Psychosomatische Erkrankung als biographisches Ereignis am ...

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374 Interpretationen des gewonnenen Datenmaterials – Ergebnisse des Forschungsprojekts… Interview 7 mit Frau G nach vier oder fünf Wochen haben sie mich dann wieder entlassen und jetzt - - soll ich also mit der mit diesen Medikamenten soll einfach langsam machen haben sie zu mir gesagt!“ 1554 Zum weiteren Verlauf der Erkrankung nennt Frau G dann die Ausübung von Entspannungs- übungen, die auf die psychische Mitverursachung der Ängste hinweisen und als Copingverfahren im Sinne eigentherapeutischer Bemühungen ihrer Beschwerden verstanden werden können: „und da habe ich einmal ... vor vier Jahren eine Entspannungsding mitgemacht so bei ich war vor dem Herrn Bornhausen (Versprecher) schon einmal bei einem Psychologen und der hat der hat mir dann einmal ein paar Atem- ein paar Stunden so Entspannungsübungen ... gelernt also er selbst nicht er hat da jemanden gehabt ... und da habe ich dann das Atmen ein bisschen gelernt wie in so einer Situation dann ich jetzt auf die Atmung gleich achten soll ... tief durchschnaufen und wenn ich jetzt in so eine Situation komme denke ich sofort an (Frau G schnauft tief) mache ich sofort (Frau G atmet tief aus) ... bleibe ich stehen und mache ein paar so richtige Atemzüge oder mal eine feste Faust ...“. 1555 Die genannten allgemeinen Aussagen zu Beginn und Verlauf der Erkrankung von Frau G werden im weiteren Verlauf der Interpretation in den anderen Kategorien des Leitfadens detaillierter dargestellt, eine genauere Analyse des Krankheitsverlaufs im Sinne der Auswirkungen auf das Leben der Patientin soll an dieser Stelle im Bereich des alltäglichen Lebens erfolgen: Auf die Fragen, wie sich die Ängste der Frau G auf ihren Alltag auswirken und ob sie ein- schränkend wirken, antwortet diese, dass sie zumindest die ersten beiden Jahre der Erkrankung sehr schlapp und dass die Krankheit insofern sehr einschränkend gewesen sei: 1556 „ich habe ... lange gebraucht bis ich Fuß gefasst habe bis ich dann einigermaßen mich wieder - - alleine aus dem Haus getraut habe ... oder überhaupt getraut habe ... weil die irgendwie - - wenn das Herz das Rasen angefangen hat dann war immer die Angst gleich da `hoffentlich falle ich jetzt wieder nicht um!´“ 1557 Der Alltag der Frau G scheint insgesamt durch agoraphobische Ängste, die vordergründig auf die Kardialsymptomatik bezogen sind, bestimmt zu sein: 1558 „... und jetzt bekomme ich Herzstolpern 1554 Interview 7, S. 4 1555 Interview 7, S. 8 1556 vgl. Interview 7, S. 4 1557 Interview 7, S. 5 1558 vgl. Interview 7, S. 6

Interpretationen des gewonnenen Datenmaterials – Ergebnisse des Forschungsprojekts… Interview 7 mit Frau G oder Herzrasen ... bekomme ich auch ganz ... unverhofft, ich sitze jetzt noch ruhig da und ganz plötzlich fängt es an, wenn ich das dem Herzarzt sage dann sagt der `das ist ganz normal bei ... Ihrer Krankheit.´ ... im Unterbewusstsein: hat mir einmal jemand gesagt: weil ich kann ja das nicht steuern, ich gehe von zu Hause weg habe das nicht: bin irgendwo bekomme plötzlich Herzstolpern oder Herzrasen - - könnte aber jetzt im Moment gar keinen Grund sagen ... warum - - - und und dann die Angst `hoffentlich falle ich jetzt nicht um!´ ... das schränkt mich ganz viel ein! ... und das macht mir auch Angst - - wenn ich jetzt ... etwas wenn ich jetzt nur in den Edeka-Laden gehe dann ist die Angst nicht so groß aber wenn ich jetzt weiter wegginge dann schränkt überlege ich mir das schon, das - - am Anfang war das so dass ich fast nicht aus dem Haus herausgegangen bin ...“. 1559 Schon der Gang in den Supermarkt ist für Frau G also eine Herausforderung, weil sie Angst davor hat, Herzsensationen zu erleben oder sogar das Bewusstsein zu verlieren. Dramatisch an der Situation von Frau G – im Gegensatz zu der des organisch gesunden Herzneurotikers, der das Bewusstsein nicht verliert sondern dies nur be- fürchtet, – ist die Tatsache, dass der Fall des Bewusstseinsverlusts tatsächlich schon eingetreten ist, die Angst davor ist also nachvollziehbar. Aber nicht nur der Gang in den Supermarkt wird von der Patientin als bedrohlich und angstbesetzt erlebt, auch weitere alltägliche Situationen lösen Ängste bei Frau G aus: „oder wenn jetzt eine Beerdigung ist - - und da sind also wir haben eine kleine Kirche - - und ich weiß jetzt schon vorher da ist die ganze Kirche so voll: - - - und dann bleibe ich lieber weg weil ich ja weil weil weil ich dann diese Herzrhythmusstörungen sind dann so schlimm dass ich dann dass dann die Angst kommt `jetzt hälst du nicht durch!´“ 1560 Frau G muss aktiv an sich arbeiten und Anstrengungen unternehmen, um derartige Situationen meistern zu können – wenn sie sich ihnen überhaupt aussetzt: „mache ich oft: in der Kirche: ... bin ich verkrampft auf einmal dreht sich alles, dann mache ich meine Faust und schnaufe, manchmal rennt das Herz dann noch ein bisschen weiter aber auf einmal klingt es wieder ab!“ 1561 1559 Interview 7, S. 6 f 1560 Interview 7, S. 7 1561 Interview 7, S. 8 375

