragte ich ihn. Da ich mich vehement gegen die<br />

Beschuldigungen im 140er wehren wür<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong> sich dieser Fall über<br />

Jahre durch alle Instanzen ziehen. Insbeson<strong>de</strong>re weil die<br />

verurteilungssüchtige STA mit einem möglichen Freispruch nicht<br />

zufrie<strong>de</strong>n sein wird.<br />

Er hätte dies mit seinen Experten auch bedacht. Ich befän<strong>de</strong> mich in<br />

einer aussergewöhnlich optimalen Lage, sagte er. Da <strong>de</strong>r Plan vorsah,<br />

<strong>de</strong>n 140er mit <strong>de</strong>n neuen Vorwürfen zusammenzulegen, könne ich ein<br />

mil<strong>de</strong>s Urteil erwarten. Mein Vorstrafenregister beim Gericht sei ja leer.<br />

Tatsache wäre auch, dass ich keinen Scha<strong>de</strong>n für ihn und Liechtenstein<br />

verursacht hätte, freiwillig nach Hause gekommen war und Reue gezeigt<br />

417


hätte. <strong>Die</strong>s alles wür<strong>de</strong> das Gericht berücksichtigen müssen. Sollte dies<br />

nicht <strong>de</strong>r Fall sein, wür<strong>de</strong> er sofort vorstellig wer<strong>de</strong>n. Ich war, was selten<br />

vorkam, sprachlos.<br />

Natürlich, so empfahlen es ihm angeblich seine Experten, könne dies<br />

alles nur reibungslos und in einer überschaubaren Frist passieren, wenn<br />

ich mich bei <strong>de</strong>r Gerichtsverhandlung nicht gross äussern wür<strong>de</strong>. Am<br />

Besten sei es, wenn ich mich zu allem schuldig bekenne, sagte er. Ich<br />

musste zehn Mal leer schlucken. Wie bitte? Ich musste erst die Worte<br />

verdauen. Weiss mein neuer RA davon, fragte ich ihn. Ja, sagte er. Alles<br />

sei mit ihm so diskutiert wor<strong>de</strong>n.<br />

Das ich mich im Bezug auf die neuen Vorwürfe (resultierend aus <strong>de</strong>m<br />

Brief an ihn vom 7.1.) schuldig bekenne, könnte ich mir wage vorstellen.<br />

Es komme aber darauf an, was mir konkret im Gericht dazu dann<br />

vorgeworfen wür<strong>de</strong>, sagte ich. Ein undurchdachtes „sich schuldig<br />

bekennen‚ könnte schwere Konsequenzen für mich haben, stellte ich<br />

fest. Aber unter keinen Umstän<strong>de</strong>n, auf keinen Fall wür<strong>de</strong> ich mich im<br />

140er schuldig bekennen. Ob hier alle verrückt gewor<strong>de</strong>n wären, fragte<br />

ich ihn und entschuldigte mich sofort für diese Frage. Das ergibt doch<br />

alles keinen Sinn! Nach über sechs Jahren Wi<strong>de</strong>rstand gegen die falschen<br />

Behauptungen, soll ich aus heiterem Himmel eine 180°-Drehung machen<br />

und mich ohne Kommentar einfach schuldig bekennen? Wer das von<br />

mir verlangen wür<strong>de</strong>, hätte nichts von <strong>de</strong>m verstan<strong>de</strong>n, was ich<br />

anprangert hatte. Es wäre mir bewusst, dass meine Karten im Moment<br />

nicht gut sind, sagte ich. <strong>Der</strong> Grund dafür waren die Fehlurteile <strong>de</strong>r<br />

Justiz hier.<br />

Recht haben und vor Gericht Recht bekommen sind zwei Paar Schuhe,<br />

belehrte er mich. Und manchmal mache es doch keinen Sinn, auf die<br />

ultimative Wahrheit zu pochen. Und wie man sich die Anklage im 101er<br />

vorstellen wür<strong>de</strong>, fragte ich ihn dann. Es wäre doch absurd, wenn ich<br />

mich im 140er ohne weiteren Kommentar für schuldig bekennen wür<strong>de</strong><br />

und im nächsten Atemzug eine Anklage gegen die Verbrecher Helmut<br />

Roegele & Co. vorgelegt wür<strong>de</strong>. <strong>Der</strong> Anwalt von Helmut wür<strong>de</strong> sich<br />

doch kaputtlachen und die Anklage in <strong>de</strong>r Luft zerreissen. Hans-Adam<br />

hatte auch darauf eine Antwort. Seine Rechtsexperten wären <strong>de</strong>r<br />

Meinung, dass ein Schuldbekenntnis im 140er absolut keinen Einfluss<br />

auf eine Anklage im 101er hätte. Bei<strong>de</strong> Fälle wären juristisch getrennt<br />

behan<strong>de</strong>lbar. Ich wi<strong>de</strong>rsprach scharf.<br />

418


Und was ist mit <strong>de</strong>m blockierten Geld, fragte ich. Wür<strong>de</strong> ich mich im<br />

140er schuldig bekennen, be<strong>de</strong>ute dies automatisch, dass meine Folterer<br />

das Geld bekommen. Nein, noch schlimmer Helmut wür<strong>de</strong> alles<br />

bekommen. Dank <strong>de</strong>m Urteil vom Gericht in Vaduz könnte er einen<br />

doppelten Sieg feiern, über mich und über seinen Komplizen Mariano<br />

M.-V. R, mit <strong>de</strong>m er die Beute nicht mehr teilen müsste.<br />

Auch dazu hatte er sich eine rechtliche Meinung einholen lassen, sagte<br />

er. Er versprach mir dass er sofort nach Abschluss einer erfolgreichen<br />

Strafverfolgung auch helfen wür<strong>de</strong>, die Gel<strong>de</strong>r durch ein Zivilverfahren<br />

am Wohnort von Helmut wie<strong>de</strong>r zurückzuholen. Koste es was es wolle.<br />

Weiters fragte ich ihn, wie dies alles praktisch ablaufen sollte. Was<br />

wür<strong>de</strong> passieren, wenn mich das Gericht, nach einem sensationellen<br />

Schuldbekenntnis ins Gefängnis wirft? In <strong>de</strong>r Sekun<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>r ich diese<br />

Frage been<strong>de</strong>t hatte, begriff ich die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Satzes im Beschluss<br />

zum Freien Geleit: „<strong>Der</strong> Antragsteller kann bis zu einer erstinstanzlichen<br />

Verurteilung auf freiem Fuss bleiben.‚<br />

Ich schil<strong>de</strong>rte Hans-Adam meine Befürchtung, dass man mich ins<br />

Gefängnis werfen wür<strong>de</strong> und ich nie die Zeit, Kraft und Chance hätte,<br />

die wichtige Anklage gegen die Verbrecher mitzuerleben. Jetzt wäre mir<br />

auch klar, warum <strong>de</strong>r neue RA Müller nicht für die Fälle 140 und 101<br />

nominiert wor<strong>de</strong>n war, fügte ich konsterniert bei.<br />

Hans-Adam wur<strong>de</strong> etwas ungeduldig. Er sehe nicht, warum mich ein<br />

Gericht zu einer Haftstrafe verurteilen sollte. Zu<strong>de</strong>m hätte er Mittel und<br />

Wege zur Hand, dies zu verhin<strong>de</strong>rn. Es wür<strong>de</strong> keinen Zweck haben, jetzt<br />

auf Paragraphenreiterei zu pochen. Es wäre doch das Beste, wenn ich<br />

endlich über die Kombination Argentinien und Liechtenstein hinweg<br />

kommen wür<strong>de</strong>. Ich sah ihn mit ganz offenen Augen an und fragte, was<br />

er damit meine. Er offenbarte mir, dass nicht nur er aufgrund meines<br />

gestörten Verhältnisses zur STA und <strong>de</strong>r Justiz eine ganz kleine<br />

Erfolgsaussicht sehen wür<strong>de</strong>, die Verbrecher ihre verdiente Strafe hier in<br />

unserem Land erhalten wür<strong>de</strong>n.<br />

Ich erkannte sofort, worauf er hinaus wollte. <strong>Die</strong>se Worte waren zu viel<br />

für mich. Ich entschuldigte mich höflich, stand auf und lief zur Türe. Auf<br />

<strong>de</strong>m kurzen Weg dorthin bedankte ich mich nochmals für seine Mühe,<br />

Gna<strong>de</strong> und sein Verständnis. Ich sagte ihm, dass ich es ihm nicht übel<br />

nehme, dass er mich mit Versprechen nach Hause gelockt hat, die er jetzt<br />

offenbar nicht einhalten konnte o<strong>de</strong>r wollte.<br />

419


Herr Kieber, Herr Kieber, b-l-e-i-b-e-n sie hier, rief er. Mir war die ganze<br />

Situation peinlich. Er konnte ja wirklich nichts dafür, was 1996 in<br />

Spanien und 1997 in Argentinien passiert war. Selbst im Hinblick auf<br />

seine LGT, die absolut keine saubere Weste hatte, wer war ich, ihm<br />

etwas vorzuwerfen. Ein ehemaliger Mitarbeiter, <strong>de</strong>m vertraut wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r<br />

dann <strong>Daten</strong> mitgenommen hatte. Ich stand für ein paar Sekun<strong>de</strong>n still<br />

und dachte blitzschnell nach. Sollte ich jetzt rausgehen o<strong>de</strong>r sollte ich<br />

bleiben. Besser ich bleibe, dachte ich. Ich setzte mich wie<strong>de</strong>r.<br />

Hans-Adam sagte, dass er selbstverständlich seine Zusagen und<br />

Versprechungen halten wür<strong>de</strong>. Sonst wür<strong>de</strong> er sie erst gar nicht<br />

aussprechen und überbringen lassen. Ich sollte ihn einfach mal fertig<br />

ausre<strong>de</strong>n lassen, was <strong>de</strong>n Plan betreffen wür<strong>de</strong>. Er habe nach sorgfältiger<br />

Prüfung festgestellt, dass das Einsetzten o<strong>de</strong>r Bestellen eines<br />

Son<strong>de</strong>rstaatsanwaltes sowie die Benennung eines ausseror<strong>de</strong>ntlichen<br />

Richtergremiums in LIECHTENSTEIN kein Vorteil (für mich) bringen<br />

wür<strong>de</strong>. Warum, stellte er gleich selber die Frage. Weil wir da auf zu<br />

starke Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong> treffen wür<strong>de</strong>n, sagte er.<br />

Ich begriff nichts mehr. Seine Experten kamen zum Schluss, dass das<br />

angestrebte Ziel, die Verbrecher von einem Kriminalgericht erfolgreich<br />

verurteilen zu lassen, viel besser in <strong>de</strong>n Wohnsitzlän<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Täter<br />

erreicht wer<strong>de</strong>n könnte. Das waren Deutschland, Spanien und<br />

Argentinien. <strong>Die</strong> Straftaten seien Offizial<strong>de</strong>likte und sehr gut<br />

dokumentiert, die Beweislage exzellent. Mit <strong>de</strong>r Verpflichtung <strong>de</strong>r besten<br />

Rechtsanwaltskanzleien vor Ort wären die Täter schon mit einem Bein<br />

im Gefängnis. <strong>Der</strong> genaue Aufenthaltsort <strong>de</strong>r Täter könnte<br />

gegebenenfalls mit Hilfe von privaten Ermittlern ausfindig gemacht<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Hans-Adam sagte, er wür<strong>de</strong> auch anerkennen, dass die Mühlen <strong>de</strong>r<br />

Justiz in Argentinien sehr langsam mahlen wür<strong>de</strong>n. Für Spanien und vor<br />

allem Deutschland sehe er keine solchen Probleme. <strong>Die</strong> meiste Zeit<br />

wur<strong>de</strong> ja bei <strong>de</strong>r Liechtensteiner Justiz vergeu<strong>de</strong>t. Seit <strong>de</strong>r Anzeige sind<br />

über sechs Jahre vergangen, rechnete er mir laut vor. Das wür<strong>de</strong> doch<br />

zeigen, dass unser System nicht das schnellste wäre. Ich konnte ihm da<br />

nur leise und kopfnickend zustimmen. Natürlich wäre dies alles mit<br />

enormem finanziellem Aufwand verbun<strong>de</strong>n, zitierte er die Worte <strong>de</strong>r<br />

Experten.<br />

<strong>Die</strong> Sekretärin klopfte an die Türe und mel<strong>de</strong>te einen Anrufer für Hans-<br />

Adam. <strong>Die</strong>ser stand auf und ging raus. Vorher sagte er noch, dass ich<br />

420


mir die Angelegenheit doch ein paar Minuten durch <strong>de</strong>n Kopf gehen<br />

lassen soll. Langsam verstand ich die Erläuterungen von Hans-Adam.<br />

Denkbar, dass er Recht hatte. Er hat sicher nur Topaka<strong>de</strong>miker um Rat<br />

gefragt, sagte ich zu mir selber. Als er zurückkam, erzählte ich ihm, dass<br />

im 101er ja noch <strong>de</strong>r Entscheid <strong>de</strong>s Obergerichts ausstehen wür<strong>de</strong>. Ja, er<br />

wisse dies, sagte er und erklärte mir: Selbst wenn meinem Antrag auf<br />

Fortführung <strong>de</strong>r Strafuntersuchung stattgegeben wür<strong>de</strong>, o<strong>de</strong>r – was von<br />

Anfang an <strong>de</strong>r Fall hätte sein sollen – die STA in Vaduz die Anklage<br />

erhoben hätte - wür<strong>de</strong> dies nicht be<strong>de</strong>uten, dass die Täter freiwillig vor<br />

<strong>de</strong>m Kriminalgericht erscheinen wür<strong>de</strong>n.<br />

Haftbefehle für die Täter wären dann <strong>de</strong>r nächste logische Schritt. Ob<br />

das Ausland die Täter nach Liechtenstein ausliefern wür<strong>de</strong>n, stehe in<br />

<strong>de</strong>n Sternen. Wenn ich es wünschte, könnte er <strong>de</strong>r Justiz <strong>de</strong>n Auftrag<br />

geben <strong>de</strong>n 101er Gerichtsfall an die Justiz <strong>de</strong>r betroffenen Län<strong>de</strong>r<br />

abzutreten. Nein, nein, rief ich. Das dauert sicher wie<strong>de</strong>r zu lange. Besser<br />

wäre es doch zumin<strong>de</strong>st parallel dazu, eine Anzeige bei <strong>de</strong>n<br />

Bezirksgerichten <strong>de</strong>s Wohnorts je<strong>de</strong>s einzelnen Täters einzureichen.<br />

O<strong>de</strong>r, fragte ich.<br />

Ja, das meine er ja gera<strong>de</strong>, jubelte er. Natürlich wäre es mir freigestellt,<br />

diesem Plan zuzustimmen. Was er als sehr wünschenswert empfin<strong>de</strong>n<br />

wür<strong>de</strong>. So wie die Lage sich heute zeige, sagte er. <strong>Der</strong> Plan wäre<br />

durchführbar.<br />

Wer garantiere mir, sagte ich zu ihm, wer garantiere mir, dass wenn ich<br />

alle weiteren For<strong>de</strong>rungen von ihm erfüllen wür<strong>de</strong>, wie zum Beispiel ein<br />

Pauschal-Schuldbekenntnis <strong>de</strong>r zusammengelegten Vorwürfe, und wenn<br />

ich mich zu<strong>de</strong>m so verhalte, wie es von ihm gewünscht wird, wer<br />

versichere mir, dass man nachher immer noch zu mir stehe wür<strong>de</strong> und<br />

<strong>de</strong>r Gerechtigkeit ihren Erfolg bringen wür<strong>de</strong>? Von <strong>de</strong>m blockiertem<br />

Geld in Österreich kann ich mich endgültig verabschie<strong>de</strong>n, sollte ich im<br />

140er ein Schuldbekenntnis abliefern, sagte ich. Meine restlichen eigenen<br />

Mittel wür<strong>de</strong>n nie und nimmer ausreichen, um gleichzeitig in mehreren<br />

Län<strong>de</strong>rn Topanwaltskanzleien zu bezahlen. O<strong>de</strong>r wür<strong>de</strong> das Land<br />

Liechtenstein die Kosten übernehmen, fragte ich idiotisch.<br />

Er holte tief Luft und lieferte die be<strong>de</strong>utendste Antwort, die ich je von<br />

ihm gehört hatte: Er, Johann Adam II. garantiere es mir. Er erkenne an,<br />

dass ich alle bisherigen For<strong>de</strong>rungen erfüllt hatte. Ich sei zwar länger als<br />

421


ertragbar im Ausland geblieben, aber ich hätte mein Versprechen<br />

gehalten und nieman<strong>de</strong>n verraten. Es habe ihn auch stark beeindruckt,<br />

dass ich kein Erpresser wur<strong>de</strong>, ganz im Gegensatz zu Lampert. Er<br />

versichere mir, dass er alles was in seiner Macht stehe unternehmen<br />

wer<strong>de</strong>, um eine Strafanzeige gegen die Verbrecher in meinem Sinne<br />

voranzubringen. Er habe sehr gute Regierungskontakte nach Spanien<br />

und Deutschland. Als Dank für meine Loyalität übernehme er auch ohne<br />

zeitliches o<strong>de</strong>r betragsmässiges Limit alle Kosten die in diesem<br />

Zusammenhang anfallen wür<strong>de</strong>n.<br />

OZA-<br />

Er gebe mir sein Wort dafür. Er gebe mir sein WORT<br />

-OZE<br />

Ich war wie gelähmt. Unser Staatsoberhaupt, mein Staatsoberhaupt gab<br />

mir sein Wort. Gab mir sein Wort. Mir sein Wort. Sein Wort. W-O-R-T.<br />

Es war kein Ehrenwort, nein. Ein Ehrenwort kommt von einem<br />

Ehrenmann. Und Hans-Adam war keiner. Er war mehr. Seine Institution<br />

war höher, die höchste Instanz im Lan<strong>de</strong>, für mein Leben sowieso. Nicht<br />

dass ich dachte, er wäre wirklich an dritter Stelle: zuerst Gott, dann <strong>de</strong>r<br />

Papst und gleich danach er. Mir reichte es, wenn er dies glaubte.<br />

Um es für meine <strong>de</strong>utschen Leser und Leserinnen symbolisch<br />

aufzuzeigen. Das Wort von Hans-Adam hat soviel Be<strong>de</strong>utung für uns<br />

Untertanen, wie – auf Deutschland umgelegt – das Wort von<br />

Bun<strong>de</strong>skanzlerin Frau Angela Merkel und Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nt Herr Horst<br />

Köhler zusammen. Ohne, dass ich die zwei ausseror<strong>de</strong>ntlichen Politiker<br />

und Menschen mit <strong>de</strong>m Charakter eines Hans-Adam vergleichen will.<br />

Ob ich dies schriftlich haben könnte, witzelte ich ohne eine Antwort zu<br />

erwarten. Er for<strong>de</strong>rte mich auf, nieman<strong>de</strong>m von unserem Gespräch<br />

etwas mitzuteilen. Er wür<strong>de</strong> es sehr ungern sehen, wenn<br />

Aussenstehen<strong>de</strong> wie die Justiz o<strong>de</strong>r die STA von unserem<br />

Gesprächsinhalt erfahren wür<strong>de</strong>n. Er bat mich auch, keine Details zu <strong>de</strong>n<br />

Mandaten <strong>de</strong>r LGT preiszugeben. Ich wun<strong>de</strong>rte mich über diesen<br />

Wunsch und sagte, wer sollte mich dazu befragen.<br />

422


<strong>Der</strong> erste Schritt in diesem Plan wäre meine Einvernahme morgen beim<br />

Untersuchungsrichter, antwortete er. Untersuchungsrichter? Morgen?<br />

Ich wüsste von nichts, sagte ich. Hans-Adam meinte, dass ich morgen<br />

um 9 Uhr einen Termin beim Untersuchungsrichter habe. Aha, sagte ich<br />

und zuckte mit <strong>de</strong>n Schultern. Ich erzählte ihm, dass ich Gerüchte gehört<br />

hatte, dass ausgerechnet <strong>de</strong>r STA Haun für die Strafuntersuchung <strong>de</strong>r<br />

neuen Vorwürfe eingesetzt wur<strong>de</strong>. Hans-Adam sagte, er wisse dies nicht<br />

genau, wür<strong>de</strong> aber aufgrund <strong>de</strong>r Vorgeschichte mit mir übereinstimmen,<br />

dass dies mir gegenüber nicht fair wäre. Er betonte aber, dass ich <strong>de</strong>n<br />

Haun ignorieren solle, dieser hätte nichts zu sagen und stelle kein<br />

Hin<strong>de</strong>rnis für mich dar.<br />

Er schaute auf seine grosse Armbanduhr und mit einem Seufzer sagte er,<br />

dass das Gespräch länger gedauert hatte, als ursprünglich geplant war.<br />

Er müsse sich lei<strong>de</strong>r verabschie<strong>de</strong>n, wichtige Geschäfte warteten auf ihn.<br />

Er erwähnte noch, dass ich ihn je<strong>de</strong>rzeit anrufen könne, wenn mich<br />

etwas bedrücken sollte. Ansonsten wäre ja <strong>de</strong>r Professor auch noch für<br />

mich da.<br />

Er bat mich ihn auf <strong>de</strong>m Laufen<strong>de</strong>n zu halten. Und er wünschte mir für<br />

die Arbeitssuche alles Gute. Mit einem Schmunzeln sagte er, dass er<br />

davon ausgehe, dass ich mich bei keiner Bank o<strong>de</strong>r Treuhand bewerben<br />

wür<strong>de</strong>. Nun, ich fange morgen bei <strong>de</strong>r LLB an, scherzte ich. Dort sei ja<br />

eine Stelle frei. Er musste auch lachen. Als wir bei<strong>de</strong> aufstan<strong>de</strong>n, merkte<br />

ich, dass er und ich sehr verschwitzt waren. Hans-Adam sah wohl, dass<br />

ich etwas wacklig auf <strong>de</strong>n Beinen war und bot mir an, von Kaiser nach<br />

Hause gefahren zu wer<strong>de</strong>n. Ich lehnte dankend ab und wollte lieber an<br />

<strong>de</strong>r frischen Luft runter ins Dorf laufen.<br />

Ich durfte <strong>de</strong>n Weg zum Tor alleine hoch laufen. Wie<strong>de</strong>r ausserhalb <strong>de</strong>r<br />

Schlossmauern, bog ich links ab und nahm <strong>de</strong>n Weg runter durch <strong>de</strong>n<br />

Wald ins Städtle nach Vaduz. Auf halber Strecke <strong>de</strong>s Fusswegs setzte ich<br />

mich auf <strong>de</strong>n Rand eines Brunnen. Ich wollte, ich musste nach<strong>de</strong>nken.<br />

In <strong>de</strong>r ganzen Diskussion von 1 Stun<strong>de</strong> und 50 Minuten hatte ich ihm<br />

gegenüber immer die Wahrheit gesagt. Mir einer einzigen Ausnahme.<br />

Als er mich fragte, ob nun alle <strong>Daten</strong>kopien vernichtet seien und ich<br />

keine mehr hätte, musste ich ja sagen. Er glaubte es mir. Natürlich<br />

konnte (und kann) ich nicht in seinen Kopf hineinschauen.<br />

423


Aber selbst wenn er zu diesem Zeitpunkt noch <strong>de</strong>n kleinsten, logischen<br />

Verdacht gehabt hätte, dass ich als eine Art Selbstschutz eine Kopie für<br />

mich behalten hatte, dann muss sich diese Befürchtung innerhalb<br />

weniger Wochen o<strong>de</strong>r Monate in Luft aufgelöst haben, sonst hätte er sich<br />

nicht so benommen, wie er es in <strong>de</strong>n Monaten und Jahren die folgten,<br />

gezeigt hatte.<br />

Zu Hause angekommen, rief ich <strong>de</strong>n Bankdirektor auf <strong>de</strong>m Handy an.<br />

Er fragte wie es gegangen sei. Super sagte ich. Er war froh, dass die<br />

ganze Familie wie<strong>de</strong>r an einem Tisch sass. Eigentlich wollte ich <strong>de</strong>n<br />

Professor auch anrufen. Aber seine echte Nummer hatte ich ja nicht. Ich<br />

weiss nicht warum, aber diese Nummer wur<strong>de</strong> mir nie mitgeteilt.<br />

Vielleicht wollte <strong>de</strong>r Professor dies nicht.<br />

<strong>Der</strong> Kontakt war ausschliesslich über <strong>de</strong>n Bankdirektor möglich. So bat<br />

ich diesen, <strong>de</strong>m Professor meine Grüsse auszurichten. Er kündigte an,<br />

dass er, ebenso wie <strong>de</strong>r Professor im August/September in die Ferien<br />

verreisen wür<strong>de</strong>. Schön für sie, sagte ich. Am Abend notierte ich, wie so<br />

vieles in <strong>de</strong>n letzten 10 Jahren, die Details vom heutigen Gespräch mit<br />

Hans-Adam in meinem Taschenbuch.<br />

424


KAPITEL 21 Blutspur auf <strong>de</strong>n Rheindamm<br />

Am nächsten Tag, <strong>de</strong>n 10.7., sass ich pünktlich um 9 Uhr bei einer<br />

Untersuchungsrichterin im dritten Stock <strong>de</strong>s Gerichts, Zimmer 23. Ich<br />

kannte sie von meiner Jugend in Schaan. Eine schöne Frau. Ich wusste<br />

nicht, dass sie eine Untersuchungsrichterin gewor<strong>de</strong>n war. Daher<br />

gratulierte ich ihr erstmals. Ich hatte mich nicht auf die Befragung<br />

vorbereitet. Warum auch? Gemäss Hans-Adam wäre ja alles nur eine<br />

Formsache. Auf die Hälfte <strong>de</strong>r Fragen gab ich <strong>de</strong>m Wunsch von Hans-<br />

Adam und <strong>de</strong>r LGT entsprechend keine Antworten. Weil es Fragen nach<br />

<strong>de</strong>n (technischen) Details zum <strong>Daten</strong>diebstahl o<strong>de</strong>r grob zum Inhalt <strong>de</strong>r<br />

<strong>Daten</strong> selber waren.<br />

Irgen<strong>de</strong>twas musste <strong>de</strong>r jungen UR aufgefallen sein, da sie mich fragte,<br />

ob die ihr vorliegen<strong>de</strong> Kopie meines Briefs vom 7.1. so vollständig sei.<br />

Sie zeigte mir die Kopie. Ich erkannte sofort, dass mehrere Seiten fehlten.<br />

Da die Justiz diese Kopie vom Schloss erhalten hatte, war mir gleich klar,<br />

dass Hans-Adam hinter <strong>de</strong>r Schrumpfung <strong>de</strong>s Umfangs stecken musste.<br />

Also sagte ich zu ihr, dass dies alles war, was ich nebst <strong>de</strong>r besprochenen<br />

Kassette, <strong>de</strong>m 3-D-Mo<strong>de</strong>ll und <strong>de</strong>r dicken Schachtel mit <strong>de</strong>n Kopien von<br />

Gerichtsunterlagen zum Argentinienfall <strong>de</strong>m Hans-Adam Anfang<br />

Januar hatte habe zukommen lassen.<br />

Nach Abschluss <strong>de</strong>r Einvernahme wollte die UR mir über ihre Sicht <strong>de</strong>r<br />

Dinge erzählen. Zuerst dachte ich, dass meine Abenteuer in Berlin und<br />

Holland die schrillsten waren. Als sie aber anfing aus <strong>de</strong>m Nähkästchen<br />

zu plau<strong>de</strong>rn, traute ich meinen Ohren nicht. Wirklich filmreif, was sich<br />

da in Vaduz zugetragen hatte. Sie konnte von aberwitzig wechseln<strong>de</strong>n<br />

Haftbefehlen, von einer Krisen- o<strong>de</strong>r Kriegkommandozelle und von<br />

Abhörmassnahmen zu berichten.<br />

Wie so oft in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Monaten, waren die Zungen meiner<br />

ehemaligen Gegenseite locker. Weil alle so erleichtert waren, dass die<br />

Katastrophe nicht eingetreten war. Es war das Gefühl einer Befreiung<br />

für sie. Auch hatte ich Glück und konnte fast immer die richtigen Fragen<br />

stellen, sobald ich einen Verdacht schöpfte o<strong>de</strong>r mich etwas stutzig<br />

machte.<br />

Am Freitag, <strong>de</strong>n 11.7., entschloss ich mich, beim Polizeichef Jules Hoch<br />

vorbei zu gehen. Liechtenstein ist ein kleines Land. Spontanbesuche sind<br />

oft kein Problem. Ich lief die paar Hun<strong>de</strong>rt Meter von meiner Wohnung<br />

rüber zum Polizeigebäu<strong>de</strong>. Am Empfang fragte ich <strong>de</strong>n Schalterbeamten,<br />

ob Herr Hoch da wäre und eventuell Zeit für mich hätte für ein kurzes<br />

425


Gespräch. Man telefonierte herum und liess mich dann durch die<br />

doppelte Sicherheitstüre hindurch.<br />

Herr Kieber, mein lieber Kieber, sagte Hoch, als er mir auf <strong>de</strong>r Treppe<br />

herunter entgegen kam. Er bat mich mit in sein Büro zu kommen. Er<br />

habe gehört, dass ich wie<strong>de</strong>r im Land sei. In einem freundlichen Ton<br />

schil<strong>de</strong>rte er mir das Chaos, das ich nach meiner Abreise verursacht<br />

hätte. Ich sagte zu ihm, dass ich <strong>de</strong>swegen heute persönlich gekommen<br />

wäre. Ich möchte mich bei ihm und seinem Team für <strong>de</strong>n Stress<br />

entschuldigen. Ich erzählte ihm, dass ich am Mittwoch eine Audienz mit<br />

Hans-Adam auf <strong>de</strong>m Schloss hatte und ich mich dort auch entschuldigt<br />

hatte. Hoch bedankte sich und fragte wie es mir ginge. Blen<strong>de</strong>nd,<br />

erwi<strong>de</strong>rte ich. Er erzählte mir, dass es eine surreale Situation, wie aus<br />

einem Horrorfilm gewesen sei, als sie alle im Schloss vor <strong>de</strong>m<br />

Kunstgemäl<strong>de</strong>bunker stan<strong>de</strong>n. Niemand wusste, was sie dort erwarten<br />

wür<strong>de</strong>. Hans-Adam hatte Angst gehabt, ich hätte ihm seine kostbarsten<br />

Bil<strong>de</strong>r verätzt, übermalt o<strong>de</strong>r zerschnitten. Als man <strong>de</strong>n Hinweis<br />

gefun<strong>de</strong>n hatte, war Hans-Adam zuerst sprachlos und dann sehr<br />

erzürnt, dass ich a) überhaupt einen Hinweis anbringen konnte und b) es<br />

niemand gemerkt hatte. Darum war es sein Erstgeborener, <strong>de</strong>r Zeit hatte,<br />

nachzu<strong>de</strong>nken, was wohl seinem Papa als erstes zur Wort- und<br />

Zahlkombination einfallen wür<strong>de</strong>. Hochzeitsreise, war dann das richtige<br />

Resultat. Langweilig wur<strong>de</strong> es <strong>de</strong>nen hier mit meinem Treiben nicht,<br />

sagte Hoch zum Schluss. Ich war froh, auch hier wie<strong>de</strong>r auf eine<br />

allgemeine Erleichterung zu stossen. Ich fragte ihn ob er etwas über<br />

Haftbefehle wüsste, einem Kriegsstab o<strong>de</strong>r so etwas. Er verneinte. Für<br />

mich nicht ganz überzeugend. Ich bedankte mich und versprach mich in<br />

Zukunft zu benehmen. Das Gespräch dauerte exakt von 11:00 bis 11:55.<br />

Anm.: Hoch erzählte mir natürlich nichts von <strong>de</strong>n diversen Handlungen, zu<br />

<strong>de</strong>nen er vom KKZ beauftragt wor<strong>de</strong>n war. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich<br />

ausser <strong>de</strong>n Kurzkommentaren <strong>de</strong>r UR auch nicht mehr über das KKZ.<br />

Zu Hause angekommen, schrieb ich meinem RA Müller einen Brief. Ich<br />

schil<strong>de</strong>rte ihm meine Einvernahme bei <strong>de</strong>r UR. Ich äusserte mich auch<br />

zum möglichen Interessenkonflikt, da ich immer noch Be<strong>de</strong>nken hatte,<br />

ob er wirklich zu 100 Prozent meine Interessen vertreten wür<strong>de</strong>, wenn er<br />

quasi von meinem Gegner nicht nur bezahlt son<strong>de</strong>rn offenbar auch<br />

instruiert wur<strong>de</strong>.<br />

426


Am Wochenen<strong>de</strong> konnte ich mein altes Fahrrad, das ich eigentlich einem<br />

Bekannten geschenkt hatte, wie<strong>de</strong>r abholen. Damit war ich wie<strong>de</strong>r<br />

mobil. Ich genoss es auf <strong>de</strong>n Rheindamm rauf und runter zu ra<strong>de</strong>ln. Ab<br />

und zu fuhr ich ins schweizerische Sargans o<strong>de</strong>r sogar bis nach Chur<br />

hoch.<br />

Am Mittwoch, <strong>de</strong>n 16.7., machte ich einen Veloausflug bis an die<br />

österreichische Grenze. Gera<strong>de</strong> als ich umkehren wollte, erreichte mich<br />

ein Anruf einer Bekannten auf meinem Handy. Ich wür<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Zeitung<br />

stehen. Im Liechtensteiner Vaterland. WAS, schrie ich. Warum? Wieso,<br />

fragte ich. Ich befürchtete, dass irgendjemand eine Story über die<br />

vergangenen sechs Monate gedruckt hatte. Dann kam mir in <strong>de</strong>n Sinn,<br />

dass keine <strong>de</strong>r zwei Liechtensteiner Zeitungen wirklich Interesse haben<br />

könnte, ein solches Drama publik zu machen. Schliesslich überleben<br />

bei<strong>de</strong> Publikationen seit Jahrzehnten nur dank <strong>de</strong>s dicken Zuschusses<br />

aus <strong>de</strong>r Staatskasse. Bei<strong>de</strong> Zeitungen sind das Organ einer <strong>de</strong>r zwei<br />

Volksparteien. Es sei ein Edikt publiziert wor<strong>de</strong>n, sagte sie. Irgen<strong>de</strong>twas<br />

von einer Exekutionssache mit einem gewissen Herrn Helmut Roegele.<br />

Mein Blut begann zu kochen. Ich bedankte mich für ihren Anruf und<br />

fuhr fuchsteufelswild mit <strong>de</strong>m Velo vom Rheindamm runter ins nächste<br />

Dorf, nach Ruggell. Dort kaufte ich mir die Zeitung. Ich war so nervös,<br />

dass ich mich erst wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Rheindamm traute, die Zeitung zu<br />

lesen. Folgen<strong>de</strong>s war mit <strong>de</strong>m Titel EDIKT abgedruckt.<br />

An Herrn Kieber Heinrich, zuletzt in Neue Churerstr. 27, FL-<br />

9496 Balzers, sind in <strong>de</strong>r Exekutionssache Roegele Helmut vd:<br />

Heinrich Concin u. a. Rechtsanwälte in Blu<strong>de</strong>nz gegen Kieber<br />

Heinrich die Beschlüsse vom 26. 2. 2003, OT Entfernt,<br />

zuzustellen, mit welchen die ausländischen Titel für<br />

vollstreckbar erklärt wur<strong>de</strong>n und die Exekution bewilligt<br />

wur<strong>de</strong>. Da <strong>de</strong>r Aufenthalt <strong>de</strong>r oben genannten Person<br />

unbekannt ist, wird Herr Rechtsanwalt Dr. Burkhard Hirn,<br />

Gilmstr. 2, 6800 Feldkirch zum Kurator bestellt, <strong>de</strong>r sie auf ihre<br />

Gefahr und Kosten vertreten wird, bis sie selbst auftritt o<strong>de</strong>r<br />

einen Bevollmächtigten namhaft macht. Bezirksgericht<br />

Feldkirch, Abt. 5, am 18. 6. 2003<br />

427


Anm.: Da mein alter RA HIRN nicht mehr für mich beim Gericht in Feldkirch<br />

tätig war, musste das Gericht diese Anzeige publizieren; da sie keine<br />

rechtsgültige „“Adresse“ meinerseits mehr hatte.<br />

Verdammt, verdammt, verdammt noch mal, ich konnte es nicht glauben.<br />

Ich war kurz vorm Explodieren. Was für ein Urteil vom 23.2.2003? Wieso<br />

exekutierbar? Das letzte Wort in <strong>de</strong>r Zivilsache war doch noch nicht<br />

gesprochen, schrie ich in <strong>de</strong>n Himmel. Ich musste sofort nach Vaduz. Es<br />

war schon nach 16 Uhr und ich wollte noch <strong>de</strong>n Bankdirektor in seinem<br />

Büro antreffen. Ich drückte die Pedale so schnell es ging. Ich fluchte die<br />

ganze Zeit. Und, man glaubte es kaum, wen sah ich auf einer Bank beim<br />

Rheindamm, auf Höhe <strong>de</strong>s Schaaner Sportplatzes sitzen. Es sass <strong>de</strong>r UR<br />

Dr. Paul Meier dort, neben sich sein Velo.<br />

Ich bremste so stark, dass es ein paar Meter schwarze Gummispuren<br />

gab. Ich warf mein Velo auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n und ging zu ihm. Er war über<br />

meinen Zustand sehr erschrocken und fragte nach, was <strong>de</strong>nn los sei. Ich<br />

zeigte ihm <strong>de</strong>n Artikel und fluchte über alle. Ich hätte alles gemacht, was<br />

man von mir verlangt hätte. Erst vor einer Woche hätte ich Hans-Adam<br />

alles Mögliche zugestan<strong>de</strong>n, sodass er, seine Regierung, seine LGT und<br />

ihr, die Justiz, dass alle ihr Gesicht nicht verlieren wür<strong>de</strong>n, schrie ich.<br />

Man hätte hochkarätige Anwälte für meine Sache eingespannt. Und was<br />

jetzt, sagte ich. Aus einem Zeitungsinserat muss ich erfahren, dass es in<br />

Bezug auf das blockierte Geld schon zu spät sein könnte. Niemand hätte<br />

mir davon etwas gesagt. Alles nur Lug und Trug.<br />

Dann, zum ersten und letzten Mal, verplapperte ich mich ein wenig. In<br />

meiner Wut konnte ich mich nicht mehr beherrschen, ballte meine Fäuste<br />

und sagte etwas im Sinne: Ich wusste es! Ich wusste es! Euch kann ich es<br />

auch noch zeigen, kreischte ich. Ich stolperte und fiel ungebremst auf die<br />

geteerte Rheindammstrasse. Meine bei<strong>de</strong>n Knie bluteten stark. Ich fing<br />

an zu schluchzen.<br />

<strong>Der</strong> arme UR, er musste wohl gedacht haben, ich sei verrückt gewor<strong>de</strong>n.<br />

Zu Recht, <strong>de</strong>n nie hatte er mich so gesehen. Und auch ich selber erkannte<br />

mich nicht mehr. Ich hyperventilierte stark. Er war sehr bemüht mich zu<br />

beruhigen. Was ihm dann gelang.<br />

Ich bat ihn um Verzeihung. Ich war froh, dass ich ausgerechnet ihn<br />

getroffen hatte. Wer weiss, was ich in <strong>de</strong>r LGT Bank angestellt hätte. Ihm<br />

vertraute ich immer ganz. Wir re<strong>de</strong>ten über die Angelegenheit und da<br />

wir nicht in seinem Büro waren, also das Gespräch nicht in einem<br />

offiziellen Rahmen stattfand, konnte ich ihm mehr Details erzählen. Ich<br />

428


schil<strong>de</strong>rte ihm, wie das Gespräch mit Hans-Adam abgelaufen war, was<br />

ich alles in Berlin und Amsterdam erlebt hatte.<br />

Als das Thema wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Zeitungsartikel kam, fragte er mich auf<br />

einmal folgen<strong>de</strong>s: Ob die LGT o<strong>de</strong>r Hans-Adam mir nicht angeboten<br />

hätten, meinen finanziellen Scha<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n ich seit <strong>de</strong>r<br />

Barcelonageschichte erlitten hatte, irgendwann zu vergüten. Typische<br />

Liechtensteiner Denken – mit Kohle je<strong>de</strong>n Ärger aus <strong>de</strong>r Welt schaffen,<br />

sagte ich. Wenn die Gel<strong>de</strong>r in Österreich verloren sind, dann sind sie halt<br />

verloren, sagte er.<br />

Ich erzählte ihm, dass mir einmal eine Art Geld für eine organisierte<br />

Flucht angeboten wur<strong>de</strong>; als ich im Ausland war. Ich war aber nicht<br />

darauf eingegangen, da ich sicher war, dass es eine Falle wäre, um mich<br />

nachher als Erpresser abzustempeln. Zu<strong>de</strong>m hatte ich nie um Geld<br />

gefragt und wür<strong>de</strong> solches nie annehmen. Ja, erwi<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r UR, er wisse<br />

dies. Warum auch, sagte ich. Das blockierte Geld ist meines. Es wäre<br />

rechtlich unmöglich, dass es <strong>de</strong>r Verbrecher Helmut es bekommen<br />

könnte. Ich war felsenfest davon überzeugt.<br />

Was ich damit gemeint hätte, als ich geschrien habe, euch könnte ich es<br />

auch noch zeigen, fragte er mich. Nicht <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong> wert, sagte ich. Es<br />

wur<strong>de</strong> Zeit für ihn nach Hause zu gehen. Da meine bei<strong>de</strong>n Knie noch<br />

sehr schmerzten, schoben wir bei<strong>de</strong> unsere Velos neben uns her.<br />

Aus heiterem Himmel erwähnte er beiläufig, dass er sich vorstellen<br />

könnte, wo ich eine Kopie <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> versteckt halte. Er grinste dabei.<br />

Wie bitte, dachte ich. <strong>Die</strong> sind ja alle paranoid mit diesem Thema. Denn<br />

schon letzte Woche wur<strong>de</strong> ich mehrfach gefragt: am Donnerstag die<br />

Untersuchungsrichterin, am Freitag <strong>de</strong>r Polizeichef. Wo <strong>de</strong>nn, fragte ich<br />

frech. „Im Internet, nicht wahr?‚ meinte er. Ich musste lachen. Erstens<br />

habe ich keine Kopie mehr. Zweitens müsse ihm doch klar sein, dass<br />

selbst wenn ich eine hätte, ich sagen müsste, dass ich keine habe. Also in<br />

bei<strong>de</strong>n Fällen wäre die Antwort dieselbe. Daher bitte ich euch alle, diese<br />

Frage nicht mehr zu stellen, sagte ich. Drittens wäre das Internet <strong>de</strong>r<br />

letzte Ort wo ich eine Kopie herumfliegen lassen wür<strong>de</strong>. Rein aus<br />

Sicherheitsgrün<strong>de</strong>n.<br />

Bei <strong>de</strong>r nächsten Abzweigung verabschie<strong>de</strong>te er sich von mir und ra<strong>de</strong>lte<br />

fort. Unter schwachen Schmerzen setzte auch ich mich aufs Radl und<br />

fuhr gleich nach Hause. Es wur<strong>de</strong> eine frühe Nacht für mich. Ich plante<br />

ganz früh am nächsten Morgen mit <strong>de</strong>m Bus zum RA Müller zu fahren<br />

und ihn wegen <strong>de</strong>s Edikts zu fragen.<br />

429


Gesagt, getan. Ich war schon um 08.00 Uhr am Donnerstag, <strong>de</strong>n 17.7., bei<br />

<strong>de</strong>r Post in Schaan. Ich wusste, dass <strong>de</strong>r Bankdirektor auf seinem Weg<br />

zur Arbeit durch Schaan fahren könnte. Daher rief ich ihn auf seinem<br />

Handy an und bat ihn mich kurz bei <strong>de</strong>r Post zu treffen. Zehn Minuten<br />

später war er angekommen. Ich zeigte ihm das Edikt und fragte, ob dies<br />

<strong>de</strong>r Dank für mich wäre. Er war sichtlich geschockt und begleitete mich<br />

zu Müller. RA Müller konnte sich aus <strong>de</strong>r Affäre ziehen, in<strong>de</strong>m er sagte,<br />

dass er ja kein Mandat von Hans-Adam o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r LGT für die blockierten<br />

Gel<strong>de</strong>r bekommen hatte. <strong>Der</strong> Bankdirektor sah ein, dass dies ein<br />

Versäumnis war. Er gab <strong>de</strong>m RA Müller die Or<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r Sache<br />

nachzugehen. Ich bedankte mich bei allen und wünschte einen schönen<br />

Tag.<br />

Am nächsten Tag, Freitag, <strong>de</strong>n 18.7., rief die Sekretärin vom<br />

Bankdirektor an und kündigte seinen Besuch bei mir zu Hause an. Er<br />

müsse mit mir einiges besprechen. Ich nutzte die Zeit und begab mich<br />

zum Landgericht, wo ich die bestellten Kopien vom 101er beim<br />

Gerichtssekretariat abholte. Um die Mittagszeit rief die Bank noch<br />

einmal an und verschob <strong>de</strong>n Besuch auf 16:00. Kein Problem für mich,<br />

bestätigte ich die neue Zeit. Ich schnappte mir die Ba<strong>de</strong>hose und fuhr<br />

mit <strong>de</strong>m Velo zum Rhein. Dort tummelte sich auch ein alter Bekannter<br />

von mir. <strong>Die</strong>ser hatte wie<strong>de</strong>rum enge Freun<strong>de</strong> im Regierungsamt.<br />

Offenbar hatte er Bruchstücke von einem Drama Anfangs Januar<br />

erfahren. Ich liess mich auf keine Diskussion ein und verliess diesen<br />

Rheinabschnitt.<br />

Um 16.10 Uhr stand <strong>de</strong>r Bankdirektor vor meiner Wohnungstüre und<br />

klopfte. Ja aber Hallo, sagte ich und fragte, wie er durch die Haustüre<br />

kommen konnte, ohne Schlüssel. Er zeigte auf <strong>de</strong>n Schlüssel in seiner<br />

Hand und meinte, dass ich doch wüsste, dass sie <strong>de</strong>n Zweitschlüssel für<br />

unten und oben haben. Nein, wüsste ich nicht, erwi<strong>de</strong>rte ich. Da sie die<br />

offiziellen Wohnungsmieter waren, erhielten sie die Zweitschlüssel. Für<br />

<strong>de</strong>n Notfall, sozusagen, klärte er mich auf.<br />

Er fragte wie es mir gehe und ich sagte so lala. Man müsste halt<br />

abwarten, was jetzt wirklich alles passieren wür<strong>de</strong>, sagte ich. Ich erzählte<br />

ihm, dass ich mit <strong>de</strong>r Grundstruktur <strong>de</strong>r gewünschten Denkschrift<br />

angefangen habe. Ich hätte die I<strong>de</strong>e, darin keine Namen, Firmen o<strong>de</strong>r<br />

Zeitabschnitte zu benennen. Sollte die fertige Schrift in die falschen<br />

Hän<strong>de</strong> gelangen, wür<strong>de</strong> nichts geschehen. Gute I<strong>de</strong>e, bestätigte er mir.<br />

430


Er hätte noch ein an<strong>de</strong>res Anliegen. Man hatte ja <strong>de</strong>n Dr. Feuerstein und<br />

<strong>de</strong>n Rest <strong>de</strong>r Geschäftsleitung <strong>de</strong>r LGT Treuhand nicht über seine Reisen<br />

ins Ausland, <strong>de</strong>n Professor und die getroffenen Abmachungen<br />

eingeweiht. Hans-Adam wollte dies nicht. Auch wussten sie nichts von<br />

meiner Heimkehr. Diverse Leute <strong>de</strong>r Treuhand hätten mich aber<br />

mehrmals mit <strong>de</strong>m Velo in <strong>de</strong>r Umgebung <strong>de</strong>r LGT Treuhand gesehen.<br />

Er bat mich <strong>de</strong>shalb, nicht in die Nähe <strong>de</strong>r Treuhand zu gehen.<br />

Ausser<strong>de</strong>m, sollte ich irgendwo auf einen ehemaligen Arbeitskollegen<br />

<strong>de</strong>r Treuhand, insbeson<strong>de</strong>re Dr. Feuerstein treffen, so wäre man froh,<br />

wenn ich keine Diskussion anfangen wür<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn einfach in eine<br />

an<strong>de</strong>re Richtung weglaufen wür<strong>de</strong>. Ja, mein Kommandant, zu Befehl,<br />

sagte ich. In Zukunft wer<strong>de</strong> ich zu <strong>de</strong>n Büroöffnungszeiten das Zentrum<br />

von Vaduz mei<strong>de</strong>n. Ausser wenn ich im Linienbus von hier z.B. nach<br />

Buchs fahren wür<strong>de</strong>, dann durchquere ich das Zentrum, steige aber nicht<br />

aus <strong>de</strong>m Bus. Zum Abschied sagte er mir, dass alles gut wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>.<br />

Ich solle ihnen vertrauen und aufhören so misstrauisch zu sein.<br />

Schönes Wochenen<strong>de</strong> Herr Bankdirektor. Ihnen auch, Herr Kieber.<br />

<strong>Die</strong> letzten zwei Wochen im Juli 2003 waren besuchsmässig sehr ruhig.<br />

Niemand hatte sich bei mir angemel<strong>de</strong>t. Keiner bedrängte mich mit<br />

Fragen. Den einzigen Termin, <strong>de</strong>n ich hatte war <strong>de</strong>r Pflichtbesuch beim<br />

Sachbearbeiter <strong>de</strong>r ALV. Ich konnte ihm die erfor<strong>de</strong>rlichen fünf<br />

schriftlichen Bewerbungen vorlegen. Alle waren ohne Erfolg. Ehrlich<br />

gesagt, hatte ich mich nicht gross angestrengt. So wie die Dinge langen,<br />

wäre es durchaus möglich gewesen, dass ich bald keine Stelle mehr<br />

antreten könnte. Höchstens in <strong>de</strong>r Gefängnisküche. Um fit zu bleiben,<br />

wur<strong>de</strong> ich wie<strong>de</strong>r Mitglied beim OLO’s GYM in Triesen. Drei o<strong>de</strong>r<br />

viermal die Woche absolvierte ich ein Krafttraining dort.<br />

Auch besuchte ich meine alten Nachbarn in Balzers. Auch das Ehepaar,<br />

das meine alte Mietwohnung gekauft hatte, hatte sich gut eingelebt und<br />

war sehr glücklich dort. Niemand aus diesem Hause hatte etwas<br />

mitbekommen. Von meinen neuen Nachbarn in Vaduz lernte ich einige<br />

besser kennen.<br />

Meine einzige Waffe war das Schreiben. Ich verfasste einen Brief an <strong>de</strong>n<br />

Bankdirektor und einen an RA Müller. Im Brief an <strong>de</strong>n Bankdirektor<br />

drückte ich (im Vertrauen) mein Befrem<strong>de</strong>n über einiges, was sich seit<br />

meiner Rückkehr abgespielt hatte aus, zum Beispiel dass ich einfach<br />

nicht verstehe, warum man in <strong>de</strong>r Angelegenheit <strong>de</strong>r blockierten Gel<strong>de</strong>r<br />

431


noch nichts unternommen hatte. Es wäre ein wichtiger Bestandteil<br />

meines Kampfes <strong>de</strong>r letzten sechs Jahre. Ich wür<strong>de</strong> nicht verstehen, wie<br />

Hans-Adam auf einer Seite mir massiv helfen wür<strong>de</strong>, die Verbrecher zur<br />

gerechten Strafe zu bringen, aber es ihn auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite offenbar<br />

nicht allzu gross stören wür<strong>de</strong>, wenn einer <strong>de</strong>r Verbrecher mit einem<br />

Sack voll Kohle für seine Taten auch noch belohnt wür<strong>de</strong>. Ich wür<strong>de</strong><br />

langsam <strong>de</strong>n Verstand verlieren. <strong>Die</strong>ses Thema schloss mit <strong>de</strong>n Zeilen,<br />

dass ich insofern wie<strong>de</strong>r Hoffnung habe, da man jetzt <strong>de</strong>n RA Müller für<br />

die blockierten Gel<strong>de</strong>r angeheuert hatte.<br />

Ich schil<strong>de</strong>rte im Brief weiters, dass ich verwun<strong>de</strong>rt wäre, wie <strong>de</strong>r RA<br />

Müller für mich im kommen<strong>de</strong>n Prozess (140er) kämpfen wollte, wenn<br />

er bis jetzt noch nicht einmal die Akte studiert hatte. Mit welchem<br />

Kenntnisstand er mich verteidigen wür<strong>de</strong>? Mit einer fliegen<strong>de</strong>n<br />

Durchsicht <strong>de</strong>s dicken Aktes einen Tag vor <strong>de</strong>m Prozess, fragte ich.<br />

Im Brief an RA Müller befasste ich mich vor allem mit <strong>de</strong>n Fall 101er. Ich<br />

war von <strong>de</strong>r Argumentation von Hans-Adam noch nicht ganz<br />

überzeugt. Ich bat <strong>de</strong>n RA, sollte das Obergericht meinem Antrag auf<br />

Fortsetzung <strong>de</strong>r Strafuntersuchung zustimmen, was allgemein erwartet<br />

wur<strong>de</strong>, dann wäre ich froh, wenn er mir als Subsidiarankläger bei <strong>de</strong>r<br />

Ausfertigung <strong>de</strong>r Anklage helfen wür<strong>de</strong>. Ich wäre <strong>de</strong>r Meinung, dass<br />

man es doch lieber zuerst einmal beim Liechtensteiner Gericht versuchen<br />

sollte. <strong>Die</strong> STA wür<strong>de</strong> ja sicher keinen Auftrag von Hans-Adam<br />

bekommen. Bei<strong>de</strong> Briefe lieferte ich persönlich am 31.7. bei <strong>de</strong>n<br />

Büroadressen <strong>de</strong>r Herren ab.<br />

Am gleichen Tag war auch die magere acht Seiten lange Anklageschrift<br />

mit <strong>de</strong>n Vorwürfen im Zusammenhang mit meinem Schreiben an Hans-<br />

Adam fertig. Zu unserer (Bankdirektor, RA Müller und ich)<br />

Fassungslosigkeit wur<strong>de</strong> ich, ganz entgegen <strong>de</strong>n Erwartungen und<br />

Beteuerungen, wegen <strong>de</strong>m Verbrechen <strong>de</strong>r Gewalt und gefährliche<br />

Drohung gegen <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sfürsten (§ 249 StGB), <strong>de</strong>m Verbrechen <strong>de</strong>r<br />

schweren Nötigung (§15, 105, 106), <strong>de</strong>m Verbrechen <strong>de</strong>r<br />

Auskundschaftung eines Geschäfts- o<strong>de</strong>r Betriebsgeheimnisses<br />

zugunsten <strong>de</strong>s Auslands, insbeson<strong>de</strong>re Deutschland und die USA (§124),<br />

<strong>de</strong>m Vergehen <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>beschädigung (§126) und <strong>de</strong>m Vergehen <strong>de</strong>r<br />

Urkun<strong>de</strong>nunterdrückung (§229) angeklagt. Ich sei <strong>de</strong>swegen zu<br />

bestrafen. In Liechtenstein formuliert die STA in <strong>de</strong>r Anklage keinen<br />

Antrag auf die von ihr gewünschte Strafe.<br />

432


Meinen aufmerksamen Lesern können sicher auch auf <strong>de</strong>n richtigen<br />

Namen <strong>de</strong>s STA tippen, <strong>de</strong>r dieses Anklage geschrieben hatte und sie<br />

vor Gericht vertreten möchte. Ja, HAUN, wer <strong>de</strong>n sonst. Nach<strong>de</strong>m was<br />

ich alles wegen ihm seit Jahren ertragen musste! Noch schlimmer:<br />

Nach<strong>de</strong>m was Hans-Adam, Liechtenstein und die LGT wegen ihm<br />

durch mich seit Januar 2003 (unter <strong>de</strong>r Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />

<strong>Daten</strong>diebstahls eigentlich schon sein 2002) mitmachen mussten!<br />

Warum? Warum, fragte ich. Warum ausgerechnet ER? Man hatte an<strong>de</strong>re<br />

Staatsanwälte bei <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft. Warum konnte man nicht<br />

einfach einen "unvorbelasteten" Ankläger nehmen? Langsam begriff ich,<br />

was Hans-Adam meinte, als er mir sagte, dass man <strong>de</strong>r Justiz ein Ventil<br />

geben müsste, sodass sie Luft ablassen könnte. <strong>Die</strong>s war wohl eines <strong>de</strong>r<br />

notwendigen Ventile. <strong>Die</strong>ser Umstand war äusserst unerträglich für<br />

mich. Ich bin mir sicher, dass die allermeisten Menschen, wären sie an<br />

meiner Stelle gewesen, es auch als sehr verletzend und <strong>de</strong>mütigend<br />

empfun<strong>de</strong>n hätten. Mein Gott, warum mussten sie mich immer noch<br />

quälen? Hatte ich mich nicht genug unterworfen? Was ich noch nicht<br />

begriffen hatte, war die Tatsache, dass dahinter ein ganz fieser (Rache-<br />

)Plan stand. Mit verschie<strong>de</strong>nen, abwechseln<strong>de</strong>n Akteuren. Je<strong>de</strong>r wollte<br />

zum Schuss kommen.<br />

Mit meinem RA und <strong>de</strong>m Bankdirektor diskutierte ich ausgiebig die<br />

Anklage. <strong>Der</strong> RA, als Jurist, beteuerte mir, dass ich keine Angst wegen<br />

<strong>de</strong>r vielen Einzelvorwürfen haben sollte. <strong>Die</strong>s sei so üblich. Was in einer<br />

Anklage stehen wür<strong>de</strong>, sei noch lange nicht dasselbe, was schlussendlich<br />

zu einer möglich Verurteilung gelangen wür<strong>de</strong>. <strong>Der</strong> Bankdirektor, <strong>de</strong>r<br />

immer schon eine feine Antenne für meine Gefühlslage hatte, machte<br />

sich grosse Sorgen um mich. Speziell dann, als ich trotzig kundtat, dass<br />

ich nie freiwillig zu <strong>de</strong>r Verhandlung gehen wür<strong>de</strong>, solange Haun dort<br />

sei. En<strong>de</strong>.<br />

Zu<strong>de</strong>m stellte ich die berechtigte Frage, wie das Gesamtbild noch<br />

stimmen könnte, wenn Hans-Adam mich unverkennbar zum<br />

Schlachthof führen lässt und mir gleichzeitig seine universelle Hilfe<br />

anbietet, damit die Verbrecher vor ein Kriminalgericht kommen. <strong>Der</strong><br />

Professor wur<strong>de</strong> telefonisch über <strong>de</strong>n sich verschlimmern<strong>de</strong>n Zustand<br />

von mir informiert. Er war entsetzt. Über die Anklagepunkte selber und<br />

das ausgerechnet Haun diese vertreten soll. Aus psychologischer Sicht<br />

ein total falscher Schritt, diagnostizierte er aus <strong>de</strong>r Ferne. Er empfahl<br />

433


<strong>de</strong>m Bankdirektor Hans-Adam zu bitten, dass dieser mich anrufen soll<br />

und einiges klären soll. Bevor dieser aber mich anrief wur<strong>de</strong> mein<br />

Zustand noch unerträglicher.<br />

RA Müller mel<strong>de</strong>te sich wie<strong>de</strong>r. Seine Nachforschungen in Bezug auf die<br />

Gel<strong>de</strong>r in Österreich hätten ergeben, dass eine Frist verpasst wor<strong>de</strong>n<br />

wäre. <strong>Die</strong> Gel<strong>de</strong>r wären nun in Reichweite <strong>de</strong>s Täters aus Argentinien,<br />

Helmut Roegele. Nachvollziehbarerweise tobte ich wie ein Wildschwein.<br />

Ich konnte es nicht fassen. Was für eine Frist, fragte ich. Es wäre eine 14-<br />

Tage-Frist gewesen, die am 25.7.03 abgelaufen wäre. WAS, schrie ich.<br />

Man hätte also fristgerecht einen Einspruch erwirken können, jammerte<br />

ich.<br />

Er entschuldigte sich und meinte nur, dass es zu spät sei. Zu spät? Zu<br />

spät, schrie ich ihn am Telefon an und entschuldigte mich gleich für <strong>de</strong>n<br />

Ton. Es war wie eine zweite Folter für mich.<br />

Nach über sechs Jahren konnte mein Folterer Helmut Roegele sein Glück<br />

nicht fassen und seine erpresste, quasi ‚abgefolterte‚ Beute abkassieren.<br />

Nicht nur konnte er sich auf fast 900'000.- CHF freuen, nein, er musste<br />

auch keinen einzigen Franken mit einem seiner Komplizen teilen.<br />

Natürlich schmerzte mich dieses En<strong>de</strong> sehr. Ich weiss nicht, was in <strong>de</strong>n<br />

Köpfen <strong>de</strong>rjenigen in Liechtenstein vorgegangen war, als sie davon<br />

erfahren hatten. Sicher ist, dass es allen direkt o<strong>de</strong>r indirekt Beteiligten<br />

klar sein musste, dass es furchtbare emotionale und psychische<br />

Konsequenzen für mich haben wür<strong>de</strong>.<br />

<strong>Die</strong> nächsten paar Tage verbarrikadierte mich in meiner Wohnung und<br />

brütete darüber, was das alles be<strong>de</strong>uteten soll und vor allem, wohin es<br />

noch führen wür<strong>de</strong>. Am frühen Abend bekam ich einen Anruf von<br />

Hans-Adam. Er wusste von <strong>de</strong>r Anklage, von Haun und <strong>de</strong>r<br />

abgelaufenen Frist. Er erzählte mir, dass ich die Anklage nicht als<br />

fehlerfrei ansehen soll. Ich fragte ihn, warum ich überhaupt wegen<br />

Drohung, Nötigung u.s.w. angeklagt wer<strong>de</strong>n soll, wenn mir schon in<br />

Holland felsenfest versprochen wur<strong>de</strong>, dass ich überhaupt nicht belangt<br />

wür<strong>de</strong>, wenn ich all seine For<strong>de</strong>rungen erfüllen wür<strong>de</strong>.<br />

Er sagte zu mir, dass er mir dies mir beim Besuch auf <strong>de</strong>m Schloss<br />

ausführlich erklärt hätte. Und warum Haun, fragte ich. Er wie<strong>de</strong>rholte,<br />

dass ich <strong>de</strong>n Haun ignorieren sollte. Alles wür<strong>de</strong> gut wer<strong>de</strong>n. Selbst<br />

beim blockierten Geld sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Da<br />

434


wüsste er aber mehr als ich, sagte ich. Ich fragte ihn, ob er ganz sicher<br />

wäre, dass ich bei <strong>de</strong>r Justiz in Vaduz nie eine wirkliche Chance haben<br />

wür<strong>de</strong>, eine Anklage im 101er rechtsgültig vorlegen zu können.<br />

Er bedauerte zu sagen, dass er davon überzeugt wäre. Ich weinte und<br />

fragte, warum er nicht die ihm durch die Verfassung zustehen<strong>de</strong>n<br />

Rechte benützen wür<strong>de</strong>, sodass zumin<strong>de</strong>st eine Anklage angenommen<br />

wür<strong>de</strong>. Ich wies ihn nochmals darauf hin, dass eine Anklage ja kein<br />

Urteil sei. Wenn er erlauben wür<strong>de</strong>, dass das Gericht meine<br />

Subsidiaranklage annehmen wür<strong>de</strong>, dann hätte er doch dafür keine<br />

Macht missbraucht. Ob das Kriminalgericht auf die Anklage mit<br />

Strafurteilen folgen wür<strong>de</strong>, kann niemand voraussagen, sagte ich.<br />

Er bat mich, nicht allzu sehr darüber nachzu<strong>de</strong>nken und mich<br />

statt<strong>de</strong>ssen auf <strong>de</strong>n mit ihm vereinbarten Fahrplan zu konzentrieren. Ich<br />

versprach ihm dies. Aber, so wollte ich ihn wissen lassen, ich könne<br />

nicht garantieren, dass ich bei einer Verhandlung anwesend sein wür<strong>de</strong>,<br />

wenn es sich als wahrhaftig herausstellen sollte, dass Haun die Anklage<br />

vertreten wür<strong>de</strong>. Ignorieren, ignorieren, wie<strong>de</strong>rholte ich Hans-Adams<br />

Worte, aber das ist einfacher gesagt als getan. Bei allem Verständnis für<br />

die Unabhängigkeit, besser gesagt wohl die Unantastbarkeit <strong>de</strong>r STA,<br />

kann es doch nicht <strong>de</strong>r Wille von <strong>de</strong>r Leitung <strong>de</strong>r STA sein, <strong>de</strong>n ganz<br />

klar voreingenommenen Haun als Kläger zu bestimmen. Nach allem,<br />

was schon passiert war. Klar kann eine STA nicht "neutral" sein,<br />

schliesslich vertritt sie ja die Anklage. Dass man aber extra <strong>de</strong>n Haun<br />

dafür nominieren wür<strong>de</strong>, wäre schon sehr nie<strong>de</strong>rträchtig, been<strong>de</strong>te ich<br />

meinen Vortrag.<br />

Er wür<strong>de</strong> sich <strong>de</strong>r Sache Haun nochmals annehmen, versprach mir<br />

Hans-Adam und sagte auch, dass es besser wäre, sich mit <strong>de</strong>r STA nicht<br />

allzu sehr anzulegen. Ich bräuchte sie schliesslich noch wegen <strong>de</strong>r<br />

Spaniensache. Er habe mit <strong>de</strong>m Chef <strong>de</strong>r STA, <strong>de</strong>m Oberstaatsanwalt Dr.<br />

Robert Wallner mehrfach gesprochen. <strong>Die</strong>ser wäre von ihm beauftragt<br />

wor<strong>de</strong>n, das kommen<strong>de</strong> rechtsgültige Urteil persönlich <strong>de</strong>n Spaniern zu<br />

übermitteln, sodass jene das seit Jahren liegen<strong>de</strong> Verfahren dort<br />

einstellen und <strong>de</strong>n Haftbefehl löschen können. <strong>Die</strong>sem Hinweis folgend<br />

verfasste ich dann am 5.8. ein kurzes Schreiben an Dr. Wallner. Darin<br />

"bedankte" ich mich im Voraus für seine Mühe.<br />

Je mehr ich über die ganze Sache nachdachte, <strong>de</strong>sto verwirrter war ich.<br />

Hier musste ich Rücksicht nehmen, da sollte ich dankbarer sein, hier<br />

musste ich bei<strong>de</strong>n Augen zudrücken, da sollte ich kooperativer sein. Ich<br />

435


verlor <strong>de</strong>n Überblick. Auf einmal hatte ich grosse Angst, dass <strong>de</strong>r<br />

ausstehen<strong>de</strong> Obergerichtsentscheid im 101er negativ ausfallen könnte.<br />

Obwohl <strong>de</strong>r UR und mein RA, bei<strong>de</strong> juristische Experten, das Gegenteil<br />

erwarteten. Eine nochmalige Demütigung wür<strong>de</strong> ich nicht ertragen<br />

können, das stand fest. So kam ich zum traurigen Schluss, dass es besser<br />

wäre, wenn ich all <strong>de</strong>m ein En<strong>de</strong> setzte. Am 08.08. verfasste ich eine<br />

kurze Mitteilung an das Gericht. Ich stellte <strong>de</strong>n Antrag auf Rücknahme<br />

meines Antrags vom 22.11.02 in Sachen Fortsetzung <strong>de</strong>r<br />

Strafuntersuchung. Ausdruck meiner damaligen persönlichen<br />

Verfassung zeigen <strong>de</strong>utlich die letzten elf Zeilen jener Mitteilung ans<br />

Gericht.<br />

Ich habe auf ganzer Linie versagt und resigniert. Ich habe einfach<br />

keine Kraft und Energie mehr, eine mögliche weitere<br />

Demütigung nach neuerlichem jahrelangem Kampf vor Gericht<br />

zu bewältigen ohne dabei am En<strong>de</strong> komplett durchzudrehen. Mit<br />

diesem Schreiben bin wenigsten i-c-h selber <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

„Deckel‚ auf diese Akt 10 Vr 101 / 97 – <strong>de</strong>r mein ganzes Leben in<br />

<strong>de</strong>n letzten 6 1/ 2 Jahren bestimmt hat – zuschlägt. Insbeson<strong>de</strong>re<br />

möchte ich <strong>de</strong>m UR Dr. Paul MEIER für seine jahrelange Arbeit<br />

und <strong>de</strong>m Oberrichter Dr. Gerhard MISLIK für seine Mühe und<br />

Zeit, die er sich sicher genommen hätte - von ganzen Herzen<br />

danken. Heinrich Kieber, ein zutiefst verbittertes, enttäuschtes<br />

Opfer<br />

<strong>Die</strong>s waren überhaupt meine allerletzten Zeilen, die ich <strong>de</strong>m Gericht<br />

geschrieben hatte. Insbeson<strong>de</strong>re die letzten vier Worte hätten beim<br />

Gericht diverse Leute aufmerksam machen sollen. Aber eben, „hätten‚.<br />

Wie fast immer in <strong>de</strong>n letzten sechseinhalb Jahren, wur<strong>de</strong>n meine<br />

Notizen, Schreiben, Anträge, Analysen, Beweismappen, Antworten und<br />

was ich sonst noch alles für <strong>de</strong>n 101er, 140er und das Zivilverfahren<br />

eingereicht hatte, überhaupt nicht, o<strong>de</strong>r wenn dann nicht richtig o<strong>de</strong>r<br />

vollständig gelesen.<br />

Ich muss dazu sagen, dass <strong>de</strong>r UR Dr. Paul Meier fast eine Stun<strong>de</strong> lang<br />

versucht hatte, mich von <strong>de</strong>m Einreichen <strong>de</strong>s oben genannten finalen<br />

Antrags abzubringen. Er re<strong>de</strong>te wie ein Irrer auf mich ein, es nicht zu<br />

tun. Wenn ich dies tun wür<strong>de</strong>, dann könnten die Verbrecher wie<strong>de</strong>rum<br />

436


einen Sieg über mich verbuchen, sagte er. Er versuchte mich davon zu<br />

überzeugen, dass nicht alle Richter so wie <strong>de</strong>r LR Uwe Oehri wären.<br />

Ich konterte mit <strong>de</strong>r Tatsache, dass ausgerechnet dieser Oehri <strong>de</strong>n<br />

Vorsitz <strong>de</strong>s Kriminalgerichts inne hat. Welche Chance hätte ich da, selbst<br />

wenn das Obergericht mir <strong>de</strong>n Status als Subsidiarankläger erlauben<br />

wür<strong>de</strong>? Dr. Meier versuchte es hartnäckig, es nutzte nichts. Er warnte<br />

mich, sollte ich diesen Antrag stellen, ich nie wie<strong>de</strong>r das Verfahren in<br />

Liechtenstein eröffnen könne. Aktenmappe zu, be<strong>de</strong>utet Fall<br />

geschlossen. Das wäre mir klar, sagte ich. Es gäbe noch die Möglichkeit<br />

eines Verfahrens im Wohnsitzland <strong>de</strong>r Täter, so wie es mir Hans-Adam<br />

versprochen hatte, erinnerte ich ihn. Ich reiche <strong>de</strong>n Antrag hiermit ein,<br />

war mein letztes Wort.<br />

Er machte einen letzten Versuch und fragte mich, ob mein RA Müller<br />

davon wüsste. Ich sagte nein. Meier meinte dann, dass er <strong>de</strong>n Antrag<br />

von Müller mitunterschrieben haben wollte. Netter Versuch, sagte ich.<br />

Gemäss Gesetzt kann ich <strong>de</strong>n Antrag auch ohne meinen RA einreichen.<br />

Gera<strong>de</strong> als Privatbeteiligter am Prozess, wusste ich zu berichten.<br />

Wi<strong>de</strong>rwillig nahm er meinen Antrag an.<br />

Ich muss gestehen, dass ich ein Gefühl <strong>de</strong>r Erleichterung hatte. Endlich<br />

wusste ich wo ich stand. Keine Zeit- und Energieverschwendung mehr<br />

mit <strong>de</strong>r Justiz hier. Klar war mir auch, dass sobald <strong>de</strong>r Antrag die Run<strong>de</strong><br />

gemacht hätte, nicht wenige bei <strong>de</strong>r Justiz froh waren, endlich <strong>de</strong>n 101er<br />

losgewor<strong>de</strong>n zu sein. Insbeson<strong>de</strong>re die STA, <strong>de</strong>ren Wi<strong>de</strong>rstand gegen<br />

eine Kriminalverhandlung im 101er sich wie ein roter Fa<strong>de</strong>n durch die<br />

ganzen letzten sechseinhalb Jahre zog. Nicht zu vergessen die<br />

überraschten Gesichtern <strong>de</strong>r Täter, zumin<strong>de</strong>st von Helmut Roegele &<br />

seiner Frau, die ja einen Anwalt in Vaduz hatten.<br />

<strong>Die</strong> Täter dachten sicher, ich muss verrückt gewor<strong>de</strong>n sein. Aber eben,<br />

sie wussten und wissen es bis heute nicht, was alles im Hintergrund,<br />

lei<strong>de</strong>r oft nur zu ihren Gunsten, abgelaufen war. Was das war, dass<br />

können mein Folterer Helmut und seine Kin<strong>de</strong>r in diesem Buch<br />

nachlesen. Ein fettes „Dankesschreiben‚ zusammen mit einem<br />

"Spen<strong>de</strong>nscheck" von Helmut & Co. an Hans-Adam und die LGT wären<br />

jetzt sicher angebracht. Glaubst Du nicht auch, Helmut?<br />

Nach<strong>de</strong>m mein RA Müller eine Kopie meines Antrages vom 8.8. erhalten<br />

hatte, rief er mich sofort an und war entsetzt. Was nun wie<strong>de</strong>r, sagte ich.<br />

Zuerst re<strong>de</strong>n alle auf mich ein, ich soll die Argentiniensache in<br />

Liechtenstein vergessen. Jetzt, wo ich es radikal gemacht habe, ist man<br />

437


entsetzt. Er hätte lei<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r schlechte Nachrichten für mich. Was<br />

<strong>de</strong>nn wie<strong>de</strong>r? Ist Helmut Roegele gestorben, fragte ich sarkastisch. Nein,<br />

er hätte gehört, dass <strong>de</strong>r LR Uwe Oehri meinen Fall beim<br />

Kriminalgericht verhan<strong>de</strong>ln möchte. Wie bitte? Ich glaubte es nicht.<br />

Hassen die mich so sehr, fragte ich ihn. Wie könnte Oehri <strong>de</strong>n Fall<br />

behan<strong>de</strong>ln, wenn er als Richter im Zivilstreit amtete und mir dort einen<br />

enormen Scha<strong>de</strong>n zugefügt hatte und ich ihn in <strong>de</strong>m berühmten<br />

Schreiben, dass ja Gegenstand <strong>de</strong>r Kriminalverhandlung sein wür<strong>de</strong>, zu<br />

Recht <strong>de</strong>r Inkompetenz und <strong>de</strong>r Entwürdigung überführt hatte.<br />

Müller war auch erstaunt. Er wäre seit mehreren Jahrzehnten Anwalt.<br />

Nie hätte er ein solches Mass an Interessenkonflikt angetroffen. Für mich<br />

war das Fass voll. Ich bedankte mich für <strong>de</strong>n Anruf. Ich wählte sofort die<br />

Nummer vom Schloss und bat beim Sekretariat mit Hans-Adam<br />

verbun<strong>de</strong>n zu wer<strong>de</strong>n. Er wäre nicht im Hause. Wenn es dringend wäre,<br />

dann könnte er sicherlich innerhalb <strong>de</strong>r nächsten Stun<strong>de</strong> zurückrufen.<br />

Ich bat darum. Danke und Auf Wie<strong>de</strong>rhören.<br />

Ca. 40 Minuten später rief er an. Ich entschuldigte mich für die<br />

Anspruchsnahme seiner kostbaren Zeit, aber er habe mir ja gesagt, dass<br />

ich ihn je<strong>de</strong>rzeit anrufen könnte, wenn mich etwas bedrücken wür<strong>de</strong>. Ja,<br />

das stimme, sagte er mir. Ich erzählte ihm vom Vorhaben <strong>de</strong>s LR Oehri.<br />

Hans-Adam war auch erstaunt, zumin<strong>de</strong>st hinterliess er bei mir diesen<br />

Eindruck. Er sagte, dass er auch keinen Sinn darin sehen wür<strong>de</strong>, wenn<br />

Oehri diesen Fall behan<strong>de</strong>ln wür<strong>de</strong>. Ich erzählte ihm, dass mich keine<br />

100 Pfer<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Saal bringen wür<strong>de</strong>n, wenn Oehri und Haun mir<br />

gegenüber stehen wür<strong>de</strong>n. Sollte ich mit Polizeigewalt in <strong>de</strong>n Saal<br />

gebracht wer<strong>de</strong>n, was durchaus möglich wäre, da ich als Angeklagter<br />

anwesend sein muss, wür<strong>de</strong> ich kein einziges Wort sagen. Bei aller<br />

Liebe, sagte ich, und korrigierte mich gleich: Bei allem Bösen, mit <strong>de</strong>r<br />

Betonung auf Bösen, das habe ich nicht verdient. Hans-Adam sagte<br />

gleich, niemand will mir Böses. Er wür<strong>de</strong> sich dieser Sache auch<br />

annehmen, versprach er. Tausend Dank.<br />

Auf Wie<strong>de</strong>rhören Lan<strong>de</strong>sführer. Auf Wie<strong>de</strong>rhören Herr Kieber.<br />

Hans-Adam hatte Recht, mit Freundlichkeit kommt man viel weiter im<br />

Leben. Ich musste meine Verbitterung unter Kontrolle bringen. Und<br />

immer nur das von Hans-Adam versprochene Fernziel, die Täter von<br />

Argentinien vor ein Gericht zu bringen, nicht aus <strong>de</strong>n Augen lassen. So<br />

entschloss ich, dass es an <strong>de</strong>r Zeit wäre, <strong>de</strong>m Regierungschef Hasler und<br />

438


<strong>de</strong>m Liechtensteiner Botschafter in Berlin ein paar kurze Zeilen zu<br />

schreiben. Darin entschuldigte ich mich für die turbulenten Zeiten, die<br />

ich verursacht hatte. Am 18.8. lieferte ich bei<strong>de</strong> Briefe bei <strong>de</strong>r<br />

Regierungskanzlei im Regierungshaus ab. <strong>Der</strong> Brief für <strong>de</strong>n Botschafter<br />

wur<strong>de</strong> aus Vorsicht nicht nach Berlin gesandt, son<strong>de</strong>rn ihm bei <strong>de</strong>r<br />

nächsten Gelegenheit in Vaduz übergeben.<br />

Ein paar Tage später rief mich RA Müller wie<strong>de</strong>r an. Er fragte gleich, ob<br />

ich mit Hans-Adam über <strong>de</strong>n Oehri gesprochen hätte. Ja, sagte ich.<br />

Warum, fragte ich. Er sei in dieser Sache aktiv gewor<strong>de</strong>n und wollte<br />

gera<strong>de</strong> in meinem Namen einen Antrag auf Befangenheit <strong>de</strong>s LR Oehri<br />

stellen. Vor Einreichung <strong>de</strong>s Antrags habe er vom Gericht erfahren, dass<br />

Hans-Adam offenbar mit <strong>de</strong>m Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>s Obergerichts, Hr. Max<br />

Bizozzero telefoniert haben muss und seinen Unmut über die Einsetzung<br />

von LR Oehri in diesen Fall kundtat. In <strong>de</strong>r Folge wäre LR Oehri<br />

aufgetragen wor<strong>de</strong>n, sich selber für befangen zu erklären. Somit wäre<br />

<strong>de</strong>r Weg frei für einen unvorbelasteten Richter in dieser Sache.<br />

Ich bedankte mich für die News. Ein kleiner Erfolg. Ganz logisch<br />

erschien mir diese Aktion jedoch nicht. Warum nahm sich <strong>de</strong>r Oehri die<br />

Mühe aktenkundig seine Befangenheit zu erklären? Er, als Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s<br />

Kriminalgerichts hätte doch einfach von Anfang an „entschei<strong>de</strong>n‚<br />

können, nichts mit <strong>de</strong>r Verhandlung zu tun zu haben. Warum <strong>de</strong>r<br />

Aufwand, fragte ich mich.<br />

<strong>Die</strong> Antwort dafür konnte ich in seiner Befangenheitserklärung vom<br />

27.08. nachlesen. Auf zynische Art und Weise macht er meine<br />

Befürchtungen lächerlich und erklärt sogar, dass er persönlich nicht im<br />

Stan<strong>de</strong> wäre, <strong>de</strong>n Vorsitz zu übernehmen.<br />

Nun wie<strong>de</strong>r zurück zu etwas heiterem:<br />

Eine weitere peinliche Situation erlebte ich ausgerechnet mit <strong>de</strong>m<br />

Bankdirektor. Das genaue Datum hatte ich lei<strong>de</strong>r nicht festgehalten. Es<br />

war aber im Juli o<strong>de</strong>r August 2003. Er hatte mich zum feinen Essen<br />

eingela<strong>de</strong>n. Damit wir nicht zusammen in Liechtenstein gesehen<br />

wur<strong>de</strong>n, wählte er das GECCO in Buchs/SG aus, ein Gourmetrestaurant.<br />

Ausgerechnet an jenem Tag speisten zwei Tische schräg hinter uns <strong>de</strong>r<br />

Chef <strong>de</strong>r IT-Abteilung <strong>de</strong>r LGT Treuhand. Zusammen mit drei weiteren<br />

Personen. Ich sass zum Glück mit <strong>de</strong>m Rücken zu ihm. <strong>Der</strong> Bankdirektor<br />

konnte ihn diagonal über meine linke Schulter sehen. Das Lokal war<br />

klein und je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r das Lokal verlassen wollte o<strong>de</strong>r auf die Toilette<br />

musste, kam nicht um unseren Tisch herum. Ich wur<strong>de</strong> nervös, weil ich<br />

439


doch <strong>de</strong>m IT-Chef, ein so guter Mensch, eine Menge Ärger bereitet hatte.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor beruhigte mich.<br />

Dann kam, was kommen musste. <strong>Der</strong> IT-Chef stand auf und erkannte<br />

<strong>de</strong>n Bankdirektor. Er fing an mit ihm zu re<strong>de</strong>n und erblickte mich. Ich<br />

stand auf, begrüsste ihn und fragte, wie es ihm gehe. Gut, sagte er, lange<br />

nicht gesehen. Und dir, fragte er mich. Nach ein wenig Plau<strong>de</strong>rei merkte<br />

ich, dass er offenbar dachte, ich wür<strong>de</strong> nicht wissen, dass er es weiss. Er<br />

bemühte sich sehr seinen verständlichen Frust auf mich zu unterdrücken<br />

und seine Verwirrung darüber zu verbergen, <strong>de</strong>n Bankdirektor mit mir<br />

essen zu sehen.<br />

<strong>Die</strong> letzten Tage im August 2003 waren ruhig. <strong>Die</strong> meisten waren in <strong>de</strong>n<br />

Ferien und Mitte August feierten wir <strong>de</strong>n Staatsfeiertag. Natürlich liess<br />

ich es mir nicht nehmen, auch zum Schloss zu pilgern. Zum<br />

Ge<strong>de</strong>nkgottesdienst auf <strong>de</strong>r grossen Wiese unterhalb <strong>de</strong>s Schlosses und<br />

zur anschliessen<strong>de</strong>n Verköstigung vom Volk und Touristen, spendiert<br />

vom Haus Liechtenstein.<br />

<strong>Die</strong>se Mal achtete ich darauf, nicht die Wege von Hans-Adam o<strong>de</strong>r<br />

seinem Erstgeborenen zu kreuzen. Nicht wie im August 2001. Im<br />

Rückblick auf jenen Staatsfeiertag kann man heute wohl eine gewisse<br />

Ironie erkennen. Das Schweizer Fernsehen hatte in <strong>de</strong>r "10vor10" -<br />

Sendung vom 15.08.2001 einige Minuten über <strong>de</strong>n Staatsfeiertag<br />

berichtet. Ausgerechnet, als ich hinter <strong>de</strong>m Rücken von Hans-Adam<br />

auftauchte, lief die Kamera. Meine Wege kreuzten sich auch dieses Mal<br />

mit <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>s Blaubluts. Aber man beachtete sich einfach nicht gross.<br />

Ich nutzte die Tage um viel Sport zu treiben und mit <strong>de</strong>m Velo hatte ich<br />

schon über 1100 km abgera<strong>de</strong>lt. Oft fuhr ich hinter <strong>de</strong>m Gefängnis vorbei<br />

auf eine geteerte Feldstrasse die zum Rhein führte. Ab und zu kam mir<br />

<strong>de</strong>r Lampert in <strong>de</strong>n Sinn. Wie es ihm wohl gehen wür<strong>de</strong>, fragte ich mich.<br />

In seinem Fall kam man nicht voran. Meine <strong>Die</strong>nste wur<strong>de</strong>n nicht<br />

gebraucht (erst 2005 wur<strong>de</strong> es so heiss, dass man auch auf mich zukam).<br />

Jetzt, 2003, stelle sich Lampert stur und wollte mit nieman<strong>de</strong>m re<strong>de</strong>n. Ich<br />

hatte vom Gerichtspersonal gehört, dass seine Verhandlung im<br />

November stattfin<strong>de</strong>n soll. Ich hatte meine eigenen Probleme und<br />

sowieso keine Zeit für An<strong>de</strong>re.<br />

En<strong>de</strong> August schrieb ich Hans-Adam einen Brief in<strong>de</strong>m ich meine<br />

Gedanken über meine Gerichtsverhandlung schil<strong>de</strong>rte. Ich bat ihn um<br />

ein Vier-Augen-Gespräch vor <strong>de</strong>r Verhandlung, die irgendwann im<br />

Oktober stattfin<strong>de</strong>n sollte. Kurz darauf konnte ich in <strong>de</strong>n Besitz einer<br />

440


Notiz <strong>de</strong>r Vaduzer Polizei gelangen. Darin war die Re<strong>de</strong> davon, dass sie<br />

meine vier CD-ROMs von Berlin im Safe aufbewahrten. In einem kurzen<br />

Schreiben teilte ich dies <strong>de</strong>m Hans-Adam mit. <strong>Der</strong> Grund dafür lag dran,<br />

dass er mir ja während <strong>de</strong>r Audienz gesagt hatte, dass er meine 4 CDs auf<br />

<strong>de</strong>m Schloss komplett vernichtet hätte. Offenbar muss es da ein<br />

Missverständnis geben, wenn jetzt in <strong>de</strong>n Unterlagen stand, dass<br />

die Polizei meine 4 CDs hatte.<br />

Auch konnte ich wie<strong>de</strong>r mit meiner alten Liebe, wenn auch nicht so<br />

ausgeprägt wie vorher, anban<strong>de</strong>ln. Eine ganz an<strong>de</strong>re Art von<br />

Herzklopfen erlebte ich, als ich eines schönen Morgens, genauer am<br />

<strong>Die</strong>nstag, <strong>de</strong>n 9.9., nach einem Besuch beim Landgericht wie<strong>de</strong>r nach<br />

Hause kam und meinen Briefkasten öffnete. Darin lag ein gefalteter<br />

Zettel mit einem Text in Computerschrift und in Grossbuchstaben. Es<br />

waren exakt sieben Zeilen:<br />

KIEBER! Lass Dich nicht klein kriegen! Pass auf <strong>de</strong>n 10 Vr 140 97<br />

auf! Du wirst reingelegt! Sag nicht zu allem Ja und Amen! Deine<br />

Unterkunft wird abgehört! Dein Mobiltelefon auch!<br />

Mir wur<strong>de</strong> schlecht. Ich rannte hoch in meine Wohnung und las <strong>de</strong>n<br />

Zettel nochmals. Mist, nie hat man Ruhe, fluchte ich. Nicht, dass ich<br />

etwas zu befürchten o<strong>de</strong>r zu verstecken hätte. Das einzige, was mir<br />

Ärger bereiten wür<strong>de</strong>, wäre wenn sie einen Hinweise auf meinen Safe<br />

ich <strong>de</strong>r Schweiz fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>s war aber unmöglich. Ich hatte<br />

absolut nichts bei mir o<strong>de</strong>r in meinen Sachen, was in diese Richtung<br />

zeigte. Nur im Kopf. Und dieser war ja vor <strong>de</strong>ren Zugriff geschützt. Ich<br />

strengte mich sehr an, um herausfin<strong>de</strong>n, wer mir diese Worte zugesteckt<br />

haben könnte. Denn nur wenn ich wusste, wer dies war, konnte ich<br />

analytisch die Motive erforschen und <strong>de</strong>n wirklichen Grund dieser<br />

Information herausfin<strong>de</strong>n. Hatte es vielleicht mit <strong>de</strong>m Schreiben vom<br />

13.08. zu tun, in <strong>de</strong>m ich das Gericht um eine Kopie <strong>de</strong>s Gutachtens<br />

gebeten hatte (siehe Kapitel 17)? O<strong>de</strong>r hatte ich zu viele Fragen gestellt?<br />

Denn obwohl es auf <strong>de</strong>n ersten Blick es so aussah, als ob die Person, die<br />

<strong>de</strong>n Zettel geschrieben hatte, auf meiner Seite stand, kam ich beim<br />

zweiten Blick zum Schluss, dass eigentlich das Gegenteil <strong>de</strong>r Fall war.<br />

All die wenigen, die wirklich auf meiner Seite stan<strong>de</strong>n, wür<strong>de</strong>n mich<br />

offen warnen und mir die Information ins Gesicht sagen. Und RA<br />

Müller, <strong>de</strong>r zwar für mich intervenierte, aber von Hans-Adam bezahlt<br />

441


wur<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong> so etwas nie tun. Dazu war er zu seriös. In meiner<br />

Gegnerschaft gab es Leute, die die angebotene Lösung von Hans-Adam<br />

nur wi<strong>de</strong>rwillig akzeptierten. Ich schreibe hier bewusst von<br />

Gegnerschaft. Aus meiner Sicht waren sie keine Gegner mehr, ich hatte ja<br />

Frie<strong>de</strong>n mit ihnen geschlossen und dieser Frie<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> mir auch<br />

permanent von ihnen verbal bestätigt. <strong>Die</strong> isolierte Tatsache, dass ich<br />

noch eine komplette elektronische Kopie von Kun<strong>de</strong>ndaten plus diverse<br />

Geschäftsunterlagen in einem Safe in <strong>de</strong>r Schweiz gebunkert hatte, war<br />

für mich kein i<strong>de</strong>ologisches Hin<strong>de</strong>rnis für einen dauern<strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n. Sie<br />

wussten ja nichts davon und ich konnte jetzt im Moment diese letzte<br />

Kopie nicht vernichten. Dazu wür<strong>de</strong> ich immer noch zu einem späteren<br />

Zeitpunkt die Möglichkeit haben.<br />

Ich hatte mittlerweile erkannt, dass einige hier in Vaduz nicht am selben<br />

Strang zogen. Das be<strong>de</strong>utete, dass es aus ihrer Sicht meine Gegner waren.<br />

Lange überlegte ich, wie ich herausfin<strong>de</strong>n könnte, ob mein Leben<br />

abgehört wur<strong>de</strong>. War mein Handy nicht von <strong>de</strong>r LGT gesponsert und<br />

mit neuer SIM-Karte ausgestattet wor<strong>de</strong>n? Ich selber war ja kein grosser<br />

Technik-Freak und konnte daher schwer, wenn überhaupt, mit<br />

elektronischen Mitteln die Wahrheit herausfin<strong>de</strong>n.<br />

Ich versetzte mich in die Lage <strong>de</strong>r Lauscher, falls es welche gab. Warum<br />

ich überhaupt abgehört wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, war mir schnell klar. Es gab<br />

sogar zwei Theorien. A) Sie wollten herausfin<strong>de</strong>n, ob ich eine weitere<br />

<strong>Daten</strong>kopie hatte. B) Sie suchten nach neuem Belastungsmaterial. Für A)<br />

sprach, dass je<strong>de</strong>r halbwegs intelligente Gegner vermuten konnte, dass<br />

ich eventuell eine Kopie zurückbehalten hatte und er/sie <strong>de</strong>swegen<br />

herausfin<strong>de</strong>n musste, wo ich sie versteckt haben könnte. Gegen A)<br />

sprach, dass sich langsam aber sicher abzeichnen<strong>de</strong> aggressivere<br />

Verhalten mir gegenüber. Denn es ergab doch keinen Sinn, zu vermuten,<br />

dass ich eine <strong>Daten</strong>kopie besass und sich gleichzeitig liessen sie ein<br />

Versprechen nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren platzen. Ausser<strong>de</strong>m wür<strong>de</strong>n sie mich<br />

dann nicht ständig <strong>de</strong>mütigten und weiterhin auf mir herumhackten.<br />

Was für B) sprach, war die teilweise krankhafte Kontrollsucht <strong>de</strong>rer, die<br />

mich keine Minute aus <strong>de</strong>n Augen lassen wollten und alles über mein<br />

Tun und Denken sammeln wollten, um einen Treffer zu lan<strong>de</strong>n.<br />

Nach ein paar Brainstormings (‚Hirnzellenkochen‚) kam mir eine<br />

einfache I<strong>de</strong>e, wie ich herausfin<strong>de</strong>n könnte, ob man mich in <strong>de</strong>r<br />

Wohnung abhören wür<strong>de</strong>. Ich plante einen Test in <strong>de</strong>n nächsten Wochen<br />

442


durchzuführen, einen Trick, sodass sie nicht merken wür<strong>de</strong>n, dass ich<br />

von ihrer illegalen Operation wusste. Illegal darum, weil streng nach<br />

<strong>de</strong>m Gesetzt ein solcher massiver Eingriff in meine Privatsphäre nur<br />

während einer gerichtlichen Untersuchung erlaubt ist. Sonst hätte ich<br />

mich ja gleich in die Mitte <strong>de</strong>s Raums stellen können und schreien „ihr<br />

könnt mich alle mal kreuzweise – ich grüsse die Lauscher‚.<br />

Wegen <strong>de</strong>m Abhören <strong>de</strong>s Handys re<strong>de</strong>te ich am besten mit <strong>de</strong>m UR Paul<br />

Meier, entschied ich.<br />

Am 10.9. erhielt ich die Vorladung zum Prozess. <strong>Die</strong>ser wür<strong>de</strong> am<br />

22.10.03 um 08.30 Uhr im Saal 1 beginnen. Natürlich unter Ausschluss<br />

<strong>de</strong>r Öffentlichkeit, da die Regierung, Hans-Adam und die LGT die<br />

Angelegenheit als zu sensibel für die Ohren <strong>de</strong>r Allgemeinheit befan<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> „Sicherheit‚ <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s wür<strong>de</strong> riskiert wer<strong>de</strong>n. Da spielte es keine<br />

Rolle, dass nach Buchstaben <strong>de</strong>s entsprechen<strong>de</strong>n Gesetz, nur die<br />

eigentliche Verhandlung selber als nicht-öffentlich <strong>de</strong>klariert wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Im Prinzip wären die Anklageverlesung und die<br />

Urteilsverkündung immer öffentlich. Natürlich hatte ich auch nichts<br />

dagegen, das Publikum auszusperren. Ich wollte meine Wäsche auch<br />

nicht für alle sichtbar geschrubbt haben.<br />

Da ich ja viel freie Zeit hatte, organisierte ich mehrere Besuche zum<br />

Aktienstudium beim LG. Es dauerte nicht lange, bis ich wie<strong>de</strong>r auf<br />

Belege gestossen war, die mich noch mehr zur Verzweiflung trieben.<br />

Im 140er z.B. fand ich Quittungen von über CHF 35'000.- . STA Haun<br />

hatte für diese horren<strong>de</strong> Summe Dokumente aus Spanien ins Deutsche<br />

übersetzten lassen. Und wen wun<strong>de</strong>rt’s noch, es waren ausschliesslich<br />

solche, die von Seiten <strong>de</strong>r argentinischen Ban<strong>de</strong> geliefert wur<strong>de</strong>n. <strong>Der</strong><br />

RA von Helmut Roegele nutzte die alleine vom Liechtensteiner Staat<br />

bezahlten teuren Übersetzungen im Zivilverfahren gegen mich.<br />

Permanent hatte das Landgericht meinen Antrag (basierend auf die mir<br />

gewährte Verfahrenshilfe) auf Übersetzung jener spanischen<br />

Dokumente, die mich entlasteten, ohne Begründung abgewiesen. Da ich<br />

dieser Fremdsprache selber mächtig war, hatte ich so gut es ging diverse<br />

Unterlagen selbst übersetzt. Wie<strong>de</strong>r passte dies <strong>de</strong>m LR Oehri (im<br />

Zivilstreit) nicht. Eine weitere Arbeit für mich war das genauere<br />

Studium <strong>de</strong>r 140er Anklage.<br />

Hans-Adam verlangte ja von mir, dass ich mich schuldig bekennen sollte<br />

und vor <strong>de</strong>m Kriminalgericht so wenig wie möglich sagen sollte. Er hatte<br />

und hat immer noch die absolute Kontrolle über je<strong>de</strong>n Richter. Dank <strong>de</strong>r<br />

443


neuen Verfassung konnte er je<strong>de</strong>n von ihnen, wenn es sein muss unter<br />

fa<strong>de</strong>nscheinigen Grün<strong>de</strong>n, aus <strong>de</strong>m Amt entheben. Was er natürlich<br />

nicht unter Kontrolle hatte, war die möglichen Fragen, die mir das<br />

Richtergremium während <strong>de</strong>r Verhandlung stellen konnte. Daher fand<br />

er es besser, wenn ich mich sternenklar für schuldig bekennen wür<strong>de</strong><br />

und somit die Anzahl <strong>de</strong>r möglichen Fragen drastisch reduzieren wür<strong>de</strong>.<br />

Je mehr ich in <strong>de</strong>r ausgefertigten Anklage las, <strong>de</strong>sto grösser wur<strong>de</strong> meine<br />

Abneigung gegenüber einem MEA CULPA.<br />

Abgesehen davon, dass die vorgeworfene Tat (Wohnungskauf) nicht<br />

zutraf, wäre es gera<strong>de</strong>zu hirnverbrannt, wenn ich mich zu dieser<br />

formulierten Anklage ohne massiven Protest für schuldig erklären<br />

wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong> Anklageschrift hätte genauso gut aus <strong>de</strong>r Hand vom Täter<br />

Helmut Roegele stammen können. STA Haun hatte praktisch Wort für<br />

Wort die Lügen von ihm und seiner Frau in die Anklageschrift<br />

übertragen. Eine völlig absurd aufgebaute Erzählung, die Grösstenteils<br />

auch in <strong>de</strong>r Abwehrstrategie von Helmut und seiner Komplizen für <strong>de</strong>n<br />

101er Fall und <strong>de</strong>m Zivilverfahren zu fin<strong>de</strong>n war.<br />

Mit <strong>de</strong>m verlangten „ja, ich bekenne mich schuldig‚ wür<strong>de</strong> ich selber,<br />

man stelle sich das vor, die Dichtung von Helmut & Co. mit einem<br />

Schlag als Gewissheit für immer und ewig einbetonieren.<br />

Nein, nein, nein - ich konnte hierzu auf keinen Fall einfach JA sagen. Sie<br />

können alles von mir verlangen, nur das nicht.<br />

Wie<strong>de</strong>rum musste ich unser Staatsoberhaupt mit einem Anruf<br />

belästigen. Es war mir peinlich, ihn alle zehn o<strong>de</strong>r 14 Tage anzurufen.<br />

Aber nach je<strong>de</strong>m Anruf sagte er mir, dass ich ihn immer kontaktieren<br />

dürfte. Er wäre ausser Lan<strong>de</strong>s, sagte man mir. Ob es dringend wäre,<br />

fragte seine Sekretärin. Nein erwi<strong>de</strong>rte ich.<br />

Am Freitag, <strong>de</strong>n 12.9., um exakt 10.30 Uhr rief er mich dann auf meinem<br />

Handy an. Das Gespräch dauerte genau 24 Minuten und 31 Sekun<strong>de</strong>n.<br />

Ich erzählte ihm die Details von <strong>de</strong>r 140er Anklage. Er hätte eine Kopie<br />

davon in seiner Mappe, unterbrach er mich auf halber Strecke. Ich sagte,<br />

dass ich unmöglich ohne mich wenigsten minimal verteidigen zu<br />

können, einfach Ja sagen könnte. Ich könnte ja auch nicht sagen:<br />

„Eigentlich bin ich nicht schuldig, bekenne mich aber schuldig.‚ Er<br />

müsse dies bitte verstehen.<br />

Er konnte meinen Be<strong>de</strong>nken folgen. Ich wies ihn auf die gefährliche<br />

Konsequenz hin, dass die Täter von Argentinien mein Schuldbekenntnis<br />

garantiert weiterverwen<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n. Ich wür<strong>de</strong> doch vor je<strong>de</strong>m Gericht<br />

auf dieser Welt, wo immer wir es schaffen wür<strong>de</strong>n Helmut Roegele und<br />

444


seine Komplizen vor ein Kriminalgericht zu bringen, als geisteskrank<br />

abgewiesen wer<strong>de</strong>n. Egal wie erdrückend unsere Beweise sind und,<br />

dank seiner (Hans-Adams) finanziellen Supermacht, egal wie stark mein<br />

Anwaltsteam wäre.<br />

Hans-Adam meinte, ich wür<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r zu viel nach<strong>de</strong>nken. Alles wür<strong>de</strong><br />

gut wer<strong>de</strong>n. Wie<strong>de</strong>rum konnte er mich beruhigen. Ich glaubte ihm, dass<br />

er <strong>de</strong>n grösseren Überblick als ich hatte. Meine Wahrnehmung, im<br />

Gegensatz zu seiner, war ja durch <strong>de</strong>n jahrelangen Kampf geschwächt.<br />

Zu<strong>de</strong>m hatte ich auch Angst vor <strong>de</strong>m Resultat <strong>de</strong>r kommen<strong>de</strong>n<br />

Verhandlung. Da war es immer besser, Hoffnung zu schöpfen. Am<br />

nächsten Tag schrieb ich Hans-Adam wie<strong>de</strong>r einen Brief und bedankte<br />

mich für seine Worte. Ich informierte ihn, dass ich erfahren hatte, dass<br />

ich zwei Personen mit zur Verhandlung nehmen könnte. Ich bat ihn um<br />

sein Einverständnis, <strong>de</strong>n Bankdirektor mitnehmen zu können. Den Brief<br />

brachte ich persönlich am folgen<strong>de</strong>n <strong>Die</strong>nstag, <strong>de</strong>n 16.9., aufs Schloss<br />

und gab ihn beim Portier ab. Den Zettel in meinem Briefkasten erwähnte<br />

ich im Schreiben aber nicht.<br />

Am 23.9. hatte ich einen Termin mit <strong>de</strong>m Neffen vom RA Müller.<br />

Er beherrschte die spanische Sprache und hatte in Spanien via einer<br />

Topanwaltskanzlei dort für mich interveniert. Es wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n spanischen<br />

Behör<strong>de</strong>n mitgeteilt, dass die dort hängige Sache bald in Vaduz vor <strong>de</strong>m<br />

Landgericht behan<strong>de</strong>lt wür<strong>de</strong>. Nach Abschluss wür<strong>de</strong> man das Urteil<br />

auf offiziellem Weg via Eurojust in Holland bekommen. Ähnlich wie bei<br />

Interpol, funktioniert die Eurojust als Drehscheibe <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen<br />

