Psychosomatische Erkrankung als biographisches Ereignis am ...

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10.12.2012 Aufrufe

378 Interpretationen des gewonnenen Datenmaterials – Ergebnisse des Forschungsprojekts… Interview 7 mit Frau G Der Abschnitt zeigt, dass der Alltag der Frau G insgesamt durch ihre Herzangst deutlich negativ beeinflusst ist und die Patientin zahlreiche Situationen und Örtlichkeiten meidet sowie unter phobophobischen Tendenzen und Antriebsproblemen leidet. Im Bereich des Berufs setzt sich dieser Trend fort, wobei darauf hinzuweisen ist, dass der Beruf der Patientin als Spezialbereich des Alltagslebens im häuslichen Bereich zu verstehen ist, weil sich die Patientin um die häuslichen Belange kümmert – sie ist Hausfrau: „...; oder ich kann auch nicht wie andere Leute in meinem Alter die können schaffen: sagen wir einmal wenn ich jetzt früh meine Hausarbeit mache und koche dann brauche ich - - eine Stunde oder zwei Stunden meine Ruhe also diese Ruhepausen: die muss ich laufend haben! ... weil mein Körper ist dann so abgeschafft dass ich - - dass ich dann ... noch taumeliger bin und noch mehr Herzrasen habe und wenn ich mich dann wenn ich dann mich wieder entspannen kann oder ausruhen ein bisschen dann geht es wieder besser, also ich bin immer - - sagen wir einmal ein bisschen am am Arbeiten und dann wieder am Ausruhen! ... Ruhepausen und das muss immerzu ... oder wenn ich sauge: irgendwelche das ist so anstrengend: für mich das Saugen! ... dass ich dann zehn Minuten mich hinsetze; oder jetzt bei dieser Wärme: da habe ich nachmittags gar nichts mehr gearbeitet! ... als es so warm war! da habe ich frühs die wichtigste Arbeit gemacht und am Nachmittag war ich entweder war ich vor dem Fernseher oder ich habe gelesen oder herumgelegen!“ 1572 Hier zeigt sich also, dass Frau G in ihrer Leistungsfähigkeit bezüglich häus- licher Arbeiten eingeschränkt ist und immer wieder Ruhepausen benötigt, ferner ist sie bei be- stimmten klimatischen Bedingungen unfähig, ihrer Tätigkeit als Hausfrau nachzugehen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass fraglich ist, ob dieses Verhalten auch unmittelbar auf berufliche Tätigkeiten außerhalb des häuslichen Umfeldes übertragbar ist, weil Frau G hier nicht die Möglichkeit hätte, sich ihre Tätigkeit derartig frei einzuteilen. In ihrem persönlichen Umfeld und in ihrer Position als Hausfrau jedoch ist Frau G stark von ihrer Herzangst beeinträchtigt. Im Hinblick auf Partnerschaft und Familie beschreibt Frau G einen einsichtigen Ehemann, 1573 der allerdings selbst schwer krank ist und deshalb auch daher ‚einsichtig‘ sein könnte: „er ist ein Typ der sagt `wenn man nicht kann dann bleiben wir halt zu Hause!´ ... obwohl er auch gerne - - - 1572 Interview 7, S. 12 f 1573 vgl. Interview 7, S. 9

Interpretationen des gewonnenen Datenmaterials – Ergebnisse des Forschungsprojekts… Interview 7 mit Frau G mal wegginge, aber jetzt im Moment ist er ja selbst die letzten Jahre schon so mit dem der hat ja diese Leukämie da! ... und von daher gesehen hat er jetzt eigentlich auch mehr mit sich zu tun, also es ist jetzt meine Krankheit ist jetzt ein bisschen ... er ist jetzt er ist jetzt der der krank ist, die ganze Zeit war es umgekehrt ... obwohl es ihm: besser geht als mir: psychisch ... er hat diese Attacken nicht und er ginge auch bei einem Ausflug mit oder er ginge auch einmal ein paar Tage in den Urlaub!“ 1574 Ein Sohn von Frau G ist mit seiner Ehefrau wieder im elterlichen Haus eingezogen, bekommt die Ängste der Mutter aber nicht in vollem Umfang mit: 1575 „es ist auch so schwer mit ihnen darüber zu spr- reden die haben dann vielleicht - - - Angst wo meine ich halt dass sie dann nicht immer Angst wegen mir haben müssen oder ich kann das ihnen nicht so schildern wie ich Ihnen das jetzt erzähle! ... sie wissen zwar dass ich Angst habe in den Urlaub zu gehen, die haben mir dieses Jahr ich bin vierundsechzig geworden eine Reise geschenkt auf die Insel Mainau weil sie genau wissen ... ich habe Angst und da wollten sie mir das schenken dass ich dann einmal muss!“ 1576 Frau G will ihren Kindern ungute Gefühle, die sie wegen der Ängste der Mutter entwickeln könnten, fern halten und enthält ihnen daher die vollständige Wahrheit vor: 1577 „... also die wissen es nicht: ...“. 1578 Im familiären Bereich wirkt sich die Herzneurose der Frau G also in der Vorenthaltung von Emotionen und Ängsten aus, eine Einschränkung im Sinne reduzierter Kommunikation ist demnach nachweisbar. Das soziale Umfeld der Frau G ist ebenfalls durch diesen Unwillen der Patientin, über die Herz- neurose zu sprechen, gekennzeichnet – der Bereich der Freizeit ist unmittelbar hiervon be- troffen, worauf neben weiteren Aussagen im folgenden Abschnitt eingegangen wird. Frau G erzählt insgesamt zu diesen Bereichen von ihren agoraphobischen Tendenzen: „und jetzt ist es halt so ich traue mich in die Rhön: zum Beispiel oder in den Spess- in den Steigerwald mal ... das geht auch aber weiter im Moment noch nicht: ... also die ganzen Jahre war ich nicht mehr 1574 Interview 7, S. 9 f 1575 vgl. Interview 7, S. 11 1576 Interview 7, S. 11 1577 vgl. Interview 7, S. 11 1578 Interview 7, S. 13 379

