Psychosomatische Erkrankung als biographisches Ereignis am ...

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10.12.2012 Aufrufe

398 Interpretationen des gewonnenen Datenmaterials – Ergebnisse des Forschungsprojekts… Interview 8 mit Frau H Auch in dieser Aussage spiegelt sich das Leiden der Patientin wider, und trotzdem gibt sie an, auch einen Krankheitsgewinn im Sinne einer positiven Erfahrung aus ihrer Erkrankung gezogen zu haben: „..., mir ist jeder: Tag wichtig mir die Sonne die am Morgen scheint aber auch der Regen, seitdem ich damals so krank war habe ich das alles lernen: habe ich das gelernt! ... früher habe ich nie: aber nie: ... geschaut, nur Arbeit Arbeit die Kinder Arbeit, und nach diesem ersten Zusammenbruch damals ist mir jede Blume: jeder ... der Schmetterling oder so das ... Sie glauben gar nicht ich ich habe dann noch einmal richtig gelernt: ... die Natur: zu sehen und die Natur gibt mir sehr viel: ... das positive Denken ... ich kann nicht sagen `ach mir geht es so schlecht!´ nein mir geht es gut: wenn ich andere Leute sehe denen geht es doch viel schlechter: und da habe ich mich damals auch herausgezogen selbst herausgezogen: ich habe die anderen Leute gesehen denke ich `was willst du? dir geht es doch gut: ...“. 1649 Als Fazit bleibt daher zu dokumentieren, dass sich die Eingangshypothese, Frau H sei eine Patientin, die in den anfallsfreien Intervallen ihrer Erkrankung ein recht normales Leben führen kann und dennoch stark unter ihrer Herzneurose zu leiden hat, belegen ließ – auffällig ist hier insbesondere die für Herzneurotiker typische Uneinsichtigkeit in die Psychosomatik der Erkrankung, in diesem Fall in der Verbindung mit dem großen Wunsch nach einer Diagnose, mit der die Patientin auch etwas „anfangen“ kann. Die These ist somit belegt. 1649 Interview 8, S. 10 f

5.9 Interview 9 mit Herrn J Interpretationen des gewonnenen Datenmaterials – Ergebnisse des Forschungsprojekts… Interview 9 mit Herrn J Herr J ist 61 Jahre alt, hat zwei erwachsene Söhne, ist verheiratet und unterrichtet an einem Würzburger Gymnasium. Seit Jahrzehnten leidet der Patient an einer Herzneurose und weiteren psychosomatischen sowie internistischen Erkrankungen, was medizinische und psychologische Betreuung nötig macht. Der Kontakt mit Herrn J wurde über Prof. Csef hergestellt, bei dem sich der Patient zum Zeit- punkt der Befragung in Behandlung befindet. Erwähnenswert ist, dass Herr J eine Dokumentationsmappe zum Interview mitbringt, die den Krankheitsverlauf im Detail beschreibt und viele Informationen über den Gesundheitszustand des Patienten enthält. Dies zeigt deutlich, dass die Herzneurose ein fester Bestandteil im Leben des Herrn J ist. Herr J leidet an einer Herzneurose und ist daher für die vorliegende Studie geeignet. 1650 Herr J berichtet überaus interessant über seine Biographie, wobei sich ganz deutlich folgender Kerninhalt zeigt, der mit Beispielen aus dem Text innerhalb der Leitfaden-Kategorien belegt wird: Die Herzneurose des Herrn J spielt in dessen Leben eine wesentliche Rolle, weil sie bereits seit frühester Jugend ein Teil seiner Biographie und somit auch seiner Persönlichkeit ist. Wie auch bei anderen Patienten ist eine massive Einschränkung im Leben des Patienten belegbar, die sich in diesem Fall schwerpunktmäßig als subjektiv empfundene Einschränkung der Freiheit aufgrund der Unberechenbarkeit der Anfälle des Herrn J gestaltet. Dennoch arrangiert sich der Patient mit seiner Erkrankung – es gelingt ihm, sie bestmöglich in den Vollzug des Alltagslebens zu integrieren. Insgesamt überwiegt aber das Leiden unter der Erkrankung, was sich auch darin zeigt, dass Herr J keinen Krankheitsgewinn verspürt, er lebt zwar mit der Erkrankung, wünscht sich aber Besserung und kann ihr nichts Positives abgewinnen. 1650 weitere Angaben zum Patienten finden sich im Gesprächstranskript 399

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Interpretationen des gewonnenen Datenmateri<strong>als</strong> – Ergebnisse des Forschungsprojekts…<br />

Interview 8 mit Frau H<br />

Auch in dieser Aussage spiegelt sich das Leiden der Patientin wider, und trotzdem gibt sie an,<br />

auch einen Krankheitsgewinn im Sinne einer positiven Erfahrung aus ihrer <strong>Erkrankung</strong> gezogen<br />

zu haben: „..., mir ist jeder: Tag wichtig mir die Sonne die <strong>am</strong> Morgen scheint aber auch der<br />

Regen, seitdem ich d<strong>am</strong><strong>als</strong> so krank war habe ich das alles lernen: habe ich das gelernt! ... früher<br />

habe ich nie: aber nie: ... geschaut, nur Arbeit Arbeit die Kinder Arbeit, und nach diesem ersten<br />

Zus<strong>am</strong>menbruch d<strong>am</strong><strong>als</strong> ist mir jede Blume: jeder ... der Schmetterling oder so das ... Sie glauben<br />

gar nicht ich ich habe dann noch einmal richtig gelernt: ... die Natur: zu sehen und die Natur<br />

gibt mir sehr viel: ... das positive Denken ... ich kann nicht sagen `ach mir geht es so schlecht!´<br />

nein mir geht es gut: wenn ich andere Leute sehe denen geht es doch viel schlechter: und da<br />

habe ich mich d<strong>am</strong><strong>als</strong> auch herausgezogen selbst herausgezogen: ich habe die anderen Leute<br />

gesehen denke ich `was willst du? dir geht es doch gut: ...“. 1649<br />

Als Fazit bleibt daher zu dokumentieren, dass sich die Eingangshypothese, Frau H sei eine<br />

Patientin, die in den anfallsfreien Intervallen ihrer <strong>Erkrankung</strong> ein recht normales Leben führen<br />

kann und dennoch stark unter ihrer Herzneurose zu leiden hat, belegen ließ – auffällig ist hier<br />

insbesondere die für Herzneurotiker typische Uneinsichtigkeit in die Psychosomatik der<br />

<strong>Erkrankung</strong>, in diesem Fall in der Verbindung mit dem großen Wunsch nach einer Diagnose, mit<br />

der die Patientin auch etwas „anfangen“ kann.<br />

Die These ist somit belegt.<br />

1649 Interview 8, S. 10 f

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