Psychosomatische Erkrankung als biographisches Ereignis am ...

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10.12.2012 Aufrufe

5.11 Interview 11 mit Herrn L 428 Interpretationen des gewonnenen Datenmaterials – Ergebnisse des Forschungsprojekts… Interview 11 mit Herrn L Zum Zeitpunkt der Datenerhebung ist Herr L 29 Jahre alt, er lebt seit einiger Zeit mit seiner Freundin zusammen und betreibt das Studium der Rechtswissenschaften. Der Patient hat zwei Schwestern und ist der Sohn geschiedener Eltern. Die Angstkarriere des Patienten beginnt im Jahre 2003 mit dem Ausbruch eines pfeifferschen Drüsenfiebers, das zu ausgeprägtem Schon- und Vermeidungsverhalten führt, weil Herr L das Vertrauen in seinen Körper verliert. Allerdings betont der Patient auch, dass er bestimmten Situationen schon immer ängstlich gegenübertrat – das pfeiffersche Drüsenfieber scheint diese ‚Grundangst‘ jedoch auf viele Lebensbereiche übertragen zu haben. Herr L leidet an einer Herzneurose und eignet sich daher für die vorliegende Studie. 1751 Im Gespräch mit Herrn L zeigt sich klar und deutlich die Bandbreite vieler möglicher und typi- scher Auswirkungen einer Herzangst auf das Leben der Patienten. Der Kerninhalt besteht ins- gesamt einmal in der Schilderung der Ängste und Einschränkungen des Patienten schwer- punktmäßig während des Beginns und der Weiterentwicklung der Angst, die durch das pfeiffer- sche Drüsenfiber von einer ‚Grundängstlichkeit‘ in eine auf unterschiedliche Bereiche über- tragene Angst ‚transformiert‘ wurde, die Angsterkrankung hat das Leben des Patienten demnach innerhalb einer relativ kurzen Zeit massiv beeinflusst. Andererseits hat Herr L die klar formulierte Vorstellung, diesen Zustand nicht länger akzeptieren zu wollen – bezüglich der Fragestellung, was der Patient aus seiner Erkrankung macht, ergibt sich deutlich die Antwort, dass er nicht länger unter ihrem Einfluss leiden möchte, Herr L will wieder unbefangen leben können, die Angst soll ihm sein Leben nicht länger wegnehmen! In diesem Gespräch liegt der Schwerpunkt daher nicht auf den typischen Einschränkungen, zu denen die Herzneurose häufig führt, sondern auf dem Wunsch nach Veränderung des eigenen Lebens in vielfacher Hinsicht. In diesem Zu- sammenhang erscheint der Gewinn durch die Erkrankung im Sinne eines Profitierens im Hinblick auf die aktuelle Lebensführung und die Zukunftsplanung im Vergleich zum Leid zum Zeitpunkt des Interviews deutlich zu überwiegen! Diese Kernthese wird nun innerhalb der Bereiche, die im Leitfaden aufgeführt sind, belegt. 1751 weitere Angaben zum Patienten sind im Anhang nachzulesen

Interpretationen des gewonnenen Datenmaterials – Ergebnisse des Forschungsprojekts… Interview 11 mit Herrn L Zur Frage nach dem Beginn und der Weiterentwicklung der Herzangst weist Herr L darauf hin, dass er einen exakten Beginn nicht datieren könne, weil er schon länger in bestimmten Situationen Angst verspüre, zum Beispiel dann, wenn er Vorträge halten müsse oder im Mittel- punkt stehe. 1752 Eine wichtige Rolle im Hinblick auf die gesamte Angststeigerung spielt jedoch ein Tag im August 2003: „und dann habe ich ... Anfang August 2003 ... Golf gespielt und das war irgendwie vierzig Grad heiß - - und da bin ich dann ... zusammengebrochen ... also habe so Herzrasen bekommen, war total fertig auf einmal, musste in den Schatten gehen und auch da: ist es eigentlich nicht weggegangen, ... und dann bin ich nach Hause gefahren ... habe mich so ein paar Tage auskuriert aber es ist noch eine Schwäche geblieben, ... und dann bin ich zum Arzt gegangen der hat mir Blut abgenommen und hat dann ein pfeiffersches Drüsenfieber diagnostiziert, ... und das würde ich jetzt sagen war so der ... Auslöser ... für den Verlauf warum ich dann überhaupt jetzt da bei Doktor *Schmidt da in der Behandlung bin! ... und zwar - - hat sich das eben so ausgewirkt dass ... die Lymphknoten waren dann geschwollen, Fieber hatte ich keines aber eben habe immer so das Gefühl gehabt mein Herz ist total schwach, ... wenn ich ein paar Treppen steige ist das ... war das Herz einfach total schwach, war ich gleich außer Atem - - und das würde ich aber ehrlich gesagt nach wie vor führe ich das auf den Virus zurück weil da gibt es auch viele ... also da habe ich mich mittlerweile ... ziemlich erkundigt weil ich da so Probleme hatte und - - war auch bei vielen Ärzten und da ist mir eigentlich schon oft jetzt berichtet worden dass beispielsweise ein Marathonläufer da Probleme hat und danach noch einen Kilometer zu laufen oder überhaupt eine solche Schwäche eben viele Leute noch haben über eine bestimmte Zeit, ... nach dieser Virusinfektion, ...“. 1753 Herr L führt also die Herzsensationen sowie das Schwächegefühl zunächst (und teilweise noch immer) auf das pfeiffersche Drüsenfieber zurück, das die Initialzündung der eigentlichen Herzangst darstellt. In der Folgezeit wird hingegen immer klarer, dass neben der Virusinfektion noch ein weiterer Faktor vorliegen muss, der Herrn L Probleme bereitet, obwohl er die Infektion immer wieder hinter der Symptomatik der Angst vermutet: „und da: also wie gesagt hatte ich diese Schwäche und die: hat mir eben dann Probleme gemacht, ... und zwar bin ich dann ein paar Wochen später; also ich hatte Antibiotika vom Arzt, dann war die Lymphknotengeschichte ... dann relativ schnell abgeklungen und ich habe mich auch besser gefühlt aber nicht so ganz 1752 vgl. Interview 11, S. 3 1753 Interview 11, S. 3 f 429