Interpretationen des gewonnenen Datenmateri<strong>als</strong> – Ergebnisse des Forschungsprojekts…<br />

Interview 7 mit Frau G<br />

mal wegginge, aber jetzt im Moment ist er ja selbst die letzten Jahre schon so mit dem der hat<br />

ja diese Leukämie da! ... und von daher gesehen hat er jetzt eigentlich auch mehr mit sich zu<br />

tun, <strong>als</strong>o es ist jetzt meine Krankheit ist jetzt ein bisschen ... er ist jetzt er ist jetzt der der krank<br />

ist, die ganze Zeit war es umgekehrt ... obwohl es ihm: besser geht <strong>als</strong> mir: psychisch ... er hat<br />

diese Attacken nicht und er ginge auch bei einem Ausflug mit oder er ginge auch einmal ein<br />

paar Tage in den Urlaub!“ 1574<br />

Ein Sohn von Frau G ist mit seiner Ehefrau wieder im elterlichen Haus eingezogen, bekommt die<br />

Ängste der Mutter aber nicht in vollem Umfang mit: 1575 „es ist auch so schwer mit ihnen<br />

darüber zu spr- reden die haben dann vielleicht - - - Angst wo meine ich halt dass sie dann<br />

nicht immer Angst wegen mir haben müssen oder ich kann das ihnen nicht so schildern wie ich<br />

Ihnen das jetzt erzähle! ... sie wissen zwar dass ich Angst habe in den Urlaub zu gehen, die<br />

haben mir dieses Jahr ich bin vierundsechzig geworden eine Reise geschenkt auf die Insel<br />

Mainau weil sie genau wissen ... ich habe Angst und da wollten sie mir das schenken dass ich<br />

dann einmal muss!“ 1576<br />

Frau G will ihren Kindern ungute Gefühle, die sie wegen der Ängste der Mutter entwickeln<br />

könnten, fern halten und enthält ihnen daher die vollständige Wahrheit vor: 1577 „... <strong>als</strong>o die<br />

wissen es nicht: ...“. 1578<br />

Im f<strong>am</strong>iliären Bereich wirkt sich die Herzneurose der Frau G <strong>als</strong>o in der Vorenthaltung von<br />

Emotionen und Ängsten aus, eine Einschränkung im Sinne reduzierter Kommunikation ist<br />

demnach nachweisbar.<br />

Das soziale Umfeld der Frau G ist ebenfalls durch diesen Unwillen der Patientin, über die Herz-<br />

neurose zu sprechen, gekennzeichnet – der Bereich der Freizeit ist unmittelbar hiervon be-<br />

troffen, worauf neben weiteren Aussagen im folgenden Abschnitt eingegangen wird. Frau G<br />

erzählt insges<strong>am</strong>t zu diesen Bereichen von ihren agoraphobischen Tendenzen: „und jetzt ist es<br />

halt so ich traue mich in die Rhön: zum Beispiel oder in den Spess- in den Steigerwald mal ...<br />

das geht auch aber weiter im Moment noch nicht: ... <strong>als</strong>o die ganzen Jahre war ich nicht mehr<br />

1574 Interview 7, S. 9 f<br />

1575 vgl. Interview 7, S. 11<br />

1576 Interview 7, S. 11<br />

1577 vgl. Interview 7, S. 11<br />

1578 Interview 7, S. 13<br />

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