Gerichtsbarkeiten innerhalb Europas. <strong>Die</strong>se Nachricht erfreute mich<br />

sehr.<br />

<strong>Die</strong> Kanzlei Müller musste mir lei<strong>de</strong>r auch mitteilen, dass es Helmut<br />

Roegele inzwischen gelungen sei, an die Gel<strong>de</strong>r in Österreich zu<br />

kommen. Wie<strong>de</strong>r ein Tiefpunkt in meinem Leben. Als es vor mehr als<br />

sechs Jahren blockiert wur<strong>de</strong>, waren es über CHF 825'000.-. Mit <strong>de</strong>n<br />

Zinsen müsste es heute weit über 920'000.- sein. Viel mehr als das, was<br />

<strong>de</strong>r Verbrecher Helmut Roegele von mir nun offiziell plün<strong>de</strong>rn durfte.<br />

Ich fragte, warum mir das Gericht in Österreich die Differenz nicht<br />

zurückgegeben hätte. Lei<strong>de</strong>r sei ihnen die Auskunft verwehrt wor<strong>de</strong>n,<br />

wie viel am En<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>m Konto lag, erklärten die Müllers. Ich konnte<br />

dazu nichts mehr sagen, ich wollte auch nichts mehr sagen. Man hätte<br />

dies verhin<strong>de</strong>rn können. <strong>Die</strong> Kanzlei Müller, typisch Juristen, sahen auch<br />

eine positive Seite. Wenn ich mich beim Gericht im 140er schuldig<br />

445


ekennen wür<strong>de</strong>, dann könne man <strong>de</strong>m Gericht auch mitteilen, dass die<br />

„Schuld‚ gegenüber Helmut Roegele in <strong>de</strong>r Zwischenzeit beglichen<br />

wur<strong>de</strong>. Wenn sie meinten, war meine lapidare Antwort darauf.<br />

Es dauerte nicht lange, bis meine mündlichen und schriftlichen<br />

Beschwer<strong>de</strong>n über Haun als Vertreter <strong>de</strong>r Anklage auf seine Ohren<br />

trafen. <strong>Die</strong>ser war so gekränkt und beleidigt, dass er es für korrekt hielt,<br />

mich persönlich zu kontaktieren. <strong>Die</strong> Nummer muss er von meinem<br />

Briefkopf aus <strong>de</strong>m Schreiben an seinen Chef vom 5.8. abgelesen haben.<br />

Er fackelte nicht lange. Ich war so erschrocken, als er mich anrief, dass<br />

ich zuerst seine giftige Drohung gar nicht fassen konnte. Seinen Namen<br />

und seine Stimme zu hören, irritierte mich stark. Ich dachte nur, wie kam<br />

<strong>de</strong>r überhaupt auf die I<strong>de</strong>e mich anzurufen. Er erpresste mich. Ja,<br />

Erpressung! Er wusste inzwischen, dass ich aufgefor<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n war,<br />

mich zu 10000 Prozent schuldig zu bekennen. Er wusste ferner, dass ich<br />

mich dazu weigerte und mich wegen seiner kommen<strong>de</strong>n Präsenz in <strong>de</strong>r<br />

Verhandlung beschwert hatte. Er sagte ganz cool, dass ich, was seinen<br />

Auftritt als Ankläger betreffe, gefälligst die Klappe halten soll. Und sollte<br />

ich mich nicht schuldig bekennen, wür<strong>de</strong> er das Ehepaar Helmut<br />

Roegele & Salud H. zur Verhandlung am 21.10. höchstpersönlich<br />

herkarren. Das wäre doch ein Spektakel, feixte er. Wenn ich dies nicht<br />

wollte, dann müsste ich ein klares Schuldbekenntnis abliefern. Er brüllte<br />

wie ein Pavian. Er erwarte bis spätestens zwei Wochen vor <strong>de</strong>r<br />

Verhandlung eine Nachricht von meinen Verteidiger, ob ich mich<br />

schuldig bekenne. Zu<strong>de</strong>m drohte er mir, falls ich ein Schuldbekenntnis<br />

ankündigen wür<strong>de</strong> und am 21. (10.) auf die schlaue I<strong>de</strong>e kommen wür<strong>de</strong><br />

auf „nicht schuldig‚ zu plädieren, dann wür<strong>de</strong> er beantragen, die<br />

Verhandlung zu verschieben und dann Helmut Roegele & Co. vorla<strong>de</strong>n.<br />

Ansonsten er Helmut und das ganze spanische Pack zur Feier einla<strong>de</strong>n<br />

wür<strong>de</strong>, wie<strong>de</strong>rholte er schon wie<strong>de</strong>r. <strong>Die</strong> wür<strong>de</strong>n sich hüten, hier her zu<br />

kommen, schrie ich ihn ohne gross zu überlegen an. Nicht mehr, lachte<br />

er gemein, da ich ja so schwachköpfig gewesen wäre, meinen Antrag auf<br />

Fortsetzung <strong>de</strong>r Strafuntersuchung zurückzuziehen. <strong>Die</strong>sem Antrag<br />

hatte das Obergericht stattgegeben.<br />

Ich drücke mit solcher Kraft und Repetition auf die Ausschalttaste<br />

meines Handys, bis mein rechter Daumen schmerzte. <strong>Die</strong>ser Sauhund,<br />

dachte ich mir. Das macht er nicht. Unmöglich. Er darf so etwas nicht<br />

machen. <strong>Die</strong>se miese Kreatur erpresste mich. <strong>Der</strong> hat sich gar nicht<br />

geän<strong>de</strong>rt, wur<strong>de</strong> mir klar. Von Einsicht in die eigenen Fehler absolut<br />

keine Spur. Null. Nichts. Nada.<br />

446


Je mehr ich darüber nachdachte, <strong>de</strong>sto weniger verstand ich die<br />

Situation. Ich begriff nicht, wie sich Haun so aufführen konnte, ohne<br />

einen Rüffel von seinem Boss, Dr. Wallner o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Justizministerin Rita<br />

Kieber-Beck zu riskieren. Vielleicht wollte man es so. Um mir Angst<br />

einzujagen. Wenn mein Handy abgehört wur<strong>de</strong>, dann wüsste Haun dies<br />

sicher auch. Das heisst, er hatte sicher Rücken<strong>de</strong>ckung für eine solche<br />

Wortwahl mir gegenüber, leuchtete es mir ein.<br />

Trotz<strong>de</strong>m verfasste ich sofort einen neuen Brief an Hans-Adam. Im<br />

Schreiben gab ich im genauen Wortlaut <strong>de</strong>n Anruf von Haun wie<strong>de</strong>r<br />

und teilte Hans-Adam mit, dass ich mich nicht erpressen lasse. Ich flehte<br />

ihn an, diesem Haun eine auf die Rübe zu knallen. Ob <strong>de</strong>n nun alle<br />

durchgedreht wären, fragte ich offen. Noch nie war eines meiner<br />

Schreiben so schnell beim Empfänger. Ich erwischte gera<strong>de</strong> noch <strong>de</strong>n<br />

Schlosspförtner bevor er Feierabend machte und bat ihn <strong>de</strong>n Brief gleich<br />

ins Schloss zu tragen.<br />

Am nächsten Morgen rief mich nicht Hans-Adam, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor an. Er bat mich nochmals die genauen Worte von Haun zu<br />

wie<strong>de</strong>rholen. Ich tat es und teilte ihm unmissverständlich mit, dass ich<br />

mir nicht drohen lasse. Schon gar nicht vom einem wie Haun. Natürlich<br />

lassen wir uns nicht erpressen, pflichtete er mir bei. Dann sagte <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor etwas erstaunliches, was ich durchwegs als glaubhaft<br />

schluckte. Haun habe vom Leben doch keine Ahnung und nach<strong>de</strong>m alles<br />

über die Bühne gegangen wäre, hätte man für ihn in Liechtenstein keine<br />

Aufgabe mehr. Aha, dachte ich mir, habe wie<strong>de</strong>r ein Teilstück eines<br />

anscheinend grösseren Plans erfahren. Ich musste <strong>de</strong>m Bankdirektor<br />

versprechen, dass ich keine Dummheit begehe und beim Haun o<strong>de</strong>r<br />

sonst irgendjeman<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r STA Radau machen wür<strong>de</strong>. Versprochen?<br />

Versprochen!<br />

Am 3.10. hatten sich <strong>de</strong>r Bankdirektor und <strong>de</strong>r Professor für einen<br />

Besuch bei mir zu Hause angemel<strong>de</strong>t. Unsere Unterredung dauerte von<br />

11:00 bis 12:15.Zuerst musste ich ihnen von einer grausigen Nachricht<br />

erzählen. Ich hatte in einem alltäglichen Gespräch unter Nachbarn<br />

erfahren, dass meine Vormieterin, ein zutiefst traurige und vom Leben<br />

geschun<strong>de</strong>nen Italienerin sich in dieser Unterkunft kurze Zeit vor meiner<br />

Ankunft das Leben genommen hatte. Es stelle sich heraus, dass es je<strong>de</strong><br />

Dame war, die 1997 meine kurzzeitige Nachbarin im Altersheim von<br />

Eschen war. Ich war sehr betrübt über diese Geschichte. Ich fragte die<br />

bei<strong>de</strong>n Besucher, ob sie davon wussten. Nein, antworteten sie.<br />

447


Hauptsächlich drehte sich die ganze Diskussion um die bevorstehen<strong>de</strong><br />

Verhandlung. Es wur<strong>de</strong> mir ein Text vorgelegt, <strong>de</strong>n ich nach <strong>de</strong>r<br />

Anklagevorlesung ablesen sollte.<br />

<strong>Die</strong> Anklage war in zwei Teile gespalten.<br />

Teil 1) betraf <strong>de</strong>n Wohnungskaufs in Barcelona und<br />

Teil 2) betraf die <strong>Daten</strong> und <strong>de</strong>n Brief an Hans-Adam. Sobald ich das<br />

Wort hätte, sollte ich zu bei<strong>de</strong>n Teilen folgen<strong>de</strong>s und nicht mehr sagen:<br />

Zum Thema „Roegele‚ möchte ich wie folgt mich äussern: <strong>Die</strong><br />

Liechtensteiner Justiz hat in einem Zivilverfahren schlussendlich<br />

rechtsgültig nicht meiner, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Version <strong>de</strong>s Klägers<br />

glauben geschenkt. <strong>Die</strong>s muss ich akzeptieren. Aus h e u t i g e r<br />

Sicht, sowie sich die Dinge für meine Zukunft präsentieren,<br />

bekenne ich mich – aus verschie<strong>de</strong>nen, übergeordneten Grün<strong>de</strong>n<br />

- formell juristisch schuldig. Mehr kann ich dazu nicht sagen.<br />

Zum Thema „Lan<strong>de</strong>sfürst‚ möchte ich wie folgt mich äussern:<br />

Ich bekenne mich schuldig, <strong>de</strong>n Brief vom 7. Januar dieses Jahres<br />

aufgesetzt und geschrieben, eine Kassette besprochen und<br />

zusammen mit verschie<strong>de</strong>nen Beilagen seiner DL nach Hause<br />

geschickt zu haben. Ich bedauere es ausseror<strong>de</strong>ntlich, schäme<br />

mich dafür sehr – insbeson<strong>de</strong>re als bekennen<strong>de</strong>r Monarchie-Fan<br />

- und bereue es aufs tiefste, das ich dadurch seine DL und<br />

An<strong>de</strong>re unverschul<strong>de</strong>t in eine schwierige Lage gebracht habe. Ich<br />

befand mich in einer äusserst <strong>de</strong>struktiven Situation und meine<br />

Motive habe ich in besagten Unterlagen vollumfänglich und<br />

vollständig dargelegt. Manche greifen zu Gewalt, ich griff Fe<strong>de</strong>r.<br />

Kurz festhalten möchte ich nochmals, dass ich zum Zeitpunkt, als<br />

ich die Unterlagen bzw. elektronischen <strong>Daten</strong>träger an mich<br />

genommen habe, mir noch überhaupt keine Gedanken gemacht<br />

habe, was ich damit anstellen wer<strong>de</strong>. Hier möchte ich auch auf<br />

meine Einvernahme bei <strong>de</strong>r Untersuchungsrichterin am 10. Juli<br />

dieses Jahres verweisen. <strong>Die</strong> juristische Beurteilung liegt<br />

selbstverständlich nicht bei mir.<br />

Mehr kann ich dazu auch nicht sagen.<br />

Es war eine bitte Pille, die ich da schlucken musste. Da noch zwei<br />

Termine mit meinem RA Müller geplant waren, hätte ich noch genügend<br />

Zeit, alles mit ihm zu besprechen, sagten sie. Was gäbe es da noch zu<br />

448


esprechen, wenn <strong>de</strong>r Text mir zwingend vorgegeben wird, fragte ich.<br />

Wenn ich nichts zur Verteidigung sagen darf? Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor gegangen war, schlug <strong>de</strong>r Professor vor, dass wir in die<br />

Schweiz fahren und dort Mittagessen gehen. Gute I<strong>de</strong>e, sagte ich.<br />

Wir fuhren mit seinem Wagen über <strong>de</strong>n Rhein nach Buchs, kauften uns<br />

eine feine Schweizer Servalat (Bratwurst) und ein Bürli (Brötchen) und<br />

setzten uns draussen vor <strong>de</strong>n Fussballplatz <strong>de</strong>s FC Buchs. Wir re<strong>de</strong>ten<br />

offen, mehr als üblich, über alle möglichen Themen. Aus seinen<br />

Schil<strong>de</strong>rungen wur<strong>de</strong> mir dann auch bewusster, dass es für Hans-Adam<br />

auch nicht einfach war und ist. Ich erwähnte, dass ich über mich selber<br />

verärgert wäre. Warum, fragte er. Weil es doch so aussieht, alles wür<strong>de</strong><br />

alles an<strong>de</strong>rs rauskommen, als wir es in Holland besprochen hätten. Zum<br />

Beispiel <strong>de</strong>n 101er, zählte ich auf. Als ich in Berlin und Holland war,<br />

hätte ich nie geglaubt, dass ich <strong>de</strong>rjenige sein wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Deckel<br />

zumacht. Ihr habt mich dazu clever überre<strong>de</strong>t, sagte ich zu ihm.<br />

Er meinte, dass es sich schlussendlich als <strong>de</strong>r richtige Weg herausstellen<br />

wird. Es wür<strong>de</strong> ja bald alles zu En<strong>de</strong> sein. Ja, sagte ich, dann kann man<br />

die zweite Etappe in Angriff nehmen. Endlich, endlich <strong>de</strong>n Tätern aus<br />

Argentinien an <strong>de</strong>n Kragen gehen. Er fragte mich noch, wie weit ich mit<br />

<strong>de</strong>r Denkschrift wäre. <strong>Die</strong> sei bald fertig, erwi<strong>de</strong>rte ich. Ob er eine Kopie<br />

davon haben könnte. Für ihn als Psychologe wäre es sehr interessant,<br />

meine Gedanken darüber zu lesen. Ich musste ihn aber enttäuschen, da<br />

mir Hans-Adam bei <strong>de</strong>r Audienz gesagt hatte, dass ich nur ihm die<br />

fertige Arbeit übergeben sollte. Ich <strong>de</strong>nke, dass Hans-Adam Angst hat,<br />

ich könnte wie<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Leichen schreiben o<strong>de</strong>r über sonst etwas, was<br />

ihn, sein Land o<strong>de</strong>r die LGT diskreditieren wür<strong>de</strong>. Obwohl ich <strong>de</strong>m<br />

Hans mehrmals erklärt hatte, dass ich keine Namen o<strong>de</strong>r Orte erwähnen<br />

wür<strong>de</strong>. Ich <strong>de</strong>nke, er wird mit meiner Arbeit zufrie<strong>de</strong>n sein.<br />

Das hoffte ich zumin<strong>de</strong>st und ich wäre mir sicher, dass er ihm dann eine<br />

Kopie überlassen wür<strong>de</strong>, sagte ich zum Schluss.<br />

<strong>Der</strong> Professor konnte nicht versprechen, am Tag <strong>de</strong>r<br />

Gerichtsverhandlung zu kommen. Er wür<strong>de</strong> aber sicher telefonieren. Ich<br />

bedankte mich für seine Bemühungen und brachte auch meine Hoffnung<br />

zum Ausdruck, noch vor <strong>de</strong>m Gerichtstermin mit Hans-Adam ein Vier-<br />

Augen-Gespräch halten zu können. <strong>Der</strong> Professor wür<strong>de</strong> diesen Wunsch<br />

auch unterstützen.<br />

RA Müller versicherte mir mehrmals, dass ich keine Angst haben sollte.<br />

Ich befürchtete auch, dass evt. <strong>de</strong>r Haun als Überraschungseffekt<br />

449


Helmut Roegele & Co. eingela<strong>de</strong>n hatte. RA Müller meinte dazu, dass er<br />

diesbezüglich keine Hinweise bei Gericht gesehen habe. Gemäss<br />

Gerichtssekretariat wären von Klägerseite nur Haun und Dr. Wallner<br />

angemel<strong>de</strong>t. Dr. Wallner? Warum kommt die STA mit Doppelbesetzung,<br />

fragte ich. Er wisse es nicht. Er habe aber gehört, dass Haun<br />

Massnahmen getroffen habe, falls ihm etwas passieren sollte. Ihm etwas<br />

passieren? Nichts wür<strong>de</strong> ihn dran hin<strong>de</strong>rn, diesem Prozess<br />

beizuwohnen. Selbst wenn er im Endstadium einer furchtbaren<br />

Krankheit wäre, er wür<strong>de</strong> dieses Spektakel nicht verpassen wollen. RA<br />

Müller sagte mir auch, dass er ja auf Freispruch plädieren wür<strong>de</strong>,<br />

zumin<strong>de</strong>st was <strong>de</strong>n Brief von mir an Hans-Adam angehen wür<strong>de</strong>.<br />

Freispruch? fragte ich erstaunt. Ja, das wäre doch klar, meinte er. Das<br />

hätte er schon zu Anfang gesagt. Muss mir wohl entgangen sein, sagte<br />

ich ihm. Ich hatte immerzu nur schuldig, schuldig und nochmals<br />

schuldig in <strong>de</strong>n Ohren und vergass vollständig, dass mein RA trotz<strong>de</strong>m<br />

noch einen Freispruch beantragen kann. Da man sich ja auf einen<br />

Schuldbekenntnis geeinigt hatte, formulierte er es elegant, wür<strong>de</strong> ich<br />

nach seiner Berufserfahrung und unter <strong>de</strong>n speziellen Umstän<strong>de</strong>n dieses<br />

Falles mit einer Bewährungsstrafe davon kommen.<br />

Aber dann wäre ich ja vorbestraft, sagte ich. Lei<strong>de</strong>r ja, sagte er, an<strong>de</strong>rs<br />

ginge es nicht. Mehr konnte er nicht für mich herausholen. Was<br />

herausholen, fragte ich. Müssten wir nicht zuerst die Verhandlung<br />

abwarten, um über herausholen zu re<strong>de</strong>n, fragte ich. Nein, sagte er. Bei<br />

Gericht wür<strong>de</strong> nicht viel gere<strong>de</strong>t. Aber er sei doch mein Verteidiger, er<br />

müsse re<strong>de</strong>n wie ein Kirchenprediger zu Ostern, verlangte ich. Wenn ich<br />

die Schnauze halten muss, gilt dies doch nicht für ihn, versuchte ich<br />

klarzustellen. Nicht das noch was schief ginge. Alles unter Kontrolle,<br />

erwi<strong>de</strong>rte er. Ich solle endlich aufhören mir <strong>de</strong>n Kopf zu zerbrechen.<br />

Ich fragte Müller auch, ob er mir helfen kann, das geheime Gutachten<br />

(siehe Kapitel 17) zu organisieren. Er wusste von keinem solchem<br />

Gutachten. Ich zeigte ihm die Randbemerkung in <strong>de</strong>r Aktennotiz. Ich<br />

erwähnte, dass darin etwas mich entlasten<strong>de</strong>s stehen könnte. Er wür<strong>de</strong><br />

die Sache abklären. Er instruierte mich auch, nur das vorzulesen, besser<br />

gesagt zu antworten, was mir eingetrichtert wur<strong>de</strong>. Ich sagte ihm, dass<br />

ich <strong>de</strong>n Text auf ein Blatt Papier ausgedruckt habe und mit ins Gericht<br />

nehmen wür<strong>de</strong>, für <strong>de</strong>n Fall, dass ich zu nervös wer<strong>de</strong> und <strong>de</strong>n Text<br />

vergesse. Ich zeigte ihm das Blatt. Er las es durch. Wenn die STA etwas<br />

fragen wür<strong>de</strong> und ich nicht antworten möchte, dann soll ich auf ihn<br />

450


verweisen, dafür sei er ja da. Er erinnerte mich auch daran, dass ich nach<br />

<strong>de</strong>r Urteilsverkündung auf keinen Fall vergessen soll, mich für das Urteil<br />

bei <strong>de</strong>n Richtern zu bedanken. Warum das, fragte ich. Wegen <strong>de</strong>s<br />

„Ventils‚, meinte er nur. Als Wertschätzung gegenüber <strong>de</strong>m Hohen<br />

Gericht und <strong>de</strong>n Richtern.<br />

Aha, sagte ich, das mit <strong>de</strong>m Ventil hat sich also auch schon<br />

herumgesprochen. Solange ich <strong>de</strong>m Haun keinen Handkuss geben muss,<br />

habe ich damit keine Probleme, bemerkte ich. Ich war froh, dass ich so<br />

einen ruhigen, erfahrenen RA hatte.<br />

Am 14.10. war ich noch einmal beim Landgericht, um kurz diverse<br />

Akten einzusehen. Mein RA Müller hatte sich in <strong>de</strong>r Zwischenzeit damit<br />

abgefun<strong>de</strong>n, dass ich, wie ich es immer in <strong>de</strong>n letzten sechs Jahren<br />

gemachte hatte (mit o<strong>de</strong>r ohne RA), die Akten selber studierte.<br />

Am 17.10. war meine Denkschrift fertig und eine Kopie brachte ich <strong>de</strong>m<br />

Auftraggeber, Hans-Adam persönlich nach Hause. Das Wochenen<strong>de</strong> vor<br />

<strong>de</strong>m Prozess war ruhig. Am Montag vor <strong>de</strong>r Verhandlung war ich ganz<br />

nervös und hatte auf einmal 1000 Fragen an meinen RA. Er hatte Zeit für<br />

mich und ich besuchte ihn. Morgen wird alles gut, beruhigte er mich. Ich<br />

war nahe daran, ihm von <strong>de</strong>m Zettel o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n vielen Ungereimtheiten,<br />

die sich langsam aber sicher herauskristallisierten, zu erzählen. Ich<br />

vertraute mich aber Müller nicht an, da ich eines sicher wusste: Er war<br />

1000-mal pflichtbewusster Hans-Adam gegenüber als mir. Was ja klar<br />

war. Ich war auch schwer enttäuscht, dass Hans-Adam keine Zeit mehr<br />

für ein kurzes Gespräch mit mir vor <strong>de</strong>r Verhandlung hatte.<br />

Bevor ich aber meinen Lesern die Geschichte über die<br />

Gerichtsverhandlung erzähle, schiebe ich noch ein Kapitel dazwischen,<br />

worin ich euch das Resultat meiner von Hans-Adam gefor<strong>de</strong>rten<br />

Denkschrift zeige. Ich hatte mir für diese For<strong>de</strong>rung von ihm sehr viel<br />

Mühe gegeben.<br />

451


KAPITEL 22 Es muss sich was än<strong>de</strong>rn, damit . . .<br />

. . . es so bleibt, wie es ist.<br />

<strong>Die</strong>ser Satz (geborgt aus <strong>de</strong>m Roman <strong>Der</strong> Leopard von Giuseppe Tomasi<br />

di Lampedusa) war auch <strong>de</strong>r Titel meiner Denkschrift, die ich vier Tage<br />

vor <strong>de</strong>m Gerichtstermin im Oktober 2003 fertig verfasst hatte. Als<br />

meinen Beitrag zur Versöhnung hatte ich mich so gut es ging bemüht,<br />

ein kurzes Werk zu schreiben. Das Resultat waren meine Gedanken zum<br />

Phänomen „Workplace Violence‚ (Verbrechen am Arbeitsplatz), mit<br />

speziellem Blick auf die Banken- & Treuhandwelt in Liechtenstein.<br />

Knapp drei Monate hatte ich daran gearbeitet. Vom Ergebnis druckte ich<br />

zwei Kopien: eine für mich und eine für <strong>de</strong>n Auftraggeber Hans-Adam.<br />

Am Freitag, <strong>de</strong>n 17.10. brachte ich seine Kopie hoch zum Schloss.<br />

Anm.: <strong>Der</strong> Inhalt selber entspricht Wort für Wort <strong>de</strong>m Original. Unter <strong>de</strong>m<br />

Hinweis auf einen "z. Zt. in Haft sitzen<strong>de</strong>n XY" beziehe ich mich auf Hrn. R.<br />

Lampert. Bei <strong>de</strong>m Hinweis auf das Massaker im Kantonsparlament Zug<br />

(Schweiz) beziehe ich mich auf die mör<strong>de</strong>rische Tat vom Hrn. F. Leibacher im<br />

September 2001.<br />

EINLEITUNG<br />

Geschätzte Leserin, Geschätzter Leser,<br />

Wahrlich stürmische Monate mit vielen bangen Momente,<br />

abenteuerliche Szenarien und hektische Umstän<strong>de</strong> sind diesem<br />

Denkbericht vorausgegangen. Was ist geschehen?<br />

<strong>Die</strong> Antwort lautet „ w o r k p l a c e v i o l e n c e “. <strong>Die</strong>ser<br />

englische Überbegriff umschreibt die Gefahr, die je<strong>de</strong> Firma<br />

treffen kann. Es ist nicht jene Gefährdung, die von aussen<br />

kommt, son<strong>de</strong>rn die von innen kommen<strong>de</strong>. Wenn sich<br />

Mitarbeiter o<strong>de</strong>r Mitarbeiterinnen aus unterschiedlichsten<br />

Grün<strong>de</strong>n dazu Entschei<strong>de</strong>n, zum Scha<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Arbeitgebers aktiv<br />

zu wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>ses Phänomen wer<strong>de</strong>n wir verstärkt in <strong>de</strong>r<br />

Zukunft erleben können. Es ist die ständig rasant sich<br />

verän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> globale Welt, die mehr und mehr entseelt und<br />

habgierig erscheint und durch übermässiges Regulieren <strong>de</strong>s<br />

privaten sowie öffentlichen Bereiches <strong>de</strong>m Mitbürger das Gefühl<br />

<strong>de</strong>r Ohnmacht verleiht und ihn versucht in ein Korsett <strong>de</strong>s<br />

„Normalen‚ zu zwängen. Aber eben, Normal hiess einst (und<br />

452


heisst es heute noch oft) gera<strong>de</strong> nicht das Gewohnte, son<strong>de</strong>rn das,<br />

was <strong>de</strong>r aktuellen (!) Norm entspricht, und dies ist ein Richtmass,<br />

eine Vorschrift, ein Gebot. <strong>Die</strong> Wertvorstellungen und ethischen<br />

Prinzipien vieler Menschen haben sich unter an<strong>de</strong>rem dadurch<br />

verän<strong>de</strong>rt. Zur Wirklichkeit gehört aber auch, dass viele<br />

Menschen, die nur <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rgang und Verfall erwarten,<br />

<strong>de</strong>nken, dass es, übertrieben gesagt, keine Gerechtigkeits-<br />

Demokratie gibt. Es gibt nur einen Konkurrenzkampf beim<br />

Stehlen. <strong>Der</strong> Kampf gegen die Ignoranz, Arroganz und <strong>de</strong>n<br />

Egoismus ist verloren, weil je<strong>de</strong>r hofft, mitmachen zu können.<br />

<strong>Die</strong>jenigen, die die Situation kennen, wollen nicht kämpfen,<br />

diejenigen, die kämpfen wollen, kennen die Situation nicht.<br />

<strong>Die</strong>jenigen, die gebil<strong>de</strong>t sind, wollen keine Opfer bringen,<br />

diejenigen, die Opfer bringen wollen, sind stockdumm. (Bank-<br />

)Überfälle sind in unserer Region ja praktisch ausgeschlossen<br />

o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st sehr selten; potentielle Ziele für eine <strong>de</strong>struktive<br />

Absicht eines Mitarbeiters o<strong>de</strong>r Mitarbeiterin sind die harten<br />

Faktoren (Einrichtungen, Gebäu<strong>de</strong> aber auch Arbeitskollegen<br />

sowie Vorgesetze) und die weichen Faktoren (sensible <strong>Daten</strong>). Aus<br />

aktuellem Anlass und quasi aus erster Hand, habe ich – <strong>de</strong>r<br />

Verfasser, als Laie - versucht in meinen Überlegungen und<br />

meiner Analyse ein breites Spektrum von möglichen<br />

Themenkreisen rund um die <strong>Daten</strong>sicherheit bei Banken- und<br />

Treuhandunternehmungen hier auf Papier zu bringen. <strong>Die</strong><br />

Aufteilung in Kapiteln habe ich wie folgt vorgenommen:<br />

° Abkürzungen / Erläuterungen,<br />

° Neuanstellung von Mitarbeitern<br />

° Täterprofile / Tätervorgehensweise<br />

° Verbesserte Sicherheit: Allgemein - E D V - Buchhaltung<br />

° die 50 % Katastrophe<br />

° Schlusswort.<br />

<strong>Die</strong> vorliegen<strong>de</strong> Nie<strong>de</strong>rschrift ist – nebst meinen mündlichen<br />

Angaben zum Thema - als weiteren Teil meines Beitrages<br />

anzusehen, die Angelegenheit optimal für alle Aufzuarbeiten.<br />

<strong>Die</strong>s mit <strong>de</strong>m Ziel Verän<strong>de</strong>rungen auszulösen und nicht nur<br />

luftleere Interpretationen zu produzieren. Weitere Ausführungen<br />

meinerseits erfolgen nicht. Es kann sein, dass einige meiner<br />

453


„Problem-Lösungs-Gedanken‚ sich bereits in <strong>de</strong>r<br />

Umsetzungsphase befin<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r sogar schon verwirklicht<br />

wor<strong>de</strong>n sind. In diesem „Bericht‚ – <strong>de</strong>r keinen Anspruch auf<br />

Vollständigkeit erhebt - wer<strong>de</strong>n Sie keine Namen, Orte o<strong>de</strong>r<br />

<strong>Der</strong>gleichen fin<strong>de</strong>n; dies ist vom Verfasser so gewollt. <strong>Die</strong><br />

Anonymität für Alle (!) ist eine gut gewählte Form und bietet<br />

zu<strong>de</strong>m Schutz. Es wer<strong>de</strong>n sich gewisse Beteiligte beim Lesen<br />

leicht selber erkennen können. Es versteht sich von selbst und<br />

wur<strong>de</strong> auch <strong>de</strong>m Verfasser ausdrücklich vom Auftraggeber<br />

zugesichert, dass nichts aus <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Denkschrift gegen<br />

ihn o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re in straf- o<strong>de</strong>r zivilrechtlicher Form jemals<br />

verwen<strong>de</strong>t wird. Vielen Dank.<br />

Abkürzungen / Erläuterungen<br />

T – A = Täter Typ A<br />

T – B = Täter Typ B<br />

T– C = Täter Typ C<br />

EDV = EDV–Abteilung,<br />

KB = Kun<strong>de</strong>nberaterIN<br />

SB = SachbearbeiterIN<br />

MA = MitarbeiterIN,<br />

HR = Personalabteilung<br />

Workplace Violence = existenzielle Gefahr für die Firma<br />

<strong>Die</strong> 50%-Katastrophe = die <strong>Daten</strong> o<strong>de</strong>r Sabotageeinrichtung<br />

sind in <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>s Täters; seine<br />

Drohung wur<strong>de</strong> aber noch nicht<br />

umgesetzt<br />

<strong>Die</strong> 100%-Katastrophe = die <strong>Daten</strong> wur<strong>de</strong>n verraten o<strong>de</strong>r<br />

verwen<strong>de</strong>t, bzw. die Sabotage wur<strong>de</strong><br />

ausgeführt<br />

Neuanstellung von Mitarbeitern<br />

Während sich <strong>de</strong>r Fokus auf eine verbesserte, verfeinerte und<br />

umweltschonen<strong>de</strong> Technik rund um <strong>de</strong>n gesun<strong>de</strong>n und<br />

mo<strong>de</strong>rnen Arbeitsplatz, bedingt durch die ständig steigen<strong>de</strong>n<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen insbeson<strong>de</strong>re von Seiten möglicher neuer MA,<br />

verlagert hat, sind vielleicht - trotz aller Anstrengungen – <strong>de</strong>r<br />

454


feinen Instinkt und Sensibilität für das Individuum selber etwas<br />

zu kurz gekommen. Um schon potentielle Täter aller Couleur aus<br />

<strong>de</strong>m Kreis möglicher Kandidaten für eine offene Stelle so gut wie<br />

es geht herauszufiltern, bedarf es nebst <strong>de</strong>m aktuellen<br />

Strafregisterauszug - das zu<strong>de</strong>m von j e d e m Land vorgelegt<br />

wer<strong>de</strong>n sollten, wo <strong>de</strong>r Bewerber in <strong>de</strong>n letzten 10 Jahren<br />

gelebt(!) und/o<strong>de</strong>r gearbeitet hat – und <strong>de</strong>n üblichen<br />

standardisierten Fragen (schriftlich in Formularen o<strong>de</strong>r<br />

protokollarisch(!) mündlich) weiterer Fragestellungen, die wie<br />

folgt lauten könnten:<br />

° Wur<strong>de</strong> je im In- o<strong>de</strong>r Ausland ein o<strong>de</strong>r mehrere Verfahren*<br />

gegen Sie eröffnet? Wenn ja: Was waren die Vorwürfe an Sie?<br />

Wie en<strong>de</strong>te(n) das/die Verfahren? Durch Einstellung? Warum?<br />

Durch Verurteilung? Wie lautete das/die Urteil(e)?<br />

° Läuft gegenwärtig gegen Sie im In- o<strong>de</strong>r Ausland ein o<strong>de</strong>r<br />

mehrere Verfahren*, die noch nicht rechtsgültig/ rechtskräftig<br />

erledigt sind? Wenn ja: Was sind die Vorwürfe an Sie?<br />

° Hatten Sie früher Verurteilungen, die auf <strong>de</strong>n von Ihnen<br />

vorgelegten Strafregisterauszügen nicht mehr erscheinen o<strong>de</strong>r<br />

vermerkt sind? Wenn ja: welcher Art waren diese Strafregistereinträge?<br />

° Kamen Sie je in <strong>de</strong>n Genuss einer Generalamnestie o<strong>de</strong>r<br />

Begnadigung? Wenn ja: Was waren es für Vorwürfe an Sie?<br />

Wie lautete das ursprüngliche Urteil?<br />

* = ausgenommen Verkehrs<strong>de</strong>likte.<br />

Ein Hinweis sollte im Fragebogen o<strong>de</strong>r im persönlichen<br />

mündlichen Gespräch nicht fehlen; ansonsten die speziellen<br />

obigen Fragen nicht die gewünschte Wirkung haben: „Jegliche<br />

Falschangabe k a n n zur sofortigen/fristlosen Kündigung<br />

führen und unter Umstän<strong>de</strong>n zivil- o<strong>de</strong>r strafrechtliche Folgen<br />

nach sich ziehen‚. Zweifelt man an <strong>de</strong>n Angaben <strong>de</strong>s Bewerbers,<br />

so besteht heute mit <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>flut, die über je<strong>de</strong>n Mitbürger<br />

gespeichert ist, die Möglichkeit, bei Behör<strong>de</strong>n im In- und<br />

Ausland, z.B. aus seiner (meistens öffentlich zugänglichen)<br />

Steuererklärung, Gemein<strong>de</strong>register u.s.w. relativ leicht an<br />

455


aussagekräftige Informationen zu kommen – vorausgesetzt man<br />

kann sie richtig interpretieren.<br />

Freiwillig wird wohl kaum ein neuer MA Angaben zu seinem –<br />

falls vorhan<strong>de</strong>nem – „belastetem Verhältnis‚ mit <strong>de</strong>r Justiz<br />

machen. Durch gezielte Fragen kann man aber einiges Erfahren.<br />

Ein rechtschaffener Bewerber wird diese Vorsichtsmassnahme<br />

verstehen und keine Einwän<strong>de</strong> haben. Ein spezielles Thema ist<br />

auch „umgekehrte Verhältnis‚; wenn ein neuer MA für einen<br />

sensiblen Bereichen zu einem bestehen<strong>de</strong>n Kreis von alten MA<br />

(aller Abteilungen) stösst. Ein möglicher Täter (alter MA) – <strong>de</strong>r<br />

durchaus n i c h t in <strong>de</strong>rselben Abteilung wie <strong>de</strong>r neue MA<br />

arbeiteten muss - kann sich diesen Umstand zu nutze machen, in<br />

<strong>de</strong>m er zum Beispiel durch systematische Fragen o<strong>de</strong>r Bitte um<br />

Unterlagen <strong>de</strong>n neuen MA für sich „instrumentalisiert‚.<br />

Vermutlich verwen<strong>de</strong>t er eine Re<strong>de</strong>nsart die so lauten kann: „….<br />

das wur<strong>de</strong> mir immer mitgeteilt…“,.. die Unterlagen brauche ich<br />

jeweils…“ u.s.w. Mit <strong>de</strong>m Resultat, dass <strong>de</strong>r neue MA sensible<br />

Fragen beantwortet o<strong>de</strong>r gar Unterlagen (Original o<strong>de</strong>r Kopien)<br />

aushändigt. Da er <strong>de</strong>nkt, <strong>de</strong>r Fragen<strong>de</strong> ist ja viel länger als ich im<br />

Betrieb tätig und wird schon Recht mit seiner Argumentation<br />

haben. O<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r neue MA – <strong>de</strong>n organisatorischen Abläufen noch<br />

nicht ganz vertraut - will <strong>de</strong>m Älteren nicht „wi<strong>de</strong>rsprechen‚.<br />

Daher ist es wichtig, dass man neuen MA, die in empfindlichen<br />

Bereichen arbeiten wer<strong>de</strong>n, klar kommuniziert welche Rechte<br />

an<strong>de</strong>re MA haben, sich über ihre Arbeit im Detail zu<br />

„informieren‚. <strong>Die</strong>ser Punkt ist nicht zu unterschätzen!<br />

Weitere Angaben dazu können Sie auch unter <strong>de</strong>m Abschnitt „E D V“<br />

im Kapitel *Verbesserte Sicherheit* nachlesen.<br />

Täterprofile / Tätervorgehensweise<br />

Aus <strong>de</strong>r Vielzahl von möglichen Täterprofilen habe ich drei<br />

Typen ausgewählt, mit <strong>de</strong>nen wir hier in unserer Gesellschaft<br />

wohl am ehesten konfrontiert wer<strong>de</strong>n. Viele, aber nicht alle<br />

Aspekte in Bezug auf Verhaltens- und Vorgehensweise haben die<br />

drei Arten gemeinsam. Was sie unterschei<strong>de</strong>t ist das alles<br />

antreiben<strong>de</strong> MOTIV. Das MOTIV - ausschlaggebend für alles<br />

Han<strong>de</strong>ln seitens <strong>de</strong>s Täters u n d auch <strong>de</strong>r dann später<br />

betroffenen Firma und evt. eingeschalteten Behör<strong>de</strong>n! Das<br />

456


MOTIV - ist eng mit <strong>de</strong>r Psyche und <strong>de</strong>r geistig-moralischen<br />

Haltung <strong>de</strong>s Täters verbun<strong>de</strong>n. Vielleicht wäre es das Beste, an<br />

das Innere <strong>de</strong>s Täters mit speziellen psychoanalytischen<br />

Metho<strong>de</strong>n ran zu kommen. Denn,<br />

° die wenigsten Täter haben wirklich böse Absichten (aus seiner<br />

eigenen Sichtweise).<br />

° die Täter auch oft Opfer ihres Umfel<strong>de</strong>s sind.<br />

° je<strong>de</strong>r Täter wohl die Nähe zu seinem Thema braucht, oft auch<br />

Zuneigung.<br />

° die Täter evt. unter einer psychischen Verhornung lei<strong>de</strong>t – eine<br />

vermin<strong>de</strong>rte Fähigkeit o<strong>de</strong>r Bereitschaft, (Gefühle zu<br />

empfin<strong>de</strong>n), Gutes von Böse zu unterschei<strong>de</strong>n.<br />

Ohne die Täter zu beschönigen steht lei<strong>de</strong>r fest: Das Schlimme im<br />

Leben ist, dass je<strong>de</strong>r seine eigenen Grün<strong>de</strong> hat. Und ob <strong>de</strong>r<br />

menschliche Geist (<strong>de</strong>s Täters) sich selber verstehen kann – das ist<br />

eine philosophische Frage


die er „zu verraten‚ droht, o<strong>de</strong>r er kann durch seine<br />

innerbetrieblichen Kenntnisse <strong>de</strong>r Firma mit Umsetzung seiner<br />

Sabotagedrohungen (z.B. in <strong>de</strong>r EDV) erheblichen Scha<strong>de</strong>n<br />

anrichten. Da Geld sein Ziel ist, hat er <strong>de</strong>m möglichen<br />

finanziellen sowie i<strong>de</strong>ellen Scha<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Firma ein „Preisschild‚<br />

verpasst und seine geldmässige For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>mentsprechend<br />

ausgerichtet. <strong>Die</strong> Grün<strong>de</strong> seiner Motivation können vielfältig<br />

sein; Geld für aufwendigen Lebensstil, Geltungssucht, Schul<strong>de</strong>n<br />

aller Art, kommt nicht klar mit <strong>de</strong>r Tatsache „


sogar Kin<strong>de</strong>r haben (Geldgierige Menschen lassen sich davon<br />

nicht immer behin<strong>de</strong>rn). Einmal <strong>de</strong>n Beschluss zur Tat<br />

(<strong>Daten</strong>diebstahl, Sabotage, Drohung etc.) gefasst, lässt er sich<br />

schwer vom falschen Weg abbringen; er han<strong>de</strong>lt oft emotionslos<br />

und ist aber daher in meinen Augen erstaunlicherweise eher<br />

während seinen „Vorbereitungen‚ innerhalb <strong>de</strong>r Firma<br />

erkennbar / optisch fassbar als die an<strong>de</strong>ren hier beschriebenen<br />

Tätertypen ! <strong>Die</strong>s darum, weil er sich zu 100 % seiner Straftat<br />

immer in allen zeitlichen Abläufen voll bewusst ist und eine<br />

gewisse erhöhte Nervosität und – für einen geschultes „Auge‚ -<br />

erkennbares verän<strong>de</strong>rtes (Arbeits-) Verhalten beim ihm<br />

anzutreffen ist. <strong>Die</strong>ser Tätertyp arbeitet n i c h t unbedingt nach<br />

<strong>de</strong>m Zufallsprinzip; d.h. er beschliesst höchstwahrscheinlich<br />

zuerst <strong>de</strong>n Plan und führt ihn konsequent aus. <strong>Die</strong>s ergibt sich<br />

aus seinem hohen Grad an krimineller Energie. Es ist also<br />

n i c h t so, dass er „per Zufall‚ auf irgen<strong>de</strong>twas in <strong>de</strong>r Firma als<br />

Droh- und Erpressungsmittel stösst und dann auf die I<strong>de</strong>e<br />

kommt, damit liesse sich Geld machen. Was seinen „Abgang‚<br />

(Austritt, Kündigung) aus <strong>de</strong>r Firma betrifft, sind viele Varianten<br />

möglich und diese stark von bestimmen<strong>de</strong>n Faktoren anhängig.<br />

Bei einem aktuellen Fall (XY) - nach meinem Wissensstand - war<br />

<strong>de</strong>r Täter wenige Wochen vor seinem „grossen Auftritt‚ aus <strong>de</strong>r<br />

Firma ausgeschie<strong>de</strong>n. Es gibt aber auch Täter, die nicht kündigen,<br />

son<strong>de</strong>rn während eines bestehen<strong>de</strong>n Arbeitsverhältnisses,<br />

sozusagen „aus heiterem Himmel‚, sich zur finalen<br />

Erpressungsperio<strong>de</strong> entschliessen. Falls ihm <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>klau o<strong>de</strong>r<br />

die Sabotageeinrichtung gelingt, ohne dass es von Dritten in <strong>de</strong>r<br />

Firma bemerkt wird, wird er nicht überstürzt kündigen, um<br />

keinen Anlass zu Spekulationen zu bieten. Ist sich dieser Täter<br />

nicht sicher, ob, wann und wie sein <strong>Daten</strong>diebstahl o<strong>de</strong>r seine<br />

Sabotageeinrichtung bemerkt wird, wird er – trotz Strategie und<br />

Plan – die Firma ohne Kündigung verlassen. Wenn es im gelingt,<br />

kann er unter einem Vorwand sofortige Ferien beantragen,<br />

danach - um mehr Zeit zu gewinnen – sich Krank mel<strong>de</strong>n. Ist sich<br />

<strong>de</strong>r Täter sicher, dass in unmittelbarer Folge (Tage später) <strong>de</strong>r<br />

<strong>Daten</strong>diebstahl bemerkt wird, wird er - mit o<strong>de</strong>r ohne Taktik und<br />

Zielsetzung – die Firma rasch verlassen und schnellstmöglich die<br />

For<strong>de</strong>rung/Drohung (o<strong>de</strong>r beim T-B sein Hilferuf) mitteilen, um<br />

sich einen gewissen Schutz vor Verfolgung zu erhoffen. Bei<br />

459


einem normal ausschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n MA verkleinert sich ein möglicher<br />

Verdacht, dass er <strong>Daten</strong> mitgehen lassen o<strong>de</strong>r eine Sabotage<br />

vorbereitet hat, massgeblich, wenn <strong>de</strong>r schei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> MA wirklich<br />

eine neue Stelle/Ausbildung antritt. Kleine Alarmglocken sollten<br />

läuten, wenn ein MA spontan (ohne wirklich nachvollziehbarem<br />

Motiv) kündigt und zu<strong>de</strong>m im sensiblen Bereich gearbeitet hat.<br />

Wur<strong>de</strong> ein <strong>Daten</strong>diebstahl bemerkt und es kämen mehrere (Ex-)<br />

MA in Betracht, so sollte man - von <strong>de</strong>r in Frage kommen<strong>de</strong>n<br />

Gruppe <strong>de</strong>r Ausgeschie<strong>de</strong>nen - zuerst jene unter die Lupe<br />

nehmen, die keine neue Stelle, Weiterbildung o<strong>de</strong>r plausible<br />

Grün<strong>de</strong> (z.B. Mutterschaft) vorweisen können. Aber wie gesagt,<br />

sollte <strong>de</strong>r Täter ein T-A o<strong>de</strong>r T-B sein, wird er sich schon zu<br />

erkennen geben. Zweifelsohne gilt die Variante auch, dass ihm<br />

gekündigt wird. Da dies meistens für ihn voraussehbar war, wird<br />

er sich die <strong>Daten</strong> vorher aneignen; insbeson<strong>de</strong>re dann, wenn er<br />

keine Kündigungsfrist (1,2 o<strong>de</strong>r 3 Monate) dafür zur Verfügung<br />

hat. Weitere Angaben zu diesem Tätertyp können Sie auch unter „ <strong>Der</strong><br />

Typ C “ sowie im Kapitel *Verbesserte Sicherheit* und *<strong>Die</strong>- 50 %-<br />

Katastrophe* nachlesen.<br />

<strong>Der</strong> Typ B (T-B):<br />

Einem Tätertyp <strong>de</strong>m ich entspreche. Was nicht heisst, dass alles<br />

was hier jetzt geschrieben steht, auch auf meinen Fall übertragbar<br />

ist. Auch hier kann ein Täter, <strong>de</strong>r auf Grund seiner beruflichen<br />

Tätigkeit Zugriff auf sehr sensible <strong>Daten</strong> (Kun<strong>de</strong>ndaten) hat, die<br />

er „zu verraten‚ droht, o<strong>de</strong>r durch seine innerbetrieblichen<br />

Kenntnisse <strong>de</strong>r Firma mit Umsetzung seiner Sabotagedrohungen<br />

(z.B. in <strong>de</strong>r EDV) beträchtlichen Scha<strong>de</strong>n anrichten. Seine<br />

Motivation ist eine Mischung aus letzter Hoffnung (für sein<br />

Thema) und Rache; an jenen, von <strong>de</strong>nen er glaubt, ihn in diese<br />

Lage „getrieben‚ zu haben. Wobei er <strong>de</strong>n betroffenen Personen-<br />

o<strong>de</strong>r Gesellschaftskreis nach eigenen Vorstellungen erweitert<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>finiert.<br />

Je länger sich ein solcher Tätertyp damit befasst, umso weniger<br />

kann er die konsequente Trennung vollziehen. <strong>Der</strong> Täter versteht<br />

seine „Drohung‚ (die <strong>Daten</strong> o<strong>de</strong>r ein an<strong>de</strong>res Instrument) als<br />

Hinweis zu seinen Kalamitäten und als Mittel zum Zweck an, um<br />

seiner For<strong>de</strong>rungen nach Behebung <strong>de</strong>r ihm wi<strong>de</strong>rfahrenen<br />

Ungerechtigkeit (z.B. emotionaler und/ o<strong>de</strong>r finanzieller Natur)<br />

460


Gewicht zu verleihen. Am En<strong>de</strong> einer mehr o<strong>de</strong>r weniger langen<br />

Vorgeschichte, die sich ausserhalb o<strong>de</strong>r innerhalb <strong>de</strong>r Firma<br />

abgespielt hat, kommt <strong>de</strong>r Täter selber zu einem Wen<strong>de</strong>punkt,<br />

wo er aus <strong>de</strong>r Fallgrube <strong>de</strong>r Verzweiflung nicht mehr entfliehen<br />

kann. Er ist an jenem Punkt angelangt, wo er das folgen<strong>de</strong><br />

Empfin<strong>de</strong>n abgelegt hat: „Alles ablehnen und zu beklagen, dass<br />

nichts geschieht, kann keine vernünftige Strategie mehr sein‚.<br />

Das eigentliche Konfliktthema ist sehr massgeblich. Ist <strong>de</strong>r<br />

Arbeitgeber (wenn auch nur aus Sicht <strong>de</strong>s Täters) und das<br />

Konfliktthema (z.B. wegen Mobbing, ungerechter Behandlung,<br />

keiner Beför<strong>de</strong>rung u.s.w. ) i<strong>de</strong>ntisch, so muss die Firma –<br />

insbeson<strong>de</strong>re bei MA, die rein theoretisch auf Grund ihres<br />

Wissens massiven Scha<strong>de</strong>n anrichten könnten – nichts<br />

unversucht lassen, die Konfliktbewältigung positiv für alle Seiten<br />

voranzutreiben und abzuschliessen.<br />

Dabei könnte die Fähigkeit eines unabhängigen<br />

Schlichters/Vermittlers - von extern o<strong>de</strong>r durchaus intern beim<br />

HR angesie<strong>de</strong>lt – o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Massnahmen (z.B. bei MA mit<br />

ohne Eigenverschuldung entstan<strong>de</strong>nen finanziellen Probleme<br />

materielle, sprich monetäre Hilfe bieten) sehr hilfreich sein. Ist<br />

die betroffene Firma überhaupt nicht in <strong>de</strong>n vorangegangenen<br />

Konflikt (wie in meinem Fall) involviert gewesen, ist es sehr<br />

schwer aus Sicht <strong>de</strong>s Unternehmens präventiv vorzubeugen.<br />

Obwohl gera<strong>de</strong> diesem Tätertyp sein Gewissen sehr plagt, ist es<br />

be<strong>de</strong>utend erschwert ihn intuitiv „auf frischer Tat‚ zu ertappen.<br />

<strong>Die</strong>s darum, weil er – im Vergleich zum Typ T-A - eine ganz<br />

an<strong>de</strong>re Grundlage für seine Motivation und damit seine Psyche<br />

hat. Denn dieser Täter (T-B) füllt sein implizites<br />

Erinnerungsvermögen in einer irrsinnigen Anhäufung oft nach<br />

seinen Vorstellungen (die durchaus <strong>de</strong>r Wahrheit entsprechen<br />

können) und dies hat, nach S. Freud, massiven Einfluss auf seine<br />

Psyche.<br />

Seine Vorgehensweise in <strong>de</strong>r Firma ist oft vom Zufall gesteuert:<br />

abhängig von <strong>de</strong>n gegebenen objektiven Möglichkeiten und<br />

seiner subjektiven Vorstellungskraft erkennt und nützt er die<br />

Gelegenheit, dies trotz <strong>de</strong>s emotionalen Drucks (er ist sich <strong>de</strong>s<br />

Unrechts bewusst), da er im momentanen Glauben lebt, das für<br />

ihn Richtige und Notwendige zu machen. In Hinblick auf seine<br />

Vorbereitung zur Tat innerhalb <strong>de</strong>r Firma ist <strong>de</strong>r markante<br />

461


Unterschied von ihm zu T-A, dass er (T-B) eigentlich e i n e<br />

Möglichkeit s i e h t und <strong>de</strong>r T-A hingegen e i n e Möglichkeit<br />

s u c h t und f i n d e t.<br />

Rein spekulativ ist ein Komplize auch bei diesem Tätertyp (T-B)<br />

möglich. Ein Arbeitskollege als Komplize bei internem als auch<br />

externem Konfliktthema ist eher unwahrscheinlich. Ein<br />

aussenstehen<strong>de</strong>r Komplize ist sicherlich auch selten <strong>de</strong>r Fall, da<br />

es ein grosses Volumen an persönlicher Nie<strong>de</strong>rgeschlagenheit<br />

und Frustration braucht, die nur <strong>de</strong>r Täter selber aufbringen<br />

kann, um eine solche massive rechtliche Grenzüberschreitung<br />

(gemäss seinen Motiven) zu begehen. Trotz<strong>de</strong>m besteht die<br />

Möglichkeit: wenn ein T-B so stark (psychisch) von einer<br />

Drittperson abhängig gewor<strong>de</strong>n ist, dass jene Drittperson die<br />

„Ermunterung‚ zur Tat auslöst und evt. später als paritätischer<br />

Komplize fungiert. Das soziale Umfeld dieses Tätertyps kann <strong>de</strong>r<br />

präventiven Vorbeugung dienlich sein. <strong>Die</strong>s ist aber Abhängig<br />

vom eigentlichen Konfliktthema: Bei internen Themen (also<br />

zwischen <strong>de</strong>m Täter und <strong>de</strong>r Firma) kann <strong>de</strong>r Arbeitgeber mittels<br />

einer Profilstruktur die theoretische Eventualität, ob ein MA zum<br />

potentiellen Täter wer<strong>de</strong> kann, evaluieren und<br />

<strong>de</strong>mentsprechen<strong>de</strong> Massnahmen einleiten. Bei externen Themen<br />

kann die betroffene Firma nur beschränkt vorbeugend aktiv<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Das Spektrum eines möglichen externen „Kriegsschauplatz‚ ist ja<br />

bekanntlich enorm. Auslösen<strong>de</strong> Lebenskrisen, die einen MA zum<br />

Täter dieses Typs verwan<strong>de</strong>ln lassen können, sind z.B.<br />

Gerichtsfälle, Scheidungen, Alkoholmissbrauch, Spielsucht<br />

u.s.w.. Im Gegensatz zum Tätertyp T-A und T-C (falls dieser<br />

überhaupt etwas), „hinterlässt‚ dieser Typ (T-B) in seinem<br />

finalen Schreiben sofort erkennbar, dass es sich um einen<br />

Hilfeschrei samt Wunsch auf Kommunikation han<strong>de</strong>lt. Das<br />

erlebte Unrecht wird oft akribisch durch unendliche Schreibwut<br />

mitgeteilt. Was <strong>de</strong>n „Abgang‚ (Austritt, Kündigung) dieses<br />

Täter-Typs betrifft, so kann man generell sagen, dass die<br />

Angaben zum T-A hier auch gelten. Weitere Angaben zu diesem<br />

Tätertyp können Sie auch unter „ <strong>Der</strong> Typ C “ sowie im Kapitel<br />

*Verbesserte Sicherheit* und *<strong>Die</strong>- 50 %- Katastrophe* nachlesen.<br />

462


<strong>Der</strong> Typ C (T-C):<br />

<strong>Die</strong>ser Typ ist <strong>de</strong>r gefährlichste aller Typen. <strong>Die</strong>ser Typ ist aus<br />

Sicht <strong>de</strong>r betroffenen Firma die ultimative Katastrophe, da eine<br />

Verhin<strong>de</strong>rung praktisch unmöglich ist. Gleich wie beim T-A + T-<br />

B hat dieser Typ auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit Zugriff<br />

auf sehr sensible <strong>Daten</strong> (Kun<strong>de</strong>ndaten) o<strong>de</strong>r durch seine<br />

innerbetrieblichen Kenntnisse <strong>de</strong>r Firma die Möglichkeit einer<br />

Sabotage (z.B. in <strong>de</strong>r EDV). <strong>Die</strong> echten Motive zu erkennen ist<br />

elementar für die Typen T-A + T-B, weil diese Kenntnis die Basis<br />

für die Strategie <strong>de</strong>r betroffenen Firma/Behör<strong>de</strong> ist und sogar <strong>de</strong>r<br />

Schlüssel für eine Lösung sein kann. Hier, beim Typen T-C ist<br />

dies allenfalls rückblickend für die Aufarbeitung <strong>de</strong>r schon<br />

eingetretenen Katastrophe relevant. Warum? Er tut’s einfach. Er<br />

verrät die <strong>Daten</strong> o<strong>de</strong>r setzt die Sabotage in die Tat um. T-C hat<br />

kein Gewissen (mehr). T-C hat vermutlich nur ein Hauptmotiv:<br />

Rache; an <strong>de</strong>r Firma, an externen Personen, an <strong>de</strong>r Gesellschaft,<br />

an <strong>de</strong>r ganzen (Finanz)Welt, an sich selber. T-C droht nicht,<br />

verlangt nichts, stellt keine Bedingungen, will nichts än<strong>de</strong>rn. T-C<br />

ist am Punkt „...nach mir die Sinnflut


angelangt. 3. Seine empfun<strong>de</strong>ne Isolation hat die Höchstmarke<br />

erreicht. 4. Er lei<strong>de</strong>t nur noch still vor sich hin. Sieht keinen Sinn<br />

im Leben mehr. <strong>Die</strong>s obwohl es einen zutiefst menschlichen<br />

Impuls gibt, Sinn zu fin<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>m was geschehen ist. <strong>Der</strong> Sinn<br />

offenbart sich ja nicht im Ergebnis selbst. Täter konstruieren sich<br />

also eine Be<strong>de</strong>utung. Und diesen Auftrag verfolgen sie oft mit<br />

einer Auf-Leben-und-Tod-Intensität. 5. Er wird ein Dauer-<br />

Pessimist. Sein unerträglicher Ausspruch und Reflexionen aus<br />

<strong>de</strong>m beschädigten Leben bleibt von ihm n u n unkommentiert. 6.<br />

Niemand glaubt ihm mehr. Es muss aber nicht alles Lüge sein in<br />

<strong>de</strong>r Finsternis menschlicher Not, was düster und unglaublich<br />

klingt. 7. Er ist keiner mehr, <strong>de</strong>r in Worten das Heil sucht! 8. Er<br />

braucht/verwen<strong>de</strong>t übrigens auch keine Komplizen. Präventiv ist<br />

ein solcher Täter (fast) nicht fassbar. Es kann aber durchaus – wie<br />

auch bei T-A + T-B - <strong>de</strong>r berühmte Zufall ihn verraten. Hoffen<br />

kann man nur, dass <strong>de</strong>r T-C schon vor <strong>de</strong>r Katastrophe irgendwie<br />

konfliktmässig öffentlich / beruflich aufgefallen ist. Zu bemerken<br />

ist auch, dass dieser Typ bei seinen Vorbereitungen (<strong>Daten</strong>klau<br />

o<strong>de</strong>r Sabotage) sehr, sehr professionell vorgeht. Viel besessener als<br />

T-A- o<strong>de</strong>r T-B. Täter T-A- und T-B sind oft mit einem Teil <strong>de</strong>r<br />

<strong>Daten</strong> o<strong>de</strong>r kleinerem Sabotageaufwand zufrie<strong>de</strong>n. <strong>Der</strong> Täter T-C<br />

will aber unbedingt alle <strong>Daten</strong> besitzen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n höchst möglichen<br />

Sabotagescha<strong>de</strong>n erreichen. Warum dieser Unterschied zu T-A<br />

und T-B ? Weil eben <strong>de</strong>r T-C <strong>de</strong>n Scha<strong>de</strong>n herbeiführen will und<br />

wird! <strong>Die</strong> Tätertypen T-A o<strong>de</strong>r T-B wollen eigentlich <strong>de</strong>n Scha<strong>de</strong>n<br />

nicht verwirklichen, son<strong>de</strong>rn benötigen die <strong>Daten</strong>, je nach Motiv,<br />

als Mittel zum Zweck. Ein feiner aber gewichtiger Unterschied.<br />

Einen Abgang eines T-C hängt von seinem intuitiven Zustand ab;<br />

sobald er die Instrumente zur Scha<strong>de</strong>nsherbeiführung auf sicher<br />

hat, wird er entwe<strong>de</strong>r normal kündigen o<strong>de</strong>r ganz darauf<br />

verzichten. Ten<strong>de</strong>nziell wird er eher die Firma spontan<br />

„verlassen‚ (o<strong>de</strong>r ihm wur<strong>de</strong> aus verschie<strong>de</strong>nsten Grün<strong>de</strong>n<br />

gekündigt). Es ist potentiell Irreführend anzunehmen, dass mit <strong>de</strong>r<br />

vorhergehen<strong>de</strong>n Abhandlung <strong>de</strong>s T-C Täterprofil, das Thema<br />

damit erledigt ist. Eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein reiner<br />

T-C Tätertyp <strong>de</strong>m Finanzplatz einen Schlag verpasst, wür<strong>de</strong> ich<br />

nicht als gegeben sehen; viel beunruhigen<strong>de</strong>r ist die Tatsache,<br />

dass aus einem ursprünglichen T-A o<strong>de</strong>r T-B ein T-C wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Warum? Voraussetzung dafür ist, dass jeweils bei<strong>de</strong> Täter<br />

464


(T-A o<strong>de</strong>r T-B) weiterhin – d.h. auch nach<strong>de</strong>m durch<br />

Verhan<strong>de</strong>ln, Einsicht, Aufgabe <strong>de</strong>s Täters o<strong>de</strong>r seiner Verhaftung<br />

die Katastrophe verhin<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong> – im Geheimen Kopien o<strong>de</strong>r<br />

gar Originale <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> aufbehält. Es gibt – lei<strong>de</strong>r - ganz, ganz<br />

wenige Ausnahmefälle, bei welchem ein Täter (T-A o<strong>de</strong>r T-B)<br />

wirklich alle <strong>Daten</strong> zurückgibt o<strong>de</strong>r vernichtet. <strong>Der</strong> T-A,<br />

getrieben von seinem Motiv, wird seinen „Schatz‚ nicht so<br />

einfach aus <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n geben. Im Wissen, was auf ihn beim<br />

Fehlschlagen seines Vorhabens zukommt, wird er Wege und<br />

Mittel gefun<strong>de</strong>n haben, seinen Besitz sicher und auf lange Zeit<br />

versteckt aufbewahren zu können. Natürlich kann die<br />

Staatsgewalt bei<strong>de</strong> zu langer Haft verurteilen und sie somit eine<br />

gewisse Zeitspanne unter Kontrolle haben. Aus Sicht <strong>de</strong>s T-A –<br />

wenn er auch nur ansatzweise <strong>de</strong>n selektiven Gebrauch <strong>de</strong>r<br />

Wahrheit benützt - ist ihm klar, dass, wenn er die ihm unter<br />

Umstän<strong>de</strong>n gebotene „gütliche‚ Lösung nicht annimmt, er die<br />

Härte <strong>de</strong>s Gesetzes am eigenen Leib erfahren wird. Ein Faktum<br />

ist, dass er kein Problem mit <strong>de</strong>r rechtlichen Auffassungsgabe,<br />

son<strong>de</strong>rn mit seiner (eingebil<strong>de</strong>ten) Psyche hat. Nach <strong>de</strong>r<br />

Haftentlassung, kann es daher durchaus sein - vor allem, da er<br />

sein Ziel (Geld) nicht erreicht hat und wenn er zu<strong>de</strong>m durch die<br />

Kleinheit seiner Gesellschaftsumgebung stark geächtet ist – dass<br />

er aus Rache die ursprüngliche Drohung in die Realität umsetzt.<br />

Und dies heimlich o<strong>de</strong>r offen. Nach <strong>de</strong>m Prinzip <strong>de</strong>s T-C Typs.<br />

Aus Sicht <strong>de</strong>s T-B kann eine Verwandlung zum T-C unter bei<strong>de</strong>n<br />

Konstellationen möglich sein. Obwohl er sich <strong>de</strong>r eigenen Schuld<br />

bewusst ist und auch eine Strafe akzeptieren wür<strong>de</strong>, wäre es<br />

emotional - was wie<strong>de</strong>rum massiven und heftigen Einfluss auf<br />

seine Psyche hat, was erneut sein Han<strong>de</strong>ln lenkt – ein Desaster,<br />

wenn er für sein Han<strong>de</strong>ln (die Wirkung) die Konsequenzen<br />

tragen muss und <strong>de</strong>r Teil seines ursprünglichen Motivs (die<br />

Ursache) unerledigt liegen bleibt. Eine Wen<strong>de</strong> vom T-B zum T-C<br />

ist auch möglich, wenn die ihm während <strong>de</strong>n „Verhandlungen‚<br />

gemachten Versprechungen und Zusicherungen sich als<br />

Luftblasen herausstellen. Einen erneuten „Hilfeschrei‚ – in<br />

welcher Form auch immer – wür<strong>de</strong> es nicht geben. Warum auch:<br />

<strong>de</strong>r erste Hilfeschrei hat ihm ja nichts gebracht und nichts<br />

geholfen. Er wird also we<strong>de</strong>r neu drohen noch <strong>de</strong>n Wunsch zur<br />

465


Kommunikation haben. Er verwan<strong>de</strong>lt sich zum T-C und han<strong>de</strong>lt<br />

danach.<br />

Weitere Angaben zu diesem Tätertyp können Sie auch im Kapitel<br />

*Verbesserte Sicherheit* und *<strong>Die</strong>- 50 %- Katastrophe* nachlesen.<br />

Verbesserte Sicherheit<br />

<strong>Der</strong> Faktor Mensch ist und bleibt die grösste Schwachstelle bei<br />

<strong>de</strong>r Sammlung, Verarbeitung und Aufbewahrung von sensiblen<br />

<strong>Daten</strong> im Banken – und Treuhandbereich. Ich bin kein Experte;<br />

kann aber meinen Gedanken dazu hier freien Lauf lassen und<br />

hoffentlich zur Anregung für manche Verbesserung anstiften.<br />

A) Allgemein: Heute ist es so, dass – rechtlich und moralisch<br />

bedingt – vorhan<strong>de</strong>ne gravieren<strong>de</strong> persönliche Probleme eines<br />

MA die Firma im Grun<strong>de</strong> nur dann tangieren, wenn sich dies<br />

negativ auf die Arbeit auswirkt. <strong>Die</strong> Unterscheidung von<br />

„privatem‚ und „beruflichem‚ Problem kann meiner Meinung<br />

nach – aus Sicht <strong>de</strong>r Firma – n i c h t stetig als zwei verschie<strong>de</strong>ne<br />

Elemente betrachtet und <strong>de</strong>mentsprechend behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong>s darum, weil <strong>de</strong>r MA als Mensch nicht in 2-facher Form<br />

existiert und daher seine privaten Sorgen sehr wohl grösseren<br />

Einfluss auf die Firma haben, als diese zu glauben wagt und<br />

<strong>de</strong>nkt. Aber, wie weit soll nun „Fürsorge‚ <strong>de</strong>r Firma<br />

diesbezüglich gehen? Ist das akute Konfliktthema <strong>de</strong>s MA<br />

innerhalb <strong>de</strong>r Firma angesie<strong>de</strong>lt, z.B. Ärger mit <strong>de</strong>n Vorgesetzten,<br />

an<strong>de</strong>ren MA u.s.w. , so hat dies <strong>de</strong>n Vorteil, dass die Firma<br />

unverfälscht davon schon in einem frühen Stadium Kenntnis hat<br />

und infolge<strong>de</strong>ssen Handlungen ausführen kann, damit <strong>de</strong>r MA<br />

nicht zu einem Täter heranreift. Dasselbe gilt für <strong>de</strong>n Fall, wo das<br />

Konfliktthema zwar ausserhalb <strong>de</strong>r Firma liegt, aber die<br />

Auswirkungen innerhalb <strong>de</strong>r Firma bemerkt wer<strong>de</strong>n: z.B. bei<br />

Alkohol- o<strong>de</strong>r Drogenmissbrauch o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re starke persönliche<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Charakter <strong>de</strong>s Betroffenen u.s.w. Plagen <strong>de</strong>n MA<br />

Sorgen und Nöte in seiner „Freizeit‚, <strong>de</strong>ren Effekte im täglichen<br />

Arbeitsbetrieb nicht auffallen o<strong>de</strong>r keine unmittelbare direkte<br />

Wirkung auf sein Verhalten sichtbar machen, wie z.B. Spielsucht,<br />

Geldsorgen aller Art u.s.w. , hat die Firma <strong>de</strong>nnoch die<br />

Möglichkeit präventiv einem Heranreifen <strong>de</strong>s MA zu einem <strong>de</strong>r<br />

hier beschriebenen Täter-Typen etwas entgegen zu stellen.<br />

466


Generell könnte sich die Firma folgen<strong>de</strong> Schritte überlegen: In<br />

einer geeigneten Form von MA-Mitteilung und in ausgesuchten<br />

Worten kundtun, dass man - als fortschrittliche Firma – folgen<strong>de</strong>s<br />

neu „offerieren‚ kann: - ab sofort können sich betroffene MA an<br />

eine bestimme Stelle (z.B. im HR, besser aber extern) mel<strong>de</strong>n, wo<br />

ihnen ein Lebenshelfer, Psychologe Hilfe anbietet. <strong>Die</strong>ser<br />

„Service‚ ist total anonym. Das be<strong>de</strong>utet, auch <strong>de</strong>m Betroffenen<br />

selber die Aussicht sich (vorerst) anonym offenbaren und<br />

mitteilen zu können, muss angeboten wer<strong>de</strong>n. Selbstverständlich<br />

erfahren we<strong>de</strong>r die Firma noch an<strong>de</strong>re Stellen über <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>r<br />

Anliegen. <strong>Die</strong> Vertraulichkeit ist immer gewährt und nichts von<br />

<strong>de</strong>n Unterlagen lan<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>r Personalakte. Auch soll es dort<br />

keinen Eintrag geben. <strong>Die</strong> Kosten übernimmt zur Gänze (!) die<br />

Firma. <strong>Der</strong> Grund dafür liegt auf <strong>de</strong>r Hand: ein auf solche Hilfe<br />

angewiesener MA könnte sich eigentlich ja privat an einen<br />

Psychiater, Psychologen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re solche <strong>Die</strong>nste wen<strong>de</strong>n und<br />

die Krankenkasse dafür zahlen lassen. Viele Mitmenschen<br />

scheuen aber diesen Schritt, weil dann in einer kleinen<br />

Gesellschaft wie <strong>de</strong>r unseren, zu viele Mitbürger unter<br />

Umstän<strong>de</strong>n erfahren könnten (trotz <strong>de</strong>r Schweigepflicht), dass<br />

man Probleme hat. <strong>Die</strong> Betroffenen schämen sich wegen Ihrer<br />

Probleme dafür oft. Bei privaten materiellen Problemen kann<br />

gera<strong>de</strong> eine Bank problemlos unbürokratisch und grosszügig<br />

Hilfe anbieten. Nicht im Sinne von verbilligten Hypotheken o<strong>de</strong>r<br />

sonstigen Darlehen und günstigeren Kontokonditionen, was sie<br />

ja heute schon tut, son<strong>de</strong>rn tatsächliche finanzielle Hilfe für<br />

solche ArbeitnehmerInnen, die selbst- o<strong>de</strong>r unverschul<strong>de</strong>t in eine<br />

Krise geraten sind. Wie ein solches Angebot ausgestattet und<br />

kommuniziert wer<strong>de</strong>n kann, sodass ein Bedürftiger auch davon<br />

Gebrauch macht, wissen die Spezialisten von HR und Bank<br />

besser als ich. Auf je<strong>de</strong>n Fall müssen im „Angebot‚ Stichwörter<br />

wie folgen<strong>de</strong> erwähnt und untermauert stehen: gewährleistete<br />

absolute Vertraulichkeit, keinen Eintrag in <strong>de</strong>r Personalakte, egal welche<br />

Summe und Art <strong>de</strong>r finanziellen Probleme, evt. sogar zinslose Hilfe,<br />

alle Administrativ- und Abklärungskosten begleicht die Firma zu ihren<br />

Lasten. Durch Umsetzung obiger I<strong>de</strong>en, wird die später garantiert<br />

kommen<strong>de</strong> Frage an einen schon aktiven Tätertyp (also bei<br />

Eintritt <strong>de</strong>r 50 %-Katastrophe), „ warum haben Sie sich nicht<br />

vorher/ früher an uns wegen Hilfe gewandt


Kritiker meiner Vorschläge wer<strong>de</strong>n sagen: „


mehr möglich. Einem Täter, sollte er nicht selber aus <strong>de</strong>r EDV-<br />

Abteilung stammen, ist es damit zumin<strong>de</strong>st sehr, sehr schwer<br />

gemacht wor<strong>de</strong>n, falls er gleichwohl rechtswidrig ein<br />

Sicherungsband an sich nehmen konnte, schlussendlich an<br />

lesbare und somit verwendbare <strong>Daten</strong>sätze zu kommen. Ein<br />

kleines Risiko besteht aber weiterhin: dann, wenn er das Band<br />

Spezialisten (z.B. einer <strong>Die</strong>nststelle eines frem<strong>de</strong>n Staates)<br />

übergibt. Auch sollten alle MA in <strong>de</strong>r EDV auf bohren<strong>de</strong>,<br />

scheinbar harmlose aber <strong>de</strong>nnoch für die Arbeit <strong>de</strong>s Auskunft<br />

begehren<strong>de</strong>n unlogische und unnötige Fragen sensibilisiert<br />

wer<strong>de</strong>n, um einem möglichen Täter keine „Geheimnisse‚ zu<br />

offenbaren, die ihm bei seiner Tat nützlich sind. Es ist durchaus<br />

im Bereich <strong>de</strong>s Möglichen, dass sich ein etwas einfallsreicherer<br />

Täter bei solcher Fragerei in Bezug auf seine EDV - Kenntnisse<br />

„viel dümmer‚ stellt, d.h. er gibt vor, sich weniger auszukennen<br />

als er dies wirklich tut. Das führt oft zum Ergebnis, dass <strong>de</strong>r<br />

Angefragte auch ihm über die normale Antwort hinaus – da er<br />

ihm helfen will – mehr preisgibt. Womöglich ausser<strong>de</strong>m über<br />

Gegebenheiten, die <strong>de</strong>m Täter gar nie o<strong>de</strong>r vorerst nicht in <strong>de</strong>n<br />

Sinn gekommen wären. Ein möglicher Täter, <strong>de</strong>r selber im EDV-<br />

Bereich <strong>de</strong>r Firma arbeitet, hat weiterhin die Möglichkeit zum<br />

<strong>Daten</strong>diebstahl, <strong>Daten</strong>vernichtung o<strong>de</strong>r Sabotagevorbereitung<br />

(dies eher aber auf <strong>de</strong>r elektronischen Seite: z.B.<br />

Viruseinschleusung*). Es ist daher durch technisches Alarm-<br />

Protokoll und logische Abläufe sicherzustellen, dass ein einzelner<br />

MA n i c h t die praktische Möglichkeit hat, alleine ein separates,<br />

zusätzliches Sicherungsband (evt. sogar unverschlüsselt) o<strong>de</strong>r<br />

sonstige <strong>Daten</strong>träger (CD-Rom, DVD) ab <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>bank<br />

herzustellen. O<strong>de</strong>r physisch irgendwelche vollen <strong>Daten</strong>träger<br />

durch das Gebäu<strong>de</strong> „trägt‚ und die Möglichkeit für Ihn (und<br />

unter gewissen Umstän<strong>de</strong>n auch Dritten) schafft, <strong>de</strong>n Träger zu<br />

vernichten, auszutauschen, kopieren o<strong>de</strong>r zu entwen<strong>de</strong>n. Ein<br />

solches Gefahrpotential kann man stark vermin<strong>de</strong>rn, wenn man<br />

die Detail-Verantwortung für die <strong>Daten</strong>sicherung,<br />

<strong>Daten</strong>verschlüsselung und hardwaremässigen<br />

<strong>Daten</strong>aufbewahrung auf min<strong>de</strong>stens zwei MA verteilt. Nicht eine<br />

Teilung im Sinne, dass <strong>de</strong>r eine am Montag, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re am<br />

<strong>Die</strong>nstag an <strong>de</strong>r Reihe ist, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r eine <strong>de</strong>n Chef spielt und <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>re sein Untergebener, o<strong>de</strong>r einer als Aufpasser <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren<br />

469


auftritt, nein, eine Teilung im Sinne „erzwungener‚<br />

gemeinschaftlicher Verantwortung. Konkret: 1. Hardwaremässig:<br />

Nur noch gemeinsam die die Back-Up-Bän<strong>de</strong>r holen und<br />

versorgen. Auf Personalseite ist dies zwar zeitaufwendiger, aber<br />

für eine lückenlose Sicherheit notwendig. 2. Softwaremässig: Um<br />

alle Back-Up’s jeglichen Typus herzustellen, bzw.<br />

systemtechnisch in Auftrag zu geben, müssen zwingend<br />

min<strong>de</strong>stens zwei MA (mit eigener persönlicher Passworteingaben,<br />

nebeneinan<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r hintereinan<strong>de</strong>r) dafür bevollmächtigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Niemals soll dies von einem einzelnen MA möglich sein! (* = Das<br />

Einnisten von gefährlichen Viren, „Zeitbombe‚ durch einen Profi<br />

ist <strong>de</strong>nkbar). Was das Gefahrenpotential <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren MA (keine<br />

EDV-Mitarbeiter) betrifft, so kann – nebst meinen Ausführungen<br />

auf <strong>de</strong>r vorhergegangen Seite – seitens <strong>de</strong>r EDV einiges eliminiert<br />

o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Solche „normalen‚ MA (SB,<br />

KB) haben ja Zugriff zumin<strong>de</strong>st auf die ihnen zugeteilte Mandate.<br />

Querübergreifen<strong>de</strong> Benutzrechte auf an<strong>de</strong>re Mandats-Pools<br />

sollten konsequent nicht (mehr) erteilt wer<strong>de</strong>n; dies erhöht – für<br />

einen möglichen Täter - nur <strong>de</strong>n Zugriff auf weitere sensible<br />

<strong>Daten</strong>. Mangels Kopiermöglichkeit auf CD-Rom o<strong>de</strong>r DVD<br />

könnte ein Täter Hardcopies (ab System direkt via Drucker o<strong>de</strong>r<br />

ab Original via Kopierer) von sensiblen Kun<strong>de</strong>ndaten(Mandate)<br />

herstellen und so entwen<strong>de</strong>n. Um solchen Aktivitäten auf die<br />

Spur zu kommen, könnte man evt. softwareseitig für eine EDV-<br />

Liste ein so genanntes Drucker- und Kopiererprotokoll<br />

installieren. Darin soll - wenn möglich – nicht nur die Anzahl<br />

ausgedruckter/kopierter Seiten mit Angabe über Benutzername,<br />

Arbeitsstation, verwen<strong>de</strong>ter Drucker (!)und Kopierer, Zugriffsort,<br />

Datum und Zeit festgehalten wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn auch die Art <strong>de</strong>s<br />

Dokumentes (wirtschaftlicher Berechtigter, Pass- o<strong>de</strong>r<br />

Adressangaben, Finanz- o<strong>de</strong>r Sorgfaltsplichtdaten u.s.w). Auf<br />

Grund eines vorher erstellten Check-Profils könnten dann<br />

rätselhafte Vorgänge (frühzeitig) erkannt und hinterfragt wer<strong>de</strong>n.<br />

Eine weitere Vorsichtsmassnahme könnte darin bestehen, dass<br />

man z.B. jene sensiblen <strong>Daten</strong>, die vom Arbeitsablauf her<br />

eigentlich nur einmal (beim ersten Mal) kopiert, gescannt und<br />

gespeichert wer<strong>de</strong>n müssen (z.B. Passkopien,<br />

Sorgfaltspflichtunterlagen) später eine Sperre erhalten und damit<br />

nicht mehr kopiert/gedruckt wer<strong>de</strong>n können. <strong>Die</strong>se drei<br />

470


Vorschläge (Drucker- und Kopiererprotokoll, gesperrte DOC’s)<br />

sind nicht einfach umzusetzen, aber sich Gedanken darüber zu<br />

machen und einen Versuch dazu wagen sicherlich wert.<br />

C) Buchhaltung: Eine wahre Fundgrube ist dieses Departement.<br />

Unerlässlich für einen Täter, <strong>de</strong>r nicht o<strong>de</strong>r nur indirekt mit <strong>de</strong>r<br />

EDV-Abteilung beruflich zu tun hat und es in erster Linie auf<br />

gespeicherte <strong>Daten</strong> abgesehen hat (ein Täter, <strong>de</strong>r selber aus <strong>de</strong>r<br />

EDV-Abteilung kommt, kennt die notwendigen Tools ja schon).<br />

Es mag einem Täter gelingen in <strong>de</strong>n Besitz <strong>de</strong>r „Hardware‚ (z.B.<br />

Back-Up Tapes, CD-Rom’s o<strong>de</strong>r DVD’s) <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>speicherung zu<br />

gelangen o<strong>de</strong>r an die „Hardware‚ (z.B. Serverraum) seines<br />

Sabotageobjekts heran zu kommen. Damit ist sein Ziel noch nicht<br />

erreicht: Ohne Kenntnis über die angewandte Software läuft nichts.<br />

Ich meine weniger die (nun neu) vorhan<strong>de</strong>ne<br />

Verschlüsselungssoftware (siehe dazu die Aufführungen im<br />

vorigen Abschnitt) son<strong>de</strong>rn die verwen<strong>de</strong>te allgemeine<br />

Betriebssoftware; insbeson<strong>de</strong>re die Back-Up-Software. Es gibt<br />

Hun<strong>de</strong>rt, wenn nicht Tausen<strong>de</strong> verschie<strong>de</strong>ne Back-Up-<br />

Softwareanbieter und dazugehörige Varianten. Welche nun in<br />

<strong>de</strong>r Firma verwen<strong>de</strong>t wird, könnte ein Täter, <strong>de</strong>r nicht damit in<br />

<strong>de</strong>r EDV arbeitet, nie im Leben erraten. Aber, von irgendwo muss<br />

ja eine solche Software herkommen und irgendwann muss sie<br />

auch bezahlt wor<strong>de</strong>n sein. <strong>Die</strong>se und sehr viele an<strong>de</strong>re nützliche<br />

Hinweise fin<strong>de</strong>t man in <strong>de</strong>r Buchhaltung: Dort – oft in einem<br />

speziell ausgeson<strong>de</strong>rten Ordner – sind Bestellungen,<br />

Lieferscheine, Rechnungen, Zahlungen, Garantieurkun<strong>de</strong>n und<br />

manches mehr sauber abgeheftet. Mein Vorschlag <strong>de</strong>shalb: Alle<br />

Unterlagen für die EDV, die in <strong>de</strong>r Buchhaltung aufbewahrt<br />

wer<strong>de</strong>n, sollten – so wie es mit <strong>de</strong>n wichtigen Druckschriften, die<br />

in <strong>de</strong>r EDV-Abteilung selber vorkommen, gehandhabt wird –<br />

ausdrücklich verschlossen und abgesichert verwahrt wer<strong>de</strong>n. <strong>Der</strong><br />

Zugriff muss nachkontrollierbar geregelt wer<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> 50 % - Katastrophe<br />

Trotz aller Vorsichtsmassnahmen - nicht nur diejenige, die ich auf<br />

<strong>de</strong>n vorgegangen Seiten beschrieben habe – wird es lei<strong>de</strong>r immer<br />

wie<strong>de</strong>r einem Täter gelingen, sich beabsichtigt in eine für die<br />

Firma gefährliche Konstellation zu manövrieren. <strong>Der</strong> Täter besitzt<br />

471


entwe<strong>de</strong>r sensible <strong>Daten</strong> (Originale o<strong>de</strong>r Kopien, o<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>s)<br />

o<strong>de</strong>r hat die Möglichkeit zur Sabotage. Er (T-A o<strong>de</strong>r T-B) hat nun<br />

das Potential zur Drohung, Nötigung o<strong>de</strong>r gar Erpressung u.s.w.:<br />

die <strong>Daten</strong> wur<strong>de</strong>n von ihm aber noch nicht „verraten‚,<br />

beziehungsweise die Sabotage hat er noch nicht durchgeführt.<br />

Somit ist die 50 %-Katastrophe eingetreten! (<strong>Die</strong> 100 %-Version<br />

davon wäre die vollzogene Preisgabe <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> o<strong>de</strong>r die<br />

Durchführung <strong>de</strong>r Sabotage – <strong>de</strong>r Typ T-C also). Auch hier<br />

wie<strong>de</strong>r – ist meines Erachtens – das grundlegen<strong>de</strong> Motiv <strong>de</strong>s<br />

Täters für die nun kommen<strong>de</strong> heikle Perio<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen beherrschend. <strong>Die</strong> Firma ist im Prinzip<br />

mit zwei Übeln konfrontiert: ein Kleineres und ein massiv<br />

Grösseres. <strong>Der</strong> T-A wird seine Geldfor<strong>de</strong>rung so berechnet<br />

haben, dass es eine kräftig kleinere Summe ist, als <strong>de</strong>r finanzielle<br />

Scha<strong>de</strong>n (an<strong>de</strong>re Nachteile noch gar nicht mitberücksichtigt), die<br />

<strong>de</strong>r Firma entstehen wür<strong>de</strong>, wenn die <strong>Daten</strong> verraten o<strong>de</strong>r die<br />

Sabotage gelingt - eben das kleinere Übel. <strong>Der</strong> T-B, sofern er nicht<br />

absur<strong>de</strong>, unmöglich zu erfüllen<strong>de</strong> Ansprüche stellt (z.B.<br />

Absetzung eines Politikers, Verurteilung, Verhaftung einer<br />

Person u.s.w.), nimmt an, dass die Ausführung seiner<br />

Bedingungen - die <strong>de</strong>nnoch eine Mischung aus grosser Not und<br />

manchmal wil<strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rungen sein kann - im viel kleinerem<br />

Verhältnis zum möglichen gigantischen Scha<strong>de</strong>n (aller Art)<br />

stehen, <strong>de</strong>m grösseren Übel. Bei<strong>de</strong> Tätertypen haben sich bei <strong>de</strong>r<br />

Planung und Vorbereitung hauptsächlich auf die für sie<br />

optimistische Annahmen – wie die Gegenseite reagieren wird -<br />

gestützt. Ein Fehler <strong>de</strong>r oft auch I<strong>de</strong>ologen häufig unterläuft. Aus<br />

eigener Erfahrung kann ich nur dringend empfehlen,<br />

grundsätzlich <strong>de</strong>n Behauptungen <strong>de</strong>s Täters – er wür<strong>de</strong> dies o<strong>de</strong>r<br />

jenes aus <strong>de</strong>r Firma besitzen – unbedingt glauben zu schenken.<br />

Und dies trotzt <strong>de</strong>r immer vorkommen<strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>nken und<br />

Einwän<strong>de</strong> verschie<strong>de</strong>nster Stellen und Personen in <strong>de</strong>r Firma.<br />

Natürlich empfin<strong>de</strong>n die involvierten Firmenabteilungen die<br />

„Blossstellung‚ als Angriff und wehren sich nicht nur reflexartig<br />

dagegen, son<strong>de</strong>rn lassen sich oft auch zu sachlich falsche<br />

Äusserungen hinreissen, die wie<strong>de</strong>rum Grundlage<br />

folgenschwere, falsche Entscheidungen seitens <strong>de</strong>r Firma o<strong>de</strong>r<br />

Behör<strong>de</strong>n sein können. Das kostet Zeit und kann <strong>de</strong>n Täter, <strong>de</strong>r<br />

bereits hoch nervös sein wird, zu bedrohlichen (Trotz-<br />

472


)Reaktionen verleiten. Falls <strong>de</strong>r Täter nicht schon beim ersten<br />

Kontakt (z.B. Schreiben) <strong>de</strong>n Beweis seiner Behauptung in Bezug<br />

auf die <strong>Daten</strong> o<strong>de</strong>r Sabotagemöglichkeit durch Beilegen einer<br />

Kopie o<strong>de</strong>r ähnlich erbracht hat, so ist es ein Einfaches, ihn dazu<br />

zu bewegen. Da <strong>de</strong>r Täter ja die Erfüllung seiner For<strong>de</strong>rungen als<br />

Ziel hat, wird er ohne zu klagen <strong>de</strong>r Auffor<strong>de</strong>rung nachkommen.<br />

Um keine Zeit zu verlieren und das Risiko zu vermin<strong>de</strong>rn, dass<br />

bei einer solchen Beweis-Perio<strong>de</strong> durch ein Missgeschick <strong>Daten</strong> in<br />

noch gefährlichere Hän<strong>de</strong> gelangen - sollte ein Täter behaupten,<br />

dass er alle <strong>Daten</strong> besitze - so kann die Gegenseite, wenn sie <strong>de</strong>n<br />

Kern <strong>de</strong>r Behauptung <strong>de</strong>s Täters rein technisch o<strong>de</strong>r individuell<br />

minimal für möglich hält, ihn bitten, als Beweis einige speziell<br />

ausgesuchte Mandate o<strong>de</strong>r Kontoauszüge in geeigneter Form<br />

vorzulegen. <strong>Die</strong> gefor<strong>de</strong>rte kleine Auswahl sollte dann eine<br />

Mischung aus sehr wichtigen Mandaten (z.B. VIP, PEP) und eher<br />

unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n (z.B. kleine Kun<strong>de</strong>n, unwichtige <strong>Daten</strong>) sein.<br />

Bringt er <strong>de</strong>n gewünschten Beweis, so kann man unanfechtbar<br />

davon ausgehen, dass er a l l e <strong>Daten</strong>, so wie er es schil<strong>de</strong>rte,<br />

besitzt. <strong>Die</strong> betroffene Firma muss sich wohl zuerst – mit o<strong>de</strong>r<br />

ohne Involvierung <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>n – im Klaren sein, was<br />

verhan<strong>de</strong>lbar ist und wo sie hart bleiben will. Aus <strong>de</strong>n<br />

Drohbriefen o<strong>de</strong>r –anrufen und <strong>de</strong>m aktuellen Verhalten <strong>de</strong>s<br />

Täters lassen sich immer Rückschlüsse ziehen. <strong>Die</strong> Gegenseite<br />

(Firma/Behör<strong>de</strong>n) muss – wenn nötig mit Hilfe von externen<br />

Spezialisten - das Bewusstmachen und die Nachvollziehbarkeit<br />

<strong>de</strong>r Gedankenprozesse <strong>de</strong>s Täters für sich sichtbar und nutzbar<br />

machen. Auch empfehle ich – falls <strong>de</strong>r Täter selber keine Person<br />

bestimmt hat und <strong>de</strong>r persönliche Kontakt vom ihm erwünscht<br />

wird – aus psychologischen Überlegungen für einen<br />

Verhandlungsführer n i c h t dafür in Frage kommen<strong>de</strong><br />

ehemalige MA <strong>de</strong>s Täter o<strong>de</strong>r gar seinen Chef zu <strong>de</strong>legieren. Eine<br />

„Konfrontation‚ zwischen Täter und solchen Personen wäre zu<br />

stark gefühlsbetont und vorbelastet. Zu<strong>de</strong>m sind solche<br />

Verhandlungsführer oft <strong>de</strong>r emotionalen Versuchung erlegen,<br />

<strong>de</strong>m Täter die Sache „hölzern‚ auszure<strong>de</strong>n. Eine parteilose,<br />

externe Person ist dafür viel, viel besser geeignet. Eine, die bereit<br />

ist, über alles mit sich re<strong>de</strong>n zu lassen, zur Not auch über<br />

„frem<strong>de</strong>‚ Themen. In <strong>de</strong>r Anfangsphase ist es auch Vorteilhaft:<br />

Nichts zusagen! Nichts ausschliessen! Wenn in <strong>de</strong>r echten<br />

473


ei<strong>de</strong>rseitigen Kommunikation (mittels welchem Medium auch<br />

immer) in <strong>de</strong>r Folge aber festgestellt wird, dass <strong>de</strong>m Täter – aus<br />

welchen Grün<strong>de</strong>n auch immer - <strong>de</strong>r gewählte<br />

Verhandlungsführer (nun) n i c h t (mehr) passt, so rate ich<br />

dringend, trotz allfälliger Einwän<strong>de</strong> von behördlicher o<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>rer Seite diesen auszutauschen. Auch wenn es schwer fällt.<br />

<strong>Der</strong> Täter ist am Drücker. Je<strong>de</strong> Provokation muss absolut<br />

vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Hat man sich auf eine S p r a c h r e g e l u n<br />

g (!) geeinigt, so ist eine ununterbrochene<br />

K O M M U N I K A T I O N mit <strong>de</strong>m Täter sehr, sehr wichtig.<br />

Egal was die Firma für Strategien verfolgen will o<strong>de</strong>r wird.<br />

Nichts ist gefährlicher als mit <strong>de</strong>m Täter die Verbindung<br />

abzubrechen, nur weil eine Seite (meistens die betroffene Firma<br />

mit/ohne Behör<strong>de</strong>n) es beim Betrachten <strong>de</strong>r nun vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Probleme belassen will, um eine Radikal-Lösungs-Phase<br />

einzuläuten, weil man nicht an <strong>de</strong>ren (mit <strong>de</strong>m Täter<br />

gemeinsamen) Lösbarkeit glaubt / glaubte. Ein - zur falschen Zeit<br />

- fatalen Beschluss zum Abbruch (und z.B. Haftbefehl) ist schnell<br />

gefällt; insbeson<strong>de</strong>re dann, wenn Entschei<strong>de</strong> auf Grund fehlen<strong>de</strong>r<br />

Mehrheiten, betonierter Gruppeninteressen und <strong>de</strong>m Würgegriff<br />

<strong>de</strong>r eigenen Bürokraten gefällt wur<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> blosse Inszenierung<br />

staatlicher Tatkraft bringt nichts. <strong>Die</strong> Verhaftung eines Täters –<br />

sollte er nicht aufgeben – muss als allerletztes Mittel in Erwägung<br />

gezogen wer<strong>de</strong>n. Und auch nur dann, wenn sichergestellt ist,<br />

dass zu 99,9 % die 100 %-Katastrophe nicht eintreten kann. Da es<br />

zu 100 % ja sowie nie ganz ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n kann! Den<br />

Täter physisch „privat‚ zu fassen o<strong>de</strong>r behördlich fassen zu<br />

lassen ist heute mit kriminaltechnischen Mitteln relativ einfach.<br />

Eine dritte Gefahr – wie in meinem Fall – besteht darin, wenn<br />

durch die Firma o<strong>de</strong>r von staatlicher Seite eine Kettenreaktion<br />

ausgelöst wird, die nicht mehr gestoppt wer<strong>de</strong>n kann und bei<strong>de</strong><br />

Seiten dadurch die Kontrolle über <strong>de</strong>n Verlauf <strong>de</strong>r Dinge<br />

verlieren könnten und am En<strong>de</strong> - obwohl von keinem Teil<br />

gewollt - auf einmal die wirklichkeitsnahe Chance (folglich auch<br />

ohne zutun <strong>de</strong>s Täters) einer 100 %-Katastrophe real besteht und<br />

alles noch schwieriger macht. Man be<strong>de</strong>nke daher, dass nicht<br />

je<strong>de</strong>r (ich habe auch nur Teile davon in meinem „Schreiben‚<br />

geschil<strong>de</strong>rt) preisgibt, was für Vorkehrungen man zum Eigen-<br />

und <strong>Daten</strong>schutz getroffen hat, falls die Gegenseite eine Falle<br />

474


o<strong>de</strong>r ähnlichem ausbrütet Wenn ein Täter nichts <strong>de</strong>rgleichen<br />

vermerkt, heisst dies im Übrigen noch lange nicht, dass er auch<br />

keine Massnahmen getroffen hat. Also keine Strategie för<strong>de</strong>rn,<br />

wo als Nebeneffekt (!) im Endresultat die 100 %-Katastrophe<br />

eintritt. Sicherlich braucht es eine gewisse „Irreführung‚ <strong>de</strong>s<br />

Täters durch die Gegenseite; Oft missbraucht man aber dafür das<br />

Gebiet <strong>de</strong>s „vertrauen schaffen‚. Vorsicht! Vertrauen ist eine<br />

künstliche Angelegenheit und wird bei Verhandlungen (von<br />

bei<strong>de</strong>n Seiten!) oft mit Hoffnung verwechselt. Das erste Opfer <strong>de</strong>r<br />

Hoffnung ist immer die Realität. Ausser Acht lassen darf man<br />

auch nicht die Tatsache, dass – wie sein Gegenüber – <strong>de</strong>r Täter,<br />

abhängig von und fundiert durch seine Gelehrtheit, sicher nicht<br />

mit all seinem Wissen „raus rückt‚. 1. Publiziertes<br />

Verhaltensmuster (z.B. Zielfahndung, Abhören <strong>de</strong>r Telefonate,<br />

Standorterkennung durch IP-Feststellung <strong>de</strong>s E-Mail-Versand)<br />

o<strong>de</strong>r 2. juristische Feinheiten (u.a. Unterschied ob er persönlich<br />

o<strong>de</strong>r anonym, z.B. per Post o<strong>de</strong>r Hauseinwurf, die <strong>Daten</strong> an<br />

Drittstaatendienststellen übergibt) ist/sind <strong>de</strong>m aufmerksamen<br />

Täter zugänglich und daher wird er es zu vertuschen, zu<br />

vermei<strong>de</strong>n und/o<strong>de</strong>r richtig umzusetzen versuchen. Auf Grund<br />

<strong>de</strong>r soli<strong>de</strong>n verfügbaren Ressourcen <strong>de</strong>r Gegenseite ist er zwar<br />

immer auf <strong>de</strong>r Verliererseite, aber bei solchen Verbrechen kann<br />

das Ziel „<strong>de</strong>r Guten Seite‚ nicht sein, <strong>de</strong>n Täter psychisch und<br />

physisch zu erledigen. Wenn ein handlungsfähiges<br />

Krisenmanagement <strong>de</strong>n gesamten Prozess unter diesen<br />

Gesichtspunkten steuert – dann, wenn auch nicht unbedingt für<br />

<strong>de</strong>n Täter selber – ist die Gute Seite am En<strong>de</strong> viel eher auf <strong>de</strong>r<br />

Gewinnerseite. Des Weiteren muss eine mediale Öffentlichkeit<br />

um je<strong>de</strong>n Preis verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Speziell zu <strong>de</strong>n einzelnen<br />

Tätertypen kann ich dazu festhalten: <strong>Der</strong> T-A ist eher weniger<br />

freiwillig zu Kommunikation gewillt. Er will seine For<strong>de</strong>rung<br />

schnell und ohne grosses „Blablabla‚ erfüllt sehen. Ihm ist ein<br />

rascher Erfolg wichtig. Darin liegt auch folgen<strong>de</strong> Gefahr: wie ich<br />

zu diesem Typ im eigenen Kapitel erwähnt habe, sind –rein<br />

theoretisch – schon bei <strong>de</strong>r Vorbereitung und dann For<strong>de</strong>rung<br />

Komplizen möglich. Auch wenn <strong>de</strong>r Haupttäter (ehem. MA) die<br />

Existenz solcher Helfershelfer unter Umstän<strong>de</strong>n gar nie offen<br />

legt. (Durch gezielte, distinguierte Neugier<strong>de</strong>, kann im Übrigen<br />

herausgefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, ob <strong>de</strong>r Täter Gehilfen hat o<strong>de</strong>r nicht.<br />

475


O<strong>de</strong>r er selber nur Gehilfe ist!). Gefährlicher wird es, wenn sich<br />

<strong>de</strong>r Täter durch falsche, überhetzte Aktionen <strong>de</strong>r Gegenseite<br />

bedrängt fühlt und sich neue, vorher frem<strong>de</strong> „Helfer‚ sucht, die er<br />

zu neuen „Partner“ macht o<strong>de</strong>r machen muss(!). Dann hat auch<br />

die Gegenseite eine komplett verän<strong>de</strong>rte Situation, die noch<br />

schwerfälliger als vorher zu lösen sein wird. Eine solche<br />

Konstellation ist daher unbedingt zu vermei<strong>de</strong>n! Bei diesem<br />

Tätertypen gibt es sicherlich solche Stimmen, die sagen, man soll<br />

auf die Geldfor<strong>de</strong>rung eingehen und zahlen. Ich wur<strong>de</strong> auch<br />

gefragt, ob ich, rein hypothetisch – obwohl kein T-A - im<br />

Rollentausch als Firma bezahlen wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>s ist eine schwierige,<br />

ja fast philosophische Frage. <strong>Die</strong>s kann nur eine betroffene Firma<br />

alleine entschei<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Gesetzeshüter wer<strong>de</strong>n schreien: NEIN.<br />

Wenn die Drohung aber so massiv ist und keine gütliche- eine<br />

an<strong>de</strong>re gibt es mit diesem Typ praktisch nicht – Lösung (eine<br />

Verhaftung ist keine Lösung son<strong>de</strong>rn nur ein „Zwischenstopp‚)<br />

in absehbarer Zeit möglich ist, dann – so vermute ich – ist es aus<br />

Sicht <strong>de</strong>r Firma sogar besser, <strong>de</strong>m Täter (vorerst) sein<br />

offensichtliches erstrebtes „Glücksgefühl‚ zu erfüllen; anstatt die<br />

100 %-Katastrophe einschlagen zu lassen und danach<br />

schlussendlich erfolglos das ultimative, beispiellose Desaster zu<br />

reparieren versuchen. Beim T-B steigen die Siegeschancen für die<br />

Firma enorm, wenn sie sich auf einen Konsenskurs begibt. Auch<br />

wenn im ersten, aufgeheizten Zeitabschnitt je<strong>de</strong> Seite massiv für<br />

sich das Recht reklamiert. <strong>Der</strong> T-B sucht eigentlich Anerkennung<br />

für sein Anliegen, will verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Je nach <strong>de</strong>m, wie viel<br />

er – aus seiner Sicht - in <strong>de</strong>r Vergangenheit chronisch zu hart ran<br />

genommen wor<strong>de</strong>n war, wird er mehr o<strong>de</strong>r weniger die Regung<br />

verspüren, kürzer o<strong>de</strong>r länger mit sich Verhan<strong>de</strong>ln zu lassen.<br />

Wesentlich ist aber, dass er Verhan<strong>de</strong>ln will und wird.<br />

Interessanter Weise kann die Gegenseite bei diesem Täter-Typ<br />

meistens die Erfahrung machen, dass je mehr Zeit verstreicht,<br />

umso überwiegen<strong>de</strong>r er <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong>besitz als Last empfin<strong>de</strong>t. <strong>Der</strong><br />