5.11 Interview 11 mit Herrn L<br />

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Interpretationen des gewonnenen Datenmateri<strong>als</strong> – Ergebnisse des Forschungsprojekts…<br />

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Zum Zeitpunkt der Datenerhebung ist Herr L 29 Jahre alt, er lebt seit einiger Zeit mit seiner<br />

Freundin zus<strong>am</strong>men und betreibt das Studium der Rechtswissenschaften. Der Patient hat zwei<br />

Schwestern und ist der Sohn geschiedener Eltern.<br />

Die Angstkarriere des Patienten beginnt im Jahre 2003 mit dem Ausbruch eines pfeifferschen<br />

Drüsenfiebers, das zu ausgeprägtem Schon- und Vermeidungsverhalten führt, weil Herr L das<br />

Vertrauen in seinen Körper verliert. Allerdings betont der Patient auch, dass er bestimmten<br />

Situationen schon immer ängstlich gegenübertrat – das pfeiffersche Drüsenfieber scheint diese<br />

‚Grundangst‘ jedoch auf viele Lebensbereiche übertragen zu haben.<br />

Herr L leidet an einer Herzneurose und eignet sich daher für die vorliegende Studie. 1751<br />

Im Gespräch mit Herrn L zeigt sich klar und deutlich die Bandbreite vieler möglicher und typi-<br />

scher Auswirkungen einer Herzangst auf das Leben der Patienten. Der Kerninhalt besteht ins-<br />

ges<strong>am</strong>t einmal in der Schilderung der Ängste und Einschränkungen des Patienten schwer-<br />

punktmäßig während des Beginns und der Weiterentwicklung der Angst, die durch das pfeiffer-<br />

sche Drüsenfiber von einer ‚Grundängstlichkeit‘ in eine auf unterschiedliche Bereiche über-<br />

tragene Angst ‚transformiert‘ wurde, die Angsterkrankung hat das Leben des Patienten demnach<br />

innerhalb einer relativ kurzen Zeit massiv beeinflusst. Andererseits hat Herr L die klar formulierte<br />

Vorstellung, diesen Zustand nicht länger akzeptieren zu wollen – bezüglich der Fragestellung,<br />

was der Patient aus seiner <strong>Erkrankung</strong> macht, ergibt sich deutlich die Antwort, dass er nicht<br />

länger unter ihrem Einfluss leiden möchte, Herr L will wieder unbefangen leben können, die<br />

Angst soll ihm sein Leben nicht länger wegnehmen! In diesem Gespräch liegt der Schwerpunkt<br />

daher nicht auf den typischen Einschränkungen, zu denen die Herzneurose häufig führt, sondern<br />

auf dem Wunsch nach Veränderung des eigenen Lebens in vielfacher Hinsicht. In diesem Zu-<br />

s<strong>am</strong>menhang erscheint der Gewinn durch die <strong>Erkrankung</strong> im Sinne eines Profitierens im Hinblick<br />

auf die aktuelle Lebensführung und die Zukunftsplanung im Vergleich zum Leid zum Zeitpunkt<br />

des Interviews deutlich zu überwiegen!<br />

Diese Kernthese wird nun innerhalb der Bereiche, die im Leitfaden aufgeführt sind, belegt.<br />

1751 weitere Angaben zum Patienten sind im Anhang nachzulesen

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