Interpretationen des gewonnenen Datenmateri<strong>als</strong> – Ergebnisse des Forschungsprojekts…<br />

Interview 7 mit Frau G<br />

oder Herzrasen ... bekomme ich auch ganz ... unverhofft, ich sitze jetzt noch ruhig da und ganz<br />

plötzlich fängt es an, wenn ich das dem Herzarzt sage dann sagt der `das ist ganz normal bei ...<br />

Ihrer Krankheit.´ ... im Unterbewusstsein: hat mir einmal jemand gesagt: weil ich kann ja das<br />

nicht steuern, ich gehe von zu Hause weg habe das nicht: bin irgendwo bekomme plötzlich<br />

Herzstolpern oder Herzrasen - - könnte aber jetzt im Moment gar keinen Grund sagen ... warum<br />

- - - und und dann die Angst `hoffentlich falle ich jetzt nicht um!´ ... das schränkt mich ganz<br />

viel ein! ... und das macht mir auch Angst - - wenn ich jetzt ... etwas wenn ich jetzt nur in den<br />

Edeka-Laden gehe dann ist die Angst nicht so groß aber wenn ich jetzt weiter wegginge dann<br />

schränkt überlege ich mir das schon, das - - <strong>am</strong> Anfang war das so dass ich fast nicht aus dem<br />

Haus herausgegangen bin ...“. 1559 Schon der Gang in den Supermarkt ist für Frau G <strong>als</strong>o eine<br />

Herausforderung, weil sie Angst davor hat, Herzsensationen zu erleben oder sogar das<br />

Bewusstsein zu verlieren. Dr<strong>am</strong>atisch an der Situation von Frau G – im Gegensatz zu der des<br />

organisch gesunden Herzneurotikers, der das Bewusstsein nicht verliert sondern dies nur be-<br />

fürchtet, – ist die Tatsache, dass der Fall des Bewusstseinsverlusts tatsächlich schon eingetreten<br />

ist, die Angst davor ist <strong>als</strong>o nachvollziehbar.<br />

Aber nicht nur der Gang in den Supermarkt wird von der Patientin <strong>als</strong> bedrohlich und<br />

angstbesetzt erlebt, auch weitere alltägliche Situationen lösen Ängste bei Frau G aus: „oder<br />

wenn jetzt eine Beerdigung ist - - und da sind <strong>als</strong>o wir haben eine kleine Kirche - - und ich weiß<br />

jetzt schon vorher da ist die ganze Kirche so voll: - - - und dann bleibe ich lieber weg weil ich ja<br />

weil weil weil ich dann diese Herzrhythmusstörungen sind dann so schlimm dass ich dann dass<br />

dann die Angst kommt `jetzt hälst du nicht durch!´“ 1560<br />

Frau G muss aktiv an sich arbeiten und Anstrengungen unternehmen, um derartige Situationen<br />

meistern zu können – wenn sie sich ihnen überhaupt aussetzt: „mache ich oft: in der Kirche: ...<br />

bin ich verkr<strong>am</strong>pft auf einmal dreht sich alles, dann mache ich meine Faust und schnaufe,<br />

manchmal rennt das Herz dann noch ein bisschen weiter aber auf einmal klingt es wieder<br />

ab!“ 1561<br />

1559 Interview 7, S. 6 f<br />

1560 Interview 7, S. 7<br />

1561 Interview 7, S. 8<br />

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