Grund dafür liegt in <strong>de</strong>r komplizierten Struktur einer Mischung<br />

von Loyalität, seines Sukkurses und seiner - wenn auch<br />

wechselhaften – Ausrichtung auf die gedankliche Durchdringung<br />

<strong>de</strong>r Wirklichkeit. <strong>Der</strong> Etappen-Weg bis zu einer gemeinsamen<br />

akzeptablen Lösung kann sehr steinig und sehr zeitaufwendig<br />

sein. Ich bin sicher, dass dort, wo es in <strong>de</strong>r Vergangenheit (in<br />

476


einer zivilisierten Welt) mit <strong>de</strong>m Tätertyp T-B zu einem<br />

<strong>de</strong>rartigen för<strong>de</strong>rlichen Ergebnis gekommenen ist und diese<br />

Resultate öffentlich gemacht wor<strong>de</strong>n wären, man feststellen hätte<br />

können, dass die jeweils gefun<strong>de</strong>ne Lösung aus rein juristischer<br />

Sicht nicht ganz lupenrein war. Im Sinne einer ausreichen<strong>de</strong>n<br />

Scha<strong>de</strong>nsbegrenzung ist dieser Umstand lei<strong>de</strong>r nicht vermeidbar.<br />

Es kann sein, dass auch dieser Täter-Typ For<strong>de</strong>rungen materieller<br />

Form stellt. Oft sind es „Scha<strong>de</strong>nsersatzfor<strong>de</strong>rungen‚,<br />

resultierend – so wie er schil<strong>de</strong>rt – aus ihm gegenüber<br />

begangener Rechtswidrigkeit. Es besteht aber ein gewaltiger<br />

Unterschied zu einer finanziellen For<strong>de</strong>rung von seitens eines T-<br />

A: <strong>Der</strong> T-A hat keinen Scha<strong>de</strong>n erlitten und will sich – schlicht<br />

gesagt – einfach bereichern und <strong>de</strong>r Anspruch entbehrt daher<br />

je<strong>de</strong>r Basis. Beim T-B ist die Grundlage seiner For<strong>de</strong>rung<br />

irgendwo in <strong>de</strong>r Vergangenheit schon dokumentiert und er hat<br />

also einen finanziellen Scha<strong>de</strong>n nachprüfbar faktisch erlitten<br />

(unabhängig <strong>de</strong>r rechtlichen Sichtweise). Soll nun <strong>de</strong>r <strong>de</strong>nkbare<br />

Anspruch geldmässig befriedigt wer<strong>de</strong>n? Wenn ja , von wem ?<br />

<strong>Der</strong> Firma ? <strong>Der</strong> Staat ? Den wahren Schuldnern ? <strong>Die</strong>se Fragen<br />

kann ich aus meiner Sicht nicht beantworten kann.<br />

Schlusswort<br />

Abschliessend möchte ich festhalten, dass folgen<strong>de</strong>r Spruch „<strong>Die</strong><br />

wirkliche Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit‚ für bei<strong>de</strong><br />

Seiten gilt. Es dürfen keine Mittel gespart und keine Metho<strong>de</strong>n<br />

ausgelassen wer<strong>de</strong>n um zu einer gemeinsamen Lösung zu fin<strong>de</strong>n,<br />

die in <strong>de</strong>r Substanz von allen Betroffenen getragen wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Nie, nie einem T-B verlocken<strong>de</strong>, verführen<strong>de</strong> Versprechungen<br />

machen, die bewusst o<strong>de</strong>r unbewusst nicht eingehalten wer<strong>de</strong>n<br />

können, die Sprengkraft solcher Taktik ist selbst - zerstörerisch<br />

für alle. Eine weitsichtige Firma wird sogar „ihren‚ Täter, egal<br />

ob T-A o<strong>de</strong>r T-B, egal ob er in Haft o<strong>de</strong>r in Freiheit lebt, nach <strong>de</strong>m<br />

gesetzlichem Finale <strong>de</strong>r Prozedur ausser<strong>de</strong>m ein Stück weit in<br />

seinem Leben begleiten um somit ihre ausseror<strong>de</strong>ntliche<br />

Sozialkompetenz wirklich zu leben.<br />

E N D E <strong>de</strong>r Denkschrift<br />

477


Hans-Adam schickte mir am 21.10.03 einen Brief und bedankte sich<br />

ausdrücklich für meine Arbeit. Er habe <strong>de</strong>m Professor und <strong>de</strong>m<br />

Bankdirektor eine Kopie zukommen lassen. Jetzt, wo ich meine Arbeit<br />

für mein Buch nochmals durchgelesen habe, war ich über die Aktualität<br />

und das fast genaue Eintreffen diverser Schlussfolgerungen verblüfft.<br />

Insbeson<strong>de</strong>re wenn man die paar Zeilen meines Schlusswortes liesst.<br />

Grausig! Ich konnte ja unmöglich wissen, was sich in <strong>de</strong>n Jahren nach<br />

<strong>de</strong>m Oktober 2003 abspielen wür<strong>de</strong>.<br />

Lampert, ein T-A, wur<strong>de</strong> mit Hilfe seines Komplizen Michael F. (aus<br />

Deutschland) zum T-C. <strong>Die</strong> 100-prozentige Katastrophe für die LLB<br />

wur<strong>de</strong> Wirklichkeit. Gegen En<strong>de</strong> 2003 wur<strong>de</strong> ich informiert, dass man<br />

mit Hilfe meiner Denkschrift versucht hätte, an <strong>de</strong>n Lampert<br />

heranzukommen.<br />

Rückblickend <strong>de</strong>nke ich, dass Hans-Adam in Wahrheit keine Zeile von<br />

meiner Arbeit gelesen hat. Vermutlich fand seine Kopie <strong>de</strong>nselben Weg<br />

wie mein 3-D-Kerker-Mo<strong>de</strong>ll: ab in <strong>de</strong>n Müll.<br />

478


KAPITEL 23 Überraschung! Überraschung!<br />

Verhandlung vor <strong>de</strong>m Kriminalgericht Vaduz am 21.10.2003:<br />

<strong>Der</strong> D-Day war gekommen. <strong>Der</strong> Desaster-Tag. Um 08.00 Uhr wartete ich<br />

auf <strong>de</strong>m Vorplatz <strong>de</strong>s LG auf RA Müller und <strong>de</strong>n Bankdirektor. <strong>Der</strong><br />

Professor entschuldigte seine Abwesenheit ein paar Tage vorher in<br />

einem Anruf an mich. Später wur<strong>de</strong> mir klar, dass seine Abwesenheit<br />

auch einer <strong>de</strong>r Hinweise war, dass er nicht zum Kreis <strong>de</strong>r vollständig<br />

Eingeweihten gehörte. Sonst wäre er nämlich hier gewesen, um mir zu<br />

helfen. Denn noch bevor die Kirchenglocken 12 Uhr Mittag schlagen<br />

wür<strong>de</strong>n, hätte ich dringend einen Psychologen gebraucht.<br />

<strong>Die</strong> Verhandlung fand im „Ballsaal‚ <strong>de</strong>s Gerichts statt, <strong>de</strong>m grössten<br />

Verhandlungszimmer. Als wür<strong>de</strong> man eine Hor<strong>de</strong> Zuschauer erwarten.<br />

Meine Seite wartete unten im Keller, im Raum mit <strong>de</strong>m Kaffee- und<br />

Getränkeautomaten fürs Gerichtspersonal. Als wir dann hoch in <strong>de</strong>n<br />

Gang mit <strong>de</strong>n Verhandlungszimmern gingen, erblickte ich zwei<br />

Lan<strong>de</strong>spolizisten, uniformiert und bewaffnet. Und als ich dann sah, dass<br />

sie in <strong>de</strong>n Saal 1 hineinmarschierten, wusste ich sofort, dass die für mich<br />

waren. Da stimmt etwas nicht, sagte ich zum Bankdirektor. Er war auch<br />

erstaunt darüber, dass die Polizei anwesend war. RA Müller war so<br />

freundlich und fragte bei einem <strong>de</strong>r Polizisten nach. <strong>Die</strong> Antwort<br />

beunruhigte mich sehr. <strong>Die</strong> STA hätte die Polizei beantragt. Ich wur<strong>de</strong><br />

krei<strong>de</strong>bleich. <strong>Die</strong> wollen mich nach <strong>de</strong>r Verhandlung verhaften, zitterte<br />

ich. Ich wur<strong>de</strong> reingelegt, schrie ich. Nein, sagten meine bei<strong>de</strong>n Begleiter.<br />

Das ich bisher nicht verhaftet wur<strong>de</strong>, war ja klar, erkannte ich. Das Freie<br />

Geleit bewahrte mich davon. Doch es gab einen kleinen, aber<br />

gefährlichen Unterschied: Es stand nämlich geschrieben, dass ich bis zur<br />

Urteilsfällung, nicht bis zur Rechtsgültigkeit eines Erstinstanzlichen<br />

Urteils auf freiem Fuss bleiben könnte. Ich war mir nicht mehr so sicher,<br />

ob es eine gute I<strong>de</strong>e war, nach Hause zu kommen. Ich kämpfte mit mir<br />

selber und sagte meinen Begleitern, dass ich nicht in <strong>de</strong>n Saal gehen<br />

wür<strong>de</strong>.<br />

Es bedurfte angestrengter Überredungskunst um mich davon<br />

abzubringen. <strong>Der</strong> Bankdirektor, <strong>de</strong>r mir natürlich viel näher stand als<br />

<strong>de</strong>r RA, fürchtete um <strong>de</strong>n grossen Plan, <strong>de</strong>n sie ausgekocht hatten. Er<br />

wollte sich nicht ausmalen, was geschehen wür<strong>de</strong>, sollte ich nicht in <strong>de</strong>n<br />

Saal gehen. <strong>Die</strong> Bullen wür<strong>de</strong>n mich dann vielleicht mit Gewalt<br />

479


vorführen. Ein Unheil wäre dies, jammerte er. War mir alles wurscht. RA<br />

Müller, <strong>de</strong>r Technokrat unter uns, wie<strong>de</strong>rholte zum 1000. Mal, dass ihm<br />

Hans-Adam höchstpersönlich mehrfach gesagt hätte, dass mir nichts<br />

passieren wür<strong>de</strong>. RA Müller begrün<strong>de</strong>te seine Gewissheit damit, dass<br />

wenn man <strong>de</strong>m Wort von Hans-Adams keinen Glauben mehr schenken<br />

kann, man nieman<strong>de</strong>m glauben kann. <strong>Die</strong>s leuchtete mir ein.<br />

Auf <strong>de</strong>m Weg zum Saal 1 kreuzte sich mein Weg mit <strong>de</strong>m von STA<br />

Haun. Es war sehr lange her, seit ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte.<br />

Er blickte mich nicht an und schaute ostentativ auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n. Pünktlich<br />

um 08.30 Uhr waren alle im Saal. Ich in <strong>de</strong>r Mitte, vor mir die fünf<br />

Richter. Auf einer Seite <strong>de</strong>r STA Haun, auf <strong>de</strong>r An<strong>de</strong>ren RA Müller.<br />

Hinter mir in <strong>de</strong>r ersten Sitzreihe sass <strong>de</strong>r Bankdirektor und ganz hinten<br />

links sass Dr. Robert Wallner. Ansonsten war niemand anwesend. Als<br />

meine Vertrauensperson wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Bankdirektor von Hans-Adam<br />

ab<strong>de</strong>legiert, wogegen die STA nichts einzuwen<strong>de</strong>n hatte. Ein Wun<strong>de</strong>r,<br />

ein Wun<strong>de</strong>r, dachte ich mir im Stillen. <strong>Die</strong> STA hat mal nichts dagegen.<br />

Nach <strong>de</strong>n Angaben zu meiner Person wur<strong>de</strong> gleich <strong>de</strong>r Ausschluss <strong>de</strong>r<br />

Öffentlichkeit beantragt. Zur Sicherheit <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s. <strong>Die</strong>s wur<strong>de</strong> vom<br />

Gericht einstimmig befürwortet. Ich sass auf <strong>de</strong>m Angeklagtenstuhl und<br />

hatte meinen Zettel in <strong>de</strong>r Hand. Ich brachte keine Akten mit. Auch RA<br />

Müllers Tasche war nicht so schwer bela<strong>de</strong>n, wie sie bei einem<br />

Verteidiger eines solchen fetten Prozesses hätte sein müssen. Aber eben,<br />

die Rolle von Müller war nicht die eines Verteidigers. Er war mehr ein<br />

juristischer Vermittler zwischen Hans-Adam, <strong>de</strong>r LGT als seine<br />

Brötchengeber und meiner Wenigkeit.<br />

Nach Verlesung <strong>de</strong>r Anklage wur<strong>de</strong> ich aufgefor<strong>de</strong>rt, dazu etwas zu<br />

sagen. Ich stand auf und las <strong>de</strong>n Zettel Wort für Wort runter. Nach<strong>de</strong>m<br />

ich damit fertig war, drehte ich mich zum Bankdirektor und <strong>de</strong>m RA.<br />

Bei<strong>de</strong> nickten schwach mit <strong>de</strong>m Kopf. Ein gutes Zeichen, dachte ich.<br />

Dann passierte etwas, was niemand erwartet hatte.<br />

RA Müller sagte mir nachher, dass er auch völlig irritiert gewesen wäre.<br />

Als ich mich wie<strong>de</strong>r umgedreht hatte, starrte mich <strong>de</strong>r vorsitzen<strong>de</strong><br />

Richter an und flüsterte etwas zum Beisitzer. Er bat mich, <strong>de</strong>n Zettel<br />

nach vorne zu bringen. Er fragte, ob ich unter Instruktionen seitens <strong>de</strong>r<br />

LGT han<strong>de</strong>ln wür<strong>de</strong>. Ich bat um Entschuldigung und erwi<strong>de</strong>rte nur,<br />

dass ich gera<strong>de</strong> gesagt hätte, dass ich keine weiteren Fragen beantworten<br />

kann. Dem Richter gefiel meine Antwort gar nicht. Er stand auf und<br />

480


zusammen mit einem Beisitzer verschwand er für ein paar Minuten mit<br />

meinem Zettel in das kleine Beratungszimmer neben <strong>de</strong>m Saal. Ich setzte<br />

mich wie<strong>de</strong>r und konnte nicht mehr tun als warten.<br />

Als sie zurückkamen, sagte <strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong> etwas in Richtung<br />

abgekartetes Spiel o<strong>de</strong>r ähnlich. Er sprach so un<strong>de</strong>utlich und leise, dass<br />

ich ihn nicht verstehen konnte. Müller hatte auch keine besseren Ohren<br />

als ich und <strong>de</strong>r Bankdirektor war noch weiter weg. Da weiters nichts<br />

Negatives geschah, kam ich zum Schluss, dass <strong>de</strong>r Richter nichts<br />

Unwürdiges o<strong>de</strong>r gar Unzulässiges gemeint haben musste. Dann stellt<br />

RA Müller eine Frage, die wir vorher abgesprochen hatten. Das Thema<br />

war <strong>de</strong>r Zeitpunkt meines Entschlusses, ins Ausland zu gehen, um<br />

möglicherweise die <strong>Daten</strong> zu verraten. Es folgte praktisch dieselbe Frage<br />

von Haun. Das war’s? Ich war überrascht, wie Haun sich zurückgehalten<br />

hatte. Ich hätte eher gedacht, dass <strong>de</strong>r wie ein Kannibale loslegt.<br />

Offenbar war <strong>de</strong>m Gericht alles so klar, dass sogar auf ein Vorlesen <strong>de</strong>r<br />

Beweise gegen mich verzichtet wur<strong>de</strong>.<br />

<strong>Die</strong> STA verlangte einen Schuldspruch im Sinne <strong>de</strong>r zusammengelegten<br />

Anklageschriften und eine schuld- und tatenbemessene Bestrafung.<br />

Mein RA verlangte einen Schuldspruch zum Teil 1) und Freispruch zum<br />

Teil 2). Bezüglich einer Bestrafung beantragte mein RA ein gerechtes und<br />

vor allem gnädiges Urteil. Ich durfte auch noch sagen, dass ich mich <strong>de</strong>n<br />

Worten <strong>de</strong>s RA anschliessen wür<strong>de</strong> und um ein mil<strong>de</strong>s Urteil bitten<br />

wür<strong>de</strong>.<br />

Das Gericht zog sich zur Beratung zurück. <strong>Die</strong> dauerte von 10:15 Uhr bis<br />

11:30 Uhr. Für die Dauer <strong>de</strong>r Urteilsfindung verliessen wir drei <strong>de</strong>n Saal<br />

und begaben uns wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Keller zum Pausenraum. Vorher grüsste<br />

mich Dr. Wallner und gratulierte mir zu meinem Mut (nach Hause<br />

zurückzukehren). Ich bedankte mich bei ihm dafür, <strong>de</strong>n Haun an kurzer<br />

Leine gehalten zu haben. Auch bedankte ich mich nochmals zum Voraus<br />

für seine Mühe, das kommen<strong>de</strong> Urteil in Spanien anerkennen zu lassen.<br />

<strong>Die</strong> Polizisten waren auch nicht mehr zu sehen. Mit Haun sprach ich<br />

kein Wort.<br />

Um 11.25 Uhr wur<strong>de</strong>n wir wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Saal gerufen. RA Müller<br />

wun<strong>de</strong>rte sich schon, warum das Gericht über eine Stun<strong>de</strong> für die<br />

Beratung brauchte. Je länger er dauerte, <strong>de</strong>sto nervöser wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor und auch ich. <strong>Die</strong> Polizisten waren wie<strong>de</strong>r da. Einer stand<br />

481


draussen vor <strong>de</strong>r Saaltüre, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re drinnen. Schlechtes Zeichen,<br />

dachte ich. Zur Urteilsverkündung stan<strong>de</strong>n wir alle auf. Gemäss<br />

Protokoll, bestehend aus einem Deckblatt und fünf Seiten, wur<strong>de</strong> das<br />

Urteil einstimmig gefällt.<br />

Anm.: Dass ich hier in meinem Buch aus <strong>de</strong>m an und für sich geheimen,<br />

versiegelten Beratungsprotokoll zitieren kann, liegt daran, dass ich das Original<br />

habe. Wie viele <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Unterlagen, aus <strong>de</strong>nen ich für mein Buch in Hülle<br />

und Fülle zitieren und berichten kann, wur<strong>de</strong> mir dieses Protokoll später von<br />

dritter Seite anonym zugesteckt. Logischerweise konnte ich 2003 nicht wissen<br />

o<strong>de</strong>r erahnen, dass ich Jahre später ein Buch schreiben wür<strong>de</strong>. Aber wegwerfen<br />

wollte ich die immer grösser wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Sammlung auch nicht. Sie waren und<br />

sind es immer noch: Ein Teil meines Lebens. Ein Blick heute in die<br />

verschie<strong>de</strong>nen Gerichtsakten wür<strong>de</strong> bestätigen, dass verschie<strong>de</strong>nen<br />

Originalprotokolle nicht mehr vorhan<strong>de</strong>n sind. Wer das Material entnommen<br />

hatte, weiss ich nicht und selbst wenn ich es könnte, wollte ich es nicht<br />

herausfin<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Der</strong> etwas brummig dreinschauen<strong>de</strong> vorsitzen<strong>de</strong> Richter verkün<strong>de</strong>te im<br />

Namen von <strong>Fürst</strong> und Volk das Urteil:<br />

„Heinrich Kieber wäre <strong>de</strong>s Verbrechens <strong>de</strong>s schweren Betrugs (<br />

Anm.: „schweren“ wegen <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>r Kaufsumme für die Wohnung in<br />

Barcelona) nach <strong>de</strong>n § 146, 147 Abs 2 StGB, <strong>de</strong>s Verbrechens <strong>de</strong>r<br />

Gewalt und gefährlichen Drohung gegen <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sfürsten nach<br />

§ 249, <strong>de</strong>m Vergehen <strong>de</strong>r versuchten Nötigung nach <strong>de</strong>n § 15, 105<br />

Abs 1, <strong>de</strong>m Vergehen <strong>de</strong>s <strong><strong>Die</strong>b</strong>stahls nach § 127 und <strong>de</strong>m<br />

Vergehen <strong>de</strong>r Urkun<strong>de</strong>nunterdrückung nach § 229 Abs 1 schuldig<br />

zu sprechen.<br />

Für das Verbrechen <strong>de</strong>r Auskundschaftung eines Geschäfts- o<strong>de</strong>r<br />

Betriebsgeheimnisses zugunsten <strong>de</strong>s Auslands nach § 124 Abs 1<br />

StGB, und zum Vergehen <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>beschädigung nach § 126 a<br />

Abs 1, wäre er freizusprechen. Als Bestrafung, wäge man die<br />

Straferschwerungs- und Strafmil<strong>de</strong>rungsgrün<strong>de</strong> gegeneinan<strong>de</strong>r<br />

ab, erscheine eine Freiheitsstrafe von vier Jahren ausreichend<br />

aber auch angemessen zu sein. Bei <strong>de</strong>r Strafbemessung konnte<br />

zugunsten <strong>de</strong>s Angeklagten berücksichtigt wer<strong>de</strong>n, dass er<br />

unbescholten war (Anm.: keine Vorstrafen hatte), dass das<br />

Vermögens<strong>de</strong>likt zum Teil 1 schon vor langer Zeit begangen<br />

wur<strong>de</strong>, dass <strong>de</strong>r Scha<strong>de</strong>n aus diesem Vermögens<strong>de</strong>likt<br />

482


gutgemacht ist (Anm.: Helmut Roegele konnte ja das Geld in<br />

Österreich abkassieren), und dass er seine Drohungen nicht<br />

verwirklichte, son<strong>de</strong>rn sich letztlich reuig zeigte und die <strong>Daten</strong><br />

vernichtete bzw. zurückgab. Als erschwerend war das<br />

Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen zu beurteilen.<br />

<strong>Die</strong> Prozesskosten von CFH 30'000.- wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Angeklagten<br />

auferlegt‚.<br />

Ich war auf alles vorbereitet. Nur auf das nicht. Was für ein Schock.<br />

Zuerst dachte ich, mich verhört zu haben. Ich muss in einem Horrorfilm<br />

gelan<strong>de</strong>t sein. V-I-E-R Jahre? Vier Jahre? Vier! Und nichts auf<br />

Bewährung ausgesetzt. Das wür<strong>de</strong> be<strong>de</strong>uten, dass ich min<strong>de</strong>stens für 32<br />

Monate, also Zwei 2/3 Drittel Jahre ins Gefängnis musste. In<br />

Liechtenstein war es Gesetz, dass man bei guter Führung nur zwei<br />

Drittel <strong>de</strong>r Strafe absitzen muss.<br />

Mir wur<strong>de</strong> kotzübel. Ich drehte mich um zum RA. <strong>Die</strong>ser flüsterte etwas<br />

von meiner Dankbarkeit. Jetzt noch, fragte ich ihn und er nickte heftig.<br />

Als ich das letzte Wort hatte, sagte ich, auftragsgemäss: „Ich bedanke<br />

mich beim Hohen Gericht für das mil<strong>de</strong> Urteil. Vielen Dank.‚<br />

<strong>Die</strong> Sitzung wur<strong>de</strong> geschlossen und Haun war ersichtlich im Delirium<br />

über dieses Resultat. Ich wechselte noch ein paar Worte mit <strong>de</strong>m STA Dr.<br />

Wallner und wir bei<strong>de</strong> stan<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Rücken zum Haun. <strong>Die</strong>ser<br />

musste wohl noch geblen<strong>de</strong>t gewesen sein, wenn nicht gar erblin<strong>de</strong>t. Er<br />

klopfte mir heftig auf die Schulter, anstelle Dr. Wallner, <strong>de</strong>r neben mir<br />

stand. Eine Art Siegestrommeln. Als Haun die Verwechslung bemerkte,<br />

war es ihm äusserst peinlich. Sein Chef rügte ihn und sagte dies wäre<br />

absolut nicht abgebracht gewesen, selbst auf seinem Rücken nicht.<br />

Ich suchte Augenkontakt mit meinem RA, weil ich als nächstes eine<br />

Verhaftung befürchtete. <strong>Die</strong> Polizisten stan<strong>de</strong>n jetzt am Ausgang <strong>de</strong>s<br />

Gerichtsgebäu<strong>de</strong>s. Ich sagte zum Bankdirektor, <strong>de</strong>r eigentlich selber<br />

noch sprachlos war, dass dies wohl das En<strong>de</strong> wäre. Ich gratulierte ihm<br />

sogar für <strong>de</strong>n genialen Plan, mich so reinzulegen. Da er immer noch<br />

verstummt war und nur <strong>de</strong>n Kopf hin und her, rauf und runter<br />

schüttelte, kam <strong>de</strong>r RA zu Wort. Es könne gar keine Verhaftung geben,<br />

da die STA dies nicht beantragt hätte. Sie hätte es im Saal machen<br />

können, da je<strong>de</strong>m klar gewesen war, dass eine Strafe von vier Jahren<br />

483


min<strong>de</strong>stens zu zwei Dritteln abgesessen wer<strong>de</strong>n muss und das freie<br />

Geleit nur bis zur Minute <strong>de</strong>r Urteilsverkündung galt.<br />

Jetzt wäre es zu spät.<br />

Nein, nein sagte ich, so dumm bin ich nicht. <strong>Die</strong> STA kann je<strong>de</strong>rzeit<br />

zwischen jetzt und einem rechtsgültigen Urteil einen Verhaftungsantrag<br />

stellen. Das stimme zwar, dies wäre aber sehr unwahrscheinlich, sagte<br />

<strong>de</strong>r RA. Ich zitterte immer noch und begriff gar nichts mehr. Als <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor wie<strong>de</strong>r zu sich kam, re<strong>de</strong>te er heftig auf <strong>de</strong>n RA ein. Er<br />

sagte, dass er dieses Urteil auch nicht verstehen wür<strong>de</strong>. Erst als die<br />

Polizisten weggegangen waren, war auch ich erleichtert. Ich wollte so<br />

schnell wie möglich aus diesem Gebäu<strong>de</strong> raus, ich musste Hans-Adam<br />

anrufen. Ich verabschie<strong>de</strong>te mich beim Bankdirektor und <strong>de</strong>m RA, ohne<br />

auf <strong>de</strong>ren Bitte einzugehen, doch noch zu bleiben. Ich rannte zur<br />

nächstgelegenen Telefonzelle, bei <strong>de</strong>r Post Vaduz. Hans-Adam war zu<br />

Hause. VIER, VIER Jahre, stammelte ich.<br />

Das sind min<strong>de</strong>stens zwei Jahre und zwei Drittel Haft! Ja, er hätte es<br />

gehört, sagt er mir. Wie bitte, fragte ich, er wisse das schon? Geht aber<br />

ganz schnell hier, sagte ich. Ich erzählte ihm, dass ich wegen <strong>de</strong>s<br />

Verbrechens <strong>de</strong>r Gewalt und gefährlichen Drohung gegen ihn verurteilt<br />

wor<strong>de</strong>n war. Das wisse er auch schon. Ich sagte ihm offen, dass ich nicht<br />

nachvollziehen konnte, wegen Gewalt und schwerer Drohung verurteilt<br />

wor<strong>de</strong>n zu sein. Abgesehen davon, überhaupt wegen <strong>de</strong>s Brief und <strong>de</strong>r<br />

<strong>Daten</strong> verurteilt wor<strong>de</strong>n zu sein.<br />

Nichts von <strong>de</strong>m, was man mir im Ausland erzählt hatte, hatte sich<br />

bewahrheitet, sagte ich apathisch. Was soll ich machen, fragte ich ihn.<br />

Wo Müller jetzt wäre, fragte er mich. Ich wisse es nicht, vielleicht immer<br />

noch beim Gericht. Ich soll zurück gehen und mich beruhigen. Ich soll<br />

Müller sagen, dass er ihn sofort anrufen soll, beauftragte mich Hans-<br />

Adam. Man müsse postwen<strong>de</strong>nd in Berufung gehen, sagte er mir zum<br />

Abschluss. Es bedurfte wie<strong>de</strong>r etlicher Worte von ihm, um mich zu<br />

beruhigen. Niemand werfe mich ins Gefängnis.<br />

Ich lief zurück zum Gericht. <strong>Der</strong> Bankdirektor und mein RA waren<br />

schon bis zur Tiefgarage gelaufen. Ich erzählte vom Anruf bei Hans-<br />

Adam und das er vom Urteil schon gehört habe. RA Müller nahm sein<br />

Handy in die Hand und wählte die Hauptnummer <strong>de</strong>s Schlosses. Er<br />

484


wich ein paar Schritte weg von uns und telefonierte kurz mit Hans-<br />

Adam.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor hatte an seinem Handy <strong>de</strong>n Professor an <strong>de</strong>r Strippe.<br />

Ich konnte auch ein paar Worte mit ihm wechseln. Er war konsterniert<br />

über das Mass <strong>de</strong>r verhängten Strafe. Resignation machte sich bei mir<br />

breit. <strong>Der</strong> Professor versprach, mit Hans-Adam und <strong>de</strong>m RA zu re<strong>de</strong>n.<br />

Wir analysierten das Urteil. Ich hätte nichts Falsches gemacht im Saal,<br />

resümierte <strong>de</strong>r RA. Er war dann doch erstaunt, warum die STA nicht<br />

wenigstens formell <strong>de</strong>n Antrag auf Inhaftnahme gestellt hatte. Er hätte<br />

dann immer noch einen Gegenantrag stellen können. Zuerst dachten wir,<br />

dass die STA die reale Möglichkeit einer Inhaftnahme übersehen hätte.<br />

Aber aufgrund <strong>de</strong>r Vorgeschichte mit <strong>de</strong>r STA war dies sehr<br />

unwahrscheinlich. Je mehr wir darüber re<strong>de</strong>ten und je klarer mein Hirn<br />

wie<strong>de</strong>r arbeitete, <strong>de</strong>sto mehr war ich mir sicher, dass die STA <strong>de</strong>swegen<br />

vorher schon von <strong>de</strong>m Urteil gewusste haben musste. Zweifelsfrei. Dem<br />

Bankdirektor kam dies plausibel vor, <strong>de</strong>m RA nicht. Ich verstand nicht,<br />

warum ich auch <strong>de</strong>s <strong><strong>Die</strong>b</strong>stahls verurteilt wor<strong>de</strong>n war, wenn dies die STA<br />

gar nie beantragt hatte und niemand es vorgeworfen hatte. <strong>Die</strong>s sei eine<br />

Liechtensteiner Beson<strong>de</strong>rheit, sagte <strong>de</strong>r RA. Das Kriminalgericht kann,<br />

unabhängig vom Antrag <strong>de</strong>r STA, einen Angeklagten zu Punkten<br />

verurteilen, die nie Gegenstand einer Untersuchung o<strong>de</strong>r eines Antrags<br />

seitens <strong>de</strong>s Anklägers waren, erklärte <strong>de</strong>r RA.<br />

<strong>Die</strong>s war auch möglich, weil ich ja selber mit meinem Schuldbekenntnis<br />

<strong>de</strong> facto eingestan<strong>de</strong>n hatte, ein DLT-Band entwen<strong>de</strong>t zu haben. Wie<strong>de</strong>r<br />

übertölpelt wor<strong>de</strong>n, sagte ich.<br />

Zum Strafmass kam mir ein an<strong>de</strong>res Urteil in <strong>de</strong>n Sinn. Ich erzählte <strong>de</strong>n<br />

bei<strong>de</strong>n, dass vor ca. zwei Jahren ein Treuhän<strong>de</strong>r aus Balzers wegen<br />

mehrfachem gewerbsmässigen Betrug an zahllosen Kun<strong>de</strong>n mit einer<br />

Scha<strong>de</strong>nssumme von über CHF 6 MIO. (!) verurteilt wur<strong>de</strong>. Er erhielt<br />

„nur‚ viereinhalb Jahre Gefängnis, obwohl er nur teilgeständig war und<br />

die Scha<strong>de</strong>nswie<strong>de</strong>rgutmachung an die Kun<strong>de</strong>n bis heute nur im<br />

einstelligen Prozentbereich stattgefun<strong>de</strong>n hatte. <strong>Der</strong> RA erinnerte sich an<br />

diesen Fall. Warum habe ich vier Jahre bekommen, wollte ich wissen. Im<br />

Vergleich zum Treuhän<strong>de</strong>r habe ich mich „schuldig bekannt‚, die Taten<br />

waren viel weniger schwer und es ist kein Scha<strong>de</strong>n eingetreten.<br />

Dr. Wolfgang Müller erzählte uns vom Telefonat mit <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>sführer.<br />

Es wur<strong>de</strong> beschlossen, Berufung einzulegen. Ich bedankte mich bei<br />

485


Müller und <strong>de</strong>m Bankdirektor für Zeit und Mühe. Ich bezweifelte <strong>de</strong>n<br />

Erfolg einer Berufung. Ich war mir sicher, dass die STA dagegen von<br />

neuem juristisch protestieren wür<strong>de</strong>. Und was wäre, wenn es in einer<br />

Berufungsverhandlung zu einem noch höheren Strafmass kommen<br />

wür<strong>de</strong>? RA Müller schloss dies kategorisch aus. Unmöglich, sagte er.<br />

Unmöglich! Ich war traurig, weil eine Anklage im 101er, in welchem<br />

Land auch immer, noch weiter in die Ferne verschwand. Und Spanien<br />

könnte mein Verfahren erst dann endgültig einstellen, wenn es hier zu<br />

einem rechtskräftigen Urteil gekommen war, sagte ich. Da müsste mir<br />

keiner etwas vormachen.<br />

Nie<strong>de</strong>rgeschlagen ging ich nach Hause. Am Nachmittag nahm ich <strong>de</strong>n<br />

Bus hoch in die Berge. Ich wollte allein sein. Ich war immer noch<br />

verwun<strong>de</strong>rt darüber, dass Hans-Adam das Resultat innerhalb weniger<br />

Minuten nach Abschluss <strong>de</strong>r Verhandlung schon wusste. Auch grübelte<br />

ich über die rundherum explizit zur Schau gestellte Fassungslosigkeit in<br />

Bezug auf das Strafmass. Es gibt keine Überraschungen im Liechtensteiner<br />

Justizwesen. <strong>Die</strong>se und an<strong>de</strong>re Indikatoren erhärteten meinen Verdacht,<br />

dass dies alles ein abgekartetes Spiel sein könnte. Ja, das war es. Das<br />

musste es ein, sagte ich zu mir. Je<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>n diversen Fraktionen<br />

meiner Gegnerschaft wollten doch zum (Ab-)Schuss kommen. Es war<br />

wohl nicht einfach für Hans-Adam all diese Begehrlichkeiten unter einen<br />

Hut zu bringen. Zuerst hatte man mich entgegen <strong>de</strong>r Versprechungen<br />

wegen <strong>de</strong>s Briefs und <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> angeklagt. Dann wur<strong>de</strong> ich zu einer<br />

mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Also wollten sie, dass ich ins<br />

Gefängnis komme. Also wollten sie mir gar nicht im 101er helfen. O<strong>de</strong>r<br />

wollten sie mir nur Angst machen? Eine Antwort fand ich vorerst nicht.<br />

Ich könnte ja wegrennen, meine Ausweise hatte ich ja zurückbekommen.<br />

Aber was wür<strong>de</strong> das nützen. Nichts. Dass es so weit gekommen war,<br />

war nicht verwun<strong>de</strong>rlich. Ich hatte nur mein kleines Hirn und sie hatte<br />

eine Armada von Spezialisten, um mich dorthin zu bringen, wo ich<br />

stand.<br />

<strong>Der</strong> Jahrhun<strong>de</strong>rtsommer ging zu En<strong>de</strong> und meine Zuversicht auch.<br />

Selbst Hans-Adams Schreiben vom 21.10. konnte meine Stimmung nicht<br />

heben. Er bedankte sich für meine Denkschrift, die er angeblich<br />

wissbegierig gelesen hätte.<br />

Drei Tage später, am 24.10. sen<strong>de</strong>te RA Müller <strong>de</strong>m Gericht eine<br />

Kurznotiz als Berufungsanmeldung. Er informierte mich und <strong>de</strong>n<br />

486


Bankdirektor, dass er von <strong>de</strong>r STA erfahren hatte, dass sie keine<br />

Berufung gegen das Urteil einlegen wür<strong>de</strong>n. Sie STA wür<strong>de</strong> keinen<br />

Kommentar mehr dazu abgeben. Für sie sei <strong>de</strong>r Fall erledigt.<br />

Wie gnädig von ihnen, dachte ich. Seiner Meinung nach war das hohe<br />

Strafmass angeblich darauf zurückzuführen, dass die Verurteilung<br />

wegen <strong>de</strong>s Verbrechens <strong>de</strong>r Gewalt und gefährlichen Drohung gegen<br />

<strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sfürsten(§ 249) einen sehr hohen Strafrahmen von ein bis zehn<br />

Jahren hatte. Obwohl ich geneigt war, diese Urteilsanalyse vom RA<br />

anzuerkennen, hegte ich immer noch <strong>de</strong>n Verdacht, dass die vier Jahre<br />

ein vorher vereinbartes, sprich gewünschtes Ergebnis waren.<br />

Das Urteil sprach sich schnell herum. Gerüchte kamen und gingen.<br />

Teilweise stimmten sie. In Bezug auf <strong>de</strong>n Schutz-Pass zum Beispiel.<br />

Zweimal wur<strong>de</strong> ich von eigentlich Nichteingeweihten darauf<br />

angesprochen. Eine clevere Lösung sei dies gewesen, sagten sie. Was in<br />

Liechtenstein oft als Vorteil dienen kann, war zugleich ein Nachteil: zu<br />

kleines Land, je<strong>de</strong>r kennt je<strong>de</strong>n. Ich enthielt mich eines Kommentars.<br />

Offenbar gab es einige, die die Härte <strong>de</strong>r Verurteilung missbilligten.<br />

Nach und nach wur<strong>de</strong> ich mit <strong>de</strong>r wahren Geschichte, was alles in<br />

Liechtenstein seit <strong>de</strong>m 7.1.03 passiert war, konfrontiert. So erfuhr ich im<br />

Oktober über die heimliche Hausdurchsuchung einer ehemaligen<br />

Freundin in Zürich. Darüber sprach ich mit <strong>de</strong>m Professor, er konnte es<br />

we<strong>de</strong>r <strong>de</strong>mentieren noch bestätigen. Im November konnte ich das<br />

Gutachten (siehe Kapitel 17) lesen. Sehr aufschlussreich. Wegen <strong>de</strong>r<br />

Hausdurchsuchung war ich ehrlich gesagt schon erbost. Wegen <strong>de</strong>s<br />

Gutachten nicht. Und wegen <strong>de</strong>s Schutz-Pass auch nicht. Wer war ich<br />

<strong>de</strong>nn, Hans-Adam, <strong>de</strong>m Land o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Regierungschef Hasler<br />

<strong>de</strong>swegen etwas vorzuwerfen? Ich hatte meine eigenen Probleme.<br />

Speziell jetzt, mit diesem Urteil. Zu<strong>de</strong>m hatte ich noch keinen klaren<br />

Durchblick, wer, was, wann getan hatte. <strong>Die</strong>s än<strong>de</strong>rte sich langsam aber<br />

sicher, als ich sukzessiv in <strong>de</strong>n Besitz von mehr und mehr Unterlagen<br />

kam, die ein ganz an<strong>de</strong>res Bild von meinen Gegnern zeigten.<br />

Insbeson<strong>de</strong>re die Unterlagen zum KKZ. <strong>Die</strong> Hälfte meiner neuen o<strong>de</strong>r<br />

erweiterten Erkenntnisse war erträglich, um es mal mil<strong>de</strong><br />

auszudrücken. Technische Dinge wie die Haftbefehle, Interpol, die<br />

Schnüffler u.s.w – dies konnte ich irgendwie in <strong>de</strong>r Hektik <strong>de</strong>r<br />

damaligen Zeit nachvollziehen. Nicht, dass ich sie billigen wür<strong>de</strong>.<br />

Wichtiger war nun für mich zu erkennen, wer, wann, welche Position<br />

einnahm und wie mein Verhältnis zu diesen Individuen heute war. <strong>Die</strong><br />

487


an<strong>de</strong>re Hälfte machte mir zusehends Sorgen. Ich studierte alles x-fach<br />

genau. Eine vertiefte Betrachtung aller Unterlagen, zusammen mit <strong>de</strong>m<br />

was ich sein <strong>de</strong>m 1. Juli hier in Vaduz erlebt hatte, zeichnete eher ein<br />

düsteres Bild. Ich musste aber <strong>de</strong>n Optimismus beibehalten. Egal wie<br />

lange ich alle Eindrücke in meinem Gehirn zermalmte, ich musste am<br />

Glauben festhalten, dass alles was mir versprochen und gesagt wur<strong>de</strong>,<br />

<strong>de</strong>r Wahrheit entsprach. Es gab absolut keinen Grund, warum sie mich<br />

anlügen sollten, dachte ich. Trotz <strong>de</strong>r Tatsache, dass alle Beteiligten, ich<br />

inklusive, ihre Karten dicht an <strong>de</strong>r Brust ver<strong>de</strong>ckt hielten.<br />

<strong>Der</strong> Professor hatte eine eigene Theorie. Er, als Auslän<strong>de</strong>r mit limitierter<br />

Einsicht in das spezielle Liechtensteiner Spinnengewebe, glaubte – im<br />

Gegensatz zu mir - weniger daran, dass das Urteil eine abgemachte<br />

Sache zwischen <strong>de</strong>n Herrschen<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Gekränkten (STA &<br />

Justiz) sein könnte. Er hatte <strong>de</strong>n Verdacht, dass das Gericht <strong>de</strong>m offenbar<br />

nicht <strong>de</strong>utlich formulierten Verlangen von Hans-Adam nach einer<br />

Bestrafung gerecht wer<strong>de</strong>n wollte und dann übers Ziel hinaus<br />

geschossen war. Darum seien jetzt alle so überrascht und hätten nun<br />

dieses Dilemma. Den einzigen Erfolg für eine Strafmil<strong>de</strong>rung in einem<br />

Berufungsverfahren sah RA Müller darin, die Verurteilung wegen <strong>de</strong>r<br />

versuchten Nötigung, <strong>de</strong>r Gewalt und <strong>de</strong>r Bedrohung aufzuheben.<br />

Bei einem Treffen wur<strong>de</strong> mir aufgetragen, einen Brief an Hans-Adam zu<br />

schreiben. <strong>Der</strong> Text wur<strong>de</strong> mir auch vorgelegt. Ich sollte ihn wie<strong>de</strong>rum<br />

bitten, einen Brief aufzusetzen, in<strong>de</strong>m er darlegen soll, dass er we<strong>de</strong>r<br />

eine versuchte Nötigung, Gewalt o<strong>de</strong>r Bedrohung von mir erlebt hatte.<br />

Um es später nicht ganz <strong>de</strong>utlich zu machen, dass das Schreiben<br />

exklusive für das Gericht erstellt wor<strong>de</strong>n war, sollte ich Hans-Adam<br />

bitten, es an mich persönlich zu richten, aber an RA Müller zu sen<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong>ser wür<strong>de</strong> es dann seiner Berufungsschrift beilegen. Ich fragte <strong>de</strong>n<br />

RA, warum er nicht direkt beim Hans-Adam darum bittet, ein an mich<br />

gerichtetes Schreiben an ihn zu sen<strong>de</strong>n. Alles wäre mit Hans-Adam so<br />

besprochen wor<strong>de</strong>n, gab man mir zur Antwort. Ich war ja wie immer <strong>de</strong>r<br />

letzte, <strong>de</strong>r informiert wur<strong>de</strong>.<br />

Am 11.11. hatte ich das Schreiben fertig und brachte es <strong>de</strong>m Müller in<br />

sein Büro. Er wür<strong>de</strong> es zum Schloss bringen. Zwei Tage später, am<br />

13.11., um 10.00 Uhr konnte ich für 19 Minuten mit Hans-Adam am<br />

Telefon re<strong>de</strong>n. Er bestätigte mir <strong>de</strong>n Erhalt meines Schreibens und<br />

gratulierte mir zu <strong>de</strong>r Besonnenheit in Bezug auf Haun. Keine Ursache,<br />

488


war doch kein Problem, täuschte ich vor. Dr. Wallner wäre auch dort<br />

gewesen, erinnerte ich ihn. Ob ich wüsste, warum dieser dort war, fragte<br />

er mich. Nein! Hans-Adam erzählte mir, dass Haun Angst gehabt hätte,<br />

ich wür<strong>de</strong> ihn anspucken o<strong>de</strong>r so ähnlich. O<strong>de</strong>r mich auf Grund<br />

seelischer Angespanntheit weigern wür<strong>de</strong>, überhaupt etwas zu sagen.<br />

Und wenn er nicht im Stan<strong>de</strong> gewesen wäre, <strong>de</strong>n Prozess als Ankläger<br />

weiterzuführen, dann hätte Wallner übernommen. <strong>Die</strong>ser Angsthase,<br />

feixten wir gemeinsam am Telefon. Hauns Sorgen möchte ich haben,<br />

sagte ich zu Hans-Adam.<br />

Genug gelacht, dachte ich mir. Ich wollte nämlich ab jetzt ganz genau<br />

aufpassen, was und vor allem wie Hans-Adam mit mir re<strong>de</strong>te. Im<br />

Hinterkopf hatte ich ja die wirkliche Version, wie sich alles von Januar<br />

bis Juni abgespielt hatte, gespeichert. Ich bestätigte ihm auch, dass ich<br />

ein gewünschtes weiteres, kurzes Schreiben an Dr. Wallner am 11.11.<br />

abgeschickt hatte. Er sagte mir, dass er alles mit <strong>de</strong>m Professor, <strong>de</strong>m<br />

Bankdirektor und <strong>de</strong>m RA besprochen habe. Es gelte jetzt das Gericht zu<br />

überzeugen, dass er und sein Sohn Alois sich nie bedroht gefühlt hatten.<br />

Ein solches Schreiben wür<strong>de</strong> spätestens am 21. o<strong>de</strong>r 22.11. beim RA<br />

liegen um fristgerecht <strong>de</strong>r Berufungsausführung beigelegt zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Sollte ich sein Schreiben zu Gesicht bekommen, so sollte ich nicht über<br />

gewisse Angaben zu Vorkommnissen im Januar 2003 irritiert sein. Was<br />

für Angaben und warum sollte ich irritiert sein, fragte ich wie<strong>de</strong>r<br />

ängstlich. Ich dachte mir, mein Gott, was kommt jetzt wie<strong>de</strong>r auf mich<br />

zu. Es betreffe die ausgestellte Schutz-ID und die nicht erfüllte<br />

For<strong>de</strong>rung nach einem Son<strong>de</strong>rstaatsanwalt und einem Richtergremium,<br />

sagt er.<br />

Um Himmels Willen, sagte ich zu ihm, sie wer<strong>de</strong>n doch <strong>de</strong>m Gericht<br />

und damit <strong>de</strong>r "Öffentlichkeit" mitteilen, dass Sie die Schutz-ID in <strong>de</strong>r<br />

Tat benutzt haben. Sonst wer<strong>de</strong> ich dafür auch noch "hingerichtete". Zu<br />

meiner Verteidigung sagte ich gleich, dass mir niemand etwas<br />

vorwerfen kann, da ich schliesslich die Schutz-ID nie selber im Besitz<br />

gehabt habe. Ja, das sei ihm klar. Nein, ganz im Gegenteil, er wisse, dass<br />

es Leute bei <strong>de</strong>r Justiz gebe, die in <strong>de</strong>r Zwischenzeit davon erfahren<br />

hatten, wie und unter welchen Umstän<strong>de</strong>n ich von Holland nach Hause<br />

verfrachtet wur<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>s war lei<strong>de</strong>r unvermeidbar, erklärte er mir. Es<br />

ginge jetzt darum <strong>de</strong>m Gericht das Empfin<strong>de</strong>n zu ermöglichen, dass er<br />

sich nie genötigt gefühlt haben konnte, weil er gar keine meiner<br />

For<strong>de</strong>rungen hätten ausführen können.<br />

489


OK, auch gut. Alles klar, jetzt begriff ich, spielte ich ihm vor. Ist doch<br />

Schnee vorn gestern, sagte ich erleichtert, wenn kümmert jetzt noch die<br />

Schutz-ID o<strong>de</strong>r einen Son<strong>de</strong>rstaatsanwalt o<strong>de</strong>r ein unabhängiges<br />

Richtergremium? Wir brauchen doch dies alles nicht mehr, nach <strong>de</strong>m<br />

neuen Fahrplan, o<strong>de</strong>r? Ich fragte ihn auch direkt, warum all dieser<br />

Aufwand? Warum könne er nicht wie sonst auch, einfach <strong>de</strong>n Hörer in<br />

die Hand nehmen und <strong>de</strong>m Gericht sagen, was hier fair wäre? Er<br />

erwi<strong>de</strong>rte nur, dass ich dies nicht verstehen wür<strong>de</strong>. OK, auch gut. Wo da<br />

die mögliche Irritation wäre, fragte ich als nächstes.<br />

Nun, sagte Hans-Adam, laut Professor wür<strong>de</strong> ich eventuell <strong>de</strong>n tieferen<br />

Sinn seines kommen<strong>de</strong>n Schreibens nicht begreifen und mich dann<br />

wun<strong>de</strong>rn, warum er, Hans-Adam, unrichtige Angaben formulieren<br />

wür<strong>de</strong>. Was zum Resultat führen könnte, dass ich seinen Angaben und<br />

Versprechungen, die er mir während <strong>de</strong>r Audienz und später persönlich<br />

gemacht hatte, anzweifeln wür<strong>de</strong>. Darauf konnte ich nur erwi<strong>de</strong>rn:<br />

typisch Professor. Ich mag schon dumm sein, sagte ich, aber so dumm<br />

auch wie<strong>de</strong>r nicht. Zum Abschied sagte er, dass er auch zum Professor<br />

gemeint hätte, dass ich seinen Brief nicht missverstehen wür<strong>de</strong>. Aber<br />

eben, <strong>de</strong>r Psycho sei hier <strong>de</strong>r Profi. Mir war <strong>de</strong>r Sinn dieses<br />

Gesprächsthemas zwar nicht ganz klar ersichtlich. Aber was soll’s, sagte<br />

ich zu mir, Hans-Adam war <strong>de</strong>r Boss. Wenn es <strong>de</strong>r Sache dienlich sein<br />

kann, dann muss ich doch froh darüber sein. Hans-Adam formulierte<br />

das gewünschte Schreiben am 21.11.<br />

Sehr geehrter Herr Kieber<br />

<strong>Der</strong> Erbprinz und ich bedanken uns für Ihre Information,<br />

insbeson<strong>de</strong>re jedoch für die ausführlichen Gedanken, welche Sie<br />

uns freundlicherweise zukommen liessen und in <strong>de</strong>nen Sie sich<br />

in offener und ehrlicher Weise mit <strong>de</strong>r Problemstellung, gera<strong>de</strong><br />

aber mit <strong>de</strong>r zukünftigen Verhin<strong>de</strong>rung von solchen Umstän<strong>de</strong>n<br />

beschäftigt haben. Wir waren erstaunt, welche Anstrengungen<br />

Sie unternommen haben, um auch noch in <strong>de</strong>r negativen<br />

Situation das Positive zu erkennen, und dadurch die einzigartige<br />

Möglichkeit eröffnen wer<strong>de</strong>n, an<strong>de</strong>re Menschen, welche in einer<br />

verantwortungsvollen Position über das persönliche und<br />

finanzielle Schicksal vieler Menschen entschie<strong>de</strong>n, zu<br />

unterstützen. Ich habe mir daher auch erlaubt, Ihre Information<br />

sowohl an Dr. OT Entfernt als auch an jenen Experten<br />

490


weiterzuleiten, welcher mir in Ihrem Fall bereits im März dieses<br />

Jahres versicherte, dass Sie einzig und allein aufgrund einer<br />

ungünstigen Konstellation vieler Umstän<strong>de</strong> zu dieser Handlung<br />

getrieben wur<strong>de</strong>n und dass für Sie selbst die Sicherheit <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong><br />

und damit auch die Sicherheit <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s an erster Stelle stand.<br />

<strong>Der</strong> Erbprinz und ich können nicht verhehlen, dass wir im Januar<br />

dieses Jahres etwas beunruhigt waren, bedroht o<strong>de</strong>r genötigt<br />

haben wir uns nicht gefühlt, zumal wir Ihnen ja bereits in<br />

unserem ersten Schreiben, welches wir am 11. Januar Dr.<br />

Schlachter nach Frankfurt mitgegeben haben, festhielten, dass ich<br />

zur Ausstellung von Reisepässen gar nicht in <strong>de</strong>r Lage bin und<br />

unabhängig davon die Einsetzung eines Son<strong>de</strong>rgerichtes o<strong>de</strong>r<br />

Son<strong>de</strong>rstaatsanwaltes gar nicht in meine Befugnisse fällt. Unter<br />

all diesen Umstän<strong>de</strong>n halte ich das ergangene Urteil für<br />

bemerkenswert, zumal Ihr Verhalten <strong>de</strong>r gänzlichen<br />

Scha<strong>de</strong>nswie<strong>de</strong>rgutmachung, <strong>de</strong>r freiwilligen Rückkehr, die<br />

vollständige und unversehrte Rückgabe <strong>de</strong>r entwen<strong>de</strong>ten<br />

Dokumente/<strong>Daten</strong>, aber insbeson<strong>de</strong>re Ihr Bestreben, Ihr Wissen<br />

wie man solche drohen<strong>de</strong> Katastrophen zukünftig verhin<strong>de</strong>rn<br />

kann, zur Verfügung zu stellen, als wohl beispiellose Form <strong>de</strong>r<br />

tätigen Reue und Wie<strong>de</strong>rgutmachung zu werten sind.<br />

<strong>Der</strong> Erbprinz und ich hegen daher die begrün<strong>de</strong>te Hoffnung,<br />

dass gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r letztgenannte Umstand in Ihrer angestrebten<br />

Berufung entsprechend gewürdigt wird, damit Sie letztendlich<br />

nach all Ihren Taten <strong>de</strong>r ein neues Leben beginnen können. Mit<br />

freundlichen Grüssen , gez. Hans-Adam <strong>de</strong>r II.<br />

Wie man im Schreiben von Hans-Adam lesen kann, hatte er wie<br />

angekündigt alles Notwendige im Brief erwähnt, um schon an erster<br />

Stelle eine Nötigung als unmöglich auszuschliessen. Eigentlich ist <strong>de</strong>r<br />

ganze Brief ganz nett herausgekommen. Dass dieses Schreiben für je<strong>de</strong>n<br />

Juristen eher Symbolcharakter hatte, war <strong>de</strong>swegen klar, weil das Gericht<br />

in <strong>de</strong>r Schriftversion <strong>de</strong>s Urteil vom 21.10. hochjuristisch und seitenlang,<br />

einwandfrei und zutreffend festgestellt hatte, dass Hans-Adam in <strong>de</strong>r<br />

Tat eine gesetzliche und faktische Befugnis zu allen For<strong>de</strong>rungen gehabt<br />

hätte (und heute noch hat). Ja, man kann sagen, dass grosse Teile jenes<br />

Urteils eher einer stark ausge<strong>de</strong>hnten rechtsstaats-politischwissenschaftlichen<br />

Dissertationsarbeit glichen. Gestört hatte es<br />

nieman<strong>de</strong>n.<br />

491


Ohne mein Wissen wur<strong>de</strong> auch <strong>de</strong>r Professor um ein ähnliches<br />

Schriftstück angegangen. Doppelt hält besser, war wohl die Devise. Sein<br />

Schreiben war am 24.11. per Fax beim RA eingetroffen.<br />

Auch dieses Schreiben wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Berufungsschrift beigelegt.<br />

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt!<br />

Bezugnehmend auf unsere fernmündliche Absprache vom 20.11.<br />

d. J. übermittle ich Ihnen wunschgemäss jene Stellungsnahme,<br />

die ich aus kriminalpsychologischer Sicht zu <strong>de</strong>n Unterlagen,<br />

welche Heinrich KIEBER im Zuge <strong>de</strong>r Aufarbeitung <strong>de</strong>r<br />

obzitierten Causa vorgelegt hat, abgeben kann: Nach <strong>de</strong>r<br />

umfangreichen Beschäftigung meinerseits mit <strong>de</strong>r Causa KIEBER,<br />

welche am Samstag, <strong>de</strong>n 11.1.2003 begonnen und zunächst mit<br />

<strong>de</strong>r freiwilligen Rückkehr von KIEBER am 1 .7. 2003 nach<br />

Liechtenstein geen<strong>de</strong>t hatte. Wobei ich während dieser Zeit<br />

sowohl als gerichtlich beei<strong>de</strong>ter zertifizierter Sachverständiger,<br />

nach Absprache mit <strong>de</strong>m zuständigen Staatsanwalt Dr.<br />

WALLNER, in dieser Funktion und als Berater für die LGT tätig<br />

war. Ich führte zahlreiche Gespräche mit <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>sfürsten,<br />

Regierungsvertretern, sowie Vertretern von Justiz und <strong>de</strong>r<br />

Exekutive. In all diesen Gesprächen wies ich daraufhin, dass ein<br />

Teil <strong>de</strong>r Verhandlungsabmachung mit KIEBER darin bestand,<br />

dass er aus seiner Sicht umfangreiche Informationen zur<br />

Verfügung stellen sollte, welche als Präventivmassnahme zur<br />

Verhin<strong>de</strong>rung zukünftiger Fälle, wie <strong>de</strong>n zur Diskussion<br />

stehen<strong>de</strong>n, verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n können. <strong>Die</strong> Handlungen, die<br />

KIEBER im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei <strong>de</strong>r LGT und<br />

in weiterer Folge einer strafrechtlichen Beurteilung zugeführt<br />

wur<strong>de</strong>n, begangen hat, stellen aus kriminalpsychologischer Sieht<br />

erstklassisches Beispiel eines Workplace Violence dar, Darunter<br />

sind Entscheidungen einer Person zu verstehen, welche aufgrund<br />

und eines Nahe- bzw. Vertrauensverhältnisses Unterlagen aus<br />

einer Institution mitnimmt, welche Firmeninhaber, Besitzer,<br />

Mitarbeiter o<strong>de</strong>r Vorgesetzte in extremste Belastungssituationen<br />

führen können.<br />

Seit etwa 2 ½ Jahren versuche ich als wissenschaftlich<br />

ausgerichteter aber auch praktisch orientiertet<br />

Kriminalpsychologe an Informationen und <strong>Daten</strong> zu gelangen,<br />

492


die zur leichteren Bearbeitung, besseren Evaluierung, bzw. und<br />

das ist die Hauptzielstellung, zu einer möglichen Prävention<br />

führen. Es hat sieh nämlich gezeigt, dass in <strong>de</strong>n letzten 18<br />

Monaten ein massives Ansteigen von Workplace Violence Fällen<br />

beobachtet wer<strong>de</strong>n konnte, wobei eine international angelegte<br />

Untersuchung <strong>de</strong>s renommierten Institutes Price Waterhouse &<br />

Cooper, welche auch im März d. J. veröffentlicht wur<strong>de</strong> zeigte,<br />

dass je<strong>de</strong>s zweite grössere Unternehmen im <strong>de</strong>utschsprachigen<br />

Gebiet Opfer eines Workplace Violence Falles gewor<strong>de</strong>n ist.<br />

An erster Stelle stellen Finanzdienstleistungsbetriebe (Banken &<br />

Versicherungen) mit etwa 54 % die grösste Opferkategorie dar.<br />

<strong>Die</strong> Informationen, die KIEBER aus Sich <strong>de</strong>r Vorgehensweise, <strong>de</strong>s<br />

Planungsgra<strong>de</strong>s, einer möglichen Verhandlungsstrategie, <strong>de</strong>r<br />

möglichen Motivlage, als auch aus Sicht <strong>de</strong>s Beteiligten (Täters)<br />

angegebenen präventiven Gedanken stellen einen unschätzbaren<br />

Wert für die weitere Bearbeitung und mit Sicherheit auch <strong>de</strong>r<br />

möglichen Prävention von Workplace Violence Fällen dar.<br />

Ich kann sowohl in meiner Funktion als Leiter <strong>de</strong>s<br />

Kriminalpsychologischen. <strong>Die</strong>nstes als auch in meiner Funktion<br />

als gerichtlich beei<strong>de</strong>ter und zertifizierter Sachverständiger im<br />

Fachgebiet Kriminalpsychologie und auch in meiner<br />

umfangreichen Zusammenarbeit mit an<strong>de</strong>ren<br />

Bun<strong>de</strong>sdienststellen, wie etwa <strong>de</strong>r Kanadischen Bun<strong>de</strong>spolizei<br />

RCIMP, als auch <strong>de</strong>m amerikanischen FBI zu <strong>de</strong>n von KIEBER<br />

vorgelegten Angaben und Informationen nur folgen<strong>de</strong><br />

Stellungnahme abgeben: Nach entsprechen<strong>de</strong>r Auswertung und<br />

vergleichen<strong>de</strong>n Analysen mit an<strong>de</strong>ren bereits bearbeiteten und<br />

auch mit Hilfe <strong>de</strong>r Unterlagen von KIEBER effizienter<br />

durchgeführter Analyse in an<strong>de</strong>ren Workplace Violence Fällen<br />

(insbeson<strong>de</strong>re auch in Liechtenstein) stellen die Informationen<br />

äusserst wertvolle und tiefgreifen<strong>de</strong> <strong>de</strong>eskalieren<strong>de</strong> Fakten dar,<br />

welche zukünftig die Analyse, Bearbeitung und wissenschaftliche<br />

Aufarbeitung von Workplace Violence Fällen erleichtern, in<br />

eventuell sogar verhin<strong>de</strong>rn.<br />

Selbst-verständlich stehe ich als Auskunftsperson bei einem<br />

eventuellen Berufungsverfahren zu dieser Themenstellung gerne<br />

zur Verfügung. wiewohl ich die Möglichkeit dieser<br />

Informationsbeschaffung bereits im Vorfeld, also noch während<br />

<strong>de</strong>r Bearbeitung <strong>de</strong>s Falles KIEBER, wie bereits oben erwähnt, mit<br />

493


nahezu allen direkt und. indirekt Beteiligten besprochen,<br />

andiskutiert und <strong>de</strong>ssen Vorteil klar dargelegt habe.<br />

(Gez. Dr. Thomas Mueller)<br />

Am selben Tag, <strong>de</strong>m 24.11. reichte RA Müller die Berufungsschrift beim<br />

Gericht ein. Mitangeheftet waren die zwei Briefe im Original. Kopien <strong>de</strong>r<br />

bei<strong>de</strong>n Schreiben konnte ich erst nach mehrmaliger Nachfrage beim RA<br />

erhalten. RA Müller <strong>de</strong>utete auf einen Satz auf <strong>de</strong>r letzten Seite <strong>de</strong>s<br />

schriftlichen Urteils wo stand, dass die vom Angeklagten sowie <strong>de</strong>r STA<br />

angemel<strong>de</strong>ten Berufung innerhalb <strong>de</strong>r gesetzlichen Frist zu erfolgen<br />

habe. Er wollte nochmals auf Nummer sicher gehen und fragte<br />

telefonisch kurz vor Ablauf <strong>de</strong>r Berufungsfrist bei <strong>de</strong>r STA nach, ob<br />

diese wirklich keine Berufung einreichen wer<strong>de</strong>n. Ja, war die Antwort.<br />

<strong>Die</strong> STA habe kein Interesse an einer Berufung.<br />

Was geschah weiteres im LLB-Fall?<br />

Gegen En<strong>de</strong> November 2003 hatte ich die Gelegenheit, mit einer Person,<br />

die Gerichtsakte (Akt 01KG2003.24) vom Strafprozess gegen Roland<br />

Lampert zu lesen. <strong>Die</strong> ganze Zeit seit seiner Verhaftung im Mai hatte<br />

Lampert auf stur gestellt. Es sass immer noch im kleinen Gefängnis in<br />

Vaduz. Er zeigte keine Spur von Reue, we<strong>de</strong>r in U-Haft noch beim<br />

Prozess. Es wur<strong>de</strong> bewiesen, dass er von Juni 2000 bis Januar 2003 vom<br />

seinem Arbeitgeber <strong>de</strong>r LLB, wo er rund 20 Jahre lang gearbeitet hatte,<br />

über CHF 270'000.- gestohlen hatte. <strong>Die</strong>s mittels unrechtmässiger<br />

Überweisungen auf sein Konto o<strong>de</strong>r das seines Sohnes. Offenbar als eine<br />

Art Eigenschutz (seine anfängliche Motivation konnte nie ganz klärend<br />

eruiert wer<strong>de</strong>n), fing er im August 2000 an, Bildschirmausdrucke von<br />

über 1300 verschie<strong>de</strong>nen Kun<strong>de</strong>n (mehrheitlich <strong>de</strong>utsche Steuerzahler)<br />

mit Angaben zur Person, Adresse, Kontonummer und -stand zu<br />

sammeln und mit nach Hause zu nehmen.<br />

Bis zu seinem Ausschei<strong>de</strong>n En<strong>de</strong> Februar 2003 hatte er über 2300<br />

<strong>Daten</strong>sätze zusammen. <strong>Der</strong> Totalanlagebetrag dieser Kun<strong>de</strong>nvermögen<br />

belief sich auf ca. CHF 1,1 Milliar<strong>de</strong>n. Nach seinem überraschtem<br />

Ausschei<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>r LLB wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r <strong><strong>Die</strong>b</strong>stahl <strong>de</strong>r Gel<strong>de</strong>r ent<strong>de</strong>ckt und<br />

Lampert zur Re<strong>de</strong> gestellt. Das Treffen fand am 11.3. im Café Bistro in<br />

Schaan statt, wo Lampert, zum Schock <strong>de</strong>r LLB Direktion, tatsächlich<br />

eine Tasche voll Vermögensausdrucke präsentierte. Lampert zog es vor<br />

494


zum Hochkriminellen zu wer<strong>de</strong>n und konterte die Vorwürfe mit einer<br />

Erpressung.<br />

Er war insofern erfolgreich, als dass ihm die LLB CHF 700'000.-<br />

versprach und am 18.3. CHF 100'000.- davon in bar übergab. <strong>Die</strong> LLB<br />

hatte ihm auch, nebst an<strong>de</strong>ren ökonomischen Vorteilen, eine lebenslange<br />

Rente von CHF 6'000.- pro Monat angeboten. Da die LLB Mehrheitlich in<br />

Staatsbesitz war, holten die Direktoren (u.a. Josef Fehr & Elfried Hasler)<br />

dafür das Einverständnis <strong>de</strong>r Regierung und Hans-Adam ein. Lampert<br />

war dies nicht genug. Im Mai erhöhte er <strong>de</strong>n Einsatz und for<strong>de</strong>rte CHF<br />

18 Millionen. Liechtenstein hätte absolut keine juristischen o<strong>de</strong>r<br />

moralischen Probleme damit, 18 MIO. für die <strong>Daten</strong> zu bezahlen. <strong>Der</strong><br />

Schutz <strong>de</strong>s Geschäfts hatte immer Vorrang. Natürlich sorgte man sich<br />

auch ein wenig um die betroffenen Kun<strong>de</strong>n. Sicherlich, für ihre Kun<strong>de</strong>n<br />

wür<strong>de</strong> die LLB ein paar Tränen verlieren, sollte das Unheil über sie<br />

hereinstürzen. Grosse Angst hatte man in Vaduz wegen <strong>de</strong>s zu<br />

erwarten<strong>de</strong>n Abflusses an Kun<strong>de</strong>ngel<strong>de</strong>rn und somit Gewinnverlusten.<br />

Und natürlich fürchtete man die grösste aller Katastrophen: die brutale<br />

Demontage ihres über die Jahre fein säuberlich aufgebauten und<br />

polierten Images. Womit sie hingegen Probleme hatten, war die Kohle<br />

<strong>de</strong>m Lampert auszuhändigen. <strong>Die</strong>ser war ihnen zu instabil.<br />

<strong>Der</strong> Professor, <strong>de</strong>r ja immer noch auch zu diesem Fall um Rat gefragt<br />

wur<strong>de</strong>, analysierte die Situation und kam zum Schluss, dass <strong>de</strong>m<br />

Lampert alles zuzutrauen wäre. Das heisst, selbst wenn er das Geld<br />

bekommen wür<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong> er später vermutlich noch mehr haben wollen<br />

und nie Ruhe geben. Am 8. Mai wur<strong>de</strong> Lampert oberhalb Triesenbergs<br />

bei einer fingierten Übergabe <strong>de</strong>r 18 MIO. CHF verhaftet und ins<br />

Vaduzer Gefängnis gebracht. Er wur<strong>de</strong> am 18.11.2003 zu einer Haftstrafe<br />

von fünf Jahren verurteilt, wegen <strong>de</strong>s Verbrechens <strong>de</strong>r<br />

Auskundschaftung eines Geschäftsgeheimnisses zugunsten <strong>de</strong>s<br />

Auslands, <strong>de</strong>r Unterschlagung von Kun<strong>de</strong>ngel<strong>de</strong>rn, sowie wegen teils<br />

versuchter, teils vollen<strong>de</strong>ter Erpressung. Seine Verteidigung erhob<br />

Einspruch und die STA auch. Im April 2004 bestätigte das Obergericht in<br />

Vaduz das Urteil aus erster Instanz. Da Liechtenstein nur ein kleines<br />

Gefängnis hat, wer<strong>de</strong>n seit Jahren all jene Täter, die zu mehr als einem<br />

Jahr Strafe verurteilt wor<strong>de</strong>n sind, in ausländische Haftanstalten<br />

überstellt. Jahrelang war die Schweiz dafür i<strong>de</strong>al. Aus Kostengrün<strong>de</strong>n<br />

wechselte man nach Österreich.<br />

495


Um es in <strong>de</strong>r These meiner Denkschrift auszudrücken, begann <strong>de</strong>r<br />

unumkehrbare Weg zu einer 100-prozentigen Katastrophe für die LLB<br />

ab <strong>de</strong>m Juli 2005. Lampert, wenn wun<strong>de</strong>rt’s, hatte in <strong>de</strong>r Tat Kopien <strong>de</strong>r<br />

<strong>Daten</strong>blätter ausserhalb Liechtenstein aufbewahrt. Seit seiner<br />

Überstellung im Frühjahr 2004 in ein Gefängnis nach Garsten in<br />

Österreich war er immer noch sehr hasserfüllt und nicht einsichtig. Er<br />

rebellierte oft und hatte Mühe, sich an das Gefangenenleben anzupassen.<br />

Er schloss mit diversen an<strong>de</strong>ren Schwerkriminellen (Zwangs-<br />

)Freundschaften und vertraute einem davon <strong>de</strong>n Aufenthaltsort <strong>de</strong>r<br />

Kopien an. Über Umwege, die bis heute nicht ganz geklärt sind,<br />

gelangten die Unterlagen 2004 zu einem Deutschen.<br />

Während Lampert im Knast sass, testete <strong>de</strong>r Deutsche mit Komplizen<br />

schon mal die Nerven diverser <strong>de</strong>utscher Kun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r LLB. Sie suchten<br />

sie im Mai 2005 persönlich auf o<strong>de</strong>r schickten ihnen Kopien ihrer<br />

Bankkonten nach Hause. <strong>Die</strong> Kun<strong>de</strong>n riefen in Panik die LLB an und ihr<br />

gelang es, Kontakt mit <strong>de</strong>n „Briefträgern‚ herzustellen. Dafür engagierte<br />

sie hoch bezahlte Rechtsanwälte und Privatschnüffler. Über solche<br />

Mittelsmänner einigte man sich rasch auf eine Zahlung von 13 MIO.<br />

Euro in drei Tranchen an die neuen Besitzer <strong>de</strong>r Unterlagen. Im<br />

Gegenzug wür<strong>de</strong> die LLB alle Kopien erhalten. Im August 2005<br />

wechselten in Zürich CHF 7,5 Millionen in bar als erste Zahlung die<br />

Hän<strong>de</strong>.<br />

<strong>Die</strong> LLB wusste sofort nach dieser Transaktion mit wem sie es tun hatte:<br />

<strong>de</strong>m Deutschen Michael Freitag. Einem wegen Entführung und 12fachen<br />

Banküberfällen verurteilten Schwerstkriminellen. Er hatte auch<br />

einen Mord begannen (wur<strong>de</strong> aber dafür freigesprochen). <strong>Die</strong>s alles war<br />

offenbar kein Problem für Liechtenstein. Freitag konnte eine<br />

ursprünglich 15-jährige Freiheitsstrafe von 1998 schon nach relativer<br />

kurzer Haft frühzeitig been<strong>de</strong>n. Im Sommer 2007 kam es zur zweiten<br />

Zahlung von vier Millionen Euro in bar.<br />

Lei<strong>de</strong>r klappte es für Liechtenstein mit <strong>de</strong>r dritten und letzten Zahlung,<br />

die für Sommer 2009 geplant war, nicht. Freitag wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n<br />

Deutschen En<strong>de</strong> 2007 verhaftet, weil seine Mutter zusammen mit einem<br />

gierig gewor<strong>de</strong>nen Rechtsanwalt im November 2007 bei einer Bank in<br />

Rostock allen ernstes versucht hatte, 1,3 Mio. Euro in bar einzuzahlen<br />

und auf ein Konto Freitags in Thailand zu überweisen. <strong>Die</strong> Bank wur<strong>de</strong><br />

misstrauisch und mel<strong>de</strong>te es <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n. Heute bereuen es die LLB,<br />

496


die Regierung und Hans-Adam zutiefst, dass man a) in Vaduz<br />

verurteilte Täter nicht mehr in Schweizer Haftanstalten die Strafe<br />

absitzen lässt, und dadurch Lampert seine neuen "Freun<strong>de</strong>" in Garsten<br />

erst gar nicht hätte kennen lernen können. Und b) sie <strong>de</strong>m Freitag ihre<br />

eigene Expertise zur risikofreien und echten Art und Weise <strong>de</strong>r<br />

Geldwäscherei nicht angeboten hatte.<br />

<strong>Die</strong>se ganze LLB Geschichte ist aus zwei Gesichtspunkten für meinen<br />

Fall aufschlussreich.<br />

I) Auf <strong>de</strong>r einen Seite enthüllte es die zynische, doppelseitige Moral <strong>de</strong>r<br />

hohen Finanz-Herren aus Liechtenstein. <strong>Der</strong> Staat als Besitzer <strong>de</strong>r LLB<br />

hatte absolut keine moralischen o<strong>de</strong>r rechtlichen Probleme damit,<br />

insgesamt ca. 9 Mio. Euro an einen Hochkriminellen zu bezahlen. Für<br />

<strong>Daten</strong>, die nebst <strong>de</strong>r fast schon zwangsläufigen Steuerhinterziehung,<br />

garantiert auch an<strong>de</strong>re, schwerer Delikte <strong>de</strong>r Kundschaft beweisen<br />

wür<strong>de</strong>n (Korruption, Geldwäsche, Betrug etc.).<br />

Als in <strong>de</strong>n Medien ab Mitte Februar 2008 berichtet wur<strong>de</strong>, dass <strong>de</strong>utsche<br />

Behör<strong>de</strong>n hohe Summen an einen Informanten bezahlt hätten (siehe<br />

Kapitel 31), setzte das dreiste Liechtenstein zum Schlag gegen<br />

Deutschland aus. <strong>Die</strong> Deutschen wären die allergrössten Hehler! <strong>Der</strong><br />

<strong>de</strong>utsche Rechtsstaat sei eine Farce, eine Lächerlichkeit! Immer wür<strong>de</strong><br />

nur auf das arme kleine, saubere und ehrliche Liechtenstein<br />

eingeschlagen, beschwerten sie sich. Weitere unzählige unverschämte<br />

Auslassungen von Seiten Hans-Adam, <strong>de</strong>r Regierung, <strong>de</strong>r LGT und <strong>de</strong>r<br />

LLB kann man im Internet nachlesen.<br />

II) Mein Urteil von vier Jahren war im Vergleich zu Lamperts fünf Jahren<br />

völlig übertrieben. RA Müller und <strong>de</strong>r Professor schlossen sich meiner<br />

Meinung an.<br />

~ Lampert hatte über Jahre hinweg mehrere hun<strong>de</strong>rttausend CHF bei <strong>de</strong>r<br />

LLB unterschlagen und gestohlen. <strong>Die</strong>ser Scha<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> nie wie<strong>de</strong>r gut<br />

gemacht. Ich habe keine Gel<strong>de</strong>r gestohlen o<strong>de</strong>r unterschlagen (gemäss<br />

erzwungenem Schuldbekenntnis war ich für <strong>de</strong>n geplatzten<br />

Wohnungskauf in Barcelona zwar verantwortlich. <strong>Der</strong> angebliche<br />

Scha<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Abräumen meiner Gel<strong>de</strong>r in Österreich durch<br />

Helmut Roegele eliminiert).<br />

497


~ Lampert hatte versucht die enorme Summe von 18 MIO. CHF zu<br />

erpressen. Lampert konnte erfolgreich CHF 100'000.- erpressen.<br />

Ich hatte nie jeman<strong>de</strong>n zu irgen<strong>de</strong>twas erpresst. Ich wollte Gerechtigkeit.<br />

~ Lampert setzte seine Taten konsequent ohne Rücksicht auf Verluste<br />

um. Er war trotz starkem Entgegenkommen <strong>de</strong>r LLB nicht einsichtig und<br />

for<strong>de</strong>rte sie heraus, sodass nur die Verhaftung <strong>de</strong>m Spuk ein En<strong>de</strong> setzen<br />

konnte. Lampert hatte einen beachtlichen Scha<strong>de</strong>n hinterlassen. Ich<br />

drohte zwar mit <strong>de</strong>m Desaster, setzte aber meine Drohung nicht in die<br />

Tat um. Ich war einsichtig und kam freiwillig nach Hause zurück. Ich<br />

hatte keinen Scha<strong>de</strong>n verursacht.<br />

~ Lampert zeigte sich nach <strong>de</strong>r Verhaftung und im Prozess we<strong>de</strong>r reuig<br />

noch geständig. Ich zeigte echte Reue und war übermässig geständig.<br />

Trotz<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> ich mit vier Jahren Haft bestraft und Lampert mit<br />

lauwarmen fünf Jahren.<br />

Nicht, dass ich sagen möchte, er hätte eine höhere Strafe bekommen<br />

sollen. Ich bin kein Richter. <strong>Der</strong> Bankdirektor und ich waren nach vielen<br />

Diskussionen überzeugt davon, dass wenn man RA Müller seine<br />

wirkliche Aufgabe als Verteidiger hätte machen lassen, dann wäre es<br />

nicht so schlimm für mich ausgegangen. Aber eben, we<strong>de</strong>r hatte ich in<br />

<strong>de</strong>r Wahl von RA Müller etwas zu sagen gehabt, noch konnte ich ihm<br />

Instruktionen erteilen. Wenn ich all die verschie<strong>de</strong>nen Anhaltspunkte in<br />

einer Kette aufreihte, dann musste ich zum Schluss kommen, dass mein<br />

Urteil eine schon vorher abgemachte Sache war.<br />

Zurück zum Dezember 2003. Obwohl ich gehört hatte, dass Hans-Adam<br />

die STA an die Brust genommen hatte, dauerte es nicht lange, bis die<br />

STA wie<strong>de</strong>r heiss lief. Entgegen <strong>de</strong>r Zusage es nicht zu tun, konnte Haun<br />

es nicht lassen und formulierte fürs Gericht eine mehrseitige<br />

Gegenäusserung zu meiner Berufung. Er beschwerte sich über meinen<br />

Einspruch und stellte beim Obergericht <strong>de</strong>n Antrag <strong>de</strong>r Berufung keine<br />

Folge zu leisten. Er ging sogar soweit, dass er die <strong>de</strong>r Berufung<br />

beigelegten Schreiben von Hans-Adam und <strong>de</strong>m Professor als „unecht‚<br />

klassifizierte. Mir fielen fast die Augen aus <strong>de</strong>m Kopf. RA Müller meinte<br />

am Telefon dazu, dass ich mir keine Sorgen machen soll. Ich solle mir<br />

auch wegen Haun <strong>de</strong>n Kopf nicht zerbrechen. <strong>Die</strong>ser wäre wohl auf<br />

einen Privatkrieg gegen mich aus.<br />

498


Am 12.12. kam dann auch die Vorladung zur Obergerichtsverhandlung<br />

für <strong>de</strong>n 7. Januar 2004. <strong>Die</strong> Verhandlung sollte genau ein Jahr nach<strong>de</strong>m<br />

ich Hans-Adam die dicke Post geschickt hatte stattfin<strong>de</strong>n. Haun,<br />

wie<strong>de</strong>rum vom Teufel geritten, musste mir natürlich zeigen, wer hier <strong>de</strong>r<br />

Clevere und Stärkere war. Er hatte die Unverschämtheit einen Tag vor<br />

Weihnachten 2003, eine persönliche Kopie seiner Gegenäusserung per<br />

Express zu mir nach Hause zu schicken.<br />

Oben rechts hatte er handschriftlich vermerkt<br />

OZA- Schöne Zeit im Knast -OZE.<br />

Natürlich hatte er diesen Vermerk nicht auch noch persönlich<br />

unterschrieben. Abgesehen davon, dass ich mir ganz sicher war, dass es<br />

nur von ihm kommen konnte, hatte ich zum Glück Aktenvermerke von<br />

ihm in meinen Unterlagen. Dort fand ich in Hauns Handschrift ein Mal<br />

das Wort „Zeit‚ und zwei Mal das Wort „im‚. Absolut i<strong>de</strong>ntisch mit<br />

<strong>de</strong>m Vermerk auf <strong>de</strong>r Gegenäusserung. Am liebsten wäre ich gleich zu<br />

ihm ins Büro gestürmt. Besser wäre es, <strong>de</strong>n Bankdirektor anzurufen,<br />

besinnte ich mich. Ich erwischte ihn auf seinem Handy und erzählte ihm<br />

entsetzt über <strong>de</strong>n Vorfall. Da er mich am Telefon nicht beruhigen konnte,<br />

kam er sofort zu mir nach Hause. Am En<strong>de</strong> sagte er, dass es so mit <strong>de</strong>r<br />

STA nicht weitergehen konnte. Er versprach mir noch am selben Tag mit<br />

Hans-Adam zu re<strong>de</strong>n.<br />

Schöne Weihnachten Herr Bankdirektor! Frohe Festtage Herr Kieber.<br />

<strong>Die</strong>se Weihnachten verbrachte ich ohne Familienbesuche. Ich wollte<br />

alleine sein. Ich war jetzt fast sechs Monate wie<strong>de</strong>r im Land. Praktisch<br />

nichts was man mir zugesichert hatte, war geschehen. Für mich war das<br />

allerwichtigste die Anklage gegen die Verbrecher Helmut Roegele & Co.<br />

<strong>Die</strong> Bilanz En<strong>de</strong> Dezember 2003 sah dann so aus: Strafverfahren gegen<br />

die Täter aus Argentinien selber eingestellt. Mein Geld wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m<br />

Folterer Helmut Roegele ausgehändigt. Anklage wegen Wohnungskauf<br />

und Anklage wegen <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> und <strong>de</strong>s Brief dazu. Verurteilung zu vier<br />

Jahren Haft. Plus Kosten <strong>de</strong>s Prozesses.<br />

Wahrlich nicht gera<strong>de</strong> die Bilanz, die man sich wünschen wür<strong>de</strong>.<br />

Zum Glück konnte ich noch das Arbeitslosengeld von <strong>de</strong>r ALV beziehen.<br />

<strong>Die</strong>s erlaubte mir, mich auf meinen Kampf zu konzentrieren. <strong>Die</strong> fünf<br />

gewünschten Stellenbewerbungen legte ich je<strong>de</strong>n Monat <strong>de</strong>m<br />

Sachbearbeiter vor; dieser hatte Verständnis für meine Situation. Ich<br />

konnte ihm natürlich nicht alles erzählen. Er stellte auch nicht viele<br />

Fragen.<br />

499


Schlimmer war es für mich, meine Freun<strong>de</strong> (alte und neue) im Dunkeln<br />

zu lassen. Sie wusste nichts von meinem Kampf. Es muss ihnen im<br />

Rückblick sehr seltsam vorgekommen sein, wie ich mich benahm o<strong>de</strong>r<br />

mein Leben führte.<br />

Vielleicht können sie jetzt, wenn sie mein Buch lesen, alles besser<br />

verstehen und erkennen, warum so gehan<strong>de</strong>lt hatte.<br />

500


KAPITEL 24 Führt die To<strong>de</strong>sstrafe wie<strong>de</strong>r ein!<br />

Obergerichtsverhandlung in Vaduz am 7.1.2004:<br />

Ich hatte so sehr gehofft, dass Hans-Adam, <strong>de</strong>r im Land war, Zeit fin<strong>de</strong>n<br />

wür<strong>de</strong>, mit mir wenigstens kurz vor <strong>de</strong>r Berufungsverhandlung noch<br />

einmal persönlich zu re<strong>de</strong>n. Lei<strong>de</strong>r hatte er wie<strong>de</strong>r keine Zeit dafür<br />

gefun<strong>de</strong>n. Ich begann mich zu fragen, ob er einem persönlichen<br />

Gespräch mit mir ausweichen will. Natürlich war immer klar, dass er<br />

selber bestimmen konnte, mit wem er seine kostbare Zeit teilen wollte.<br />

Niemand zwang ihn zu irgen<strong>de</strong>inem Gespräch. Hans-Adam, als<br />

Lan<strong>de</strong>sführer, erhielt je<strong>de</strong> Woche einiges an Post mit Bitten für ein<br />

Gespräch o<strong>de</strong>r um Hilfe. Oft von wildfrem<strong>de</strong>n Menschen. Da musste er<br />

seine Zeit gut einteilen.<br />

Am ersten Mittwoch <strong>de</strong>s neuen Jahres war es dann soweit. <strong>Die</strong> OG-<br />

Verhandlung begann pünktlich um 13.30 Uhr, wie<strong>de</strong>r im Saal 1. Mit mir<br />

anwesend waren mein RA Müller und <strong>de</strong>r Bankdirektor. Von Seiten <strong>de</strong>r<br />

STA war Haun wie<strong>de</strong>r da und bei Wallner bin ich mir heute nicht mehr<br />

ganz sicher, ob er auch da war. Ich <strong>de</strong>nke schon. <strong>Die</strong> Öffentlichkeit<br />

wur<strong>de</strong> gleich zu Beginn <strong>de</strong>r Verhandlung wie<strong>de</strong>r ausgeschlossen. Mein<br />

RA trug die Berufung vor und beantragte, die zwei Schreiben von Hans-<br />

Adam und <strong>de</strong>m Professor in <strong>de</strong>n Akt aufzunehmen. <strong>Die</strong> STA enthielt<br />

sich dazu <strong>de</strong>r Stimme, wies auf ihre Gegenäusserung hin und beantragte<br />

<strong>de</strong>r Berufung keine Chance zu geben. Das Gericht liess die zwei Briefe<br />

laut vorlesen. Um 15.10 Uhr zog sich das Gericht zur Beratung zurück<br />

und erschien 35 Minuten später wie<strong>de</strong>r im Saal. <strong>Der</strong> Vorsitzen<strong>de</strong><br />

verkün<strong>de</strong>te das Urteil.<br />

Heinrich Kieber hat das Verbrechen <strong>de</strong>s schweren Betruges nach<br />

<strong>de</strong>n § 146, 147 Abs. 2 StGB, das Vergehen <strong>de</strong>r versuchten<br />

Nötigung nach <strong>de</strong>n § 15, 105 Abs. 1 StGB, das Vergehen <strong>de</strong>r<br />

Urkun<strong>de</strong>nunterdrückung nach §229 Abs. 1 StGB begangen und<br />

wird hierfür gemäss §147 Abs.2 StGB unter Anwendung <strong>de</strong>r §28,<br />

41 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt. <strong>Der</strong> Vollzug<br />

<strong>de</strong>r Freiheitsstrafe wird gemäss §43 StGB unter Bestimmung einer<br />

Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Hingegen wird<br />

<strong>de</strong>r Angeklagte Heinrich Kieber von <strong>de</strong>r weiter wi<strong>de</strong>r ihn<br />

501


erhobenen Anklage 1. vom Verbrechen <strong>de</strong>r Auskundschaftung<br />

eine Geschäfts- o<strong>de</strong>r Betriebsgeheimnisses zugunsten <strong>de</strong>s<br />

Auslan<strong>de</strong>s nach §124 Abs. 1 StGB, 2. vom Vergehen <strong>de</strong>r<br />

<strong>Daten</strong>beschädigung nach §126a, Abs. 1 StGB und 3. vom<br />

Vergehen <strong>de</strong>s <strong><strong>Die</strong>b</strong>stahls nach §127 StGB gemäss §207 Zl. 3 StPO<br />

freigesprochen.<br />

<strong>Die</strong> STA gab keine Erklärung mehr ab. Sie hatten <strong>de</strong>n Kampf verloren.<br />

Mein RA und ich waren hocherfreut über das neue Urteil. <strong>Die</strong> Kosten<br />

<strong>de</strong>s Prozess sowie die Rechnung vom RA Müller wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />

Lan<strong>de</strong>skasse zur Bezahlung auferlegt. Ich war über das Urteil sehr<br />

erleichtert. Nach En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Verhandlung entfernte sich Haun sehr rasch<br />

und verschwand in <strong>de</strong>n Gängen <strong>de</strong>s Gerichts. Ich war so glücklich, dass<br />

ich Hans-Adam gleich anrief. <strong>Die</strong>se Mal konnte es zeitlich unmöglich<br />

sein, dass ihn schon jemand vor mir angerufen hatte, um die gute<br />

Nachricht zu verkün<strong>de</strong>n. Falsch gedacht, Herr Kieber. Mann oh Mann,<br />

die Buschtrommeln arbeiten hier aber schnell, staunte selbst ich. Ich<br />

verdrängte <strong>de</strong>n Gedanken, dass Hans-Adam vielleicht doch schon vor<br />

Urteilsverkündung das Resultat gekannt hatte. Auf je<strong>de</strong>n Fall war er im<br />

Detail informiert und hatte keine Mühe, mich dies wissen zu lassen. Er<br />

sagte mir, dass er <strong>de</strong>r STA <strong>de</strong>n Auftrag erteilt hätte, rasch das Urteil nach<br />

Spanien zu übermitteln, sodass dort unten alles been<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Ich hatte gewonnen, nein, wir hatten gewonnen, jubelte ich.<br />

Ich stellte ihm auch die Frage, wie man nun mit <strong>de</strong>r Anklage gegen<br />

Helmut Roegele & Co. weiterfahren wür<strong>de</strong>. Er sagte dazu, dass diese<br />

Details mein RA Müller habe und er es mir sagen wür<strong>de</strong>. Ich bedankte<br />

mich tausendmal und er erwi<strong>de</strong>rte gern geschehen.<br />

Keine Haft! Keine Haft! Das war es, was ich unter einem fairen Urteil<br />

verstand. Man möge mir meine Ansicht nachsehen. Nach<strong>de</strong>m das neue<br />

Resultat hinter vorgehaltener Hand die Run<strong>de</strong> machte, wur<strong>de</strong> ich drei<br />

Mal in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Wochen von mir nicht persönlich bekannten<br />

Mitbürgern offen mit <strong>de</strong>r To<strong>de</strong>sstrafe "bedroht". Hans-Adams Vater,<br />

<strong>Fürst</strong> Franz Josef II. hatte die To<strong>de</strong>sstrafe in Liechtenstein sehr spät aus<br />

<strong>de</strong>m Gesetz gestrichen. Es wird wohl auch in Zukunft immer wie<strong>de</strong>r<br />

solche geben, die nach einer (wie<strong>de</strong>r einzuführen<strong>de</strong>n) To<strong>de</strong>sstrafe für<br />

mich schreien.<br />

Was soll's, ich kann solchen Ewig-Jammerschlappen auch nicht mehr<br />

helfen.<br />

502


Mit diesem Urteil war mein eigener Teil <strong>de</strong>r juristischen Grabenkämpfe<br />

<strong>de</strong>r letzten sieben Jahre erledigt. Zwar nicht so wie es sein sollte, aber<br />

Recht haben und Recht bekommen, sind zweierlei Paar Schuhe, wie mir<br />

Hans-Adam beigebracht hatte. <strong>Der</strong> Professor war auch begeistert. Als ich<br />

ihn gefragt hatte, wann wir uns wie<strong>de</strong>r sehen, mel<strong>de</strong>te er seinen Besuch<br />

für <strong>de</strong>n 17. Februar an. Exzellent, meinte ich dazu.<br />

Ich dachte über meiner Zukunft nach und sortierte alle Unterlagen aus,<br />

die nicht mit <strong>de</strong>m Drama von Argentinien zu tun hatten. Ich studierte<br />

(nochmals) die verbleiben<strong>de</strong>n Aktenberge von vorn nach hinten und<br />

hatte wie<strong>de</strong>r das starke Bedürfnis in dieser Angelegenheit endlich weiter<br />

zu kommen. <strong>Die</strong> Schonzeit war zu En<strong>de</strong>. Obwohl Hans-Adam mir bei<br />

<strong>de</strong>r Audienz erzählt hatte, dass er die ihm zugeschickten Unterlagen zur<br />

Folter gelesen habe, wusste ich nicht, ob er dieses Material behalten o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>m Gericht zurückgesandt hatte. Ich beantragte mündlich zum wohl<br />

500. Mal Akteneinsicht und stellte fest, dass sie nicht im Akt waren. Bei<br />

dieser Gelegenheit lief ich Dr. Wallner über <strong>de</strong>n Weg. Er grüsste mich<br />

wie immer freundlich und fragte, wie es mir gehen wür<strong>de</strong>. Ich erwi<strong>de</strong>rte<br />

<strong>de</strong>n Gruss noch freundlicher zurück und sagte, dass es mir gut gehen<br />

wür<strong>de</strong>. Fast wollte ich ihm etwas über <strong>de</strong>n Masterplan einer<br />

angestrebten Anklage gegen Helmut Roegele & Co. erzählen. Besser<br />

nicht, dachte ich. Wer weiss, ob Haun wie<strong>de</strong>r auf dumme Gedanken<br />

kommt. Etwas wollte ich aber brennend wissen. Ich fragte ihn, ob er<br />

wüsste, dass Haun mir die Gegenäusserung per Expresspost am Tag vor<br />

Weihnachten, als quasi Weihnachtsgeschenk, mit persönlicher<br />

„Widmung‚ zugesandt hatte. Ja er habe davon von oben (er zeigte aufs<br />

Schloss) gehört. Haun wür<strong>de</strong> dies aber abstreiten. Um die nötigte Hilfe<br />

von <strong>de</strong>r STA nicht zu gefähr<strong>de</strong>n, antwortete ich darauf mit <strong>de</strong>r<br />

Hypothese, dass es wohl von jemand an<strong>de</strong>rem gesandt wor<strong>de</strong>n sein<br />

musste. Ich wünschte ihm einen schönen Tag und bedankte mich für<br />

seine Hilfe. Er wünschte auch mir eine gute Zeit.<br />

Auf Wie<strong>de</strong>rsehen Herr Kieber. Auf Wie<strong>de</strong>rsehen Herr Oberstaatsanwalt.<br />

Da ich die gewünschte Kopie im Akt nicht fand, entschloss ich, dass es<br />

trotz<strong>de</strong>m besser wäre Hans-Adam – jetzt wo es ans Eingemachte ging –<br />

(nochmals) eine Kopie zukommen zu lassen.<br />

Am 5.2.2004 schickte ich ihm eine Kopie <strong>de</strong>r Tonbandaussage vom 11.<br />

April 1997 inklusive aller ergänzen<strong>de</strong>n Aussagen, <strong>de</strong>s Berichts vom<br />

Spital Vaduz vom 10.4.1997 und das Gutachten <strong>de</strong>s Gerichtsmediziners<br />

503


vom 16.7.1997. Ich nahm auch die Gelegenheit wahr, ihm zu seinem<br />

imminenten 59. Geburtstag nur das Beste zu wünschen.<br />

Lei<strong>de</strong>r konnte <strong>de</strong>r Professor am 17.2. nicht auf Besuch kommen. Ich rief<br />

<strong>de</strong>n Bankdirektor einmal pro Woche an; er hatte jeweils nur kurz Zeit. Er<br />

hatte viel zu tun, die Geschäfte bei <strong>de</strong>r LGT liefen bombastisch. RA<br />

Müller hatte ich auch seit <strong>de</strong>r Obergerichtsverhandlung nicht mehr<br />

gesehen. Immerhin, am 18.2. bekam ich eine Karte von Hans-Adam.<br />

Schloss Vaduz, 18. Februar 2004<br />

Sehr geehrter Herr Kieber. Vielen herzlichen Dank für Ihre lieben<br />

Glückwünsche zu meinem Geburtstag, über die ich mich sehr<br />

gefreut habe. Mit freundlichen Grüssen (gez. Hans-Adam II.)<br />

Ich freute mich über diese kleine Nachricht vom Schloss. RA Müller<br />

hatte sich inzwischen auch gemel<strong>de</strong>t und wünschte meine Anwesenheit<br />

in <strong>de</strong>r Kanzlei für <strong>de</strong>n 23.3. Ich besuchte ihn dann und er sagte mir, dass<br />

alles nach Plan laufen wür<strong>de</strong>. Zumin<strong>de</strong>st was Spanien angehen wür<strong>de</strong>.<br />

Am 18.2. hätte die STA das nun ins Spanische übersetzte Urteil vom<br />

7.1.04 via Eurojust nach Barcelona geschickt. Super, sagte ich. Vielen<br />

Dank. Und was ist mit <strong>de</strong>r Strafverfolgung <strong>de</strong>r Täter aus Argentinien,<br />

fragte ich. Er wür<strong>de</strong> da noch auf genauere Details vom Schloss warten.<br />

Welche Details, fragte ich. Er sagte, dass man diesbezüglich in <strong>de</strong>r<br />

Evaluationsphase wäre. Es wäre wichtig, die richtige Strategie<br />

anzuwen<strong>de</strong>n, um Doppelspurigkeiten zu vermei<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m müsste<br />

man ja noch warten, bis Spanien <strong>de</strong>n Haftbefehl aus <strong>de</strong>m System<br />

nehmen wür<strong>de</strong>. Sonst könnte ich z.B. nicht nach Spanien o<strong>de</strong>r<br />

Deutschland reisen, um die Anzeige gegen die Täter aus Argentinien<br />

aktiv (als Zeuge) zu unterstützen, erklärte er. <strong>Die</strong>s leuchtete mir ein. Ich<br />

war über <strong>de</strong>n schleppen<strong>de</strong>n Fortschritt nicht gera<strong>de</strong> erfreut und begann<br />

wie<strong>de</strong>r daran zu zweifeln, ob alles so geschehen wür<strong>de</strong>, wie man es mir<br />

versprochen hatte. Ich war ja selber kein Jurist, kannte mich aber<br />

inzwischen gut aus.<br />

Am 5.4. erhielt ich einen Anruf vom RA Müllers Sekretariat, wobei mir<br />

mitgeteilt wur<strong>de</strong>, dass am 2.4. das Urteil vom 7.1. beim zuständigen<br />

Richter in Spanien angekommen sei. Wie<strong>de</strong>r ein Schritt weiter.<br />

Wenn das keine guten Neuigkeiten waren, sagte ich zu mir.<br />

504


KAPITEL 25 <strong>Der</strong> Feind hört mit<br />

Einen Blick auf meine mentale Pen<strong>de</strong>nzenliste erinnerte mich daran, dass<br />

ich schon lange testen wollte, ob meine Wohnung verwanzt war und ob<br />

mein Telefon abgehört wur<strong>de</strong>. Ich ging davon aus, dass <strong>de</strong>m so war.<br />

Dementsprechend hatte ich mich innerhalb <strong>de</strong>r Wohnung nie mehr zu<br />

<strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> o<strong>de</strong>r meinen Reisen nach Berlin o<strong>de</strong>r Holland geäussert. Egal<br />

zu wem. Bei privaten Besuchen von meinem Schatz o<strong>de</strong>r Freun<strong>de</strong>n,<br />

achtete ich auch darauf, was gesprochen wur<strong>de</strong>. Eine gewisse<br />

Privatsphäre wollte ich mir schon behalten. Da dies in <strong>de</strong>n vergangenen<br />

Monaten ohne Probleme gelang, störte mich das (vermutete) Abhören<br />

nicht mehr gross. Aber ich wollte Gewissheit. Hätte ich <strong>de</strong>n Beweis,<br />

dann wäre ich weniger über das Abhören selber, son<strong>de</strong>rn mehr wegen<br />

<strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong> dafür beunruhigt. Um <strong>de</strong>n Test erfolgreich zu machen,<br />

musste ich etwas tun, was eine zuverlässige Reaktion von Seiten <strong>de</strong>r<br />

Lauscher ergeben wür<strong>de</strong>. Eine extreme Testversion wäre gewesen, wenn<br />

ich in <strong>de</strong>r Unterkunft etwa geschrien hätte: „Ich bringe mich um, Ich<br />

bringe mich um‚. Das war mir dann doch zu krass. Nach kurzem hin<br />

und her, beschloss ich am Samstag, <strong>de</strong>n 17.4.’04, kurz nach 14:00 Uhr<br />

folgen<strong>de</strong>s mehrmals laut im Selbstgespräch zu jammern:<br />

Ich halte das nicht mehr aus. Ich halte das nicht mehr aus. Ich<br />

drehe durch. Sie wollen mir gar nicht helfen. Sie wollten mir nie<br />

helfen. Wenn ich nur wüsste, was sie vorhaben. Lange halte ich<br />

es nicht durch. Verdammt. Ich drehe durch. Ich muss hier raus.<br />

Ich muss hier raus.<br />

Nichts geschah. War wohl zu wenig dramatisch, dachte ich mir. Mein<br />

Handy klingelte. Nummer unbekannt (wie immer). Doch eine Reaktion?<br />

Es war jetzt 12 Minuten nach meinem Jammern. Bäng & Kabummmm.<br />

Volltreffer. <strong>Der</strong> Bankdirektor war am Apparat. Er hat mich in Vaduz<br />

noch nie an einem Wochenen<strong>de</strong> angerufen, nur jeweils an einem<br />

Werktag. Zuerst wechselte er wie immer ein paar Worte. Wie es mir<br />

gehe? Was ich so mache? fragte er. Gut, erwi<strong>de</strong>rte ich. OK, sagte er.<br />

Gutes Wetter? Heute schon im Gym gewesen, wollte er wissen. Ich<br />

bejahte dies. Dann fragte er, ob ich das Bedürfnis hätte, <strong>de</strong>n Psycho zu<br />

sprechen. O<strong>de</strong>r mit jemand an<strong>de</strong>rem, falls ich einen Seelenknick hätte.<br />

Nein, sagte ich. Warum er <strong>de</strong>nken wür<strong>de</strong>, ich könnte so etwas<br />

gebrauchen, fragte ich ihn. Er hatte mich noch nie seit meiner Rückkehr<br />

505


nach Liechtenstein gefragt, ob ich einen Seelenklempner brauchen<br />

wür<strong>de</strong>. Er meinte dazu, dass er sich Gedanken gemacht hätte und er sich<br />

mich so alleine in <strong>de</strong>r Wohnung vorgestellt habe. Aha, dachte ich und<br />

erwi<strong>de</strong>rte: Macht Euch keine Sorgen um mich. Wird schon alles Gut<br />

wer<strong>de</strong>n. Schönes Wochenen<strong>de</strong> Herr Bankdirektor. Ruhiges Wochenen<strong>de</strong><br />

Herr Kieber.<br />

So, jetzt wusste ich es. Nicht nur wird meine kleine Wohnung abgehört,<br />

sie müssen dies auch in Echtzeit tun. Ansonsten wäre <strong>de</strong>r Anruf vom<br />

