Psychosomatische Erkrankung als biographisches Ereignis am ...

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30 Psychosomatische Erkrankungen, Psychosomatik und Psychosomatische Medizin – ein Überblick Zur Frage des Krankheitsmodells und der wissenschaftlichen Methode Aus dem Dargestellten wird deutlich, dass das klassische medizinische Krankheitsmodell nicht auf den Bereich der psychosomatischen Erkrankungen zu übertragen ist. Trotzdem besteht natürlich die Notwendigkeit, psychosomatisch zu denken und auch entsprechend zu handeln: „Die Notwendigkeit, psychosomatisch zu denken und zu handeln, ist in der Klinik entstanden. ... . Aus dieser klinischen Erfahrung ein wissenschaftliches Fachgebiet zu entwickeln, stößt auf mannigfaltige methodische und praktische Schwierigkeiten. Sie werden im Grundsätzlichen gewöhnlich als Leib-Seele-Problematik behandelt, wobei der körperliche und der seelische Aspekt voneinander abgegrenzt, vergegenständlicht und einander gegenübergestellt werden. Dabei werden, ..., die naturwissenschaftliche Methode des Erklärens körperlicher Zusammen- hänge und die geisteswissenschaftliche des Verstehens gegenübergestellt. Die psychosomatische Medizin muss Beobachtungen und Befunde aus methodisch unterschiedlichen Bereichen benutzen. Ihr Ziel ist es, körperliche Befunde und seelische Erfahrung in Beziehung und in eine verstehbare und gesetzmäßige Verbindung zu bringen. ... . Das Verstehen der Mitteilungen des Patienten 123 geschieht aus einem natürlichen Bewußtsein und Vorverständnis. Die Reflektion und Interpretation erfolgt im Rahmen bestimmter Begriffe und Theorien, z. B. der psycho- analytischen. Das interpretierende Vorgehen wird als hermeneutische Methode bezeichnet (...). Die Mitteilungen des Patienten geben zu Beobachtungen und Aussagen Anlaß, die einer empirisch-analytischen Untersuchungsmethodik offenstehen: Neigen Patienten mit anakli- tischen Beziehungsmustern (...) mehr als andere zu Durchfallerkrankungen (...) ? ... Finden sich häufiger fehlende Trauerarbeit (...) und in Verbindung damit diese oder andere körperliche Symptombildungen? Hier werden Fragestellungen als Hypothesen formuliert und im Hinblick auf überindividuell gültige Gesetzmäßigkeiten Daten gesammelt und ausgewertet, um die Hypo- these zu bestätigen oder zu widerlegen. Schließlich werden körperliche Befunde erhoben, die der empirisch-analytischen Untersuchungsmethode mit naturwissenschaftlichen Techniken zugäng- lich sind: Die Stuhluntersuchung des Patienten ergab makroskopisch Hinweise auf Blutbeimen- gungen, die bei einer chemischen Analyse zu bestätigen waren. ... . Die psychoanalytische Praxis und Theorie wird gewöhnlich zu den verstehend hermeneutischen Methoden gerechnet. ... . Wenn die psychosomatische Untersuchungs-, Behandlungs- und Forschungspraxis auch Be- obachtungen aus mehreren methodischen Bereichen benutzt und es ihr besonderes Interesse ist, sie in Verbindung zu setzen, so ist das nicht mit einer Identitätslehre von Leib und Seele, der Behauptung einer leibseelischen Einheit oder eines einfachen gesetzmäßigen Parallelismus 123 der angesprochene Patient hat seinen Bruder bei einem Unfall verloren, dieser Bruder hat für den Patienten die Stelle des Vaters eingenommen - nun klagt der Patient über Durchfälle, die einige Tage nach dem Vorfall aufgetaucht sind (vgl. Bräutigam & Christian 1981, S. 5)

Psychosomatische Erkrankungen, Psychosomatik und Psychosomatische Medizin – ein Überblick Zur Frage des Krankheitsmodells und der wissenschaftlichen Methode identisch. Sie betont vielmehr die gesetzmäßige Eigenart, ja Gegensätzlichkeit (...) und betont die unterschiedlichen methodischen Zugänge, die durch den Bereich der subjektiven Er- fahrungen und der Phänomenologie der Erlebniswelt einerseits und durch den Bereich der objektivierenden Beobachtungen andererseits gestiftet werden.“ 124 Die in diesem Abschnitt aufgeführten Äußerungen über das Krankheitsmodell in der psycho- somatischen Medizin, die damit verbundene wissenschaftliche Methode und das Leib-Seele- Problem können im Rahmen dieser Arbeit leider nur gestreift werden, weil sonst das eigentliche Thema, für dessen besseres Verständnis das erste Kapitel dient, vernachlässigt werden würde. In diesem Sinne sei auf die weit reichende Literatur zu dieser Diskussion verwiesen. 124 Bräutigam & Christian 1981, S. 5 ff 31

<strong>Psychosomatische</strong> <strong>Erkrankung</strong>en, Psychosomatik und <strong>Psychosomatische</strong> Medizin – ein Überblick<br />

Zur Frage des Krankheitsmodells und der wissenschaftlichen Methode<br />

identisch. Sie betont vielmehr die gesetzmäßige Eigenart, ja Gegensätzlichkeit (...) und betont<br />

die unterschiedlichen methodischen Zugänge, die durch den Bereich der subjektiven Er-<br />

fahrungen und der Phänomenologie der Erlebniswelt einerseits und durch den Bereich der<br />

objektivierenden Beobachtungen andererseits gestiftet werden.“ 124<br />

Die in diesem Abschnitt aufgeführten Äußerungen über das Krankheitsmodell in der psycho-<br />

somatischen Medizin, die d<strong>am</strong>it verbundene wissenschaftliche Methode und das Leib-Seele-<br />

Problem können im Rahmen dieser Arbeit leider nur gestreift werden, weil sonst das eigentliche<br />

Thema, für dessen besseres Verständnis das erste Kapitel dient, vernachlässigt werden würde.<br />

In diesem Sinne sei auf die weit reichende Literatur zu dieser Diskussion verwiesen.<br />

124 Bräutig<strong>am</strong> & Christian 1981, S. 5 ff<br />

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