Psychosomatische Erkrankung als biographisches Ereignis am ...

436
Interpretationen des gewonnenen Datenmaterials – Ergebnisse des Forschungsprojekts…
Interview 11 mit Herrn L
also ... schriftliche Prüfungsangst hatte ich noch nie in meinem Leben aber die: kam dann eben
auch noch dazu weil ich halt wirklich, also ich habe einfach kein Vertrauen mehr in die
Leistungsfähigkeit meines Körpers gehabt ..., durch diese Virusgeschichte war ... der Auslöser
...“. 1766
Die Angst des Herrn L vor mündlichen und schriftlichen Prüfungen kann demnach als deutliche
Einschränkung in der Ausübung des Berufes gewertet werden. Zwar scheint der Patient
zumindest mündliche Prüfungen schon immer als unangenehm empfunden zu haben, der Aus-
bruch der Herzangst jedoch verschlimmert derartige Befürchtungen und veranlasst den
Patienten sogar dazu, an schriftlichen Prüfungen nicht teilzunehmen, das Studium also unfrei-
willig zu verlängern. Aus diesem Punkt ergibt sich, dass die Prüfungsangst größer und mächtiger
gewesen zu sein scheint als das konsequente Streben nach einem möglichst zeitigen Abschluss
des Studiums, der zu einem früheren Berufseintritt hätte führen können.
Im Bereich Partnerschaft und Familie gilt festzuhalten, dass die Herzangst des Herrn L zwar
Auswirkungen hatte, diese sich aber letztlich in Grenzen hielten. Über die Möglichkeit, dass es
sich bei der Symptomatik des Patienten um eine angstbedingte Einschränkung handelt, spricht
Herr L mit seiner Partnerin nicht von Anfang an, da er auch ihr gegenüber anfangs davon
überzeugt ist, dass es sich um eine Auswirkung des pfeifferschen Drüsenfiebers handle. 1767 Im
Laufe der Zeit jedoch ergibt es sich, dass der Patient mit seiner Freundin über die Möglichkeit
einer Angsterkrankung spricht: „... da habe ich dann erst später mit ihr darüber gesprochen, ...
dass ich da wohl doch irgendwie zwei Probleme habe oder ... die Angst vielleicht das
Hauptproblem ist! ... und habe mit ihr dann so darüber gesprochen, für die Beziehung man hat
halt nicht viel machen können ... wir haben auch einen Hund mit dem sind wir eben ab und zu
spazieren gegangen aber auch nicht so lange und ... wir haben halt zu Hause gekocht: und
weggegangen abends ist sie alleine ... die Aktivitäten ... haben sich halt ein bisschen haben sich
halt extrem eingeschränkt eingegrenzt.“ 1768
Obwohl ein derartiges Verhalten gerade am Anfang einer Beziehung in der Regel sicherlich
belastend wirkt, zeigt sich die Freundin des Herrn L relativ unbeeindruckt beziehungsweise der
Situation gegenüber hilflos: „ja! also ... wir haben uns eigentlich erst kurz vorher, wir sind gar
1766 Interview 11, S. 5 ff
1767 vgl. Interview 11, S. 8
1768 Interview 11, S. 8