Bankdirektor nie knappe 12 Minuten später schon gekommen. Da muss<br />

irgendwo jemand sitzen und permanent die Ohren spitzen. Ich hätte<br />

eher gedacht, dass sie einfach ein Aufnahmegerät endlos laufen lassen<br />

und zu Bürozeiten das Aufgenommene abspulen. Dem war offenbar<br />

nicht so. Und weil wohl mein Gejammer ganz und gar nicht in das<br />

bisherigen Muster ihrer Aufzeichnung passte, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Bankdirektor<br />

kurzerhand sofort angerufen und informiert. Das muss eine Stange Geld<br />

kosten, dachte ich mir. <strong>Die</strong> Technik, das Personal. Na ja, Geld war und<br />

ist absolut kein Problem für Hans-Adam. Natürlich kann ich es nicht zu<br />

100 % wissen, aber ich gehe je<strong>de</strong> Wette ein, dass Hans-Adam dafür eine<br />

Firma von ausserhalb angeheuert hatte. In Liechtenstein wären es zu<br />

viele Mitwisser. Genügend Zeit dafür hatte er ja auch.<br />

<strong>Die</strong> Wohnung wur<strong>de</strong> schon einige Zeit vor meiner Rückkehr von <strong>de</strong>r<br />

LGT angemietet. Jetzt war ich nicht mehr so sicher, ob dieser<br />

Unbekannte (mit <strong>de</strong>m Zettel) ein Gegner von mir war. Immerhin, es<br />

muss ein Mitwisser gewesen sein, <strong>de</strong>r mich damals gewarnt hatte. Ich<br />

wusste nicht, ob ich Lachen o<strong>de</strong>r Weinen sollte. Ich war jetzt schon fast<br />

10 Monate wie<strong>de</strong>r zu Hause und man bespitzelte mich (immer noch) mit<br />

einem Lauschangriff. Kein gutes Omen, gar keine gutes Omen.<br />

Das Wochenen<strong>de</strong> war ruhig. <strong>Die</strong> Sache mit <strong>de</strong>m Abhören liess mich<br />

nicht in Ruhe. Ich war verärgert, dass sie sich in mein Privatleben<br />

einmischten. Gera<strong>de</strong> jetzt, wo ich diesbezüglich neue Brücken und Wege<br />

eingeschlagen hatte. Einen Vorteil könnte die Lauscherei schon haben.<br />

Man wür<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>n Tonbän<strong>de</strong>rn die diversen Gespräche zwischen mir,<br />

<strong>de</strong>m Bankdirektor und <strong>de</strong>m Professor fin<strong>de</strong>n, worin klar zum Ausdruck<br />

gekommen war, wie <strong>de</strong>r Fahrplan mit <strong>de</strong>r Anklage / <strong>de</strong>m Strafprozess<br />

gegen die Täter aus Argentinien ausgesehen hatten und die Versprechen<br />

von Seiten Hans-Adams gelautet hatten. O<strong>de</strong>r ich könnte Hans-Adam<br />

506


heute um eine Kopie eines Gedichtes bitten: ein Gedichte, das ich für<br />

eine lei<strong>de</strong>r nicht erwi<strong>de</strong>rte Liebe (Marina) verfasst hatte und laut<br />

vorgetragen hatte. Aber das Gedicht nicht mehr fin<strong>de</strong>.<br />

Am Montag entschloss ich mich, für <strong>de</strong>n nächsten Tag noch einmal einen<br />

Test zu wagen. Ich hätte es besser gelassen. Am <strong>Die</strong>nstag, <strong>de</strong>n 20.4.<br />

drehte ich etwas an <strong>de</strong>r Schraube. Bei <strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>r Worte musste ich<br />

ganz vorsichtig sein. Ich wollte ja nicht, dass sie auf die I<strong>de</strong>e kamen, ich<br />

wür<strong>de</strong> (wie<strong>de</strong>r) mit <strong>de</strong>m Gedanken spielen, mich an die ausländischen<br />

Behör<strong>de</strong>n (Deutsche o<strong>de</strong>r Amis) wen<strong>de</strong>n zu wollen. Auch musste ich<br />

verhin<strong>de</strong>rn, dass ihre mögliche Skepsis Nahrung erhält, ob ich eine<br />

Kopie <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> nun hatte o<strong>de</strong>r nicht. Mit folgen<strong>de</strong>r, zweimal<br />

wie<strong>de</strong>rholter Bemerkung wollte ich eine Reaktion meiner Lauscher um<br />

12 Uhr 15 provozieren:<br />

Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Ich glaube ihnen auch<br />

nichts mehr. Alles nur Lug und Trug. Sie spielen auf Zeit. Ich<br />

muss an<strong>de</strong>rswo Hilfe suchen. Ja, das muss ich. Aber wer? Wer?<br />

<strong>Der</strong> Bischof Haas vielleicht. (Ich fing an zu weinen)<br />

Halleluja, Halleluja. <strong>Die</strong> Reaktion war zwar gar nicht nach meinem<br />

Geschmack. Aber, es zeigte mir ein ganz neues Bild von <strong>de</strong>njenigen zwei<br />

Beteiligten, die ich bisher am meisten von schlechten Gedanken<br />

verschont hatte. Ich schaute gebannt auf mein Handy. 20 Minuten<br />

vergingen, nichts geschah. 35 Minuten vergingen, nichts geschah. Ich<br />

war sehr angespannt. Bums, Bums, jemand klopfte an <strong>de</strong>r<br />

Wohnungstüre. 13:00 Uhr. Ich erschrak zutiefst. Wer wür<strong>de</strong> mich jetzt<br />

besuchen kommen.<br />

Was für eine Überraschung. <strong>Der</strong> Bankdirektor und <strong>de</strong>r Professor stan<strong>de</strong>n<br />

im Türrahmen. Ja aber hallo, sagte ich. Was macht ihr <strong>de</strong>nn hier, fragte<br />

ich. <strong>Der</strong> Professor wäre gera<strong>de</strong> in Vaduz auf Besuch und man wollte<br />

spontan auf Besuch kommen. Aha, sagte ich und das kann gut sein,<br />

dachte ich. <strong>Der</strong> Professor konnte unmöglich innerhalb von 45 Minuten<br />

von irgendwo her vom Ausland angedonnert sein. Aber sie kamen noch<br />

nie ohne telefonische Vorankündigung auf Besuch. Ich war mir nicht<br />

ganz sicher, ob sie in Wahrheit auf Grund <strong>de</strong>r Lauscherei hier waren. Ich<br />

musste aber nicht lange warten, um zu sehen, dass <strong>de</strong>m so war. In einer<br />

Art und Weise, wie ich es von Bei<strong>de</strong>n noch nie gehört hatte, lasen sie mir<br />

507


die Leviten. Was ich zu jammern hätte, fragten sie. Ich? Jammern? fragte<br />

ich zurück. <strong>Der</strong> Bankdirektor übernahm die Rolle <strong>de</strong>s Aufgebrachten<br />

und <strong>de</strong>r Professor die <strong>de</strong>s Schlichters.<br />

Es folgte ein verbaler Abtausch über eingehaltene und gebrochene<br />

Versprechen, Eitelkeiten, erfüllte o<strong>de</strong>r unerfüllte Bedingungen,<br />

erfolgreiche und erfolglose Zeiten. Wobei ich meine Zunge mehr hütete,<br />

als sie die ihre. Was auch einem Wun<strong>de</strong>r gleichkam. Nach 10 Minuten<br />

war man wie<strong>de</strong>r, zumin<strong>de</strong>st oberflächlich, <strong>de</strong>rselben Meinung. Sie<br />

erzählten mir, dass gewisse Leute nicht gut auf mich zusprechen wären.<br />

Wartet, ich rate mal wer, stoppte ich sie. Haun? Haun! Ja! Warum<br />

wür<strong>de</strong> man auf <strong>de</strong>n noch hören, fragte ich. <strong>Die</strong> Gerichtsfälle sind hier<br />

abgeschlossen. Niemand wür<strong>de</strong> auf ihn hören, aber die Gerüchteküche<br />

wäre dank Haun am überkochen.<br />

Kann uns doch Wurscht sein, sagte ich. Man bat mich, keine Briefe mehr<br />

zu schreiben. <strong>Die</strong>s wür<strong>de</strong> die Leute nur zu sehr verwirren. Warum,<br />

fragte ich trotzig. Ich wür<strong>de</strong> nur dann schreiben, wenn wie<strong>de</strong>r etwas<br />

nicht stimmen wür<strong>de</strong>, im Vergleich zu <strong>de</strong>m, was mir versprochen<br />

wur<strong>de</strong>, verteidigte ich mich. Eine koordinierte Arbeit an <strong>de</strong>r Anklage<br />

wegen Argentinien z.B., zählte ich als eine <strong>de</strong>r Pen<strong>de</strong>nzen auf.<br />

Alles <strong>de</strong>r Reihe nach, schaltete sich <strong>de</strong>r Professor wie<strong>de</strong>r ein. Zuerst<br />

Barcelona erledigen, dann nehmen wir uns die Täter vor.<br />

Das die Zeit <strong>de</strong>r Samthandschuhe vorbei war, bekam ich anschliessend<br />

zu spüren. <strong>Der</strong> Bankdirektor fragte mich, ob ich meinen Laptop hier in<br />

<strong>de</strong>r Wohnung habe. Ja, klar, antwortete ich. Ob sie diesen haben<br />

könnten. Wie bitte? fragte ich entsetzt. In Sekun<strong>de</strong>nschnelle ging ich die<br />

Dateien durch, die ich auf <strong>de</strong>r Festplatte <strong>de</strong>s Laptops gespeichert hatte.<br />

Ich hatte keine Angst, dass man etwas Verfängliches o<strong>de</strong>r Verräterisches<br />

im Computer fin<strong>de</strong>n könnte. Nur Dateien privater Natur. Nichts was mit<br />

<strong>de</strong>r LGT o<strong>de</strong>r Hans-Adam (seit <strong>de</strong>m 1. Juli '03) zu tun hatte. Für die<br />

verschie<strong>de</strong>nen Briefe in Sachen 101er und 140er benutzte ich eine externe<br />

Festplatte, die in einer leeren Ovomaltinedose in <strong>de</strong>r Küche verstaut war.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor setzte zu einer Erklärung an, warum man meinen<br />

Computer haben möchte. Er war mit seien Erläuterungen noch nicht<br />

fertig, da hatte ich schon mit heftigem Kopfschütteln begonnen. Kommt<br />

nicht in Frage, sagte ich. Kommt nicht in Frage! Jetzt, nach fast 10<br />

Monaten wie<strong>de</strong>r im Land, jetzt wollt ihr meinen Computer? Befürchtetet<br />

irgendjemand irgen<strong>de</strong>twas, fragte ich und verdrehte dabei meine Augen.<br />

508


Da wäre Privatbriefe und sonstiges, was nichts mit <strong>de</strong>r LGT o<strong>de</strong>r Hans-<br />

Adam o<strong>de</strong>r Argentinien zu tun hatte, drin. Da war ich sehr empfindsam.<br />

<strong>Die</strong> Diskussion schien ewig zu dauern.<br />

Ich fragte schnippisch, was man <strong>de</strong>n erwarten wür<strong>de</strong>, im Computer zu<br />

fin<strong>de</strong>n. Nichts, war die Antwort. Ja dann braucht ihr ihn auch nicht<br />

mitnehmen, schlussfolgerte ich logisch. Er muss ihn mitnehmen, sagte<br />

<strong>de</strong>r Bankdirektor. Muss? Warum? Darum! Darum ist keine Antwort,<br />

sagte ich. Er schil<strong>de</strong>rte mir, dass gewisse Typen (damit meinte er an<strong>de</strong>re<br />

LGT Direktoren, sowie Prinz Philipp, <strong>de</strong>r CEO <strong>de</strong>r LGT Gruppe und<br />

Hans-Adam) heute (!) auf die I<strong>de</strong>e gekommen wären, ich wür<strong>de</strong><br />

an<strong>de</strong>rswo Hilfe suchen gehen. Warum sollte ich an<strong>de</strong>rswo Hilfe suchen<br />

gehen, wenn doch alles wie geschmiert hier laufen wür<strong>de</strong>, sagte ich.<br />

Totenstille.<br />

<strong>Der</strong> Professor erkannte, dass wir so hier nicht vorwärts kamen. Wenn es<br />

stimmen wür<strong>de</strong>, dass ich nur Privates auf <strong>de</strong>m Computer gespeichert<br />

habe, dann wür<strong>de</strong>n sie mir <strong>de</strong>n Laptop morgen wie<strong>de</strong>r zurückgeben.<br />

O<strong>de</strong>r eben einen neuen kaufen, wenn ich wollte. Als Geschenk von<br />

Hans-Adam. Nein Danke, sagte ich. Ich wollte diesen Laptop wie<strong>de</strong>r<br />

haben. OK, sagte <strong>de</strong>r Bankdirektor, wir geben dir diesen wie<strong>de</strong>r zurück<br />

und dazu eine neue interne Harddisk. Aha, jetzt wur<strong>de</strong> mir klar, was sie<br />

wollten. Sie wollte die interne Harddisk ausbauen und tief in <strong>de</strong>n<br />

Speicherrillen nachforschen, was sich so alles über die Jahre hinweg dort<br />

angesammelt hatte.<br />

Anm.:Einige Leser wer<strong>de</strong>n sich erinnern, dass ich ein paar Tage vor meiner<br />

Abreise aus Amsterdam in einem Fachgeschäft die interne Originalharddisk<br />

sowie <strong>de</strong>n Arbeitsspeicher (RAM) meines Laptops hatte auswechseln lassen.<br />

Hätte ich die alte Harddisk einfach nur ein paar Mal formatiert, dann könnten<br />

Spezialisten trotz<strong>de</strong>m viele <strong>de</strong>r alten <strong>Daten</strong> wie<strong>de</strong>r zum Leben erwecken. <strong>Die</strong>se<br />

Situation war bei meinem Laptop nicht vorhan<strong>de</strong>n. Trotz<strong>de</strong>m wollte ich ihn nur<br />

ungern aus <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n geben.<br />

Sie blieben aber stur. Bockig fragte ich, was sie machen wollen, wenn ich<br />

<strong>de</strong>n Laptop nicht freiwillig überreichen wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong> Bullen rufen? Nein,<br />

wirklich nicht, sagten sie. Aber sie müssten dann Hans-Adam<br />

Rückmeldung erstatten, dass ich <strong>de</strong>n Laptop nicht rausrücken wür<strong>de</strong>.<br />

<strong>Die</strong>s wür<strong>de</strong> dann zu Spekulationen führen. Sie müssen ihn daher jetzt<br />

509


mitnehmen können. Nur wenn ich vorher meine privaten Dateien<br />

rausziehen könnte, sagte ich. Nein, jetzt keine Computerarbeit mehr,<br />

sagte <strong>de</strong>r Bankdirektor. Sonst könnte ich ja, na sagen wir mal,<br />

Belasten<strong>de</strong>s entfernen, meinte er. Natürlich gebe es nichts belasten<strong>de</strong>s,<br />

fügte er schnell hinten nach. Aber es seien nicht seine Ängste, die man<br />

hier beruhigen müsste.<br />

Ich versuchte ihnen eine an<strong>de</strong>re I<strong>de</strong>e zu verkaufen: <strong>Die</strong> LGT Bank<br />

könnte doch ihren eigenen Computerexperten jetzt hierher in die<br />

Wohnung rufen. Dann könnte dieser die Harddisk ausbauen und ich<br />

unter seiner Nase vorher meine Dateien abziehen. Nein, nicht möglich,<br />

sagten sie im Chor. <strong>Die</strong> Bankmitarbeiter wissen nichts und dürfen über<br />

die Angelegenheit auf keinen Fall etwas erfahren. Oh, mein Gott, dieses<br />

Drama, sagte ich. OK, hier ist mein Vorschlag, sagte ich. Ich steckte <strong>de</strong>n<br />

Laptop jetzt in ein grosses A4-Kuvert, klebe dies zu, setzte meine<br />

Unterschrift in alle vier Ecken, packe <strong>de</strong>m Umschlag in eine Stofftasche<br />

ein und umrun<strong>de</strong> die ganze Sache mit Paketklebeband. Gebe alles <strong>de</strong>m<br />

Bankdirektor mit und morgen früh komme ich zur Bank, öffne das<br />

versiegelte Kuvert und entferne meine Dateien unter Aufsicht vom<br />

Bankdirektor o<strong>de</strong>r wen immer sie dafür abstellen möchten. OK?. OK!<br />

Gut! Abgemacht. <strong>Die</strong>s wür<strong>de</strong> ihnen beweisen, dass ich ja nichts<br />

„Dummes‚ im Computer gespeichert hätte, sagten sie. Da <strong>de</strong>m so war,<br />

hatte ich ja keine Be<strong>de</strong>nken. Aber ich wollte beim Öffnen <strong>de</strong>s Laptops<br />

dabei sein. Darum die Verpackungskünste. Vertrauen ist Gut, Kontrolle<br />

ist immer besser. Ich wollte <strong>de</strong>r Herr meiner Dateien bleiben.<br />

Wir verabre<strong>de</strong>ten uns für <strong>de</strong>n nächsten Tag. Punkt 08:30 beim<br />

Personaleingang <strong>de</strong>r LGT am Hauptsitz in <strong>de</strong>r Herrengasse.<br />

<strong>Der</strong> Professor, immer schon ein schlaues Kerlchen, hatte zum Schluss<br />

noch Zeit für einen „Wink mit <strong>de</strong>m Taschentuch‚: Lassen wir die Kirche<br />

aus <strong>de</strong>m Spiel, sagte er. Klassisch, dachte ich nur. Schönen Tag noch,<br />

Herr Kieber. Gleichfalls, Herr Bankdirektor und Psycho.<br />

„<strong>Die</strong> Kirche aus <strong>de</strong>m Spiel lassen‚. Auf diese Weise machte er eine<br />

Anspielung auf meinen Kommentar über <strong>de</strong>n Bischof Haas. Ich glaube<br />

aber nicht, dass er damit mir nur enthüllen wollte, dass man meine<br />

Wohnung abhören wür<strong>de</strong>. Er erahnte, dass ich innerhalb <strong>de</strong>r nächsten<br />

Minuten zwischen seinem Wink und meinem eigenem Satz einen<br />

Zusammenhang erkennen wür<strong>de</strong>. Und dann darüber grübeln wür<strong>de</strong>,<br />

510


warum er ausgerechnet heute und jetzt die Kirche erwähnt hatte. O<strong>de</strong>r<br />

war er es, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n Zettel in <strong>de</strong>n Briefkasten gelegt hatte. Aber er war<br />

doch kein Gegner, gemäss meiner aktuellen Definition. Alles war sehr<br />

verwirrend. Und gar nicht vertrauensbil<strong>de</strong>nd.<br />

Apropos Vertrauen. Ich kann festhalten, dass ich seit meiner Ankunft in<br />

Vaduz Woche um Woche stärkeres Vertrauen in die bei<strong>de</strong>n hatte. Das<br />

Misstrauen, dass ich während meiner Zeit im Ausland hatte,<br />

verschwand zusehends. Nicht ganz, aber <strong>de</strong>nnoch beachtlich. Ab jenem<br />

Apriltag im 2004 aber, von da an wur<strong>de</strong> ich gegenüber <strong>de</strong>n zweien auch<br />

wie<strong>de</strong>r sehr misstrauisch. Am En<strong>de</strong> war ich auch davon überzeugt, dass<br />

sie nur <strong>de</strong>swegen unerwartet bei mir zu Hause auftauchen konnten, weil<br />

sie von meinen Selbstgesprächen buchstäblich zeitgleich wussten. Wäre<br />

es ihnen wirklich um <strong>de</strong>n Laptop gegangen, so hätten sie <strong>de</strong>n auch ohne<br />

mein Wissen anzapfen können. Sie hatte die Wohnungsschlüssel und<br />

waren sicher über meinen typischen Tagesablauf bestens im Bild.<br />

Ich beschloss daher, keine Experimente mehr mit wil<strong>de</strong>n Gesprächen in<br />

meiner Unterkunft zu machen. Sonst könnte ich noch an<strong>de</strong>re<br />

Überraschungen erleben. Herauszufin<strong>de</strong>n, ob mein Handy abgehört<br />

wur<strong>de</strong>, strich ich auch von <strong>de</strong>r Liste im Hirn. Für mich stand fest, dass<br />

sie es auch abhörten. Von nun an wür<strong>de</strong> ich mich am Handy einfach<br />

ultrakurz halten.<br />

Am nächsten Morgen war ich schon um 08:00 bei <strong>de</strong>r LGT. Es war nicht<br />

das 1. Mal das ich wie<strong>de</strong>r im LGT Bankgebäu<strong>de</strong> war. Einmal hatte ich<br />

ein Schreiben an <strong>de</strong>n Bankdirektor persönlich hier abgegeben. Es war<br />

erstaunlich, wie er und die Leitung <strong>de</strong>r LGT Gruppe es fertig brachten,<br />

die Sache auf hohem Niveau vor an<strong>de</strong>ren Mitarbeitern geheim zu halten.<br />

Von <strong>de</strong>r Treuhand hatte ich mich immer noch fern zu halten. Ansonsten<br />

wur<strong>de</strong> mir nicht mehr allzu gross verboten, durch Vaduz zu ra<strong>de</strong>ln o<strong>de</strong>r<br />

zu laufen. Ich wartete im kleinen Raum, links neben <strong>de</strong>r automatischen<br />

Drehtüre. <strong>Die</strong> nette Sekretärin <strong>de</strong>s Direktor, mit <strong>de</strong>r ich auch schon<br />

mehrmals telefoniert hatte, holte mich ab und führte mich ein eines <strong>de</strong>r<br />

edlen Kun<strong>de</strong>nsitzungszimmer mit <strong>de</strong>n supergrossen Flachbildschirmen.<br />

Auf diesen Geräten konnte man <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n ihre Bankkonten aufzeigen<br />

und in je<strong>de</strong>r nur er<strong>de</strong>nklichen Statistik graphisch in Multifarben<br />

präsentieren. Einige Minuten später erschien <strong>de</strong>r Bankdirektor. Er hatte<br />

mein Laptop unter <strong>de</strong>m Arm. Verpackt und versiegelt, wie er ihn gestern<br />

mitgenommen hatte. Ich entfernte das Klebeband, die Stofftasche und<br />

511


das Kuvert, setzte <strong>de</strong>n Computer in gang und brannte alle privaten<br />

Dateien mit Hilfe <strong>de</strong>s eingebauten Brenners auf eine CD.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor hatte mich eigentlich die ganze Zeit alleine gelassen<br />

und war nach 30 Minuten wie<strong>de</strong>r zurückgekommen. Ich wertete dies als<br />

ein Zeichen <strong>de</strong>s Vertrauens. Da ich nichts zu verbergen hatte, hatte ich<br />

keine Be<strong>de</strong>nken, ihnen meinen Computer zu überlassen. Ich überreichte<br />

ihm wie<strong>de</strong>r meinen Laptop. Er wür<strong>de</strong> mich anrufen, sobald die neue<br />

Harddisk mit <strong>de</strong>r neusten Software installiert wäre, sagte er. Ich<br />

bedankte mich, steckte die CD ein und spazierte nach Hause. Da das<br />

Wetter i<strong>de</strong>al war, nahm ich mein Velo und bewältigte eine 4-Stun<strong>de</strong>n<br />

Tour.<br />

Von da an schrieb ich praktisch nur noch selten Briefe. Es war ja so<br />

gewünscht. <strong>Die</strong> Zeitabstän<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n Kontakten (Telefonate o<strong>de</strong>r<br />

Besuche) wur<strong>de</strong>n immer grösser. Am 23.4. wur<strong>de</strong> ich in die Kanzlei von<br />

Rechtsanwalt Müller gebeten und über <strong>de</strong>n Stand <strong>de</strong>r Bemühungen in<br />

Spanien informiert. Da ich <strong>de</strong>n Angaben, egal von wem, nicht mehr wie<br />

bisher blind vertraute, besuchte ich mehrmals das Gericht (zum Beispiel<br />

am 28.4. und 5.5.) um herauszufin<strong>de</strong>n, was Sache war.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor besuchte mich am 10.5. Sein Ziel bei diesem Besuch<br />

war es, festzustellen, was ich so tue und was ich so <strong>de</strong>nke. Ich äusserte<br />

meinen Wunsch, bald eine Arbeitsstelle zu fin<strong>de</strong>n und fragte bei ihm<br />

nach, ob die LGT mir ein Arbeitszeugnis ausstellen wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>s klang<br />

zwar absurd, aber Fragen kostet ja nichts. Zugegeben, als <strong>Daten</strong>dieb ein<br />

Arbeitszeugnis zu erfragen, war eine irre I<strong>de</strong>e. Aber ich wollte ja keine<br />

Lobpreisungen, die ich ja wirklich nicht verdient hatte; nein, eine<br />

einfache Bescheinigung für die Zeit, die ich dort gearbeitete hatte, wür<strong>de</strong><br />

genügen. <strong>Der</strong> Bankdirektor versprach abzuklären, was möglich wäre<br />

und was nicht.<br />

Je<strong>de</strong>s Mal wenn Hans-Adam es für nötig fand, ein aktuelles psychisches<br />

Bild/Profile von mir erhalten, schickte er <strong>de</strong>n Professor vorbei. <strong>Die</strong>ser<br />

kam am 1.7.’04, zum 1. Jahrestag unserer Reise von Amsterdam nach<br />

Vaduz, wie<strong>de</strong>r auf Besuch. Wir fuhren auf seinen Vorschlag hin raus<br />

zum Rhein, obwohl ich lieber zu Hause geblieben wäre. Er meinte, dass<br />

wir viel, viel Positives in diesen 12 Monaten erreicht hätten. Ich meinte<br />

nicht. <strong>Die</strong> Jahresbilanz war nicht nur aus juristischer Sicht stark im<br />

Ungleichgewicht.<br />

512


Ich wur<strong>de</strong> massiv angeklagt, durch zwei Instanzen <strong>de</strong>s Kriminalgerichts<br />

gezerrt, zuerst zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt, die dann auf<br />

einmal, mit Hilfe vom fürstlichen Brief, zu einer Einjährigen reduziert<br />

wur<strong>de</strong>. Ausgesetzt auf Bewährung. Von nun an war ich vorbestraft.<br />

Es wur<strong>de</strong> nichts unternommen, um mir rechtlich zu helfen, meinen<br />

Kampf gegen die unrechtmässige Auszahlung meiner blockierten Gel<strong>de</strong>r<br />

in Österreich an <strong>de</strong>n Folterer Helmut Roegele aufrecht zu erhalten. Im<br />

Gegenteil, es wur<strong>de</strong>n noch während meiner Zeit in Berlin und<br />

Amsterdam Urteile und Beschlüsse zu seinen Gunsten erlassen und<br />

Vaduz konnte listig verhin<strong>de</strong>rn, dass ich davon fristgerecht etwas<br />

erfahren hatte. Man liess an<strong>de</strong>re Fristen ablaufen, als ich schon wie<strong>de</strong>r<br />

zurück in Vaduz war. Auch als das Desaster eintraf und nach über 6<br />

Jahren <strong>de</strong>r Täter Helmut Roegele doch noch zum gol<strong>de</strong>nen Schuss kam,<br />

als er ohne Probleme das ganze Konto in Österreich abräumen konnte,<br />

stellte dies kein grosses Drama für Hans-Adam & Co. dar. Man<br />

versprach, nach Abschluss einer erfolgreichen Strafverfolgung wür<strong>de</strong><br />

man mir auch helfen, die Gel<strong>de</strong>r durch ein Zivilverfahren am Wohnort<br />

von Helmut Roegele wie<strong>de</strong>r zurückzuholen. Und oben drein schüchterte<br />

man mich erfolgreich ein.<br />

Ferner geschah beim wichtigsten Punkt – <strong>de</strong>r Strafanklage im Wohnland<br />

<strong>de</strong>r Täter – nichts, rein gar nichts. Ich war extrem enttäuscht darüber und<br />

verfluchte <strong>de</strong>n 8.8.2003, jenen Tag, an <strong>de</strong>m ich selber <strong>de</strong>r<br />

Strafuntersuchung vom LG Vaduz gegen die Verbrecher <strong>de</strong>n To<strong>de</strong>sstoss<br />

versetzt hatte. Ich war jetzt davon überzeugt, dass dies ein grosser Fehler<br />

von mir war. Egal wer in Vaduz mich warum, wann und wie sehr hasste;<br />

wenigstens hätte ich einen Versuch gehabt. Einen Versuch die<br />

verdammten Verbrecher vor ein Kriminalgericht zu bringen. Und wenn<br />

es das letzte war, was ich im Stan<strong>de</strong> gewesen wäre zu tun. Langsam aber<br />

sicher beschlich mich das Gefühl, dass dies alles gemäss einem Plan<br />

ablief, <strong>de</strong>r vorher, also vor meiner Ankunft am 1.7.’03, von Seiten Hans-<br />

Adams und seiner Regierung (inklusive <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft)<br />

ausgetüftelt wor<strong>de</strong>n sein musste. Natürlich konnten sie nicht erahnen,<br />

wie ich mich nach <strong>de</strong>r Heimkehr verhalten wür<strong>de</strong>. Insbeson<strong>de</strong>re nicht im<br />

Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Bewältigung <strong>de</strong>r Gerichtsfälle. Aber sie konnten<br />

sich ausrechnen, dass ich <strong>de</strong>m Ermessen von "meinem" Rechtsanwalts<br />

Wolfgang Müller als Jurist vertrauen wür<strong>de</strong>, ja vertrauen musste. Und<br />

513


dieser wur<strong>de</strong> von ihnen bezahlt und instruiert. Besser konnte ihre<br />

Ausgangslage gar nicht sein.<br />

All diese Gedanken schil<strong>de</strong>rte ich <strong>de</strong>m Professor bei diesem Besuch. Er<br />

bemühte sich wie immer, mich aufzumuntern. Nicht dass er in eine<br />

Abwehrstellung zu meiner Schlussfolgerungen gegangen war. Nein, er<br />

hob hervor, dass es seine Aufgabe gewesen wäre und immer noch sei,<br />

<strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n für alle zu erwirken. Er sei we<strong>de</strong>r ein Jurist noch ein Banker.<br />

Frie<strong>de</strong>n auf Er<strong>de</strong>n? Ob er mit <strong>de</strong>m Bischof Haas gesprochen hätte und ob<br />

er Pfarrer wer<strong>de</strong>n wollte, fragte ich ihn lachend. Nein, er wäre ein<br />

Mediator. Er wür<strong>de</strong> auch selber sehen, dass einige <strong>de</strong>r Versprechungen,<br />

also die Abmachungen von Seiten Hans-Adams (bisher) nicht<br />

eingehalten wor<strong>de</strong>n waren.<br />

Daraufhin erwi<strong>de</strong>rte ich ihm: Hätte nicht gera<strong>de</strong> er gesagt, dass mein<br />

Satz in <strong>de</strong>r Denkschrift vom Oktober 2003 (siehe Kapitel 22) - „Nie, nie<br />

einem T-B verlocken<strong>de</strong>, verführen<strong>de</strong> Versprechungen machen, die<br />

bewusst o<strong>de</strong>r unbewusst nicht eingehalten wer<strong>de</strong>n können. <strong>Die</strong><br />

Sprengkraft solcher Taktik ist selbst zerstörerisch für alle‚ - voll<br />

zutreffen wür<strong>de</strong>. Ja, sagte er, aber manchmal muss man sich<br />

unterordnen (können). Er verabschie<strong>de</strong>te sich mit <strong>de</strong>r Hoffnung, dass<br />

alles noch gut wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Er bat mich vorzumerken, dass er mich<br />

gegen En<strong>de</strong> August wie<strong>de</strong>r besuchen kommen wür<strong>de</strong>. Er hätte ja noch<br />

viele an<strong>de</strong>re Fälle zu lösen.<br />

Dann, man glaubte fast nicht mehr daran, gab es am 12.7.2004 zur<br />

Abwechslung wie<strong>de</strong>r mal gute Nachrichten. <strong>Die</strong> Spanischen Behör<strong>de</strong>n<br />

hatten <strong>de</strong>n Haftbefehl aufgehoben und annulliert. Misstrauisch wie ich<br />

nun mal war, glaubte ich es erst, als man mir die betreffen<strong>de</strong>n<br />

Spanischen Dokumente zeigte. Super, endlich einen Schritt weiter. Ich<br />

hatte sofort mit <strong>de</strong>m Bankdirektor telefoniert; dieser wusste auch schon<br />

von <strong>de</strong>n guten News. Er kündigte seinen Besuch für <strong>de</strong>n 19.7. an.<br />

Während diesem Besuch bestätigte er mir auch, was <strong>de</strong>r spanische<br />

Anwalt mir an Telefon gesagt hatte. <strong>Die</strong> Spanier hätten das Urteil aus<br />

Vaduz anerkannt und die <strong>de</strong>finitive Einstellung <strong>de</strong>s auf Eis gelegten<br />

Verfahrens in Spanien wür<strong>de</strong> nur noch eine Formalität sein.<br />

Ich wollte brennend vom Bankdirektor erfahren, was Hans-Adam zu all<br />

<strong>de</strong>n neusten Entwicklungen sagen wür<strong>de</strong>. Nun, meinte er, <strong>de</strong>r<br />

Lan<strong>de</strong>sführer sei natürlich froh, dass alles soweit gut gelaufen sei. Und?<br />

514


fragte ich. Jetzt müsse man abwarten, bis die Spanier <strong>de</strong>m Rechtsanwalt<br />

in Barcelona mitgeteilt hätten, dass sie das Verfahren abgeschlossen<br />

hätten. Nein, da war ich an<strong>de</strong>rer Meinung. Da dies nur eine Formalität<br />

wäre, könnte ich doch jetzt nach Spanien o<strong>de</strong>r Deutschland gehen, um<br />

mit <strong>de</strong>n Rechtsexperten vor Ort über <strong>de</strong>n anzustreben<strong>de</strong>n Strafprozess<br />

zu re<strong>de</strong>n. Ich war ja jetzt endlich frei, frei um in jene Län<strong>de</strong>r zu gehen,<br />

wo die Täter wohnten. Nur nicht so hastig, sagte er wie<strong>de</strong>r einmal. Wenn<br />

es nach ihm gehen wür<strong>de</strong>, dann wäre <strong>de</strong>m so. Aber er sei halt auch nur<br />

ein Angestellter <strong>de</strong>r LGT und könne Hans-Adam keine Empfehlung<br />

abgeben, was wann und wo gemacht wer<strong>de</strong>n sollte.<br />

Um vom Thema abzulenken, kam <strong>de</strong>r Bankdirektor auf meine Bitte für<br />

eine Arbeitsbestätigung zu sprechen. Lei<strong>de</strong>r könne die LGT mir kein<br />

Arbeitszeugnis o<strong>de</strong>r ähnliches geben. Schon gut, sagte ich. Ich habe ja<br />

bisher in meinem leben immer eine Stelle gefun<strong>de</strong>n. Mit o<strong>de</strong>r ohne<br />

lückenlosen Arbeitszeugnissen.<br />

Lei<strong>de</strong>r überbrachte <strong>de</strong>r Bankdirektor auch eine ganz an<strong>de</strong>re schlechte<br />

Botschaft von Hans-Adam. <strong>Der</strong> Lan<strong>de</strong>sführer wünschte, dass ich mich<br />

mit <strong>de</strong>m Gedanken befassen sollte, bald das Land Liechtenstein für<br />

länger zu verlassen. Für 4, 5 Jahre lang wollte man mich nicht mehr hier<br />

sehen. Wie bitte? Warum? Ich bin ein Bürger dieses Lan<strong>de</strong>s und kann<br />

nicht hier bleiben, wenn ich dies möchte, fragte ich entsetzt. Ich hätte<br />

nicht nur die Nerven von Hans-Adam äusserst strapaziert, war die<br />

Antwort. Und meine Anwesenheit sei nicht (mehr) erwünscht. Ich dürfte<br />

dann wie<strong>de</strong>r heimkommen, wenn Gras über die Sache gewachsen sei.<br />

Das kann er nicht machen! Das darf er nicht machen, schrie ich. Wir<br />

leben doch nicht in Russland. Und was ist mit <strong>de</strong>m Versprechen wegen<br />

einer Anklage gegen die Täter von Argentinien, stammelte ich. Daran<br />

än<strong>de</strong>re sich absolut nichts, versicherte er mir. Und dafür müsste ich nicht<br />

in Liechtenstein leben und wohnen. Dann erwähnte er noch, dass man es<br />

auch nicht gern sehen wür<strong>de</strong>, wenn ich in <strong>de</strong>r Schweiz wohnen wür<strong>de</strong>.<br />

So weit wie möglich weg, das wäre besser.<br />

Nach Argentinien, o<strong>de</strong>r was, fragte ich höhnisch. <strong>Die</strong>s wäre jetzt alles<br />

nicht am Dringlichsten, sagte er. Ich solle mir aber Gedanken machen<br />

und nachher nicht schimpfen, wenn die Zeit zum Gehen gekommen sei.<br />

Er been<strong>de</strong>te <strong>de</strong>n Besuch abrupt, nach<strong>de</strong>m er einen Anruf auf sein Handy<br />

515


ekommen hatte. Wir wür<strong>de</strong>n uns sehr bald wie<strong>de</strong>r treffen, sagte er zum<br />

Abschied.<br />

Als er schon zur Türe raus war, kam er zurück und sagte noch, dass<br />

Hans-Adam mich an diesem Staatsfeiertag nicht auf o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Nähe<br />

<strong>de</strong>s Schloss sehen wolle. Was sollte ich da noch erwi<strong>de</strong>rn. Nichts.<br />

Als er gegangen war, kam mir dies alles wie ein schlechter Witz vor.<br />

Wieso sollte Hans-Adam wollen, dass ich das Land verlasse. Habe ich<br />

nicht alles getan, was er verlangt hatte? Habe ich nicht genügend Ventile<br />

angeboten, so dass aller Dampf entweichen konnte? Wollte er noch mehr<br />

Ventile? War da noch mehr Dampf vorhan<strong>de</strong>n, fragte ich mich. Ich<br />

musste mit <strong>de</strong>m Professor darüber re<strong>de</strong>n, das stand fest. Im Sommer<br />

2004 hatte <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sführer Hans-Adam seinem Erstgeborenen Sohn<br />

Alois die "Leitung" <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s offiziell übertragen.<br />

Es sollten mehr als fünf Monate verstreichen, bis <strong>de</strong>r Bankdirektor mir<br />

wie<strong>de</strong>r persönlich ins Gesicht schauen wür<strong>de</strong>. Dazwischen gab es zwei,<br />

drei kurze Telefonate. Er hatte lei<strong>de</strong>r nicht mehr viel Zeit; die Geschäfte,<br />

die Geschäfte! Vor allem die Deutschen kamen in Scharen, niemand<br />

wollte Hans Eichels Steueramnestie annehmen. <strong>Der</strong> Bankdirektor musste<br />

für die LGT auch die vielen neuen Kun<strong>de</strong>n optimal betreuen, um mehr<br />

Geld für die LGT zu verdienen. Er war ja als Bankdirektor angestellt, nicht<br />

als mein Therapeut. Immerhin konnte ich meinen Laptop noch vor <strong>de</strong>n<br />

Sommerferien beim Empfang am Hauptsitz abholen. <strong>Die</strong> neue Harddisk<br />

war einwandfrei. <strong>Die</strong> Software spitze und mit mehr als genug<br />

Programmen ausgestattet. Da man nie vorsichtig genug sein konnte,<br />

benutzte ich jenen Laptop äusserst selten. Ich befürchtete, dass sie<br />

Spionagesoftware eingenistet hatten. (Einige Jahre später nahm ich das<br />

Angebot von einem kompetenten ausländischen <strong>Die</strong>nst an, meinen<br />

Laptop zu durchleuchten. <strong>Der</strong> Computer war sauber.)<br />

Um in <strong>de</strong>r Spanienangelegenheit direkt und unverschleiert auf <strong>de</strong>m<br />

Laufen<strong>de</strong>n zu bleiben, stellte ich ab Sommer 2004 einen Emailkontakt<br />

mit <strong>de</strong>m Spanischen Rechtsanwalt her. <strong>Die</strong>ser wusste von keinen<br />

Bestrebungen in die Richtung einer Strafuntersuchung gegen die in<br />

Spanien wohnhaften Täter aus Argentinien. <strong>Die</strong>s beunruhigte mich nicht<br />

gross, da Anwalt Müller mir gesagt hatte, dass man noch nicht<br />

entschie<strong>de</strong>n hätte, welche Topkanzlei man in Spanien dafür verwen<strong>de</strong>n<br />

wür<strong>de</strong>. Trotz<strong>de</strong>m schickte jener Kanzlei in Barcelona das Material mit all<br />

<strong>de</strong>n Unterlagen über das Verbrechen in Argentinien. Ich bat sie, sich die<br />

516


Unterlagen einmal anzusehen. Ich hatte dafür diverse Unterlagen ins<br />

spanische Übersetzt.<br />

Jetzt war die Zeit reif, um einen <strong>de</strong>r letzten Punkte anzugehen, die noch<br />

auf meiner gedanklichen Pen<strong>de</strong>nzenliste stan<strong>de</strong>n: Prüfen, ob meine<br />

Masterkopie <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> noch sicher im Schweizer Safe lag. Um die Reise<br />

und <strong>de</strong>n Weg dorthin nicht offen zu legen, musste ich ein paar<br />

Vorkehrungen treffen. Mein ("LGT gesponsertes"-) Handy liess ich zu<br />

Hause in Vaduz eingeschaltet liegen. Mitnehmen kam ja nicht in Frage,<br />

da man sonst nicht nur mein Bewegungsprofil geographisch erfassen<br />

konnte, son<strong>de</strong>rn dadurch auch <strong>de</strong>r Standort von Banktresor aufgezeigt<br />

wür<strong>de</strong>. Selbst ein Ausschalten <strong>de</strong>s Handys (z.B. kurz vor <strong>de</strong>m Ziel)<br />

wür<strong>de</strong> nicht viel zur Geheimhaltung nützen.<br />

Nach Rückkehr von meiner kleinen Expedition wollte ich sehen, wie<br />

viele Anrufe es gab, um dadurch evaluieren zu können, ob mich jemand<br />

vermisste. Je<strong>de</strong>r Anruf mit unterdrückter Nummer wür<strong>de</strong> von <strong>de</strong>ren<br />

Seite sein. Alle weiteren (wenigen) Personen, die mich ab und zu<br />

anriefen, waren hauptsächlich aus meinem Bekannten- und<br />

Familienkreis. Ihre Nummern waren immer auf <strong>de</strong>m Display ersichtlich.<br />

Wür<strong>de</strong> die Anzahl Anrufe mit unbekannter Nummer über <strong>de</strong>n Tag<br />

verteilt z.B. vier o<strong>de</strong>r mehr sein, dann könnte dies zu Fragen an mich<br />

führen, was ich getan hätte und wo ich gewesen wäre. Ich beklei<strong>de</strong>te<br />

mich auch mit einem brandneuen Outfit. Es war durchaus <strong>de</strong>nkbar, dass<br />

Hans-Adam auch mit an<strong>de</strong>ren Schnickschnack mein Leben<br />

ausspionierte. Obwohl Geld für ihn ja keine Rolle spielte, wäre es schon<br />

damals kein grosser Aufwand gewesen, eine Art Peilsen<strong>de</strong>r in meine<br />

Klei<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Schuhe zu pflanzen. Zugang zu meiner Wohnung hatten sie<br />

ja 24 Stun<strong>de</strong>n am Tag.<br />

Ich kaufte mir eine günstige Tagesfahrkarte <strong>de</strong>r Schweizer<br />

Bun<strong>de</strong>sbahnen (SBB) für 30.- Franken. Damit konnte man am<br />

aufgedruckten Kalen<strong>de</strong>rtag 24 Stun<strong>de</strong>n lang kreuz und quer durch die<br />

ganze Schweiz fahren; sogar mit <strong>de</strong>r Fähre über <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>nsee nach<br />

Deutschland, wenn man wollte. Damit war schon mal die Nachstellung<br />

per Auto ausgeschlossen. Sollte mir jemand folgen, so hätte diese Person<br />

etliche Schwierigkeiten, gleichzeitig gültige Fahrscheine für die<br />

wechseln<strong>de</strong>n Öffentlichen Transportmittel zu organisieren und an<br />

meinen Fersen zu bleiben. <strong>Die</strong> Wahrscheinlichkeit, dass <strong>de</strong>r Spitzel auch<br />

im Besitz einer Tagesfahrkarte und auch noch für <strong>de</strong>nselben Tag war,<br />

517


wäre praktisch null. Zugegeben, er/sie hätte ja auch am Anfang <strong>de</strong>r<br />

Reiseroute eine SBB-Fahrkarte für die ganze Schweiz kaufen können.<br />

Teuer, aber bekanntermassen kein Problem für die voll gestopften<br />

Taschen von Hans-Adam.<br />

Ich nahm <strong>de</strong>n allerersten Zug ab Sargans/SG und fuhr erst mal zum<br />

Hauptbahnhof nach Zürich. Um etwas Verwirrung zu stiften, begab ich<br />

mich <strong>de</strong>monstrativ in eine Bank hinein, fragte nach <strong>de</strong>m Tresorraum und<br />

tat so, als wollte ich dort, in <strong>de</strong>r Nähe etwas erledigen. Nach 15-20<br />

Minuten verliess ich die Bank dann wie<strong>de</strong>r. <strong>Die</strong>s wie<strong>de</strong>rholte ich bei<br />

einer an<strong>de</strong>ren Bank in Zürich. Ich hatte die Banken in Zürich bewusst in<br />

auffälliger Art und Weise besucht. Hätte mich jemand dabei gesehen,<br />

dann wür<strong>de</strong> ich früher o<strong>de</strong>r später damit konfrontiert wer<strong>de</strong>n. Dann<br />

hätte ich <strong>de</strong>n Beweis, dass man mich immer noch verfolgt und<br />

überwacht. Wäre ich aber in eine Bibliothek o<strong>de</strong>r in ein Kino gegangen,<br />

und man hätte mich beschatten, wür<strong>de</strong> man solche Besuche mir<br />

gegenüber nie kommentieren, da zu banal.<br />

<strong>Die</strong> richtige Bank wür<strong>de</strong> ich selbstre<strong>de</strong>nd nur über äusserst verschleierte<br />

Wegen aufsuchen. Ein kleines Restrisiko bleibt immer bestehen. Nach<br />

<strong>de</strong>n Bankbesuchen wechselte ich auf die Tram und fuhr mit drei<br />

verschie<strong>de</strong>nen Linien kreuz und quer durch Zürich. Mit einem<br />

Linienbus fuhr ich zu einem an<strong>de</strong>ren Stadtbahnhof. Vor dort ging es<br />

weiter nach Bern, dann wie<strong>de</strong>r in die Gegenrichtung und irgendwann<br />

erreichte ich die Französischen Schweiz. Ich versicherte mich, dass mir<br />

niemand gefolgt war und absolvierte einen Hin<strong>de</strong>rnis-Parcours, um es<br />

auch je<strong>de</strong>m Spitzel o<strong>de</strong>r V-Mann von Hans-Adam zu verunmöglichen,<br />

mir auf <strong>de</strong>n letzten 1000 Metern zur Bank nachzuschleichen.<br />

Nach<strong>de</strong>m ich mich mit meinem Pass ausgewiesen hatte, konnte ich <strong>de</strong>n<br />

Safeschlüssel in Empfang nehmen. Ich begab mich in <strong>de</strong>n Tresorraum<br />

und entnahm die Box. Zusammen mit ihr setzte ich mich in eine <strong>de</strong>r<br />

schalldichten Kabinen, die die Grösse einer Toilette hatten. Alles war<br />

noch so, wie ich es vor langer Zeit eingelagert hatte.<br />

Es war ein bizarres Gefühl, als ich die kalte, dicke, externe Harddisk aus<br />

Blech wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n hielt. So klein und so voll gestopft mit<br />

Finanz- und an<strong>de</strong>re <strong>Daten</strong> von Tausen<strong>de</strong>n Menschen. Hinter je<strong>de</strong>r<br />

Stiftung, hinter je<strong>de</strong>m Bankkonto, hinter je<strong>de</strong>r Zahlung lauerte eine<br />

individuelle Geschichte. Über <strong>de</strong>s Menschen Gier, Eitelkeit, Wünsche,<br />

Besessenheit, Streitsucht, Lüge, Betrug, Rache, Macht. . . .<br />

518


Da ich meinen Computer nicht mitgebracht hatte, konnte ich die <strong>Daten</strong><br />

nicht anschauen. Wollte ich auch gar nicht. Unter <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

Unterlagen im Safe fand ich auch meine erstellten und sauber geführten<br />

Listen. Eine davon hatte diejenigen Mandatsnummern notiert, die unter<br />

<strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>r „Beson<strong>de</strong>ren Kundschaft‚ fallen. Neun Seiten lang,<br />

sechs Kolonnen pro Blatt. <strong>Die</strong>se Liste hatte ich in 4 Sektoren unterteilt:<br />

Sektor 1 die A-Leichen: Fälle von kriminellen Handlungen mit<br />

ersichtlicher aktiver Unterstützung seitens <strong>de</strong>r LGT Treuhand o<strong>de</strong>r LGT<br />

Bank.<br />

Sektor 2 die OA-Leichen: Fälle von kriminellen Handlungen ohne<br />

ersichtliche aktive Unterstützung.<br />

Sektor 3 die V-Leichen: Fälle wo kriminelle Handlungen vermutet<br />

wer<strong>de</strong>n, aber auf Grund weniger fehlen<strong>de</strong>n Angaben (noch) nicht zu 100<br />

Prozent bewiesen wer<strong>de</strong>n können.<br />

Sektor 4 die PEPs: die Politischen Fälle (meist illegale Gel<strong>de</strong>r diverser<br />

politischen Parteien, incl. Mandate von Kun<strong>de</strong>n mit exponierter Stelle in<br />

<strong>de</strong>r Wirtschaft, wie z.B. Klaus Zumwinkel)<br />

Anm.: Bei kriminellen Handlungen meine ich nicht Steuerhinterziehung,<br />

son<strong>de</strong>rn Geldwäsche, Korruption, Betrug, Bestechung u.s.w.<br />

Im Sektor Drei waren auch jene Mandate aufgelistet, die ich später <strong>de</strong>r US-<br />

Regierung übergeben wür<strong>de</strong>. Eine umfassen<strong>de</strong> Untersuchung durch ein<br />

hochprofessionelles Team <strong>de</strong>s US-Senats wür<strong>de</strong> dann meine Vorahnungen zu<br />

diesen Fällen bestätigen. Einige davon wur<strong>de</strong>n als Beispiele in <strong>de</strong>r öffentlichen<br />

Senatsanhörung in Washington D.C. am 17. Juli 2008 dargelegt (siehe auch<br />

Kapitel 32).<br />

Als ich in <strong>de</strong>r kleinen Box sass, empfand eine Art von Trauer. Ich schaute<br />

zurück auf meine Leben <strong>de</strong>r letzten an<strong>de</strong>rthalb Jahre und starrte auf die<br />

Listen in meiner Hand. Welch Ungerechtigkeit. Ich musste mich von<br />

ihnen unter Druck und Erpressung mit voller Gewalt verurteilen,<br />

beschimpfen und weiterhin <strong>de</strong>mütigen lassen.<br />

Obwohl ich verhin<strong>de</strong>rt hatte, dass speziell das Wissen über all die<br />

Leichen sowie die mit politischem Sprengstoff bela<strong>de</strong>nen Mandate nicht<br />

an die Öffentlichkeit gelangt waren. Und damit u.a. die betroffenen<br />

Kun<strong>de</strong>n immer mehr Geld mit ihren kriminellen Handlungen<br />

erwirtschaften können, ohne dass sie zur Rechenschaft gezogen wer<strong>de</strong>n<br />

und politische Parteien, bzw. die verschie<strong>de</strong>nen betroffenen<br />

Funktionsträger o<strong>de</strong>r Fraktionen länger im Amt und Wür<strong>de</strong>n bleiben<br />

konnten. Und natürlich die LGT weiterhin ihre Kassen mit solchen und<br />

an<strong>de</strong>ren Geschäften füllen kann.<br />

519


<strong>Der</strong> unbekannte Zettelschreiber hatte recht: Ich sagte zu allem Ja und<br />

Amen. Aber was hätte ich an<strong>de</strong>rs machen sollen. Ich war <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r<br />

die <strong>Daten</strong> gestohlen hatte, ich hatte Hans-Adam einen gehörigen<br />

Schrecken eingejagt, und ich musste mich <strong>de</strong>swegen vor Gericht<br />

verantworten. Gewiss, Hans-Adam hätte es mir markant leichter machen<br />

können und keine Anklage zulassen können. Aber er hatte an<strong>de</strong>rs<br />

entschie<strong>de</strong>n. Ich hatte dies alles akzeptieren müssen. Ich musste die<br />

Hoffnung am Leben erhalten. Das wichtigste Versprechen war ja noch<br />

nicht „getestet‚ wor<strong>de</strong>n.<br />

Welche Alternativen hätte ich <strong>de</strong>nn gehabt. Mit <strong>de</strong>r Masterkopie und<br />

<strong>de</strong>n weiteren Unterlagen wie<strong>de</strong>r nach Berlin, in die Neustädtische<br />

Kirchstrasse Nr. 4-5 o<strong>de</strong>r in die Wilhelmstrasse rennen? Ich war zwar<br />

wie<strong>de</strong>r ein freier Mann. Aber, Nein. Mein Kampf konzentrierte sich auf<br />

die Strafverfolgung <strong>de</strong>r Täter aus Argentinien. Eigentlich müsste zur<br />

damaligen Zeit die LGT froh gewesen sein, dass <strong>de</strong>m so war. Hätte ich<br />

<strong>de</strong>n Weg von Lampert eingeschlagen, so wäre die Bombe vermutlich<br />

schon lange hochgegangen. Und gera<strong>de</strong> weil die LGT (und somit Hans-<br />

Adam) meine Beweggrün<strong>de</strong> nun bis ins kleinste Details kannten, schloss<br />

ich es kategorisch aus, dass sie mich am En<strong>de</strong> reinlegen wür<strong>de</strong>n.<br />

Unmöglich.<br />

Ob solcher Gedanken erschrocken, legte ich rasch die Listen und die<br />

Harddisk wie<strong>de</strong>r zurück in die Box und dann in <strong>de</strong>n Safe, verliess die<br />

Bank und begab mich auf <strong>de</strong>n Heimweg. Den Safeschlüssel konnte ich<br />

wie<strong>de</strong>r am Empfang hinterlegen. <strong>Der</strong> geschil<strong>de</strong>rte Gedanke an die<br />

Ungerechtigkeit hatte sich aber von diesem Zeitpunkt an wie<strong>de</strong>r stärker<br />

in mein Unterbewusstsein eingefressen.<br />

<strong>Der</strong> Professor konnte mich auch nicht mehr so oft sprechen o<strong>de</strong>r<br />

besuchen. Er war jetzt seltener in Liechtenstein. Am <strong>Die</strong>nstag, <strong>de</strong>m 24.8.<br />

gab es ein Treffen mit ihm wie<strong>de</strong>r in Buchs und am Mittwoch, <strong>de</strong>n 25.8.<br />

besuchte er mich zu Hause. Ich konnte mit ihm offen re<strong>de</strong>n und ich<br />

erzählte ihm von meiner Desillusionierung, da Hans-Adam so viel Zeit<br />

verschwen<strong>de</strong>, bis er seinen Worten Taten folgen lassen wür<strong>de</strong>.<br />

Um vom Thema abzulenken, fragte er mich, wann ich ge<strong>de</strong>nke, wie<strong>de</strong>r<br />

auszuziehen und selber etwas mieten wür<strong>de</strong>. In <strong>de</strong>r LGT-Führung<br />

kämen Stimmen auf, die nicht verstehen wür<strong>de</strong>n, warum man immer<br />

noch meine Miete zahlen wür<strong>de</strong>. Und wie es mit <strong>de</strong>n Finanzen aussehen<br />

wür<strong>de</strong>, fragte er auch. OK, sagte ich. Kein Problem. Ich fin<strong>de</strong> schon eine<br />

520


eigene Wohnung. In Balzers wäre es schön, sagte ich. Und was das Geld<br />

angeht, da kenne er mich ja. Immer sparsam. Du brauchst ja nicht viel<br />

zum Leben, stellte er richtigerweise fest. Ich sagte ihm, dass ich einen<br />

guten Teil <strong>de</strong>r monatlichen Zahlungen <strong>de</strong>r ALV habe sparen können.<br />

<strong>Die</strong>se Zahlungen wer<strong>de</strong>n noch ein paar Monate kommen, dann ist<br />

Schluss. Zu<strong>de</strong>m hatte ich schon die Fühler nach möglichen Arbeitsstellen<br />

ausgestreckt, schil<strong>de</strong>rte ich ihm.<br />

Entgegen einer <strong>de</strong>r anfänglichen Optionen, wür<strong>de</strong> ich lieber weiterhin<br />

hier in Liechtenstein bleiben und nicht weiter weg im Ausland eine<br />

Arbeit o<strong>de</strong>r neues Leben suchen. Viel einfacher wäre es für mich, wenn<br />

ich dann von Liechtenstein aus <strong>de</strong>n Strafprozess gegen Helmut Roegele<br />

& Co. in Spanien und jene gegen <strong>de</strong>n Schwager von Helmut Roegele,<br />

Karl-Heinrich Peter K. (aus Ochsenhausen) in Deutschland verfolgen<br />

wür<strong>de</strong>.<br />

Sollte ich keine Arbeit fin<strong>de</strong>n, so könnte ich in <strong>de</strong>r Not immer noch<br />

meinen Teil <strong>de</strong>r Erbschaft <strong>de</strong>s Vater anzapfen. Ich erzählte ihm von <strong>de</strong>r<br />

For<strong>de</strong>rung Hans-Adams, dass ich bald aus <strong>de</strong>m Land weg muss. Wie<br />

bitte? Das ist nicht wahr, fragte er. Er wisse (angeblich) nichts davon. <strong>Die</strong><br />

genauen Details wüsste ich auch nicht, sagte ich ihm. Er wür<strong>de</strong> mit<br />

Hans-Adam darüber re<strong>de</strong>n, versprach er mir zum Abschied.<br />

Ich hatte keine Lust, mich weiterhin gross mit ihm o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m<br />

Bankdirektor zu unterhalten. Ich nahm eine Abwarteposition ein, um zu<br />

schauen, was jetzt in Sachen <strong>de</strong>r Klage gegen Helmut Roegele & Co.<br />

geschehen wür<strong>de</strong>. Alles an<strong>de</strong>re kümmerte mich nicht gross. Mit Gewalt<br />

wer<strong>de</strong>n sie mich wohl nicht auf <strong>de</strong>r Wohnung werfen, dachte ich.<br />

Drei Tage vor <strong>de</strong>m geplanten Treffen zwischen <strong>de</strong>m Professor und<br />

Hans-Adam rief mich <strong>de</strong>r Psycho an. Das Gespräch dauerte ein paar<br />

Minuten. Viel gab es da nicht zu besprechen. Alles verzögerte sich.<br />

Offenbar wollten die (Rechts-) Experten von Hans-Adam, die ihn in<br />

Bezug auf die angestrebte Strafuntersuchung gegen die Täter aus<br />

Argentinien berieten, auf die Erledigung <strong>de</strong>s Aktes in Barcelona warten.<br />

Am 14.9.04 war <strong>de</strong>r Professor um 09:00 im Schloss. Anscheinend muss<br />

die Unterredung nicht sehr erfolgreich verlaufen sein, da keiner <strong>de</strong>r<br />

bei<strong>de</strong>n mich nachher kontaktiert hatte. En<strong>de</strong> September rief ich im<br />

Schloss an und fragte, ob ich mit Hans-Adam sprechen konnte (die<br />

Telefonnummer vom Psycho kannte ich ja bekanntlich nicht) Es wur<strong>de</strong><br />

mir mitgeteilt, dass Hans-Adam nicht anwesend sei. Er sei im Ausland.<br />

Ich glaubte dies nicht. Denn ich rief von einer Telefonzelle unten im<br />

Zentrum von Vaduz aus an und konnte auf <strong>de</strong>m Schloss jene Flagge im<br />

521


Wind flattern sehen, die immer nur dann gehisst wird, wenn <strong>de</strong>r<br />

Lan<strong>de</strong>sführer zu Hause war. Aber was soll’s. Er wird sich sicher wie<strong>de</strong>r<br />

mel<strong>de</strong>n. Ich hatte es fast aufgegeben, Hans-Adam darum zu bitten, ein<br />

Vier-Augengespräch zu ermöglichen. Wenn er im Moment keine Lust<br />

mehr hatte, dann hatte er eben keine Lust. Ich blieb in <strong>de</strong>r kleinen<br />

Unterkunft.<br />

Das erste Mal seit<strong>de</strong>m ich Hans-Adam das letzte Mal am 9.7.’03 wie<strong>de</strong>r<br />

persönlich gesehen hatte, war im Spätsommer 2004. Ich war mit meinem<br />

Velo unterwegs in Triesenberg und entschloss mich, die Strecke runter<br />

ins Tal zu nehmen, die am Schloss vorbei führte. Auf <strong>de</strong>r Höhe vom<br />

Schloss angekommen, hielt ich inne und schaute <strong>de</strong>n Touristen zu, die<br />

trotz Warntafel sich bis an das grosse Eisengitter vorwagten. Ich stand<br />

mit meinem Bike noch am Strassenrand, als eine von zwei Damen mir<br />

zurief und fragte, ob ich ein Foto von ihnen machen könnte. Gerne doch.<br />

Ich schob das Velo zum Eisentor, am Pförtnerhäuschen vorbei. <strong>Die</strong> zwei<br />

Touristinnen kamen aus Sachsen-Anhalt. Nach <strong>de</strong>m Fotografieren<br />

plau<strong>de</strong>rten wir noch ein paar Minuten.<br />

Ich schaute dabei durch das Eisengitter die Zufahrtsstrasse hinunter und<br />

die Damen stan<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Rücken davor. Und da kam er, barfuss. Er<br />

hatte ein Ba<strong>de</strong>tuch in <strong>de</strong>r Hand und war mit einer Art kurzer Sporthose<br />

und einem halboffenem Hemd beklei<strong>de</strong>t. Er war auf <strong>de</strong>m Weg vom<br />

Schloss über die Zufahrtsstrasse zu <strong>de</strong>r versteckten kleinen Türe (mit<br />

Treppe) im äusseren, relativ niedrigem Burgring, von wo er aus in <strong>de</strong>n<br />

südlichen Garten gelangen kann und dort weiter zum Pool laufen kann.<br />

Ich war so aufgeregt, dass ich <strong>de</strong>n zwei Damen gleich sagen musste; hier<br />

schaut her, dies ist unser Lan<strong>de</strong>sführer. Ich winkte ihm zu und sie<br />

drehten sich um und schossen ein paar Fotos. Hans-Adam blieb kurz<br />

irritiert stehen, lächelte unnatürlich zurück und war sichtbar etwas<br />

erschrocken, mich dort zu sehen. Hastig schritt er durch die Lücke in <strong>de</strong>r<br />

Mauer und verschwand. Gefreut hatte er sich sicher nicht. Ich ergriff<br />

mein Velo und verabschie<strong>de</strong>te mich von <strong>de</strong>n Damen.<br />

Monatelang mel<strong>de</strong>te sich niemand von Seiten <strong>de</strong>r LGT. Ich nahm daher<br />

an, dass ich solange in <strong>de</strong>r Unterkunft bleiben konnte, bis das Gegenteil<br />

erwünscht war.<br />

Erst Mitte Dezember hatte sich <strong>de</strong>r Bankdirektor für einen Besuch am<br />

21.12.04 angemel<strong>de</strong>t. Von 13:00 bis 14:00 wür<strong>de</strong> er gerne kommen. Er<br />

war über das wenige, was es zu berichten gab, weniger als ich auf <strong>de</strong>m<br />

Laufen<strong>de</strong>n. Ich versteckte meine Traurigkeit gekonnt und liess ihn im<br />

Glauben, dass alles perfekt wäre. Wir müssten halt abwarten, bis alles<br />

522


erledigt wäre, sagte er nur immer und immer wie<strong>de</strong>r. Ich könne noch bis<br />

nächstes Jahr März o<strong>de</strong>r April hier bleiben. Dann müsste ich aber gehen.<br />

Bis dann sollte alles abgeschlossen sein und <strong>de</strong>r Strafprozess in die Wege<br />

geleitet wor<strong>de</strong>n sein.<br />

Ich bedankte mich wie immer höflich und fragte ihn, ob man wegen <strong>de</strong>r<br />

Deutschen Steueramnestie viele Kun<strong>de</strong>n verloren hätte. Er lachte nur<br />

und sagte, dass bei einem solchen Angebot von Eichel (25 Prozent bis<br />

zum 31.12.04) kein Kun<strong>de</strong> zubeissen wür<strong>de</strong>. Es gäbe aber ein paar, die<br />

mit <strong>de</strong>n Steuerbehör<strong>de</strong>n reinen Tischen machen wollten. Vor allem<br />

solche Kun<strong>de</strong>n, die eine Stiftung „geerbt‚ hatten. Frohe Weihnachten<br />

Herr Kieber. Frohe Festtage Herr Bankdirektor.<br />

Zwei Tage später, am 23.12.04 rief am Nachmittag <strong>de</strong>r Professor auf<br />

mein Handy an. Auch er wünschte mir Frohe Festtage.<br />

Eine Woche später war wie<strong>de</strong>r ein Jahr herum. Ich war jetzt schon exakt<br />

18 Monate wie<strong>de</strong>r in Liechtenstein. Und das be<strong>de</strong>utete knapp zwei<br />

weitere Jahre Gewinn und Vorteil für Klaus Zumwinkel und all die<br />

an<strong>de</strong>ren.<br />

523


KAPITEL 26 Gna<strong>de</strong> im Son<strong>de</strong>rangebot<br />

Das Jahr 2005 wür<strong>de</strong> ein sehr spezielles Jahr wer<strong>de</strong>n. Mein 40.<br />

Geburtstag war nur noch 3 Monate weit weg. Hans-Adams 60. in<br />

an<strong>de</strong>rthalb Monaten. In mehreren Telefongesprächen im Januar und<br />

Februar wur<strong>de</strong> mir zunehmend <strong>de</strong>utlicher gemacht, dass es Zeit wäre,<br />

meine Koffer zu packen. Mit Rechtsanwalt Müller konnte ich ab und zu<br />

noch re<strong>de</strong>n. Aus Spanien gab es insofern gute Nachrichten, dass man<br />

dort nur noch auf die Terminbestätigung <strong>de</strong>s Gerichts warten müsste.<br />

Den Termin, wann <strong>de</strong>r Akt geschlossen wür<strong>de</strong>.<br />

Am 2.2.05 rief mich <strong>de</strong>r Bankdirektor um 19:30 auf mein Handy an. Bei<br />

dieser Gelegenheit sagte ich, dass ich über die Anordnung von Hans-<br />

Adam, das Land für einige Jahre zu verlassen, einiges nachgedacht hatte.<br />

Ich wäre überhaupt nicht glücklich darüber. Aber, wenn es nicht an<strong>de</strong>rs<br />

ginge und sie dies wirklich wollen, so gäbe es da aber ein Problem. Viele<br />

Län<strong>de</strong>r erlauben keine Arbeits- o<strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlassungsbewilligung für<br />

solche Auslän<strong>de</strong>r, die vorbestraft sind. Da dies jetzt auf mich zutreffen<br />

wür<strong>de</strong>, könnte ich nirgends im Ausland eine Stelle antreten. Warum das,<br />

fragte er. Oft fragen nämlich die potentiellen Arbeitgeber auch nach<br />

einem Strafregisterauszug, erklärte ich ihm.<br />

Überdies wäre es garantiert auch so, dass die ausländischen Behör<strong>de</strong>n<br />

einen Strafregisterauszug von mir verlangen wür<strong>de</strong>n. Dann könnte sie<br />

aber nachlesen, dass ich im Januar 2004 verurteilt wor<strong>de</strong>n war. Als<br />

nächstes wollen die Behör<strong>de</strong>n das schriftliche Urteil einsehen. Sollte ich<br />

<strong>de</strong>r ausländischen Behör<strong>de</strong> das Urteil vorenthalten, könnte ich eine<br />

Nie<strong>de</strong>rlassung gleich ganz vergessen. Aufschlussreich und interessant,<br />

sagte <strong>de</strong>r Bankdirektor nur. Das könnte man auf keinen Fall machen. Das<br />

Urteil muss unter Verschluss bleiben, sagte er. Das ganze wäre ein zu<br />

heikles Thema, um es <strong>de</strong>m Ausland unter die Nase zu reiben. Man hatte<br />

ja auch erfolgreich <strong>de</strong>n Spaniern jenen Teil <strong>de</strong>s Urteils vom 7.1.’04,(Teil<br />

Eins - <strong>de</strong>r Brief an Hans Adam) vorenthalten können. <strong>Die</strong> Spanier<br />

erhielten nur die Zeilen aus <strong>de</strong>m Urteil, die <strong>de</strong>n Wohnungskauf betrafen.<br />

Mehr brauchten sie in <strong>de</strong>r Tat auch nicht. Ich machte mir schon<br />

Hoffnungen, dass wegen dieser Problematik ich in Liechtenstein bleiben<br />

konnte. <strong>Die</strong>se Aussichten wur<strong>de</strong>n vom Bankdirektor nicht geteilt. Wenn<br />

Hans-Adam mich aus <strong>de</strong>m Land haben will, dann wird er seinen Willen<br />

schon kriegen, sagte er. Darüber war ich mit ihm einer Meinung.<br />

Zu<strong>de</strong>m wollte ich selber ja nichts verursachen, was Hans-Adam<br />

verärgern könnte. Wenn Hans-Adam schlussendlich gefor<strong>de</strong>rt hätte, ich<br />

524


sollte nach Sibirien ziehen; ich hätte es gemacht. Solange er sein<br />

Versprechen einhalten wür<strong>de</strong>, hätte ich alles auf mich genommen. Ich<br />

fragte <strong>de</strong>n Bankdirektor auch, ob er Neues zu <strong>de</strong>n geplanten juristischen<br />

Aktionen in Bezug auf die Täter von Argentinien wüsste. Nein, sagte er<br />

und klang dabei auch etwas enttäuscht. Im Moment wür<strong>de</strong> aber alles<br />

nach Plan laufen. Was <strong>de</strong>nn und nach wessen Plan hier wirklich alles<br />

ablaufen wür<strong>de</strong>, fragte ich ihn. Langsam aber sicher wollte ich von ihm<br />

genau wissen, was hier gespielt wür<strong>de</strong>. Ich soll keine Panik bekommen,<br />

war das einzige was er darauf sagen konnte. Er wür<strong>de</strong> die<br />

Angelegenheit mit <strong>de</strong>m Strafregister Hans-Adam mitteilen.<br />

In <strong>de</strong>r Hoffnung, dass Hans-Adam mich nicht vergessen wür<strong>de</strong>, nutzte<br />

ich die Gelegenheit zu seinem 60. und hinterlegte ihm ein kleines<br />

Geschenk beim Portier. Ich wusste, dass er ein Flair für das geflügelte<br />

Wort hatte. Per Zufall stiess ich in einem Second-Hand-Büchermarkt auf<br />

ein altes Büchlein aus <strong>de</strong>n 60er Jahren, voll mit übersetzten<br />

Sprichwörtern aus China. Ich kaufte ihm auch einen brandneuen<br />

Reisbesen. Bei<strong>de</strong>s verpackte ich attraktiv und legte eine Geburtstagskarte<br />

bei. <strong>Der</strong> Besen, zwar voll funktionsfähig, war nur symbolischer Natur.<br />

Damit könne er all <strong>de</strong>n Ärger vom alten Lebensjahr aus seinem Haus<br />

wegwischen. Da er flächenmässig einen gigantischen Haushalt hatte,<br />

kaufte ich ihm <strong>de</strong>n grössten Besen, <strong>de</strong>n ich fin<strong>de</strong>n konnte. Ich wollte ihm<br />

diesen einer asiatischer Tradition gemäss zusammen mit einem Sack Reis<br />

schenken. Da er aber schon eine eigene Reisfirma (RICETEC) hatte,<br />

schrieb ich ihm, dass er hinsichtlich <strong>de</strong>s Futters fürs nächste Jahrtausend<br />

ja gut ausgestattet sei. Am 1.3.’05 erhielt ich eine Antwortkarte von ihm:<br />

Lieber Herr Kieber. HERZLICHEN DANK FÜR DIE LIEBEN<br />

WÜNSCHE ZU MEINEM 60. GEBURTSTAG und die Geschenke.<br />

(gez. Hans-Adam II.)<br />

Ich war froh und erleichtert, dass Hans-Adam mich offenbar nicht<br />

vergessen hatte.<br />

Eine Woche nach meinem 40. Geburtstag (lei<strong>de</strong>r keine Karte von Hans-<br />

Adam; ich hatte aber auch keine erwartet), hatte <strong>de</strong>r Professor<br />

zusammen mit <strong>de</strong>m Bankdirektor ein Treffen mit Hans-Adam. Um 16:30<br />

sollten sie pünktlich im Schloss sein. Am nächsten Tag, <strong>de</strong>n 7.4.’05<br />

wur<strong>de</strong> ich telefonisch um 09:00, um 11:45 und 17:’00 vom Bankdirektor<br />

sowie <strong>de</strong>m Professor über <strong>de</strong>ren Audienz mit Hans-Adam unterrichtet.<br />

525


Es hatte auf Schloss Vaduz wegen <strong>de</strong>m Büchlein mit <strong>de</strong>n Chinesischen<br />

Sprichwörtern Verwirrungen gegeben. Oh mein Gott, sagte ich. Warum?<br />

Nun, Hans-Adam hätte einen Moment lang nachdachte, ob eines <strong>de</strong>r<br />

dort abgedruckten Sprichwörter einen tieferen Sinn in Bezug zu unserer<br />

Angelegenheit haben könnte. Er hätte <strong>de</strong>swegen <strong>de</strong>n Professor gebeten,<br />

alle Sprichwörter genau durchzulesen und ihm zu mel<strong>de</strong>n, ob er etwas<br />

Rätselhaftes o<strong>de</strong>r einen "Hinweis" von mir erkennen könnte.<br />

Ich musste laut lachen. <strong>Der</strong> Bankdirektor und Professor lachte dann<br />

auch. Ich wollte wissen, warum Hans-Adam solches <strong>de</strong>nken wür<strong>de</strong>, ja<br />

überhaupt <strong>de</strong>nken könnte. Warum er Anlass hätte, ich wür<strong>de</strong> ihm etwas<br />

zukommen lassen, worüber er sich <strong>de</strong>n Kopf zerbrechen müsste. Hans-<br />

Adam hatte wohl ein schlechtes Gewissen, war mein richtiger Verdacht.<br />

<strong>Die</strong> Knacknuss mit Sprichwörtern war es ja gera<strong>de</strong>, dass sie <strong>de</strong>n Kern<br />

eines Leitgedankens zwar treffen, aber um das dazugehören<strong>de</strong> Thema<br />

i<strong>de</strong>ntifizieren zu können, müsste man das Motiv zuordnen können, sagte<br />

ich. <strong>Der</strong> Professor hätte <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>sführer gesagt, dass er nichts<br />

Aussergewöhnliches im Buch hätte fin<strong>de</strong>n können. Damit war Hans-<br />

Adam zufrie<strong>de</strong>n gewesen.<br />

Nach diesem Ausflug in die Welt <strong>de</strong>r Sprichwörter, wur<strong>de</strong> mir <strong>de</strong>r<br />

neueste Plan <strong>de</strong>s Schlossherrn dargelegt. Lei<strong>de</strong>r wäre Hans-Adam<br />

immer noch <strong>de</strong>r Meinung, dass es besser wäre, wenn ich für einige Jahre<br />

nicht mehr in Liechtenstein auftauchen wür<strong>de</strong>. Es war gewünscht<br />

wor<strong>de</strong>n, dass ich mich im Ausland nach Arbeit umsehen soll. <strong>Die</strong><br />

Problematik mit einem Strafregistereintrag und das damit<br />

einhergehen<strong>de</strong> Risiko, das Ausland könnte von <strong>de</strong>r Geschichte um die<br />

LGT erfahren, hätte man dabei Übersehen.<br />

Um diese Problem zu eliminieren, hätte man Anwalt Müller beauftragt,<br />

ein Gna<strong>de</strong>ngesuch in meinem Namen an <strong>de</strong>n Erstgeborenen Alois zu<br />

richten, da sein Vater ihm inzwischen die Rechte und Pflichten <strong>de</strong>s<br />

Staatsoberhaupts übertragen hatte. Das Gesuch soll <strong>de</strong>n normalen Weg<br />

via Obergericht zum Landgericht und dann zum Schloss nehmen, wie es<br />

das Gna<strong>de</strong>ngesetz vorschreibt. Dort angekommen, wür<strong>de</strong> Hans-Adam<br />

seinem Sohn, als neues amtieren<strong>de</strong>s Staatsoberhaupt mit statutarisch<br />

alleinigem Recht zur Begnadigung, <strong>de</strong>n Auftrag erteilen, <strong>de</strong>m Gesuch zu<br />

entsprechen. Damit wäre <strong>de</strong>r Weg frei, um <strong>de</strong>n Strafregistereintrag zu<br />

löschen.<br />

526


Lei<strong>de</strong>r hätten bei dieser Prozedur auch wie<strong>de</strong>r die Regierung (fakultativ)<br />

und die Staatsanwaltschaft (rechtlich) die Möglichkeit etwas dazu zu<br />

sagen. Oh, Nein – nicht schon wie<strong>de</strong>r die Regierung und die<br />

Staatsanwaltschaft, schimpfte ich. Mir war diese ganze Angelegenheit<br />

sehr suspekt. Warum all dieser Aufwand mit Antrag, Fristen und weiss<br />

Gott was noch, fragte ich. Warum wie<strong>de</strong>r an das Gericht gelangen; ich<br />

hatte mein Mass an Gerichtsbesuchen für das jetzige und die nächsten 50<br />

Leben gestrichen voll. Ich wollte wissen, ob jetzt wie<strong>de</strong>r eine versteckte<br />

Agenda dahinter stecken wür<strong>de</strong>. Etwas, womit Hans-Adam Zeit<br />

gewinnen wollte, wobei man mir dann mitteilen wür<strong>de</strong>, dass die<br />

Strafverfolgung <strong>de</strong>r Täter aus Argentinien quasi erst dann starten<br />

könnte, wenn das Thema mit <strong>de</strong>m Strafregister erledigt wäre.<br />

Wenn <strong>de</strong>m so wäre, wür<strong>de</strong> dies be<strong>de</strong>uten, dass Hans-Adam seine<br />

diesbezügliche Zusage bis zum Stankt Nimmerleinstag hinauszögern<br />

könnte. Sein Sohn könnte sich mit einem "Entscheid" über eine<br />

"Begnadigung" ja extra lang Zeit lassen. Meine Be<strong>de</strong>nken waren<br />

berechtigt. Gemäss letzten Informationen aus Spanien war<br />

vorauszusehen, dass <strong>de</strong>r Papierkram beim Gericht in Barcelona in ein<br />

paar Wochen aus <strong>de</strong>r Welt geschaffen wäre. <strong>Die</strong>s war ja das bisherige<br />

angebliche Hin<strong>de</strong>rnis. Warum konnte man nicht gleich jetzt schon mit<br />

<strong>de</strong>n juristischen Initiativen gegen die Täter starten? <strong>Die</strong>se Information<br />

war Hans-Adam ja auch bekannt. Obwohl alle im Ländle wissen, dass<br />

Alois immer nur das macht, was sein Vater verlangt, wollte ich genau<br />

wissen, wie alles ablaufen wür<strong>de</strong>. Es wur<strong>de</strong> mir erklärt, dass es da nicht<br />

viel zu erklären gäbe. Hans-Adam hätte <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>m Anwalt<br />

Müller persönlich versichert, dass innerhalb kürzester Zeit <strong>de</strong>m Gesuch<br />

vollumfänglich entsprochen wür<strong>de</strong>. Hans-Adam wolle diesen Weg und<br />

ich müsste mich <strong>de</strong>m unterordnen, Basta! Alles Klar, sagte ich. Ich<br />

drückte meine Hoffnung aus, dass es nicht so kommen wür<strong>de</strong>, dass<br />

Alois das Gesuch auf die lange Bank schieben wür<strong>de</strong> und Hans-Adam<br />

seine Hän<strong>de</strong> in Unschuld waschen könnte und rufen wür<strong>de</strong>, das er nicht<br />

mehr <strong>de</strong>rjenige sei, <strong>de</strong>r Begnadigungen verteilen könnte. Nein, nein –<br />

riefen <strong>de</strong>r Bankdirektor und <strong>de</strong>r Professor ins Telefonmikrofon: Ich solle<br />

aufhören, <strong>de</strong>n Teufel an die Wand zu malen. Verzeihung, sagte ich und<br />

lies Hans-Adam bei dieser Gelegenheit ausrichten, dass ich mich für<br />

seine Unterstützung bedanke.<br />

Mir wur<strong>de</strong> aufgetragen, ich solle am nächsten Tag, <strong>de</strong>m 8.4. beim<br />

Bankdirektor in Vaduz einen vorbereiteten Text abholen und diesen als<br />

527


Brief an Hans-Adam formulieren. Warum dies alles, fragte ich. Man<br />

wolle damit verhin<strong>de</strong>rn, dass in <strong>de</strong>n Akten nachvollzogen wer<strong>de</strong>n kann,<br />

dass die I<strong>de</strong>e einer Begnadigung von Oben herab ausgebrütet und<br />

orchestriert wur<strong>de</strong>. Da ich ja nichts unternehmen o<strong>de</strong>r bekämpfen<br />

wollte, was <strong>de</strong>m Versprechen von Hans-Adam zuwi<strong>de</strong>rlaufen könnte,<br />

willigte ich diesem Intermezzo auch wie<strong>de</strong>r ein. Ich fasste <strong>de</strong>n Brief mit<br />

Datum 11.4. ab. Darin musste ich <strong>de</strong>n Eindruck hinterlassen, dass ich<br />

weit weg ins Ausland gehen wolle und mir eine Begnadigung wünsche.<br />

Obwohl <strong>de</strong>r Kontext mit Teilen gemischt war, die (in <strong>de</strong>r Vergangenheit)<br />

<strong>de</strong>r Wahrheit entsprachen, war die Kernaussage falsch. Auf meine<br />

diesbezüglichen Be<strong>de</strong>nken sagte <strong>de</strong>r Bankdirektor, dass dies alles nur<br />

eine Formsache wäre – wie immer! Ganz davon überzeugen konnte er<br />

mich aber nicht. Dennoch, schlussendlich musste mich auf die<br />

Äusserungen <strong>de</strong>s Bankdirektors, <strong>de</strong>s Professors sowie <strong>de</strong>s Rechtsanwalts<br />

Müller verlassen. Sie waren ja die einzigen, die mit Hans-Adam<br />

persönlich re<strong>de</strong>n konnten. Ich hatte mit ihn nur ein einziges Mal, am<br />

9.7.’03 vor bald 2 Jahren persönlich sprechen können. Das letzte<br />

Telefongespräch mit ihm lag auch schon über 15 Monate zurück. Ich<br />

brachte <strong>de</strong>n fertigen Brief wunschgemäss <strong>de</strong>m RA Müller. <strong>Die</strong>ser erhielt<br />

auch (analog <strong>de</strong>r Geschichte um die zwei Briefe für die<br />

Obergerichtsverhandlung vom 7.1.04 - siehe Kapitel 23) eine Art<br />

Antwortschreiben (datiert 13.4.) von Hans-Adam auf „meinen‚ Brief<br />

vom 11.4. Ich hatte diese Schreiben nur in <strong>de</strong>r Kanzlei kurz zu Gesicht<br />

bekommen. Hans-Adam erklärte darin, dass<br />

OZA- er auf Grund <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Umstän<strong>de</strong> meines Falles die<br />

Voraussetzung für eine Begnadigung als gegeben ansieht -OZE.<br />

Da hatte ich es, Schwarz auf Weiss. Ich bedankte mich bei Anwalt Müller<br />

und fragte, ob ich eine Kopie davon haben könnte. Nein, lei<strong>de</strong>r nicht.<br />

Hans-Adam wolle dies nicht. Auch gut, murrte ich. Ich wollte sofort <strong>de</strong>n<br />

Bankdirektor anrufen. Müller bremste mich aber und sagte, dass <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>s Briefs von Hans-Adam schon kennen<br />

wür<strong>de</strong>. Es sei ja alles so vorher abgesprochen wor<strong>de</strong>n. Jetzt hätte er alle<br />

nötigen Unterlagen zusammen, um das Gesuch auszufertigen. Er<br />

bräuchte meine Hilfe dazu nicht, sagte er.<br />

Am 20.4. wur<strong>de</strong> das Gna<strong>de</strong>ngesuch von ihm fertig gestellt. Ich durfte<br />

wie<strong>de</strong>r einmal überhaupt nichts dazu sagen. Eine Kopie <strong>de</strong>s Gesuchs<br />

528


wur<strong>de</strong> mir erst gar nicht zugeschickt. Erst nach<strong>de</strong>m ich darauf bestan<strong>de</strong>n<br />

hatte, wur<strong>de</strong> mir zur Halbzeit <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>ngesuchgeschichte (3. Woche<br />

Mai) eine Kopie vom Gericht zugestan<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Kanzlei Müller hatte mir<br />

zwar mitgeteilt, dass sie En<strong>de</strong> April eine Kopie mir nach Hause gesandt<br />

hätten; angekommen war sie aber nie.<br />

Ich war mit <strong>de</strong>r Wortwahl und <strong>de</strong>r Formulierung <strong>de</strong>s Gesuchs absolut<br />

nicht einverstan<strong>de</strong>n. <strong>Der</strong> Sinn und Zweck wur<strong>de</strong> gar nicht richtig erfasst<br />

o<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>rgegeben. Im Gesuch wur<strong>de</strong> Alois ersucht, er möge mir<br />

vollumfänglich Nachsicht von <strong>de</strong>r verwirkten Strafe gewähren und mich<br />

in diesem Sinne begnadigen. Das erwünschte Resultat war die<br />

Eliminierung <strong>de</strong>r verbleiben<strong>de</strong>n knappen Hälfte <strong>de</strong>r einjährigen<br />

Bewährungsfrist sowie <strong>de</strong>s Eintrags im Strafregister. Das Obergericht<br />

schickte eine Kopie an die Regierung und eines an die STA. Ich war<br />

schon sehr gespannt, was diese zwei Institutionen wie<strong>de</strong>r dazu zu sagen<br />

hätten.<br />

Eine an<strong>de</strong>re Art Spannung erlebte ich vom 26. bis 28. April ’05.<br />

Ich buchte mir ein Flug ins Ausland. Es wür<strong>de</strong> das 1. Mal seit über 8<br />

Jahren sein, wo ich ein Flugzeug besteigen wür<strong>de</strong>. <strong>Der</strong> letzte Flug war<br />

<strong>de</strong>r von Buenos Aires nach Zürich. <strong>Die</strong>ses Mal ging es von Zürich nach<br />

Barcelona und zurück. Ich wollte endlich selber vor Ort nachsehen und<br />

von <strong>de</strong>r Anwaltskanzlei erfahren, was alles in <strong>de</strong>n vergangenen acht<br />

Jahren geschehen war.<br />

Ich buchte mir übers Internet auch ein Hotelzimmer in <strong>de</strong>r Stadtmitte. Es<br />

war schon ein komisches Gefühl wie<strong>de</strong>r in Spanien, in dieser Metropole<br />

zu sein – <strong>de</strong>r Heimat meiner Mutter. Wie<strong>de</strong>r fliessend Spanisch sprechen<br />

zu können. Verlernt hatte ich nichts. Ich nahm <strong>de</strong>n Zug vom Flughafen<br />

zur Estacio <strong>de</strong> Sants. Als erstes kaufte ich mir churros con chocolate. Ein<br />

Taxi brachte mich zum Hotel, dass nur ein paar wenige Häuserblocks<br />

weg von <strong>de</strong>r Rechtsanwaltskanzlei war.<br />

Das Wetter war grossartig. Ich besuchte meine alte Schule, die Schweizer<br />

Schule. Auch begab ich mich in die Strasse, wo die berühmte Wohnung<br />

lag. Ich schaute hinauf und erkannte die Terrasse wie<strong>de</strong>r. Es schien so,<br />

als wäre ich erst gestern aus <strong>de</strong>r Wohnung ausgezogen. Jene Wohnung,<br />

mit <strong>de</strong>r alles damals vor über 8 Jahren angefangen hatte.<br />

<strong>Die</strong> Kanzlei war eine <strong>de</strong>r Topadressen in Barcelona. Auf internationales<br />

Zivil- und Strafrecht spezialisiert. <strong>Die</strong> Arbeit dieser Kanzlei wur<strong>de</strong> auch<br />

aus Hans-Adam Portokasse bezahlt. Ich empfand grossen Dank dafür,<br />

529


als ich in einem <strong>de</strong>r pompösen Sitzungszimmer Platz nehmen durfte.<br />

Billig war <strong>de</strong>ren Arbeit sicher nicht. <strong>Der</strong> Jurist, <strong>de</strong>m mein Fall zugeteilt<br />

wur<strong>de</strong>, war zwar jung, aber blitzgescheit. Wir hatten schon ein paar Mal<br />

am Telefon gesprochen. Er erzählte mir, dass man meinen Akt, also alles<br />

über <strong>de</strong>n Wohnungskauf und über Argentinien sehr genau studiert<br />

hatte. Nach<strong>de</strong>m man das Ausmass <strong>de</strong>r Straftaten auf <strong>de</strong>r Farm in<br />

Argentinien erfasst hatte, wäre man sehr geschockt gewesen. Er habe<br />

zwar etwas davon schon im Gerichtsakt (Wohnungskauf) in Barcelona<br />

lesen können, aber er sei sich <strong>de</strong>r Dimension nicht bewusst gewesen. In<br />

1997 hatte ich nämlich <strong>de</strong>m Untersuchungsrichter in Barcelona per Post<br />

und Fax eine Zusammenfassung <strong>de</strong>r Verbrechen auf <strong>de</strong>r Farm<br />

zukommen lassen. Helmut hatte heftig versucht jenes Materials bei<br />

Gericht nicht zuzulassen. Meine damalige, vom Gericht zugeteilte<br />

Pflichtverteidigerin, konnte die Aufnahme in <strong>de</strong>n Akt trotz<strong>de</strong>m<br />

erwirken.<br />

Über <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong>diebstahl wusste <strong>de</strong>r Rechtsanwalt aber nichts. Hans-<br />

Adam wollte dies logischerweise nicht. Dass ihre Rechnungen aber<br />

indirekt von einer "grossen Bank" aus Vaduz beglichen wur<strong>de</strong>, hatten sie<br />

schon mitbekommen. Nach <strong>de</strong>m Aktenstudium habe man sich hier in<br />

<strong>de</strong>r Kanzlei in <strong>de</strong>r Tat gefragt, wie dies alles soweit hatte kommen<br />

können. Er bestätigte mir, dass ich über all die vergangenen Jahre einen<br />

gewaltigen Nachteil hatte, und umgekehrt die Täter Helmut Roegele &<br />

Co. einen massiven Vorteil geniessen konnten, weil ich mich auf <strong>de</strong>n<br />

offenbar erfolglosen Kampf um eine Strafverfolgung <strong>de</strong>r Täter in<br />

Liechtenstein konzentriert hatte.<br />

Im Rückblick, so erklärte er mir, hätte seine Kanzlei das Mandat dafür<br />

1997 gehabt, wäre ihr Bemühen um eine Anklage gegen Helmut & Co.<br />

bei <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft in Barcelona zu erwirken, kein Problem<br />

gewesen. <strong>Der</strong> damalige Haftbefehl gegen mich hätte dieser Arbeit nicht<br />

im Wege gestan<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Justiz in Spanien sei bekanntlich langsam, aber,<br />

so erzählte er mir mit Stolz, die in Barcelona arbeite im Vergleich zum<br />

Rest von Spanien sehr effizient - insbeson<strong>de</strong>re das Kriminalgericht. Er<br />

betonte, dass in Barcelona bis heute garantiert zumin<strong>de</strong>st eine Anklage<br />

plus eine erste Gerichtsverhandlung seit <strong>de</strong>n Taten im 1997 über die<br />

Bühne gegangen wäre.<br />

<strong>Die</strong>se Aussage stimmte mich so traurig und sprachlos, dass er mich für<br />

ein paar Minuten alleine liess. Als er zurückkam, bombardierte ich ihn<br />

530


mit tausend Fragen darüber, was aus juristischer Sicht gemacht wer<strong>de</strong>n<br />

kann o<strong>de</strong>r muss, um eine Anzeige und erstrebte Anklage gegen die Täter<br />

auf <strong>de</strong>n Weg zu bringen. Und ob meine Rücknahme auf die Fortsetzung<br />

<strong>de</strong>r Strafverfolgung in Vaduz ein Nachteil für Spanien wäre. Absolut<br />

nicht, sagte er. Keine <strong>de</strong>r vorgeworfenen Taten wäre in Spanien verjährt.<br />

Das Gericht, bzw. die Untersuchungsbehör<strong>de</strong>n in Barcelona wür<strong>de</strong>n die<br />

Fakten so aufnehmen, wie sie ihnen unterbreitet wür<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong><br />

Beschuldigten wür<strong>de</strong>n frisch einvernommen wer<strong>de</strong>n und so wie sich die<br />

Beweise präsentieren, wäre eine rasche Anklage die folgerichtige<br />

Konsequenz.<br />

Meine sehr <strong>de</strong>taillierte Anzeige von 1997 in Vaduz, die Fotos, <strong>de</strong>r Bericht<br />

vom Spital, das gerichtsmedizinische Gutachten, die Details <strong>de</strong>s Kerkers,<br />

das Mo<strong>de</strong>ll – dies alles und mehr wür<strong>de</strong> man <strong>de</strong>m<br />

Untersuchungsrichteramt (übersetzt) vorlegen. <strong>Die</strong>s hätte eine gewaltige<br />

Beweiskraft, sagte er mir. Da man aber von vorne beginnen müsse,<br />

könnte es schon eine längere Zeit dauern, bis es dann zu einer<br />

Kriminalgerichtsverhandlung, zumin<strong>de</strong>st über die in Spanien<br />

wohnhaften Täter kommen wür<strong>de</strong>, fügte er an. Ich fragte ihn nochmals,<br />

ob er keine An<strong>de</strong>utungen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rgleichen, von wem auch immer, aus<br />

Liechtenstein erhalten habe, in dieser Sache juristisch voranzugehen und<br />

aktiv zu wer<strong>de</strong>n. Nein, bisher nicht, sagte er nüchtern.<br />

Ob es viel Kosten wür<strong>de</strong>, die Sache durchzuziehen, fragte ich. Nicht<br />

gera<strong>de</strong> billig, aber im Rahmen <strong>de</strong>s Üblichen. Ob ein Auftrag <strong>de</strong>nn<br />

kommen wür<strong>de</strong>, fragte er mich. Ich sagte, ich weiss es nicht genau,<br />

wenn, dann wür<strong>de</strong>n ihre Kosten auch von Dritter Seite beglichen. Na<br />

dann hoffen wir auf einen Auftrag, sagte er. Ja, hoffentlich bald, sagte<br />

ich, obwohl es mir lau dämmerte, dass dieser Wunsch eine Illusion<br />

bleiben wür<strong>de</strong>.<br />

In Bezug auf die Schliessung <strong>de</strong>s Dossiers über <strong>de</strong>n Wohnungskauf sagte<br />

er, dass er schon persönlich mehrmals mit <strong>de</strong>m zuständigen Richter<br />

gesprochen hatte. In <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Wochen wäre die Sache erledigt.<br />

Vorrang hätten halt an<strong>de</strong>re, zu verhan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Gerichtsfälle. Ich<br />

bedankte mich bei ihm und seinem Team und versprach in Kontakt zu<br />

bleiben. Er lud mich noch zum Mittagessen ein, mit dabei war einer <strong>de</strong>r<br />

Besitzer <strong>de</strong>r Kanzlei.<br />

Ich machte einen langen Spaziergang durch die belebten Strassen und<br />

überlegte für einige Minuten, ob ich <strong>de</strong>n Folterer, Erpresser und<br />

531


Gangster Helmut anrufen soll. Besser nicht. Es wür<strong>de</strong> nichts bringen;<br />

ausser gewaltigem, emotionalen Stress für mich. Langsam aber sicher<br />

wan<strong>de</strong>rte ein böser Verdacht von meinem Unterbewusstsein ins<br />

Bewusstsein. Das Hans-Adam mir mit einer Strafverfolgung gar nie<br />

helfen wür<strong>de</strong>, gar nie helfen wollte. Alles <strong>de</strong>utete darauf hin. Sonst hätte<br />

man doch diese Kanzlei in Barcelona schon lange damit beauftragt.<br />

Niemand wäre besser dafür geeignet. Alleine die Übersetzung aller<br />

Beweise von Deutsch in Spanisch wür<strong>de</strong> Monate dauern. <strong>Die</strong> Heimreise<br />

nutzte ich dazu, mir klar zu wer<strong>de</strong>n, dass hier einiges falsch gelaufen<br />

war und immer noch läuft.<br />

Trotz<strong>de</strong>m wollte ich meinen Wi<strong>de</strong>rstand gegen eine Abreise aus<br />

Liechtenstein nicht mehr fortsetzen und spätestens En<strong>de</strong> Mai ausziehen.<br />

Denn, wie so oft in <strong>de</strong>n vergangenen Monaten, hatte am En<strong>de</strong> die<br />

Hoffnung wie<strong>de</strong>r überhand. Ich musste Hans-Adam glauben. Alles<br />

an<strong>de</strong>re machte doch keinen Sinn. O<strong>de</strong>r?<br />

Wie<strong>de</strong>r zurück in Liechtenstein fing ich an, meine Sachen zu sortieren.<br />

Viel hatte ich ja nicht. <strong>Die</strong> Möbel gehörten ja <strong>de</strong>r LGT. Ich schrieb <strong>de</strong>n<br />

Fernseher, ein TV/Vi<strong>de</strong>o-Kombigerät für CHF 200.- zum Verkauf aus. Ich<br />

wollte ihn nicht mit ins Ausland nehmen. <strong>Die</strong> einzige Person, die auf das<br />

Inserat angerufen hatte, war eine gewisse Frau Feuerstein. Schreck oh<br />

Schreck, hatte ich sofort gedacht. Hoffentlich ist es nicht die Frau von<br />

meinem Ex-Chef. Den Familiennamen Feuerstein gab es ganz selten im<br />

Ländle. Dann erinnerte ich mich, dass er mit seiner Familie ein Haus im<br />

Schweizer Rheintal, weiter nördlich, Richtung Bo<strong>de</strong>nsee bewohnte. Den<br />

Steuerwohnsitz aber in Triesenberg hatte. Sie wollte <strong>de</strong>n Fernseher sehen<br />

und bei Gefallen sofort kaufen. Für ihre kleine Wohnung im Ländle. Am<br />

Tag nach <strong>de</strong>m Telefon kam sie am Abend in meine Wohnung.<br />

Vom Alter her konnte sie nicht die Frau vom Ex-Chef sein. Ich fragte sie,<br />

ob sie mit Nicola Feuerstein verwandt wäre. Ja, sagte sie, sie sei die<br />

Mutter. Ob ich ihn kennen wür<strong>de</strong>, er sei <strong>de</strong>r Chef <strong>de</strong>r grossen LGT<br />

Treuhand, sagte sie mit Stolz. Nö, Nö sagte ich leise, ich hätte nur mal<br />

flüchtig von ihm gehört. Oho, offenbar hatte sie mich nicht erkannt. Ich<br />

hatte ihr zu meiner Begrüssung nur meinen Nachnamen gesagt. Ich<br />

wollte das Verkaufsgespräch gleich been<strong>de</strong>n. Sie wollte <strong>de</strong>n Fernseher<br />

aber kaufen und drückte mir das Geld bar in die Hand und bat mich, das<br />

Gerät bei ihrem Sohn im Büro abzugeben. En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Monats wäre OK für<br />

sie. Auf Wie<strong>de</strong>rsehen Herr Kieber und weg war sie. Mist, ausgerechnet<br />

die Mutter vom Nicola kauft meinen Fernseher.<br />

532


Natürlich konnte und wür<strong>de</strong> ich das Gerät nicht bei <strong>de</strong>r Treuhand<br />

abgeben. Obwohl, reizen wür<strong>de</strong> es mich schon. <strong>Die</strong> langen Gesichter<br />

hätte ich gerne gesehen. Am En<strong>de</strong> hatte ich die Schachtel mit <strong>de</strong>m<br />

Fernseher am 1. Juni zum Personaleingang <strong>de</strong>r LGT Bank gebracht und<br />

<strong>de</strong>n Pförtner gebeten, Feuerstein in seinem Büro in <strong>de</strong>r Treuhand<br />

anzurufen und mitzuteilen, dass <strong>de</strong>r TV seiner Mutter hier wäre. Ich<br />

hatte behauptet, dass Nicola wissen wür<strong>de</strong>, dass man die Schachtel hier<br />

abgeben wür<strong>de</strong>.<br />

In Sachen Gna<strong>de</strong>ngesuch hat sich auch wie<strong>de</strong>r vieles ereignet. Ich erfuhr,<br />

dass die Regierung sich eines Kommentars zum Gna<strong>de</strong>ngesuch<br />

enthalten hatte. <strong>Die</strong> STA hingegen hatte am 27.4. eine Stellungsnahme<br />

ausgefertigt. Wie<strong>de</strong>r musste sie mir mein Leben schwer machen. Als<br />

hätte sie nicht schon genug Scha<strong>de</strong>n angerichtet. <strong>Der</strong> Staatsanwalt Haun<br />

wollte die Gelegenheit nicht verpassen, und sprach sich vehement gegen<br />

eine Begnadigung aus. Interessant wur<strong>de</strong> es im 2. Teil seiner kurzen<br />

Auslassung. Er befürworte hingegen eine Art bedingte<br />

Strafregisterauskunft. In <strong>de</strong>m Sinne, dass alles beim Alten bleiben soll,<br />

aber einer ausländischen Behör<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Strafregistereintrag nicht mitgeteilt<br />

wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>.<br />

Wie kommt die Staatsanwaltschaft auf diese I<strong>de</strong>e, fragte ich mich. <strong>Die</strong><br />

Behör<strong>de</strong> hatte von <strong>de</strong>r Regierung erfahren, dass es Hans-Adams Wunsch<br />

war, dass ich für ein paar Jahre aus <strong>de</strong>m Land verschwin<strong>de</strong>n sollte.<br />

Dabei hatte sich herausgestellt, dass diesem Befehl besser gedient<br />

wer<strong>de</strong>n könnte, wenn ich keinen Strafregistereintrag mehr hätte. Damit<br />

könne verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, dass das Ausland über Umwege von jenem<br />

Teil <strong>de</strong>s geheimen Gerichtsprozess erfahren wür<strong>de</strong>, wo die Sache mit<br />

<strong>de</strong>n heiklen Kun<strong>de</strong>ndaten behan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>. Darum das Gna<strong>de</strong>ngesuch.<br />

<strong>Die</strong> STA freute sich natürlich insgeheim sehr darüber, dass mir befohlen<br />

wor<strong>de</strong>n war, das Land zu verlassen. <strong>Der</strong> vermeintlich schlaue Haun<br />

verbrachte Nächte damit, eine rechtliche Lücke o<strong>de</strong>r Lösung zu fin<strong>de</strong>n,<br />

so dass keine Begnadigung notwendig wäre, um mich trotz<strong>de</strong>m ins<br />

Ausland verbannen zu können. Ob Haun für seine gefun<strong>de</strong>ne Lösung<br />

dann später die Gol<strong>de</strong>ne Verdienstmedaille von Hans-Adam erhalten<br />

hatte, weiss ich nicht. Wun<strong>de</strong>rn wür<strong>de</strong> es mich nicht.<br />

Bevor das Gesuch auf <strong>de</strong>m Tisch von Erbprinz Alois lan<strong>de</strong>te, schickte es<br />

das Obergericht zusammen mit <strong>de</strong>r Äusserung <strong>de</strong>r STA zum<br />

Landgericht. <strong>Die</strong>ses fällte dann einen eigenen Beschluss (sogenannte<br />

„Empfehlung‚) dazu. Gegen diesen Beschluss war im Übrigen kein<br />

533


Rechtsmittel zulässig. Das letzte Wort hatte dann natürlich das neue<br />

Staatsoberhaupt Alois.<br />

Am 11.5. fällte das Landgericht seinen nicht-öffentlichen Beschluss. Und<br />

zwar ausgerechnet jener Richter, <strong>de</strong>r mich zusammen mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

Richtern zu <strong>de</strong>n ursprünglichen vier Jahren Haft verurteilt hatte. Das LG<br />

hielt fest:<br />

Zweifellos ist von einer grundsätzlichen Gna<strong>de</strong>nswürdigkeit <strong>de</strong>s<br />

Gna<strong>de</strong>nswerber auszugehen. Hinzu kommt noch, dass sich <strong>de</strong>r<br />

Gna<strong>de</strong>nbewerber in <strong>de</strong>r bisherigen Probezeit offenbar bewährt<br />

hat.<br />

Und kam dann zu folgen<strong>de</strong>r Schlussfolgerung:<br />

Das Gna<strong>de</strong>ngesuch <strong>de</strong>s Heinrich Kieber, ihm vollumfänglich<br />

Nachsicht von <strong>de</strong>r mit Urteil <strong>de</strong>s <strong>Fürst</strong>lichen Obergerichtes vom<br />

07.01 .2004, über ihn verhängten Strafe zu gewähren und ihn in<br />

diesem Sinne zu begnadigen, wird nicht befürwortet.<br />

Demgegenüber wird eine Begnadigung dahingehend, dass<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>r mit Urteil <strong>de</strong>s <strong>Fürst</strong>lichen Obergerichtes vom<br />

07.01.2004, verhängten Verurteilung <strong>de</strong>s Gna<strong>de</strong>ngesuchswerbers<br />

nur beschränkte Auskunft aus <strong>de</strong>m Strafregister nach Art. 9 Abs.<br />

1 Strafregistergesetz erteilt wird, befürwortet.<br />

Am 12.5. schickte das LG seinen Beschluss an das Obergericht. Am 18.5.<br />

fasste das OG seinen nicht-öffentlichen Beschluss, worin es <strong>de</strong>n<br />

Beschluss vom LG bestätigte. Zusätzlich:<br />

Gegen diesen (mit <strong>de</strong>m Erstgericht konformen) Beschluss ist die<br />

Revisionsbeschwer<strong>de</strong> binnen 14 Tagen ab Zustellung an <strong>de</strong>n<br />

<strong>Fürst</strong>lichen Obersten Gerichtshof zulässig.<br />

Am 25.5. verfasste das OG einen Aktenvermerk, worin festgehalten<br />

wur<strong>de</strong>, dass die STA nichts gegen ihren Beschluss (v.18.5.) einzuwen<strong>de</strong>n<br />

hätte. Gleichtags hatte das OG an Alois geschrieben und bat ihn um<br />

Genehmigung <strong>de</strong>s OG-Beschlusses. Auch am 25.5. hatte Rechtsanwalt<br />

Müller ans Gericht geschrieben, dass er in meinem Namen keine Revision<br />

beantragen wür<strong>de</strong>.<br />

534


Als ich von all <strong>de</strong>m erfahren hatte, wenn wun<strong>de</strong>rt’s noch, war die Frist<br />

zur Einsprache schon verfallen. Müller hatte mich nicht informiert. Sein<br />

Standpunkt dazu war, dass Hans-Adam keine Revision <strong>de</strong>s OG-<br />

Beschlusses vom 18.5. wollte. Was soll das heissen „Hans-Adam wolle<br />

keine Revision‚, fragte ich, schon etwas gereizt. Es war ja mein<br />

Gna<strong>de</strong>ngesuch nicht seines; unabhängig davon, dass ich es gar nie<br />

wollte.<br />

Müller klärte mich auf, dass diese zwei Beschlüsse nur Teil <strong>de</strong>r normalen<br />

Prozedur wären. Gemäss Gesetz müsste sich das Staatsoberhaupt nicht<br />

an die Beschlüsse halten; diese wären weniger als Gerichtsbeschlüsse<br />

son<strong>de</strong>rn mehr als eine Art Empfehlung an das Staatsoberhaupt<br />

anzusehen. Schliesslich wäre es ja gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Sinn und Zweck eines<br />

Gna<strong>de</strong>ngesuchs, ihn um Gna<strong>de</strong> zu bitten und nicht das Gericht, wo dies<br />

gar nicht möglich ist. Das Staatsoberhaupt könne immer frei entschei<strong>de</strong>n<br />

und wäre nicht an irgendwelche Ansichten An<strong>de</strong>rer gebun<strong>de</strong>n. Ich klärte<br />

dies mit <strong>de</strong>m Bankdirektor ab und dieser bestätigte mir <strong>de</strong>n Sachverhalt<br />

und die juristischen Feinheiten.<br />

Trotz<strong>de</strong>m stand ich für eine ganze Weile unter Schock. Warum hören sie<br />

nicht auf mich zu erniedrigen. Was für ein Schlag ins Gesicht! Was soll<br />

das ganze Theater? 1. die Begnadigung vom Gericht brutal<br />

abgeschmettert und 2. eine bedingte Strafregisterauskunft, die ich nie<br />

gewünscht hatte, geschweige <strong>de</strong>nn beantragt hatte. Zu<strong>de</strong>m hatte Hans-<br />

Adam in seinem „Antwortschreiben‚ vom 13.4. doch ausdrücklich<br />

Schwarz auf Weiss mitgeteilt, dass er die Voraussetzung einer<br />

Begnadigung als gegeben ansehen wür<strong>de</strong> (was auch noch in bei<strong>de</strong>n<br />

Gerichtsbeschlüssen wörtlich zitiert wur<strong>de</strong>). Und eines ist in<br />

Liechtenstein glasklar, kein Richter wür<strong>de</strong> einen solchen Wink von ihm<br />

übersehen. Das be<strong>de</strong>utet, dass alles schon vorher abgesprochen wor<strong>de</strong>n<br />

war. Unter Ausschluss meiner Person natürlich. Ich war schon wie<strong>de</strong>r in<br />

die Irre geführt wor<strong>de</strong>n. Aber warum? Um mich auf die Palme zu<br />

bringen? Warum hatte Hans-Adam zuerst geschrieben, dass er eine<br />

Begnadigung OK fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Dann wur<strong>de</strong> mir dieses Schreiben unter<br />

die Nase gerieben. Und später hatte das Gericht doch ein Nein<br />

empfohlen. Ergab alles keinen Sinn. Langsam aber sicher drehte ich<br />

durch.<br />

RA Müller versuchte mir zu erklären, dass man hier keine Logik<br />

anwen<strong>de</strong>n könnte. Hans-Adam, bzw. nun Alois wür<strong>de</strong>n auf die<br />

535


Empfehlungen <strong>de</strong>s Gerichts pfeifen und bei Vorlage <strong>de</strong>s kompletten<br />

Gesuchs wie versprochen die Begnadigung durchziehen. <strong>Der</strong><br />

Bankdirektor ballerte auf mich ein und sagte, dass dies nur ein<br />

Nebenschauplatz wäre. Wichtig sei die baldige und sicher kommen<strong>de</strong><br />

Strafverfolgung <strong>de</strong>r Täter aus Argentinien. RA Müller ging sogar so<br />

weit, mich zu bitten, selber keine Aktenkopien aus meinen Fällen,<br />

inklusive <strong>de</strong>s hängigen Gna<strong>de</strong>nsgesuch (hängig da Alois noch nicht<br />

seinen Entscheid darüber gemacht hatte), beim Gericht einzusehen o<strong>de</strong>r<br />

zu verlangen.<br />

Ja, Ja, Ja, antwortete ich darauf und meinte aber Nein, Nein, Nein. Bei<br />

genauerem Lesen <strong>de</strong>r Gerichtsbeschlüsse (vom 11.5 und 18.5.) fand ich<br />

<strong>de</strong>n wahren Grund, warum das Gericht ablehnend gegenüber einer<br />

Begnadigung stand. (<strong>Die</strong> Position <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft zum<br />

Gna<strong>de</strong>ngesuch war ja schon durch ihr Verhalten mir gegenüber in <strong>de</strong>n<br />

vorangegangenen acht Jahren zementiert wor<strong>de</strong>n). Unscheinbar, fast<br />

nebensächlich war in <strong>de</strong>n zwei Beschlüssen nie<strong>de</strong>rgeschrieben wor<strong>de</strong>n:<br />

Angesicht <strong>de</strong>r in jüngster Zeit geführten öffentlichen Diskussion<br />

um die Gna<strong>de</strong>praxis im <strong>Fürst</strong>entum Liechtenstein soll an dieser<br />

Stelle Fabrizy StPO zitiert wer<strong>de</strong>n<br />

Jetzt ging mir ein Licht auf. Wie<strong>de</strong>r musste ich für etwas bezahlen, wo<br />

ich absolut nichts dafür konnte. Gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Jahren seit <strong>de</strong>r<br />

Jahrtausendwen<strong>de</strong> hatte Hans-Adam vom seinem Recht zu Begnadigung<br />

exzessive Gebrauch gemacht. Praktisch je<strong>de</strong> und je<strong>de</strong>r vom Gericht in<br />

Liechtenstein Verurteilte stellte früher o<strong>de</strong>r später ein Gesuch um<br />

Begnadigung an das Staatsoberhaupt. Normalerweise wur<strong>de</strong> ein solches<br />

Gesuch diskret behan<strong>de</strong>lt. <strong>Die</strong> Öffentlichkeit erfuhr praktisch selten<br />

davon, trotz <strong>de</strong>r im Grun<strong>de</strong> öffentlich geführten Gerichtsprozesse (nur<br />

bei <strong><strong>Die</strong>b</strong>stählen von <strong>Daten</strong> wie im Fall Batliner, LLB und LGT wur<strong>de</strong> die<br />

Öffentlichkeit ausgeschlossen).<br />

Bei <strong>de</strong>n Gna<strong>de</strong>nersuchen ging es oft darum, eine Reststrafe zu erlassen<br />

o<strong>de</strong>r eine Haftstrafe in eine Geldbusse umzuwan<strong>de</strong>ln. O<strong>de</strong>r auch die<br />

beschädigte Reputation eines verurteilten Mitglie<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Hohen-Finanz-<br />

Welt aus Liechtenstein wie<strong>de</strong>r aufzupeppen, in<strong>de</strong>m man schnell <strong>de</strong>n<br />

Eintrag ins Strafregister komplett löschte so dass <strong>de</strong>r Betroffene wie<strong>de</strong>r<br />

mit "reiner Weste" <strong>de</strong>n Geldgeschäften nachgehen konnte.<br />

536


Seit <strong>de</strong>m Jahr 2002 wur<strong>de</strong>n eine Reihe solcher Individuen vom<br />

Kriminalgericht zu Haft- o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Strafen verurteilt. Häufig hatten<br />

diese Täter ihre Kun<strong>de</strong>n betrogen. Und obwohl ihre Taten, bekannt<br />

gewor<strong>de</strong>n durch die Gerichtsprozesse, auch einen Imagescha<strong>de</strong>n für die<br />

Branche und das Land verursacht hatten, zeigte Hans-Adam viel<br />

Verständnis und begnadigte viele davon. Ganz unschuldig waren die<br />

Gerichte dabei aber auch nicht. In <strong>de</strong>n allermeisten (<strong>de</strong>r bekannten) Fälle<br />

hatten sie während <strong>de</strong>r Prozedur eines Gna<strong>de</strong>nsgesuch eine positive<br />

Empfehlung für eine Begnadigung Richtung Schloss abgegeben. Oft<br />

rutschte auch jemand mit Erfolg durch die Begnadigungsmaschinerie,<br />

ohne dass <strong>de</strong>r von ihm angerichtete (finanzielle) Scha<strong>de</strong>n vollständig<br />

repariert wor<strong>de</strong>n war, wenn überhaupt. Meines Wissen fallen darunter<br />

auch die zwei Treuhän<strong>de</strong>r in Vaduz, die 1999 von einem Berliner Gericht<br />

zur Verhaftung ausgeschrieben wur<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>ren Auslieferung<br />

Deutschland beantragte. Liechtenstein hatte damals erfolgreich die<br />

Auslieferung abgewehrt und verhin<strong>de</strong>rt; mit <strong>de</strong>r sensationellen<br />

Begründung, dass "eine Auslieferung gegen die Menschenwür<strong>de</strong><br />

verstossen hätte".<br />

So dauerte es nicht lange, bis die ausländischen Medien Wind von<br />

solchen Begnadigungen bekommen hatten. Einerseits weil sich die<br />

geprellten Opfer lautstark wun<strong>de</strong>rten, wie es möglich war, dass die<br />

gera<strong>de</strong> noch verurteilten Treuhand- o<strong>de</strong>r Bankmanager schon wie<strong>de</strong>r im<br />

Business sein konnten. An<strong>de</strong>rerseits weil gewissen Insi<strong>de</strong>rn (darunter<br />

konkurrieren<strong>de</strong> Treuhän<strong>de</strong>r) im Land diese Begnadigungspraxis ein<br />

Dorn im Auge war. Je mehr Fälle in die Medien katapultiert wor<strong>de</strong>n<br />

waren, <strong>de</strong>sto mehr erhitzte sich die Diskussion um das offenbar sehr<br />

barmherzige Engagement <strong>de</strong>s Staatsoberhauptes in Sachen Straferlasse<br />

für Treuhän<strong>de</strong>r und Bankmanager.<br />

Und ausgerechnet als meine Begnadigung, die ich selber we<strong>de</strong>r<br />

beantragt noch erwünscht hatte, aktuell und an <strong>de</strong>r Reihe war, hatte das<br />

Gericht be<strong>de</strong>nken, wie<strong>de</strong>r eine Begnadigung positiv zu „empfehlen‚.<br />

Was für eine scheinheilige Begründung. Befürchtungen wegen eines<br />

imaginären Aufschreis <strong>de</strong>s Volkes konnten in meinem Fall ja gar nicht<br />

vorhan<strong>de</strong>n sein. Niemand kam zu Scha<strong>de</strong>n, bzw. <strong>de</strong>r angebliche<br />

Scha<strong>de</strong>n in Spanien wur<strong>de</strong> ja beglichen. Kein Kun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r LGT Treuhand<br />

wur<strong>de</strong> belästigt. Mein Gerichtsprozess wur<strong>de</strong> ja auch unter <strong>de</strong>m dunklen<br />

Mantel <strong>de</strong>r Nicht-Öffentlichkeit abgehalten. Aber, ich hätte halt Anfang<br />

537


2003 die Justiz nicht <strong>de</strong>r Inkompetenz und <strong>de</strong>s Machtmissbrauchs<br />

beschuldigen sollen.<br />

In <strong>de</strong>r zweitletzten Maiwoche konfrontierte ich <strong>de</strong>n Bankdirektor mit<br />

diesen Fakten. Er sagte nur, dass ich ignorieren sollte, was das Gericht<br />

o<strong>de</strong>r die Staatsanwaltschaft geschrieben hatten. Hans-Adam hätte ihm<br />

und <strong>de</strong>m Professor bei <strong>de</strong>r letzten Audienz am 6.4. persönlich bestätigt,<br />

dass er seinen Sohn Alois anweisen wür<strong>de</strong>, die Begnadigung gemäss<br />

Rechtsanwalt Müllers Antrag zu bewilligen. <strong>Der</strong> Antrag sei ja vorher (im<br />

Detail) zwischen <strong>de</strong>m Anwalt und <strong>de</strong>m Trio Hans-Adam, Bankdirektor<br />

& Professor abgesprochen wor<strong>de</strong>n.<br />

Na dann ist es ja gut, sagte ich, nicht ganz überzeugt von <strong>de</strong>r Sache. Bei<br />

dieser Gelegenheit hatte ich <strong>de</strong>m Bankdirektor mitgeteilt, dass ich En<strong>de</strong><br />

Mai ausziehen wür<strong>de</strong>. Er fragte, warum ich es auf einmal so eilig hätte;<br />

ich könnte ruhig bis En<strong>de</strong> Juni o<strong>de</strong>r gar Juli bleiben. Es hätte sich ja alles<br />

etwas nach hinten verschoben. Ich erwi<strong>de</strong>rte, dass es doch offenbar <strong>de</strong>r<br />

Wunsch von Hans-Adam wäre, dass ich mich von seinem Land für eine<br />

Weile fern halte. Ich möchte ihn nicht verärgern; sonst wür<strong>de</strong> er noch<br />

seine versprochene juristische Unterstützung zurückziehen. Wohin, fragt<br />

<strong>de</strong>r Bankdirektor. Ich erlaubte mir ein Scherz und sagte zwei Stockwerke<br />

höher. Nein, zuerst in ein möbliertes Zimmer in <strong>de</strong>r Schweiz. <strong>Die</strong><br />

Schweiz? fragte er.<br />

Ja, Zürich und dann nach Spanien. Dort wür<strong>de</strong> man mich sicher<br />

brauchen, wenn man <strong>de</strong>n Startschuss für die Strafverfolgung von<br />

Helmut & Co. abgeben wür<strong>de</strong>. Er schwieg und nickte be<strong>de</strong>utungslos mit<br />

<strong>de</strong>m Kopf. Ich fragte, ob ihm eine Wohnungsübergabe am 1. Juni recht<br />

wäre. Ja, OK, meinte er. Alois hätte sicher bis dann die Begnadigung<br />

erledigt. Zu<strong>de</strong>m hätte die LGT sowieso eine Kündigungsfrist von 3<br />

Monaten. Eventuell wür<strong>de</strong>n sie aber die Wohnung auch für ihr Personal<br />

behalten.<br />

In <strong>de</strong>r letzten Maiwoche erledigte ich noch ein paar administrative<br />

Aufgaben. Ich bezahlte meine wenigen Steuern und mel<strong>de</strong>te mich bei<br />

<strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> Vaduz per 1.6.’05 ordnungsgemäss ab, und zwar nach<br />

Barcelona. Obwohl ich zuerst einige Zeit in <strong>de</strong>r Schweiz bleiben wollte,<br />

hatte ich geplant, spätestens En<strong>de</strong> August in Barcelona einzutreffen. Ich<br />

reinigte die Wohnung von oben bis unten und stattete <strong>de</strong>m Grab meines<br />

Vaters einen letzten Besuch ab.<br />

<strong>Die</strong> letzten 3 Tage besuchte ich meine Freun<strong>de</strong> und verabschie<strong>de</strong>te mich.<br />

Ihnen war es schon seltsam vorgekommen, dass ich so rasch "wegziehen<br />

538


wollte‚, ja überhaupt weg wollte. Aber eben, ich konnte ihnen nichts von<br />

meinem Parallelleben erzählen. Nicht das ich es nicht wollte, aber es war<br />

besser so. Einige hätten es sicher verstan<strong>de</strong>n.<br />

Am 1. Juni 2005, nach einem Jahr und 11 Monaten übergab ich <strong>de</strong>m<br />

Bankdirektor wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Wohnungsschlüssel und bedankte mich für die<br />

Gastfreundschaft <strong>de</strong>r LGT. Er bedankte sich auffallend stark für mein<br />

gutes und vorbildliches Verhalten in <strong>de</strong>n letzten 23 Monaten und<br />

versprach mir, mich sofort anzurufen, wenn die gute Neuigkeit vom<br />

Schloss herunter gemel<strong>de</strong>t wür<strong>de</strong>. Er entschuldigte sich dafür, dass sich<br />

lei<strong>de</strong>r alles etwas verzögert hatte. Ob er mir eine Fahrt zum Bahnhof<br />

anbieten könne, fragt er mich. Nein danke. Ein Bekannter wür<strong>de</strong> mich<br />

zum Bahnhof in Sargans bringen. Ich winkte ihm solange zu, bis <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor mit seinem Auto hinter <strong>de</strong>r Kurve verschwand. Ich<br />

verabschie<strong>de</strong>te mich bei meinen Nachbarn im Haus. Es waren sehr<br />

angenehme Nachbarn und ich war ebenso angenehm für sie. Mein<br />

Fahrer kam und wir lu<strong>de</strong>n meine von sieben auf zwei reduzierten<br />

Sachen ein.<br />

Ich wollte noch durch das Zentrum von Vaduz spazieren gehen. <strong>Die</strong><br />

Szene wie eh und je. Touristen, die <strong>de</strong>n scharf kalkulierten 22-Minuten-<br />

22-Sekun<strong>de</strong>n-Bus-Stop nutzten, um Fotos zu schiessen o<strong>de</strong>r Briefmarken<br />

und Souvenirs mit <strong>de</strong>m Foto von Hans-Adam und seiner Familie zu<br />

kaufen. Dazu ausländische, furchtlose Bank- o<strong>de</strong>r Treuhandkun<strong>de</strong>n, die<br />

sich immer noch mit <strong>de</strong>m eigenen Wagen nach Vaduz trauten und auch<br />

noch <strong>de</strong>n Mut hatten, in <strong>de</strong>n Tiefgaragen <strong>de</strong>r Banken o<strong>de</strong>r<br />

Treuhandfirmen zu parken. Und dazwischen das einheimische Volk.<br />

Frie<strong>de</strong>n auf Er<strong>de</strong>n.<br />

Nach<strong>de</strong>m wir auf <strong>de</strong>r Rheinbrücke die offene Grenze zur Schweiz<br />

überquert hatten, bat ich <strong>de</strong>n Fahrer anzuhalten. Ich stieg aus, drehte ich<br />

mich um und schaute Richtung Vaduz und Schloss. Ich blieb eine ganze<br />

Weile an <strong>de</strong>rselben Stelle stehen. Wie<strong>de</strong>r einem Wunsch von Hans-<br />

Adam entsprochen. Fast wollte ich ihn vom Handy aus auf <strong>de</strong>m Schloss<br />

anrufen. Vielleicht wäre er ja zu Hause gewesen. Besser nicht. Bald<br />

wür<strong>de</strong> ich ja Gutes von <strong>de</strong>n „von Liechtenstein‚ hören.<br />

Während ich am rechten Zürichseeufer in meinem kleinen, aber sehr<br />

gediegenem möbliertem Zimmer einrichtete, erhielt ich einen Anruf vom<br />

Bankdirektor. Ob ich man mich am Samstag, o<strong>de</strong>r Sonntag in Zürich<br />

treffen könnte. Ja klar, selbstverständlich. Es ginge um <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Fall,<br />

mehr könne er am Telefon nicht sagen. OK, sagte ich.<br />

539


Als ich zum vereinbarten Treffpunkt in <strong>de</strong>r City eingetroffen war,<br />

warteten drei Personen auf mich. Das ist aber ein grosses<br />

Besuchskomitee, sagte ich. Nebst <strong>de</strong>n zwei "üblichen Verdächtigen‚<br />

(Bankdirektor und Professor) war eine mir unbekannte Person<br />

anwesend. <strong>Die</strong>ser hatte einen starken südwest<strong>de</strong>utschen Akzent, ein<br />

Schwäbele vielleicht. Ich wur<strong>de</strong> um meine Meinung zum LLB Fall<br />

gefragt. <strong>Die</strong>s erstaunte mich insofern, da man ja wusste, dass Lampert<br />

verurteilt und sicher in einem österreichischen Gefängnis verwahrt war.<br />

<strong>Der</strong> Deutsche zeigte mir einen mit hastiger Hand geschriebenen Brief. Es<br />

war nicht das Original. <strong>Die</strong> Briefkopie hatte auch kleine Vermerke und<br />

verschie<strong>de</strong>ne Stempelabdrucke. Ich durfte <strong>de</strong>n knapp 2-seitigen Brief<br />

durchlesen. Es war ein Brief von Roland Lampert, <strong>de</strong>n er erst vor kurzem<br />

aus <strong>de</strong>m Gefängnis in Garsten geschrieben hatte. <strong>Die</strong> Stelle, wo<br />

vermutlich das Datum war, war mit einem Post-It-Kleber ver<strong>de</strong>ckt. <strong>Der</strong><br />

Brief war an das <strong>Fürst</strong>enhaus gerichtet (wenn ich mich richtig erinnere,<br />

nur an Alois). Lampert schil<strong>de</strong>rte darin, dass er über seinen Anwalt<br />

(o<strong>de</strong>r nur "sein Anwalt") schon Kontakt mit <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Behör<strong>de</strong>n<br />

aufgenommen hätte und wenn man ihn nicht sofort frei lassen wür<strong>de</strong> -<br />

ich glaube, er wollte dafür komplett begnadigt wer<strong>de</strong>n - so drohte er,<br />

diesem Anwalt mitzuteilen, dass dieser alle Kopien <strong>de</strong>n Deutschen<br />

übergeben wer<strong>de</strong>n sollte. Er erwähnte auch etwas von Drohungen an die<br />

Kun<strong>de</strong>n. Er, Lampert wolle dies alles nicht tun, aber das <strong>Fürst</strong>enhaus<br />

wür<strong>de</strong> ihn dazu zwingen, sollte man ihn nicht sofort freilassen.<br />

Ich fand es schon erstaunlich, dass Lampert immer noch versuchte seine<br />

Erpressung durchzuziehen. Und dies auch noch aus <strong>de</strong>m Gefängnis<br />

raus. Ich fragte die Herren, warum sie <strong>de</strong>n Brief mir zeigen wür<strong>de</strong>n. Sie<br />

wollten wissen, ob ich <strong>de</strong>nke, dass Lampert die <strong>Daten</strong>, o<strong>de</strong>r alle <strong>Daten</strong><br />

noch hatte. Ich fragte dann, ob Lampert einen Beweis dafür geliefert<br />

hatte, dass er sie noch besitzen wür<strong>de</strong>. O<strong>de</strong>r man irgendwas schon in<br />

Richtung publik gemachte <strong>Daten</strong> gesehen o<strong>de</strong>r gehört hätte.<br />

Nein, <strong>de</strong>n Beweis habe er nicht erbracht, war die Antwort. Aber es<br />

wären Kun<strong>de</strong>n von Unbekannten angesprochen wor<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r sie hätten<br />

„Post‚ erhalten. Dann muss Lampert wohl Komplizen haben, da er ja<br />

hinter Gitter sitzt, sagte ich. Hätte ich an jenem Tag schon gewusst, was<br />

in Kürze auf mich selber zukommen wür<strong>de</strong>, hätte ich <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Satz<br />

nie so formuliert: „In Bezug auf Lampert wäre ich schon immer <strong>de</strong>r<br />

Meinung gewesen, dass er sich sicher eine Kopie <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> irgendwo<br />

aufbewahrt hatte. So wie ich es in meiner Denkschrift für Hans-Adam als<br />

Theorie festgehalten hatte.‚<br />

540


Sie fragten mich, ob ich <strong>de</strong>nken wür<strong>de</strong>, dass Lampert wirklich schon –<br />

mit o<strong>de</strong>r ohne Anwalt – mit irgendwelchen Behör<strong>de</strong>n aus Deutschland<br />

gesprochen haben könnte. Ich war überzeugt, dass <strong>de</strong>m nicht so wäre. Er<br />

hätte ja <strong>de</strong>n alleinigen Fokus auf dass Erpressen von Geld gehabt. Da<br />

ihm dies nicht gelungen war und er statt<strong>de</strong>ssen im Gefängnis lan<strong>de</strong>te,<br />

versuchte er offenbar sich in die Freiheit „raus zu erpressen‚.<br />

Man erzählte mir auch, dass man <strong>de</strong>n Komplizen in Deutschland auf <strong>de</strong>n<br />

Fersen wäre; entwe<strong>de</strong>r war die Mithilfe einer Deutschen<br />

Wirtschafts<strong>de</strong><strong>de</strong>ktei (ESPO o<strong>de</strong>r EPOS) schon im Gang o<strong>de</strong>r noch in <strong>de</strong>r<br />

Planung.<br />

So, so, sagte ich. Warum verhaftet man sie <strong>de</strong>n nicht. Geht ja nicht,<br />

wur<strong>de</strong> ich schnell wie<strong>de</strong>r erinnert. <strong>Die</strong> Liechtensteiner Art und Weise<br />

solche Probleme zu lösen sehe ja nicht vor, dass man die <strong>de</strong>utschen<br />

Behör<strong>de</strong>n einschalten konnte o<strong>de</strong>r wollte. Was ja auch wie<strong>de</strong>r logisch<br />

war. Zum Abschluss sagte ich nur, dass <strong>de</strong>m Schreiben nach zu urteilen<br />

Lampert sehr verzweifelt wäre und man mit <strong>de</strong>m schlimmsten rechnen<br />

müsste. Man bedankte sich für meine Hilfe und so schnell wie sie nach<br />

Zürich gekommen waren, so schnell waren sie auch wie<strong>de</strong>r weg.<br />

Eigentlich hatte ich keine Zeit und Lust grosse Gedanken an <strong>de</strong>n LLB-<br />

Fall zu verlieren. Ich hatte genug mit meiner Angelegenheit zu tun.<br />

Im Steuerparadies hatte Alois am 6.6.’05 die Zeit gefun<strong>de</strong>n, um einen<br />

Entscheid zu fällen. Seine Sekretärin schickte <strong>de</strong>m OG ein kurzes<br />

Schreiben:<br />

Darf ich Sie bitten, Herrn Heinrich Kieber über <strong>de</strong>n Entscheid<br />

Seiner Durchlaucht <strong>de</strong>s Erbprinzen, <strong>de</strong>r auf Seite 2 dieses Briefes<br />

nochmals aufgeführt und mit Unterschrift bestätigt wird, zu<br />

informieren.<br />

Ich wusste noch nichts davon. Niemand informierte mich. Aber am 7.6.<br />

war ich zufällig aber sowieso wie<strong>de</strong>r in Vaduz. Ich hatte we<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m<br />

Bankdirektor noch <strong>de</strong>m Professor gesagt, dass ich an diesem Tag nach<br />

Liechtenstein kommen wür<strong>de</strong>. Um 15:55 erhielt ich einen Anruf auf<br />

meinem Handy. Ein Bekannter aus <strong>de</strong>m Justizapparat erzählte mir, dass<br />

Post vom Schloss gekommen sei. Über <strong>de</strong>n Inhalt wusste <strong>de</strong>r Anrufer<br />

aber nicht Bescheid. Man hätte o<strong>de</strong>r wür<strong>de</strong> Anwalt Müller eine Kopie<br />

zukommen lassen. Solange wollte ich nicht warten. Freudig und sehr<br />

schnell begab ich mich zum Sekretariat <strong>de</strong>s OG. Da ich dort ja kein<br />

Unbekannter mehr war, händigte man mir (alles legal) auf meine Bitte<br />

541


hin eine Kopie <strong>de</strong>s Schreiben <strong>de</strong>r Sekretärin von Alois samt <strong>de</strong>m Anhang<br />

aus. Ich setzte mich auf einen Stuhl.<br />

WAS? W-A-S ? Verdammt noch mal! Gottloses Gesin<strong>de</strong>l! Ich fluchte wie<br />

ein Haufen Bauern, <strong>de</strong>ren Schweine abgehauen waren. Auf Seite Zwei<br />

stand geschrieben:<br />

Entscheid:<br />

Dem Gna<strong>de</strong>ngesuch <strong>de</strong>s Heinrich Kieber vom 20.04.2005, ihm<br />

vollumfänglich Nachsicht von <strong>de</strong>r mit Urteil <strong>de</strong>s <strong>Fürst</strong>lichen<br />

Obergerichtes vom 07.01.2004, über ihn verhängten Strafe zu<br />

gewähren und ihn in diesem Sinne zu begnadigen, wird nicht<br />

stattgegeben. Demgegenüber wird aber einer Begnadigung dahin<br />

gehend stattgegeben, dass hinsichtlich <strong>de</strong>r mit Urteil <strong>de</strong>s<br />

<strong>Fürst</strong>lichen Obergerichtes vom 07.01.2004 (ON 79) verhängten<br />

Verurteilung <strong>de</strong>s Gna<strong>de</strong>nwerbers nur beschränkte Auskunft aus<br />

<strong>de</strong>m Strafregister nach Art. 9 Abs. 1 Strafregistergesetz erteilt<br />

wird. Schloss Vaduz, 6. Juni 2005, In Stellvertretung <strong>de</strong>s<br />

Lan<strong>de</strong>sfürsten: (gez. Alois, Erbprinz)<br />

542


KAPITEL 27 Blaue Flecken und Herzinfarktsymptome<br />

Fast hätte ich mir die Zunge abgebissen, so wütend war ich.<br />

Fucking Shit! <strong>Die</strong> trieben mich wirklich zur Weissglut. Ich rannte raus<br />

und rüber zum Parkhaus <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> neben <strong>de</strong>m Gericht. Nach<br />

meiner letzten Enttäuschung hatte ich mir fest vorgenommen, mich<br />

zuerst einmal zu beruhigen und frische Luft zu schnappen, bevor ich<br />

irgendjemand anrufen o<strong>de</strong>r besuchen wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>sen Vorsatz hatte ich<br />

dann auch schon wie<strong>de</strong>r schnell über Bord geworfen. Ich hatte es satt,<br />

ständig verarscht zu wer<strong>de</strong>n. Was soll das ganze Scheisstheater? Zuerst<br />

brüten Hans-Adam und seine Rasselban<strong>de</strong> einen Plan nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren<br />

aus, erklären mir diese solange, bis ich meinen Wi<strong>de</strong>rstand aufgebe.<br />

Dann, nach<strong>de</strong>m Wochen o<strong>de</strong>r gar Monate vergangen waren, stellte sich<br />

heraus, dass alles an<strong>de</strong>rs kam, als man es mir erklärt o<strong>de</strong>r versprochen<br />

hatte.<br />

Ich wählte die Nummer vom Schloss. <strong>Die</strong> Flagge hing am Mast. Lei<strong>de</strong>r<br />

wären we<strong>de</strong>r Hans-Adam noch Alois im Hause, wur<strong>de</strong> mir höflich aber<br />

forsch mitgeteilt. Ich wur<strong>de</strong> gefragt, welches <strong>de</strong>nn mein Anliegen wäre.<br />

Ich sagte, dass ich gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>n negativen Entscheid von Alois in <strong>de</strong>n<br />

Hän<strong>de</strong>n halten wür<strong>de</strong> und dies nicht nachvollziehen könnte. Man wür<strong>de</strong><br />

dies <strong>de</strong>n Hochwohlgeborenen weiterleiten, sagte die Sekretärin und<br />

hängte ab. Keine zehn Minuten später war <strong>de</strong>r Bankdirektor in <strong>de</strong>r<br />

Leitung. Er war wohl vom Schloss gleich nach meinem Anruf kontaktiert<br />

wor<strong>de</strong>n, was er aber mir nicht erzählte. Woher ich vom einen Entscheid<br />

von Alois wüsste, fragte er mich. Er hätte noch nichts gehört o<strong>de</strong>r<br />

gesehen. Höchstpersönlich vom Gericht. Vom Gericht? Ich sei doch in<br />

<strong>de</strong>r Schweiz, fragte er. Nein, offensichtlich nicht, erwi<strong>de</strong>rte ich. Ich<br />

möchte mich mit ihm o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Professor sofort treffen, verlangte ich.<br />

Heute ging es nicht mehr, aber eventuell am Donnerstag o<strong>de</strong>r am<br />

Freitag. OK sagte ich, je früher <strong>de</strong>sto besser. Ich glaube euch kein Wort<br />

mehr, sagte ich. Ich bat ihn noch, mich sofort anzurufen, wenn er wüsste,<br />

wann sie Zeit hätten.<br />

Das Treffen mit <strong>de</strong>n Bei<strong>de</strong>n diente dann mal zur Abwechslung als Ventil<br />

für mich. Ich fragte die bei<strong>de</strong>n, ob ich offen mit ihnen sprechen könnte.<br />

Ja, erwi<strong>de</strong>rten bei<strong>de</strong>. Wie immer, fügten sie hinzu. Ich hielt ihnen <strong>de</strong>n<br />

Entscheid von Alois unter die Nase und verlangte eine Erklärung. Mir<br />

ging es überhaupt nicht um die Tatsache, dass es keine Löschung aus<br />

<strong>de</strong>m Strafregister gab o<strong>de</strong>r dass nun eine beschränkte Auskunft erteilt<br />

543


wür<strong>de</strong>. Ob ich nun einen Eintrag im Strafregister hatte o<strong>de</strong>r nicht –<br />

<strong>de</strong>swegen ging die Welt, meine Welt nicht unter. Es ging um die<br />

Glaubwürdigkeit <strong>de</strong>r Hochwohlgeborenen. Hans-Adam hatte<br />

rundherum versichert, dass es eine Begnadigung im Sinne einer<br />

Löschung geben wür<strong>de</strong>. Und dann - das Gegenteil geschah, beklagte ich<br />

mich. Seit ich <strong>de</strong>n Professor kennen gelernt hatte, predigte er immer und<br />

immer wie<strong>de</strong>r davon, dass man die ganze Angelegenheit aus <strong>de</strong>r<br />

Vogelperspektive sehen muss. Ich nahm diese Symbolik zum Anlass und<br />

bat die bei<strong>de</strong>n mir ein paar Minuten ununterbrochene Re<strong>de</strong>zeit zu<br />

gewähren. Ich wür<strong>de</strong> nun meine, o<strong>de</strong>r besser gesagt die Situation als<br />

Aussen-Sehen<strong>de</strong>r rekapitulieren, sagte ich. Man stelle sich also vor:<br />

Es waren jetzt fast 2 Jahre vergangen und es wur<strong>de</strong> nicht ein einziges<br />

Blatt geschrieben, nicht ein einziges Fax verschickt, nicht ein einziger<br />

Anruf gemacht, nicht einen einziger Rechtsanwalt für die<br />

Strafverfolgung angeheuert, nicht eine einzige Anzeige neu vorgelegt<br />

o<strong>de</strong>r neu eingereicht, mit keiner ausländischen Staatsanwaltschaft<br />

gesprochen – Nicht, Nichts, Nichts und nochmals Nichts.<br />

Ich kam so richtig in Fahrt, da wollte mich <strong>de</strong>r Bankdirektor schon<br />

wie<strong>de</strong>r unterbrechen. Ich re<strong>de</strong>te einfach weiter. Er verstummte dann<br />

schnell. Ich erinnerte sie daran, dass ich alles, ja je<strong>de</strong> einzelne Bedingung,<br />

die sie mir in Holland gestellt hatten, erfüllt hatte. Selbst als nach meiner<br />

Rückkehr nicht nur die vorher vereinbarten Punkte & Vereinbarungen<br />

ständig von ihnen abgeän<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn auch neue<br />

dazugekommen waren, hatte ich mich untergeordnet und alles<br />

geschluckt. Ich hatte zu allem was das Gericht in Vaduz mir<br />

„vorgeworfen‚ hatte, Ja und Amen gesagt. Obwohl <strong>de</strong>r weitaus grösste<br />

Teil davon nicht stimmte, we<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r objektiven noch subjektiven<br />

Sicht. Und ich schrie sie weiter an: Sie sollen jetzt ja nicht auf die I<strong>de</strong>e<br />

kommen, mir die bizarre Verwandlung von 4 Jahre Haft in 1 Jahr auf<br />

Bewährung als Meisterleistung verkaufen zu wollen.<br />

Ich beschuldigte sie alle, dass sie schon vorher wussten, dass das LG<br />

mich zu vier Jahren Haft verurteilen wird, weil das von Hans-Adam so<br />

angeordnet wur<strong>de</strong>. Um mir Angst einzujagen. Um mich mundtot zu<br />

machen. Und <strong>de</strong>r Plan war ihnen super gelungen. Ich hatte ja keine<br />

Chance. Es wur<strong>de</strong> mir ja nicht erlaubt, mich wirklich zu verteidigen. Mit<br />

einem echten Verteidiger hätte ich nie und nimmer eine Haftstrafe<br />

bekommen. Um das zu Erkennen, muss man nicht nur einen Blick auf<br />

544


<strong>de</strong>n LLB-Fall und jenem Strafurteil werfen. Ich warf ihnen auch vor,<br />

mich psychologisch raffiniert massiv manipuliert zu haben, so dass ich<br />

selber die Fortsetzung <strong>de</strong>r Strafuntersuchung gegen die Täter aus<br />

Argentinien im August 2003 been<strong>de</strong>te. Und sie mich anschliessend – und<br />

dies zeitweise auch mit Erfolg – überzeugen konnten, dass ich selber<br />

(überhaupt) nichts (mehr) gegen die Täter unternehmen soll.<br />

Und während es ihnen vom Januar bis Juni 2003 logischerweise nicht<br />

schnell genug gehen konnte, bis ich wie<strong>de</strong>r zuhause war, hatte die<br />

Devise in <strong>de</strong>n letzten knapp 2 Jahren gelautet: „Nur nichts überstürzen‚.<br />

Ihr Hintergedanke dabei war, je länger es dauerte, bis alles nach ihren<br />

I<strong>de</strong>en geregelt wäre, <strong>de</strong>sto mehr Gras wür<strong>de</strong> über die Sache gewachsen<br />

sein. Über die <strong>Daten</strong> und die Leichen im Keller <strong>de</strong>r LGT. <strong>Die</strong>s beson<strong>de</strong>rs<br />

im Hinblick auf das Wissen, dass ich im Kopf hatte. Je länger sie mich an<br />

<strong>de</strong>r Leine halten konnten, je länger sie mich kontrollieren konnten und je<br />

länger sie mich im falschen Glauben lassen konnten, <strong>de</strong>sto kleiner wür<strong>de</strong><br />

die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich <strong>de</strong>m Ausland mit meinem Wissen<br />

offenbaren könnte.<br />

Das Wissen wür<strong>de</strong> ja quasi mit mir altern. Ich fragte sie, ob sie <strong>de</strong>nn<br />

glauben wür<strong>de</strong>n, ich wäre ein Idiot. Nein, antworteten sie synchron. Ich<br />

sagte ihnen, dass es in dieser Geschichte einen grossen Esel gab. Ob ich<br />

Hans-Adam damit meinen wür<strong>de</strong>, fragten sie mich. Nein, sagte ich.<br />

<strong>Die</strong>ser Esel lief gemächlich Jahrelang einer Karotte nach, die vor seiner<br />

Nase an einer Schnur hing. Erst als er alt und schwach war, erkannte er,<br />

dass die Karotte auch alt und verwelkt war und er sie nie essen könnte.<br />

<strong>Die</strong>ser Esel war ich gewesen. <strong>Die</strong> Karotte war das Versprechen, das Wort<br />

von Hans-Adam, dass er mir höchstpersönlich am 9.7.’03 gegeben hatte.<br />

Ich weigere mich weiterhin zu glauben, dass er sein Wort einhalten<br />

wür<strong>de</strong>, sagte ich <strong>de</strong>n zwei gera<strong>de</strong>wegs ins Gesicht – und ich <strong>de</strong>nke<br />

sogar, dass er nie, nie, nie eine Sekun<strong>de</strong> daran gedachte hatte, mir zu<br />

helfen.<br />

Damit sie nicht wie<strong>de</strong>r dachten, dass dies wie<strong>de</strong>r einer meiner<br />

kurzzeitigen Momente war, wo ich an nichts und nieman<strong>de</strong>n mehr<br />

glaubte, wie<strong>de</strong>rholte ich meine zwei letzten Sätze sicher fünf Mal. <strong>Der</strong><br />

Bankdirektor wollte wie<strong>de</strong>r etwas zur Verteidigung sagen. Ich ignorierte<br />

dies und re<strong>de</strong>te einfach weiter. Was in <strong>de</strong>n vergangenen Monaten seit<br />

Juli 2003 auf <strong>de</strong>n ersten Blick als generöses Entgegenkommen, als Güte<br />

gegenüber meiner Person erscheinen könnte, hatte sich in Wahrheit als<br />

545


falsches Spiel herausgestellt. Fast hätte ich dann gesagt, dass ich es Hans-<br />

Adam und seiner Truppe nicht einmal übel nehmen wür<strong>de</strong>; vielleicht<br />

mussten sie so han<strong>de</strong>ln.<br />

Dann kam mir aber in <strong>de</strong>n Sinn, dass <strong>de</strong>r Professor mir während <strong>de</strong>n<br />

zahllosen Sitzungen eingetrichtert hatte, dass ich mit zwei Sachen<br />

aufhören muss: A). Immer eine Entschuldigung für das (schlechte)<br />

Verhalten an<strong>de</strong>rer zu suchen und B) meinen Beitrag zur Konfliktlösung<br />

und zur Verhin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r (100 Prozent)-Katastrophe klein zu re<strong>de</strong>n.<br />

Ich sagte statt<strong>de</strong>ssen, ich wäre sehr enttäuscht und verbittert und das ich<br />

schon lange <strong>de</strong>n Verdacht hatte, hier stimme etwas nicht. <strong>Der</strong><br />

Bankdirektor sah gar nicht mehr gut aus. Er fühlte sich auch etwas<br />

unwohl. Als er sich zu einer Antwort zusammenraffte, merkte man, dass<br />

er mit je<strong>de</strong>m Wort Mühe hatte, das über seine Lippen kam. Ich hatte ihm<br />

gar nicht mehr zugehört. Ich starrte nur auf <strong>de</strong>n 2-Seiten Brief von Alois<br />

in meinen Hän<strong>de</strong>n. <strong>Der</strong> Professor stand auf und ging rüber zum<br />

Bankdirektor am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Tischs. Sie flüsterten etwas. <strong>Der</strong> Bankdirektor<br />

verwickelte sich in eine verbale Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>m Professor.<br />

Dabei blieben bei<strong>de</strong> immer noch leise. <strong>Der</strong> Professor war über das, was<br />

er hören musste, ein<strong>de</strong>utig nicht erfreut.<br />

Ich blickte bei<strong>de</strong> an und wusste instinktiv, dass ein Desaster folgen<br />

wür<strong>de</strong>. <strong>Der</strong> Professor setzte sich an seinem Platz zurück. <strong>Die</strong><br />

Sternstun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wahrheit hatte angefangen. Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r nächsten fünf<br />

Sekun<strong>de</strong>n hatte ich das Gefühl, als wür<strong>de</strong> ich gera<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>m Schafott<br />

liegen und das Fallbeil wur<strong>de</strong> nach unten losgeschickt.<br />

<strong>Der</strong> Professor sagte: OZA- ‚Es gibt keine Hilfe von Hans-Adam. Mehr<br />

wüsste er und könne er auch nicht dazu sagen" – OZE. Ich wusste es,<br />

schrie ich, ich wusste es. Ich schrie sie an. Ich schlug zuerst mit <strong>de</strong>n<br />

Fäusten und dann, als meine Handknochen zu sehr schmerzten, mit<br />

bei<strong>de</strong>n flachen Hän<strong>de</strong>n so heftig und so lange auf <strong>de</strong>n Tisch, bis die fast<br />

volle Mineralwasserflasche aus Glas und alle unsere Gläser umfielen.<br />

Meine Hän<strong>de</strong> taten mir noch Tage danach weh und zeigten grosse blaue<br />

Flecken.<br />

Ich wusste es, ich wusste es, schrie ich immer noch.<br />

<strong>Der</strong> Professor konnte meine Reaktion nachvollziehen.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor wur<strong>de</strong> krei<strong>de</strong>bleich und war so betroffen, dass er –<br />

ohne Übertreibung – Tränen in <strong>de</strong>n Augen hatte. Eine Träne war wohl<br />

für mein Schicksal und die an<strong>de</strong>ren 99 weil er befürchtete, dass ich mich<br />

546


ächen wür<strong>de</strong> und in einer Kurzschlusshandlung mit <strong>de</strong>n ausländischen<br />

Medien o<strong>de</strong>r noch schlimmer, mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Regierung re<strong>de</strong>n<br />

könnte. Nicht, dass ich so etwas ange<strong>de</strong>utet hatte. Ich hatte mich gehütet,<br />

zu verraten, was meine brutale Rache sein könnte, über die ich schon seit<br />

Monaten Alpträume hatte.<br />

<strong>Der</strong> Groschen ist gefallen, wie man so schön sagt. Wie ich mich hatte<br />

täuschen lassen. Wie<strong>de</strong>r reingelegt. Wie<strong>de</strong>r verarscht, sagte ich nur.<br />

Obwohl ich <strong>de</strong>rjenige gewesen war, <strong>de</strong>r einen vollen Liter Baldrian am<br />

nötigsten gebraucht hätte, mussten <strong>de</strong>r Professor und ich uns dann auch<br />

noch dringend um <strong>de</strong>n eigentlich sehr zähen Bankdirektor kümmern. Es<br />

sah so aus, als wür<strong>de</strong> dieser einen Herzinfarkt erlei<strong>de</strong>n. <strong>Der</strong> Professor<br />

re<strong>de</strong>te auf ihn ein, dass er sich beruhigen solle. Ich dachte nur, mein<br />

Gott, was wür<strong>de</strong> passieren, wenn ich <strong>de</strong>m jetzt aus heiterem Himmel<br />

verraten wür<strong>de</strong>, dass ich die verdammten Kun<strong>de</strong>ndaten und mehr sicher<br />

in einem Schweizer Tresorfach verstaut hatte. Gar nicht auszu<strong>de</strong>nken.<br />

Dann könnte man gleich <strong>de</strong>n Leichenwagen rufen und einen<br />

Krankenwagen für <strong>de</strong>n Professor dazu.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor hatte mir irgendwie wirklich Leid getan. Sicher, er war<br />

vom Establishment, er war ein Banker. Aber ich war all die Jahre, die ich<br />

ihn kannte, davon überzeugt, dass er in <strong>de</strong>r falschen Branche arbeitete.<br />

Er stammelte etwas davon, ob ich ja nichts <strong>de</strong>n Medien o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Deutschen erzählen wür<strong>de</strong>. Bevor ich etwas dazu sagen konnte, hatte<br />

<strong>de</strong>r Professor schon für mich geantwortet: Nein, nein – das wird er sicher<br />

nicht tun. Nein, nein sagte ich auch. Was sollte ich sonst auch sagen. <strong>Der</strong><br />

Grund warum er unter einer Hei<strong>de</strong>nangst gelitten hatte, lag daran, dass<br />

er meine Wut und Enttäuschung zu 100 Prozent nachvollziehen konnte.<br />

Er und <strong>de</strong>r Professor. Nach<strong>de</strong>m sie mich praktisch über 2 Jahre<br />

begleitetet hatten, begleiten mussten. Er hatte mich noch nie so geschockt<br />

gesehen. Und erst meine Augen.<br />

Dann hatte <strong>de</strong>r Bankdirektor die glorreiche I<strong>de</strong>e, mich zu fragen, ob ich<br />

Geld fürs Ausland brauchen wür<strong>de</strong>. Geld? Von Hans-Adam? Ich war<br />

nicht erstaunt, aber sehr erbost über diese Frage. Wie konnte Hans-<br />

Adam <strong>de</strong>nken, dass er sich aus dieser verdammten Affäre mit Geld<br />

retten könnte? Mit Geld, das er auf Kosten vieler an<strong>de</strong>rer Län<strong>de</strong>r<br />

angescheffelt hatte, sagte ich. Fuck das Geld, schrie ich. Er könne <strong>de</strong>m<br />

Lan<strong>de</strong>sführer mitteilen, dass er sich sein Geld in <strong>de</strong>n Arsch stecken kann,<br />

547


sagte ich wörtlich. Im Gegenteil, ich for<strong>de</strong>rte sie auf: Sie sollen mir die<br />

Rechnung für die ganze Operation zukommen lassen, egal wie viel <strong>de</strong>r<br />

Professor, die Reisen, die Schnüffler, die Zeit vom Bankdirektor, <strong>de</strong>r<br />

Druck <strong>de</strong>r Schutz-Pässe gekostet hätte, ich wür<strong>de</strong> es die nächsten 20<br />

Jahre zurückzahlen. <strong>Der</strong> Bankdirektor wollte dies schon wie<strong>de</strong>r als Teil<br />

eines Racheplans ansehen und flehte mich im Namen <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n an,<br />

nichts zu unternehmen. Ich antwortete darauf, dass er gera<strong>de</strong> Schwein<br />

gehabt hätte und dies trotz <strong>de</strong>r sehr untragbaren Situation für mich.<br />

Hätte er nämlich gesagt, ich soll im Namen <strong>de</strong>r Hochwohlgeborenen<br />

nichts unternehmen, dann wäre das Fass explodiert.<br />

<strong>Der</strong> Professor meinte dann, ich sollte <strong>de</strong>n Bankdirektor jetzt nicht für<br />

voll nehmen. Erstaunlicherweise war ich selber schnell wie<strong>de</strong>r ruhiger<br />

gewor<strong>de</strong>n. Hauptsächlich darum, weil ich im Unterbewusstsein schon<br />

seit langer Zeit wusste, dass man mich wohl nach Strich und Fa<strong>de</strong>n<br />

belogen hatte und um die Gerechtigkeit betrogen hatte. Ich wartete nur<br />

irgendwie darauf, meinen Verdacht bestätigt zu bekommen. Es dauerte<br />

eine ganze Weile, bis es <strong>de</strong>m Professor gelang, <strong>de</strong>n Bankdirektor wie<strong>de</strong>r<br />

auf eine normale, stabile Herzschlagfrequenz zu bringen.<br />

Ehrlich gesagt, war ich zu verstört, um jetzt an einen Fahrplan für Rache<br />

zu <strong>de</strong>nken. Eines wusste ich aber intuitiv: Ja nichts an<strong>de</strong>uten o<strong>de</strong>r<br />

anmerken lassen, dass ich die Gelegenheit zur ultimativen Rache hatte.<br />

Auf keinen Fall. We<strong>de</strong>r jetzt noch in <strong>de</strong>r kommen<strong>de</strong>n Zeit. Ganz im<br />

Gegenteil. Meine Zeit wür<strong>de</strong> noch kommen. Man bat mich doch bitte<br />

ihnen das Schreiben (<strong>de</strong>r negativer Gna<strong>de</strong>nsbeschluss) von Alois<br />

auszuhändigen. Sodass ich es nicht ständig lesen wür<strong>de</strong> und darüber<br />

enttäuscht sein wür<strong>de</strong>. Eine komische Bitte, dachte ich. Und während ich<br />

es ihnen über <strong>de</strong>n Tisch schoss, entschloss ich mich, dass ich wie<strong>de</strong>r zum<br />

Gericht nach Vaduz reisen wür<strong>de</strong>, um mir eine neue Kopie zu holen.<br />

Wie es <strong>de</strong>nn jetzt weiter gehen soll, fragte ich. <strong>Der</strong> Bankdirektor war<br />

immer noch geistig abwesend. <strong>Der</strong> Professor antwortete, dass man erst<br />

einmal alles überschlafen soll. Mich überkam dann auch das starke<br />

Gefühl, dass ich weg, weg von <strong>de</strong>m allem muss. Ich verabschie<strong>de</strong>te mich<br />

höflich. Es hatte keinen Sinn mehr, auf die zwei einzudreschen. Ich hatte<br />

alles gesagt, was ich sagen wollte. Sie hatten mir auch nichts mehr zu<br />

sagen. Natürlich wollten sie mit mir weiter in Kontakt bleiben und die<br />

ganze Sache später nochmals durchkauen. Hier gibt es nichts mehr zu<br />

kauen, dachte ich. Weil ich nicht wusste, wie Hans-Adam auf die<br />

Ereignisse reagieren wür<strong>de</strong>, hatte ich etwas Angst. Ich hoffte, dass mein<br />

548


Verhalten ihn nicht misstrauisch machen wür<strong>de</strong>. Und er Angst<br />

bekommen könnte und dann zu einer Radikallösung greifen wür<strong>de</strong>. Mit<br />

<strong>de</strong>m Versprechen, dass wir alle in Kontakt bleiben wür<strong>de</strong>n, ging je<strong>de</strong>r<br />

seine eigenen Wege weiter.<br />

In meiner Unterkunft abgekommen, setzte ich mich hin und musste<br />

weinen. Ein<strong>de</strong>utig hatten sie sich auf diesem Moment nicht gut<br />

vorbereitet, dachte ich zuerst. Nein, ich <strong>de</strong>nke sie hatten sich überhaupt<br />

nie auf einen solchen Moment vorbereitet. Es war in ihrem bösen Plan<br />

nicht vorgesehen, mir ins Gesicht zu sagen, dass Hans-Adam auch sein<br />

grösstes und wichtigstes Versprechen NICHT einhalten wür<strong>de</strong>. Man<br />

erhoffte sich anscheinend, dass die Zeit schon selber alles regeln wür<strong>de</strong>.<br />

Ganz klar erkennbar war auch, dass Hans-Adam nie bewilligte hatte, nie<br />

bewilligen wür<strong>de</strong>, mir verblümt o<strong>de</strong>r offen zu sagen, dass er gar nie ein<br />

Interesse hatte, die Täter aus Argentinien <strong>de</strong>r gerechten Strafe<br />

zuzuführen. Es waren ausschliesslich die vorherrschen<strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>,<br />

die beim letzten Treffen dazu führten, dass <strong>de</strong>r Bankdirektor <strong>de</strong>m<br />

Professor die Wahrheit gesagt hatte und man es mir offenbarte. Als ich<br />

mich erholt hatte, analysierte ich alles genauer.<br />

Selbst als ich im April 2004 (die Beschlagnahmung meines Computers)<br />

traurig erkennen musste, dass da immer noch starke Kräfte gegen mich<br />

sind, hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dass es noch schlimmer<br />

wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Das tatsächliche Abhören meiner Unterkunft. <strong>Die</strong><br />

ständigen Ausre<strong>de</strong>n. Das Theater mit <strong>de</strong>r Begnadigung. Unverblümt<br />

hätte es mir schon in <strong>de</strong>r 2. Jahreshälfte 2004 <strong>de</strong>finitiv einleuchten sollen,<br />

dass Hans-Adam sein Wort nicht halten wür<strong>de</strong>, nie halten wollte. Auf<br />

gut Deutsch, er hatte mich angelogen. Das war die Realität. Aber eben,<br />

wie so oft im Leben, man will einfach <strong>de</strong>r Wahrheit nicht ins Auge<br />

blicken. Selbst wenn sie einem dicht vor <strong>de</strong>r Nase klebt. Ich hatte so fest<br />

an seine Worte geglaubt.<br />

Es nützte nichts, je mehr ich versuchte, <strong>de</strong>n Grund zu fin<strong>de</strong>n, warum er<br />

mich in die Irre geführt hatte, ich kam nicht darauf. <strong>Die</strong> richtige Antwort<br />

auf diese Frage konnte ich nie fin<strong>de</strong>n. Nur er alleine kann diese Frage<br />

beantworten. Einmal dachte ich, dass er sich die Freiheit genommen<br />

hatte, mich ab <strong>de</strong>m 1.7.03 auch anzulügen, weil ich es gewagt hatte, ihn<br />

zu bestehlen (<strong>Daten</strong>), zu kränken (Brief vom 7.1.03) und bloss zu stellen<br />

(Leichen <strong>de</strong>r LGT). Ich kam zum Schluss, dass dies nicht <strong>de</strong>r Fall sein<br />

konnte. Er, Hans-Adam wür<strong>de</strong> sich selber nie so tief runterlassen. So<br />

dachte ich damals.<br />

549


Ein an<strong>de</strong>rmal dachte ich, dass er vielleicht glaubte, übertriebene<br />

Versprechungen machen zu müssen, um meine emotionale Welt wie<strong>de</strong>r<br />

in Ordnung bringen zu müssen. Dann kam ich zum Schluss, dass dies<br />

auch nicht <strong>de</strong>r Fall sein konnte. Sonst hätte er diesbezüglich schon lange<br />

reinen Tisch mit mir gemacht. Entwe<strong>de</strong>r er selber o<strong>de</strong>r durch seine<br />

Gesandten, sollte er sich um meine Reaktion darauf Sorgen machen.<br />

Dass er gelogen hatte, weil er sich bedroht gefühlt haben könnte, war<br />

ganz auszuschliessen. Es gab absolut keinen Grund, warum er sich<br />

bedroht hätte fühlen können.<br />

Seit meiner Rückkehr am 1.7.03 hatte ich mich ganz nach Diktat<br />

verhalten. Das ich ab und zu ihm o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Bankdirektor schreiben<br />

musste, war nicht zu vermei<strong>de</strong>n gewesen. Zu<strong>de</strong>m hat er mir<br />

ausdrücklich erlaubt, ihn zu kontaktieren, sollte ich mich etwas<br />

bedrücken. Ich hatte mich absolut korrekt verhalten und über vieles<br />

hinwegsehen müssen, was nicht hätte passieren sollen o<strong>de</strong>r dürfen. <strong>Der</strong><br />

berühmte Spruch „<strong>Die</strong> Zeit heilt die Wun<strong>de</strong>n‚ kann als Erklärung hier<br />

auch nicht herhalten. Meine grösste Wun<strong>de</strong> wäre dann verheilt, wenn<br />

ich die Täter hinter Gittern sehen wür<strong>de</strong>. Darüber gab es absolut kein<br />

Missverständnis. <strong>Der</strong> Professor konnte nichts dafür, wenn die aller<br />

meisten <strong>de</strong>r (falschen) noblen Versprechungen, <strong>de</strong>finitiven Zusagen und<br />

markigen Beteuerungen seitens Hans-Adams ab Juli 2003 nicht<br />

eingehalten wor<strong>de</strong>n sind.<br />

Ein paar Tage später hatte mir <strong>de</strong>r Professor geschil<strong>de</strong>rt, dass er noch<br />

über 3 Stun<strong>de</strong>n lang hart daran arbeiten musste, um <strong>de</strong>n Bankdirektor<br />

von <strong>de</strong>r Schreckensgespenst eines Verrats an die Deutschen o<strong>de</strong>r Amis<br />

abbringen zu können. Getreu meinem bisherigen Han<strong>de</strong>ln, besuchte ich<br />

am 14.6.’05 wie<strong>de</strong>r das OG und holte mir eine neue Kopie <strong>de</strong>s Schreibens<br />

von Alois. Acht Tage später, am 23.6. um 15:30 erhielt ich einen<br />

überraschen<strong>de</strong>n Anruf vom Polizeichef Jules Hoch aus Vaduz. Oje,<br />

dachte ich. Jetzt wür<strong>de</strong> Hans-Adam mir sicher mit <strong>de</strong>r Polizei drohen,<br />

weil ich in Liechtenstein gewesen war. Aber er bestätigte mir nur, dass er<br />

eine Kopie <strong>de</strong>s Gan<strong>de</strong>nbeschlusses erhalten habe und er<br />

<strong>de</strong>mentsprechend seine Abteilung instruiert habe. Ich bedankte mich bei<br />

ihm und seiner Truppe und wünschte ihm alles Gute.<br />

Im Sommer 2005 war ich noch zwei Mal wie<strong>de</strong>r in Liechtenstein. Bei<br />

einem dieser Tagesbesuche hatte ich <strong>de</strong>n Staatsanwalt Dr. Robert<br />

Wallner um die Mittagszeit alleine an einem Tisch auf <strong>de</strong>r Terrasse vor<br />

<strong>de</strong>m Café <strong>de</strong>s Kunstmuseum Vaduz sitzen sehen. Er war in eine Zeitung<br />

o<strong>de</strong>r ein Magazin vertieft. Ich lief auf ihn zu und als er mich erkannte,<br />

550


erschrak er ein wenig. Nicht aus Furcht, son<strong>de</strong>rn er war überrascht, mich<br />

hier in Liechtenstein zu sehen. Demonstrativ schüttelte ich fest seine<br />

Hand und bedankte mich für seine Bemühungen, das Spanien das Urteil<br />

anerkannt hatte. Er war ob meiner übermässigen Freundlichkeit sichtlich<br />

irritiert und wünschte mir fürs Ausland alles Gute. Meine weiteren vier<br />

Versuche, mit Hans-Adam am Telefon re<strong>de</strong>n zu können, waren – wen<br />

wun<strong>de</strong>rt’s – alle ohne Erfolg. Er war wohl zu feige, mit mir zu re<strong>de</strong>n.<br />

Mir wur<strong>de</strong> dann auf einmal auch bewusst, wie stark sich das<br />

Theaterstück um die <strong>Daten</strong> und Leichen all die Jahre nur innerhalb <strong>de</strong>s<br />

Establishments, <strong>de</strong>r herrschen<strong>de</strong>n Gesellschaft in Liechtenstein<br />

zugetragen hatte. <strong>Die</strong> Ausgangssituation in meinem Fall war ja<br />

<strong>de</strong>swegen so aussergewöhnlich, weil <strong>de</strong>r Ministaat Liechtenstein von<br />

<strong>de</strong>n Hohen-Finanz-Herren (mit Hans-Adam an <strong>de</strong>r Spitze) absolut<br />

regiert wird und die Herrschen<strong>de</strong>n ihre Geldmaschinerie bis aufs Blut<br />

verteidigen. Sie hatten und haben absolut kein Problem damit, dafür ihre<br />

eigene Gesetze und die <strong>de</strong>r internationalen Gemeinschaft zu<br />

vergewaltigen. Hätte ich etwa bei <strong>de</strong>r UBS, CS o<strong>de</strong>r in einer <strong>de</strong>r<br />

grösseren Treuhandfirma in <strong>de</strong>r Schweiz gearbeitet und hätte solche<br />

<strong>Daten</strong> dort entwen<strong>de</strong>t und mich an die Schweizer Behör<strong>de</strong>n gewandt,<br />

das Szenario wäre ganz an<strong>de</strong>rs raus gekommen. <strong>Die</strong> Schweizer<br />

Behör<strong>de</strong>n hätten sicherlich zumin<strong>de</strong>st die Leichensäcke mal geöffnet,<br />

reingeschaut und beim Anblick <strong>de</strong>ssen, was darin so vor sich her<br />

verfault, eine Untersuchung gestartet.<br />

<strong>Der</strong> gigantische Vorteil für Liechtenstein war also, dass alle, - und das ist<br />

ja das Wahnsinnige daran - die Legislative, die Exekutive, die Judikative<br />

und das über allem (gemäss neuer Verfassung noch verstärkt) stehen<strong>de</strong><br />

Blaublut, sie alle zusammen in <strong>de</strong>r Causa Kieber (ab <strong>de</strong>m 7.1.2003) nur<br />

ein Ziel hatten: <strong>Die</strong> schmutzigen Geschäfte <strong>de</strong>r Hohen-Finanz-Herren<br />

"auf Teufel komm raus" zu beschützen. So etwas wäre un<strong>de</strong>nkbar in <strong>de</strong>r<br />

Schweiz, Österreich o<strong>de</strong>r gar Deutschland. Sarkastischerweise ist am<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Teufel dieses Mal wahrhaftig raus gekommen.<br />

Interessanterweise hätte es in Liechtenstein auch keinen grossen<br />

Unterschied gemacht, wenn die <strong>Daten</strong> nicht von <strong>de</strong>r LGT, <strong>de</strong>m Gol<strong>de</strong>sel<br />

<strong>de</strong>s Blaubluts und Staatsoberhauptes, son<strong>de</strong>rn von einer an<strong>de</strong>ren,<br />

weniger bekannten o<strong>de</strong>r exponierten Treuhandfirma o<strong>de</strong>r Bank gewesen<br />

wäre. Den Beweis für diese Schlussfolgerung können wir ja einmalig<br />

beim Fall LLB / R. Lampert sehen. Das fundamentalste Problem, dass<br />

Hans-Adam & Co. mit mir hatten, war, dass ich kein Geld für mein<br />

Schweigen wollte, son<strong>de</strong>rn eine faire und gerechte, wenn auch komplexe<br />

551


Lösung für einen komplizierten, aber erstrebenswürdigen Gerichtsfall.<br />

Natürlich hätte auch ich davon profitiert, wenn Hans-Adam sein Wort<br />

gehalten hätte.<br />

Ich sehe das ein und stehe dazu. Man kann mir nun (theoretisch)<br />

vorwerfen, dass, hätte Hans-Adam sein Wort gehalten und die Täter aus<br />

Argentinien von einem Gericht in Spanien, Deutschland o<strong>de</strong>r wo auch<br />

immer für ihre Straftaten verurteilt wor<strong>de</strong>n wären, ich am En<strong>de</strong> auch<br />

eine Art Komplize von ihnen gewor<strong>de</strong>n wäre, zumin<strong>de</strong>st was die<br />

Gruppe <strong>de</strong>r Schweigen<strong>de</strong>n betrifft. Ich bitte aber nicht zu vergessen, dass<br />

ich wie je<strong>de</strong>r Mensch nicht perfekt bin und in diesem Drama das<br />

schwächste Glied war, nebst <strong>de</strong>r nicht zu unterschätzen<strong>de</strong>n Tatsache,<br />

dass ich nur eine Privatperson bin. Ich hatte meine eigenen Probleme<br />

und lebte in meiner kleinen Welt. Ich war keine Regierung, kein<br />

Staatsoberhaupt, keine Staatsanwaltschaft, kein Richter. Ich war nie ein<br />

Banker, Treuhän<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Besitzer einer solchen Firma, nicht einmal ein<br />

Kun<strong>de</strong>nberater. Ich war in keiner <strong>de</strong>r schmutzigen Geschäfte auch nur<br />

im Entferntesten verwickelt. Das Schicksal brachte mich in die LGT rein<br />

und wie<strong>de</strong>r raus. Zugegeben, nie wäre mir damals in <strong>de</strong>n Sinn<br />

gekommen, wirklich zum weissen Ritter für zahllose ausländische<br />

Behör<strong>de</strong>n zu wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> persönlichen Konsequenzen waren einfach zu<br />

gefährlich.<br />

Aber eben, Wäre, Hätte! Hätte, Wäre!<br />

Hans-Adam hatte nicht! Hans-Adam wollte nicht!<br />

Schlussakkord:<br />

Bevor das Jahr zu En<strong>de</strong> war, hatte mich das Schweizer Fernsehen schon<br />

wie<strong>de</strong>r gefilmt. Einmal konnte ich mich von einer angefangenen<br />

„Befragung‚ (als fast zufälliger Passant) zu einem tragischen Ereignis in<br />

England wegschleichen. Hätte die Hochwohlgeborenen aus Vaduz mich<br />

in <strong>de</strong>n Nachrichten gesehen, dann wüssten sie wo ich gewesen war und<br />

dies hätte einige Fragen aufgeworfen. Das an<strong>de</strong>re Mal, in einer an<strong>de</strong>ren<br />

Sache, wur<strong>de</strong> die Filmaufnahme meiner Person prompt ausgestrahlt. Für<br />

bei<strong>de</strong> Male gilt: „Wer sucht, <strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>t‚.<br />

OK! Eine kleine Hilfe für meine Leser:<br />

Einmal war es beim Auftritt von <strong>de</strong>m Professor bei <strong>de</strong>r Kurt<br />

Aeschbacher Shows. Ich sass im Publikum.<br />

552


KAPITEL 28 Listen, Listen - wer hat noch keine?<br />

Wer möchte noch welche?<br />

Ein<strong>de</strong>utig habe ich meinen Lesern aufzeigen können, dass ich die<br />

absolute Zuversicht haben durfte, dass Hans-Adam mir helfen wür<strong>de</strong>.<br />

Zugegeben, mein Fall war aussergewöhnlich. Aber, zur Erinnerung: Er<br />

hatte mir sein Wort gegeben! Und es war das Wort von jemand, <strong>de</strong>r<br />

dank seiner politischen und wirtschaftlichen Macht <strong>de</strong>n Worten Taten<br />

hätte folgen lassen können. Ich war von Hans-Adam & Co. mehr als sehr<br />

enttäuscht. Jener Satz, <strong>de</strong>n ich wie in Stein gemeisselt am 8.8.'03 am En<strong>de</strong><br />

meines Antrages an das Gericht auf Einstellung <strong>de</strong>s Strafverfahrens<br />

gegen die Täter aus Argentinien nach meiner Unterschrift gesetzt hatte:<br />

„Heinrich Kieber, ein zutiefst verbittertes, enttäuschtes Opfer‚,<br />

hatte ich zusammen mit einer <strong>de</strong>r letzten Zeilen meiner Denkschrift vom<br />

Oktober 2003:<br />

Nie, nie einem T-B verlocken<strong>de</strong>, verführen<strong>de</strong> Versprechungen<br />

machen, die bewusst o<strong>de</strong>r unbewusst nicht eingehalten wer<strong>de</strong>n<br />

können, die Sprengkraft solcher Taktik ist selbst - zerstörerisch<br />

für alle,<br />

mir ausgedruckt und in einer Klarsichtmappe aufbewahrt. Ich konnte es<br />

nicht lassen und verbrachte Stun<strong>de</strong>n damit, die Aktenberge zu <strong>de</strong>r<br />

ganzen Geschichte immer wie<strong>de</strong>r zu lesen. Mir war schon seit langem<br />

sternenklar, dass ich alleine, selbst wenn ich das nötige viele Geld dazu<br />

hätte, niemals <strong>de</strong>n Kampf gegen die Verbrecher aus Argentinien<br />

aufnehmen kann. Darum war ja das Wort und Versprechen von Hans-<br />

Adam so immens wichtig für mich. Nur mit seinen exzellenten<br />

internationalen Verbindungen und Kontakten wäre es möglich gewesen,<br />

ohne Verzögerung und mit gehörigem Dampf die Täter in Spanien o<strong>de</strong>r<br />

Deutschland verfolgen zu lassen. Das hat er mir selber bei <strong>de</strong>r Audienz<br />

gesagt. Mein Denken war seit April 1997 von <strong>de</strong>m Wunsch, Verlangen<br />

und Drang dominiert, die Täter von Argentinien zur gerechten Strafe zu<br />

führen.<br />

553


Zusätzlich kamen dann ab Januar 2003 <strong>de</strong>r enorme Druck und weitere<br />

emotionale Stress wegen <strong>de</strong>s Briefs an Hans-Adam und <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> dazu.<br />

Da waren es schon zwei gigantische Komplexe, mit <strong>de</strong>nen ich irgendwie<br />

fertig wer<strong>de</strong>n musste. Um alles noch zu verschlimmern, kam 2005 die<br />

bo<strong>de</strong>nlose Enttäuschung wegen <strong>de</strong>m „Dolchstoss‚ von Hans-Adam<br />

dazu. Das über 8 Jahre dauern<strong>de</strong> Gefecht hatte meine Schlagfertigkeit<br />

arg in Mitlei<strong>de</strong>nschaft gezogen und vor allem wur<strong>de</strong> mein emotionales<br />

Verarbeitungspotential sehr stark beschädigt. Ich erkannte, dass ich die<br />

Durchhaltekraft für einen weiterführen<strong>de</strong>n Kampf über Jahre hinweg<br />

unmöglich alleine hätte aufbringen können. <strong>Die</strong>se Einsicht war eine<br />

abscheuliche Pille, die ich schlucken musste.<br />

Ich möchte an dieser Stelle nochmals darauf hinweisen, dass ich meine<br />

eigene Taten, wie <strong>de</strong>n <strong><strong>Die</strong>b</strong>stahl <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> und <strong>de</strong>n Brief an Hans-Adam,<br />

we<strong>de</strong>r verdrängen noch klein re<strong>de</strong>n möchte. Ich fin<strong>de</strong> aber, dass man<br />

mir <strong>de</strong>swegen nichts mehr vorwerfen kann. Ich war freiwillig nach<br />

Hause zurückgekehrt, wur<strong>de</strong> vom Gericht verurteilt und habe meine<br />

Strafe erhalten. <strong>Der</strong> angebliche finanzielle Scha<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Helmut Roegele<br />

wur<strong>de</strong> ausgemerzt. <strong>Der</strong> Haftbefehl wur<strong>de</strong> zurückgezogen und alle<br />

Verfahren (inkl. Spanien) wur<strong>de</strong>n am En<strong>de</strong> rechtmässig erledigt o<strong>de</strong>r<br />

eingestellt. All dies ist für die Ewigkeit festgehalten.<br />

Wer wollte da mir im 2005 o<strong>de</strong>r später noch etwas vorhalten? Niemand!<br />

Alle Beteiligten, namentlich Hans-Adam, sein Sohn Alois,<br />

Regierungschef Hasler und seine Truppe, Staatsanwalt Wallner plus<br />

Haun, die Chefetage <strong>de</strong>r LGT Gruppe; sie alle sahen die Angelegenheit<br />

als erledigt an und für sie war es an <strong>de</strong>r Zeit, sich wie<strong>de</strong>r vollumfänglich<br />

<strong>de</strong>m Hauptgeschäft zu widmen: so viel wie möglich Geld<br />

zusammenscharren und aufzupassen, dass man dabei nicht erwischt<br />

und vom Ausland gestört wird. Während ich über Monate, ja Jahre<br />

vergeblich auf die Erfüllung <strong>de</strong>s Versprechens von Hans Adam wartete,<br />

mir bei <strong>de</strong>r Strafverfolgung von Helmut R. & Co zu helfen, blühte das<br />

Geschäft in Liechtenstein. Milliar<strong>de</strong>n an frischen Kun<strong>de</strong>ngel<strong>de</strong>rn flossen<br />

ins kleine Land.<br />

Ab und zu gab es einen winzigen Skandal, wenn ein Treuhän<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r<br />

Banker etwas unterschlagen hatte o<strong>de</strong>r wenn – auf Grund <strong>de</strong>r<br />

unermüdlichen Arbeit von ausländischen Behör<strong>de</strong>n - da ein Milliönchen<br />

o<strong>de</strong>r hier ein paar davon sich im Ursprung als Kriminell entpuppten.<br />

Immer wie<strong>de</strong>r flackerte auch <strong>de</strong>r Zivilprozess von Paul Schockemöhle in<br />

<strong>de</strong>n Medien auf, <strong>de</strong>r verzweifelt versuchte, seinen ehemaligen<br />

Treuhän<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>n Dr.Dr. Batliner wegen <strong>de</strong>m <strong>Daten</strong>klau dort zu<br />

554


Scha<strong>de</strong>nsersatz zu zwingen. Er hatte lei<strong>de</strong>r von Anfang an nie eine<br />

Chance (siehe auch Kapitel 35). <strong>Die</strong> Regierung Hasler und <strong>de</strong>r Clan <strong>de</strong>r<br />

von Liechtenstein waren immer schnell zu Stelle, um medienwirksam<br />

die Sauberkeit <strong>de</strong>s Finanzplatzes gebetsmühlenartig zu proklamieren<br />

und das Ausland zu belehren.<br />

Im kleinen Ländle wur<strong>de</strong> weiter gewurschtelt, als hätte es die LGT<br />

Affäre (o<strong>de</strong>r die <strong>de</strong>r LLB) nie gegeben. Ich glaube auch heute noch, dass<br />

all jene, bei <strong>de</strong>nen ich mich nach <strong>de</strong>r Rückkehr im Juli 2003 mündlich<br />

o<strong>de</strong>r schriftlich entschuldigt o<strong>de</strong>r bedankt hatte, mich als wahnsinnig<br />

ansehen. Sie wollten und konnten wohl nicht anerkennen, dass ich mich<br />

aufrichtig entschuldigt bzw. bedankte hatte. Ich war und bleibe immer<br />

ein Liechtensteiner. Und weil gera<strong>de</strong> in meiner Heimat alles so<br />

verdammt vernetzt und verkuppelt ist, war es äusserst schwer, die<br />

Bösen von <strong>de</strong>n Guten fest zu trennen. Wür<strong>de</strong> ich das Böse bekämpfen,<br />

wür<strong>de</strong> auch das Gute darunter lei<strong>de</strong>n. Nach <strong>de</strong>r Auffassung jener, die<br />

nur wenig über die wahren Umstän<strong>de</strong> meines Falles wussten, und <strong>de</strong>rer,<br />

die sowieso immer schon gegen mich waren, hatte Liechtenstein mir<br />

gegenüber zu Recht gezeigt, wer hier <strong>de</strong>r Herr im Lan<strong>de</strong> ist. Und das<br />

Hans-Adam Gerechtigkeit wi<strong>de</strong>rfahren war. Hans-Adam, seine<br />

Regierung und auch die Staatsanwaltschaft kamen in <strong>de</strong>n Medien wegen<br />

<strong>de</strong>s Finanzplatzes immer wie<strong>de</strong>r zu Wort und lobten ständig sich und<br />

ihre saubere Arbeit. Sie vermittelten <strong>de</strong>m Ausland ein Bild eines<br />

<strong>de</strong>mokratischen, mo<strong>de</strong>rnen, auf Gerechtigkeit getrimmten Staates.<br />

<strong>Die</strong> Wirkung, <strong>de</strong>r die oben beschriebene abscheuliche Pille auf mich<br />

hatte, war gewaltig. Auf einen Schlag wur<strong>de</strong> all meine verbliebene<br />

Energie frei. Es gab nichts mehr, was ich in Sachen Argentinien hätte tun<br />

können. Sie hatten mit ihrem Plan Erfolg. <strong>Die</strong> Konsequenz daraus war,<br />

dass ich mich hinsetzte und meinen Generalstabsplan erstellte.<br />

Ironischerweise kamen mir ihre beispiellose Arroganz und <strong>de</strong>r von<br />

Geldgier verursachten Hohlheit in <strong>de</strong>r Umsetzung meines Plans sehr<br />

gelegen. In ihrer falschen Erhabenheit kamen sie nicht einmal auf <strong>de</strong>n<br />

Gedanken, dass ich mich wirklich rächen wür<strong>de</strong>/könnte. Sie waren<br />

überzeugt, dass ich keine <strong>Daten</strong> mehr besass und sie waren sich auch<br />

ihrer Endlösung für mich so sicher, dass ich schnell vergessen wur<strong>de</strong>.<br />

Und was mein <strong>de</strong>tailliertes Wissen (ohne die Kopien <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>) über<br />

ihre schmutzigen Geschäfte betraf, war als Faktor massgeblich daran<br />

beteiligt, warum dies für sie keine Gefahr mehr be<strong>de</strong>utete: Wer wür<strong>de</strong><br />

einem verurteilten Betrüger und Versuchs-Nötiger noch glauben.<br />

555


<strong>Die</strong>ser Faktor war eine brillante Komponente in ihrer Endlösung. Ihr<br />

Worst-Case-Scenario (Alptraum) war ja, dass ich mit meinem Wissen<br />

irgendwann (nach <strong>de</strong>r Verurteilung) vielleicht ins Ausland rennen<br />

wür<strong>de</strong>; dann könnten sie immer schön behaupten, dass dieser Heinrich<br />

Kieber ja ein grosser Verbrecher wäre. Er wur<strong>de</strong> ja in Vaduz verurteilt.<br />

„Glaubt ihm kein Wort!‚<br />

<strong>Die</strong> Ausnahmen waren <strong>de</strong>r Professor und <strong>de</strong>r Bankdirektor. Beim<br />

Professor hatte ich immer schon das Gefühl, dass er im Hinterkopf<br />

zumin<strong>de</strong>st theoretisch vermutet hatte, dass ich eine Kopie behalten hatte<br />

(und dies nicht nur, weil er zwischen <strong>de</strong>n Zeilen meiner Denkschrift<br />

lesen konnte). Sein Problem war, dass er ständig zwischen<br />

Konfrontationen und einer friedlichen Lösung hatte abwägen müssen.<br />

Obwohl er auf <strong>de</strong>r Lohnliste von Hans-Adam stand und seine <strong>Die</strong>nste<br />

<strong>de</strong>n Liechtensteinern noch für Jahre hinaus nach 2005 anbieten konnte,<br />

war er – beruflich bedingt – fast gezwungen, eine friedliche Lösung zu<br />

fin<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m war es absolut auch für ihn unmöglich von mir zu<br />

erfahren, ob ich noch eine Kopie nun hatte o<strong>de</strong>r nicht. Er hatte es<br />

mehrfach versucht.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor ahnte zwar, dass ich mich rächen könnte, war aber mit<br />

Hilfe <strong>de</strong>s Professors davon im Glauben überzeugt (wor<strong>de</strong>n), dass ich<br />

keine Kopie <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> mehr hatte. In Bezug auf mein Wissen schloss er<br />

sich <strong>de</strong>r Meinung <strong>de</strong>m Rest <strong>de</strong>r Hohen Finanzherren an.<br />

In umgekehrter Weise gab es schon ein, zwei Momente in <strong>de</strong>r ersten Zeit<br />

nach meiner Rückkehr im Juli 2003, wo ich ernsthaft kurz überlegte<br />

hatte, ob ich mich <strong>de</strong>m Duo Professor & Bankdirektor offenbaren sollte.<br />

Ich hatte damals das Gefühl, dass we<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Professor noch <strong>de</strong>r<br />

Bankdirektor übermässig überrascht o<strong>de</strong>r gar böse mit mir gewesen<br />

wären, wenn ich ihnen <strong>de</strong>n Umstand mit <strong>de</strong>r extra Masterkopie in einem<br />

Safe in <strong>de</strong>r Schweizer erklärt hätte. <strong>Die</strong>s darum, weil dann ja meine<br />

Offenheit in Bezug auf eine weitere Kopie von <strong>de</strong>m Duo auch als gutes,<br />

ehrliches Zeichen gewertet wor<strong>de</strong>n wäre. Das es am En<strong>de</strong> zu keiner<br />

Offenbarung kam, lag an zwei Entmutigungen:<br />

1. Ich war überzeugt, dass im Gegensatz zum Duo Hans-Adam diese<br />

„Sensation‚ garantiert in <strong>de</strong>n falschen Hals gelangt wäre. Und dann<br />

hätte er seine Versprechungen an mich auf Eis gelegt.<br />

2. Langsam aber sicher stieg Woche um Woche, Monat um Monat das<br />

Missverhältnis zwischen <strong>de</strong>m, was mir versprochen wur<strong>de</strong>, und <strong>de</strong>m,<br />

was unternommen wur<strong>de</strong>.<br />

556


Um auf die vorherrschen<strong>de</strong> Situation in Liechtenstein im 2005 zurück zu<br />

kommen. <strong>Der</strong> Punkt Nr. 1 in meinem Plan sah vor, dass ich selber <strong>de</strong>n<br />

wahren Gerechtigkeitssinn <strong>de</strong>r Regierung und <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft<br />

mal testen wollte. Ein sehr gewagtes Manöver. Aber wer nie etwas wagt,<br />

gewinnt auch nie. Und für Weicheischmalz war ich nicht bekannt. Denn<br />

es gab Leichen im Keller <strong>de</strong>r LGT. Sprich: ein erheblicher Teil <strong>de</strong>r über<br />

3400 (aktiven) Treuhandmandate war mit Geldmittel gefüttert wor<strong>de</strong>n,<br />

die aus kriminellen Handlungen aller Art stammten.<br />

Hans-Adam konnte mit seiner Macht gezielt verhin<strong>de</strong>rn, dass die<br />

Staatsanwaltschaft und die Regierung we<strong>de</strong>r offiziell noch inoffiziell<br />

einen konkreten Einblick in die Mandate <strong>de</strong>r LGT erhalten konnten, als<br />

ich ihm die vier gebrannten CD-ROMs via Berlin zukommen liess. <strong>Die</strong>s<br />

gelang ihm im Bezug auf die Kripo in Vaduz wegen eines<br />

Missverständnisses bekanntlich nicht. Festgehalten wer<strong>de</strong>n kann, dass<br />

die Kripo die <strong>Daten</strong> (<strong>de</strong>r 4 CDs) ab Februar 2003 für min<strong>de</strong>stens sieben<br />

Monate in ihrem Besitz hatte. Es ist davon auszugehen, dass Hans-Adam<br />

nach meinem Hinweis an ihn die vier Original-CDs <strong>de</strong>r Kripo<br />

abgenommen hatte.<br />

Das Gesetz schreibt auch in Liechtenstein vor, dass die<br />

Untersuchungsbehör<strong>de</strong>n, sollten sie Kenntnis über Geldwäscherei o<strong>de</strong>r<br />

je<strong>de</strong> an<strong>de</strong>re Art von (Wirtschafts-) Verbrechen erlangen, eine<br />

Untersuchung starten müssen. Ferner sollte man davon ausgehen<br />

können, dass die Regierung in Vaduz, ihrer eigenen manifestierten<br />

Wertvorstellung folgend, sofort in Aktion treten wür<strong>de</strong>, wenn sie solche<br />

Kenntnis erlangen wür<strong>de</strong>. Lassen wir jetzt mal die Polizei aus <strong>de</strong>m Spiel;<br />

sie hatte sowieso keine an<strong>de</strong>re Wahl, als <strong>de</strong>n Anordnungen, o<strong>de</strong>r<br />

„Wünschen‚ wie sie es auch wortwörtlich selber formulierten, von<br />

Hans-Adam o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Regierung zu folgen. Ich wollte also prüfen, wie<br />

ernst die Regierung und die STA es mit <strong>de</strong>m viel beschworenen Kampf<br />

gegen kriminelle Handlungen in Wirklichkeit hielten. Wenngleich ich<br />

über das Resultat diese Tests vorher schon eine sehr grosse<br />

wirklichkeitsnahe Prophezeiung machen konnte (und was wie<strong>de</strong>rum<br />

das kalkulierbare Risiko für mich min<strong>de</strong>rte). Es war für mich aber<br />

notwendig, es selbst zu erleben und zumin<strong>de</strong>st <strong>de</strong>r Regierung und <strong>de</strong>r<br />

Staatsanwaltschaft mit ihrer eigenen „falschen Bibel‚ eines auf die Birne<br />

zu knallen. Zu<strong>de</strong>m war dieser Punkt Nr. 1 im Zusammenhang <strong>de</strong>s<br />

Gesamtprojekts notwendig.<br />

557


Meine I<strong>de</strong>e war, dieses Mal <strong>de</strong>r Staatsanwaltschaft und <strong>de</strong>r Regierung<br />

direkt konkrete Details zu <strong>de</strong>n schlimmsten Mandaten abzuliefern.<br />

Geplant war, ihnen ohne grosse Erklärung jeweils getrennt und anonym<br />

hieb- und stichfeste Informationen über 90 Stiftungen o<strong>de</strong>r Anstalten<br />

zukommen zulassen und dann abzuwarten, was sie machen wür<strong>de</strong>n.<br />

Naturgemäss hätte es keinen Sinn gemacht, ihnen Informationen über<br />

solche Mandate zuzusen<strong>de</strong>n, wo „nur‚ eine reine Steuerhinterziehung<br />

vorzufin<strong>de</strong>n war. <strong>Die</strong>ser Rechtsbruch im Ausland war und ist ja im<br />

Ländle selber kein Delikt. Um <strong>de</strong>m Gesetz in Liechtenstein zu genügen,<br />

mussten es Straftaten wie z.B. Geldwäscherei, Steuerbetrug,<br />

Kreditbetrug, Allgemeiner Betrug, Subventionsbetrug, Korruption,<br />

Insi<strong>de</strong>raktienhan<strong>de</strong>l, Schmiergeldzahlungen etc. sein. Es ging um nicht<br />

verjährte Straftaten, die in Liechtenstein Offizial<strong>de</strong>likte sind und von<br />

Staates wegen verfolgt wer<strong>de</strong>n müssen.<br />

Nichts leichter als das. Ich hatte Hun<strong>de</strong>rte solcher Mandate zur<br />

Auswahl. Für meinen Projektpunkt Nr. 1 benötigte ich die Liste<br />

„Beson<strong>de</strong>re Kundschaft‚ und die elektronisch gespeicherten<br />

Kun<strong>de</strong>ndaten.<br />

Nach noch strengeren Vorsichtsmassnahmen als beim letzten Mal begab<br />

ich mich zur Schweizer Bank und holte mir die Liste und die externe<br />

Festplatte mit <strong>de</strong>r Masterkopie aus <strong>de</strong>m Safe. <strong>Die</strong>ses Mal hatte ich<br />

meinen Laptop dabei und ich setzte mich in einen <strong>de</strong>r Miniräume neben<br />

<strong>de</strong>m Tresorraum. Ich wählte von <strong>de</strong>n Sektoren 1, 2 und 3 (siehe Kapitel<br />

25) je 30 Mandate von Kun<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>r ganzen Welt aus und notierte nur<br />

<strong>de</strong>n Name <strong>de</strong>r Stiftung o<strong>de</strong>r Anstalt auf einem neuem Computerblatt.<br />

In <strong>de</strong>r Masterkopie forschte ich in <strong>de</strong>n Dateien <strong>de</strong>r betroffenen Mandate<br />

nach <strong>de</strong>n diversen Bankverbindungen und <strong>de</strong>m Kontostand und setzte<br />

sie in die Aufstellung. Ich hätte natürlich viel mehr Angaben, Name,<br />

Adresse und Staatsangehörigkeit <strong>de</strong>r wirtschaftlich Berechtigten,<br />

Aktenvermerke, Ein- und Auszahlungen, beson<strong>de</strong>re Vorkommnisse etc.<br />

in die neue Liste aufnehmen können. Dann hätte ich aber gleich schon<br />

die ganze Computerdatei jener ausgewählten Mandate auf eine CD<br />

brennen und abschicken können. <strong>Die</strong>s musste ich vermei<strong>de</strong>n. Sonst<br />

hätten die in Vaduz sofort erkannt, dass es Mandate, und nur Mandate<br />

aus <strong>de</strong>r LGT Treuhand waren. Und, was noch gefährlicher wäre, sie<br />

hätten <strong>de</strong>n Beweis gehabt, dass „irgendjemand‚ original Bank- und<br />

Treuhanddaten hatte.<br />

558


Trotz<strong>de</strong>m waren es mehr als genug Informationen, um es <strong>de</strong>n<br />

Adressaten unmöglich zu machen, juristisch rein gar nichts zu<br />

unternehmen. Solches Verhalten hatten sie nämlich schon einmal En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r 90er Jahre gezeigt. Damals hatten die Regierung und Hans-Adam (er<br />

streitet dies zwar aber nach wie vor ab) eine ähnliche "Liste" per Post<br />

zugestellt bekommen. Es betraf aber we<strong>de</strong>r die LLB noch die LGT.<br />

In meiner Auswahl <strong>de</strong>r insgesamt 90 Mandate achtete ich darauf, dass<br />

die Geldvermögen bei unterschiedlichsten Banken (Z.B. LGT, VPB, LLB,<br />

CS, UBS, Kantonalbank Zürich, DB) und in verschie<strong>de</strong>nen Län<strong>de</strong>rn (z.B.<br />

FL, Schweiz, Österreich, UK.) betreut wur<strong>de</strong>n.<br />

Zu<strong>de</strong>m wollte ich durch das Nicht-Erwähnen <strong>de</strong>r Namen und<br />

Staatsangehörigkeit <strong>de</strong>r Besitzer und Begünstigten (<strong>de</strong>r Stiftung o<strong>de</strong>r<br />

Anstalt) <strong>de</strong>n Eindruck hinterlassen, dass <strong>de</strong>r anonyme Schreiber dieser<br />

Teil <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> nicht kennen wür<strong>de</strong>. <strong>Der</strong> einzige gemeinsame (nicht<br />

verratene) Nenner war, dass die Mandate von <strong>de</strong>r LGT Treuhand betreut<br />

und gemanagt wur<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>r letzten Kolonne hielt ich im Detail stichwortartig fest, was <strong>de</strong>r<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Stiftung o<strong>de</strong>r Anstalt an kriminellen Handlungen<br />

nachgewiesen wer<strong>de</strong>n kann o<strong>de</strong>r auf Grund von Hinweisen in<br />

Aktenvermerke an rechtswidrigem Verhalten aufgezeigt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Auch machte ich mir die Mühe und setzte, wo dies möglich war, die<br />

betroffenen Paragraphen aus <strong>de</strong>m STGB (von FL, Schweiz, Deutschland<br />

und Österreich) hinten an. <strong>Die</strong> Details waren von solcher Klarheit, dass<br />

die Staatsanwaltschaft und die Regierung gezwungen wor<strong>de</strong>n wären,<br />

eine sofortige Strafuntersuchung zu eröffnen. Mit <strong>de</strong>m Namen <strong>de</strong>r<br />

Stiftung o<strong>de</strong>r Anstalt könnte sie im Amtsregister die Treuhandfirma<br />

o<strong>de</strong>r Treuhän<strong>de</strong>r eruieren und damit die Herausgabe aller Dokumente<br />

verlangen o<strong>de</strong>r gesetzlich erzwingen.<br />

Anhand <strong>de</strong>n Massen von Dokumenten könnte sie dann die Namen <strong>de</strong>r<br />

Besitzer und Begünstigten, die Aktenvermerke einsehen und <strong>de</strong>n<br />

Sachverhalt sowie die Hintermänner i<strong>de</strong>ntifizieren. Und im Anschluss<br />

die verschie<strong>de</strong>nsten Straftaten nachweisen. Es waren Hinweise wo man<br />

die „Leiche‚ noch warm auffin<strong>de</strong>n konnte und die „Mör<strong>de</strong>r‚ mit <strong>de</strong>r<br />

Waffe noch in <strong>de</strong>r Hand. Jene Mandate waren ja intern auch als<br />

"Leichen" betitelt wor<strong>de</strong>n.<br />

Ich hatte in meiner Planung antizipiert, dass die STA und die Regierung<br />

(später einmal) behaupten wür<strong>de</strong>n, die ihnen zugesandte Liste hätten<br />

nur Moorleichen enthalten, also Fälle, die nach <strong>de</strong>r speziellen Vaduzer<br />

559


Interpretation angeblich schon lange verfault waren, sprich nicht (mehr)<br />

verfolgungswürdig sind. Daher hatte ich mich bemüht nur Leichen mit<br />

einem grösseren aktuellen Bezug zur Zeitgeschichte (ab <strong>de</strong>m Jahr 2000)<br />

in die Aufstellung zu nehmen.<br />

Einige <strong>de</strong>r Mandate mit Bezug zu Deutschland waren: Geheime, nicht<br />

ent<strong>de</strong>ckte Briefkastenfirmen im Besitz einer bankrott gegangenen Bank,<br />

dubios Millionenzahlungen im Umkreis <strong>de</strong>r Pleite eines Film- und TV-<br />

Konzerns, die ewigen Schmiergeldzahlungen im Umfeld eines<br />

Anlagebaukonzerns (D-CH), <strong>de</strong>n grossen Bestechungsfall, <strong>de</strong>n ich im<br />

Brief an Hans Adam vom 7.1.’03 vermerkt hatte, konkrete Hinweise auf<br />

Gel<strong>de</strong>r in Vaduz aus EU-Subventionsbetrug (Deutschland-Italien) o<strong>de</strong>r<br />

die drei politisch heiklen Mandate.<br />

<strong>Die</strong> Liste hatte ich En<strong>de</strong> Juni/Anfang Juli fertig. Das gesamte<br />

Bankvermögen (ohne die auch vorhan<strong>de</strong>nen an<strong>de</strong>ren Anlagewerte) <strong>de</strong>r<br />

90 Briefkastenfirmen summierte sich auf beachtliche 434 Millionen<br />

Schweizer Franken. Im Durchschnitt also über 4,8 Mio. CHF pro Stiftung<br />

etc.<br />

Ich erstellte ein kurzes Begleitschreiben und achtete darauf, dass man<br />

auf Grund <strong>de</strong>r gewählten Schriftart, Länge <strong>de</strong>r Sätze, Aufbau <strong>de</strong>r<br />

Abschnitte und Wahl <strong>de</strong>r Worte nicht sofort auf mich als Absen<strong>de</strong>r<br />

tippen könnte. Ich fand, es wäre das Beste, wenn ich aus einer<br />

unterwürfigen Position heraus und mit falscher Heuchlerei schreibe,<br />

anstelle als Mahner und For<strong>de</strong>rer Druck auszuüben. Und ein paar<br />

bewusst platzierte Schreibfehler wür<strong>de</strong>n auch nicht scha<strong>de</strong>n: Aus Otmar<br />

Hasler wur<strong>de</strong> Otimar Hassler. Aus Robert Wallner wur<strong>de</strong> Rudolf<br />

Walner. Am En<strong>de</strong> stand folgen<strong>de</strong>r Text (alles wie im Original<br />

linksbündig) im Begleitschreiben:<br />

Geschätzter Präsi<strong>de</strong>nt Otimar Hassler<br />

Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s <strong>Fürst</strong>lich Liechtensteinschen Kabinetts<br />

Wir bitten Sie und Ihre lobenswürdigen Minister respektvoll<br />

um wenige Minuten Ihrer Zeit. In <strong>de</strong>n letzten Monaten haben<br />

wir mit Freu<strong>de</strong> festgestellt, dass Sie <strong>de</strong>n Kampf gegen<br />

Geldwäscherei stärker aufgenommen haben. Anbei möchten<br />

wir Ihnen eine uns fremd zugespielte Tabelle zukommen<br />

lassen. Es ist darin von gravieren<strong>de</strong>n Kapitalverbrechen die<br />

Re<strong>de</strong>. Bitte nehmen Sie sich <strong>de</strong>r Sache an. Wir sind dafür die<br />

falsche Gruppe. Bitte entschuldigen Sie, dass wir uns nicht mit<br />

560


Namen erkennbar machen können. Wir wollen einfach nicht in<br />

eine Sache rein gezogen wer<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>r wir nichts zu tun<br />

haben. Wir haben keine Reproduktion <strong>de</strong>r Tabelle behalten.<br />

Hochachtungsvoll<br />

<strong>Der</strong> Text an die STA war nur wenig an<strong>de</strong>rs:<br />

Geschätzter Vorsitzen<strong>de</strong>r Dr. Rudolf Walner<br />

Direktor <strong>de</strong>r <strong>Fürst</strong>lich Liechtensteinischen<br />

Oberstaatsanwaltschaft<br />

Wir bitten Sie respektvoll um wenige Minuten Ihrer Zeit. In <strong>de</strong>n<br />

letzten Monaten haben wir mit Freu<strong>de</strong> festgestellt, dass Sie<br />

vermehrt <strong>de</strong>n Kampf gegen Geldwäscherei aufgenommen<br />

haben. Anbei möchten wir Ihnen eine uns fremd zugespielte<br />

Tabelle zukommen lassen. Es ist darin von gravieren<strong>de</strong>n<br />

Kapitalverbrechen die Re<strong>de</strong>. Bitte nehmen Sie sich <strong>de</strong>r Sache an.<br />

Wir sind dafür die falsche Anlaufstelle. Bitte entschuldigen Sie,<br />

dass wir uns nicht mit Namen erkennbar machen können. Wir<br />

wollen einfach nicht in eine Sache rein gezogen wer<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>r<br />

wir nichts zu tun haben. Wir haben auch keine Reproduktion<br />

<strong>de</strong>r Tabelle behalten. Hochachtungsvoll<br />

Ich kopierte die Liste und <strong>de</strong>n Kurzbrief 4 x und steckte sie in einzelne<br />

Umschläge. Mit <strong>de</strong>m Computer hatte ich die 2x2 Etiketten mit <strong>de</strong>r<br />

genauen Adresse <strong>de</strong>r Gesamtregierung und <strong>de</strong>s Büros <strong>de</strong>r<br />

Staatsanwaltschaft erstellt. Ich wollte noch etwas warten, bis ich die<br />

Umschläge loslassen konnte. Zuerst musste ich die i<strong>de</strong>ale Art und Weise<br />

ausfindig machen.<br />

Ich kaufte mir in <strong>de</strong>r Zwischenzeit ein neues Handy mit einer Schweizer<br />

SIM-Karte. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, hatte ich das alte<br />

Handy mit <strong>de</strong>r Liechtensteiner Nummer beibehalten und es ab und zu<br />

für alltägliches genutzt. Ich war mir sicher, dass es immer noch abgehört<br />

wur<strong>de</strong>. Obwohl dies (rechtlich) etwas schwieriger für Hans-Adams<br />

Schnüffler wur<strong>de</strong>, da meine Liechtensteiner Handy nun hauptsächlich<br />

über das Netz <strong>de</strong>r Schweizer lief. Für das Abhören, bzw. das<br />

Mitschnei<strong>de</strong>n meiner Gespräche über das Schweizer Netz müsste er<br />

einen Beschluss eines Richters in <strong>de</strong>r Schweiz einholen.<br />

561


Nach kurzen Abklärungen hatte ich mehrere Varianten auf <strong>de</strong>m Tisch.<br />

Ich hätte ganz frech die Umschläge direkt in die Hausbriefkästen <strong>de</strong>r<br />

Staatsanwaltschaft o<strong>de</strong>r Regierung einwerfen können. Zur nächtlichen<br />

Stun<strong>de</strong> zum Beispiel, wenn weniger o<strong>de</strong>r kein Verkehr war. Besser wäre<br />

es <strong>de</strong>n normalen Weg zu nehmen. So wie die Behör<strong>de</strong>n ihre übliche Post<br />

auch bekommen. Ich wollte aber vermei<strong>de</strong>n, dass die Umschläge auf<br />

<strong>de</strong>m Postweg verloren gehen könnten. Nicht das ich Angst hätte, <strong>de</strong>r<br />

Inhalt könnte in an<strong>de</strong>re Hän<strong>de</strong> gelangen. Früher o<strong>de</strong>r später wür<strong>de</strong> die<br />

Wahrheit sowieso raus kommen, da war ich mir jetzt ganz sicher. Es<br />

ging mir ja bei dieser Übung nicht darum, diese Stiftungen und<br />

Anstalten <strong>de</strong>r Allgemeinheit vor die Füsse zu legen. Sonst hätte ich es ja<br />

gleich einer Strafverfolgungsbehör<strong>de</strong> (z.B. in Deutschland, Österreich<br />

o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Schweiz) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Spiegel zuschicken können. Hier ging es<br />

darum, dass die STA und die Regierung in Vaduz die Liste bekommen.<br />

Ein Versand per Privatfirma o<strong>de</strong>r per Einschreiben durch die Post hätte<br />

bei <strong>de</strong>n Empfängern <strong>de</strong>n Eindruck von „Dringend‚, „Wichtig‚ o<strong>de</strong>r<br />

„Ernst‚ hinterlassen. <strong>Die</strong>s wollte ich mei<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>m müsste ich dazu<br />

auch die Briefe beim Kurier o<strong>de</strong>r einer Poststelle persönlich (am Schalter)<br />

aufgeben und einen Absen<strong>de</strong>r vermerken. Das Letztere wäre (in <strong>de</strong>r<br />

Schweiz) insofern kein Problem, da man einfach einen falschen Namen<br />

und Adresse als Absen<strong>de</strong>r angibt. Am En<strong>de</strong> war, wie so oft, <strong>de</strong>r<br />

einfachste Weg <strong>de</strong>r Beste. Ich entschied mich, die Briefe mit genügend<br />

Marken zu frankieren und in einen Briefkasten <strong>de</strong>r Post in zwei<br />

Liechtensteiner Gemein<strong>de</strong>n einzuwerfen. Somit wür<strong>de</strong> später die<br />

kleinstmögliche Aufmerksamkeit auf <strong>de</strong>n anonymen Absen<strong>de</strong>r gelenkt<br />

(im Vergleich wenn die Post z.B. aus Deutschland gekommen wäre).<br />

Natürlich hatte ich keine Fingerabdrücke auf <strong>de</strong>n Briefen und<br />

Umschläge hinterlassen.<br />

Ich suchte mir einen beson<strong>de</strong>ren Tag für <strong>de</strong>n Einwurf aus: Samstag, <strong>de</strong>n<br />

09.07.2005. <strong>Der</strong> zweite Jahrestag <strong>de</strong>r heiligen Audienz bei Hans-Adam<br />

soll es sein. Ich fuhr mit <strong>de</strong>m Zug nach Sargans und mit <strong>de</strong>m Bus nach<br />

Triesen. Um kurz nach 9:00 war ich schon am ersten Ziel. Bei <strong>de</strong>r Post<br />

Triesen kaufte ich mir die Briefmarken und es verschwan<strong>de</strong>n je ein Brief<br />

an die Staatsanwaltschaft und die Regierung im Briefkasten dieser Post.<br />

Ich fuhr weiter zur Post in Schaan und warf die restlichen zwei Kuverts<br />

ein.<br />

<strong>Der</strong> 9.7. hatte nur noch für mich eine grosse Be<strong>de</strong>utung. We<strong>de</strong>r „Otimar<br />

Hassler‚ noch „Rudolf Walner‚ (o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren Vorzimmerdamen, wo die<br />

Briefe geöffnet wer<strong>de</strong>n) wür<strong>de</strong>n auch nur eine Sekun<strong>de</strong> daran<br />

562


vergeu<strong>de</strong>n, darüber nachzu<strong>de</strong>nken, warum sie dieselbe Post zweimal<br />

erhalten haben. Da die Regierung selber keine Untersuchungsbehör<strong>de</strong><br />

ist, müsste im Normalfall <strong>de</strong>r Regierungschef Hasler eine solche Liste<br />

<strong>de</strong>r Justizministerin übergeben und diese es an die Staatsanwaltschaft<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Polizei mit <strong>de</strong>m Auftrag weiterleiten, die Hinweise zu<br />

untersuchen.<br />

Da ich die Funktionsweise <strong>de</strong>r Vaduzer Regierung bei solchen<br />

Angelegenheiten nur allzu gut kenne, war ich mir ganz sicher, dass ihre<br />

Liste spurlos „verschwin<strong>de</strong>n‚ wür<strong>de</strong>. Damit war schon mal die auf <strong>de</strong>n<br />

ersten Blick erkennbare Gefahr (für mich) geschrumpft. <strong>Die</strong> Gefahr, dass<br />

sich die zwei Empfänger (direkt o<strong>de</strong>r durch ihrer Sekretariate) über <strong>de</strong>n<br />

Erhalt (per Zufall) ausgetauscht hätten und dadurch eventuell eine<br />

<strong>de</strong>utliche Systematik <strong>de</strong>s Absen<strong>de</strong>rs hätten erkennen können. Bleibt<br />

noch die Staatsanwaltschaft übrig. Meine Einschätzung war, dass sie ihre<br />

Liste durch <strong>de</strong>n Reisswolf ziehen wür<strong>de</strong>n und damit hätte es sich auch<br />

schon. <strong>Die</strong> STA wer<strong>de</strong>n bei solchen Vorwürfen, die Stiftungen und<br />

Anstalten betreffen, prinzipiell nur dann aktiv, wenn es von <strong>de</strong>r<br />

Regierung geprüft, bewilligt und angeordnet wur<strong>de</strong>. Und die<br />

Untersuchung im Ausland angestossen wur<strong>de</strong>.<br />

Ein an<strong>de</strong>res Risiko blieb bestehen. Ein Studium <strong>de</strong>r aufgelisteten<br />

Briefkastenfirmen hätte einen roten Pfeil in Richtung LGT Treuhand<br />

aufgezeigt. Im schlimmsten Fall wäre man auf mich als möglichen<br />

Verfasser gekommen. Da ich aber bewusst keine Originaldaten<br />

freigegeben hatte, wür<strong>de</strong>n die Angaben in meiner Liste unter die<br />

Kategorie „auswendig gelerntes Wissen‚ fallen. Einer solchen<br />

Konfrontation hätte ich ohne Sorgen entgegen gesehen.<br />

Was sollten sie mir auch antun, <strong>de</strong>n Kopf abschlagen?<br />

Nicht umsonst hatte ich in <strong>de</strong>n vergangenen 2 Jahren (2003-2005) einiges<br />

vom Feind gelernt. Als Verfasser <strong>de</strong>r Listen und <strong>de</strong>s Begleitbriefs hatte<br />

ich gegen kein Gesetzt verstossen. Ich hatte we<strong>de</strong>r gesagt, dass ich die<br />

dazugehören<strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> liefern könnte o<strong>de</strong>r gar besitzen wür<strong>de</strong>, noch<br />

hatte ich gedroht, mit <strong>de</strong>r Liste an ausländische Behör<strong>de</strong>n zu gelangen.<br />

Auch hatte keine For<strong>de</strong>rung gestellt. Was sollen sie da machen? Mich in<br />

Präventivhaft nehmen o<strong>de</strong>r mich zwangsweise in die Irrenanstalt<br />

einweisen? Wohl kaum, o<strong>de</strong>r? Natürlich wür<strong>de</strong> ich es ihnen gegenüber<br />

nie zugeben, dass ich <strong>de</strong>r Urheber war.<br />

Es gab einen weiteren Aspekt, <strong>de</strong>n ich in meinen Gedankengang mit<br />

einbezogen hatte. Angenommen, sie wür<strong>de</strong>n auf mich als Urheber<br />

563


tippen, dann hätten sie ein weiteres Dilemma: wür<strong>de</strong> nämlich die<br />

Staatsanwaltschaft o<strong>de</strong>r die Regierung auf mich zukommen und mich<br />

damit konfrontieren, be<strong>de</strong>utete dies gleichzeitig die automatische<br />

Bestätigung, dass sie die Liste erhalten hatten. Und was hiesse das? Klar,<br />

sie müssten <strong>de</strong>r Sache nachgehen. Sie müssten die Fakten untersuchen.<br />

Da dies nicht im ihrem Interesse lag, konnte ich mir ausrechnen, dass<br />

sich mich <strong>de</strong>swegen nicht direkt ansprechen wür<strong>de</strong>n.<br />

Nicht das ich im Ländle etwas zu sagen hätte. Natürlich nicht. Aber es<br />

wimmelte von hoch bezahlten Juristen im Regierungsapparat.<br />

Min<strong>de</strong>stens einer davon wür<strong>de</strong> doch sicher auch auf die I<strong>de</strong>e kommen,<br />

dass es gera<strong>de</strong> das Ziel <strong>de</strong>s Absen<strong>de</strong>rs gewesen sein könnte, eine<br />

„staatliche Bestätigung‚ <strong>de</strong>s Erhalts <strong>de</strong>r Liste zu erreichen.<br />

Unter allen Umstän<strong>de</strong>n wäre es also besser, wenn man so tun wür<strong>de</strong>, als<br />

sei die Liste nie angekommen. Immer alles totschweigen war <strong>de</strong>r<br />

einfachste Weg für die Regierung und Hans-Adam. Sollte sich später<br />

herausstellen, dass beispielsweise eine ausländische NGO (Nicht<br />

Regierungs Organisation) hinter <strong>de</strong>m Absen<strong>de</strong>r steckte, dann wür<strong>de</strong><br />

man in Vaduz behaupten, die Liste sei lei<strong>de</strong>r nie angekommen. Habt ihr<br />

<strong>de</strong>nn noch eine? wür<strong>de</strong>n sie scheinheilig fragen. Könnte ihr uns eine<br />

zukommen lassen? Wir wür<strong>de</strong>n sofort <strong>de</strong>r Sache nachgehen und die<br />

Delikte aufklären.<br />

Am Samstag noch war ich wie<strong>de</strong>r zurück in die Schweiz gefahren. Für<br />

die folgen<strong>de</strong> Woche waren keine beson<strong>de</strong>ren Vorkommnisse zu<br />

vermel<strong>de</strong>n. Alles ruhig. Niemand aus Vaduz rief mich an. Ich musste für<br />

eine lange Zeit auf <strong>de</strong>r Hut sein. Sollten sie mich Verdächtigen, dann<br />

wür<strong>de</strong>n sie mich ja nicht direkt damit konfrontieren, son<strong>de</strong>rn mich<br />

wie<strong>de</strong>r beschatten lassen. Das meine Umschläge angekommen waren,<br />

daran hatte ich absolut keine Zweifel. <strong>Die</strong> Liechtensteiner Post verliert<br />

keine Briefe.<br />

Erst am 12. August, <strong>de</strong>m Freitag vor <strong>de</strong>m Staatsfeiertagswochenen<strong>de</strong>,<br />

mel<strong>de</strong>te sich Vaduz. <strong>Der</strong> Bankdirektor hatte angerufen. Ich glaube er war<br />

irgendwo unterwegs. Er fragte mich, wie es mir ginge und ob ich Pläne<br />

hätte, zum Staatsfeiertag nach Liechtenstein zu kommen. Nein sagte ich.<br />

Gut so, erwi<strong>de</strong>rte er. Hans-Adam wür<strong>de</strong> es gar nicht gerne sehen, falls er<br />

mich im Ländle erblicken wür<strong>de</strong>.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor wünschte auch ein Treffen mit mir im Spätherbst. Nur<br />

um zu sehen, wie es mir so gehen wür<strong>de</strong>. Gerne, erwi<strong>de</strong>rte ich. Ich<br />

wie<strong>de</strong>rholte meine Bitte an ihn, Hans-Adam um ein Gespräch zu bitten.<br />

Lei<strong>de</strong>r hätte Hans-Adam im Moment keine Zeit. Er wäre sehr mit seinen<br />

564


Unternehmen beschäftigt, erklärte mir <strong>de</strong>r Bankdirektor. Hans-Adam<br />

liess mir auch ausrichten, dass er (Hans-Adam) nichts für die<br />

fehlgeschlagenen Begnadigung dafür könne. Es sei ja schliesslich sein<br />

Sohn Alois gewesen, <strong>de</strong>r als amtieren<strong>de</strong>s Staatsoberhaupt <strong>de</strong>n Entscheid<br />

dazu autonom gefällt hätte.<br />

Wie<strong>de</strong>r einmal fehlten mir die Worte. Was sollte ich darauf noch<br />

antworten. Das Telefonat war dann zu En<strong>de</strong>. Ich hätte so gerne von<br />

Hans-Adam selber gehört, warum er sein Wort so brutal gebrochen<br />

hatte. <strong>Die</strong>ses Wunschbild (einer solchen Aussprache) trug ich noch<br />

lange mit mir herum. Seltsam, warum weiss ich auch nicht mehr<br />

Weitere Wochen vergingen, ohne dass sich jemand aus meiner Heimat<br />

bei mir mel<strong>de</strong>te. Ich hatte schon mit <strong>de</strong>n Vorbereitungen zu Punkt Nr. 3<br />

und 4 meines Planes begonnen. Das Ländle besuchte ich auch zwei Mal<br />

inkognito. In <strong>de</strong>r Nachrichtenküche in Vaduz war es auch ruhig. Ich<br />

konnte nichts über eine Liste hören. Trotz meiner inzwischen guten<br />

Kontakte.<br />

Erst Anfang November 2005 wur<strong>de</strong> ich wie<strong>de</strong>r vom Bankdirektor<br />

angerufen und gebeten nach Liechtenstein zu kommen. Komisch, dachte<br />

ich. Warum wollen die mich in Liechtenstein treffen. Zürich wäre doch<br />

viel Besser. Da aber seit <strong>de</strong>m Listenversand schon über 3 Monate<br />

vergangen waren, erwartete ich nichts aus dieser Richtung. Ich fuhr mit<br />

<strong>de</strong>m Zug am 5.11. Richtung Heimat. Ich wartete vor <strong>de</strong>m Gitter <strong>de</strong>r<br />

geschlossenen Tiefgarageneinfahrt <strong>de</strong>r LGT Bank. Nervös wur<strong>de</strong> ich<br />

dann, als zum abgemachten Zeitpunkt niemand erschien. Ob ich mich<br />

im Tag geirrt hatte, fragte ich mich. Nein, alles stimmte. Ich wartete über<br />

eine Stun<strong>de</strong>. Keiner kam. Das Handy <strong>de</strong>s Bankdirektors war auch<br />

ausgeschaltet. <strong>Die</strong> Büros waren am Samstag sowieso leer. Na gut, macht<br />

nichts, sagte ich mir. Ich blieb übers Wochenen<strong>de</strong> im Ländle und konnte<br />

bei einem Bekannten übernachten.<br />

Ich konnte erfahren, dass R. Lampert wegen seines Briefs (aus <strong>de</strong>m<br />

Gefängnis) ein neuer Strafprozess wegen fortwähren<strong>de</strong>r, versuchter<br />

schwerer Erpressung gemacht wür<strong>de</strong>.<br />

Eine Woche später wur<strong>de</strong> ich vom Professor kontaktiert und um ein<br />

Treffen am 17.11. in Zürich gebeten. Alles klar, sagte ich. Er<br />

entschuldigte sich auch im Namen <strong>de</strong>s Bankdirektors für das<br />

Missgeschick am 5.11. <strong>Der</strong> Bankdirektor war verhin<strong>de</strong>rt und konnte mir<br />

nicht rechtzeitig absagen. Kein Problem, sagte ich.<br />

565


Am Donnerstag, <strong>de</strong>n 17.11. wartete ich auf <strong>de</strong>r Rückseite <strong>de</strong>s<br />

Hauptbahnhofs Zürich auf <strong>de</strong>n Professor. Er wür<strong>de</strong> um <strong>de</strong>n Bahnhof<br />

herumfahren und ich sollte in <strong>de</strong>n Wagen steigen. Wir fuhren etwas in<br />

<strong>de</strong>r Stadt herum und parkten das Auto in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>r Zürcher Oper<br />

(übrigens ein exzellentes Lie<strong>de</strong>rtheater). Wir bei<strong>de</strong> hatten etwas an<br />

Gewicht zugelegt. Trotz<strong>de</strong>m beschlossen wir, ein typisch amerikanisches<br />

Steakhaus aufzusuchen. Über tellerweise Fleisch, Bratkartoffeln, Fritten<br />

und Mais mit Reis philosophierten wir über Gott und die Welt. Ich hatte<br />

Frie<strong>de</strong>n mit ihm geschlossen. Er konnte ja nichts dafür, dass alles so<br />

gekommen war, wie es en<strong>de</strong>te. Er hatte sein allerbestes gegeben.<br />

Ich fragte ihn direkt, ob er noch in <strong>de</strong>n <strong>Die</strong>nsten <strong>de</strong>s Blaubluts o<strong>de</strong>r von<br />

Liechtenstein stehen wür<strong>de</strong>. Er blieb stumm. Keine Antwort bei dieser<br />

Frage be<strong>de</strong>utete Ja. Nach seinem dritten Bier fragte er mich, ob ich zu<br />

folgen<strong>de</strong>m eine Theorie hätte: Ihm wäre zu Ohren gekommen, dass die<br />

Regierung und die Staatsanwaltschaft vor einiger Zeit eine Liste mit<br />

Angaben zu diversen Stiftungen zugespielt wor<strong>de</strong>n wäre. Ich ass<br />

<strong>de</strong>sinteressiert weiter. Als er nicht weiterre<strong>de</strong>te, hörte er von mir: Und?<br />

Es wür<strong>de</strong> sich um korpulente Leichen aus <strong>de</strong>r LGT Treuhand han<strong>de</strong>ln.<br />

Da musste ich natürlich meine Ohren <strong>de</strong>monstrativ spitzen. Echt? fragte<br />

ich. Ja, die Regierung hatte herausgefun<strong>de</strong>n, dass es sich nur um<br />

Mandate <strong>de</strong>r LGT han<strong>de</strong>lt. <strong>Die</strong> Liste wäre sehr <strong>de</strong>tailliert. Was meine<br />

Meinung dazu wäre und ob ich etwas von diesen Listen wüsste, fragte er<br />

mich. Ich machte ein Gesicht, als hätte ich ein Kilo Zitronen gefressen<br />

und schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. Nein! Warum sollte ich etwas darüber wissen,<br />

fragte ich.<br />

Es machte keinen Sinn, <strong>de</strong>m Professor vorzugaukeln, dass ich keine<br />

solche Liste hätte erstellen können. Ob er die Liste habe, fragte ich. Nein,<br />

sagte er. Offiziell wisse er von nichts. Man hätte die Liste anonym per<br />

Post verschickt. In Liechtenstein. <strong>Die</strong> Regierung wäre etwas nervös<br />

gewesen. Und hätte Hans-Adam informiert. Beim Erklingen dieses<br />

Namens rollte ich meine Augen und sagte ihm, dass er sicher verstehen<br />

wür<strong>de</strong>, dass ich keinen Bock mehr habe, mich mit Hans-Adam, <strong>de</strong>r<br />

Regierung, <strong>de</strong>r LGT, <strong>de</strong>n Hohen Finanzherren o<strong>de</strong>r sonst<br />

irgendjeman<strong>de</strong>n in diesem Zusammenhang zu befassen. Er verstand. Er<br />

erzählte trotz<strong>de</strong>m weiter.<br />

Falls ich es bin anhin im Buch noch nicht erwähnt haben sollte, o<strong>de</strong>r<br />

meine Leser diesbezüglich <strong>de</strong>n Eindruck noch nicht hatten gewinnen<br />

können: <strong>Der</strong> Professor war immer einer von dieser Sorte Mensch, die die<br />

566


Leichen in <strong>de</strong>n Kellern <strong>de</strong>r Banken o<strong>de</strong>r Treuhandfirmen in<br />

Liechtenstein nicht tolerierten.<br />

Es war natürlich ausserhalb seines Sachgebietes, dazu Hans-Adam<br />

irgendwelche Anweisungen zu geben. Dafür wur<strong>de</strong> er schliesslich nicht<br />

angeheuert. Naturgemäss hätte er schon gerne die paar wenigen, aber<br />

<strong>de</strong>ftigen Leichen mit Bezug zu seinem eigenen Land mal eingesehen.<br />

Einer Leichenschau konnte er aber nie beiwohnen. Er erzählte mir, dass<br />

Hans-Adam <strong>de</strong>n Verdacht geäussert habe, dass etwa jemand von <strong>de</strong>r<br />

Wirtschaftskriminalpolizei in Vaduz dahinter stecken könnte (siehe auch<br />

Kapitel 8 „Berlin, 14. Januar 2003, nach Abfahrt <strong>de</strong>s<br />

Diplomatenwagens‚).<br />

Ein Polizist hätte aus beruflichen und moralischen Grün<strong>de</strong>n ein Interesse<br />

daran, gewisse Leichen aus Liechtenstein zu sezieren. Es arbeiteten ja<br />

seit Jahren auch ausländische Experten bei <strong>de</strong>r Polizei in Vaduz: zum<br />

Beispiel Deutsche o<strong>de</strong>r Österreicher, sagte <strong>de</strong>r Professor und schil<strong>de</strong>rte<br />

weiter: <strong>Die</strong>se Experten hatte Vaduz nach <strong>de</strong>m ersten grossen Skandal<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 90er/Anfang 2000 anheuern müssen, da es an eigenen<br />

Spezialisten mangelte.<br />

Ich fragte sofort, wie sollte die Polizei an Details und Fakten<br />

herangekommen sein, ohne die <strong>Daten</strong>. Er schil<strong>de</strong>rte mir, dass sich<br />

herausgestellt hatte, dass nach einem Irrtum die Kripo im Januar o<strong>de</strong>r<br />

Februar 2003 eine Kopie, einige wür<strong>de</strong>n sogar sagen das Original,<br />

meiner 4 CDs aus Berlin behalten hatte. Zumin<strong>de</strong>st für einen Zeitraum.<br />

Glaube ich nicht, täuschte ich ihm vor. Wen <strong>de</strong>m so gewesen wäre,<br />

warum hatte dann die Polizei nicht gleich eine Untersuchung gestartet,<br />

anstelle jahrelang zu warten und dann Listen zu verschicken.<br />

Mir war es egal, was <strong>de</strong>r Professor zwischen <strong>de</strong>n Zeilen meines letzten<br />

Kommentars lesen konnte. Menschlich gesehen könnte man dies<br />

erklären, meinte <strong>de</strong>r Professor, <strong>de</strong>r Experte. Vielleicht konnte(n) diese<br />

Person(en) damals im 2003 keine eigene Untersuchung starten.<br />

Zumin<strong>de</strong>st nicht während <strong>de</strong>r langen und vielen Monate wo man (mit<br />

mir) im Ausland verhan<strong>de</strong>lte, sagte er. Ausser<strong>de</strong>m wäre dies nicht im<br />

Interesse von Hans-Adam gewesen und somit für die Berufskarriere<br />

o<strong>de</strong>r reiner Weiterbeschäftigung – insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r ausländischen<br />

Mitarbeiter – nicht för<strong>de</strong>rlich. Und was hat die Staatsanwaltschaft mit<br />

<strong>de</strong>r Liste gemacht, fragte ich ihn schnell. <strong>Die</strong>selbe Hypothese? Wollte ich<br />

wissen. Dort wäre es ja auch nicht für die Laufbahn o<strong>de</strong>r eine<br />

Lohnerhöhung för<strong>de</strong>rlich. <strong>Der</strong> Chef dort und Haun waren ja auch<br />

Auslän<strong>de</strong>r.<br />

567


Niemand von <strong>de</strong>nen will <strong>de</strong>n gut bezahlten Job verlieren. Mit<br />

unkooperativen ausländischen Staatsangestellten, die Vergangenheit hat<br />

es schon oft gezeigt, macht Hans-Adam kurzen Prozess, resümierte ich.<br />

Er antwortete, dass er nicht wisse, was mit <strong>de</strong>r Liste bei <strong>de</strong>r<br />

Staatsanwaltschaft geschehen sei. Klopapier, war meine Antwort darauf.<br />

Und? Ist jemand zu Scha<strong>de</strong>n gekommen. Hat man Kun<strong>de</strong>n verhaftet<br />

o<strong>de</strong>r gar Treuhän<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Banker? Wur<strong>de</strong>n Strafuntersuchungen<br />

eröffnet, fragte ich etwas schnippisch. Nein sagte er. Na dann, was soll<br />

die ganze Aufregung, fragte ich und damit war das Thema für uns bei<strong>de</strong><br />

been<strong>de</strong>t.<br />

Ich wun<strong>de</strong>rte mich schon, warum er mich nicht direkt gefragt hatte, ob<br />

nicht ich die Liste erstellt und verschickt hätte. Aber, so erinnerte ich<br />

mich nachher, es wür<strong>de</strong>n ja auch schon bald volle drei Jahren her sein,<br />

wo er sich mit diesem Thema herumschlagen musste. Irgendwann hatte<br />

je<strong>de</strong>r die Schnauze voll davon. Ich begleitete <strong>de</strong>n Professor noch bis zum<br />

Wagen und verabschie<strong>de</strong>te mich. Er versprach mich im neuen Jahr<br />

wie<strong>de</strong>r einmal zu besuchen.<br />

So, so - niemand hatte ein Strafverfahren o<strong>de</strong>r wenigstens eine<br />

Untersuchung gegen Stiftungen o<strong>de</strong>r Anstalten, die von <strong>de</strong>r LGT<br />

Treuhand verwaltet wur<strong>de</strong>n, angefangen. Ich wusste es. <strong>Die</strong><br />

Staatsanwaltschaft und die Regierung hatten also ihre Listen vernichtet<br />

o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st verschwin<strong>de</strong>n lassen. Wie ich vermutet hatte. Trotz<strong>de</strong>m<br />

war ich wütend. Selbst wenn man ihnen stinken<strong>de</strong> Leichen unter die<br />

Nase reibt, geschieht immer noch nichts.<br />

Alle Hinweise, wo die Beweise sind, verschwin<strong>de</strong>n einfach. Und was<br />

machte die Regierung? Sie informierte Hans-Adam und warnte somit<br />

die LGT. Aber wenn es um meine Wenigkeit ging o<strong>de</strong>r (ab Februar 2008<br />

immer noch geht), dann mussten (müssen) sie mich bis aufs Blut<br />

verfolgen und dämonisieren. Besser kann man die zynische<br />

Doppelzüngigkeit von Hans-Adam, <strong>de</strong>r Regierung und <strong>de</strong>r STA nicht<br />

aufzeigen. <strong>Die</strong>ses Verhalten ist aus (rechts-)staatlicher Sicht eine sehr<br />

bedrohliche Vorgehensweise. Warum? Lassen wir mal die unzähligen<br />

Gesetzesbrüche, die das offizielle Liechtenstein ab <strong>de</strong>m 7.1.2003 im<br />

Zusammenhang mit meinem Tun begangen hatte weg und<br />

konzentrieren uns auf die Massengräber ("Leichen <strong>de</strong>r Finanzwelt") in<br />

Liechtenstein.<br />

<strong>Die</strong> Regierung, die Staatsanwaltschaft und am En<strong>de</strong> doch auch die<br />

Polizei müssen sich nicht nur <strong>de</strong>n Vorwurf gefallen lassen, dass sie<br />

568


selber die "Gruppe <strong>de</strong>r Schweigen<strong>de</strong>n" im Januar 2003 gegrün<strong>de</strong>t und<br />

seit damals gepflegt hatten. Sie hatten auch, egal ob nun mit<br />

Enthusiasmus (Regierungschef Hasler), aus Gleichgültigkeit (die<br />

Staatsanwaltschaft) o<strong>de</strong>r eher nur wi<strong>de</strong>rwillig (die Polizei), mehrfach<br />

massiv aktiv mitgewirkt, um eine Verfolgung von sehr schweren<br />

(Kapitel-) Verbrechen zu verhin<strong>de</strong>rn. Bitte nicht vergessen! Hier han<strong>de</strong>lt<br />

es sich um die Regierung eines mo<strong>de</strong>rnen Staates. Eine Regierung, die<br />

ständig in Europa und sonst wo herumreist und Lobeshymen auf ihren<br />

angeblichen Kampf gegen die Geldwäscherei, Bestechung, Korruption<br />

und an<strong>de</strong>re Wirtschaftskriminalität je<strong>de</strong>m ungefragt vorsingt. <strong>Die</strong><br />

Staatsanwaltschaft ist die staatliche Untersuchungsbehör<strong>de</strong> schlechthin,<br />

<strong>de</strong>ren Kernaufgabe es wäre, je<strong>de</strong>s Verbrechen zu untersuchen. Und<br />

Hans-Adam? Das Staatsoberhaupt! Soll man ihm nun verzeihen, weil er<br />

<strong>de</strong>r Besitzer <strong>de</strong>r LGT Gruppe ist? Absolute Idiotie! Natürlich nicht!<br />

Bei <strong>de</strong>n "Leichen <strong>de</strong>r Finanzwelt" schliesse ich auch die <strong>Daten</strong> <strong>de</strong>r LLB<br />

ein. Ich habe diese <strong>Daten</strong> zwar nicht gesehen, gehe aber je<strong>de</strong> Wette ein,<br />

dass die ausländischen Behör<strong>de</strong>n nach einer sorgfältigen Untersuchung<br />

auf etliche Vermögen aus illegaler Herkunft stossen wer<strong>de</strong>n. Somit hatte<br />

das offizielle Liechtenstein mit <strong>de</strong>n Millionenzahlungen an <strong>de</strong>n<br />

Bankerpresser Michael F. nicht nur eine Auf<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r<br />

Steuerhinterziehung ihrer Kun<strong>de</strong>n zu verhin<strong>de</strong>rn versucht, son<strong>de</strong>rn<br />

auch bewusst daran gearbeitet, eine Aufklärung diverser Verbrechen zu<br />

vereiteln.<br />

Hatten die alle in Liechtenstein keine Zeit, ihren Schweinestall<br />

aufzuräumen? Keine Zeit dazu im Jahr 2003, 2004, 2005, 2006, 2007 und<br />

in <strong>de</strong>n ersten 1 ½ Monate im 2008 bis zur Explosion <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>bombe<br />

Mitte Februar 2008? <strong>Die</strong> traurige Antwort ist: Sie hätten die Zeit gehabt,<br />

aber die Scheissgrube <strong>de</strong>s Saustalls war noch nicht voll genug gelaufen.<br />

Interessant wäre auch zu erfahren, wie die Justiz in Vaduz jetzt im Jahre<br />

2009 die rechtliche Falle, in <strong>de</strong>r sich die Regierung, die Führung <strong>de</strong>r STA<br />

und die Chefetage <strong>de</strong>r LGT Gruppe selber hineinmanövriert hatte,<br />

behan<strong>de</strong>lt. Schon im Jahre 2003 galt das neue Sorgfaltspflichtgesetz.<br />

<strong>Die</strong>ses legt unmissverständlich fest: "Nichtwissen schützt vor Strafe<br />

nicht". Nach <strong>de</strong>m Gesetz müssten also nicht nur die direkt involvierten<br />

Treuhän<strong>de</strong>r und Banker (Stiftungsräte etc.) strafrechtlich belangt<br />

wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn auch die oben genannten Mitwisser und letztlich auch<br />

die Verhin<strong>de</strong>rer. Was wür<strong>de</strong> ich geben, um live miterleben zu können,<br />

wie sich diese Gruppe von einer Strafverfolgung wie<strong>de</strong>r retten kann.<br />

569


Aber eben: "Hans-Adam wird’s schon richten". Niemand aus <strong>de</strong>r Familie<br />

von Hans-Adam kann in Liechtenstein für irgen<strong>de</strong>twas zur Rechenschaft<br />

gezogen wer<strong>de</strong>n, da sie absolute Immunität geniessen.<br />

Habe ich schon erwähnt, dass die Minister <strong>de</strong>r damaligen Regierung im<br />

2005 mit wenigen Ausnahmen dieselben sind, die jetzt im 2009 das Land<br />

weiter regieren?<br />

<strong>Die</strong> gera<strong>de</strong> erfolgten Wahlen von Anfang Februar '09 wer<strong>de</strong>n nicht viel<br />

in Liechtenstein än<strong>de</strong>rn.<br />

Habe ich auch schon erwähnt, dass die Leitung <strong>de</strong>r STA von 2005<br />

dieselbe ist, die jetzt im 2009 das Kommando dort führt?<br />

An dieser Stelle möchte ich meine Leser auf eines <strong>de</strong>r raren Interviews<br />

mit Hans-Adam hinweisen. Das Magazin Spiegel hatte im Jahr 2000<br />

(Heft Nr. 3, ab Seite 110) <strong>de</strong>m Staatsoberhaupt die perfekten und<br />

scharfen Fragen gestellt. Betrachtet man jetzt seine Antworten im<br />

Kontext wie er, seine Regierung und seine LGT seit damals (und schon<br />

immer) in Wahrheit ihren Geschäften nachgehen, kommt dies <strong>de</strong>r<br />

grössten Verarschung an<strong>de</strong>rer Län<strong>de</strong>r gleich.<br />

570


KAPITEL 29 Zürcher Geschnetzeltes<br />

<strong>Der</strong> aufmerksame Leser wird sich sicher fragen, was aus <strong>de</strong>m Punkt Nr.<br />

2. meines Plans gewor<strong>de</strong>n war. Hier folgt die Antwort.<br />

Als meine Nie<strong>de</strong>rgeschlagenheit <strong>de</strong>n Tiefpunkt erreicht hatte, kam mir<br />

die glorreiche I<strong>de</strong>e zum ersten Mal einen „Schritt nach draussen‚ zu<br />

wagen. Damit meine ich die Abkehr von meiner bisherigen Art und<br />

Weise, über alle skrupellosen Geschäfte und Geheimnisse <strong>de</strong>r Hohen-<br />

Finanz-Herren (zusammen mit ihnen) zu schweigen, ein Teil <strong>de</strong>r<br />

Liechtensteiner Omerta zu sein.<br />

<strong>Der</strong> Anstoss für diesen Schritt waren damalige Medienberichte über<br />

einen laufen<strong>de</strong>n, für die betroffenen Richter äusserst verzwickten<br />

Strafprozess im Ausland. Lei<strong>de</strong>r darf ich aus rechtlichen Grün<strong>de</strong>n keine<br />

Namen nennen. Auf Grund von sehr aussergewöhnlichen Umstän<strong>de</strong>n<br />

konnte die Materie bis jetzt we<strong>de</strong>r wahrheitsgetreu juristisch noch<br />

moralisch aufgearbeitet wer<strong>de</strong>n, was sehr scha<strong>de</strong> ist.<br />

Ähnlich wie bei an<strong>de</strong>ren Mandaten, über die man auch in <strong>de</strong>n Zeitungen<br />

hie und da etwas lesen konnte o<strong>de</strong>r über die noch heute berichtet wird,<br />

war es für mich gera<strong>de</strong>zu faszinierend, etwas live mitverfolgen zu<br />

können. Es lief mir kalt <strong>de</strong>n Rücken runter, als ich die Aussagen und<br />

Kommentare <strong>de</strong>r im Prozess Angeklagten am Fernsehen sehen o<strong>de</strong>r in<br />

<strong>de</strong>n Zeitungen lesen konnte.<br />

<strong>Die</strong> müssen aber starke Nerven haben, dachte ich sofort. Und gelogen<br />

wur<strong>de</strong>, dass die Balken brechen. Frech waren sie auch noch. Was ich<br />

dazu hören o<strong>de</strong>r lesen konnte, war exakt diametral zu <strong>de</strong>n Unterlagen,<br />

die ich von <strong>de</strong>r LGT Treuhand und natürlich aus meiner<br />

<strong>Daten</strong>sammlung kannte. <strong>Die</strong> armen Richter, dachte ich auch. Wenn die<br />

wüssten.<br />

<strong>Die</strong>sbezüglich möchte ich einen passen<strong>de</strong>n Satz aus Kapitel 3<br />

wie<strong>de</strong>rholen: "


Ort mit <strong>de</strong>n bestgehüteten Geheimnissen bürgen konnte und dafür<br />

weltweit bekannt war.<br />

Als Randbemerkung möchte ich auch festhalten, dass ausser Zweifel<br />

steht, dass die Chefetage <strong>de</strong>r LGT Gruppe diesen Gerichtsprozess zu<br />

Hause im Ländle auch mitverfolgt haben muss und die OMERTA<br />

wie<strong>de</strong>r zuschlug. Von <strong>de</strong>n vielen Menschen, die teils gefragt, oft<br />

ungefragt ihre Meinung (in <strong>de</strong>n Medien) zu diesem Prozess abgaben,<br />

stach mir eine Gruppe ins Auge. Es waren Individuen, die sich einer<br />

guten Sache annahmen und für <strong>de</strong>n kleinen Mann kämpften. Das gefiel<br />

mir schon mal. Humanistische Gerechtigkeitskämpfer mit Krawatte und<br />

Anzug.<br />

Nach einigem hin und her entschied ich mich, abzuklären, ob es Sinn<br />

machen wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Wahrheit auf die Sprünge zu helfen. Von Anfang an<br />

war mir klar, dass die ganze Angelegenheit sehr kompliziert und<br />

gefährlich wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Und ausser ein paar Tassen Kaffee, und wenn<br />

ich Glück habe ein warmes Essen, gefolgt von gut gemeintem, heftigem<br />

Schulterklopfen wür<strong>de</strong> auch nicht viel mehr für mich raus springen.<br />

Aber etwas musste gemacht wer<strong>de</strong>n! So konnte es einfach mit<br />

Liechtenstein nicht weiter gehen.<br />

Es wür<strong>de</strong> das allererste Mal sein, dass ich mit jemand ausserhalb <strong>de</strong>s<br />

Liechtensteiner Clubs "Wir halten dicht - komme was da wolle", über<br />

Kun<strong>de</strong>ndaten re<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong> und mitunter auch <strong>Daten</strong> zeigen wür<strong>de</strong>. Und<br />

weil das Risiko extrem hoch war, musste ich noch grössere<br />

Sicherheitsvorkehrungen für mich und die <strong>Daten</strong> treffen. <strong>Die</strong>s war ein<br />

ganz neuer Abschnitt. Ich konnte nicht einfach die Fakten auf <strong>de</strong>n Tisch<br />

werfen und dann mal sehen, was passieren wür<strong>de</strong>. Weniger als eine<br />

Woche später wäre ich schon Fischfutter im Rhein.<br />

Mit <strong>de</strong>m Versand <strong>de</strong>r Liste an die Staatsanwaltschaft und die Regierung<br />

hatte ich mich weit aus <strong>de</strong>m Fenster gewagt. Ich recherchierte das<br />

Umfeld <strong>de</strong>r angepeilten Gruppe. Nennen wir sie mal KOSMOS. Alles<br />

soli<strong>de</strong> und ehrenwerte Mitbürger. Nichts Negatives zu vernehmen.<br />

Für die Phase One (Eins) dieser Operation gab es zwei grössere<br />

Problemkreise für die ich erst eine Lösung fin<strong>de</strong>n musste:<br />

A) Meine wahre I<strong>de</strong>ntität muss je<strong>de</strong>rzeit im Verborgenen bleiben.<br />

B) Je<strong>de</strong>r Hinweis auf Liechtenstein und die LGT muss vermie<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

572


<strong>Der</strong> Grund für bei<strong>de</strong> Vorsichtsmassnahmen war, dass ich die Gruppe<br />

Kosmos ja nicht kannte. Es war absolut unmöglich, im voraus<br />

abzuschätzen, wie die reagieren wür<strong>de</strong>n. Deswegen müsste ich<br />

unbedingt immer die Oberhand behalten, ich müsste je<strong>de</strong>rzeit die<br />

Möglichkeit haben, mich bei Gefahr sofort aus <strong>de</strong>r ganzen Sache<br />

zurückziehen zu können.<br />

Wür<strong>de</strong> ich meine I<strong>de</strong>ntität preisgeben und die Sache wür<strong>de</strong> schief<br />

laufen, dann könnten die von KOSMOS unter Umstän<strong>de</strong>n schnell auf die<br />

Verbindung nach Liechtenstein und sogar auf die LGT kommen.<br />

Konsequenterweise müsste ich alle Stellen in <strong>de</strong>n betroffenen <strong>Daten</strong>, die<br />

auf Liechtenstein hinweisen (LGT Gruppe, Stiftung XY in Vaduz, Namen<br />

<strong>de</strong>r Bank o<strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>nberater etc.), elektronisch über<strong>de</strong>ckten. Erst wenn<br />

ich das volle Vertrauen in die Gruppe KOSMOS hätte, könnte ich mir<br />

vorstellen, die Phase Two (zwei) zu beginnen, während <strong>de</strong>r ich ihnen die<br />

vollen <strong>Daten</strong> übergeben wür<strong>de</strong>.<br />

Phase ONE wäre also ein Balanceakt zwischen <strong>de</strong>m Bedürfnis und <strong>de</strong>r<br />

Richtigkeit die Wahrheit aufzuzeigen und <strong>de</strong>m Schutz meiner Person,<br />

sollte was in die Hose gehen. Den sollte wirklich was daneben gehen,<br />

dann hätte ich nieman<strong>de</strong>n, an wen ich mich um Hilfe wen<strong>de</strong>n könnte.<br />

Doch, an Hans-Adam. Nein, natürlich nicht. Zugegeben, diese ganze<br />

Operation wäre ein gewagtes, sehr wahrscheinlich halsbrecherisches<br />

Abenteuer, da musste ich mir nichts vormachen.<br />

Ich hatte auch noch keine Lösung für das prekärste Problem in <strong>de</strong>r Phase<br />

Two gefun<strong>de</strong>n. Nehmen wir an, ich wür<strong>de</strong> die <strong>Daten</strong> <strong>de</strong>r Gruppe<br />

KOSMOS übergeben. Anschliessend wür<strong>de</strong>n sie, was ja <strong>de</strong>r Sinn <strong>de</strong>r<br />

Operation wäre, diese Beweise <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n und damit <strong>de</strong>r<br />

Öffentlichkeit präsentieren. <strong>Der</strong> erboste Hans-Adam in Liechtenstein<br />

wür<strong>de</strong> doch sofort erkennen können, wer hier <strong>de</strong>r Übeltäter war, <strong>de</strong>r die<br />

<strong>Daten</strong> verraten hatte. Alle Finger dieser Welt wür<strong>de</strong>n auf mich zeigen.<br />

So sichtbar wie ein in <strong>de</strong>r Mitte stehen<strong>de</strong>s Kamel in einer Halle voll mit<br />

sitzen<strong>de</strong>n Affen. Hans-Adam und seine Truppe wären nur die eine<br />

Hälfte <strong>de</strong>r zornigen Bösen. <strong>Der</strong> betroffene Kun<strong>de</strong>nkreis, ihre<br />

Hintermänner (Finanziers) und die an<strong>de</strong>ren Personen, die von diesem<br />

"Geschäft" profitiert hatten, hätten wahrlich auch keine helle Freu<strong>de</strong> mit<br />

mir, um es mal gelin<strong>de</strong> auszudrücken.<br />

Trotz<strong>de</strong>m wollte ich zumin<strong>de</strong>st die Phase One wagen. Ich musste mir<br />

also ein neues "Ich" zulegen, aber nichts Diffiziles:<br />

573


1. Name: aus Heinrich wur<strong>de</strong> Marcel.<br />

2. Soziales: aus ledig wur<strong>de</strong> Familienvater (mit Frau und Kin<strong>de</strong>rn in<br />

Südamerika).<br />

3. Herkunft: aus Bürger von Liechtensteiner wur<strong>de</strong> ein Schweizer.<br />

4. Wohnregion: Wohnhaft in <strong>de</strong>r Nähe von Neuenburg.<br />

5. ehemaliger Arbeitsort: aus Vaduz wur<strong>de</strong> Genf.<br />

6. ehemaliger Arbeitsplatz: aus <strong>de</strong>r LGT Treuhand wur<strong>de</strong> ein<br />

namenloses Treuhandbüro in Genf.<br />

Und sollte mich jemand wegen <strong>de</strong>r französische Schweiz o<strong>de</strong>r<br />

Südamerika sprachlich testen wollen, so wür<strong>de</strong> dies kein Problem sein.<br />

Französisch und Spanisch beherrsche ich perfekt.<br />

Ich kopierte die <strong>Daten</strong> <strong>de</strong>r betroffenen 10 Briefkastenfirmen von meiner<br />

Masterkopie über <strong>de</strong>m Laptop auf einen neuen kleinen, auch externen<br />

<strong>Daten</strong>träger und machte mich an die mühsame Arbeit je<strong>de</strong>n noch so<br />

kleinen Hinweis auf Liechtenstein, die LGT u.s.w. elektronisch mit<br />

einem schwarzen Balken zu ver<strong>de</strong>cken.<br />

Das Dokument behielt seine Originalität, nur wur<strong>de</strong>n diverse Stellen<br />

anstelle eines Pinsel mit einem elektronischen Balken versehen und mit<br />

<strong>de</strong>mselben Dateinamen neu abgespeichert.<br />

<strong>Die</strong> Namen <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n, Adresse, persönliche Personenabgaben liess ich<br />

aber wie im Original sichtbar stehen. Dasselbe galt für Kontonummer,<br />

Kontostän<strong>de</strong>, Vermögensauszüge, Ein- und Auszahlungen, Listen und<br />

Performancegrafiken etc. - aber nur sofern es ausländische, nichtliechtensteinische<br />

Banken betraf. Es waren um die 325 Einzelblätter,<br />

wovon je<strong>de</strong>s zum Schluss im Durchschnitt 5 schwarze Balken hatten.<br />

Das ganze Bün<strong>de</strong>l sah eher wie ein Dokument aus Geheimdienstkreisen<br />

aus. Aber eben, man kann nie vorsichtig genug sein. Warum <strong>de</strong>r ganze<br />

Aufwand? Man darf nicht vergessen, dass ich sehr, sehr vorsichtig sein<br />

musste. Obwohl die von KOSMOS auf <strong>de</strong>r rechtlich richtigen Seite<br />

schwammen, verfolgt im Leben je<strong>de</strong>r seine eigenen Ziele. Das heisst, wir<br />

hätten zumin<strong>de</strong>st ein gemeinsames Ziel, aber <strong>de</strong>r Weg dorthin könnte<br />

sehr unterschiedlich wer<strong>de</strong>n.<br />

Eines <strong>de</strong>r interessantesten Dokumente war eine kleine Liste, wo mehr als<br />

20 Zahlungen (via Bank o<strong>de</strong>r in bar) von Gel<strong>de</strong>rn in Millionenhöhe unter<br />

Verwendung von Co<strong>de</strong>namen (3- o<strong>de</strong>r 4-stellige Grossbuchstaben) für<br />

die diversen Empfänger vermerkt waren. Manchmal verwen<strong>de</strong>n die<br />

574


Kun<strong>de</strong>n eine von ihnen erstellte Liste wie diese, ohne ihrem Treuhand-<br />

o<strong>de</strong>r Bankberater die echten Namen <strong>de</strong>r Empfänger preiszugeben.<br />

Oft erledigt die Treuhand/Bank die Transaktion (für die sie eine solche<br />

Liste <strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n nicht benötigen) ohne <strong>de</strong>n zu Grun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n<br />

Sachverhalt zu erfassen. Was eigentlich vom Gesetz zwingend<br />

erfor<strong>de</strong>rlich wäre - aber eben, wen in Vaduz kümmert das<br />

Sorgfaltspflichtgesetz schon. Hier kamen die Aufträge für die<br />

verschleierten Zahlungen vom betroffenen Kun<strong>de</strong>nkreis.<br />

In diesem Fall kann man aber davon ausgehen, dass die LGT Treuhand<br />

die wahren Empfänger gekannt hatte; sonst wäre die codierte Liste nicht<br />

in <strong>de</strong>n Unterlagen <strong>de</strong>r Stiftung o<strong>de</strong>r Anstalt gelan<strong>de</strong>t.<br />

Lei<strong>de</strong>r war eine schriftliche <strong>de</strong>kodierte Liste mit <strong>de</strong>n Angaben zu <strong>de</strong>n<br />

wirklichen Personen nicht im Back-Up-Tape <strong>de</strong>r LGT Treuhand<br />

gespeichert. Höchstwahrscheinlich ist die LGT Treuhand (und im<br />

reduziertem Masse die LGT Bank) auch im Besitz <strong>de</strong>r <strong>de</strong>codierte Liste;<br />

oft wur<strong>de</strong>n solche <strong>Daten</strong> aus Sicherheitsüberlegungen nicht eingescannt.<br />

Nach<strong>de</strong>m ich das fertige Bün<strong>de</strong>l Dokumente nochmals durchgelesen<br />

hatte, entschloss ich mich im Bereich <strong>de</strong>r Vorsichtsmassnahmen noch<br />

eine Stufe höher zu gehen. Um zu vermei<strong>de</strong>n, dass sie eventuell später<br />

ohne meine Einwilligung von <strong>de</strong>n gewonnenen Fakten Gebrauch<br />

machen konnten, und mich damit in Gefahr bringen wür<strong>de</strong>n, ver<strong>de</strong>ckte<br />

ich ganz o<strong>de</strong>r teilweise auch die Namen <strong>de</strong>r Stiftungen etc. und die<br />

Kontonummern. Als Zusatzmassnahme wechselte ich dann bei einigen<br />

<strong>de</strong>r Balken von Schwarz auf Weiss um.<br />

Geplant war, dass ich bei einem zweiten Treffen die ver<strong>de</strong>ckte Version<br />

<strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> zeigen wür<strong>de</strong>. Sollte es überhaupt zu einem zweiten Treffen<br />

kommen. Bei allfälligen nachfolgen<strong>de</strong>n Treffen könnte ich immer die<br />

unver<strong>de</strong>ckte Version, wo alles im Original ersichtlich war, präsentieren.<br />

Das Ziel eines 1. Treffens wäre es, erstmals von ihnen Antworten auf<br />

viele meiner Fragen zu bekommen.<br />

Ich hatte mir ein neues Emailkonto eingerichtet und schrieb an eine<br />

Emailadresse eines Leiters von KOSMOS, die ich im Internet gefun<strong>de</strong>n<br />

hatte. Im Email hatte ich grob die Situation umschrieben, ohne auch nur<br />

im Entferntesten auf die konkrete Sachlage einzugehen. <strong>Die</strong> Kunst<br />

bestand darin, <strong>de</strong>n Text so zu formulieren, sodass <strong>de</strong>r Empfänger <strong>de</strong>m<br />

anonymen Absen<strong>de</strong>r (Marcel) soweit Glauben schenken könnte, dass er<br />

antworten wür<strong>de</strong>.<br />

575


Es dauerte nicht lange, da erhielt ich eine Antwort von ihm. <strong>Die</strong> Gruppe<br />

KOSMOS war sehr an einem Treffen interessiert. Ich hatte mir eine Liste<br />

<strong>de</strong>r möglichen Orte erstellt, wo ich mich mit ihnen Treffen wür<strong>de</strong>. Ich<br />

bestand darauf, zum ersten Meeting mich nur mit einer Person, <strong>de</strong>m<br />

Leiter zu treffen. Es sollte ja keine Party wer<strong>de</strong>n.<br />

Meinem vielleicht etwas überdosiertem Misstrauen entsprechend, hatte<br />

ich dafür das Thermalbad Bad Zurzach in <strong>de</strong>r Schweiz, nahe <strong>de</strong>r Grenze<br />

ausgesucht. Gespräche nur mit Ba<strong>de</strong>hose beklei<strong>de</strong>t mögen zwar etwas<br />

zu intim erscheinen, aber mir war es wichtiger, dass mein Gegenüber<br />

keine elektronischen Aufnahmegeräte ver<strong>de</strong>ckt mit sich tragen könnte.<br />

So bat ich ihn eine Ba<strong>de</strong>hose mitzubringen, ohne ihm mitzuteilen warum<br />

und wohin die Reise gehen wür<strong>de</strong>. Nach ein paar weiteren Emails,<br />

nach<strong>de</strong>m ich etwas Vertrauen fassen konnte, verwarf ich die I<strong>de</strong>e mit<br />

<strong>de</strong>m Kurhaus/ Thermalbad dann wie<strong>de</strong>r. Innerhalb von 6 Monaten gab<br />

es drei Treffen. Alle fan<strong>de</strong>n in Zürich statt.<br />

<strong>Der</strong> Geschäftsleiter, nennen wir ihn mal Theo, hatte mir ein Foto von sich<br />

per Email zu gesandt. Ich hatte darum gebeten, damit ich ihn erkennen<br />

konnte. Wenn ich so zwischen seinen Zeilen las, bemerkte ich eine<br />

gewisse Unsicherheit von seiner Seite. Seine I<strong>de</strong>ntität und sein Gesicht<br />

waren ja kein Geheimnis mehr. Von mir wusste er praktisch nichts. Wir<br />

vereinbarten, uns in Zürich zu treffen. Er soll alleine kommen. Er wür<strong>de</strong><br />

mit <strong>de</strong>m Flugzeug eintreffen. Einen Tag vor Ankunft soll er mir <strong>de</strong>n<br />

Namen seines Hotels per Email mitteilen. Ich wür<strong>de</strong> ihn dann dort<br />

anrufen. Ein Anruf in seiner Heimat, egal ob im Büro o<strong>de</strong>r zu Hause<br />

wollte ich nicht.<br />

Für das erste Meeting hatte ich keine <strong>Daten</strong> mitgenommen und teilte<br />

ihm dies durch die Blume auch mit. Ein Sicherheitsproblem weniger für<br />

mich. Ein öffentlicher Platz/ Ort für ein erstes Aufeinan<strong>de</strong>rstossen bei<br />

einem solchem Meeting ist immer eine gute I<strong>de</strong>e. Ich hatte eine kleine<br />

Befürchtung, dass er mit einer unsichtbaren Hor<strong>de</strong> zum Treffen<br />

erscheinen könnte. Sollte man sich nicht sympathisch sein, könnten sich<br />

unsere Wege gleich trennen. Zu<strong>de</strong>m wür<strong>de</strong> dies auch ihm ein Gefühl <strong>de</strong>r<br />

Sicherheit geben. Ich suchte mir <strong>de</strong>n Para<strong>de</strong>platz mitten in <strong>de</strong>r<br />

Bahnhofstrasse in Zürich aus. Ich hatte natürlich <strong>de</strong>n Heimvorteil, da ich<br />

das Gebiet seit meiner Jugend gut kenne.<br />

Aus taktischen Überlegungen teilte ich ihm mit, dass wir uns nach einer<br />

kurzen Begrüssung ins Restaurant im 1. Stock <strong>de</strong>s berühmten Café<br />

Sprüngli an <strong>de</strong>mselben Platz zum Gespräch begeben wür<strong>de</strong>n. Ich<br />

576


eservierte sogar einen Tisch auf seinen Namen dort (und teilte dies ihm<br />

mit). In Wahrheit wollte ich das Gespräch nicht dort, son<strong>de</strong>rn ca. 300<br />

Meter weiter weg in einem kleinen, überschaubaren Gourmetrestaurant<br />

abhalten. <strong>Die</strong>s einfach darum, um ihm keine Gelegenheit zu geben, mich<br />

während <strong>de</strong>s Gesprächs zu "überraschen", sollte er doch einen Schatten<br />

aus <strong>de</strong>m Ausland mitbringen und diesen im Sprüngli (vorher)<br />

platzieren.<br />

Ich hatte selbst für <strong>de</strong>n Fall vorgesorgt, wenn ein Schattenmann auch<br />

noch schnell zu Fuss sein wür<strong>de</strong>. Um es diesem so richtig zu versalzen,<br />

hatte ich vor, zuerst eine Tramfahrt mit Theo zu unternehmen. Einen<br />

ganzen Rundkurs, inklusive 2 bis 3 Mal umsteigen. <strong>Die</strong> Nachhut wür<strong>de</strong><br />

es extrem schwierig haben uns zu folgen, ohne dass ich es merken<br />

wür<strong>de</strong>. Selbstverständlich wür<strong>de</strong> ich die Augen wie ein Adler scharf<br />

stellen und die Ohren wie ein Luchs spitzen. <strong>Die</strong> Tickets für das Tram<br />

wür<strong>de</strong> ich schon vorher für uns bei<strong>de</strong> kaufen (Nicht dass wir noch als<br />

Schwarzfahrer erwischt wer<strong>de</strong>n. Noch dazu wür<strong>de</strong> ich keinen Ausweis<br />

auf mir tragen). Für das Treffen hatte ich mir die Eckdaten aus <strong>de</strong>m<br />

Kun<strong>de</strong>ndossier <strong>de</strong>r betroffenen Briefkastenfirmen auf einen kleinen<br />

Zettel notiert. <strong>Die</strong>se wollte ich mit ihm besprechen und dann seine<br />

Detailkenntnis zum Gerichtsfall im Ausland mir anhören.<br />

Als dann endlich <strong>de</strong>r grosse Tag anbrach, war ich schon ganz aufgeregt.<br />

Ich rief ihn in seinem Hotel an und alles lief wie am Schnürchen.<br />

Niemand hatte uns verfolgt und ausser uns hielt sich nur ein älteres Paar<br />

zu dieser Stun<strong>de</strong> im Restaurant auf.<br />

Ich bat ihn mir seinen Ausweis zu zeigen. Ich hatte ihn zwar vom<br />

Gesicht her erkannt. Aber wer weiss, vielleicht wäre er nicht <strong>de</strong>r "Theo"<br />

<strong>de</strong>n ich im Kopf und angeschrieben hatte. In seinem Ausweis stand dann<br />

aber "Theo" drin.<br />

Er war ein sehr angenehmer und intelligenter Meister seines Fachs. Wir<br />

verstan<strong>de</strong>n uns auf Anhieb sehr gut. Das ich ein Schweizer wäre, hatte er<br />

mir sofort abgenommen. Durch ständiges Hoch<strong>de</strong>utschre<strong>de</strong>n war ich<br />

bemüht, meinen sonst hörbaren Ostschweizer Akzent (nur ein Kenner<br />

kann zwischen <strong>de</strong>m Ostschweizer und Liechtensteiner Dialekt<br />

unterschei<strong>de</strong>n) zu verstecken. Er konnte einige Worte auf Französisch<br />

die ich elegant auf Französisch entwe<strong>de</strong>r erwi<strong>de</strong>rte o<strong>de</strong>r mit einem<br />

langen Satz beantwortete.<br />

Er erzählte mir von seiner Familie und was alles in seiner Heimat so<br />

abläuft. Er war von meinem Detailwissen über die Personen, die in <strong>de</strong>n<br />

577


Wirtschaftskrimi verwickelt waren, beeindruckt. Er konnte mir viel zu<br />

<strong>de</strong>n aktuellen und <strong>de</strong>r Allgemeinheit nicht bekannten Fakten erzählen.<br />

Ich zog meinen Zettel aus <strong>de</strong>r Tasche und erklärte ihm die Transaktionen<br />

ohne die Namen <strong>de</strong>r Stiftungen etc. zu nennen. Er war zugleich<br />

geschockt und erfreut. Er und seine Leute hatten ein solches Verbrechen<br />

als Ausgangspunkt im Hintergrund schon lange vermutet. Er wollte<br />

unbedingt die <strong>Daten</strong> sehen. Ich erzählte ihm in Umrissen wie ich zu <strong>de</strong>n<br />

<strong>Daten</strong> gekommen war. Ich fragte ihn, ob er eine gute I<strong>de</strong>e wüsste, wie<br />

man die <strong>Daten</strong> ohne die Gefährdung meiner Person (und <strong>de</strong>r meiner<br />

imaginären Frau plus Kind) <strong>de</strong>r Öffentlichkeit zeigen könnte. Er hatte<br />

dafür keine Lösung zur Hand, wür<strong>de</strong> aber darüber nach<strong>de</strong>nken.<br />

Es stellte sich heraus, dass er mehr Angst vor mir hatte, als ich<br />

Befürchtungen wegen <strong>de</strong>m Treffen hatte. Da er in dieser Sache bei <strong>de</strong>n<br />

"Fein<strong>de</strong>n" (<strong>de</strong>n im Ausland Angeklagten) bekannt wäre, so hätte er für<br />

einen Moment befürchtet, dass diese ihm eine Falle (in Zürich) stellen<br />

wür<strong>de</strong>. Wir mussten bei<strong>de</strong> laut lachen. Wenn <strong>de</strong>r wüsste - ich hatte ein<br />

Heer von Fein<strong>de</strong>n, dachte ich. Weil seine Frau so sehr wegen seiner Reise<br />

in die Schweiz besorgt war, hätte er ihr versprechen müssen, einen<br />

weiteren Mitarbeiter <strong>de</strong>r Gruppe KOSMOS mit nach Zürich zu nehmen.<br />

Da ich aber ausdrücklich auf ein Treffen unter vier Augen bestan<strong>de</strong>n<br />

hatte, wäre dieser Mann im Hotel zurückgeblieben und wür<strong>de</strong> dort auf<br />

ihn warten. Ob ich diesen kennen lernen wollte, fragte er mich. Nein, im<br />

Moment nicht. Danke.<br />

Ich sagte ihm, dass ich ihm beim nächsten Treffen die <strong>Daten</strong> zeigen<br />

könnte. Freilich nur mit gewissen Stellen in <strong>de</strong>n Dokumenten ver<strong>de</strong>ckt.<br />

Und nur auf meinem Computer. Nicht das die Schlaumeier auf die I<strong>de</strong>e<br />

kommen und während wir uns die <strong>Daten</strong> auf ihrem Computer ansehen,<br />

sie klammheimlich eine Kopie <strong>de</strong>s Inhalts meiner CD erstellen.<br />

Er akzeptierte dies und sagte, dass er nach Hause zurückkehren wür<strong>de</strong><br />

und nach einer Lösung suchen wür<strong>de</strong>. Er bezahlte die Rechnung und<br />

wir verabschie<strong>de</strong>ten uns. Vorher musste er mir ganz fest versprechen,<br />

dass er mit nieman<strong>de</strong>n über die Treffen von Heute re<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Mit<br />

Ausnahme seines Büropartners, <strong>de</strong>r ja eh schon mit ihm in Zürich war.<br />

Nennen wir ihn mal Udo.<br />

Das 1. Treffen war also gut über die Bühne gegangen. Wir blieben via<br />

Email in Kontakt und ich willigte für ein zweites Treffen ein, diesmal<br />

auch mit Udo. Da ich versprochen hatte, die <strong>Daten</strong> zu zeigen, hatte ich<br />

eine Möglichkeit ausgekundschaftet, wo ich meinen Laptop und die<br />

gebrannte CD mit <strong>de</strong>r ver<strong>de</strong>ckten Version zwischenlagern konnte. Ich<br />

578


wollte diese Sachen nicht bei <strong>de</strong>r Begrüssung zum zweiten Treffen bei<br />

mir haben. Sicher ist sicher.<br />

Nach<strong>de</strong>m Theo mir <strong>de</strong>n Ort <strong>de</strong>s nächsten Treffens vorgeschlagen hatte<br />

und ich damit einverstan<strong>de</strong>n war, machte ich mich <strong>de</strong>r spezifischen<br />

Umgebung kundig. Einige Tage später kamen Theo und Udo wie<strong>de</strong>r<br />

nach Zürich. Wir trafen uns im von Theo vorgeschlagenen Luxushotel<br />

Baur au Lac, nahe <strong>de</strong>m Zürichsee. Ein edles Haus. Ich trug nichts ausser<br />

etwas Bargeld bei mir. Meinen Rucksack mit <strong>de</strong>m Computer und <strong>de</strong>r CD<br />

hatte ich eine Stun<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>m Treffen in einem 24-Stun<strong>de</strong>n-Schliessfach<br />

am nächstgelegen SBB-Bahnhof, <strong>de</strong>m Bahnhof Enge <strong>de</strong>poniert.<br />

Udo war genau so angenehm wir Theo. Wir sassen in einer ruhigen Ecke<br />

in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>r Lobby und plau<strong>de</strong>rten über dies und das. Sie hatten<br />

sofort gesehen, dass ich ohne Gepäck, also ohne Computer gekommen<br />

war. Sie sagten aber nichts. Wie<strong>de</strong>r hatte ich meinen Zettel wie beim 1.<br />

Treffen bei mir. Nach<strong>de</strong>m ich mich sicher genug gefühlt hatte,<br />

verabschie<strong>de</strong>te ich mich plötzlich und sagte ihnen, dass sie sich nicht<br />

vom Fleck bewegen sollen; ich wäre in 15 Minuten wie<strong>de</strong>r da.<br />

Ich rannte durch die Rückseite <strong>de</strong>s Hotels raus und über diverse<br />

Strassenzüge, die ich mir vorher auswendig gelernt hatte, rüber zum<br />

Bahnhof. Es war schon dunkel und es regnete leicht. Ich nahm <strong>de</strong>n<br />

Laptop und die CD raus und nahm eine an<strong>de</strong>re Strecke zurück zum<br />

Hotel.<br />

Ich wollte nicht mit ihnen in ein Zimmer gehen, um die <strong>Daten</strong><br />

anzusehen. Ich fand es besser, immer eine vertraute Fluchtroute vor<br />

Augen zu haben. Ein Tisch im Salon wür<strong>de</strong> mir besser gefallen, sagte ich.<br />

Mit Gesicht zur Türe, beziehungsweise <strong>de</strong>m Gang und Theo und Udo<br />

mit <strong>de</strong>m Rücken dorthin. Wir fan<strong>de</strong>n eine passen<strong>de</strong> Sitzgelegenheit und<br />

ich steckte das Stromkabel ein und legte die CD ein. Bei<strong>de</strong> Herren hatten<br />

eine günstige Position eingenommen, so dass sie vom Bildschirm gut<br />

ablesen konnten.<br />

Ich mahnte die zwei ja nichts aufzuschreiben o<strong>de</strong>r sich zu merken. Sie<br />

nickten bei<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Kopf und sagten Ja, natürlich. Ich führte die<br />

Herren einmal durch die <strong>Daten</strong>sammlung <strong>de</strong>r betroffenen<br />

Gesellschaften. Sie konnten gleich erkennen, dass die <strong>Daten</strong> nicht nur<br />

das bestätigen, was in ihrer Heimat seit Jahren bloss gerüchteweise<br />

durch die Flure flog, son<strong>de</strong>rn dass das Ausmass noch viel schlimmer<br />

war. Jetzt verstan<strong>de</strong>n sie zu 100 %, dass ich sehr um meine Sicherheit<br />

besorgt war. Und dies nicht wegen <strong>de</strong>r LGT & Hans-Adam; davon<br />

579


wussten sie ja nichts. Es war die mögliche Gefahr, die von <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n<br />

und von <strong>de</strong>ren Hintermännern ausging.<br />

Vor allem Theo war ob <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> sehr enthusiastisch und malte schon<br />

mal in bunten Farben aus, welch Sprengkraft die (<strong>Daten</strong>-) Bombe bei<br />

einer Veröffentlichung hätte. Er schlug vor, bei einem ihm persönlich<br />

bekannten Herausgeber o<strong>de</strong>r Manager eines ultraseriösen Verlages Rat<br />

zu holen. Vielleicht wür<strong>de</strong>n diese mir etwas an Entschädigung für meine<br />

"Umtriebe" geben, meinte er.<br />

Ich war nicht so begeistert von <strong>de</strong>r ganzen Sache. <strong>Die</strong> Medien? fragte ich.<br />

Kann ich da sicher sein, dass ich nicht von <strong>de</strong>nen überrannt wer<strong>de</strong>? Ich<br />

war <strong>de</strong>r festen Meinung, dass meine Interessen um <strong>de</strong>n Schutz meiner<br />

Person (und Familie) leicht untergehen könnten, wenn die Medien die<br />

<strong>Daten</strong> erhalten wür<strong>de</strong>n. Nein, nein, sagte Theo. Man könne eine<br />

Aushändigung o<strong>de</strong>r eine Publikation an Bedingungen knüpfen. Ich war<br />

mir <strong>de</strong>ssen nicht so sicher. Warum sollten die Medien Rücksicht auf<br />

mich nehmen, wenn sie die <strong>Daten</strong> einmal eingesehen hätten o<strong>de</strong>r sogar<br />

Kopien davon erhalten hätten.<br />

<strong>Die</strong>ser Verlag wäre sehr geachtet, aufrichtig und schütze seine Quellen<br />

sehr. Theo und Udo wollten nicht aufhören, wie die Wil<strong>de</strong>n auf mich<br />

einzure<strong>de</strong>n. Eines <strong>de</strong>r Argumente war, dass ich <strong>de</strong>r Volksgemeinschaft<br />

(in ihrem Land) einen grossen <strong>Die</strong>nst erweisen wür<strong>de</strong>, könnte man die<br />

<strong>Daten</strong> <strong>de</strong>n Medien o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n zeigen, bzw. übergeben. Na ja,<br />

erwi<strong>de</strong>rte ich. Es wäre sicher ein schönes grosses Gefühl, von einer<br />

grossen Masse dafür gelobt zu wer<strong>de</strong>n. Eine kugelsichere Weste sei dies<br />

aber immer noch nicht.<br />

Je mehr Zweifel ich <strong>de</strong>swegen hatte, <strong>de</strong>sto mehr Argumente fan<strong>de</strong>n sie<br />

für die Sache. Sie hatten es ja gut gemeint. Sie wusste ja nichts von<br />

meiner Folter in Argentinien, <strong>de</strong>m bisher ergebnislosen Kampf gegen die<br />

verantwortlichen Täter und was ich auch sonst noch alles mit <strong>de</strong>r<br />

inkompetenten Justiz, <strong>de</strong>r Leichensammlerin LGT, <strong>de</strong>m Wortbrecher<br />

Hans-Adam und seiner Pharisäer-Regierung in <strong>de</strong>n vergangenen Jahren<br />

durchmachen musste. Ich hatte Theo und Udo erzählt, dass ich schon<br />

vor einiger Zeit meinen Job beim Treuhandbüro in Genf gekündigt hätte.<br />

Und ich mich erst jetzt an sie, an die "Öffentlichkeit" wagen wür<strong>de</strong>, weil<br />

ich aus Sicherheitsgrün<strong>de</strong>n erst abwarten musste, bis einige Jahre<br />

vergangen waren, seit <strong>de</strong>r ganze Komplex, um <strong>de</strong>n es im laufen<strong>de</strong>n<br />

Strafprozess im Ausland ging, angefangen hatte.<br />

Ich konnte ja nicht zu einem Treffen aufkreuzen, mich als verbitterter<br />

Heinrich Kieber vorstellen, <strong>de</strong>r im Begriff war, eine <strong>Daten</strong>-<br />

580


Neutronenbombe ins Publikum zu schmeissen. Udo nannte mir <strong>de</strong>n in<br />

Frage kommen<strong>de</strong>n Verlag. Ich kannte das Haus. Theo nannte mir <strong>de</strong>n<br />

Namen <strong>de</strong>r Person, die er dort kennen wür<strong>de</strong>. <strong>Der</strong> Name war mir nicht<br />

geläufig. Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Diskussion sagte ich OK. Re<strong>de</strong>n kann man ja mal<br />

mit <strong>de</strong>m Verlag. Aber zum nächsten Treffen, <strong>de</strong>m Dritten dürfte nur<br />

einer vom Verlag kommen. Ich wollte keine Wan<strong>de</strong>rung von Publizisten,<br />

Journalisten und Grabrednern auslösen. Zu<strong>de</strong>m müsste es jemand sein,<br />

<strong>de</strong>r im Impressum weit oben stehen wür<strong>de</strong>. Das diese Person ihren<br />

Ausweis mitbringen sollte, wäre auch wünschenswert, sagte ich. Kein<br />

Problem, erwi<strong>de</strong>rten bei<strong>de</strong>. Freu<strong>de</strong>strahlend fuhren die zwei<br />

Humanisten wie<strong>de</strong>r heim. Ich schlich mich auf neuen Umwegen,<br />

meinem Computer und die CD im Rucksack tragend, zurück in meine<br />

kleinen vier Wän<strong>de</strong>.<br />

Es dauerte nicht lange, da hatte Theo schon wie<strong>de</strong>r ein Email geschickt.<br />

Er kündigte <strong>de</strong>n Besuch mit besagter Person an. Wir einigten uns auf<br />

einen Tag und auf einen Versammlungsraum in einem Luxushotel ganz<br />

in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Flughafens Zürich. Weniger als einen Kilometer<br />

entfernt, im Hauptsitz <strong>de</strong>r SWISSAIR, wo ich rund fünf Jahre lang meine<br />

grossartigste Arbeitsstelle gehabt hatte. Das ganze Gebiet kannte ich in-<br />

und auswendig.<br />

Am Morgen <strong>de</strong>s Gipfeltreffens war ich sehr ruhig und entspannt. <strong>Die</strong>sen<br />

Tag wer<strong>de</strong> ich nie vergessen. Nicht weil es so "arschkalt" war. Hätte es in<br />

letzter Minute, nein in allerletzter Sekun<strong>de</strong> keine Richtungsän<strong>de</strong>rung<br />

gegeben, dann wäre nichts so, wie es heute ist. Ich wäre nicht da, wo ich<br />

heute bin. Es hätte (aus Liechtensteiner Sicht) nur eine<br />

Unterwasserzündung <strong>de</strong>r Leuchtrakete mit schwachen Wellen gegeben.<br />

Klaus Zumwinkel wäre immer noch CEO <strong>de</strong>r Deutschen Post AG, o<strong>de</strong>r<br />

hätte zumin<strong>de</strong>st einen feierlichen Abgang gehabt und wäre dann Chef<br />

<strong>de</strong>s Deutschen UNICEF Kin<strong>de</strong>rhilfswerks gewor<strong>de</strong>n.<br />

Für Frank Burkhard Appel (Nachfolger Zumwinkels bei <strong>de</strong>r Post) hätte<br />

das Schicksal sicher an<strong>de</strong>re Aufgaben vorgesehen. Hans-Adam müsste<br />

in seiner Bank noch ein paar Stockwerke tiefer graben, um Platz für neue<br />

Leichen zu machen. Und, und, und. Und dieses Buch gäbe es auch nicht.<br />

Ich <strong>de</strong>ponierte meinen Laptop und die CD mit <strong>de</strong>r ver<strong>de</strong>ckten Version in<br />

einem Schliessfach beim Airport. Ich wartete dann schon ungeduldig in<br />

<strong>de</strong>r Hotellobby auf die Besucher. Theo und Udo waren mit etwas<br />

Verspätung angekommen. Theo brachte insofern überraschen<strong>de</strong><br />

581


Nachrichten mit, als er mir berichtete, dass <strong>de</strong>r Verlag nicht nur einen<br />

<strong>de</strong>r Direktoren, son<strong>de</strong>rn noch zwei weitere Mitarbeiter,<br />

Fachbereichsleiter o<strong>de</strong>r so ähnlich, mit auf <strong>de</strong>n Weg geschickt hatte. Ob<br />

ich damit einverstan<strong>de</strong>n wäre.<br />

Überraschungen mag ich in solchen Situationen gar nicht, war das erste,<br />

was er von mir zu hören bekam. Das wäre ja schon fast<br />

Delegationsstärke, sagte ich. Mist, dachte ich. Jetzt waren es 5 Personen,<br />

also 10 Augen, die mir auf die Finger schauen wür<strong>de</strong>n. Das be<strong>de</strong>utete,<br />

dass ich unmöglich während <strong>de</strong>m Meeting alle unter meiner Aufsicht<br />

behalten konnte. Mein Kopf war ja zusätzlich mit allerlei an<strong>de</strong>ren<br />

Dingen voll auf beschäftigt. Einer Detonation nahe. OK, sagte ich, wenn<br />

sie nun mal schon da sind.<br />

Ich folgte Theo in ein von ihm gemieteten Sitzungszimmer. Als erstes<br />

inspizierte ich alle dort vorhan<strong>de</strong>nen technischen Anlagen und zog bei<br />

allen Geräten <strong>de</strong>n Stecker aus. Ich drehte sogar die Kameralinse eines<br />

fest installierten Projektors heraus. Nicht das man hier noch gefilmt<br />

wird. Man kann nie vorsichtig genug sein.<br />

Ich setzte mich an <strong>de</strong>n Kopf <strong>de</strong>s grossen Tisches. Mitgebracht hatte ich<br />

nur einen Schreibblock und einen Stift. Nach einer Viertelstun<strong>de</strong> kamen<br />

die drei Herren mit Udo in <strong>de</strong>n Raum. <strong>Der</strong> Direktor stellte sich zuerst<br />

vor. Er zeigte mir, wie die an<strong>de</strong>ren zwei auch, seinen Pass und alle<br />

Namen waren auf einer Registerliste <strong>de</strong>s Verlags vorhan<strong>de</strong>n. Allesamt<br />

freundliche und höfliche Herren. Nenne wir sie mal die Gebrü<strong>de</strong>r<br />

Alfred, Bert und Carl.<br />

Ich bat alle ihre Handys ganz auszuschalten und unter <strong>de</strong>r vereinbarten<br />

Bedingung, dass niemand etwas aufschreiben o<strong>de</strong>r sich auswendig<br />

lernen wür<strong>de</strong>, begannen wir die aussergewöhnliche Sitzung. <strong>Der</strong> Verlag<br />

wur<strong>de</strong> vorher schon von Theo ins Bild gesetzt. Nach einer Diskussion<br />

über die Moral solcher Treuhand- und Bankenkun<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Sinn und<br />

Zweck von Zeugen, die Wichtigkeit von Informanten, <strong>de</strong>r Schutz <strong>de</strong>r<br />

Quellen u.s.w., wollten die vom Verlag mehr über mich wissen. Was ich<br />

innerlich natürlich nachvollziehen konnte. Ich wie<strong>de</strong>rholte nur was ich<br />

schon Theo und Udo gesagt hatte. <strong>Der</strong> Direktor, Alfred, war ein<strong>de</strong>utig<br />

kein Anfänger. Er tippte gleich am Anfang darauf, dass Marcel nicht<br />

mein richtiger Name wäre. Ich bestätigte dies und erklärte ihm, dass ich<br />

unmöglich meinen richtigen Namen sagen konnte. Meine Absage, auch<br />

<strong>de</strong>n Namen meines ehemaligen Arbeitgebers zu nennen, wur<strong>de</strong><br />

murrend zur Kenntnis genommen. Ich hatte aber eine plausible<br />

Erklärung dafür. So lange ich sie nicht besser kennen wür<strong>de</strong>, könnte ich<br />

582


es nicht sagen, das Risiko war einfach zu gross. Und ich hätte nicht<br />

präziser antworten können.<br />

Was ich hingegen preisgab, war die Anzahl Jahre, die ich im<br />

Treuhandbüro gearbeitet hatte. Ich erzählte ihnen nichts von meiner<br />

genauen Tätigkeit; machte aber eine Bemerkung in Richtung<br />

Kun<strong>de</strong>nbetreuung/<strong>Daten</strong>administrator. Bert war auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r<br />

Wirtschaftskriminalität sehr bewan<strong>de</strong>rt. Carl hatte grosses Wissen über<br />

die Art und Weise wie Treuhandfirmen in <strong>de</strong>r Schweiz arbeiten. Ich<br />

<strong>de</strong>nke, dass dies ein Grund war, warum diese zwei Herren beim Meeting<br />

anwesend waren; um meine Fachkenntnisse zu testen.<br />

Bei<strong>de</strong> fragten mich abwechslungsweise über ein breites Spektrum im<br />

Bereich von Treuhand- und Bankengeschäften ab. Ich hatte absolut keine<br />

Mühe, die korrekte Antwort abzugeben. Schon nach wenigen Minuten<br />

hatten sie gewusst, dass da ihnen kein Möchtegernplau<strong>de</strong>rer<br />

gegenübersass. Ich war schon etwas stolz auf mich. Wenn die wüssten,<br />

dachte ich mir. Mein eminentes Wissen <strong>de</strong>r Materie im Allgemeinen<br />

hatte ich mir ja vorwiegend durch das berufsbedingte Studium<br />

tausen<strong>de</strong>r Akten bei <strong>de</strong>r LGT angeeignet.<br />

Später kamen die vertieften Detailkenntnisse aller <strong>de</strong>r über 3400 aktiven<br />

Gesellschaften dazu, als ich mich "privat" <strong>de</strong>r Masse an <strong>Daten</strong> widmete.<br />

Bei je<strong>de</strong>r Antwort musste ich aber höllisch darauf achten, dass ich über<br />

keine <strong>de</strong>r schmutzigen "Speziallösungen" in Bezug auf Geldwäscherei<br />

erzählte, die ausschliesslich in Liechtenstein angewandt wer<strong>de</strong>n.<br />

Vielleicht kannten ja Bert o<strong>de</strong>r Carl die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Masche aus<br />

Vaduz. Und in <strong>de</strong>r Tat hatten sie bei<strong>de</strong> im Gespräch mehr als ein Mal die<br />

Worte Vaduz und Liechtenstein fallen lassen. <strong>Die</strong>s im Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>r Diskussion über Geldwäschereiplätze rund um <strong>de</strong>n Globus. Ich<br />

habe darüber hinweggehört und vermittelte <strong>de</strong>n Eindruck, dass wir in<br />

"Genf" uns nicht gross um die in Vaduz kümmerten.<br />

Ich glaube, ein Mal war mir aber das Wort Vaduz auch über die Lippen<br />

gerutscht. Ohne negative Reaktion. Da das Gespräch soweit gut verlief,<br />

entschloss ich mich <strong>de</strong>m Alfred, Bert und Carl die <strong>Daten</strong> auch zu zeigen.<br />

Ohne Vorwarnung verabschie<strong>de</strong>te mich für 30 Minuten und bat Theo<br />

mit mir zu kommen. Ich wollte mit ihm alleine re<strong>de</strong>n. Er wusste nicht<br />

wohin es gehen wür<strong>de</strong> und hatte etwas Angst. Als ich ihm draussen vor<br />

<strong>de</strong>m Hotel sagte, dass wir nur ein Taxi zum Flughafen und zurück<br />

nehmen wür<strong>de</strong>n, war er beruhigt.<br />

Mitsamt Computer und CD waren wir nach 25 Minuten schon wie<strong>de</strong>r im<br />

Sitzungsraum. Alle fünf Herren hatten sich wie Schüler hinten um mich<br />

583


herum aufgestellt und die drei neuen Herren warteten ungeduldig, auf<br />

das was jetzt kommen sollte. Ich zeigte die ver<strong>de</strong>ckte Version <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong><br />

und eröffnete die Fragerun<strong>de</strong>. Bei<strong>de</strong>s, zuerst <strong>de</strong>r<br />

Hauptvermögenstransfer in hoher zweistelliger Millionenhöhe und die<br />

nachfolgen<strong>de</strong>n, über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren verteilten<br />

hohen Millionensummen wur<strong>de</strong>n nach einem sehr ausgefeilten Plan<br />

durch die Gesellschaften geschleust.<br />

Es wur<strong>de</strong>n so viele Hin<strong>de</strong>rnisse eingebaut, damit es sehr schwer sein<br />

wür<strong>de</strong>, (rückwirkend) das Gesamtkunstwerk zu erkennen. Ausser man<br />

hatte die <strong>Daten</strong>, wie ich sie hatte und, was immer sehr wichtig war, man<br />

wusste sie zu interpretieren. <strong>Der</strong> bei diesem Kun<strong>de</strong>nkreis angewen<strong>de</strong>te<br />

Plan war zwar überaus raffiniert; aber dasselbe Muster hatte ich schon<br />

bei einem US-Kun<strong>de</strong>n, einem spanischen sowie einem französischen<br />

Kun<strong>de</strong>n dokumentiert gesehen. Für das fertige Bild <strong>de</strong>s Puzzles bei<br />

diesem Fall fehlten mir zwar ein paar Teile. Aber bitte, welche<br />

Be<strong>de</strong>utung hatten schon zehn vermisste Stücke in einem 1000-Teile-<br />

Puzzles. Zu<strong>de</strong>m wusste ich, wo man die fehlen<strong>de</strong>n Teile fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>.<br />

Dafür müsste ich aber noch bei <strong>de</strong>r Treuhand arbeiten, was ja<br />

bekanntlich nicht mehr <strong>de</strong>r Fall war. Mittels eines Gerichtsbeschluss<br />

wür<strong>de</strong> man die Herausgabe <strong>de</strong>r fehlen<strong>de</strong>n Dokumente erzwingen<br />

können - in einem normalen Land. Für die Beweiskraft <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> waren<br />

die zehn Stücke irrelevant. Mit Begeisterung und Staunen hatten die<br />

Besucher <strong>de</strong>n Hintergrun<strong>de</strong>rklärungen zu je<strong>de</strong>m einzelnen Dokument<br />

gelauscht. Fast alle Fragen konnte ich beantworten. <strong>Die</strong> fünf Herren<br />

dachten eine lange Zeit über die Möglichkeiten nach, wie man die <strong>Daten</strong><br />

<strong>de</strong>n Untersuchungsbehör<strong>de</strong>n übergeben könnte, ohne dass die Fein<strong>de</strong><br />

am En<strong>de</strong> auf mich als Quelle kommen wür<strong>de</strong>n. Es war praktisch<br />

unmöglich diese Nuss zu knacken.<br />

Eine I<strong>de</strong>e war, gezielte Gerüchte zu streuen, dass bei einer <strong>de</strong>r vielen (in<br />

die Millionenschieberei) involvierten Banken das Leck gewesen wäre.<br />

Geht nicht, sagte ich sofort. Man kann nicht das Bün<strong>de</strong>l <strong>Daten</strong><br />

veröffentlichen und dann Gerüchte streuen, dass eine <strong>de</strong>r Banken die<br />

<strong>Daten</strong> "verloren" hätte o<strong>de</strong>r durch ein internes Leck verraten wur<strong>de</strong>n.<br />

Weniger die Öffentlichkeit, aber sicher die Fein<strong>de</strong> wür<strong>de</strong>n sofort<br />

erkennen können, dass die "beschuldigte" Bank unmöglich die Quelle<br />

o<strong>de</strong>r das Leck sein kann. <strong>Die</strong> Bank konnte nämlich das Gesamtbün<strong>de</strong>l<br />

an <strong>Daten</strong> gar nie besessen haben. Son<strong>de</strong>rn nur jene Unterlagen, die im<br />

Zusammenhang mit Transaktionen aus ihrem Haus stammen. Ist mehr<br />

584


als eine Bank involviert (wie in diesem Fall), dann wüsste eine Bank<br />

alleine nie wie das Gesamtbild ausgesehen hatte.<br />

Dann kam einer vom Verlag mit <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e, nur vereinzelte Dokumente in<br />

die Öffentlichkeit zu streuen. Funktioniert auch nicht, erwi<strong>de</strong>rte ich. Nur<br />

bei <strong>de</strong>r Treuhandfirma, die die Lösung ausgebrütet, geprüft und<br />

exekutiert hatte (und oft auch die Spuren danach eliminiert, wenn man<br />

ihnen nicht zuvorkommt), nur bei ihnen ist das Gesamtbild vorhan<strong>de</strong>n.<br />

Das ist ja gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r grosse Vorteil für die Treuhandfirmen, erklärte ich<br />

ihnen. Und für die ultimative juristische Beweisführung ist das<br />

Gesamtbild zwingend notwendig. Wenn das nicht unser Ziel ist, dann<br />

können wir die Übung gleich abblasen, sagte ich. Klar, die Banken<br />

müssen auch in <strong>de</strong>r "Schweiz" <strong>de</strong>m Sorgfaltspflichtgesetzt genügen.<br />

Aber die Treuhän<strong>de</strong>r können immer noch die Banken austricksen.<br />

Sowieso, das Treuhandbüro wür<strong>de</strong> erst gar nicht eine Bank für die<br />

Transaktionen aussuchen, von <strong>de</strong>r sie vorher schon weiss, dass sie zu<br />

viele Fragen über die Zahlungen stellen wür<strong>de</strong>.<br />

Einer <strong>de</strong>r Herren machte sich Hoffnungen, dass wenn man ein paar<br />

Dokumente mehr veröffentlichen wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Rest automatisch freiwillig<br />

folgen wür<strong>de</strong> und man dann das Gesamtbild zusammen hätte.<br />

Funktioniert lei<strong>de</strong>r auch nicht, jammerte ich. Ganz, ganz selten kommt es<br />

vor, dass auf Grund vereinzelter Beweise, die in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit<br />

herumfliegen, auf einmal eine Bank o<strong>de</strong>r ein Treuhand freiwillig sich zur<br />

Aufklärung <strong>de</strong>s Verbrechens aufraffen wür<strong>de</strong>. Wenn es nicht gera<strong>de</strong><br />

einen (von <strong>de</strong>r Weltgemeinschaft geächteten) Diktator betreffen wür<strong>de</strong>,<br />

dann - Gott behüte - wür<strong>de</strong> so etwas in "Genf" nie jemand tun. Man<br />

muss schliesslich seinen Ruf bewahren. Im Glauben, dass in Genf die<br />

Zentrale <strong>de</strong>s Verbrechens war, meinte Alfred, dass das<br />

Untersuchungsrichteramt dort doch sicher eine Herausgabe <strong>de</strong>r<br />

fehlen<strong>de</strong>n Dokumente erzwingen könnte. Ja, in Genf vielleicht, dachte<br />

ich mir und sagte (in Gedanken an die Verhältnisse in Vaduz): Wenn die<br />

Bank, und vor allem die Treuhand genug Vorwarnzeit hat, dann<br />

vernichtet sie das Belastungsmaterial, gesetzliche Aufbewahrungsfrist<br />

hin o<strong>de</strong>r her. O<strong>de</strong>r wenn dies nicht geht, dann tauscht sie zumin<strong>de</strong>st -<br />

übrigens eine geniale I<strong>de</strong>e - <strong>de</strong>n ultimativen wirtschaftlichen<br />

Berechtigten am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Kette aus, klärte ich die Jungs auf. <strong>Die</strong>s ist in<br />

diesem Fall kein Problem, da <strong>de</strong>r Hauptvermögenstranfer ganz und die<br />

Verteilung <strong>de</strong>r Millionen mehrheitlich immer nur über Konten in Namen<br />

<strong>de</strong>r eingesetzten (und vorgeschobenen) Gesellschaften gelaufen waren.<br />

Weiters ist <strong>de</strong>r Austausch (o<strong>de</strong>r auch Vertausch) von <strong>Daten</strong> immer dann<br />

585


sehr, sehr einfach, wenn die Treuhand und eine <strong>de</strong>r betroffenen Banken<br />

<strong>de</strong>rselben Firmengruppe angehören, been<strong>de</strong>te ich meinen Kommentar<br />

dazu.<br />

Wie wäre es dann, wenn ein an<strong>de</strong>rer Mitarbeiter <strong>de</strong>r Treuhand das Leck<br />

gewesen wäre, fragte Bert. In Antizipation einer solchen Frage, hatte ich<br />

die Antwort schon parat: Im Prinzip ein guter Einfall, sagte ich und<br />

dachte an das stehen<strong>de</strong> Kamel im Kreis sitzen<strong>de</strong>r Affen. Aber lei<strong>de</strong>r nur<br />

im Prinzip. Solches wäre wegen <strong>de</strong>r hochgradigen Verschwiegenheit<br />

unter <strong>de</strong>n Mitarbeitern ausgeschlossen und zu<strong>de</strong>m musste ich sie an<br />

meine frühere Schil<strong>de</strong>rung erinnern, wo ich erklärt hatte, dass das<br />

betroffene Treuhandbüro in Genf nur um die 10, 12 Mitarbeiter hatte.<br />

Vielleicht darum, weil ich aus guten Grün<strong>de</strong>n nicht sagen wollte, nicht<br />

sagen konnte, wie mein einstiger Arbeitgeber in Genf hiess und auch<br />

sonst mich mit Angaben zu meiner Person eher ver<strong>de</strong>ckt hielt, wechselte<br />

Alfred das Gesprächsthema, weg von <strong>de</strong>m Quellenschutz. Er wür<strong>de</strong><br />

gerne die ver<strong>de</strong>ckte Version <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> mitnehmen und von einem<br />

Experten begutachten lassen wolle.<br />

Seinen Wunsch danach konnte ich verstehen. Mein Verlangen, warum<br />

ich das nicht erlauben sollte, können meine Leser sicher sofort<br />

nachvollziehen. Er konnte mir nicht sagen, wer dieser Experte wäre. Es<br />

wäre aber eine Person, <strong>de</strong>r er absolut vertrauen könne. Er versüsste<br />

seinen Wunsch damit, in<strong>de</strong>m er sagte, dass <strong>de</strong>r Verlag auch sicherlich<br />

eine Art Gegenleistung ins Auge fassen wür<strong>de</strong>, obwohl dies selten bei<br />

ihnen vorkommen wür<strong>de</strong> (was mir Theo schon vorher berichtet hatte).<br />

Im Gespräch vorher fragte mich Alfred auch einmal, ob ich an<strong>de</strong>res<br />

Kun<strong>de</strong>nmaterial aus <strong>de</strong>r Treuhand hätte. Ich verneinte dies und sagte,<br />

dass ich nur diesen Fall mitgenommen hätte, weil es ein solch schweres<br />

Verbrechen war. Innerlich war ich eher amüsiert und dachte: Wenn <strong>de</strong>r<br />

wüsste! <strong>Daten</strong> von über 3400 aktiven Gesellschaften könnte ich ihm auf<br />

<strong>de</strong>n Tisch knallen. Inklusive einer Kiste voll mit weit grösseren<br />

Überraschungen im Zusammenhang seines Heimatlan<strong>de</strong>s.<br />

Aber <strong>de</strong>r Auslöser für die ganzen Treffen, alles warum ich überhaupt<br />

mit <strong>de</strong>n fünf Herren an einem Tisch sass, war <strong>de</strong>r laufen<strong>de</strong> Strafprozess<br />

in <strong>de</strong>ren Land. Alfred erklärte weiters, dass er die Unterlagen prüfen<br />

möchte, weil er vor einer Publikation u.a. die rechtliche Seite abklären<br />

muss. Das wäre vernünftig, sagte ich ihm. Also ein Rechtsexperte<br />

sozusagen. Ja, erwi<strong>de</strong>rte Alfred, gewissermassen. Das <strong>de</strong>r Verlag nicht<br />

bei <strong>de</strong>n Banken anklopfen wür<strong>de</strong>, war ja klar. Trotz<strong>de</strong>m hatte ich eine<br />

blö<strong>de</strong> Frage. Ich wollte versichert haben, dass sein Experte nicht auf die<br />

586


(dumme) I<strong>de</strong>e kommen wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n betroffenen Kun<strong>de</strong>nkreis zu<br />

kontaktieren. Nein, nein - sicher nicht, antworteten alle zusammen. Sonst<br />

könnte ich mich gleich schon erschiessen, sagte ich.<br />

Ich hatte wie<strong>de</strong>r ein Gewitter in <strong>de</strong>r Hirnregion und dachte schnell nach.<br />

Abermals im Dilemma. Einerseits wollte ich gerne <strong>de</strong>r Gruppe KOSMOS<br />

helfen und gleichzeitig mal zur Abwechslung Hans-Adam eins vor die<br />

Birne knallen. Um mich zu beruhigen, notierte Bert handschriftlich auf<br />

<strong>de</strong>r Rückseite <strong>de</strong>r Visitenkarte von Alfred, dass <strong>de</strong>r Verlag ohne mein<br />

Einverständnis nie auch nur ein Wort über das Gesprochene verraten<br />

wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>se Visitenkarte habe ich heute noch und sie liegt gera<strong>de</strong><br />

neben mir auf <strong>de</strong>m Tisch.<br />

<strong>Die</strong> Stun<strong>de</strong>n vergingen rasch und die Abflugszeit <strong>de</strong>r Besucher rückte<br />

immer näher. Eine Entscheidung war gewünscht. Ich hatte innerlich<br />

grosse Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong>, die CD <strong>de</strong>m Verlag zu überlassen. Sicher, es war ein<br />

seriöses Verlagshaus. Ich hatte aber Angst, dass meine begrün<strong>de</strong>ten<br />

Befürchtungen (im Falle einer Veröffentlichung) schnell ausradiert<br />

wür<strong>de</strong>n; <strong>de</strong>r Gerichtsfall, um <strong>de</strong>n es hier ging, war zu gross, als man auf<br />

meine Wenigkeit Rücksicht nehmen wür<strong>de</strong>.<br />

Ein<strong>de</strong>utig erlitt ich für eine kurze Zeit einen Anfall von Blutleere im<br />

Hirnkasten. Denn ich willigte ein, dass Alfred die CD mit nach Hause<br />

nehmen könnte und er die rechtliche Seite abklären sollte. Von meiner<br />

(schnellen) Entscheidung waren sie alle überrascht. Wir nahmen alle ein<br />

Taxi zum Flughafen. Sie beschlossen, dass ich für meine bisherigen<br />

Umtriebe vergütet wer<strong>de</strong>n sollte. Ob zwei, drei Tausend<br />

Schweizerfranken OK wären, wur<strong>de</strong> ich gefragt. Was immer, sagte ich,<br />

nicht ganz sicher, ob dies <strong>de</strong>r richtige Weg war.<br />

<strong>Die</strong> Situation am Flughafen war wie bei Kafka. Niemand <strong>de</strong>r Herren<br />

hatte natürlich Bargeld an sich. Je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r konnte, zückte seine EC-Karte<br />

und testete beim UBS-Bankschalter, Abflug Terminal 1(A), das<br />

Kartenlimit. Unter Verwendung von 3 o<strong>de</strong>r 4 Karten hatten sie um die<br />

2'500 CHF zusammen. Einer vom Verlag bereitete schon mal eine<br />

Quittung vor; alles sollte seine Richtigkeit haben.<br />

Mein Blut fand seinen Weg zurück in die noch funktionsfähigen<br />

Hirnzellen. Was machst du da, fragte ich mich. Ich war kurz davor, zum<br />

ersten Mal <strong>Daten</strong> in "frem<strong>de</strong>" Hän<strong>de</strong> zu geben. Auch wenn es eine<br />

ver<strong>de</strong>ckte Version gewesen war, für das Entfernen <strong>de</strong>r elektronischen<br />

Balken wäre kein Doktortitel in Computerwissenschaft nötig gewesen.<br />

<strong>Die</strong> schwarzen (und weissen) Balken waren nur eine optische<br />

Sichtbarriere über <strong>de</strong>r darunter liegen<strong>de</strong>n Kopie eines<br />

587


Originaldokument. Natürlich hatte ich ihnen das nicht verraten. War<br />

auch nicht notwendig. Wür<strong>de</strong> ich also jetzt hastig die ver<strong>de</strong>ckte Version<br />

aushändigen, wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Verlag früher o<strong>de</strong>r später auf die im<br />

Hintergrund schlummern<strong>de</strong>n Vollkopie stossen und alle vorher<br />

ver<strong>de</strong>ckten <strong>Daten</strong>teile lesen können. Logischerweise wäre es irgendwann<br />

das Ziel gewesen, dass die Öffentlichkeit (ob via Verlag, KOSMOS o<strong>de</strong>r<br />

wie auch immer) die <strong>Daten</strong> erhalten sollte. Wäre es unter normalen<br />

Umstän<strong>de</strong>n (was immer dies heissen mag) später zu einer or<strong>de</strong>ntlichen<br />

Lieferung <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> gekommen, wür<strong>de</strong> ich ja die betroffenen <strong>Daten</strong> neu<br />

vom Originalmasterspeicher abkopieren. Ob jetzt <strong>de</strong>r richtige Zeitpunkt<br />

dafür war, unter diesen Umstän<strong>de</strong>n, das war die brenzlige Frage.<br />

<strong>Die</strong> Antwort war Nein.<br />

Ich sagte, dass ich nochmals darüber nach<strong>de</strong>nken müsste; und mir kam<br />

die I<strong>de</strong>e, dass ich mich mit meiner (imaginären) Frau besprechen müsste.<br />

Jetzt. Sie sahen dies ein und ich entfernte mich. Sie behielten ihre<br />

Franken in ihren Hän<strong>de</strong>n und ich meine CD in meinen. Schräg<br />

gegenüber <strong>de</strong>m UBS-Schalter, an einem öffentlichen Telefon tat ich so,<br />

als wür<strong>de</strong> ich eine Nummer wählen. Ich murmelte etwas in die<br />

Telefonmuschel hinein und nach einer Minute war ich schon wie<strong>de</strong>r bei<br />

<strong>de</strong>n Herren, die etwas abseits, in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>r Rolltreppen warteten.<br />

Ich entschuldigte mich für die Umstän<strong>de</strong> und sagte, dass ich<br />

ausserstan<strong>de</strong> sei, die CD (jetzt) auszuhändigen. Ich müsste noch einiges<br />

vorher abklären. Sie bedauerten meinen Entscheid, hatten aber<br />

Verständnis für meine Vorsicht. Theo und Udo waren etwas traurig. Ich<br />

versicherte ihnen, dass ich mich in <strong>de</strong>r nächsten Woche per Email sofort<br />

wie<strong>de</strong>r (bei Theo) mel<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. <strong>Der</strong> Verlag hatte meine Emailadresse<br />

nicht; Theo wollte dies nicht. Alfred versprach mir zum Abschied<br />

nochmals für eine Lösung <strong>de</strong>s Problems mit <strong>de</strong>r Sicherheit meiner<br />

Person (und Familie) nachzu<strong>de</strong>nken. Sie bedankten sich für meinen Mut<br />

und ich bedankte mich für ihre Zeit und Mühe. Sie steckten die frisch<br />

bezogenen Schweizerfranken wie<strong>de</strong>r ein und ich versorgte meine CD im<br />

Rucksack zum Laptop. Ich winkte ihnen noch zu, bis sie durch die<br />

Passkontrolle geschritten waren.<br />

Was sie wegen meinem Rückzug wirklich dachten, konnte ich schwer<br />

abschätzen. Theo und ich hatten noch einige Male Schreibkontakt. Er<br />

mel<strong>de</strong>te auch, dass <strong>de</strong>r Verlag eine grössere Summe als Entschädigung<br />

bezahlen möchte. Und dies, obwohl sie sonst nie ihre Quellen bezahlen<br />

588


wür<strong>de</strong>n, gar nie müssten. <strong>Die</strong>s war mir zwar nicht ganz logisch, aber für<br />

mich dann im En<strong>de</strong>ffekt irrelevant.<br />

Ich schrieb Theo, dass ich mich beim Verlag für die angebotene Güte<br />

bedanken möchte, mich aber nach reiflicher Überlegung entschlossen<br />

hatte, vorerst diesen Weg nicht weiterzugehen. Er war sehr enttäuscht<br />

und wollte mich unbedingt sehen. Ich konnte aber seinem Wunsch nicht<br />

entsprechen. Ich musste meine ganze Methodik umkrempeln. Immer<br />

und immer wie<strong>de</strong>r kam ich zum <strong>de</strong>mselben Schluss. Egal wie ich es auch<br />

anstellen wür<strong>de</strong>, egal wie <strong>de</strong>r Verlag o<strong>de</strong>r die Gruppe KOSMOS es<br />

schaffen wür<strong>de</strong>n, die Quelle zu schützen, am En<strong>de</strong> wür<strong>de</strong> es Hans-<br />

Adam sowieso erfahren. Und we<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Verlag noch die KOSMOS<br />

Gruppe könnten mich vor <strong>de</strong>r Rache von Hans-Adam schützen.<br />

Gera<strong>de</strong> als ich dachte, die Angelegenheit wäre damit zu En<strong>de</strong>, stellte ich<br />

mit Entsetzen fest, dass ich <strong>de</strong>n (verständlichen) Übereifer <strong>de</strong>r Gruppe<br />

KOSMOS krass unterschätzt hatte. Und wie so oft in meinem Leben,<br />

hatte mich mein Instinkt (mit <strong>de</strong>n Vorsichtsmassnahmen) vor grossem<br />

Scha<strong>de</strong>n bewahrt.<br />

Einige Wochen später, nach<strong>de</strong>m Theos Emails immer ernster wur<strong>de</strong>n,<br />

erreichte mich eines, <strong>de</strong>m ein Brief angehängt war. Ich öffnete <strong>de</strong>n<br />

Emailanhang und musste schon wie<strong>de</strong>r fluchen. Es war eine Art<br />

Kurzfassung in Worten meiner gezeigten <strong>Daten</strong> und Erklärungen über<br />

die betroffenen Kun<strong>de</strong>n (<strong>de</strong>r Treuhand), <strong>de</strong>n Millionenzahlungen und<br />

<strong>de</strong>n Transfers. Auch wur<strong>de</strong>n Angaben zu Banken, Zeitpunkt o<strong>de</strong>r<br />

Zeitabschnitte <strong>de</strong>r Zahlungen gemacht.<br />

Einfach wirr durcheinan<strong>de</strong>r, inklusive Teile <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>schau an<br />

einigen Stellen teilweise sichtbar gewesenen Konto- o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

Nummern. Ich traute meinen Augen nicht. <strong>Die</strong>se Spitzbuben von <strong>de</strong>r<br />

KOSMOS. Sie hatten sie sich also entgegen ihren Versprechungen<br />

heimlich so viel wie möglich mental gemerkt und später dann versucht<br />

auf Papier zu bringen. Ich war sehr enttäuscht. Obwohl ich allen Grund<br />

zum Schimpfen hatte, war mein Gefühl <strong>de</strong>r Erleichterung grösser. Ich<br />

bin ein sehr vorsichtiger Mensch und hatte noch eine weitere<br />

Vorsichtsmassnahme eingebaut.<br />

Aus <strong>de</strong>r Email von Theo wur<strong>de</strong> ich auch nicht schlau. Hatte er nun <strong>de</strong>n<br />

Brief an die betroffene Untersuchungsbehör<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rswohin schon<br />

gesandt, o<strong>de</strong>r wollte er es noch tun.<br />

Etwas übertrieben erbost hatte ich ihm dann zurück geschrieben. Ob er<br />

noch ganz klar im Kopf wäre? Obwohl <strong>de</strong>r Inhalt <strong>de</strong>s komischen<br />

589


Schreibens nicht die nötigen Detailkenntnisse hatte, um irgendjemand<br />

gross aufzuschrecken, wür<strong>de</strong> er mich (und meine Familie) in grosse<br />

Gefahr bringen. Er hätte mir doch versprochen, sich nichts und aber<br />

auch nichts zu merken und schon gar nicht auf die saublö<strong>de</strong> I<strong>de</strong>e zu<br />

kommen, über <strong>de</strong>n Inhalt unserer Treffen eine Kurzfassung zu machen<br />

und diese irgendwelchen Behör<strong>de</strong>n zukommen zu lassen. Ob er <strong>de</strong>nn<br />

noch geistig auf <strong>de</strong>r Höhe wäre, fragte ich zum Schluss. Ich schrieb auch,<br />

dass ich sicher wäre, dass <strong>de</strong>r Verlag nichts von <strong>de</strong>m allen wusste. Was<br />

auch so war.<br />

Theo hatte mir geantwortet, dass <strong>de</strong>r Verlag ohne die <strong>Daten</strong> nichts<br />

unternehmen wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong> Gruppe KOSMOS möchte aber dringend die<br />

Wahrheit vorzeigen. Auf meine Frage, ob er diesen Brief schon<br />

abgeschickt hatte, reagiert er erst gar nicht. Am Schluss flehte er mich<br />

fast an, <strong>de</strong>r Allgemeinheit <strong>de</strong>n Gefallen zu tun. Ich bin ihm nicht böse. Er<br />

wusste ja nichts von <strong>de</strong>r gigantischen Tragödie, die sich vor, während<br />

und nach seiner Zeit mit mir abspielte. Etwas sauer, aber immer noch<br />

nicht böse war ich auch dann, als wie<strong>de</strong>r ein paar Wochen später, als ich<br />

eine Kontrolle <strong>de</strong>s Emailkonto durchführte, eine Email in <strong>de</strong>r<br />

Eingangsbox war, die nicht von ihm kam.<br />

Zur Erinnerung, ich hatte dieses Emailkonto nur für <strong>de</strong>n spezifischen<br />

Gebrauch für <strong>de</strong>n Kontakt mit Theo (und allenfalls mit <strong>de</strong>m Verlag, was<br />

nicht aktiviert wur<strong>de</strong>) eingerichtet. Ich öffnete das neue Email (wie<br />

immer in gesicherter Umgebung) und musste schon wie<strong>de</strong>r fluchen.<br />

Verdammt noch mal! Warum, warum musste dies mir wie<strong>de</strong>r passieren.<br />

Theo hatte einer Drittperson nicht nur sichtbar meine eigentlich geheime<br />

Emailadresse mitgeteilt, son<strong>de</strong>rn auch noch meinen, wenn auch falschen,<br />

Namen mitgeliefert.<br />

<strong>Die</strong> Mail war von einem Fernsehjournalisten verfasst. Zumin<strong>de</strong>st gab er<br />

sich als solchen aus. Er nannte seinen vollen Namen und er schrieb, dass<br />

er schon mehrere Dokumentarfilme über grosse Wirtschaftskrimis<br />

gedreht hätte. Er hätte meine Emailadresse von Theo erhalten. Er müsste<br />

sich mit mir dringend treffen. Ob ich ihn auf die unten stehen<strong>de</strong><br />

Nummer anrufen könnte, fragte er mich. Auch das noch, dachte ich mir.<br />

Mir bleibt auch nichts erspart. Mein Vertrauen in Theo & Co. war dahin.<br />

Ich konnte unmöglich, selbst wenn ich wollte, nach diesen<br />

Begebenheiten weiter mit ihnen re<strong>de</strong>n. Scha<strong>de</strong> eigentlich.<br />

Es erübrigt sich zu erwähnen, dass ich nie wie<strong>de</strong>r irgendjeman<strong>de</strong>n von<br />

diesem Emailkonto geschrieben hatte. Auf diesen Schreck hin musste ich<br />

am selben Abend erst mal eine meiner Lieblingsspeise kochen:<br />

590


Zürcher Geschnetzeltes.<br />

Mahlzeit.<br />

(Ein Rezept für dieses Gericht fin<strong>de</strong>t man in <strong>de</strong>r Internetliste am En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s Buchs.)<br />

Ich verfolgte (wie die LGT in Vaduz sicher auch) <strong>de</strong>n besagten<br />

Gerichtsprozess bis zum bitteren En<strong>de</strong>. Ein En<strong>de</strong> im Desaster; aus Sicht<br />

<strong>de</strong>r Wahrheit. Niemand weiss von diesen Treffen, mit Ausnahme <strong>de</strong>r<br />

fünf Herren. Und jetzt natürlich meine verehrten Leser. Wie<strong>de</strong>r ein<br />

Geheimnis weniger. Ich bis mir sicher, dass die fünf Herren heute<br />

verstehen können, warum ich <strong>de</strong>n Kontakt zu ihnen abgebrochen hatte.<br />

Ich möchte mich bei Alfred, Bert & Carl, bei Theo & Udo - sollten die<br />

sich unter meinen Lesern befin<strong>de</strong>n - <strong>de</strong>m Verlag, <strong>de</strong>r Gruppe KOSMOS<br />

bedanken.<br />

Es tut mir leid, dass ich Euch alle nicht mehr unterstützen konnte. Als<br />

Steigbügelhalter habe ich meine Arbeit in diesem speziellen Fall getan;<br />

das mit <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> gefütterte Pferd muss Euer Land schon selber reiten.<br />

591


KAPITEL 30 Afrikanische Hitze<br />

Von <strong>de</strong>m Jahr 2005 waren nur noch wenige Wochen übrig. Gleichwohl<br />

sollten es abermals spannen<strong>de</strong> Wochen wer<strong>de</strong>n. Nach<strong>de</strong>m ich Punkt Nr.<br />

1 und Nr. 2 als erledigt abhacken konnte, war es an <strong>de</strong>r Zeit mich wie<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>n unerledigten zu widmen (dieses Buch ist übrigens keine Nummer<br />

aus meinem Plan). Vorher entschloss ich mich kurzerhand noch schnell<br />

für eine Nacht nach Barcelona zu fliegen. <strong>Der</strong> Rechtsanwalt von dort<br />

hatte mich angerufen und gesagt, dass <strong>de</strong>r Termin am 30.11. wäre und<br />

dann <strong>de</strong>r Deckel zum Verfahren endlich zugeklappt wür<strong>de</strong>.<br />

Ich wollte dies mit eigenen Augen selber sehen und flog am 29.11.<br />

runter. Am nächsten Tag mussten er und ich über zwei Stun<strong>de</strong>n beim<br />

Gericht warten, bis meine Aktenzahl an <strong>de</strong>r Reihe war. Ich bedankte<br />

mich persönlich beim Gericht für die Anerkennung <strong>de</strong>s Urteils aus<br />

Vaduz und wünschte ihnen alles Gute. Das war’s.<br />

Fast 10 Jahre lang hatte mich <strong>de</strong>r Verbrecher Helmut R. Zeit, Nerven,<br />

praktisch mein ganzes Vermögen und vor allem fast mein Leben<br />

gekostet. Ich hatte keine Zeit und ehrlich gesagt dafür auch keine<br />

Energie mehr, mich mit ihm o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Tätern aus Argentinien<br />

herumzuschlagen und aufzuhalten. Mein Terminplan für die nächsten 12<br />

Monate war eng belegt.<br />

Noch am gleichen Tag flog ich wie<strong>de</strong>r zurück nach Zürich. Adios<br />

Barcelona - bis zum nächsten Mal in meinem Leben. Am selben Tag<br />

wur<strong>de</strong> mir auch von einer an<strong>de</strong>ren Quelle bestätigt, dass die<br />

Staatsanwaltschaft die Liste erhalten hatte und anstelle Untersuchungen<br />

zu starten, die Liste einfach <strong>de</strong>r Regierung übergab.<br />

Am 1. Dezember setzte ich mich in Zürich wie<strong>de</strong>r in ein Flugzeug. Ich<br />

reiste mit <strong>de</strong>r SWISS nach Afrika, 1. Stopp Johannesburg in Südafrika.<br />

Ich war noch nie in dieser Ecke von Afrika. Mein Ziel war Kapstadt mit<br />

<strong>de</strong>m Kap <strong>de</strong>r guten Hoffnung. Angeblich sollte es dort noch Hoffnung<br />

geben. Ich hatte vor, für zwei Monate an einem<br />

Wie<strong>de</strong>raufbautrainingslager für verstümmelte Opfer von Hans-Adams<br />

berüchtigtem „Ich-geb-Dir-mein-Wort‚-Program teilzunehmen. Nein,<br />

nicht wahr. Trübsinn Beiseite.<br />

Ich wollte mich für die kommen<strong>de</strong> Saison geistig und körperlich wie<strong>de</strong>r<br />

topfit machen. Mit meinem Mountainbike, dass ich auch mitgenommen<br />

592


hatte, wollte ich die Strassen zwischen Kapstadt und Fishhoek (nahe<br />

Simonstown, Südlich von Kapstadt) unsicher machen. Es waren<br />

eindrucksvoll schöne acht Wochen. Ich hatte ein Zimmer zur Untermiete<br />

bei einer weissen Lady, die mit ihren zwei Söhnen ein grosses Haus<br />

besass. Fishhoek ist ein kleines altes Fischerdorf, mit wenigen tausend<br />

Einwohnern. Meine Vermieterin, Margaret war eine allein erziehen<strong>de</strong><br />

Mutter und hatte auch zwei sehr bissige Hun<strong>de</strong> (wie fast alle übrig<br />

gebliebenen Weissen in Südafrika); einen <strong>de</strong>utschen Schäferhund mit<br />

Arthritis und eine Strassenmischung. Nebst <strong>de</strong>m Konditionstraining<br />

besuchte ich zwischendurch die Sehenswürdigkeiten <strong>de</strong>r Kapregion und<br />

konnte aber wegen meines Ernährungsplans die vielen kulinarischen<br />

Köstlichkeiten lei<strong>de</strong>r nicht gross geniessen.<br />

Etwas was je<strong>de</strong>m Besucher sofort ins Auge sticht, <strong>de</strong>r zum 1. Mal in Süd<br />

Afrika war, ist die brillante Sonne. Ein reines Licht, wie ich es noch nie<br />

gesehen hatte. In <strong>de</strong>r ersten Woche war ich je<strong>de</strong>n Morgen um 7 Uhr<br />

aufgestan<strong>de</strong>n und rannte leicht beklei<strong>de</strong>t 30 Minuten später joggend aus<br />

<strong>de</strong>m Haus. 45 o<strong>de</strong>r 60 Minuten konnte ich ohne Mühe rennen. Das<br />

Problem war die Sonne. <strong>Die</strong> Strahlen waren so scharf, dass ich schon<br />

nach 3 Tagen einen Sonnenbrand hatte, trotz <strong>de</strong>r frühen Stun<strong>de</strong>.<br />

Zum Joggen konnte, wollte ich ja keine Sonnenschutzcreme tragen. Also<br />

gut, dachte ich, renne ich halt früher am Morgen weg. Ich stellte <strong>de</strong>n<br />

Wecker auf 4 Uhr. Es war schon kurz danach genug hell. Zwei Mal<br />

klappte es mit <strong>de</strong>m Extrem-Früh-Joggen. Dann erinnerte mich meine<br />

biologische Uhr daran, dass ihr dies gar nicht passte. Ich verlegte das<br />

Joggen auf die frühen Abendstun<strong>de</strong>n. Tagsüber ra<strong>de</strong>lte ich in <strong>de</strong>r<br />

grösseren Umgebung für 3 bis 4 Stun<strong>de</strong>n herum. <strong>Die</strong> Autofahrer auf<br />

<strong>de</strong>m Land müssen sehr an die vielen Zweirä<strong>de</strong>r gewöhnt gewesen sein.<br />

Allesamt waren sie sehr zuvorkommend. Nur die Städter fuhren eher<br />

einen aggressiven Stil.<br />

Ich war aber mutig genug viermal samt Velo <strong>de</strong>n Zug zum<br />

Hauptbahnhof in <strong>de</strong>r Mitte von Kapstadt zu nehmen und auf <strong>de</strong>r Strasse<br />

entlang wie<strong>de</strong>r zurückzufahren. Für diese Radtour benötigte ich circa<br />

zwei Stun<strong>de</strong>n. <strong>Der</strong> schönste Tag war, als ich mich einer Gruppe an<strong>de</strong>rer<br />

Radler anschiessen konnte, und wir alle, je<strong>de</strong>r mit einer roten St.<br />

Nikolausmütze auf <strong>de</strong>m Kopf, Süssigkeiten an Kin<strong>de</strong>rn im Quartier<br />

verteilten. Ich war so entspannt wie schon seit Jahren nicht mehr. <strong>Die</strong>s<br />

trotz <strong>de</strong>r traurigen Feststellung, dass die Fairness aus <strong>de</strong>r<br />

593


"Gerechtigkeitspfeife", die mir Hans-Adam all die Jahre<br />

entgegengestreckt hatte, eine reine Halluzination war. Eine billige<br />

Fälschung. Im Grun<strong>de</strong> wollte er mich damit nur vernebeln. Er und seine<br />

Leute hatte wohl selber zu viel davon "geraucht". Und welchen Stoff sie<br />

dabei verbrannt hatten, war und bleibt schleierhaft. Tabak war es sicher<br />

nicht, sonst wäre ihnen von Anfang an aufgefallen, dass ich schon immer<br />

ein Nichtraucher war. Egal. Das war im Moment alles weit weg.<br />

Und die nach <strong>de</strong>r Verlagerung <strong>de</strong>s Fokus notwendig gewor<strong>de</strong>ne<br />

Neuorientierung, weg von Helmut R. & Co, hin zu <strong>de</strong>n "Tätern aus<br />

Liechtenstein", konnte auch eine kurze Pause brauchen. Es war ein<br />

friedliches Dasein am Kap <strong>de</strong>r Guten Hoffnung.<br />

Nebst einigen touristischen Höhepunkte gab es auch drei "Treffen <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Art". Treffen mit allerhand Leuten aus <strong>de</strong>r ganzen Welt. Es war<br />

ein beflügeln<strong>de</strong>s Gefühl nach so vielen Jahren, wo ich ständig nur als<br />

"<strong>Daten</strong>-Klauer, <strong>Daten</strong>-Knapp-Verräter, <strong>Daten</strong>-Unterdrücker, Treuhand-<br />

Versuchs-Umstürzler, Blaublut-Störer, Liechtensteiner Pandora-<br />

Büchsen-Schüttler, Lan<strong>de</strong>s-Verräter, Bankleichen-Wühler, Auslands-<br />

Möchtegern-Zuträger" und weiss Gott was beschimpft und verspottet<br />

wur<strong>de</strong>, mal zur Abwechslung auf Menschen traf, die ein offenes Ohr<br />

hatten und erst mal zuhören konnten. Es waren Gespräche mit vielen<br />

gegenseitigen Aha-Effekten.<br />

Meine Fitnessbemühungen hatten sich am En<strong>de</strong> gelohnt. Ich flog mit 9,6<br />

Kilogramm weniger Körpergewicht wie<strong>de</strong>r nach Hause.<br />

Wie neugeboren kam ich in <strong>de</strong>r kalten Schweiz am 1. Februar 2006<br />

wie<strong>de</strong>r an. Ich konzentrierte meine ganze Energie auf Arbeit für die<br />

bevorstehen<strong>de</strong>n Aufgaben. Anfangs März mel<strong>de</strong>te sich <strong>de</strong>r Professor auf<br />

meinem Handy. Wie es mir so gehen wür<strong>de</strong>, fragte er. Er wür<strong>de</strong> mich<br />

gerne Mitte März treffen. No Problem, sagte ich. Mir wäre ein Meeting<br />

auch recht, da ich dann die Gelegenheit hätte zu erfahren, was es alles<br />

Neues in Vaduz gäbe.<br />

Am 15.3. trafen wir uns um 13 Uhr in Zürich. Er erzählte mir von seinen<br />

Aktivitäten und was sich so in seinem Leben seit unserem letzten Treffen<br />

abspielt hatte. Das Vorkommnis mit <strong>de</strong>n Listen war absolut kein Thema<br />

mehr in Vaduz. <strong>Der</strong> Professor sagte mir, dass die LGT Affäre jetzt kalter<br />

Kaffee war. Das Drama um die LLB hingegen wäre immer noch<br />

594


hochaktuell. Er hätte sich aber aus <strong>de</strong>n "Verhandlungen", bzw.<br />

Beratungen zurückgezogen. <strong>Die</strong> Regierung in Vaduz habe die<br />

Angelegenheit Mittelsmänner aus <strong>de</strong>r Schweiz und zwei<br />

Wirtschafts<strong>de</strong>tekteien aus Deutschland übertragen.<br />

<strong>Die</strong> LLB verteilte nun Millionenweise Euros. Ob dies die richtige Lösung<br />

dafür wäre, fragte ich ihn. Er antwortete nur, dass die Regierung und die<br />

LLB fest daran glauben wür<strong>de</strong>n, dass mit <strong>de</strong>n Zahlungen alles unter <strong>de</strong>m<br />

Deckel bleibt und dann bald wie<strong>de</strong>r die Liechtensteiner Normalität<br />

einkehren wür<strong>de</strong>.<br />

Ich fragte ihn, ob ich, als Person noch ein Thema in Vaduz wäre. Nein,<br />

sagte er. Sie hätten sich zwar schon gewun<strong>de</strong>rt, warum ich nach<br />

Südafrika gefahren war (ich hatte ihnen bewusst kurz vor <strong>de</strong>r Abreise<br />

davon erzählt und ange<strong>de</strong>utet, dass ich evt. in diesem afrikanischem<br />

Land für länger bleiben möchte), aber solange ich mich nicht in Banken-<br />

o<strong>de</strong>r Treuhandkreisen (in Vaduz) zeigen wür<strong>de</strong>, kein Hahn mehr nach<br />

mir krähen wür<strong>de</strong>, erzählte er. Hans-Adam, mit <strong>de</strong>m er regelmässig im<br />

Kontakt stehe, hätte bei ihm nach seinem Treffen mit mir im November<br />

2005 und im Februar 2006 nachfragen lassen, wie es um meine<br />

Gemütsverfassung stehen wür<strong>de</strong>. Er hätte ihn dann angerufen und nur<br />

gesagt, dass er <strong>de</strong>n Eindruck hatte, ich wäre ruhig o<strong>de</strong>r ruhiger<br />

gewor<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Der</strong> Professor glaubte auch, dass ich gewiss in zwei, drei Jahren wie<strong>de</strong>r<br />

in meine Heimat ziehen und dort leben könnte; wenn ich das wollte.<br />

Auch hätte niemand etwas negatives darüber gesagt, dass ich mich<br />

offenbar immer noch in <strong>de</strong>r Schweiz aufhalten wür<strong>de</strong> (anstelle weiter<br />

weg zu ziehen). Innerlich war ich froh, dass man dachte, ich sei ruhiger<br />

gewor<strong>de</strong>n. Wie es <strong>de</strong>m Bankdirektor gehen wür<strong>de</strong>, fragte ich weiters.<br />

Dem geht es super blen<strong>de</strong>nd gut. <strong>Die</strong> LGT wisse nicht wohin mit <strong>de</strong>n<br />

vielen frischen Moneten. Und meinem Ex-Boss Feuerstein? Dem ginge es<br />

vom Hörensagen auch soweit gut. Er habe mit ihm aber seit über einem<br />

Jahr nicht mehr gesprochen. <strong>Der</strong> Professor erzählte mir auch, dass er<br />

selber vermehrt Seminare in Grossfirmen abhält, wo er das Phänomen<br />

<strong>de</strong>r "Workplace Violence" erläutert. Er bedankte sich nochmals für<br />

meinen diesbezüglichen Input in Form meiner Denkschrift vom Oktober<br />

2003.<br />

Er hatte die I<strong>de</strong>e, dass wir uns alle wie<strong>de</strong>r einmal zum Essen treffen<br />

sollten und schlug vor, dass er und <strong>de</strong>r Bankdirektor mich einla<strong>de</strong>n<br />

wür<strong>de</strong>n. Wird sicher wie<strong>de</strong>r von Hans-Adam bezahlt, um mich erneut<br />

595


psychologisch begutachten zu lassen, sagte ich gleich. Kann sein,<br />

antwortete <strong>de</strong>r Professor grinsend.<br />

Gesagt - Getan.<br />

Am 6. September hatte dieses Essen stattgefun<strong>de</strong>n; natürlich in einer<br />

meiner Lieblingsstädte: Zürich. Wir trafen uns um 18:30 im Restaurant<br />

Au Premier im Gebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Hauptbahnhofs. Bei<strong>de</strong> waren gut gelaunt<br />

und <strong>de</strong>r Bankdirektor schämte sich etwas; wegen <strong>de</strong>n falschen<br />

Versprechungen. Ich sagte ihm gleich zu Beginn, dass er sich nicht für<br />

Hans-Adams Fehlverhalten und Lügen entschuldigen muss. Ich sagte<br />

auch, dass ich seine Beschämtheit sehr an ihm schätzen wür<strong>de</strong>. Da ich<br />

schon mal dabei war, bemerkte ich auch, dass Hans-Adam die Worte<br />

Scham o<strong>de</strong>r schlechtes Gewissen gar nicht kenne. Mehr noch, er könnte<br />

kein "schlechtes Gewissen" haben, da er überhaupt kein Gewissen hatte.<br />

Zu<strong>de</strong>m wäre Hans-Adam so von seiner universellen Unfehlbarkeit<br />

überzeugt, dass im Vergleich jene vom römischen Papst aus <strong>de</strong>r<br />

Bonsaiklasse stamme.<br />

Ich musste mich bremsen; es ergab doch alles keinen Sinn mehr, weiter<br />

über dieses Thema mit <strong>de</strong>n schlussendlich von Hans-Adam mehr o<strong>de</strong>r<br />

weniger abhängigen Gesandten zu diskutieren. Wir wechselten das<br />

Thema. Oh, etwas mehr Sport wäre durchaus wünschenswert,<br />

veranschaulichte ich <strong>de</strong>n Zwei in<strong>de</strong>m ich auf ihre Bäuche zeigte. OK,<br />

zugegeben, <strong>de</strong>r Bankdirektor war immer schon fit für sein Alter. Da ich<br />

nach <strong>de</strong>r Rückkehr aus Südafrika mit einer Entschlackungskur mit<br />

BIOTTA-Säften gute Resultate erzielt hatte, kaufte ich spontan in <strong>de</strong>r<br />

Apotheke, die gegenüber <strong>de</strong>m Sprünglila<strong>de</strong>n in Hauptbahnhof<br />

einquartiert war zwei BIOTTA-Boxen mit einem vollem 7-<br />

Tageprogramm. Schön verpackt schenkte ich <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n die gesun<strong>de</strong><br />

Kost. Nach einem feinen Essen verabschie<strong>de</strong>ten sie sich und<br />

verschwan<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Dunkelheit.<br />

Insgesamt war ich im 2006 noch siebenmal in Liechtenstein auf<br />

Stippvisite zu Tagesbesuchen, Verabredungen mit Freun<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r bei<br />

Verwandten. Obwohl mir Hans-Adam durch seine Statisten untersagt<br />

hatte, mich in Vaduz wie<strong>de</strong>r blicken zu lassen, interessierte mich dies<br />

nicht gross. Ich wohnte ja jetzt ausserhalb meiner Heimat. <strong>Die</strong> meisten<br />

<strong>de</strong>r Besuche fan<strong>de</strong>n sowieso in <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Liechtensteiner Gemein<strong>de</strong>n<br />

statt. Ich vermied aber die Plätze, wo ich auf Treuhän<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Banker<br />

stossen könnte. Alte Gewohnheiten lassen sich nur ganz schwer<br />

596


abgewöhnen: Ganze neunmal war ich auch auf Besuch bei <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n<br />

in Vaduz. Vier mal beim Gericht, um jeweils einen (neu datierten)<br />

Strafregisterauszug zu holen. Ich wollte mich vergewissern, ob <strong>de</strong>r<br />

Eintrag immer noch "leer" war. Dem war so.<br />

Von diversen an<strong>de</strong>ren Gerichtsakten konnte ich mir auch noch Kopien<br />

bestellten und abholen. Ein Kurzbesuch galt jenem Amt in Vaduz, wo<br />

die Geburtsurkun<strong>de</strong>n ausgestellt wer<strong>de</strong>n. Ich brauchte mehrere solche<br />

und an<strong>de</strong>re Urkun<strong>de</strong>n für meine Unterlagen und die laufen<strong>de</strong>n Projekte.<br />

Drei <strong>de</strong>r restlichen vier notwendigen Behör<strong>de</strong>ngänge waren beim Amt<br />

für Volkswirtschaft, <strong>de</strong>m Han<strong>de</strong>lsregister und bei <strong>de</strong>r<br />

Regierungskanzlei.<br />

Lei<strong>de</strong>r habe ich mich dabei "erwischen lassen"; Regierungschef Otmar<br />

Hasler kam ausgerechnet dann die Treppe vom ersten Stock runter, als<br />

ich im Erdgeschoss unten rechts am Schalter <strong>de</strong>r Kanzlei stand. Auf<br />

meine eigene typische Art und Weise begrüsste ich ihn höflich -<br />

schliesslich war es <strong>de</strong>r Regierungschef. Ich wünschte ihm und seinen<br />

Ministern beim Regieren eine glückliche Hand, wie man so schön sagt.<br />

Dabei dachte ich an etwas, worüber ich in diesem Buch nicht schreiben<br />

will. Nur für einen Augenblick lang war er sich nicht sicher, wenn er vor<br />

sich stehen hatte. Natürlich kannte er mich; <strong>de</strong>r Sekun<strong>de</strong>nstillstand<br />

wur<strong>de</strong> dadurch ausgelöst, weil seine Hirnregion, wo unter an<strong>de</strong>rem die<br />

Logik verarbeitet wird, irrationale Fragen produzierte. Was macht <strong>de</strong>r<br />

Kieber in Liechtenstein? Was macht <strong>de</strong>r Kieber in Vaduz? Und was<br />

macht er im Regierungsgebäu<strong>de</strong>? Man sah es ihm gera<strong>de</strong>zu im Gesicht<br />

an. Bevor er etwas in diese Richtung laut fragen konnte, erwähnte ich<br />

schnell, dass ich zur Bushaltestelle rennen müsste, um rechtzeitig <strong>de</strong>n<br />

Zug zurück nach Hause in die Schweiz zu erwischen.<br />

Auf Wie<strong>de</strong>rsehen Herr Regierungschef Hasler.<br />

(Keine Antwort von ihm)<br />

Einmal noch hatte ich <strong>de</strong>n Professor und <strong>de</strong>n Bankdirektor jeweils<br />

alleine getroffen. Anfang Oktober rief mich <strong>de</strong>r Professor wie<strong>de</strong>r an und<br />

stellte die üblichen "verdächtigen" Fragen: Wie es mir gehen wür<strong>de</strong>, was<br />

ich so machen wür<strong>de</strong> etc. Er wäre am 5.10. für ein Seminar in Lugano.<br />

Was für ein Zufall, sagte ich. Auch ich wäre um diesen Tag herum im<br />

Tessin. Wir verabre<strong>de</strong>ten uns beim Bahnhof hoch oben über Lugano. Er<br />

bot mir an, mit ihm in seinem Auto wie<strong>de</strong>r nach Zürich zu fahren. Ich<br />

597


nahm das Angebot an, da ich auch am selben Tag wie<strong>de</strong>r nach Zürich<br />

wollte. Ansonsten hätte ich <strong>de</strong>n Zug genommen.<br />

Auf <strong>de</strong>r Fahrt schwelgten wir in Erinnerungen über die Zeit in Holland<br />

und die makabere Fahrt am 1. Juli 2003. Es war kaum zu glauben, dass<br />

seit dieser Reise mehr als drei Jahre vergangen waren. Er schil<strong>de</strong>rte mir<br />

nochmals, weil ich gezielt danach gefragt hatte, was alles so in <strong>de</strong>r KKZ<br />

und sonst noch alles im 2003 in Vaduz geschehen war. Er erzählte auch<br />

von seinen äusserst schwierigen Beratungsbemühungen mit <strong>de</strong>n<br />

Hochwohlgeborenen. Ich sagte dazu nur, dass Hans-Adams<br />

unvorstellbare Beratungsresistenz kein Geheimnis wäre.<br />

Er und seine Familie leben oft noch in einer Märchenwelt, sagte <strong>de</strong>r<br />

Professor. Mit <strong>de</strong>r Realität und Wertvorstellungen <strong>de</strong>s mo<strong>de</strong>rnen<br />

Menschen kann o<strong>de</strong>r will sich <strong>de</strong>r Liechtensteiner A<strong>de</strong>l nicht<br />

auseinan<strong>de</strong>rsetzten, beziehungsweise abfin<strong>de</strong>n, war mein<br />

Schlusskommentar dazu. Mir war klar, dass dies das letzte Mal sein<br />

wür<strong>de</strong>, wo ich mich mit <strong>de</strong>m Professor treffen wollte.<br />

In Zürich angekommen, bedankte ich mich bei ihm für Alles was ich von<br />

ihm (über mich) lernen konnte und verabschie<strong>de</strong>te mich mit festem<br />

Hän<strong>de</strong>druck. Er musste noch weiter nach Basel fahren. Ich wünschte ihn<br />

und seiner Familie alles Glück. Gute Reise Herr Professor. Ebenfalls Herr<br />

Kieber. Ich habe <strong>de</strong>n Professor seit damals nie wie<strong>de</strong>r gesehen.<br />

Dass es noch mal zu einem Treffen mit <strong>de</strong>m Bankdirektor kam, war auch<br />

nicht geplant. Im Zusammenhang mit <strong>de</strong>n laufen<strong>de</strong>n Projekten meines<br />

Generalstabsplans hatte ich ein, zwei Fragen, die nur er beantworten<br />

konnte. Selbstverständlich wusste we<strong>de</strong>r er noch irgendjemand an<strong>de</strong>rs<br />

von meinen Fein<strong>de</strong>n, dass es einen solchen Plan überhaupt gab.<br />

Ich rief ihn auf seinem Handy an und fragte, ob er zufällig in absehbarer<br />

Zeit in St. Gallen wäre. Ich wür<strong>de</strong> gerne mit ihm auf einen Kaffee<br />

zusammensitzen. Er freute sich über meinen Anruf und da er oft in St.<br />

Gallen war (was ich wusste), könnten wir uns ein paar Tage sehen. Ich<br />

schlug vor, uns in <strong>de</strong>m spanischen Restaurant in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s<br />

berühmten Klosters zu treffen.<br />

Pünktlich wie immer war er eingetroffen. Wir unterhielten uns über die<br />

LGT und er erzählte mir, dass mein Ex-Boss entwe<strong>de</strong>r die Firma schon<br />

verlassen hatte, o<strong>de</strong>r im Begriff war es bald zu tun. So wie ich zwischen<br />

<strong>de</strong>n Zeilen hören konnte, hatte die LGT sich mit Feuerstein überworfen.<br />

Das ganze Thema mit <strong>de</strong>n entwen<strong>de</strong>ten Treuhanddaten hätte auch eine<br />

Rolle gespielt. Feuerstein wur<strong>de</strong> dann gegen En<strong>de</strong> 2006 ein Direktor<br />

598


eines an<strong>de</strong>ren grossen Treuhandbüros: die Kaiser Ritter & Partner AG in<br />

Vaduz. Nach<strong>de</strong>m ich jene Informationen erhalten hatte, die ich brauchte,<br />

war es an <strong>de</strong>r Zeit, mich von ihm zu verabschie<strong>de</strong>n. Er tat mir ehrlich<br />

gesagt etwas Leid. Ich weiss nicht warum. Gute Reise Herr Bankdirektor.<br />

Alles Gute Herr Kieber. Das war das letzte Mal das ich <strong>de</strong>n Bankdirektor<br />

gesehen habe.<br />

Da ich mich mehrheitlich in <strong>de</strong>r Schweiz aufhielt, holte ich mir (am 1.11.)<br />

auch einen Strafregisterauszug bei <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>skanzlei in Bern. Meine<br />

letzte Reise im 2006 nach Liechtenstein war am 3. November. Ich hatte<br />

vorher telefonisch einen neuen Reisepass bei <strong>de</strong>r Dame vom Passamt<br />

bestellen können. Per Telefon wäre dies normalerweise nicht möglich.<br />

"Aus Versehen" hatte ich meinen damals aktuellen Pass, <strong>de</strong>r noch bis<br />

zum Jahr 2011 gültig war, in <strong>de</strong>r Waschmaschine mitgewaschen. Auf<br />

einen neuen Pass musste man gewöhnlich 4 bis 5 Arbeitstage warten,<br />

nach<strong>de</strong>m man ihn persönlich am Schalter in Vaduz bestellt hatte.<br />

Ich erzählte <strong>de</strong>r Dame, dass ich (angeblich) dringend einen neuen<br />

brauche, weil ich am nächsten Tag (4.11.) ins Ausland fliegen müsste. Da<br />

ich extra dafür aus <strong>de</strong>r Schweiz nach Vaduz kommen wür<strong>de</strong>, erlaubte sie<br />

mir, einen neuen Pass so zu bestellen. Ich müsste nur am 3.11. das<br />

Formular am Schalter ausfüllen und könne <strong>de</strong>n neuen Pass ca. 2 Stun<strong>de</strong>n<br />

später abholen. Ich müsste aber ein neues Foto, das <strong>de</strong>n biometrischen<br />

Passbedingungen entspricht, mitbringen. Alles kein Problem, sagte ich<br />

und bedankte mich sehr. Am 3.11. brachte ihr meinen verwässerten<br />

Reisepass und schon nach 1 Stun<strong>de</strong> hatte ich meinen neuen in <strong>de</strong>r Hand.<br />

<strong>Der</strong> Hauptgrund weshalb ich mir einen brandneuen Pass besorgte, war<br />

<strong>de</strong>swegen, weil ich ab diesem Zeitpunkt die maximale Gültigkeitsdauer<br />

von 10 Jahren haben wollte. Zum Abschied gab es noch was zum<br />

Lachen: die dienstälteste Angestellte, die erwähnte Dame, sagte bei <strong>de</strong>r<br />

Passübergabe schmunzelnd zu mir: Na, dieses Mal in Deinem wirklichen<br />

Namen.<br />

Es ist schwer vorauszusagen, wann ich wie<strong>de</strong>r mal im Ländle auf Besuch<br />

kommen wer<strong>de</strong>. Aber mit Sicherheit spätestens am ersten Donnerstag im<br />

November 2016: wenn mein neuester Pass abläuft.<br />

Vielleicht ist Liechtenstein bis dann eine Republik.<br />

Es gibt noch so vieles, worüber ich meinen Lesern gerne im Detail<br />

berichten möchte. Was ich ebenfalls im Jahr 2006 und vor allem im 2007<br />

599


erlebt und gemacht hatte. Im Moment ist dies aber im Detail unmöglich.<br />

Aber keine Sorge, einige weitere Rätsel wer<strong>de</strong> ich Euch noch lösen.<br />

Dann ist aber vorläufig Schluss.<br />

Apropos Sprichwörter:<br />

Auch wenn es auf <strong>de</strong>n ersten Blick so aussieht, als hätte ich En<strong>de</strong> 2002 /<br />

Anfang 2003 begonnen mit einem Spaten ein "Grab" für Hans-Adam zu<br />

schaufeln, enthüllt die Geschichte, dass in Wahrheit Hans-Adam einen<br />

Bagger gekauft und eigentlich schon ab Januar 2003 an einer an<strong>de</strong>ren,<br />

steilen Stelle mit <strong>de</strong>m Graben angefangen hatte.<br />

Spätestens ab Mitte 2005 hatte ich mit <strong>de</strong>m Schippen in meiner kleinen<br />

Grube aufgehört und symbolisch daraus ein flaches Blumenbeet mit<br />

Tulpenzwiebeln aus Holland gemacht, um an die turbulenten Zeiten<br />

dort zu erinnern. Hans-Adam dagegen bud<strong>de</strong>lte in seiner Mine noch bis<br />

zum Jahre 2005 munter weiter. In Anlehnung an das alte Sprichwort:<br />

„Wer an<strong>de</strong>ren eine Grube gräbt, fällt selbst hinein‚, stellte sich am En<strong>de</strong><br />

heraus, dass er selber und sein Bagger nicht mehr aus <strong>de</strong>r Grube heraus<br />

kriechen können, weil er inzwischen so tief gegraben hatte.<br />

Seit über einem Jahr schon hängt Hans-Adam und seine Clique alle<br />

Schuld mir an. Bei je<strong>de</strong>r Gelegenheit, sei es gegenüber <strong>de</strong>n Medien, zu<br />

seinen Mitarbeitern in <strong>de</strong>r LGT o<strong>de</strong>r gegenüber <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n:<br />

immer und immer wie<strong>de</strong>r rufen er und seine Anhänger<br />

"Hängt <strong>de</strong>n Kieber - er ist an allem Schuld".<br />

Lachhaft!<br />

Hans-Adam kann <strong>de</strong>n wahren Schuldigen je<strong>de</strong>rzeit tief in die Augen<br />

blicken. Dafür muss er nur in jenem Raum in seiner Burg gehen, wo es<br />

die einzige Bo<strong>de</strong>nheizung hat.<br />

Im seinem Ba<strong>de</strong>zimmer, im Spiegel trifft er auf <strong>de</strong>n Schuldigen.<br />

600


KAPITEL 31 D A V I D<br />

Deutschland, Deutschland – das geliebte Deutschland!<br />

Das verliebte Deutschland feiert sich alljährlich an einem beson<strong>de</strong>ren<br />

Tag. Während sich am Valentinstag im Jahr 2008 die meisten <strong>de</strong>r innig<br />

Angebeteten im Bett noch mal umdrehten und von <strong>de</strong>n vielen Rosen<br />

träumten, die sie vom Verehrer bekommen wür<strong>de</strong>n, musste Klaus<br />

Zumwinkel in Bonn schon frühmorgens zu seiner Haustüre eilen, weil er<br />

unerwarteten und ungebetenen Besuch hatte. Eine unbekannte Liebe<br />

vielleicht? <strong>Der</strong> Nikolaus war es nicht, dafür wäre dieser mehr als 2<br />

Monate zu spät. <strong>Der</strong> Postbote nicht, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r wür<strong>de</strong> sich hüten, Oberboss<br />

Klaus zu solch frühen Stun<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m Bett zu holen. <strong>Der</strong> Milchbote<br />

auch nicht, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r fährt keinen schicken S-Klasse Merce<strong>de</strong>s mit einem<br />

Blaulicht auf <strong>de</strong>m Dach. Eine TV-Reality-Show "Deutsche<br />

Wirtschaftsbosse um 06:00 morgens - ungeschminkt" war es auch nicht,<br />

obwohl Kameraleute vor <strong>de</strong>r Hütte lungerten. Es war <strong>de</strong>r Staat.<br />

Unbestritten, <strong>de</strong>r Staat liebt seine Bürger, aber ein herzhafter Besuch am<br />

Valentinstag? Keine Umarmung, son<strong>de</strong>rn to<strong>de</strong>rnste Gesichter. Keine<br />

Valentintagsgrüsse, son<strong>de</strong>rn Durchsuchungsbefehl, keine Rosen,<br />

son<strong>de</strong>rn Handschellen.<br />

Es war eine Kleinigkeit, die Klaus Zumwinkel und in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n<br />

Wochen viele Hun<strong>de</strong>rt An<strong>de</strong>re in Deutschland in eine solch missliche<br />

Lage brachte. Eine Lappalie: er hatte in <strong>de</strong>n letzten 10 Jahren o<strong>de</strong>r so<br />

vergessen, beim alljährlichen Ritual in einem gewissen staatlichem<br />

Formular ein paar Einkommensfel<strong>de</strong>r auszufüllen. Und leere Fel<strong>de</strong>r mag<br />

<strong>de</strong>r Staat gar nicht. Darum wur<strong>de</strong> er nun vom Staat besucht.<br />

Als in Deutschland die Millionen von Verliebten noch am<br />

Frühstückstisch sassen und hoffentlich Herzchenschokola<strong>de</strong> auspackten,<br />

verbreitete sich die Sensation wie ein Lauffeuer. Fast live im<br />

Frühstücksfernsehen. Auch David schaute Fern. Auch weiter südlich, In<br />

Vaduz hatte ebenfalls Hans-Adam Grund zur Freu<strong>de</strong>, wie je<strong>de</strong>s Jahr an<br />

diesem Tag. Nicht nur weil er vermutlich seine geliebte Frau<br />

überraschen wür<strong>de</strong>. Irgendwann im Verlauf <strong>de</strong>s Vormittags waren die<br />

gefährlichen Nachrichten aus Deutschland auf seinem Schloss<br />

angekommen. Dass Zumwinkel einer seiner Deutschen PEP-Kun<strong>de</strong>n<br />

war, wusste er ja nur zu genau.<br />

<strong>Die</strong> Intensität <strong>de</strong>r medialen Ereignisse an diesem Februartag hatte David<br />

viel weniger als Hans-Adam und die Hohen-Finanz-Herren aus<br />

601


Liechtenstein überrascht. Vorstellbar, dass Hans-Adam an diesem Tag<br />

sein frisches Frühstücksmüsli kaum runterschlucken konnte. Es<br />

schmeckte als hätte ihm jemand einen "ganzen Sack Zitrone"<br />

reingepresst. Obwohl er <strong>de</strong>n vollen Umfang <strong>de</strong>s sich nun öffentlich<br />

anbahnen<strong>de</strong>n Skandals in Deutschland nur langsam erahnen konnte,<br />

war er jetzt schon sehr sauer. Nicht wegen <strong>de</strong>n „Zitronen‚. Jemand in<br />

Deutschland hatte diesen beson<strong>de</strong>ren Tag extra für <strong>de</strong>n Startschuss<br />

ausgesucht. <strong>Die</strong> I<strong>de</strong>e, die Deutsche Streubombe ausgerechnet an Hans-<br />

Adams Geburtstag, <strong>de</strong>n 14.02., <strong>de</strong>m Valentinstag, zu zün<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong><br />

sicher wie<strong>de</strong>r mir angehängt. Klar, die I<strong>de</strong>e könnte von mir stammen:<br />

mein Input war’s jedoch nicht! Davids auch nicht. Garantiert!<br />

David?<br />

Ach, ich habe ganz vergessen euch David vorzustellen.<br />

David, <strong>de</strong>r schnelle David. Ich kenne ihn gut. David ist nicht sein<br />

richtiger Name – die Agenten <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>snachrichtendienst BND gaben<br />

ihm diesen Namen. Nein, nicht von David gegen Goliath. Son<strong>de</strong>rn<br />

„David gegen Godzilla‚. So wie das Film-Monster Godzilla, tanzen auch<br />

Hans-Adam und die Hohen-Finanz-Herren aus Liechtenstein auf viele<br />

Köpfe an<strong>de</strong>rer Leute herum.<br />

David und ich <strong>de</strong>battierten oft darüber. Er hatte sehr triftige Grün<strong>de</strong> zu<br />

tun, was er getan hatte.<br />

Seit ein paar Jahren befin<strong>de</strong>t er sich auf einem pedantisch geplanten<br />

Rachefeldzug mit starken Elementen von synchron laufen<strong>de</strong>n,<br />

unabhängigen Massnahmen und Aktionen, <strong>de</strong>ssen Ausführung er brutal<br />

vollstreckt. <strong>Die</strong> Notwendigkeit und parallel seine Bereitschaft dazu<br />

wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n vielen Jahren zuvor grösser und grösser. Jahre gestopft<br />

mit Demütigung, Ungerechtigkeiten, gebrochenen Versprechungen,<br />

Lügen und totale Verarschungen.<br />

<strong>Die</strong> düsteren Anzeichen für einen möglichen eisernen Rachefeldzug<br />

waren min<strong>de</strong>sten schon seit 2004 ersichtlich und vorhan<strong>de</strong>n – nur hatte<br />

sie niemand in Liechtenstein ernst genommen o<strong>de</strong>r voll erkennen<br />

wollen. Für sein Quantum in <strong>de</strong>r Angelegenheit brauchte er keine Boten,<br />

Mittelsmänner, Strohmänner o<strong>de</strong>r Agenten, wie sie Hans-Adam für<br />

seine „Geschäfte‚ braucht. David hat immer <strong>de</strong>n persönlichen, direkten<br />

Kontakt bevorzugt und konsequent gewählt. Er ist ein normaler Mensch,<br />

eigentlich ein sehr liebenswürdiger. Es war ein langer innerer Kampf<br />

und ein sehr, sehr schwieriger Entschluss für ihn zum Whistleblower zu<br />

602


wer<strong>de</strong>n. Er hatte die LGT <strong>Daten</strong> und weitere Informationen <strong>de</strong>n<br />

Deutschen übergeben. Dem BND. Warum hatte er die Deutschland-<br />

<strong>Daten</strong> ausgerechnet <strong>de</strong>m BND gegeben?<br />

Ja, ist doch logisch:<br />

"Willst du Deutschland einen <strong>Die</strong>nst erweisen,<br />

hast Material das vieles wür<strong>de</strong> beweisen,<br />

Du zum Bun<strong>de</strong>snachrichtendienst musst reisen".<br />

OK, Vers und Spass beiseite.<br />

Das DAVID und ICH dieselbe Person sind, ist meinen LeserInnen sicher<br />

gleich klar gewor<strong>de</strong>n.<br />

Also warum <strong>de</strong>m BND ? Viele wer<strong>de</strong>n wohl spontan darauf antworten:<br />

„Des Gel<strong>de</strong>s wegen‚. Liebe Leser und Leserinnen, wenn alles nur so<br />

einfach wäre. <strong>Die</strong> Motivation von mir war weiss Gott nicht das Geld.<br />

Von Anfang an: Von meiner Sicht aus stand grundsätzlich fest, dass die<br />

Deutschen ein Anrecht auf die <strong>Daten</strong> hatten. Umgekehrt muss<br />

Deutschland aus rechtsstaatlicher Sicht immer an solchen <strong>Daten</strong><br />

interessiert sein. <strong>Die</strong> Basis für mich, sich mit <strong>de</strong>m BND<br />

zusammenzusetzen, war ja nicht <strong>de</strong>r steuerliche Aspekt <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>;<br />

absolut nicht.<br />

Was hat <strong>de</strong>r BND mit Steuer zu tun? Eben rein gar nichts. Ich kannte ja<br />

die <strong>Daten</strong> bis ins Detail und es befan<strong>de</strong>n sich viele Mandate darunter,<br />

die für <strong>de</strong>n BND hoch interessant waren. Ich wusste, dass <strong>de</strong>r BND<br />

einerseits an <strong>de</strong>n schmutzigen Geschäftstricks <strong>de</strong>r LGT Gruppe und <strong>de</strong>r<br />

Finanzwelt Liechtensteins im Allgemeinen und an<strong>de</strong>rseits an allen<br />

„Leichen im Keller‚ sehr interessiert war.<br />

Ich empfehle je<strong>de</strong>m einen kurzen Blick auf die Internetseite <strong>de</strong>s BND zu<br />

werfen, dort sind die Tätigkeitsbereiche <strong>de</strong>s <strong>Die</strong>nstes klar umschrieben.<br />

<strong>Die</strong> Abteilung TE befasst sich z.B. mit <strong>de</strong>m Thema Geldwäscherei und<br />

Organisierter Kriminalität (vor <strong>de</strong>r Umorganisation war es die Abteilung<br />

6, wenn ich moch richtig erinnere). Schon alleine diese Tatsache<br />

befürwortet die direkte Kontaktaufnahme mit <strong>de</strong>m BND.<br />

Ein an<strong>de</strong>rer wichtiger Grund für mich war: Ich kannte ja Hans-Adam,<br />

seine Regierung zu genüge. Ich konnte <strong>de</strong>m BND plausibel aufzeigen,<br />

welch enormes Gefahrenpotential die in Vaduz für mich be<strong>de</strong>uteten.<br />

603


Sollte ich die <strong>Daten</strong> übergeben. <strong>Die</strong> Kombination Hans-Adam als<br />

Besitzer <strong>de</strong>r LGT und gleichzeitiges Staatsoberhauptes bietet ihm an<strong>de</strong>re<br />

Möglichkeiten gegen Leute wie mich vorzugehen. Ganz abgesehen<br />

davon, dass sein Clan einer <strong>de</strong>r Reichsten in Europa ist. <strong>Die</strong> Gefahr wäre<br />

1000x kleiner, hätte ich z.B. <strong>Daten</strong> einer Sparkasse in Lindau entwen<strong>de</strong>t<br />

und <strong>de</strong>m BND übergeben. Daher, nur eine Organisation wie <strong>de</strong>r BND<br />

konnte und kann <strong>de</strong>m Machtmissbrauch von Hans-Adam vollständig<br />

entgegenhalten. Als Profiorganisation konnten sie schnell erkennen, dass<br />

schon die Verwendung <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> durch ihren eigenen <strong>Die</strong>nst<br />

konsequenterweise eine grosse Gefahr für mein Leib und Seele mit sich<br />

bringen wür<strong>de</strong>. Wer mich kennt, weiss, dass ich mich nicht 1 x, 2 x o<strong>de</strong>r<br />

3 x, son<strong>de</strong>rn min<strong>de</strong>stens 4 x absichere. Beson<strong>de</strong>re Faktoren ermöglichten<br />

mir schon damals ein nüchternes Bild über die Vielzahl <strong>de</strong>r<br />

zwangsläufig kommen<strong>de</strong>n Reaktionen seitens von Hans-Adam und<br />

seiner Regierung aufzuzeigen. Ich hatte mir monatelang die<br />

verschie<strong>de</strong>nen Szenarien im Detail vorgestellt und in einem extra dafür<br />

erstellten Katalog aufgelistet: In drei Zeiträume aufgeteilte Liste über<br />

das "Wie, Wann und Warum" meine und die Gegner Deutschlands<br />

han<strong>de</strong>ln wür<strong>de</strong>n, könnten o<strong>de</strong>r müssten.<br />

So hatte ich unter an<strong>de</strong>rem Richtig vorausgesagt, dass Hans-Adam zwei<br />

Wege für seine Rache eröffnen wird. Einmal <strong>de</strong>n "Offiziellen Weg": Er<br />

wür<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r seine Macht als Staatsoberhaupt missbrauchen, um seine<br />

ganz privaten Interessen zu verfolgen. Ein Resultat davon ist die<br />

Internationale Ausschreibung (Haftbefehl) von mir. Auch wur<strong>de</strong> richtig<br />

vorausgesagt, dass Hans-Adam früher o<strong>de</strong>r später <strong>de</strong>n ganzen<br />

Staatsapparat von Liechtenstein für seine Rache instrumentalisieren<br />

wür<strong>de</strong>. Dann wäre da <strong>de</strong>r "inoffizielle Weg": Hans-Adam wür<strong>de</strong> seine<br />

Geldmacht und weltweiten Kontakte nutzten, um eine private Treibjagd<br />

auf mich auszulösen. Ein Resultat davon ist die versprochene Bezahlung<br />

einer Belohnung in hoher Millionenhöhe an <strong>de</strong>njenigen Kopfgeldjäger,<br />

<strong>de</strong>r ihm meinen Kopf bringt (siehe auch Kapitel 32). Auch wur<strong>de</strong> richtig<br />

vorausgesagt, dass Hans-Adam zu an<strong>de</strong>ren illegalen Mitteln greifen<br />

wür<strong>de</strong>, um im Ausland Aktionen zu starten, die das Ziel haben, mich zu<br />

lokalisieren (z.B. Überwachung und Bespitzelung von Personen und das<br />

elektronisches Abhören diverser Telefone o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Internetverkehr).<br />

<strong>Die</strong>selben Massnahmen wur<strong>de</strong>n nach unseren Erkenntnissen bei<br />

Bürgern in Liechtenstein angewen<strong>de</strong>t. Da kann ich nicht behaupten, dass<br />

das illegale Metho<strong>de</strong>n sind, da Hans-Adam ja selber bestimmt, was im<br />

Ländle legal und was illegal ist. Was mich auch nicht wun<strong>de</strong>rt, ist seine<br />

604


Überzeugungskraft die Liechtensteiner selber für die Kosten <strong>de</strong>s ganzen<br />

Krieg gegen mich aufkommen zu lassen. Mittlerweile sind es sicher<br />

schon über 6 Millionen CHF. Er wusste immer schon wie seine eigenen<br />

Kasse zu schonen ist.<br />

Aus selbstre<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n, kann ich die genauen Details zu meiner<br />

intensiven Beziehung mit <strong>de</strong>m BND nicht voll umgänglich erzählen.<br />

Ich schickte eine Email aus Südafrika an <strong>de</strong>n BND. An die Emailadresse<br />

aus <strong>de</strong>ren Webseite. Darin beschrieb ich mein Wissen und über <strong>de</strong>n<br />

Umfang <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>. Ohne auch nur das Land Liechtenstein zu erwähnen<br />

o<strong>de</strong>r meine wahre I<strong>de</strong>ntität preiszugegeben; im Falle das kein Interesse<br />

seitens <strong>de</strong>s BND sich entwickeln wür<strong>de</strong>. Nach 2 Tagen schon erhielt ich<br />

eine Antwort. Darin wur<strong>de</strong> unter an<strong>de</strong>rem eine sichere<br />

Kontaktiermöglichkeit aufgezeichnet. Nicht lange danach traf man sich<br />

zum 1. Mal. Meinem Wunsch sich vorerst nicht in Deutschland zu treffen<br />

wur<strong>de</strong> entsprochen. Erst nach diversen Treffen ausserhalb Europas und<br />

in an<strong>de</strong>ren Europäischen Län<strong>de</strong>rn stand einem Meeting auf (rechtlich)<br />

Deutschem Bo<strong>de</strong>n nichts mehr im Wege.<br />

Mein Gegenüber waren stets ein Agentenpaar; ein Mann und eine Frau.<br />

Ich nannte sie das Ehepaar Schiller. Sie nannten mich eben David. Beim<br />

1. Treffen zeigte ich ihnen meine Liechtensteiner Ausweise wie Pass, ID-<br />

Karte und Führerschein. Ich erzählte ihnen über meinen jahrelangen<br />

Kampf und überliess ihnen auf eine CD gebrannte Dokumente über<br />

Argentinien, die Gerichte, die STA, mein Leben u.s.w.. Bis zum 2. Treffen<br />

wollten sie alles nachprüfen und ganz nach Deutscher Gründlichkeit,<br />

das weitere Vorgehen mit ihren Vorgesetzten besprechen. Alle Treffen<br />

wur<strong>de</strong>n immer einen Schwarm von an<strong>de</strong>ren Agenten gesichert. <strong>Die</strong>s<br />

darum, weil nun „unser‚ gemeinsamer Feind, Hans-Adam und seine<br />

Puppenregierung, eine nicht zu unterschätzen<strong>de</strong> Gefahr darstellte.<br />

<strong>Der</strong> BND und ich verstan<strong>de</strong>n sich auf Anhieb sehr gut. Offenheit war<br />

und ist hier <strong>de</strong>r Grundpfeiler für eine optimale Zusammenarbeit. Für<br />

mich war es nicht immer einfach, da ich auf mich alleine gestellt war und<br />

die An<strong>de</strong>ren am Tisch eine legitime, staatliche Macht darstellten, <strong>de</strong>ssen<br />

Differenz zu „meiner‚ nicht grösser sein konnte. Was für <strong>de</strong>n BND<br />

ausschlaggebend war, war die Tatsache, dass ich ein Liechtensteiner bin,<br />

bei <strong>de</strong>r LGT gearbeitet hatte und immenses Insi<strong>de</strong>rwissen hatte. <strong>Der</strong><br />

BND prüfte meine Kenntnisse – soweit sie es selber testen konnten -<br />

605


über allgemeine und spezifische Banken- und Treuhandgeschäfte<br />

intensive.<br />

<strong>Der</strong> BND sie<strong>de</strong>lte meine Motivation im Bereich Rache an!<br />

Natürlich war es mir bewusst, dass die Agenten <strong>de</strong>s BND -<br />

berufsbedingt - nicht alle meiner vielen Fragen beantworten konnten.<br />

<strong>Die</strong> vielen monatelangen, manchmal komplizierten, oft heiteren<br />

Verhandlungen wur<strong>de</strong>n stets hochprofessionell von Seiten <strong>de</strong>s BND<br />

abgehalten. <strong>Die</strong> Art und Weise wie mach sich jeweils getroffen hatte,<br />

wür<strong>de</strong> auch bei Drehbuchautoren für Agententhriller ihre Ovation<br />

fin<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Der</strong> intensive Informationsaustausch, bzw. -abgleich zwischen <strong>de</strong>m BND<br />

und mir brachte einiges an Überraschungen zum Vorschein. Im<br />

positivem Sinne natürlich. Ich konnte zum Beispiel <strong>de</strong>m BND, auch<br />

anhand <strong>de</strong>r realen Kun<strong>de</strong>ndossiers, mehrere Tricks <strong>de</strong>r Liechtensteiner<br />

aufzeigen, die sie noch nicht kannten.<br />

Am wichtigsten für <strong>de</strong>n BND war aber die unerschöpfliche Sammlung<br />

von <strong>de</strong>n geheimen Treuhand- und Bankakten sowie die Firmeninternen<br />

Unterlagen. Dokumente, die <strong>de</strong>n neusten Stand <strong>de</strong>r Strukturen für<br />

Geschäfte mit <strong>de</strong>r Organisierten Kriminalität aufzeigten.<br />

O<strong>de</strong>r dann jene Belege aus einer grossen Anzahl von Mandate, die<br />

konkrete Finanz- und an<strong>de</strong>re Verbrechen stichhaltig dokumentieren<br />

konnten.<br />

Niemand vom BND musste sich gross anstrengen, um mit blossem Auge<br />

erkennen zu können, was praktisch alle Mandate gemeinsam hatten:<br />

<strong>Die</strong> Steuerhinterziehung.<br />

Egal ob das Vermögen nun legal o<strong>de</strong>r illegal erworben wur<strong>de</strong>n. Steuern<br />

wollte keiner <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n zahlen. Auch musste niemand einen<br />

Aka<strong>de</strong>mischen Titel in Mathematik haben, um grob die Summe <strong>de</strong>r<br />

entgangenen Steuereinnahmen auszurechnen. Dabei spielte es wahrlich<br />

keine Rolle, wenn man sich bei dieser Summe um plus/minus ein paar<br />

hun<strong>de</strong>rt Millionen Euros verrechnen wür<strong>de</strong>. Das Endresultat war immer<br />

eine gigantische Summe.<br />

Ein Nebeneffekt einer solchen oberflächlichen Hochrechnung führte<br />

dann zwangsläufig zu meiner Frage, ob im Prinzip die Steuerbehör<strong>de</strong>n<br />

Interesse an diesen <strong>Daten</strong> hätten. <strong>Die</strong>s mag als eine dumme Frage<br />

erscheinen. Aber ich wusste ja auch, dass die <strong>Daten</strong>, na sagen wir mal,<br />

"unfreiwillig" die Treuhand verlassen hatten. <strong>Die</strong> Grundsatzfrage war,<br />

ob <strong>de</strong>r Rechtsstaat Deutschland solche <strong>Daten</strong> in Steuerfragen verwen<strong>de</strong>n<br />

606


könnte, verwen<strong>de</strong>n dürfte. <strong>Die</strong>se Frage wollte und konnte <strong>de</strong>r BND nicht<br />

beantworten. Steuerangelegenheiten Deutscher Bürger liegen nicht im<br />

Aufgabenbereich <strong>de</strong>s BND.<br />

In Bezug auf die Verwendbarkeit <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> durch die Steuerbehör<strong>de</strong>n<br />

konnte <strong>de</strong>r BND also nichts dazu sagen. Dass <strong>de</strong>r BND die <strong>Daten</strong> für<br />

ihren Kampf auswerten konnte und eine allfällige an<strong>de</strong>re Behör<strong>de</strong> nicht,<br />

leuchtete mir nicht ganz ein. Ich vertrat <strong>de</strong>n Standpunkt, dass je<strong>de</strong><br />

an<strong>de</strong>re Deutsche Behör<strong>de</strong> in die <strong>Daten</strong> rechtlich auch auswerten dürften.<br />

Ein Jurist war ich selber ja nicht, aber um meine Meinung zu<br />

untermauern, brachte ich folgen<strong>de</strong>s Beispiel vor: Mann A erschiesst<br />

Mann B mit einer Pistole. Mann A versteckt die Mordwaffe im Haus<br />

vom Frau C. Später wird die Tatwaffe von einem Mann D aus <strong>de</strong>m Haus<br />

von Frau C gestohlen. Mann D erfährt, dass die Waffe von Mann A beim<br />

Mord an Mann B verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Deswegen bringt Mann D die Waffe<br />

zur Polizei und teilt auch mit, dass er diese gestohlen hatte. Kann jetzt<br />

die Polizei die Tatwaffe nicht als Beweisstück im Gerichtsprozess gegen<br />

Mann A verwen<strong>de</strong>n, nur weil sie von Mann D gestohlen wur<strong>de</strong>? Sicher<br />

nicht. OK, eine Mordwaffe ist keine Steuersache, und das ganze Thema<br />

Steuern ist in Deutschland eine äusserst komplizierte Materie.<br />

In Bezug auf <strong>de</strong>n Begriff "Hehlerware" hatte ich auch eine gute<br />

Randbemerkung abgegeben. Jene von Deutschland benutzten<br />

<strong>Daten</strong>sätze können gar keine Hehlerware sein. Alle <strong>Daten</strong>träger (CDs,<br />

DVDs o<strong>de</strong>r externe Harddisk), auf die ich die <strong>Daten</strong> zuerst kopiert und<br />

dann Deutschland mehrfach übergeben hatte, hatte ich selber in einem<br />

La<strong>de</strong>n gekauft. Das Gleiche gilt für alle an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>r die von mir<br />

persönlich elektronische <strong>Daten</strong>träger mit <strong>de</strong>n gespeicherten <strong>Daten</strong><br />

erhalten hatten.<br />

Es wäre nur dann Hehlerware gewesen, wenn ich das ursprüngliche<br />

Original DLT-BackUp-Tape <strong>de</strong>r LGT irgendjeman<strong>de</strong>n übergeben hätte.<br />

Da dies nicht <strong>de</strong>r Fall war (man erinnere sich, ich hatte das DLT-Tape<br />

auf Wunsch <strong>de</strong>r LGT in Amsterdam vernichtet), können die "<strong>Daten</strong>"<br />

nicht als Hehlerware gelten. Meiner Meinung nach sind die <strong>Daten</strong> nicht<br />

einmal das geistige Eigentum <strong>de</strong>r LGT! Wie ich mich gut erinnere (siehe<br />

auch Kapitel 5), hat mir <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>nberater Peter Meier, ein alter Fuchs<br />

im Treuhandbusiness in Vaduz, einmal gesagt, dass die Dokumente<br />

(wenn auch nicht alle in einem Kun<strong>de</strong>ndossiers) rechtlich <strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n<br />

gehören. <strong>Die</strong> LGT Treuhand die Unterlagen nur für die Kun<strong>de</strong>n<br />

aufbewahrt.<br />

607


Vor <strong>de</strong>r Kontaktaufnahme mit <strong>de</strong>m BND hatte ich nur kurz einmal auf<br />

eigene Faust versucht, im Dschungel <strong>de</strong>r Deutschen Steuerverwaltungen<br />

eine richtige und kompetente Ansprechperson zu fin<strong>de</strong>n. Mann oh Mann<br />

- je tiefer ich mich in diesen Urwald vorkämpfte, <strong>de</strong>sto dunkler wur<strong>de</strong> es<br />

um mich herum. Lei<strong>de</strong>r gab es in Deutschland, resultierend aus <strong>de</strong>m<br />

hauptsächlich von <strong>de</strong>n Amerikanern ausformulierten neuen<br />

Grundgesetz nach <strong>de</strong>m 2. Weltkrieg, kein Zentralbüro <strong>de</strong>r<br />

Steuerfahndung. Damals war fast die ganze Machtbalance in<br />

Deutschland von <strong>de</strong>r Siegermacht auf Län<strong>de</strong>rebene zurückgestutzt<br />

wor<strong>de</strong>n.<br />

Hätte ich nicht schon eine Beziehung mit <strong>de</strong>m BND gehabt, dann hätte<br />

ich am En<strong>de</strong> einfach gleichzeitig <strong>de</strong>m Finanzminister Steinbrück und <strong>de</strong>r<br />

Kanzlerin Merkel einen Brief geschrieben und abgewartet, was<br />

geschehen wür<strong>de</strong>. Ich hatte damit bei an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn immer Erfolg.<br />

Da ich aber schon eng mit <strong>de</strong>m BND verban<strong>de</strong>lt war, hatte ich nochmals<br />

dort nachgefragt, ob man mir eine Ansprechperson aus <strong>de</strong>m Dickicht <strong>de</strong>r<br />

Deutschen Steuer-Bürokratie nennen könnte. Sie konnten. Ein wichtiger<br />

Grund für die Vermittlungsrolle <strong>de</strong>s BND war unter an<strong>de</strong>rem <strong>de</strong>ren<br />

eigene Beurteilung <strong>de</strong>r Situation und <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong>.<br />

Weil die <strong>Daten</strong> so explosives Material waren und daher je<strong>de</strong>s Treffen<br />

zwischen mir und <strong>de</strong>n Staatsbeamten <strong>de</strong>r Steuerfahndung ein hohes<br />

Risiko für alle Beteiligten be<strong>de</strong>uten wür<strong>de</strong>, organisierte <strong>de</strong>r BND das<br />

Rahmenprogramm, um die Sicherheit aller zu Gewährleisten.<br />

Wer will <strong>de</strong>swegen <strong>de</strong>m BND nun etwas vorwerfen?<br />

Apropos BKA, Wiesba<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n Medien wur<strong>de</strong> gemel<strong>de</strong>t, dass die<br />

Deutschen Behör<strong>de</strong>n, die sich um das Thema "David" kümmern,<br />

ursprünglich das BKA zur Übernahme seiner Betreuung ersucht hätten<br />

und das BKA aber dankend abgelehnt hätte. Ob <strong>de</strong>m so war <strong>de</strong>r nicht,<br />

darüber kann ich lei<strong>de</strong>r nichts kommentieren; Tatsache ist aber, dass das<br />

BKA nur dann sich um eine Person "kümmern" kann, wenn diese aktuell<br />

in einem Verfahren (z.B. als Zeuge) in Deutschland involviert ist. <strong>Die</strong>s<br />

kann je<strong>de</strong>r im entsprechen<strong>de</strong>n (BKA-) Gesetz nachlesen. Da ich in<br />

keinem Gerichtsfall, we<strong>de</strong>r in Deutschland o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rswo wo involviert<br />

war, wür<strong>de</strong> sich eine solche Frage (seiner Übernahme durch das BKA)<br />

rein theoretisch schon von vorne herein erübrigen.<br />

608


<strong>Die</strong> BND-Agenten hatten sich aus <strong>de</strong>n Meetings zwischen mir und <strong>de</strong>r<br />

Steuerfahndung strikt raus gehalten. <strong>Die</strong> abgeschotteten Treffen mit <strong>de</strong>n<br />

Spezialisten <strong>de</strong>r Steuerfahndung waren offen und cool. Natürlich war da<br />

am Anfang ein wenig Skepsis. <strong>Die</strong> Story über 1400 Stiftungen etc.<br />

erschien zu Gut um Wahr zu sein. Man wollte sicherstellen, dass am<br />

En<strong>de</strong> die <strong>Daten</strong> sich nicht als "Hitlers Schwarzgeldbücher" entpuppen.<br />

Da ich <strong>de</strong>n wahren und echten Ursprung <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> kannte, hatte ich<br />

solche Re<strong>de</strong>nsarten eher belustigen gefun<strong>de</strong>n.<br />

Zuerst wur<strong>de</strong>n die allgemeinen Kenntnisse auf Vor<strong>de</strong>rmann gebracht.<br />

Ich war perplex, wie gut sie sich vorbereitet hatten. Ich war auch<br />

verblüfft über <strong>de</strong>ren dicke, akkurate Akte über Liechtenstein, die LGT<br />

Gruppe und <strong>de</strong>ssen Besitzer, die sie schon vor <strong>de</strong>m 1. Treffen angelegt<br />

hatten. <strong>Die</strong>s alles zum Gegensatz <strong>de</strong>r in Liechtenstein vorherrschen<strong>de</strong>n<br />

und kultivierten Meinung, dass alle Steuerfahn<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r ganzen Welt<br />

Vollidioten wären. <strong>Die</strong> von mir für sie für die erste grosse Sitzung<br />

angefertigte Mappe war zwar etwas dicker und präziser, aber meine<br />

Quelle war ja die Urquelle - "Alles aus Erster Hand". Innerhalb kurzer<br />

Zeit konnten die Experten rechtlich abklären lassen, dass sie meine<br />

<strong>Daten</strong> in <strong>de</strong>r Tat verwen<strong>de</strong>n können. Sie hatten auch nach <strong>de</strong>n ersten 2<br />

Treffen schon feststellen können, dass ich mich nicht nur stark mit <strong>de</strong>n<br />

Stiftungen etc. auseinan<strong>de</strong>rgesetzt hatte, son<strong>de</strong>rn auch mit <strong>de</strong>n<br />

Wirtschaftlich Berechtigten (WB) hinter je<strong>de</strong>m Deutschland-Mandat.<br />

Sie baten mich um eine CD mit ca. 10 % aller Mandate aus Deutschland.<br />

Das einzige Auswahlkriterium das mir vorgegeben wur<strong>de</strong>, war eine<br />

Liste mit Postleitzahlnummern, in <strong>de</strong>nen alle WB ihren Wohnsitz haben<br />

mussten. Ich wählte die genau 150 (etwas mehr als 10 %) Stiftungen so<br />

aus, dass sie einen guten Querschnitt durch die Deutsche Reiche-Leute-<br />

Gesellschaft repräsentierten: Alte und Junge, Frauen und Männer,<br />

Aka<strong>de</strong>miker und Handwerker, Erben und Selfma<strong>de</strong>typen.<br />

<strong>Die</strong> CD wur<strong>de</strong> unter strengen Sicherheitsvorkehrungen überreicht. <strong>Die</strong><br />

<strong>Daten</strong> wur<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Prüfungen unterzogen. Man kann sich fast<br />

nicht vorstellen, wie hocherfreut sie über die unschlagbare Qualität und<br />

Quantität <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> waren. Es war für sie wie ein Sechser im Lotto,<br />

einen Hauptgewinn im Eurolotto, Weihnachten, Ostern, Mutter- und<br />

Vatertag zugleich! Basierend auf die Steuerprüfung dieser 10 % kam eine<br />

konservative Kalkulation auf Einnahmen (incl. Strafsteuer und Bussen)<br />

von rund 50 Million Euros.<br />

609


<strong>Die</strong> konservative Hochrechnung auf alle Mandate ergab 500 Million<br />

Euro; eine Halbe Milliar<strong>de</strong> Euro. Eine hübsche Summe. Wie je<strong>de</strong>r etwas<br />

logisch <strong>de</strong>nken<strong>de</strong> Mensch nachvollziehen kann, war die I<strong>de</strong>e, <strong>de</strong>m<br />

Informanten etwas davon zu geben, nicht daneben. Wenn Deutschland,<br />

wo so viele Städte und Kommunen gähnend leere Kassen haben, auf<br />

Grund eines Einzelkämpfers zu min<strong>de</strong>stens einer Halben Milliar<strong>de</strong> Euro<br />

Einnahmen kommen kann, dann könnte man schon etwas "Kleingeld",<br />

ein paar Prozente <strong>de</strong>r Hochrechnung springen lassen. Nicht vergessen,<br />

es wären Einnahmen, die <strong>de</strong>m Staat rechtlich (schon lange) zustehen<br />

wür<strong>de</strong>n, aber ohne die <strong>Daten</strong> nicht Einkassierbar waren. Nicht das ich<br />

mich für die Annahme <strong>de</strong>r Millionenbelohnung (wie viele waren es noch<br />

mal genau?!) schämen wür<strong>de</strong>; die allermeisten Deutschen gönnen mir<br />

dies sicher. Zugegeben, es war für alle Beteiligten eine<br />

Hei<strong>de</strong>nüberraschung, als sich das amtliche Deutschland – incl.<br />

Finanzminister Steinbrück und Kanzlerin Merkel - dann zu einer<br />

offiziellen Zahlung bereit erklärte.<br />

Wie<strong>de</strong>r einmal war ein Quäntchen Glück mit dabei. Eine <strong>de</strong>r Prüfungen<br />

<strong>de</strong>r oben genannten 10 Prozent erbrachte auch <strong>de</strong>n ultimativen Beweis<br />

dafür, was man im Berliner Finanzministerium schon lange vermutete:<br />

Hans Eichels Steuer-Amnestie aus <strong>de</strong>m Jahre 2004 (und 2005) ging voll in<br />

die Hose. Von <strong>de</strong>n 150 hatten nur ganze zwei Stiftungen die Steuer-<br />

Amnestie zu Anlass genommen, sich mit Eichel zu versöhnen. Magere<br />

1,33 Prozent. Zugegeben, die Deutsche Steuer-Amnestie war nicht<br />

gera<strong>de</strong> sexy im Vergleich zu <strong>de</strong>r ungefähr gleichzeitig laufen<strong>de</strong>n<br />

Belgischen o<strong>de</strong>r Italienischen.<br />

Hans Eichel wollte 25 Prozent bis zum 31.12.'04 und dann 35 Prozent bis<br />

31.03.'05. Ganz klar zu viel für die Millionäre. Trotz<strong>de</strong>m stellte Hans<br />

Eichel täglich neue bunte leere Sparschweine auf seinem Bürotisch auf<br />

und schrie bis zur Heiserkeit: Steuer-Amnestie! Steuer-Amnestie!<br />

Offenbar waren seine Worte nicht ganz klar verständlich, <strong>de</strong>nn Klaus<br />

Zumwinkel & Co. verstan<strong>de</strong>n nur Steuer-Amnesie! Steuer-Amnesie!<br />

Einerseits hatte Deutschland also das Fiasko um die Steuer-Amnestie<br />

und an<strong>de</strong>rerseits tauchte da meine Wenigkeit auf und bot <strong>de</strong>n Deutschen<br />

Behör<strong>de</strong>n die einmalige Gelegenheit an, ein paar tausen<strong>de</strong> Mitbürgern<br />

von <strong>de</strong>r schlimmen Krankheit zu befreien. Es ist durchaus vorstellbar,<br />

dass die Kombination zwischen <strong>de</strong>m grassieren<strong>de</strong>n Steuer-Amnesievirus<br />

610


in Deutschland und <strong>de</strong>m offeriertem, starken Impfserum aus Vaduz in<br />

<strong>de</strong>n Köpfen <strong>de</strong>r Ministerien <strong>de</strong>n treiben<strong>de</strong>n Ruck auslöste, um <strong>de</strong>m<br />

<strong>Daten</strong>überbringen eine Belohnung zu ermöglichen.<br />

<strong>Die</strong> nun massiv spru<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Einnahmen für Deutschland sind nur ein<br />

Aspekt, wichtiger war mir die einmalige Chance ein paar tausend<br />

Rechtsbrüche in Sachen Steuer-NICHT-Zahlung auszumerzen und das<br />

Deutschland als Gemeinschaft Gerechtigkeit erfährt. Zu<strong>de</strong>m können, wie<br />

es sich gegenwärtig zeigt, diverse Verbrechen aufgeklärt wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong>s<br />

darum, weil viele Kun<strong>de</strong>n gegenüber <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n (in Deutschland und<br />

an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn) in einen Erklärungsnotstand geraten, weil sie jetzt<br />

nicht beweisen können, wie sie angeblich rechtmässig an die in<br />

Liechtenstein gebunkerten hohen Bankmillionen gekommen sind.<br />

Dank <strong>de</strong>m Gastgeber BND hatte ich kreuz und quer durch Deutschland<br />

reisen können. An die Bayrischen Gastfreundschaft, die Hessische Ruhe,<br />

die schwäbischen Hügellandschaften, das blumenreiche Meinau, die<br />

reizvolle Potsdamer Vergangenheit, die eigenartige DDR Architektur,<br />

das vielfältige Berliner Hauptstadtflair, und vor allem an die Seenplatte<br />

rund um die Hauptstadt erinnert ich mich sehr gerne.<br />

Rückblickend hatte es mich nicht gross verwun<strong>de</strong>rt, als nach <strong>de</strong>n<br />

Sensationsmeldungen im Februar letzten Jahres einige Details von seiner<br />

Beziehung mit <strong>de</strong>n Deutschen grösstenteils fehlerhaft in die Medien<br />

gelangt waren. Zu Beginn einmal bedurfte es ausseror<strong>de</strong>ntliches<br />

Verhandlungsgeschick von allen Seiten, weil es wirklich ein extrem<br />

kompliziertes Thema war. Eine noch nie da gewesene Situation für alle<br />

Beteiligten, dies aus rechtlicher sowie aus menschlicher Sicht.<br />

Je<strong>de</strong>r Deutsche Staatsbürger, <strong>de</strong>r einmal mit einer Behör<strong>de</strong> zu tun hatte<br />

(dies wären also praktisch je<strong>de</strong> erwachsene Person) kann bestätigen, dass<br />

schon ein normales Anliegen oft die Nerven aller übermässig<br />

strapazieren kann. Auf Grund <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Umstaen<strong>de</strong> waren am<br />

En<strong>de</strong> auch mehr Personen als noetig in die Angelegenheit involviert.<br />

Natürlich fin<strong>de</strong> ich es scha<strong>de</strong>, dass in Deutschland nicht alle Mitwisser<br />

dicht halten konnten.<br />

Und das auch viele Unwahrheiten über mich in einzelnen Medien<br />

verbreitet wur<strong>de</strong>n, die dann von An<strong>de</strong>ren ungeprüft übernommen und<br />

611


multipliziert wur<strong>de</strong>n. Na ja, das Leben ist kein Ponyhof. Aber dies ist<br />

alles eine kleine Schmach, die ich ertragen kann.<br />

Da habe ich schon viel Schlimmeres durch gemacht. Für mich ist dies<br />

alles im Vergleich zu <strong>de</strong>r Folter in Argentinien praktisch unbe<strong>de</strong>utend.<br />

Ich <strong>de</strong>nke einfach an die Millionen von ehrlichen Steuerzahlern in<br />

Deutschland, die mir sicher wohlgesinnt sind.<br />

An dieser Stelle ein dickes Dankeschön für die offene und stumme<br />

Unterstützung.<br />

Lange soll es leben, das glückliche Deutschland!<br />

612


KAPITEL 32 MY Big Brother is watching YOU !<br />

Während Hans-Adam und die hohen Finanz-Herren in Vaduz nach <strong>de</strong>m<br />

schicksalhaften Valentinstag 2008 fieberhaft nach <strong>de</strong>m Verbleib <strong>de</strong>r<br />

Liechtensteiner Büchse <strong>de</strong>r Pandora suchten und teilweise erfolgreich ihr<br />

verlogenes Puppentheater über <strong>de</strong>n angeblichen Dämonen Heinrich<br />

Kieber aufführten, war ich schon ein paar Punktnummern weiter in<br />

meinem Plan.<br />

Völlig sprachlos und geschockt waren die aus Liechtenstein. Dann als sie<br />

erfuhren, dass <strong>de</strong>r sehr machtvolle permanente Untersuchungsausschuss<br />

<strong>de</strong>s US-Senates, <strong>de</strong>r seit Monaten im Hintergrund eine Untersuchung<br />

über die schmutzigen Geschäfte <strong>de</strong>r LGT und sonstigen Machenschaften<br />

auf <strong>de</strong>m Finanzplatz Liechtensteins durchführte, eine öffentliche<br />

Anhörung (Hearing) für Juli 2008 in Washington, D.C. angesetzt hatte.<br />

<strong>Die</strong> kompetente Ermittlungsgruppe <strong>de</strong>s Senats wird vom äusserst<br />

scharfsinnigen Chefermittler Mr. R. Roach geleitet und von Senator Carl<br />

LEVIN (Demokrat) und Senator Norm Colemann (Republikaner)<br />

präsidiert.<br />

In <strong>de</strong>n Monaten vor <strong>de</strong>r Anhörung am 17. Juli 2008 hatte <strong>de</strong>r Ausschuss<br />

die über 12'000 Seiten LGT <strong>Daten</strong> (US-Mandate und Internes), die ich <strong>de</strong>r<br />

US Regierung direkt übergeben hatte, analysiert und geprüft. Dabei<br />

kamen sie zum Schluss, dass die LGT unter an<strong>de</strong>rem in Geschäfte<br />

verwickelt war und ist, <strong>de</strong>nen schwerwiegen<strong>de</strong>n Verbrechen zugrun<strong>de</strong><br />

liegen. Einige <strong>de</strong>r Fälle kann man im Report <strong>de</strong>s Ausschusses auf <strong>de</strong>r<br />

Website <strong>de</strong>s US-Senats nachlesen (siehe Internetliste am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Buchs).<br />

<strong>Der</strong> Zufall wollte es, dass die Schweizer UBS auch in diese Hearing<br />

miteinbezogen wur<strong>de</strong>, da es <strong>de</strong>n US-Ermittlern im Frühjahr 2008 gelang,<br />

einen in <strong>de</strong>n USA angeklagten Mitarbeiter <strong>de</strong>r UBS, Hrn. Bradley<br />

Birkenfeld zur Kooperation „zu überre<strong>de</strong>n‚ und <strong>de</strong>r Ausschuss sogar<br />

<strong>de</strong>n Chef <strong>de</strong>r Internationalen Privatbankabteilung <strong>de</strong>r UBS, Hrn. Martin<br />

Liechti vorla<strong>de</strong>n konnte. <strong>Die</strong>ser konnte die USA im April 2008 aufgrund<br />

einer richterlichen Anordnung nicht mehr verlassen. <strong>Der</strong> Finanzchef <strong>de</strong>s<br />

Bereichs Global Wealth Management & Business Banking (<strong>de</strong>r UBS), Hr.<br />

Mark Branson wur<strong>de</strong> auch vorgela<strong>de</strong>n und erschien auch.<br />

613


Bei<strong>de</strong> Manager durften natürlich nach <strong>de</strong>m Hearing wie<strong>de</strong>r nach Hause<br />

reisen. Hr. Birkenfeld wartet auf sein Strafurteil in <strong>de</strong>n USA. In <strong>de</strong>n<br />

letzten Wochen vor <strong>de</strong>r öffentlichen Anhörung wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r LGT und <strong>de</strong>r<br />

Regierung von Liechtenstein die Gelegenheit gegeben, zu <strong>de</strong>n<br />

schwerwiegen<strong>de</strong>n Vorwürfen (seitens <strong>de</strong>s US-Senats!) Stellung zu<br />

nehmen.<br />

<strong>Die</strong> LGT schickte zwar einen Mann über <strong>de</strong>n Atlantik in die USA, dieser<br />

hatte aber von Hans-Adam einen Maulkorb umgelegt bekommen und<br />

konnte im En<strong>de</strong>ffekt nur sagen, dass er nichts dazu sagen konnte. Man<br />

kann sich vorstellen, wie gut dies vom US-Senat aufgenommen wur<strong>de</strong>.<br />

Wir sind uns sicher, dass diese Person nur hergeschickt wor<strong>de</strong>n war, um<br />

herauszufin<strong>de</strong>n, wie viel <strong>de</strong>r Senat von <strong>de</strong>n schmutzigen Geschäften<br />

herausgefun<strong>de</strong>n hatte und was sie über mich wussten. Im Gegensatz zu<br />

mir war <strong>de</strong>r Senatsausschuss dann auch noch sehr erstaunt darüber, dass<br />

we<strong>de</strong>r die LGT noch die Regierung Liechtensteins einen Vertreter zum<br />

eigentlichen Hearing schicken wollten. <strong>Die</strong>s obwohl diese Art von<br />

Hearing keine Gerichtsverhandlung war. Ganz im Gegenteil, <strong>de</strong>r US-<br />

Senat gab allen Beteiligten die Möglichkeit, sich zur Sache zu äussern,<br />

ohne dass am En<strong>de</strong> ein „Urteil‚ gesprochen wür<strong>de</strong>.<br />

Auf die Einladung seitens <strong>de</strong>s US Senats, einen Vertreter <strong>de</strong>r LGT<br />

und/o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Liechtensteiner Regierung zur Anhörung nach Washington<br />

zu sen<strong>de</strong>n, verzichteten bei<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r faulen Ausre<strong>de</strong>, dass<br />

Liechtensteinische Gesetzte es ihnen verbieten wür<strong>de</strong>, überhaupt etwas<br />

zu sagen. <strong>Die</strong> von Vaduz hastig und sehr teuer angeheuerten<br />

„Beobachter" konnte man aber sofort im Saal i<strong>de</strong>ntifizieren.<br />

Aus verschie<strong>de</strong>nen Grün<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> die Ankündigung meiner<br />

Zeugenaussage auf <strong>de</strong>r Website <strong>de</strong>s US Senats vor <strong>de</strong>m Termin nicht<br />

publiziert, im Gegensatz wie es üblicherweise gemacht wur<strong>de</strong>. Aus<br />

Sicherheitsgrün<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> meine Aussage in einem an<strong>de</strong>ren Raum mit<br />

einer Kamera aufgezeichnet und im Hearing abgespielt.<br />

Ich kann mir bildlich ultrascharf vorstellen, wie dann Mitte Juli<br />

vermutlich je<strong>de</strong>r Apotheke in Liechtenstein die Herzinfarkt-<br />

Medikamente ausgegangen waren. Paketweise scheussliche Pillen gegen<br />

eine noch bittere Pille. Es muss für Hans-Adam & Co. schlimmer<br />

gewesen sein, als ich es beschreiben kann.<br />

614


Das Gerücht <strong>de</strong>s Schreckens: Heinrich Kieber ist in Washington D.C. und<br />

hat mit <strong>de</strong>n Amis gere<strong>de</strong>t. Ihr Heinrich Kieber, nach <strong>de</strong>m sie mit<br />

internationalem Haftbefehl staatlich und privat suchen liessen.<br />

Unmöglich sagten sie. Unmöglich. Unmöglich.<br />

Meine Zeugenaussage war einer <strong>de</strong>r ganz, ganz wenigen Momente in<br />

meinen letzten zehn Jahren, in <strong>de</strong>m ich äusserste Genugtuung<br />

empfun<strong>de</strong>n hatte.<br />

Das Nichterscheinen <strong>de</strong>r LGT o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Liechtensteiner Regierung gefiel<br />

bei<strong>de</strong>n Senatoren überhaupt nicht. Wir wissen aber, dass eine auf Hans-<br />

Adams Anordnung gesandte Person im Publikumsbereich emsig<br />

zuhörte und Silbe um Silbe „nach Hause‚ protokollierte. Ganz klar war<br />

es <strong>de</strong>r LGT und Liechtenstein „zu heiss‚ etwas vor <strong>de</strong>m Ausschuss zu<br />

sagen. <strong>Der</strong> Grund dafür war auch schnell gefun<strong>de</strong>n: Je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r etwas<br />

Aussagen wollte o<strong>de</strong>r musste, musste dies unter Eid tun. Wer im<br />

Hearing lügt, muss mit scharfen strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.<br />

<strong>Die</strong> LGT und die liechtensteinische Regierung waren sich <strong>de</strong>ssen<br />

natürlich voll bewusst (die teuren Rechtsanwälte hatten es ihnen<br />

rübergekabelt).<br />

Eigentlich hätten sie auch nichts sagen müssen: Es bestand immer die<br />

Möglichkeit, sowie es alle vorgela<strong>de</strong>nen Kun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r LGT gemacht<br />

hatten, sich auf das in <strong>de</strong>n USA in <strong>de</strong>r Verfassung verankerte Recht,<br />

„NICHT gegen sich selber aussagen zu müssen‚, zu berufen. Selbst das<br />

war <strong>de</strong>r LGT o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Regierung noch zu heikel.<br />

<strong>Die</strong> UBS AG hatte sich offenbar rechtlich komplett beraten lassen. <strong>Die</strong><br />

grosse UBS hatte das einzig Richtige gemacht, das man unter diesem<br />

Umstän<strong>de</strong>n machen konnte: Sie entschuldigte sich öffentlich bei <strong>de</strong>n<br />

USA und gelobte Besserung.<br />

Aber NEIN, die LGT und Liechtenstein doch nicht! Warum sollten die<br />

sich entschuldigen o<strong>de</strong>r gar Besserung versprechen?<br />

„Wer? Wir? Wir haben doch nichts verbrochen!‚<br />

Klassisch hingegen war die Reaktion von Hans-Adam und seiner<br />

Regierung nach <strong>de</strong>m Hearing. Immer mit <strong>de</strong>m Dogma, "wir sind die<br />

Weltklügsten", hatten sie aus Europa Pressemitteilungen losgeschickt,<br />

615


worin sie zuerst einmal meine Unbefangenheit in Sachen korrekter<br />

Interpretation <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> stark angezweifelt hatten.<br />

Darüber mussten alle in Washington sehr lachen. Ohne Zweifel kann ich<br />

als Person in <strong>de</strong>r Beziehung zwischen Hans-Adam und mir nicht neutral<br />

sein. Aber es ist allen klar, dass ich nichts mit <strong>de</strong>n schmutzigen<br />

Geschäften <strong>de</strong>r LGT zu tun hatte. Ich kann für <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> nicht<br />

verantwortlich gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

Zu<strong>de</strong>m ist meine eigene Interpretation <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> für eine Beweisführung<br />

gar nicht notwendig. <strong>Die</strong> <strong>Daten</strong> sprechen für sich. Gleichzeitig teilten<br />

Hans-Adam und seine LGT auch mit, dass, sollte sich in <strong>de</strong>r Tat<br />

irgen<strong>de</strong>ine <strong>de</strong>r kriminellen Handlungen, die im Hearing vorgetragen<br />

wur<strong>de</strong>n, zugetragen haben, sei dies alles angeblich in <strong>de</strong>n frühen 90er,<br />

80er o<strong>de</strong>r sogar in <strong>de</strong>n 70er Jahren passiert. Jetzt wür<strong>de</strong> man nur saubere<br />

Geschäfte machen.<br />

Was für ein Witz! Ich hatte bis knapp En<strong>de</strong> 2002 dort gearbeitet. Alle <strong>de</strong>r<br />

gezeigten Fälle waren zu <strong>de</strong>r Zeit aktive Mandate. Mit ihrer ganzen<br />

Reaktion hatten sie sich absolut keinen Gefallen getan. Auch ohne meine<br />

eigene Analyse ihres Verhaltens nach <strong>de</strong>m Hearing, hatte <strong>de</strong>r US-Senat<br />

ohne Mühe erkennen können, dass Hans-Adam nur die billigste und<br />

dümmste Antwort auf das Hearing produziert hatte. Etwas an<strong>de</strong>res<br />

hatte man in Washington auch nicht erwartet.<br />

Liechtenstein wusste ja im Voraus über die im Hearing aufgezeigten<br />

LGT-Fälle und die damit automatisch aufkommen<strong>de</strong>n Fragen bezüglich<br />

krimineller Handlungen seitens <strong>de</strong>r LGT und <strong>de</strong>n betroffenen Kun<strong>de</strong>n.<br />

Wür<strong>de</strong>n die <strong>de</strong>swegen vorgebrachten schweren Vorwürfe nicht <strong>de</strong>r<br />

Wahrheit entsprechen, dann hätte Hans-Adam o<strong>de</strong>r seine Regierung<br />

ihren Kommentar im Hearing abgegeben. Dafür müssten sie nicht einmal<br />

selber im Saal auftreten. Sie hätten sich durch eine Rechtsanwaltskanzlei<br />

vertreten lassen können. <strong>Die</strong> im Hearing aufgezeigten Fälle kann man<br />

auf <strong>de</strong>r Webseite <strong>de</strong>s US-Senats im Detail nachlesen (siehe Internetliste<br />

am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Buchs).<br />

Ich wer<strong>de</strong> <strong>de</strong>n zwei US-Senatoren und <strong>de</strong>m Ausschuss auch ewig dafür<br />

dankbar sein, dass sie sich, als eine <strong>de</strong>r höchsten staatlichen<br />

Repräsentanten in <strong>de</strong>n USA, in diesem Zusammenhang öffentlich<br />

während <strong>de</strong>s Hearing einem an<strong>de</strong>ren Thema mehr als einmal gewidmet<br />

haben.<br />

616


Sauer ist ihnen aufgestossen, dass Hans Adam als Besitzer <strong>de</strong>r LGT und<br />

insbeson<strong>de</strong>re als absolutistisch herrschen<strong>de</strong>r Staatsoberhaupt die<br />

Impertinenz hatte, einen nationalen und international Haftbefehl gegen<br />

mich ausstellen zu lassen und seinen Staatsapparat dazu zwingt, aktiv<br />

nach mir zu suchen. <strong>Die</strong>s wäre eine typische Reaktion, die man nur von<br />

Län<strong>de</strong>rn her kennt, die von Tyrannen reagiert wer<strong>de</strong>n. Anstatt ihren<br />

eigenen Saustall aufzuräumen, blasen sie zur Jagd gegen mich.<br />

Kommentierte <strong>de</strong>r Senator.<br />

Massiv verärgert war <strong>de</strong>r Senatsvorsitz auch darüber, dass Hans Adam<br />

offenbar die Haftbefehle „nicht reichten‚ und er – natürlich nicht direkt -<br />

ein Kopfgeld von ca. 7 MIO. US$ via Internet auf mich ausgesetzt hatte.<br />

<strong>Der</strong> Senat konnte ermitteln, dass die Kontrolle <strong>de</strong>r Webseite, die <strong>de</strong>n<br />

Aufruf (samt Prämie) „an alle Kopfgeldjäger <strong>de</strong>r Welt" seit ca. En<strong>de</strong><br />

Februar 2008 publizierte, in Liechtenstein lag. Auf Anfrage durch die<br />

verschie<strong>de</strong>nen Medien aus Nordamerika, hatte die Regierung in Vaduz<br />

und die LGT eine Involvierung in das ausgeschriebene Kopfgeld<br />

natürlich weit von sich gewiesen.<br />

Wer? Wir? Aber bitte - wir doch nicht!<br />

Es ist ganz klar, dass das offerierte Geld und <strong>de</strong>r Auftrag ausschliesslich<br />

von Hans Adam kamen. Logischerweise machte er sich seine Hän<strong>de</strong><br />

nicht selber schmutzig und unternahm alles, um <strong>de</strong>n letzten Link<br />

zwischen ihm als Auftraggeber und <strong>de</strong>n Beauftragten forensisch<br />

lückenfrei schwer nachweisbar zu machen.<br />

Definitiv keine Überraschung war es für <strong>de</strong>n US-Senate und mich, als<br />

wir die Nachricht erhielten, dass nicht einmal 48 Stun<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>m<br />

Hearing vergangen waren, bis die Webseite urplötzlich aus <strong>de</strong>m Netz<br />

verschwand. Offenbar hatten Hans-Adam und sein Handlanger<br />

schockartig realisiert, wie <strong>de</strong>r genau Name <strong>de</strong>s betroffenen US-<br />

Senatskomitee eigentlich ist:<br />

Homeland Security & Govermental Affairs. <strong>Die</strong>se Abteilung (US-<br />

Departement of Homeland Security) – ist die Dachorganisation aller<br />

Geheimdienste in <strong>de</strong>n USA.<br />

In <strong>de</strong>n letzten Monaten hatte Hans-Adam einige seiner Beamten auf<br />

Reisen in die USA geschickt, um auf Schmusekurs mit <strong>de</strong>n Amis zu<br />

gehen. Das Produkt dieser Sitzungen war ein Abkommen, dass Mitte<br />

Dezember 2008 in Vaduz unterzeichnet wur<strong>de</strong>. <strong>Die</strong> Liechtensteiner<br />

„versprechen" <strong>de</strong>n Amis Bank- o<strong>de</strong>r Treuhandunterlagen<br />

617


weiterzureichen, sollten die Amerikaner eine offizielle, <strong>de</strong>taillierte<br />

Anfrage (auch wegen Steuerhinterziehung) nach Liechtenstein schicken.<br />

<strong>Die</strong>ses „Opfer" von Liechtenstein ist in Wahrheit gar keines, es ist für<br />

Hans-Adam eminent wichtig, dass die USA nicht weiter in seinen<br />

Geschäften schnüffeln. Zu<strong>de</strong>m, Kun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r USA sind ein ganz kleiner<br />

Kreis <strong>de</strong>r (LGT-) Kundschaft. Sollte Hans-Adam nun im falschen<br />

Glauben sein, dass mit <strong>de</strong>m Hearing und <strong>de</strong>m neuen Abkommen das<br />

Schlimmste aus <strong>de</strong>n USA vorbei ist, dann muss man ihn lei<strong>de</strong>r<br />

enttäuschen. <strong>Der</strong> neue US-Präsi<strong>de</strong>nt Barak Obama war Mitunterzeichner<br />

diverser Gesetzesvorlagen zur Bekämpfung genau jener Art von<br />

Bankgeschäften, die Hans-Adam betreibt. Man kann sicher sein, dass<br />

ihm <strong>de</strong>r Sieg von Barak Obama äusserst „ungelegen" kam. .<br />

Auch in <strong>de</strong>n USA gab es einen interessanten Nebenschauplatz. Ich bin<br />

nicht <strong>de</strong>r einzige <strong>de</strong>r die Schreibfe<strong>de</strong>r in die Hand genommen hatte.<br />

Hans-Adam hatte im letzten Jahr (2008) sein Buch praktisch fast fertig.<br />

Nein, lei<strong>de</strong>r hatte er nicht dasselbe Thema wie ich ausgewählt. Dafür<br />

müsste er sowieso das Genre wechseln: weg von Roman und Fiktion<br />

zum Tatsachenbericht.<br />

Vermutlich um sich einen Platz in <strong>de</strong>r Weltgeschichte unter <strong>de</strong>n<br />

schreiben<strong>de</strong>n Staatsmännern zu sichern, hatte er schon vor etlichen<br />

Jahren begonnen, mit Hilfe seiner zahlreichen Adjutanten ein Buch mit<br />

<strong>de</strong>m Arbeitstitel "<strong>Der</strong> Staat im 3. Jahrtausend" zu schreiben. Im letzten<br />

Jahr war die Übersetzung vom Deutschen ins Englische so weit fertig. Er<br />

wollte es anschliessend über einen amerikanischen Verlag in <strong>de</strong>n USA<br />

publizieren und eventuell später (auf Deutsch) auch in Europa<br />

erscheinen lassen.<br />

Sein Thema war über die Zukunft <strong>de</strong>r Staatengebil<strong>de</strong>. Darin wären<br />

offenbar I<strong>de</strong>en beschrieben, wie in <strong>de</strong>r fernen Zukunft Form und<br />

Aufgaben eines Staates aussehen könnten. Im Rückblick hätte er sich<br />

vielleicht besser damit beschäftigt, I<strong>de</strong>en zu entwickeln, wie er zuerst<br />

seinen eigenen Stall zu Hause aufräumen könnte. Als nämlich die<br />

Wahrheitswelle im öffentlichen Bewusstsein von Europa im Juli 2008<br />

dann auch auf die USA überschwappte, wur<strong>de</strong> es <strong>de</strong>m US-Verlag zu<br />

heiss und die Buchankündigung wur<strong>de</strong> abrupt abblasen.<br />

Hans-Adams Wunsch sich als Visionär in <strong>de</strong>n USA zu verkaufen, war<br />

gescheitert.<br />

618


<strong>Der</strong> Gegensatz zu seinem wirklichen Leben und Han<strong>de</strong>ln könnte nicht<br />

grösser sein. Ich habe schon gehört, dass er dies alles auch in meine<br />

Schuhe schiebt. Bis heute ist es um dieses Buch totenstill geblieben.<br />

Hans-Adam muss darüber aber keine Trübsal blasen, ich habe da eine<br />

I<strong>de</strong>e für ihn (siehe EPILOG).<br />

619


KAPITEL 33 Skandal! Skandal! Wirklich, <strong>de</strong>r Skandal?<br />

„Grösster Steuerskandal", schreiben die Mei<strong>de</strong>n.<br />

„<strong>Die</strong> Bank ist geknackt", sagen die Behör<strong>de</strong>n.<br />

„Das Steuerparadies ist ausgeräuchert", meint <strong>de</strong>r Otto-Normal-Bürger.<br />

Lei<strong>de</strong>r trifft das alles nicht genau zu. Aus zwei Grün<strong>de</strong>n.<br />

A)<br />

<strong>Die</strong> <strong>de</strong>utsche Staatskasse und die Allgemeinheit wird dank <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong><br />

<strong>de</strong>r LGT über die ca. 1400 Stiftungen etc., verteilt auf die nächsten paar<br />

Jahre in <strong>de</strong>n Genuss von 500 Millionen bis eine Milliar<strong>de</strong> Euro aus<br />

Steuernach- und Strafzahlungen kommen.<br />

<strong>Die</strong>s ist zwar gut, schön und gerecht, aber Peanuts im Vergleich zu <strong>de</strong>r<br />

wahren Dimension von Steuerhinterziehung <strong>de</strong>utscher Kun<strong>de</strong>n in<br />

Liechtenstein. Denn die etwas über 3,5 Milliar<strong>de</strong>n CHF, die alleine die<br />

LGT Treuhand (ohne die LGT Bank) schon im Jahre 2002/2003 für<br />

<strong>de</strong>utsche Kun<strong>de</strong>n verwaltete, sind eiskalte Tropfen auf <strong>de</strong>n brandheissen<br />

Stein.<br />

Alle Banken in Liechtenstein verwalten heute zusammen ca. 265<br />

Milliar<strong>de</strong>n CHF. Seit immer und ewig bil<strong>de</strong>n die <strong>de</strong>utschen Kun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n<br />

Hauptteil <strong>de</strong>s Treuhand- und Bankengeschäfts in Liechtenstein - um die<br />

circa 70 Prozent. Umgerechnet auf die verwalteten Bankvermögen<br />

be<strong>de</strong>utet dies, dass ca. 185,5 Milliar<strong>de</strong>n* CHF Personen aus Deutschland<br />

gehören. <strong>Die</strong> Rechnung ist einfach: Wenn die Behör<strong>de</strong>n in Deutschland<br />

alleine mit <strong>de</strong>n LGT Treuhand <strong>Daten</strong>, konservativ kalkuliert, am En<strong>de</strong><br />

rund 750 Millionen Euro einnehmen können (eine Quote von ca. 32<br />

Prozent), ergibt die realistische Schätzung, dass Deutschland noch knapp<br />

60 Milliar<strong>de</strong>n CHF an Nach- und Strafsteuer von <strong>de</strong>n nicht ent<strong>de</strong>ckten<br />

Stiftungen etc. zustün<strong>de</strong>. Rund sechzig Milliar<strong>de</strong>n Schweizer Franken!<br />

Das sind ca. 40 Milliar<strong>de</strong>n EURO (bei 1.50 CHF pro Euro).<br />

Na, wollen wir mal nicht so gierig sein. „Bejahen‚ wir mal das<br />

Utopische, dass 10 Prozent aller Deutschen Kun<strong>de</strong>n ihr Vermögen und<br />

ihren Ertrag schön regelmässig <strong>de</strong>m Finanzamt gemel<strong>de</strong>t hätten und<br />

nehmen wir ausser<strong>de</strong>m an, dass weitere 5 Prozent verstorben sind o<strong>de</strong>r<br />

sonst wie <strong>de</strong>n Geldfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Finanzamts o<strong>de</strong>r Gerichts nicht<br />

620


Folge leisten konnten. Bleiben immer noch ca. 34 Milliar<strong>de</strong>n Euro übrig.<br />

Konservativ gerechnet. Ja, ihr habt richtig gelesen. Rund Vierunddreissig<br />

Milliar<strong>de</strong>n Euro. Für Deutschland.<br />

Jetzt schon fällig.<br />

Und DAS ist <strong>de</strong>r wahre Skandal!<br />

Was könnte Deutschland nicht alles mit 34 Milliar<strong>de</strong>n Euro machen?<br />

War da nicht ein politisches Versprechen aus <strong>de</strong>r letzten Wahl vom<br />

einem garantiertem Krippen- o<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rgartenplatz für je<strong>de</strong>s Kind in<br />

Deutschland? O<strong>de</strong>r das Geld zukunftsweisend in die Ausbildung <strong>de</strong>r<br />

Jugend investieren. O<strong>de</strong>r eine Einkommenssteuersenkung wäre doch<br />

auch mal opportun.<br />

Um an die fehlen<strong>de</strong>n <strong>Daten</strong> zu kommen, muss Deutschland nicht die<br />

Bun<strong>de</strong>swehr nach Vaduz schicken. Wenn ich Deutschland wäre, wür<strong>de</strong><br />

ich auf dasselbe alte und neue Abkommen bestehen, dass Liechtenstein<br />

mit <strong>de</strong>n Amerikanern abgeschlossen hat.<br />

* Exklusive <strong>de</strong>r weiteren Milliar<strong>de</strong>n, die von Treuhän<strong>de</strong>rn aus<br />

Liechtenstein verwaltete wer<strong>de</strong>n, aber auf Bankkonten ausserhalb<br />

Liechtenstein liegen.<br />

B)<br />

Hans-Adam und seine LGT profitieren davon, dass praktisch alle<br />

Steuerbehör<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Län<strong>de</strong>rn, die nun mit <strong>de</strong>n <strong>Daten</strong><br />

arbeiten, aufgrund ihrer eigenen Personendatenschutzgesetze o<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>rer rechtlichen Restriktionen keine Details über die betroffenen<br />

Personen an die Öffentlichkeit geben können.<br />

<strong>Der</strong> US-Senate hingegen ist keine Steuerbehör<strong>de</strong> und hat an<strong>de</strong>re Rechte.<br />

Ich bin an keine gültige Schweigepflicht gebun<strong>de</strong>n. Betrifft es eine kleine<br />

Steuerhinterziehung, so vertrat ich immer schon die Ansicht, dass dies<br />

die alleinige Affäre zwischen <strong>de</strong>m Betroffenen und <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n<br />

bleiben soll. Sollte es sich aber um Steuerhinterziehung in <strong>de</strong>r Höhe von<br />

hun<strong>de</strong>rttausen<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r gar Millionen von Euros han<strong>de</strong>ln, dann wäre es<br />

gegenüber <strong>de</strong>n ehrlichen Steuerzahlern und <strong>de</strong>r Gesellschaft nur fair,<br />

wenn solche Leute an <strong>de</strong>n Pranger gestellt wer<strong>de</strong>n. Insbeson<strong>de</strong>re dann,<br />

wenn die betroffenen Subjekte eine öffentliche Funktion<br />

621


o<strong>de</strong>r ähnliches innehat.<br />

In Bezug auf zum Beispiel schmutzige Geschäftstricks, schwere Delikte<br />

wie Korruption, Geldwäscherei, schwarze Kassen wirtschaftlicher o<strong>de</strong>r<br />

politischer Kreise etc., bin nicht nur ich <strong>de</strong>r Meinung, dass die<br />

Öffentlichkeit ein Recht auf die volle Einsicht in diese (LGT-)<strong>Daten</strong> hat.<br />

Es betrifft Mandate mehrheitlich aus Deutschland, <strong>de</strong>n USA, Frankreich,<br />

Spanien, Italien, Holland, <strong>de</strong>r Schweiz, Österreich, diverse Län<strong>de</strong>r aus<br />

Südamerika, Asien und auch Afrika.<br />

Eigentlich sollte die LGT froh sein, dass ich im Juli letzten Jahres als<br />

Zeuge in Washington in <strong>de</strong>r US-Senatsanhörung wahrheitsgemäss<br />

ausgesagt habe, dass die LGT bei <strong>de</strong>n meisten Mandaten keinen blassen<br />

Schimmer hat, woher die (grossen) Geldsummen ihrer Kun<strong>de</strong>n<br />

stammen. Es gibt aber durchaus Mandate, bei <strong>de</strong>nen sie wusste, dass<br />

kriminelle Machenschaften o<strong>de</strong>r sogar schwere Delikte im Spiel waren,<br />

zum Beispiel durch Hinweise in <strong>de</strong>n Akten. Trotz<strong>de</strong>m hat sie nichts<br />

unternommen. Jetzt erlei<strong>de</strong>t sie einen Erklärungsnotstand, weil Län<strong>de</strong>r<br />

rund um <strong>de</strong>n Globus von Vaduz nun eine Erklärung verlangen.<br />

Ich habe bis anhin je we<strong>de</strong>r direkt noch indirekt Kopien <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> <strong>de</strong>n<br />

Medien übergeben. Da es aber darunter ganz böse Fälle gibt, wer<strong>de</strong>n<br />

früher o<strong>de</strong>r später - so bin nicht nur ich mir ganz sicher – in <strong>de</strong>n<br />

jeweiligen betroffenen Län<strong>de</strong>rn die Medien die <strong>Daten</strong> veröffentlichen.<br />

Sei dies aus politischen o<strong>de</strong>r wirtschaftlichen Motiven.<br />

Solange die schmutzigen Geschäfte sich hinter <strong>Daten</strong>schutzregeln im<br />

Ausland vor <strong>de</strong>r Öffentlichkeit „verstecken" können, solange kann Hans-<br />

Adam sein Geschäftsimperium aufrechterhalten.<br />

Und DAS ist <strong>de</strong>r wahre Skandal!<br />

Ach ja, bis anhin hatten Hans-Adam & Co. auch ausnützen können, dass<br />

niemand Löcher in <strong>de</strong>n Mantel <strong>de</strong>s Schweigen – die berühmte<br />

Liechtenstein OMERTA - über die Affären von 2003 – 2005 brannte. Also<br />

niemand erfahren wür<strong>de</strong>, was sie damals alles unternommen hatten, um<br />

ihr schmieriges Geschäft zu schützen.<br />

Mit diesem Buch habe ich ihnen diesen Vorteil weggenommen.<br />

Sozusagen habe ich gleich die ganze samtige, fürstliche Robe<br />

eingeäschert.<br />

Haben sie dies wirklich nicht kommen sehen? Aber HALLO!!!<br />

622


KAPITEL 34 Handbuch! Handbuch! Wer will noch eins?<br />

Wer hat noch keins?<br />

Zurück zum Frühling 2008 - nach Liechtenstein.<br />

Ich konnten zwar einiges sehr gut voraussagen, aber über die Reaktionen<br />

von Hans-Adams und seiner Regierung mussten wir und viele an<strong>de</strong>re<br />

nur fassungslos mehrmals <strong>de</strong>n Kopf schütteln. Keine Überraschung war,<br />

dass sie per Elektroschocks aus <strong>de</strong>m Dornröschenschlaf in die Realität<br />

katapultiert wor<strong>de</strong>n waren. Man kann ihnen die ersten Reaktionen<br />

darauf schon etwas verzeihen. Mit welcher gigantischen Impertinenz sie<br />

aber in <strong>de</strong>n Wochen und Monaten seit Zündung <strong>de</strong>r Bombe Deutschland<br />

und in <strong>de</strong>r Folge an<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r „angriffen‚, ist unbeschreiblich.<br />

Sind die <strong>de</strong>nn noch klar im Kopf? Spätestens seit Januar 2003 wissen<br />

unanfechtbar Hans-Adam (die LGT schon seit eh und je) und ab 2005<br />

auch die Regierung und die STA in Vaduz über die schmutzigen<br />

Geschäfte <strong>de</strong>r LGT Gruppe Bescheid. Sie kennen doch die betroffenen<br />

Mandate. Sie alle wissen, dass noch massenhaft ausgedörrte,<br />

halbtrockene und frische Leichen im luftdichten Keller hängen. Sie<br />

wissen doch, wie sie die internationalen und ihre eigenen Gesetzte<br />

massiv gebrochen haben und immer noch brechen.<br />

Sie wissen auch, wie ausgekocht sie Deutschland aus <strong>de</strong>n Ereignissen<br />

von Januar bis Juli 2003 raushalten konnten.<br />

Insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Chef <strong>de</strong>r STA, Dr. Robert Wallner muss sich <strong>de</strong>n<br />

Vorwurf gefallen lassen, dass er nichts, rein gar nichts unternommen<br />

hatte, selbst als seine Abteilung im Detail über verschie<strong>de</strong>ne schwere<br />

Straftaten <strong>de</strong>r 90 Stiftungen informiert wur<strong>de</strong> (siehe Kapitel 28).<br />

Und dies steht im ein<strong>de</strong>utigen Kontrast zur Arbeit, die Wallner früher<br />

als Staatsanwalt in Österreich geleistete hatte. Dort war er bekannt dafür,<br />

dass er sich mit <strong>de</strong>n schweren Jungs anlegen konnte. Wenn man sich die<br />

Aktivität <strong>de</strong>r STA in Vaduz in Bezug aus Geldwäscherei, Korruption<br />

und Betrug anschaut, stellt man ein interessantes Phänomen fest.<br />

Praktisch alle grossen und kleinen Strafuntersuchungen dieser Art (die<br />

sich an zwei Hän<strong>de</strong>n abzählen lassen), die Wallner in seiner Zeit als Chef<br />

<strong>de</strong>r STA bisher geführt hatte, wur<strong>de</strong>n alle vom Ausland indiziert, das<br />

heisst nur wen eine Behör<strong>de</strong> im Ausland aktiv wur<strong>de</strong>, wenn sie z.B. in<br />

623


einer Strafuntersuchung auf Unterlagen von Konten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rgleichen<br />

aus Liechtenstein gestossen waren und dann Wallner um Unterstützung<br />

anfragte, dann, und erst dann wur<strong>de</strong> man in Vaduz tätig.<br />

Niemals wür<strong>de</strong> Vaduz, wie ich anhand <strong>de</strong>r Liste <strong>de</strong>r 90 Stiftungen etc.<br />

beweisen konnte, von sich aus aktiv wer<strong>de</strong>n. Ganz nebenbei erwähnt, ist<br />

bis heute keiner <strong>de</strong>r verantwortlichen Treuhän<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Banker, die z.B.<br />

die Schmiergel<strong>de</strong>r angenommen und verwaltet hatten und sich damit im<br />

Minimum <strong>de</strong>r Geldwäscherei schuldig gemacht hatten, verurteilt<br />

wor<strong>de</strong>n. Was nicht überrascht, da Liechtenstein auch wegen solch einer<br />

"Lappalie" keine Treuhän<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Banker vor das Kriminalgericht<br />

schickt, obwohl das strengere Sorgfaltspflichtgesetzt schon seit vielen<br />

Jahren gilt!<br />

Ganz nach <strong>de</strong>m Motto: "Wir sind die cleversten auf <strong>de</strong>m Planeten" hatten<br />

sie auch noch die absolute Frechheit von Deutschland die Herausgabe<br />

von Informationen über mich zu verlangen. Als dann keine Antwort aus<br />

Berlin kam, man muss sich das mal vorstellen, beschwerte sich die<br />

Liechtensteiner Justiz in <strong>de</strong>n Medien und jammerte, dass Wallner und<br />

<strong>de</strong>r neue Justizminister schon x-mal in Berlin angerufen hätten, aber<br />

keine Rückäusserung bekommen wür<strong>de</strong>n.<br />

Ich dachte mittlerweile, dass mich Hans-Adam und Konsorten nicht<br />

mehr so schnell überraschen können. Aber als ich davon im Detail<br />

erfahren hatte, fing ich ernsthaft an, an <strong>de</strong>ren Verstand zu zweifeln.<br />

Ja sind die nur noch zum Geldzählen fähig?<br />

<strong>Der</strong> Höhepunkt <strong>de</strong>r Enthüllungen liegt erst noch vor uns. Aber nein,<br />

starrköpfig, als hätten sie nie etwas verbrochen, verteidigen sie ihre<br />

brennen<strong>de</strong> Burg bis zum letzten Mann, bzw. bis zum letzten Bankkonto.<br />

Als Hans-Adam nach <strong>de</strong>n ersten paar Monaten merkte, dass seine<br />

Pressemitteilungen, die <strong>de</strong>r Regierung o<strong>de</strong>r die <strong>de</strong>r LGT und die gezielt<br />

platzierten Medienberichte und Interviews offenbar nicht die<br />

gewünschte Wirkung erzielten, kam er auf die I<strong>de</strong>e, seine leiten<strong>de</strong>n<br />

Beamten in die Schlacht zu schicken: z.B. <strong>de</strong>n Chef <strong>de</strong>r Staatsanwalt, R.<br />

Wallner. <strong>Die</strong>s in <strong>de</strong>r Hoffnung, dass – dank <strong>de</strong>r im Ausland<br />

üblicherweise hoch angesehenen Position – je<strong>de</strong>s seiner Worte <strong>de</strong>m<br />

Wahrheitsgrad eines (römischen) Kirchenkardinals entsprechen wür<strong>de</strong>.<br />

Quasi "Amen" ist Omen.<br />

624


Dass Hans-Adam zunehmend auf seine Beamten als Nachbeter<br />

zugreifen musste, hatte einen beson<strong>de</strong>ren Grund. Bis ca. Mitte 2007<br />

dachten er und seine Regierung, dass sie nur mit Deutschland ein<br />

massives Problem hätten. Dementsprechend konzentrierten sie ihr mit<br />

viel Geld aufgebautes Schurkenimage über mich weiterhin nur auf <strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>utschsprachigen Raum. Und da ich selber nichts zu ihren falschen<br />

Äusserungen und irreführen<strong>de</strong>n Schlussfolgerungen sagte, wur<strong>de</strong>n<br />

diese vom erstaunten Publikum ungeprüft als das vermeintlich Wahre<br />

akzeptiert. Heinrich Kieber, <strong>de</strong>r gemeine Lan<strong>de</strong>sverräter, mit einem Sack<br />

voll Kohle untergetaucht.<br />

Deutschland war ein massives Problem, weil es viele <strong>de</strong>utschen Kun<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r LGT Treuhand erwischt hatte. Natürlich war dies für Hans-Adam<br />

sehr ärgerlich. Aber kein Grund zur Panik, <strong>de</strong>n in Vaduz galt immer<br />

schon die Devise: Je<strong>de</strong>n Ärger mit Deutschland als Land stecken wir<br />

ohne Probleme in die linke Hosentaschen weg. Hans-Adam wird es<br />

schon richten, in<strong>de</strong>m er einfach auf <strong>de</strong>n psychologisch wun<strong>de</strong>n Punkt<br />

<strong>de</strong>r Deutschen einschlägt: das Dritte Reich.<br />

Er hat es in <strong>de</strong>r Vergangenheit schon getan und wird es in Zukunft auch<br />

wie<strong>de</strong>r tun. Ich wusste nur zu gut, vor wem die hohen Finanz-Herren<br />

aus Vaduz aber die grösste Angst hatten: vor <strong>de</strong>n Amerikanern. Und<br />

Mitte Juli war es dann soweit. Bumm. <strong>Die</strong> Schreckensnachricht<br />

verbreitete sich schneller als ein Lauffeuer. Ihr Lan<strong>de</strong>sverräter sei in<br />

Washington D.C. aufgetaucht, im Zentrum <strong>de</strong>r Supermacht USA. Er<br />

hätte mit <strong>de</strong>r Regierung Bush gere<strong>de</strong>t, er hätte nicht nur alle Mandate<br />

mit USA-Bezug überreicht, son<strong>de</strong>rn noch mehr belasten<strong>de</strong>s Material.<br />

Hans-Adams ganze schmutzige Medienkampagne gegen mich bekam<br />

blitzartig riesige Risse und fiel wie ein Luftschloss zusammen.<br />

Moment mal, fragten viele in Liechtenstein. Wie war das noch mal mit<br />

eurem angeblich feigen, lügen<strong>de</strong>n, schleichen<strong>de</strong>n, irren, unter <strong>de</strong>n<br />

Steinen kriechen<strong>de</strong>m <strong>Daten</strong>terroristen? Wie kommt es dann, dass <strong>de</strong>r<br />

US-Senate ihm zuhört und Glauben schenkt, ihn trotz <strong>de</strong>s<br />

Liechtensteinischen Haftbefehls bewirtet und dort wohnen lässt, wenn<br />

ihr in Vaduz doch ständig wie<strong>de</strong>rholt, dass <strong>de</strong>r Kieber <strong>de</strong>r grösste<br />

Lügner und Verbrecher <strong>de</strong>r Welt ist? Wie kommt es, dass ausnahmslos<br />

alle in <strong>de</strong>r Anhörung gezeigten Beispiele in <strong>de</strong>r Tat konkrete Verbrechen<br />

aufzeigen? Wie kommt es, dass <strong>de</strong>r US-Senat Beweise für die<br />

systematische Beihilfe <strong>de</strong>r LGT zu Straftaten hat, wenn ihr seit Monaten<br />

625


gebetsmühlenartig beteuert, dass ihr nie ein Verbrechen ermöglicht,<br />

unterstützt o<strong>de</strong>r durchgeführt hattet?<br />

Fragen über Fragen, und in Vaduz wusste niemand we<strong>de</strong>r ein noch aus.<br />

Zuerst einmal waren sie alle sprachlos. Je<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> sofort bewusst,<br />

dass eine US-Senatsanhörung ein ganz an<strong>de</strong>res Kaliber war, als <strong>de</strong>n<br />

Regierungschef o<strong>de</strong>r die Botschafter auf eine mediale Rundreise durch<br />

Europa zu schicken, um das schöne Wetter zu Hause zu preisen.<br />

Und, was machten sie? Nichts, was ich nicht schon erwartet hätte.<br />

Nur mussten sie nun <strong>de</strong>n amerikanischen Medienmarkt ebenfalls<br />

flächen<strong>de</strong>ckend betreuen. Am Geld sollte dies nicht scheitern.<br />

Warum Wallner seinen Posten jetzt immer noch kompromittieren lässt,<br />

liegt klar auf <strong>de</strong>r Hand. Er weiss auch, dass sein Verbleib im Job ganz<br />

von Hans-Adam abhängt. Speziell Dr. Wallner, als Jurist und direkt<br />

Involvierter kennt wie kein An<strong>de</strong>rer meinen ganzen Akt. Trotz<strong>de</strong>m hatte<br />

er wie<strong>de</strong>rholt <strong>de</strong>r Presse in Europa und in <strong>de</strong>n USA Kommentare<br />

gegeben, die ganz und gar nicht <strong>de</strong>r Wahrheit entsprechen. Manchmal<br />

sah man es ihm gera<strong>de</strong>zu im Gesicht an, dass er sich dabei selber<br />

überhaupt nicht wohl fühlte.<br />

So hat er u.a. wortwörtlich erzählt, dass ich mit meinem Schreiben an<br />

Hans-Adam vom 07.01.2003 auf erpresserische Weise versucht hätte, die<br />

Einstellung <strong>de</strong>s Strafverfahrens zu verlangen. Auch hätte ich zwei Pässe<br />

für Flucht und Untertauchen verlangt. Wir alle wissen, dass <strong>de</strong>m so nicht<br />

war. Zu<strong>de</strong>m hat er behauptet, dass ich angegeben hätte, in Argentinien<br />

mit Zigaretten gefoltert wor<strong>de</strong>n zu sein. Wie bitte, Zigaretten? Nie und<br />

nimmer habe ich so etwas erzählt! <strong>Die</strong>se Missinformationen scheinen auf<br />

<strong>de</strong>n ersten Blick keine grosse Sache zu sein. Man darf aber nicht<br />

vergessen, wer solches Seemannsgarn <strong>de</strong>r Presse mitteilt: <strong>de</strong>r Leiten<strong>de</strong>n<br />

Oberstaatsanwalt persönlich.<br />

Ein paar beson<strong>de</strong>re Interviews von Wallner waren wie eine Befreiung für<br />

mich. Unter an<strong>de</strong>rem wur<strong>de</strong>n einige auf <strong>de</strong>n Online-Seiten vom<br />

Wallstreet Journal o<strong>de</strong>r auf Bloomberg.com publiziert. Als ich seine<br />

Worte gelesen hatte, musste ich zuerst spontan lachen, obwohl es für<br />

mich traurig war. Ja, lachen. Darüber war ich selber sehr erschrocken. Ich<br />

hatte zum ersten Mal über meine eigene schmerzliche und bittere<br />

Vergangenheit gelacht. Für einen Moment wusste ich nicht, ob ich mich<br />

schämen sollte. Aber ich kam zum Schluss, dass dieses Lachen <strong>de</strong>r lang<br />

626


erhoffte Moment war, in <strong>de</strong>m ich verstan<strong>de</strong>n hatte, dass die<br />

Argentiniengeschichte endlich hinter mir lag und ich mich nun voll auf<br />

die Zukunft konzentrieren konnte.<br />

Ich kam aus <strong>de</strong>m Staunen beim Lesen nicht mehr raus. Ich rufe meinen<br />

Lesern in Erinnerung, dass die STA mir nie we<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n erfun<strong>de</strong>nen<br />

Grund für die Einstellung <strong>de</strong>s 101er mitgeteilt hatte. Im Rückblick kann<br />

ich auch behaupten, dass das Wenige, was die STA mir gegenüber in <strong>de</strong>n<br />

sechs Jahren von 1997 bis 2003 „ausgerichtet" hatte, eine ausnahmslose<br />

Heuchelei war.<br />

Wallner schil<strong>de</strong>rte und bestätigte, groteskerweise fast schon mitfühlend,<br />

zum aller ersten Mal und dies auch noch via <strong>de</strong>r Medien, dass ich in<br />

Argentinien gewesen war und <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche Helmut Roegele nebst<br />

an<strong>de</strong>ren auch dort war. Ausser<strong>de</strong>m sagte er, dass ich von dort aus hohe<br />

Geldüberweisungen von meinem Konto in Feldkirch in Auftrag gegeben<br />

hatte und danach sofort nach Liechtenstein zurückgekehrt war.<br />

Postwen<strong>de</strong>nd hatte ich eine umfangreiche Anzeige erstattet, Fotos,<br />

Zeichnungen und ein Mo<strong>de</strong>ll für das Gericht anfertigen lassen.<br />

Daraufhin hätte die STA eine Untersuchung vorgenommen.<br />

Wortwörtlich sagte er auch, OZA- das er NICHT ausschliessen könne,<br />

dass sich meine Schil<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Verbrechen in Argentinien<br />

zugetragen haben könnten, sie aber lei<strong>de</strong>r keine Beweise gefun<strong>de</strong>n<br />

hätten -OZE.<br />

Wie Bitte? Eine Untersuchung? Welche Untersuchung? Wer hat wo, wie,<br />

was untersucht? Herr Wallner? Herr Haun? Keine „Beweise" gefun<strong>de</strong>n?<br />

Nach allem was <strong>de</strong>r STA und <strong>de</strong>m Gericht vorlagen! Klar, wer keine<br />

eigene Untersuchung macht, kann auch keine eigene Beweise fin<strong>de</strong>n. Ich<br />

kam aus <strong>de</strong>m Staunen nicht mehr raus. Jetzt, nach über 10 Jahren kommt<br />

die STA daher und versucht sich via Medieninterviews aus <strong>de</strong>m<br />

Schlamassel rauszure<strong>de</strong>n, während sie mit mir in dieser Zeit nie richtig<br />

„re<strong>de</strong>n" konnte! Was für eine Maskera<strong>de</strong>!<br />

Ein wenig zu spät, Herr Dr. Wallner, meinen sie nicht auch?<br />

Wenn Hans-Adam o<strong>de</strong>r die LGT die Wirklichkeit verdrehen, kann man<br />

das irgendwie noch nachvollziehen. Schliesslich geht es bei ihnen um ein<br />

Milliar<strong>de</strong>ngeschäft. Wenn aber <strong>de</strong>r leiten<strong>de</strong> Staatsanwalt, auf<br />

627


Anordnung von oben, es tut, ist dies schon sehr be<strong>de</strong>nklich. Aber in<br />

Liechtenstein gelten Hans-Adams Gesetzte. Dort glaubt man immer<br />

noch, schlauer zu sein, als <strong>de</strong>r ganze Rest <strong>de</strong>r Welt zusammen. <strong>Die</strong> in<br />

Liechtenstein können aber versichert sein, dass auch diese Taktik <strong>de</strong>n<br />

ausländischen Strafverfolgungs- und an<strong>de</strong>ren Behör<strong>de</strong>n nicht entgangen<br />

ist. Gemäss <strong>de</strong>n neusten Berichten, die ich von <strong>de</strong>n angegangenen<br />

Regierungen bekommen habe, sind die Zeiten <strong>de</strong>r Global-Verarschung<br />

durch Hans-Adam & Co. <strong>de</strong>finitiv vorüber. Ein beson<strong>de</strong>rs interessanter<br />

Punkt ist auch folgen<strong>de</strong>r:<br />

Viele Fragen sich nicht nur in Liechtenstein, wie es zu solch einem<br />

energischen Angriff auf das Ländle kommen konnte. <strong>Die</strong> Antwort darauf<br />

kenne ich nur zu gut. Als sie die <strong>Daten</strong> bekommen hatten und <strong>de</strong>n<br />

überwältigen<strong>de</strong>n Steuerwert erkannten‚ war es weniger die Vorfreu<strong>de</strong><br />

über <strong>de</strong>n zu erwarten<strong>de</strong>n Geldregen, die die ausländischen Regierungen<br />

aus ihrem Winterschlaf in Bezug auf Liechtenstein katapultierte.<br />

Sicherlich, Finanzminister Steinbrück und seine Amtskollegen in <strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>ren Staaten führen noch heute <strong>de</strong>swegen Freu<strong>de</strong>ntänze ums<br />

Lagerfeuer auf. Wer will es ihnen verübeln? Auch war es weniger die<br />

einmalige Gelegenheit, durch das synchrone Ausführen mehrerer<br />

Punkte meines Generalstabsplans, koordiniert einen Globalangriff<br />

mehrerer Län<strong>de</strong>r auf die LGT starten zu können. Ausschlaggebend war<br />

die Feststellung diverser behördlicher Spezialabteilungen, dass mit <strong>de</strong>n<br />

<strong>Daten</strong> endlich schwarz auf weiss bewiesen wer<strong>de</strong>n konnte, was sie<br />

immer schon vermuteten: die systematische Beihilfe zu einer breiten<br />

Palette von Straftaten, die über die normale Steuerhinterziehung<br />

hinausgehen. Damit war das "Liechtensteiner Fass" für die ausländischen<br />

Staaten endgültig voll.<br />

Da die allermeisten Dokumente (aus <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>ndossiers und <strong>de</strong>r<br />

grossen Auswahl an internen Akten) in <strong>de</strong>utscher Sprache geschrieben<br />

waren, konnte mit Ausnahme von Deutschland niemand auf die<br />

Schnelle die ausgefeilte methodische Arbeitsweise <strong>de</strong>r LGT erkennen.<br />

Um dieses Hin<strong>de</strong>rnis für eine an<strong>de</strong>re Gruppe von <strong>Daten</strong>empfängern aus<br />

<strong>de</strong>m Weg zu räumen, hatte ich ein praktisches, dickes "Handbuch" auch<br />

in englischer Sprache verfasst.<br />

Viele Experten vertreten heute die Meinung, dass ich mit meinem<br />

Generalstabsplan in Sachen Bekämpfung von Steuerparadiesen und <strong>de</strong>r<br />

damit zusammenhängen<strong>de</strong>n Geldwäscherei etc. in ein, zwei Jahren mehr<br />

erreicht, bzw. ausgelöst hatte, als alle US-Komitees und EU-<br />

628


Kommissionen <strong>de</strong>r letzten zehn Jahre zusammen. Das ehrt mich zwar<br />

sehr, aber ich bleibe da eher skeptisch.<br />

Wenn die ausländischen Regierungen dieses Mal nicht am Ball bleiben<br />

und Hans-Adam & Co. mit <strong>de</strong>r Lupe auf die Finger schauten, wird es<br />

ihnen wie<strong>de</strong>r gelingen, neue Schlupflöcher zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Hans-Adam will und muss auf Biegen und Brechen sein Multi-<br />

Milliar<strong>de</strong>n-Geschäft schützen.<br />

Koste es ihn was es wolle.<br />

629


KAPITEL 35 Gib mir <strong>de</strong>ine Kohle!<br />

In diesem Kapitel möchte die Gelegenheit nutzten, ein paar Worte über<br />

die falschen Hoffnungen <strong>de</strong>r erwischten Kun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r LGT (und auch <strong>de</strong>r<br />

Liechtensteinischen Lan<strong>de</strong>sbank, LLB) zu schreiben. Es wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n<br />

letzten Monaten vermehrt Stimmen von Kun<strong>de</strong>n laut, die kämpferisch<br />

mit einer Scha<strong>de</strong>nsersatzklage gegen die LGT o<strong>de</strong>r die LLB drohten. Sie<br />

wollen das viele Geld, das sie nun <strong>de</strong>n Finanzämtern rund um <strong>de</strong>n<br />

Globus an Nach- und Strafsteuern sowie Bussen bezahlen müssen, von<br />

<strong>de</strong>r LGT o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r LLB zurückerstattet haben.<br />

Sie wollen die LGT o<strong>de</strong>r die LLB verklagen, weil man sie nicht gewarnt<br />

hat, als ihre <strong>Daten</strong> bei <strong>de</strong>n Treuhän<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r Banken abhan<strong>de</strong>n<br />

gekommen waren. Das solche Klagen angeblich einen Erfolg haben<br />

könnten, wur<strong>de</strong> von diversen Rechtsanwälten aus Liechtenstein<br />

propagandamässig <strong>de</strong>r <strong>de</strong>sillusionierten Kundschaft schmackhaft<br />

vorgetragen. Solche RA träumen schon von <strong>de</strong>n Honorarrechnungen in<br />

Millionenhöhe, die sie von solchen Klägern verlangen könnten.<br />

Hans-Adam und die Regierung bekommen wegen <strong>de</strong>r immer grösser<br />

wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Affäre auch hinter <strong>de</strong>n Kulissen von zwei Seiten massiven<br />

Druck. Bei vielen Staaten mussten die hohen Finanz-Herren schon<br />

persönlich vortanzen (natürlich nicht Hans-Adam, <strong>de</strong>r schickt immer<br />

seine Vasallen vor). Zusätzlich hatten viele <strong>de</strong>r erwischten Kun<strong>de</strong>n (z.B.<br />

Supereiche o<strong>de</strong>r PEP's, inkl. Zumwinkel) gehörig Dampf in Richtung<br />

Vaduz abgelassen. Notwendigerweise mussten Hans-Adam und die<br />

Regierung ein paar aufmuntern<strong>de</strong> Worte an die erwischte Kundschaft<br />

verteilen und zeigten mit allen Fingern auf mich: Ich sei <strong>de</strong>r Anarchist<br />

und <strong>de</strong>r Antichrist in einer Person. Und da gegen einige <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n<br />

(zeitweise) Haftbefehle ausgestellt wor<strong>de</strong>n waren (z.B. gegen K.<br />

Zumwinkel und seinen Bru<strong>de</strong>r) wollte Vaduz zumin<strong>de</strong>st auf gleicher<br />

Höhe mithalten und stellte mit grossem Trara einen Haftbefehl für <strong>de</strong>n<br />

<strong>Daten</strong>dieb aus.<br />

Aber Geld? Ihr liebes Geld? Kompensation? Scha<strong>de</strong>nsersatz?<br />

Nein, aus Liechtenstein sollte keiner <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n je Geld erwarten. Da<br />

hört die Liebe auf. <strong>Die</strong> liechtensteinische Strategie ist immer dieselbe:<br />

Erwischte Kun<strong>de</strong>n lässt man wie heisse Kartoffeln fallen. Vaduz muss<br />

630


seine verbliebene Energie und Zeit ganz auf die nicht erwischten und<br />

potentiellen neuen Kun<strong>de</strong>n konzentrieren. Altlasten sind da nur lästige<br />

Störer. Parasiten ähnlich. Man hat zwar schönes und gutes Geld mit<br />

ihnen verdient, aber die meisten erwischten Kun<strong>de</strong>n ziehen ihre Kohle<br />

sowieso aus Vaduz ab o<strong>de</strong>r wechseln zumin<strong>de</strong>st die Bank o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Treuhän<strong>de</strong>r aus. Für solche Kun<strong>de</strong>n hat we<strong>de</strong>r die LGT noch die LLB<br />

Lust o<strong>de</strong>r Zeit. Als die Klagen <strong>de</strong>r erwischten Kun<strong>de</strong>n immer lauter und<br />

stärker wur<strong>de</strong>n, stellte man in Vaduz auf superbockig um und liess per<br />

Kommuniqué trotzig mitteilen, dass sie nichts mit <strong>de</strong>n<br />

Steuerangelegenheiten <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n zu tun haben. Basta und Amen.<br />

<strong>Die</strong>s nach<strong>de</strong>m die Kun<strong>de</strong>n über Jahre o<strong>de</strong>r sogar Jahrzehnte hinweg<br />

intensiv von Seiten <strong>de</strong>r Treuhand o<strong>de</strong>r Bank in Sachen<br />

Steueroptimierung, besser gesagt Steuereliminierung, beraten wur<strong>de</strong>n.<br />

Ich wür<strong>de</strong> aber allen Kun<strong>de</strong>n nur dringlich empfehlen, sich auf keinen<br />

Fall zu irgendwelchen juristischen Kämpfen mit <strong>de</strong>r LGT o<strong>de</strong>r LLB bei<br />

einem Gericht in Vaduz einzulassen.<br />

<strong>Die</strong>s aus vier Grün<strong>de</strong>n:<br />

A)<br />

Nie, nie und nochmals nie im Leben wür<strong>de</strong> es ein Richter in Vaduz<br />

wagen, ein vollstreckbares Urteil gegen irgen<strong>de</strong>ine Firma von Hans-<br />

Adam zu fällen. O<strong>de</strong>r gegen die vom Staat kontrollierte LLB. Natürlich<br />

fin<strong>de</strong> ich niemand in Liechtenstein, <strong>de</strong>r mir dies auf Papier bestätigen<br />

wür<strong>de</strong>. Aber, manchmal verplappert sich auch Hans-Adam und gibt sein<br />

wahres Ich preis. In einem Kurzinterview, publiziert in <strong>de</strong>r International<br />

Harald Tribune (IHT) am 31.08.2000, hatte er folgen<strong>de</strong> Aussage gemacht:<br />

(aus <strong>de</strong>m Englischen übersetzt) OZA- Ja, es ist wahr, dass unsere<br />

Gerichte sehr stark politisiert sind. Darum bestehe ich auf die<br />

Verfassungsreform. Richter sollten (ausschliesslich) von regieren<strong>de</strong>n<br />

<strong>Fürst</strong>en nominiert (bestellt) wer<strong>de</strong>n, NICHT vom Parlament - OZE.<br />

Da erübrigt sich je<strong>de</strong>r weitere Kommentar, ausser darauf hinzuweisen,<br />

dass Hans-Adam seine absolutistische Macht zur Ernennung und<br />

Absetzung je<strong>de</strong>s Richters nach erbittertem Kampf um die neue<br />

Verfassung drei Jahre später (März 2003) bekommen hat.<br />

631


B)<br />

Sollte sich <strong>de</strong>nnoch ein (verirrter) Richter <strong>de</strong>r ersten Instanz dazu<br />

durchringen, eine Verantwortung Seitens <strong>de</strong>r Treuhand o<strong>de</strong>r Bank zu<br />

erkennen und in <strong>de</strong>r Sache richtig zu urteilen, hätte die Freu<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Kun<strong>de</strong>n nur ein kurzes Haltbarkeitsdatum. Hans-Adam (im Namen <strong>de</strong>r<br />

LGT) und die Regierung (im Namen <strong>de</strong>r LLB) wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Paul<br />

Schockemöhle wohl ewig dankbar sein, dass dieser sich schon mal auf<br />

<strong>de</strong>n irrsinnigen Weg getraut hat, das älteste Treuhan<strong>de</strong>tablissement, die<br />

Dr. Dr. Batliner, mit einer Zivilklage auf Scha<strong>de</strong>nsersatz durch alle<br />

Gerichtsinstanzen, inklusive Staatsgerichtshof durchzuklagen. <strong>Der</strong> Fall<br />

war so heiss, dass kein Liechtensteiner Rechtsanwalt ihn vertreten<br />

wollte. Er fand nur einen Auslän<strong>de</strong>r, RA Hartmut Fromm mit Kanzlei in<br />

Zürich und Berlin. <strong>Der</strong> Verteidiger von Batliner war zufällig <strong>de</strong>rselbe<br />

RA, <strong>de</strong>r Hans-Adam für meine „Verteidigung" angeheuert hatte: Dr.<br />

Wolfgang Müller aus Schaan.<br />

Schockemöhle for<strong>de</strong>rte vom Batliner um die CHF 25 Millionen<br />

Scha<strong>de</strong>nsersatz für seinen „Steuerscha<strong>de</strong>n" sowie Anwaltskosten in<br />

Deutschland. Weil Batliner ihn nicht gewarnt hatte, als 1996 ein<br />

Mitarbeiter von Batliner eine CD mit <strong>Daten</strong> auch über ihn gestohlen<br />

hatte. Schockemöhle musste in Deutschland mehrere Millionen an<br />

Steuern und Strafe bezahlen. 2003 diskutierte Müller – als mein Anwalt -<br />

mit mir diese Thematik, da er damals davon ausging, rein hypothetisch,<br />

dass auch mein <strong>Daten</strong>diebstahl mit einer solchen Scha<strong>de</strong>nsersatzklage<br />

von erwischten Kun<strong>de</strong>n en<strong>de</strong>n könnte. Ganz getreu meiner Neugier<strong>de</strong><br />

für alles und je<strong>de</strong>n, fragte ich bei ihm auch ab und zu keck nach, wie <strong>de</strong>r<br />

Stand <strong>de</strong>r Dinge im Fall Batliner wäre, <strong>de</strong>r ja noch bei Gericht lief.<br />

Schockemöhle hatte beim Landgericht Vaduz zuerst einen Teilerfolg<br />

erzielen können: Um die 4 MIO. Euro hatte ihm das Gericht<br />

zugestan<strong>de</strong>n. Batliner ging sofort in Revision. <strong>Der</strong> Schock über dieses<br />

Desasterurteil sass bei <strong>de</strong>n Treuhän<strong>de</strong>rn und Bankern sehr tief. Man<br />

hatte Angst, dass, sollte Schockemöhle am En<strong>de</strong> gewinnen, ein Präjudiz<br />

geschaffen wür<strong>de</strong>.<br />

Offenbar war <strong>de</strong>r betroffene Richter bei seinem Urteil zugunsten <strong>de</strong>s<br />

Klägers nicht ganz klar im Kopf. So war die hörbare Meinung in Vaduz.<br />

Aber man hatte ja noch zwei weitere Instanzen plus <strong>de</strong>n<br />

Staatsgerichtshof. <strong>Die</strong> wer<strong>de</strong>n über die Sache schon richtig richten.<br />

RA Müller hatte mir schon im Herbst 2003 gesagt, dass es praktisch<br />

unmöglich wäre, dass Batliner verlieren wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>s sei unter <strong>de</strong>n<br />

632


heimischen Juristen so klar wie das Sonnenlicht. Viele wun<strong>de</strong>rten sich in<br />

Vaduz sowieso, warum niemand Schockemöhle gesagt hatte, dass er nie<br />

eine Chance haben wür<strong>de</strong>. So hatte dann auch <strong>de</strong>r Oberste Gerichtshof<br />

im September 2004 entschie<strong>de</strong>n, dass er keinen Anspruch auf<br />

Scha<strong>de</strong>nsersatz hatte.<br />

In <strong>de</strong>r Folge gelangte er noch einmal an <strong>de</strong>n Obersten Gerichtshof und<br />

zwei Mal an <strong>de</strong>n Staatsgerichtshof und mit <strong>de</strong>ssen letztem Urteil vom<br />

September 2006 war <strong>de</strong>r Kampf für Schockemöhle nach über sechs<br />

Jahren Streiterei vorbei. Batliner musste ihm keinen Rappen bezahlen.<br />

Und Schockemöhle musste auch ein paar hun<strong>de</strong>rttausend Franken für<br />

die Kosten <strong>de</strong>s Anwalts seines Gegners Dr. Batliner hinblättern.<br />

In <strong>de</strong>r Tat wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m letzten Urteil ein Präjudiz geschaffen, und<br />

zwar 100 Prozent zugunsten Liechtensteins. Mit <strong>de</strong>m Scheitern von<br />

Schockemöhle hatte die Justiz in Liechtenstein festgelegt, dass auch nach<br />

einer Verletzung von Treuhandpflichten durch einen Treuhän<strong>de</strong>r (bzw.<br />

Banker) o<strong>de</strong>r einem seiner Mitarbeiter, die Treuhandfirma (bzw. Bank)<br />

nicht scha<strong>de</strong>nsersatzpflichtig wäre.<br />

Man kann sich bildlich vorstellen, wie glücklich Hans-Adam und die<br />

Regierung heute sind, dass ein solches Urteil im 2006 ergangen war.<br />

Eigentlich müsste sie <strong>de</strong>m Paul heute Blumen und einen Scheck<br />

zuschicken o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st ein paar seiner Pfer<strong>de</strong> abkaufen.<br />

C)<br />

Nehmen wir wi<strong>de</strong>r besseren Wissens rein hypothetisch an, dass auf<br />

mysteriöse Weise ein einziger Kun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r LGT o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r LLB mit einer<br />

Scha<strong>de</strong>nsersatzklage am En<strong>de</strong> erfolgreich sein wür<strong>de</strong>. Dann müsste<br />

Liechtenstein in einer Kettenreaktion hun<strong>de</strong>rte von Millionen an<br />

Scha<strong>de</strong>nersatz an alle erwischten Kun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r LGT o<strong>de</strong>r LLB zahlen.<br />

Und das, „liebe (EX-) Kundschaft", ist nicht im Sinne <strong>de</strong>r Herrschen<strong>de</strong>n<br />

im Ländle. Vorher wür<strong>de</strong> Hans-Adam seine Macht nutzten und ein<br />

neues Gesetzt erlassen, das Rückwirkend die Verantwortung in solchen<br />

Fällen komplett ausschliessen wür<strong>de</strong>. Sollte das nichts bringen, wür<strong>de</strong> er<br />

die Vollstreckung eines solchen Zivilurteils zu verhin<strong>de</strong>rn wissen. Da er<br />

ja die Gerichte „kontrolliert‚.<br />

633


D)<br />

Nehmen wir mal jetzt fiktiv an, dass die Grün<strong>de</strong> A),B) + C) nicht<br />

existieren wür<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r die Grundlagen dafür nicht vorhan<strong>de</strong>n wären.<br />

Trotz<strong>de</strong>m hätte kein Kun<strong>de</strong> auch nur die winzigste Chance einen<br />

Franken zu erhalten. Auch ohne die unzähligen möglichen<br />

Scha<strong>de</strong>nsersatzklagen müsste das Gericht in Vaduz eigentlich über die<br />

nächsten Jahrzehnte hinaus voll ausgelastet sein. Da <strong>de</strong>r kriminelle<br />

Hintergrund <strong>de</strong>r Vermögen von unzähligen Kun<strong>de</strong>n mehr und mehr ans<br />

Tageslicht kommt, wer<strong>de</strong>n unzählige Län<strong>de</strong>r tonnenweise weitere<br />

Unterlagen von Vaduz anfor<strong>de</strong>rn.<br />

<strong>Die</strong> Staatsanwaltschaft in Vaduz müsste daher in Wirklichkeit hun<strong>de</strong>rte<br />

von Strafverfahren eröffnen, weil nahezu alle vorgefun<strong>de</strong>nen<br />

kriminellen Handlungen (wie z.B. Geldwäscherei, alle Arten von Betrug,<br />

Korruption, Insi<strong>de</strong>rhan<strong>de</strong>l etc.) auch in Liechtenstein verfolgt wer<strong>de</strong>n<br />

müssten. Seit spätestens <strong>de</strong>m 01.01.2001 kann sich keiner <strong>de</strong>r noblen<br />

Treuhän<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Banker hinter <strong>de</strong>r alten, oft genutzten Ausre<strong>de</strong> „Ich<br />

wusste von nichts" verstecken.<br />

Das strengere Sorgfaltspflichtgesetzt führte die Beweisumkehr ein: Nicht<br />

mehr die STA muss <strong>de</strong>m Treuhän<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Banker nachweisen, dass<br />

sie etwas von <strong>de</strong>n kriminellen Handlungen wussten, son<strong>de</strong>rn umgekehrt<br />

muss <strong>de</strong>r Treuhän<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Banker beweisen, dass sie von nichts<br />

wussten, <strong>de</strong>nn „Nichtwissen schützt vor Strafe nicht“.<br />

Praktischerweise haben die ausländischen Behör<strong>de</strong>n die diesbezüglichen<br />

internen Schulungsunterlagen <strong>de</strong>r Treuhand auch in ihre Finger kriegen<br />

können. Rausre<strong>de</strong>n kann sich somit die LGT schon mal gar nicht. Na ja,<br />

so gesehen hat sich auch nicht viel geän<strong>de</strong>rt, da die STA auch an einer<br />

Kopfkrankheit lei<strong>de</strong>t: <strong>de</strong>r Strafuntersuchungs-Eröffnungs-Amnesie.<br />

Dessen ungeachtet müssten letztlich die betroffenen Treuhän<strong>de</strong>r und<br />

Bankberater jetzt mit einem Strafverfahren und einer Verurteilung<br />

rechnen. <strong>Die</strong>s be<strong>de</strong>utet, dass die Richter in Vaduz (z.B. LR Uwe Oehri -<br />

arbeitet <strong>de</strong>r noch dort?) wirklich keine Zeit für Scha<strong>de</strong>nsersatzklagen<br />

erwischter Kun<strong>de</strong>n haben.<br />

In Anbetracht <strong>de</strong>r neuen Situation müsste Vaduz jetzt schon anfangen,<br />

eine neue, eigene, grosse Langzeithaftanstalt in Liechtenstein zu bauen.<br />

Einerseits um genügen Platz für die verurteilten Mittäter aus<br />

Liechtenstein zu haben und an<strong>de</strong>rerseits um zu verhin<strong>de</strong>rn, dass keiner<br />

634


von <strong>de</strong>nen dann auf dieselbe I<strong>de</strong>e wie Roland Lampert kommt, <strong>de</strong>r<br />

irgendwie während seinem Aufenthalt in <strong>de</strong>r Österreichischen Haftanstalt<br />

die LLB=<strong>Daten</strong> weitergeben, o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren Versteck preisgeben konnte.<br />

Ja, wie steht es eigentlich um <strong>de</strong>n LLB-Fall?<br />

Ich habe <strong>de</strong>n schweren Verdacht, dass dort das letzte Kapitel noch lange<br />

nicht aufgeschlagen wird. Er wur<strong>de</strong> am 14.11.2006 wegen <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m<br />

Gefängnis fortgeführten Erpressung nochmals zu sechs Jahren<br />

verurteilt. Fürs Publikum völlig überraschend wur<strong>de</strong> er vom Gericht -<br />

wenn ich mich nicht irre ohne <strong>de</strong>n Antrag <strong>de</strong>r STA - zusätzlich auch für<br />

eine unbefristete Zeit zur Verwahrung in einer Art „Anstalt für geistig<br />

für abnorme Kriminalverbrecher" verdonnert.<br />

Seltsam, sehr seltsam. In einer solchen Anstalt (in Österreich) wer<strong>de</strong>n<br />

Zuhälter, Pädophilie o<strong>de</strong>r Mör<strong>de</strong>r nur unter beson<strong>de</strong>ren Umstän<strong>de</strong>n<br />

gesteckt. Keine <strong>Daten</strong>-<strong><strong>Die</strong>b</strong>e, selbst wenn sie Millionen erpressten. In<br />

Vaduz halten sich hartnäckig Gerüchte, dass Lampert viel mehr<br />

schädigen<strong>de</strong>s Wissen über die LLB hat, als die paar tausend<br />

ausgedruckten Vermögenslisten <strong>de</strong>utscher Kun<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Regierung<br />

fürchtete daher, dass Lampert, sollte er irgendwann wie<strong>de</strong>r entlassen<br />

wer<strong>de</strong>n, was anzunehmen war, <strong>de</strong>r LLB und <strong>de</strong>m Land mit seinem<br />

Wissen noch grösseren Scha<strong>de</strong>n zufügen. Durch die Verwahrung kann<br />

die Regierung sicherstellen, dass Lampert nach Ablauf <strong>de</strong>r normalen<br />

Haftstrafe nicht automatisch entlassen wird. Nur ein positives<br />

psychologisches Gutachten kann ihn aus <strong>de</strong>r Anstalt bringen.<br />

Wer will mit mir wetten, dass Lampert nie mehr ungesiebte Luft atmen<br />

wird?<br />

<strong>Die</strong> Regierung in Vaduz wird schon dafür Sorge tragen, dass man die<br />

"richtigen" Arztbefun<strong>de</strong> vorlegt.<br />

<strong>Der</strong> Gesundheit <strong>de</strong>r hohen Finanz-Herren zu liebe.<br />

635


KAPITEL 36 Letzter Akt ! Vorhang auf für . . . .<br />

Helmut Roegele & Frau.<br />

Lei<strong>de</strong>r sind er und seine Frau die einzigen ungerechtfertigte Gewinner<br />

<strong>de</strong>r ganzen Geschichte. Nicht nur konnten sie sich bis heute einer<br />

gerechten Strafe für ihre schweren Verbrechen in Argentinien, <strong>de</strong>r<br />

Falschaussagen in Barcelona und Vaduz entziehen, sie sind dafür mit <strong>de</strong>r<br />

Hilfe Liechtensteins auch noch fürstlich belohnt wor<strong>de</strong>n. Es ist für mich<br />

immer noch unfassbar. Ich bin mir aber sicher, dass sie schon bald ihre<br />

Vergangenheit einholen wird und sie die Verantwortung für ihre Taten<br />

übernehmen wer<strong>de</strong>n müssen.<br />

Marioano M.V.-R und Söhne Marco und Mario.<br />

Offenbar lebt Mariano immer noch auf <strong>de</strong>r Farm in Argentinien. <strong>Die</strong><br />

Farm steht seit Jahren zum Verkauf (siehe auch Internetliste). Ein<br />

verrückter Gedanke: Ich könnte die Farm locker kaufen. Und dafür einen<br />

Anwalt vorschieben, sodass Mariano nicht wüsste, dass ich <strong>de</strong>r Käufer<br />

wäre. Dann ihm samt seinen Söhnen mit einem ‚Überraschungsbesuch‚<br />

als neuer Besitzer überraschen. Für ihn wie für seine zwei Söhne<br />

wünsche ich mir sehr, dass sie eines Tages die gerechte Strafe für meine<br />

Entführung und Folterung erhalten wer<strong>de</strong>n. Wie immer die Strafe<br />

aussehen mag.<br />

RA Wolfgang Müller<br />

RA Wolfgang Müller und seine Kanzlei wur<strong>de</strong> von Hans-Adam<br />

höchstpersönlich ausgesucht, gebucht und bezahlt. Er wollte mit <strong>de</strong>r<br />

Wahl <strong>de</strong>s ihm zu treuen <strong>Die</strong>nsten Untergebenen Müller sicherstellen,<br />

dass alles so ablaufen wür<strong>de</strong>, wie er es sich gewünscht hatte.<br />

Das Verhältnis konnte nicht bizarrer sein: Müller war mein<br />

Rechtsanwalt, <strong>de</strong>r von meinen "Gegnern" bezahlt wur<strong>de</strong>. Er war zu<strong>de</strong>m<br />

gemäss einer geheimen, stillen Abmachung zwischen seiner Kanzlei und<br />

<strong>de</strong>m Alleinherrscher strickt an seine Anordnungen gebun<strong>de</strong>n. Er könnte<br />

sehr vieles von <strong>de</strong>m bestätigen, was ich in diesem Buch geschrieben<br />

habe. Dass dies nie <strong>de</strong>r Fall sein wür<strong>de</strong>, hatte ich sehr schnell lernen<br />

müssen, als ich diverse Zeitungen aufgeschlagen habe. Seit Februar 2008<br />

verstösst er gravierend gegen <strong>de</strong>n Anwaltsethos und die rechtliche<br />

636


Grundlage. Ohne dass ich ihn von <strong>de</strong>r anwaltschaftlichen<br />

Schweigepflicht befreit habe, fühlt er sich offenbar dazu berufen,<br />

öffentliche Kommentare über mich als seinen Mandaten zu machen.<br />

Wenn er dies zur rechtlichen o<strong>de</strong>r moralischen Unterstützung meiner<br />

Anliegen und Handlungen machen wür<strong>de</strong>, könnte ich es noch verstehen.<br />

Dass er aber ins gleiche Horn wie Hans-Adam, die STA und die<br />

Regierung bläst, macht einen doch schon beson<strong>de</strong>rs traurig.<br />

Erstaunt darüber bin ich absolut nicht. Es ist klar ersichtlich, dass die<br />

ganze Kanzlei Müller auf Anordnung von oben Teil <strong>de</strong>r<br />

Verteidigungsstrategie von Hans-Adam gewor<strong>de</strong>n ist. Ich fin<strong>de</strong> dies<br />

extrem perfi<strong>de</strong>, da <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sführer die natürliche Glaubwürdigkeit <strong>de</strong>s<br />

„eigenen" RA ausnutzt.<br />

Niemand wür<strong>de</strong> nämlich auf die I<strong>de</strong>e kommen, dass Müller etwas<br />

Unwahres über mich sagen könnte, selbst wenn es etwas Negatives ist.<br />

Lei<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong> ich wohl vergebens hoffen, dass die Kanzlei Müller in<br />

Zukunft jeglichen Kommentar über mich und meine Fälle unterlassen<br />

wird.<br />

<strong>Der</strong> Professor<br />

Ja, <strong>de</strong>r Professor. Ich hoffe es geht ihm gut. Ich hoffe auch, dass er mit<br />

seinen üblichen Fällen, bei <strong>de</strong>nen es eher um totes Fleisch geht, mehr<br />

Erfolg hat als bei meinem Fall. Man kann ihm überhaupt gar nichts<br />

vorwerfen.<br />

Als im Sommer 2007 die ersten Drähte nach Liechtenstein heiss gelaufen<br />

waren, nach<strong>de</strong>m erschreckte Kun<strong>de</strong>n aus England o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n USA mehr<br />

o<strong>de</strong>r weniger diskret aber nervös bei <strong>de</strong>r LGT nachfragten, warum sie<br />

plötzlich auf <strong>de</strong>r Zielscheibe diverser heimischer Behör<strong>de</strong>n waren,<br />

beauftragte Hans-Adam via LGT <strong>de</strong>n Professor, um von mir<br />

herauszufin<strong>de</strong>n, ob ich damit etwas zu tun haben könnte.<br />

<strong>Der</strong> Professor hatte mir dann eine Email geschrieben, auf eine<br />

Emailadresse, die nur er kannte. Er fragte höflich nach, ob alles OK wäre,<br />

wo ich mich aufhalten wür<strong>de</strong> und was ich so machen wür<strong>de</strong>. Natürlich<br />

hätte ich im irgen<strong>de</strong>twas zurück schreiben können, aber mein Racheplan<br />

war schon mehr als zur Hälfte erledigt. <strong>Die</strong>s war aber nicht <strong>de</strong>r<br />

Hauptgrund, warum ich nie wie<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Professor kommuniziert<br />

hatte. Im gleichen Zeitraum gab es zwischen meinen Gegnern und <strong>de</strong>ren<br />

diversen „Aussenposten" mehreren Schrift- und an<strong>de</strong>re Arten von<br />

Verständigungsverkehr. <strong>Die</strong>se und spätere Kommunikation konnte von<br />

637


Dritten , na sagen wir es mal so, "mitgelesen" wer<strong>de</strong>n und wur<strong>de</strong>n mir<br />

dann vorgelegt.<br />

Darin waren unter an<strong>de</strong>rem spezifische Details vermerkt, die nur <strong>de</strong>r<br />

Professor, Hans-Adam und ich wissen konnten. Damit war für mich<br />

klar, dass er immer noch im Sol<strong>de</strong> von Hans-Adam stand und ich ihm<br />

wie<strong>de</strong>rum nicht zu 100 Prozent trauen konnte. Ich wünsche ihm und<br />

seiner Familie trotz allem nur das Beste.<br />

<strong>Der</strong> Bankdirektor<br />

Er ist einer <strong>de</strong>r Verlierer dieser Geschichte. Ich hoffe aber, dass er seinen<br />

Kopf über <strong>de</strong>m Wasser halten kann und irgendwie und irgendwann in<br />

<strong>de</strong>r Lage sein wird, etwas Positives aus <strong>de</strong>r ganzen Sache mitzunehmen.<br />

Ich wünsche ihm und seiner Familie Gesundheit und Frie<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> LGT<br />

<strong>Die</strong> LGT ist einer <strong>de</strong>r grossen Verlierer. Man kann fast sagen, dass sie am<br />

En<strong>de</strong> über ihren eigenen, unglaublichen Erfolg <strong>de</strong>r letzten 10 Jahre<br />

gestolpert ist. <strong>Die</strong> über 1000 Mitarbeiter sind mit Ausnahme <strong>de</strong>r<br />

"Teppichetage" allesamt normale Mitarbeiter, die nur ihren Job machen.<br />

<strong>Die</strong> Geschäftsstrategien, die illegalen Tricks und die Liechtensteiner<br />

OMERTA wur<strong>de</strong>n alleine von <strong>de</strong>n Topmanagern und <strong>de</strong>n Besitzern<br />

formuliert, ausgetüftelt und kultiviert. Gemäss eigenen Angaben hat die<br />

LGT angeblich ihre Geschäftsphilosophie geän<strong>de</strong>rt: weg vom Fokus auf<br />

eine Steuereliminierung, bzw. Steueroptimierung (wie sie es genannt<br />

haben wollen), hin zur echten Vermögensverwaltung. Ich bin mir sicher,<br />

dass dann die LGT <strong>de</strong>n ganzen Sturm überleben wird.<br />

Liechtenstein<br />

Liechtenstein, mein Liechtenstein. Auch ein grosser Verlierer in diesem<br />

ganzen Drama, weil man im Ausland das ganze Volk kollektiv in<br />

dieselbe Schüssel wirft. Was natürlich völliger Unsinn ist. Nie hätte ich<br />

mir gewünscht, dass ich in <strong>de</strong>n Augen meiner Landsleute als<br />

Lan<strong>de</strong>sverräter en<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>.<br />

Ich hoffe <strong>de</strong>nnoch, dass vielleicht einige meiner Landsleute mich jetzt,<br />

mit diesem Buch besser verstehen können und nicht allzu harsch über<br />

mich urteilen wer<strong>de</strong>n. Insbeson<strong>de</strong>re all jene, die ich als meine Freun<strong>de</strong><br />

638


ezeichne. Nochmals liebe Grüsse von hier aus. Breite Zustimmung <strong>de</strong>s<br />

Volkes zu meinem Han<strong>de</strong>ln kann ich natürlich nicht erwarten. Dazu sind<br />

zu viele Menschen zu innig mit <strong>de</strong>m Geld, <strong>de</strong>r Macht und ihrem eigenen<br />

Egoismus verheiratet. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich mir dies<br />

überhaupt wünschen wür<strong>de</strong>. Und wenn wir ehrlich sind, dann sind die,<br />

die am lautesten "Lan<strong>de</strong>sverräter" schreien, exakt jene, die in <strong>de</strong>n letzten<br />

zehn bis 15 Jahren ihr Geld mit hauptsächlich schmutzigen Geschäften<br />

verdient hatten und dies vor allem auf Kosten an<strong>de</strong>rer Gesellschaften<br />

rund um <strong>de</strong>n Globus.<br />

Ich bin mir bewusst, dass ich einigen Leuten (insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>n<br />

Treuhän<strong>de</strong>rn und Bankern) <strong>de</strong>ren $$$-Träume vom schnellerem o<strong>de</strong>r<br />

noch grösserem Reichtum zerstört, o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st massiv gestört habe.<br />

Liechtenstein i<strong>de</strong>ntifiziert sich aber nicht über solche Menschen.<br />

Aber was ist eigentlich die Definition von "Lan<strong>de</strong>sverräter"? Bin ich<br />

einer, weil ich <strong>Daten</strong> verraten habe, die belegen, dass viele Mandate<br />

einen kriminellen Hintergrund haben? Liegt <strong>de</strong>r Sinn einer<br />

Verpflichtung zur Verschwiegenheit, die je<strong>de</strong>r unterzeichnen muss, <strong>de</strong>r<br />

im Finanzsektor in Liechtenstein arbeiten möchte, nur darin, sich <strong>de</strong>r<br />

lokalen OMERTA unter zu werfen?<br />

Wer weiss, vielleicht habe ich mit meinem Han<strong>de</strong>ln auch beim einem<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Bürger einen Denkprozess ausgelöst. Vielleicht fragen<br />

sich die Leute nun, ob es <strong>de</strong>nn immer so weiter gehen kann, könnte o<strong>de</strong>r<br />

sollte. Ob wir nicht alle am trügerischen Glauben an die angebliche<br />

Notwendigkeit eines alles dominieren<strong>de</strong>n <strong>Fürst</strong>enhauses hängen. Ich<br />

habe schon vernommen, dass sich in meiner alten Heimat mehr und<br />

mehr Menschen mit diesen o<strong>de</strong>r ähnlichen Fragen beschäftigen.<br />

Vielleicht sollte die Regierung in Vaduz die teuren Botschaften in<br />

Washington o<strong>de</strong>r Berlin, das neue Netz von Honorarkonsulate in<br />

Deutschland und an<strong>de</strong>rswo dafür nutzten, <strong>de</strong>n frischen Weg, <strong>de</strong>n<br />

Liechtenstein gehen sollte aufzuzeigen, anstellte <strong>de</strong>m Ausland ständig<br />

nur Lie<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r alten Propagandasammlung über die angebliche<br />

Sauberkeit <strong>de</strong>s Finanzplatzes vorzusingen. Es ist keiner mehr da, <strong>de</strong>r<br />

ihnen das noch glaubt.<br />

Hans-Adam<br />

Unser Hans! Sicherlich ist es einigen meiner Leser aufgefallen, dass ich<br />

ihn und seinen Erstgeborenen Alois ständig nur mit Vornamen erwähnt<br />

habe. Mit Ausnahme im Buchtitel, im Vorwort und in <strong>de</strong>n Originaltext-<br />

639


Einfügungen habe ich ihr A<strong>de</strong>lsdiplom weggelassen. <strong>Die</strong>s nicht aus<br />

Respektlosigkeit o<strong>de</strong>r umstürzlerischen Gedanken.<br />

Ich habe <strong>de</strong>n A<strong>de</strong>lstitel bewusst unterlassen und jene <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s-<br />

"Führer" (!) bewusst geschrieben. Für mich ist er kein <strong>Fürst</strong>, bzw.<br />

Erbprinz mehr, nicht einmal eines Titels ist er noch würdig. <strong>Die</strong>se Worte<br />

aus meiner Hand schmerzen sehr. Ich war einer <strong>de</strong>r am meisten an ihn<br />

geglaubt hat. Auch wenn es am En<strong>de</strong> nur Gutgläubigkeit war. Sie haben<br />

keine Autorität mehr. Sie bei<strong>de</strong> sind einfach nur noch normale Bürger<br />

Liechtensteins.<br />

Früher kam es uns im Ländle manchmal so vor, als wür<strong>de</strong> Hans-Adam<br />

liebend gerne das A<strong>de</strong>lskostüm abstreifen, um als ein anonymer (aber<br />

sehr reicher) Mann das Leben weiterzuführen. <strong>Der</strong> von ihm sporadisch<br />

vermittelte Eindruck, dass er lieber ein Privatmann wäre, ist in Wahrheit<br />

eine geniale psychologische Nebelgranate. Hans-Adams hörige<br />

Untertanen wer<strong>de</strong>n nämlich gleich nervös, wenn er einen solchen Spruch<br />

ablässt. Dafür gibt es keinen Grund. Bei näherer Betrachtung seines<br />

Umfeld und einer Analyse seiner Handlungen stellt man fest, dass er das<br />

Land Liechtenstein als (s)ein <strong>Fürst</strong>entum dringend braucht, um vor<br />

allem seinen exklusiven, gigantischen wirtschaftlichen Vorteil daraus<br />

beibehalten zu können. In <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Welt ist er auf ein Volk<br />

angewiesen, das Volk auf seine Sippe aber nicht.<br />

Viele Liechtensteiner sind sich nicht bewusst, in welchem massiven<br />

Umfang <strong>de</strong>r Clan auf Kosten ihrer eigenen Gesellschaft profitiert und<br />

auch <strong>de</strong>m Land scha<strong>de</strong>t. Während die gut integrierte, ausländische<br />

Bevölkerung bis zu zehn Jahre warten muss, um endlich die<br />

liechtensteinische Staatsbürgerschaft zu erhalten, kann Hans-Adam<br />

je<strong>de</strong>m x-beliebigen Auslän<strong>de</strong>r über Nacht die Staatsbürgerschaft<br />

verleihen (und er nutzt dies rege). Oft geschieht dies ohne dass <strong>de</strong>r<br />

„Neubürger" o<strong>de</strong>r die „Neubürgerin" auch nur einen Tag in<br />

Liechtenstein gelebt hatte, geschweige <strong>de</strong>nn dort je einen Wohnsitz inne<br />

hatte.<br />

Noch schlimmer ist seine Praxis, seinen grossen Familien- und<br />

Verwandtenkreis mit Diplomatenpässen zu versorgen, hauptsächlich für<br />

die Hilfe bei <strong>de</strong>r Abwicklung von internationalen „Geschäften" seines<br />

Wirtschaftsimperiums. Aber auch für das „sorgenfreie" weltweite Reisen<br />

und als Statussymbol eignen sie sich nicht schlecht. Warum, so sollte<br />

man sich in Vaduzer Regierungshaus und im Parlament (ja so etwas gibt<br />

es in Vaduz auch) dringen mal fragen, wer<strong>de</strong>n solche Leute mit<br />

Diplomatenpässen ausgestattet, obwohl sie (mit ganz wenigen<br />

640


Ausnahmen) nicht o<strong>de</strong>r sehr selten im wahren <strong>Die</strong>nste <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s<br />

unterwegs sind?<br />

<strong>Die</strong> Regierung und das Parlament haben nicht einmal <strong>de</strong>n Überblick<br />

darüber, wem, wann und vor allem warum die liechtensteinische<br />

Staatsbürgerschaft und/o<strong>de</strong>r ein Liechtensteiner Diplomatenpass<br />

zugestan<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>. Meiner Schätzung nach sind es rund 300<br />

Diplomatenpässe. Auch leistet sein Clan keinen persönlichen Beitrag zu<br />

<strong>de</strong>n Erhaltungskosten <strong>de</strong>s mo<strong>de</strong>rnen Staats. Sein ganzer Clan zahlt z.B.<br />

keine Steuern o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Abgaben. Und das, obwohl die Steuersätze so<br />

niedrig wie nirgends in Europa sind. Seit immer begrün<strong>de</strong>t Hans-Adam<br />

diese Son<strong>de</strong>rstellung damit, dass er dafür im Gegenzug „keinen Rappen"<br />

für die Aufgaben als regieren<strong>de</strong>r <strong>Fürst</strong> vom Staat verlangen wür<strong>de</strong>.<br />

Welche grossen Aufgaben? Es ist doch klar ersichtlich, dass 90 Prozent<br />

dieser Art von Arbeit von Hans-Adam und seinem Erbprinz dazu<br />

benutzt wer<strong>de</strong>n, ihre Machtposition zu sichern und ihr Imperium<br />

auszubauen. Worin ist da <strong>de</strong>r Nutzten für das Land? In England zahlt<br />

<strong>de</strong>r Staat <strong>de</strong>r königlichen Familie die Aufwendungen für ihre<br />

Repräsentationsaufgaben. <strong>Die</strong>se Familie erledigt aber hun<strong>de</strong>rte solcher<br />

Pflichten pro Jahr, penibel protokolliert. Ausser<strong>de</strong>m muss die Queen<br />

auch Steuern bezahlen.<br />

Liechtenstein wür<strong>de</strong> viel besser fahren, wenn man <strong>de</strong>m Staatsoberhaupt<br />

ein paar hun<strong>de</strong>rttausend Franken, besser 1 Million CHF, wenn es sein<br />

muss auch steuerfrei, in die Hand drückt, dazu noch zwei Polizisten,<br />

eine Privatsekretärin und einen Chauffeur bezahlt. Anschliessend sollte<br />

man alle Aktivitäten und vor allem die Profite <strong>de</strong>s <strong>Fürst</strong>enhauses wie bei<br />

allen Bürgern auch besteuern.<br />

<strong>Die</strong> Lan<strong>de</strong>skasse könnte alleine dadurch pro Jahr mehrere Millionen in<br />

zweistelliger Höhe einnehmen. Hans-Adam ist ein äusserst scharf<br />

kalkulieren<strong>de</strong>r Machtmensch. Er ist nicht dumm. Wür<strong>de</strong>n seine<br />

"Auslagen" für seine un<strong>de</strong>finierbare, schwammige „Repräsentation" <strong>de</strong>s<br />

Staat Liechtenstein auch nur einen einzigen Franken höher sein, als die<br />

Summe die er durch das Nichtbezahlen diverser Steuern und Abgaben<br />

einsparen kann, dann wäre er <strong>de</strong>r Erste am Montagmorgen, <strong>de</strong>r diese<br />

Situation abrupt been<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Es ist in <strong>de</strong>n Fluren <strong>de</strong>s Parlaments<br />

kein Geheimnis, dass die Kosten für Hans-Adam für die echte, reine<br />

Repräsentation <strong>de</strong>s Staates kleiner als 10% <strong>de</strong>r Summe ist, die er an<br />

Steuern und Abgaben pro Jahr bezahlen müsste. Vereinzelte Politiker<br />

hatten über solche I<strong>de</strong>en schon früher laut nachgedacht. Hans-Adams<br />

Antwort darauf war <strong>de</strong>utlich. Sollte das Land nur daran <strong>de</strong>nken, die<br />

641


Dreistigkeit zu haben, seinen Clan zu besteuern, wür<strong>de</strong> er Teile seines<br />

wirtschaftlichen Imperiums auslagern. Was dann zum Verlust von<br />

vielen einheimischen Arbeitsplätzen führen könnte. Kein Politiker<br />

könnte dies verantworten.<br />

Dabei vergessen sie, dass Hans-Adam nie seine Firmen von<br />

Liechtenstein ins Ausland verlagern wür<strong>de</strong>. Schon aus Steuergrün<strong>de</strong>n<br />

nicht.<br />

Hans-Adam ist es in <strong>de</strong>n letzten Jahren gelungen, zahllose<br />

Familienmitglie<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Verwandte auf Botschafterposten o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

wichtige Staatsjobs zu setzten. <strong>Die</strong>s im Übrigen ohne die wirkliche<br />

Mitsprache <strong>de</strong>r Politiker. Sie nickten alle diesbezüglichen fürstlichen<br />

Erlasse einfach ab. Es ist auch kein Geheimnis in Vaduz, das Hans-Adam<br />

alle Informationen, auf die seine Blutsverwandten dank <strong>de</strong>r Posten (z.B.<br />

als Botschafter o<strong>de</strong>r Verhandlungsführer für Belange mit <strong>de</strong>r EU) Zugriff<br />

haben, primär für seine privaten Interessen nutzt. Ein an<strong>de</strong>rer schöner<br />

Nebeneffekt ist auch nicht zu unterschätzen: Hans-Adam konnte auf<br />

Kosten <strong>de</strong>r Steuerzahler in Liechtenstein dadurch sichere und fette<br />

Verdienstmöglichkeiten für seinen Clan schaffen, was wie<strong>de</strong>rum seine<br />

Familienkasse schont. <strong>Die</strong>s unabhängig davon, ob die Person für die<br />

Aufgabe richtig ausgebil<strong>de</strong>t ist o<strong>de</strong>r nicht. Ausschlaggebend ist und war<br />

alleine das Namenskriterium "von und zu Liechtenstein".<br />

Sicherlich ist er reich genug, um eine ganze Armee anzustellen. Aber<br />

warum selber bezahlen, wenn man es ohne Mühe <strong>de</strong>m Staat aufbür<strong>de</strong>n<br />

kann?! Zu<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n solche Positionen auch dafür genutzt, um auf das<br />

wichtigste Familienziel hinzuarbeiten: lukrative Geschäftskontakte<br />

knüpfen, z.B. für die LGT Gruppe, um noch mehr Geld zu verdienen.<br />

Grossen Scha<strong>de</strong>n hat er <strong>de</strong>m Land zugeführt, als er seinen Privatkrieg<br />

mit <strong>de</strong>r Tschechischen Republik über das offizielle Liechtenstein<br />

weiterführte. Seit Jahrzehnten ist er wegen Län<strong>de</strong>reien, Schlössern und<br />

Kunstgegenstän<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n Tschechen im Streit (wegen <strong>de</strong>r Benes<br />

Dekrete aus 1945/46).<br />

Vor ein paar Jahren zwang er die Regierung in Vaduz „im Namen <strong>de</strong>s<br />

Volkes von Liechtenstein" Deutschland offiziell zu verklagen, weil<br />

Deutschland es in <strong>de</strong>n 90er Jahren „gewagt hatte", ihm ein Gemäl<strong>de</strong><br />

vorzuenthalten, dass die Tschechen als Leihgabe nach Köln geschickt<br />

hatten. Er behauptete, das Gemäl<strong>de</strong> (Szene um einen römischen Kalkhof)<br />

gehöre ihm und die Deutschen hätte es gefälligst auszuliefern. Auf eine<br />

642


solche Dreistigkeit muss man erst noch kommen. Man stelle sich das<br />

einmal vor: Hans-Adam verklagte Deutschland, weil sie ihm in seinen<br />

Augen unrecht getan hatten. Und zu Hause verdient er mit seiner LGT<br />

Gruppe viele Millionen im Jahr, die eigentlich <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen Staat, <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen Gesellschaft zustehen wür<strong>de</strong>n. <strong>Der</strong> ganze Prozess wur<strong>de</strong><br />

natürlich in allen Instanzen verloren und Liechtenstein musste mehr als<br />

eine Million CHF dafür hinblättern. Das Land Liechtenstein, Notabene.<br />

Nicht Hans-Adam.<br />

<strong>Der</strong> jüngste Scha<strong>de</strong>n ist <strong>de</strong>r Skandal um die LGT <strong>Daten</strong>. Obwohl ich <strong>de</strong>r<br />

Auslöser war, müsste Hans-Adam die Verantwortung für die<br />

schmutzigen Geschäfte, die Leichen übernehmen. Aber eben, müsste.<br />

Wie man auch an meinem Fall sehen konnte, kann Hans-Adam seine<br />

privaten Ziele auf Kosten <strong>de</strong>r Bevölkerung durchziehen, solange er sie<br />

alle zusammen kontrollieren und manipulieren kann, die Legislative,<br />

Exekutive und die Judikative, sowie alle Spitzenpolitiker <strong>de</strong>r 2 Parteien.<br />

Wie durchdacht er agiert zeigt sich auch bei einer an<strong>de</strong>ren Nebelgranate.<br />

Das über viele Jahre von ihm gepflegte Bild eines Volksfürsten ist in<br />

Wahrheit eine Chimäre. Es ist gera<strong>de</strong>zu faszinierend herauszufin<strong>de</strong>n,<br />

wie clever sein Clan <strong>de</strong>n Mythos vom einfachen, beschei<strong>de</strong>nen<br />

Lan<strong>de</strong>sfürsten verbreitet. Kein Privatjet, kein Rolls Royce, kein Pomp<br />

o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Extrem-Luxusgüter. Keine Klatschgeschichten, keine<br />

offiziellen Familienskandale o<strong>de</strong>r -dramen. Keine Prozesse und keine<br />

Exzesse. <strong>Die</strong>s alles soll uns das Gefühl eines schlichten, vor allem<br />

altruistischen Lan<strong>de</strong>sfürsten geben.<br />

Mehr und mehr Bürger lassen sich davon nicht mehr verblen<strong>de</strong>n, dass er<br />

<strong>de</strong>n üblichen Zutaten eines Feudalherren abgeneigt ist. Wer weiss schon,<br />

was er alles durch sein ausgeklügeltes, weltweit verzweigtes Netz von<br />

Stiftungen, Trusts und Briefkastenfirmen wirklich besitzt?<br />

OK, ich weiss ein wenig mehr als <strong>de</strong>r gewöhnliche Bürger. Schliesslich<br />

hatte ich Einblick in alle Unterlagen <strong>de</strong>r diversen Stiftungen und<br />

Anstalten. Alles aber im normalen Rahmen einer reichen Familie.<br />

Es ist ja nicht so, dass ihm niemand einen Lear-Jet o<strong>de</strong>r einen Ferrari<br />

verübeln wür<strong>de</strong>. Er soll sich kaufen was er will. Das Geld dafür hat er ja.<br />

Er soll aber damit aufhören, uns allen im Land eine Show vorzuführen,<br />

in <strong>de</strong>r er als ehrwürdiger, anspruchsloser, barmherziger Lan<strong>de</strong>svater die<br />

Hauptrolle spielt.<br />

643


Einer <strong>de</strong>r Hauptgrün<strong>de</strong> warum seine Familie all diese Strategien<br />

verfolgt, ist ihre in Stein gemeisselte Doktrin: Immer unter <strong>de</strong>m Radar<br />

bleiben. Nur dann können sie im Hintergrund ihre Ziele optimal und<br />

unbeobachtet verfolgen. Auf Kosten <strong>de</strong>r Allgemeinheit.<br />

Nie wer<strong>de</strong> ich seine Heuchelei vergessen, als im Dezember 2004 <strong>de</strong>r<br />

Tsunami über Thailand und an<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r hereinbrach. Das Radio<br />

brachte eine Son<strong>de</strong>rsendung darüber. Es wur<strong>de</strong> berichtet, dass Hans-<br />

Adam eine Spen<strong>de</strong> für die Opfer angekündigt hatte. Das ist aber nobel,<br />

dachte ich. Denn man hörte selten über eine Spen<strong>de</strong> seitens <strong>de</strong>r von<br />

Liechtensteins. Zuerst dachte ich, das Radio muss sich in <strong>de</strong>r Zahl geirrt<br />

haben. <strong>Die</strong> erwähnte Summe war (nur) CHF 15'000.-. Kann nicht sein,<br />

schoss es mir sofort durch <strong>de</strong>n Kopf. Wegen einer solch mickrigen<br />

Spen<strong>de</strong> eines Milliardärs wür<strong>de</strong> doch keiner eine Meldung machen.<br />

Aber das Radio hatte sich nicht versprochen. Schon komisch, dachten<br />

wohl auch alle an<strong>de</strong>ren Zuhörer. Sicherlich, kein Mensch schreibt Hans-<br />

Adam vor, wie viel er wem, wann und wo spen<strong>de</strong>n soll. Aber was soll<br />

die läppische Summe von CHF 15'000.-, fragte sich das Volk. Als die<br />

oben im Schloss die Lächerlichkeit <strong>de</strong>r Spen<strong>de</strong> begriffen, wur<strong>de</strong> schnell<br />

die Nachricht verbreitet, dass das <strong>Fürst</strong>enhaus oft "diskret" Spen<strong>de</strong>n<br />

wür<strong>de</strong>, was dann nicht gemel<strong>de</strong>t wür<strong>de</strong>.<br />

Ja, Ja - alles klar. Das Wort Diskret kennt man in Liechtenstein nur im<br />

Zusammenhang mit <strong>de</strong>r Annahme von fetter Kohle. Hans-Adam wollte<br />

uns wohl weiss machen, dass er „15 MIO." für die Opfer gespen<strong>de</strong>t hätte,<br />

aber aus Beschei<strong>de</strong>nheit nur 15'000.- kommuniziert hatte. Es war schon<br />

erstaunlich, dass er überhaupt einen Kommentar abgab.<br />

Erst knapp zwei Monate später, als <strong>de</strong>m <strong>Fürst</strong>enhaus wie<strong>de</strong>r ein Fauxpas<br />

passierte, begriffen wir warum. Es wur<strong>de</strong> bekannt, dass sich Hans-Adam<br />

ebenfalls im Dezember über Mittelsmänner bei einer Kunstauktion in<br />

London für mehr als 27 Millionen Euro <strong>de</strong>n teuersten Schrank <strong>de</strong>r Welt<br />

gekauft hat, das berühmten Badminton-Cabinet. Eigentlich hätte er<br />

inkognito bleiben sollen, aber <strong>de</strong>r von ihm beauftragte Agent war vom<br />

erfolgreichen Kauf so beflügelt, dass ihm <strong>de</strong>r Name <strong>de</strong>s wirklichen<br />

Käufers gegenüber <strong>de</strong>r ausländischen Presse über die Lippen rutschte.<br />

Man kann sichert sein, dass dieser Kunstagent (<strong>de</strong>r eigentlich ein<br />

Kurator war) in Zukunft keine Gelegenheit mehr haben wird, sich noch<br />

mal zu verplappern.<br />

644


Das waren zwei <strong>de</strong>r seltenen Momente, in <strong>de</strong>nen sein<br />

Kontrollmechanismus für die Regel "unter <strong>de</strong>r Radar bleiben" nicht<br />

funktioniert hatte.<br />

Erst in <strong>de</strong>n letzten Jahren ist mir klar gewor<strong>de</strong>n, wie Recht die Kritiker<br />

<strong>de</strong>s <strong>Fürst</strong>en eigentlich haben. Und wie brutal er, nur dank seinem vielen<br />

Geld, sie bis aufs Blut bekämpft, erniedrigt und <strong>de</strong>montiert. Wie alles,<br />

was nicht in seinen Kram passt. Er ist ein solcher Meister darin, seine<br />

Kritiker mit Worten abzuwerten und zu neutralisieren, dass es schwierig<br />

ist, auf Anhieb seine wahre Arglist zu erkennen.<br />

Egal ob es Kritiker sind, die bei<strong>de</strong>s, seine barocke politische Herrschaft<br />

und seinen Machtmissbrauch im Ländle zu Recht anprangern und<br />

<strong>de</strong>mokratisch än<strong>de</strong>rn wollen. Hans-Adams Kommentar darauf: Alles<br />

Lan<strong>de</strong>sverräter.<br />

Egal ob es sich um die armen Reisfarmer aus Indien o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rswo<br />

han<strong>de</strong>lt, die sich um ihr jahrhun<strong>de</strong>rtealtes Recht, Samen einer<br />

bestimmten Reissorte zu züchten, betrogen fühlen. Hans-Adams<br />

weltumspannen<strong>de</strong>s Reisimperium hatte dank seiner Geldmacht im<br />

Stillen diverses Saatgut von weltweit verbreiteten Reissorten patentieren<br />

lassen, sodass die Bauern nun keine Samen für die nächste Ernte selber<br />

herstellen, bzw. zurückbehalten dürfen und gezwungen wer<strong>de</strong>n, das<br />

Saatgut bei seiner Firma (RICETEC, mit Hauptsitz in Texas, USA) zu<br />

kaufen. Also für etwas bezahlen, was ihnen über Jahrhun<strong>de</strong>rte gratis zur<br />

Verfügung stand. Seit Jahren versuchen schwach ausgestattete NGO aus<br />

Drittweltlän<strong>de</strong>rn das Quasimonopol von Hans-Adam zu brechen. Ihr<br />

Argument könnte einfacher und richtiger nicht sein: Wie kam es, dass<br />

was bisher allen Reisbauern gemeinsam gehörte, auf einmal einer<br />

Reisfirma alleine gehört? Lei<strong>de</strong>r bisher erfolglos. Ricetec ist zu mächtig.<br />

Hans-Adams Kommentar dazu: "Mir wur<strong>de</strong> gesagt, dass die NGO's am<br />

Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Illegalität arbeiten."<br />

Es ist verrückt, <strong>de</strong>nn eigentlich tut Hans-Adam mir fast schon wie<strong>de</strong>r<br />

Leid. Er wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Geschichte dorthin gespült, wo er heute sitzt. Er<br />

muss dann irgendwann grossen Gefallen an <strong>de</strong>r Machtausübung<br />

gefun<strong>de</strong>n haben. Irgendwie ist er auch noch in einen an<strong>de</strong>ren Rausch<br />

gefallen. Aus <strong>de</strong>m er nicht mehr raus will. Das ist jetzt kein Witz! Er hat<br />

die fixe Illusion, in <strong>de</strong>r er am En<strong>de</strong> mit seiner LGT Gruppe alles<br />

Schwarzgeld dieser Welt kontrollieren und verwalten kann, wo er die<br />

645


ganze Welt mit seiner RICETEC ernähren kann und durch bei<strong>de</strong><br />

Milliar<strong>de</strong>n verdienen möchte.<br />

Das wäre doch mal ein gutes Thema für einen vertieften,<br />

wissenschaftlichen Dokumentationsbericht o<strong>de</strong>r ein Ansporn für<br />

investigativer Journalismus.<br />

David<br />

Ich hoffe nur, dass er <strong>de</strong>m ständigen Druck von Aussen weiterhin<br />

standhalten kann, die sich von ihm wünschen, die <strong>Daten</strong> ungefiltert ins<br />

Netz zu stellen, sodass die Gesellschaft als Ganzes sehen kann, in<br />

welchem Umfang die LGT, die Kun<strong>de</strong>n und an<strong>de</strong>re Handlanger ihnen<br />

enormen Scha<strong>de</strong>n zugefügt hatte.<br />

Heinrich Kieber<br />

Ach ja, ich bin ja auch noch da. O<strong>de</strong>r nicht mehr? Wer weiss dies schon.<br />

Auch ich bin ein Verlierer.<br />

And the Winner is<<br />

<strong>Die</strong> grossen Gewinner aus moralischer Sicht, und dies zu Recht, sind die<br />

ehrlichen Steuerzahler aller betroffenen Län<strong>de</strong>r und in ökonomischer<br />

Hinsicht die jeweilige Volksgemeinschaften als Ganzes. Weitere<br />

Gewinner sind die unzähligen, unbekannten Menschen, die Opfer eines<br />

<strong>de</strong>r vielen schmutzigen Geschäfte waren. Nicht, dass ihr persönlicher<br />

Scha<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r gutgemacht wird, aber zumin<strong>de</strong>st wer<strong>de</strong>n die Übeltäter<br />

dank <strong>de</strong>r <strong>Daten</strong> erwischt.<br />

646


EPILOG<br />

Ich bedanke mich bei euch allen für eure Zeit und Nerven mein Buch zu<br />

lesen. Ich bin auch froh endlich am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Buches angelangt zu sein.<br />

Es war ein harter Kampf mit mir selber; alles noch mal hautnah zu<br />

erleben. Ich fand es aber wichtig und richtig, das Buch zu schreiben.<br />

Es wur<strong>de</strong> dicker als ursprünglich vorgesehen. Locker hätte ich aber noch<br />

acht bis 13 weitere Kapitel im Buch verteilt einfügen können, aber man<br />

soll ja nicht alles Schiesspulver auf einmal abfeuern (Ich wollte es<br />

eigentlich noch nicht verraten, aber was soll's: Ich arbeite schon an <strong>de</strong>m<br />

nächsten Buch).<br />

Wie weiter jetzt? Das frage ich mich auch. Natürlich wer<strong>de</strong>n Hans-<br />

Adam, seine Clique, die Banken und Treuhän<strong>de</strong>r, die alt-neue Regierung<br />

und noch ein paar an<strong>de</strong>re keine helle Freu<strong>de</strong> haben. Es war ja von<br />

Anfang an klar, dass mein Buch keine Festtagsschrift mit Hochglanzfotos<br />

wird. Wer<strong>de</strong>n sie geschockt sein? Nein, sie wussten es ja. <strong>Der</strong> eine mehr,<br />

<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re weniger. Hätte ich wie<strong>de</strong>r schweigen sollen? OMERTA For<br />

Ever? Nein! Hätte ich das Buch nicht veröffentlichen sollen, weil Hans-<br />

Adam mich jetzt "noch mehr umbringen" (lassen) will? Nein!<br />

Ob er mich nun "nur" ein Mal o<strong>de</strong>r zehn Mal umbringen will, macht<br />

doch keinen Unterschied. Angst habe ich keine.<br />

Ich kann es wirklich kaum erwarten, wie Hans-Adam, seine Regierung<br />

und die an<strong>de</strong>ren hohen Finanz-Herren auf mein Buch reagieren wer<strong>de</strong>n.<br />

Sie hätten da (min<strong>de</strong>stens) zwei Möglichkeiten:<br />

Plan A) Liechtenstein erklärt mich einfach für verrückt. Ist die<br />

schnellste, einfachste und billigste Variante. Hans-Adam und die<br />

Regierung fin<strong>de</strong>n sicher „Wege‚, rückwirkend eine hochgradige Geistes-<br />

verstörtheit zu bestätigen, am Besten mit Arztzeugnis und<br />

Medikamentenverbrauch.<br />

Plan B) Hans-Adam macht sich an die Arbeit und sucht und bezahlt ca.<br />

zehn bis 20 Leute, die für je<strong>de</strong>s einzelne im Buch geschriebene Wort<br />

„amtlich bezeugen" können und „schwören" können, dass von 1997 bis<br />

2008 genau das Gegenteil stattgefun<strong>de</strong>n hat. Zugegeben, Plan B ist eine<br />

hartes Stück Arbeit. Zu<strong>de</strong>m müssten sie schnell reagieren. Nicht das es<br />

unmöglich wäre, finanziell und organisatorisch meine ich. Hans-Adam<br />

ist mit einem geschätzten Vermögen von 4 bis 4,5 Milliar<strong>de</strong>n CHF (ja<br />

647


auch er musste in <strong>de</strong>r momentanen Finanzkrise lei<strong>de</strong>n) einer <strong>de</strong>r<br />

reichsten Menschen in Europa und er könnte auch Plan B lässig aus <strong>de</strong>r<br />

Portokasse zahlen. Aber vermutlich wir er wie<strong>de</strong>r so clever sein und die<br />

Kosten (wie bisher) <strong>de</strong>r Staatskasse aufzwingen. <strong>Die</strong> Macht, nötigenfalls<br />

ein paar „unterstützen<strong>de</strong>" Dokumente produzieren zu lassen, hat er<br />

auch.<br />

Es wür<strong>de</strong> mich nicht verwun<strong>de</strong>rn, wenn er und die Regierung einen<br />

Schritt weitergehen und versuchen wür<strong>de</strong>n, mich stärker als bisher als<br />

<strong>de</strong>n Oberverbrecher zu porträtieren. Voraussichtlich wie<strong>de</strong>rum mit<br />

bezahlter „Hilfe" von scheinbar „neutralen" Personen, Institutionen o<strong>de</strong>r<br />

bisher völlig Unbeteiligten.<br />

Was immer sie machen wer<strong>de</strong>n, das Problem mit <strong>de</strong>r erdrücken<strong>de</strong>n<br />

Beweislast bleibt bestehen. Um die auszuradieren, müssten sie sich alle<br />

selber abschaffen. Was immer kommen mag, bitte, alles nur kein dünnes<br />

o<strong>de</strong>r schwammiges Dementi von Seiten <strong>de</strong>s <strong>Fürst</strong>enhauses, <strong>de</strong>r LGT, <strong>de</strong>r<br />

Regierung, <strong>de</strong>r Kanzlei Müller, <strong>de</strong>r Banken- und Treuhandvereinigung.<br />

<strong>Die</strong>ses Mal nicht.<br />

Ein herzhaftes ‚MEA CULPA‚ wäre doch nicht schlecht! Das wäre <strong>de</strong>r<br />

Hammer! Ein Eingeständnis <strong>de</strong>r Schuld ! Mit einem Schlag wür<strong>de</strong>n sie<br />

sich in Vaduz vor lauter neu gewonnener Sympathie nicht mehr retten<br />

können. O<strong>de</strong>r Hans-Adam schreibt auch selber ein Buch über seine<br />

Motive und Handlungen im Zusammenhang mit dieser Geschichte.<br />

Lassen wir uns mal überraschen.<br />

Oh, fast hätte ich es vergessen.<br />

<strong>Der</strong> Titel vorne auf <strong>de</strong>m Buchumschlag ist eigentlich <strong>de</strong>r Falsche. Es<br />

sollte nicht heissen:<br />

"<strong>Der</strong> <strong>Fürst</strong>. <strong>Der</strong> <strong><strong>Die</strong>b</strong>. <strong>Die</strong> <strong>Daten</strong>."<br />

<strong>Der</strong> richtige Buchtitel ist:<br />

"<strong>Der</strong> <strong>Fürst</strong>, <strong>de</strong>r <strong><strong>Die</strong>b</strong>! <strong>Die</strong> <strong>Daten</strong>."<br />

648


Wie die Geschichte gezeigt hatte, war ich zwar auch ein <strong><strong>Die</strong>b</strong>. Er ist aber<br />

in meinen Augen <strong>de</strong>r tausend Mal grössere <strong><strong>Die</strong>b</strong>, weil er sich auf Kosten<br />

<strong>de</strong>r Heimatlän<strong>de</strong>r seiner Kun<strong>de</strong>n bereichert. Wie eine Gierige Bestie !<br />

Moment Mal !, Da kommt mir gera<strong>de</strong> noch etwas in <strong>de</strong>n Sinn:<br />

‚Gierige Bestie‚, Hmmmm ?? Wo habe ich das schon mal gelesen ?<br />

Ach ja, es gibt ein Buch mit diesem Titel. Wer sucht <strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>t!<br />

Nochmals Dank an alle Menschen und Regierungen, die mir in <strong>de</strong>n<br />

letzten Jahren so ausdrücklich geholfen haben.<br />

In diesem Sinne: Happy Valentine’s Day 2009 -<br />

Heinrich Kieber,<br />

Washington DC - 14 th February 2009.<br />

Anm. zum Foto: Da ich schon an ausreichend prominenten Stellen mit Fotos vertreten bin,<br />

habe ich entschlossen dieses Foto von mir am En<strong>de</strong> meines Buches abzudrucken.<br />

Es ist ein Foto aus <strong>de</strong>r Serie für das LG Vaduz aus <strong>de</strong>m Jahre 1997.<br />

Es wur<strong>de</strong> auch von meinem Vater gemacht.<br />

649


Internetliste (in chronologischer Reihenfolge, <strong>de</strong>n Kapiteln folgend)<br />

www.estanciascampos.com.ar/w/Pag22/SF1000.html<br />

Anm.: Es ist die Folter-Farm in Saavedra! Mit Fotos. Lei<strong>de</strong>r ist eines vom Wasserturm nicht<br />

darunter. Nachforschungen von Dritten haben ergeben, dass die Farm von einem<br />

Schwiegersohn von Mariano für US$ 7,5 Mio. zum Verkauf ausgeschrieben wur<strong>de</strong>. Offenbar<br />

will sich Mariano wie<strong>de</strong>r nach Spanien zurückziehen. Keiner seiner Kin<strong>de</strong>r will auf <strong>de</strong>r Farm<br />

o<strong>de</strong>r in Argentinien bleiben. Eine Luftansicht <strong>de</strong>r Farm kann auf Google Earth gefun<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n: Latitu<strong>de</strong>: 37° 50' 06.04" S - Longitu<strong>de</strong>: 62° 16' 44.58" W<br />

www.saavedra.gov.ar/principal.htm<br />

www.<strong>de</strong>rspiegel.<strong>de</strong><br />

www.ft.com und www.ftd.<strong>de</strong><br />

www.zuerich.ch<br />

www.restaurant-blockhus.ch<br />

www.eschen.li<br />

www.gesetze.li und www.recht.li<br />

www.oecd.org und www.fatf-gafi.org<br />

www.coenbrothers.net/coens.html (über die Filmemachergebrue<strong>de</strong>r Coen)<br />

www.fma-li.li (man beachte <strong>de</strong>ren Jahresberichte)<br />

www.llv.li (für STA, Regierung und die Jahresberichte <strong>de</strong>r FIU)<br />

www.BAWAG.com<br />

www.spitalgrabs.ch<br />

www.balzers.li<br />

www.lihga.li<br />

www.radioL.li<br />

www.eurojust.europa.eu<br />

www.triesen.li<br />

www.pfarrei-vaduz.li<br />

www.malbuner.ch<br />

www.LGT.com<br />

www.kunstmuseum.li<br />

www.feldkirch.at<br />

www.mauren.li<br />

www.lan<strong>de</strong>sspital.li<br />

www.LLB.li<br />

www.schaan.li<br />

www.fuerstenhaus.li und www.sfl.li<br />

www.liechtenstein.li<br />

www.liechtenstein-institut.li<br />

650


www.gov.li<br />

www.tourismus.li<br />

(Eine Seite "www.terrorismus.li" mit einem Foto von mir hat<br />

Hans-Adam noch nicht erstellen lassen)<br />

www.malbun.li<br />

www.vaduz.li<br />

www.berlin.<strong>de</strong><br />

www.berliner-sparkasse.<strong>de</strong><br />

www.wg-zimmer.<strong>de</strong><br />

www.wohngelegenheit.<strong>de</strong><br />

www.catholic.org (<strong>Der</strong> Inhalt dieser Webseite hat sich heute sehr stark<br />

verän<strong>de</strong>rt, sprich radikalisiert; im Jahre 2003 war es mehr<br />

eine offene, liberale Seite für Katholiken)<br />

www.BKA.<strong>de</strong><br />

www.mitfahrgelegenheit.<strong>de</strong><br />

www.mitfahrzentrale.<strong>de</strong><br />

www.muenster.<strong>de</strong><br />

www.RIPOL.ch<br />

www.cityalbum.<strong>de</strong>/holland/amsterdam.htm<br />

www.amsterdam.nl<br />

www.amsterdam-webcams.com<br />

www.monnikendam.nl<br />

www.flowergar<strong>de</strong>n.nl<br />

www.canal.nl/<strong>de</strong>/<br />

www.parkplazaamsterdam.com (Hotel Viktoria)<br />

www.utrecht.nl<br />

www.vvv-volendam.nl/nl/wilkommen/<br />

www.marriott.com/hotels/travel/amsnt-amsterdam-marriott-hotel/<br />

www.karelv.nl/en<br />

www.sacher.com<br />

www.advokatur.li (Kanzlei RA W. Müller & Partner)<br />

www.buchs.ch<br />

www.weber-gastro.ch/gecco.htm<br />

www.RICETEC.com<br />

www.opus<strong>de</strong>i.org<br />

www.sf.tv/sf1/10vor10/in<strong>de</strong>x.php<br />

www.sbb.ch<br />

www.chefkoch.<strong>de</strong>/rezepte/134441057844861/Zuercher-<br />

Geschnetzeltes.html - 66k -<br />

651


www.spruengli.ch<br />

www.<strong>de</strong>.barcelona.com o<strong>de</strong>r www.bcn.cat/en/ihome.htm<br />

www.<strong>de</strong>in-suedafrika.<strong>de</strong>/<br />

www.fishhoek.com<br />

www.biotta.ch<br />

www.st.gallen.ch<br />

www.bnd.<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r www.bun<strong>de</strong>snachrichtendienst.<strong>de</strong><br />

www.TAXjustice.net<br />

www.GFIP.org (Organisationen im Kampf gegen Korruption & Geldwaesche)<br />

www.steuerzahler.<strong>de</strong><br />

www.hsgac.senate.gov/public (US-Senate Website)<br />

Ganzer Link um Untersuchungsbericht zur LGT:<br />

http://hsgac.senate.gov/public/in<strong>de</strong>x.cfm?FuseAction=Press.MinorityNews&Content<br />

Record_id=c9724a6a-1135-4cb8-9584-d474499e8131<br />

Ganzer Link zum US Senate Hearing vom 17.Juli 2008:<br />

http://hsgac.senate.gov/public/in<strong>de</strong>x.cfm?FuseAction=Hearings.Hearing&Hearing_id<br />

=3b2c1960-1147-4025-91a0-ed2cb728c962<br />

Ganzer Link zum US Senate Hearing vom 25.Juli 2008:<br />

http://hsgac.senate.gov/public/in<strong>de</strong>x.cfm?FuseAction=Hearings.Hearing&Hearing_id<br />

=41456e5b-26ae-4069-a6a0-70d94a232bee<br />

E N D E <strong>de</strong>s Buchs:<br />

‚<strong>Der</strong> <strong>Fürst</strong>, <strong>de</strong>r <strong><strong>Die</strong>b</strong>. <strong>Die</strong> <strong>Daten</strong>.‚<br />

Tatsachenbericht von Heinrich Kieber<br />

652

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