Psychosomatische Erkrankung als biographisches Ereignis am ...

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10.12.2012 Aufrufe

5.4 Interview 4 mit Herrn D 326 Interpretationen des gewonnenen Datenmaterials – Ergebnisse des Forschungsprojekts… Interview 4 mit Herrn D Der 38 Jahre alte Herr D leidet seit vielen Jahren an funktionellen Herzbeschwerden sowie an Herzrasen und Schwindelgefühlen. Ferner ist bei ihm eine Panikstörung mit Agoraphobie und herzphobischer Fixierung diagnostiziert. Kardiologische Erkrankungen somatischer Art lassen sich nicht finden. Herr D ist von seiner ersten Ehefrau geschieden und lebt zum Zeitpunkt des Interviews mit seiner älteren Lebensgefährtin zusammen; mit seiner geschiedenen Ehefrau hat der Patient eine gemeinsame Tochter. Die Kontaktherstellung mit Herrn D erfolgte über Prof. Csef. Der Patient leidet an einer Herzneurose; für eine Befragung im Rahmen der vorliegenden Dissertation ist er daher geeignet. 1368 Im Gespräch mit Herrn D tritt ein Kerninhalt in den Vor- dergrund, der sich in verschiedenen Lebensbereichen zeigt und mit Beispielen belegt wird: Der Patient war und ist durch die Herzneurose sehr stark in seiner Lebensführung beeinträchtigt. Sämtliche Lebensbereiche, die im Leitfaden angesprochen werden, sind negativ beeinflusst, ein Krankheitsgewinn im Sinne einer positiven Erfahrung für Herrn D durch die Erkrankung ist ledig- lich im Sinne einer Einsicht, in Zukunft stressfreier leben zu wollen, nachweisbar. Den Beginn und den Verlauf seiner Erkrankung datiert der Patient ungefähr auf das 30. Lebens- jahr – er habe damals Windpocken bekommen und sei mit dieser Infektion beruflich bedingt nach Thailand geflogen, obwohl er deutlich angegriffen gewesen sei. In Thailand habe Herr D dann unter Medikamenteneinfluss Termine wahrgenommen – sein ihn damals behandelnder Arzt habe ihm hierzu die Erlaubnis erteilt. 1369 Im Detail sagt der Patient dazu: „und bin ich geflogen und dann wie ich drüben in Thailand war ... habe ich also festgestellt dass ich ... oft Schwindelattacken gehabt hatte ... die die Beine irgendwie schwach waren und dann auch ... irgendwie wenn ich nachträglich kann ich jetzt sagen auch Angstgefühle ... dabei gehabt habe aber ich habe einfach die Situation so erlebt im 1368 weitere Angaben zu Herrn D finden sich im Anhang 1369 vgl. Interview 4, S. 2

Interpretationen des gewonnenen Datenmaterials – Ergebnisse des Forschungsprojekts… Interview 4 mit Herrn D Prinzip waren es definitiv dann Angstgefühle waren Schwindelgefühle und ... Schwäche in den Beinen und ... daher ich das vorher noch nicht gekannt hatte ... ja habe ich auf alle möglichen Krankheiten getippt bloß nicht auf irgendetwas Psychisches oder eine sonstige Sache ... ja und war halt dann irgendwo auch zusätzlich in einer Gegend in der halt nicht einfach ins Krankenhaus gehen konnte und sagen `ja hoppla, was machen wir jetzt denn da?´ also das hat die Situation natürlich etwas schwieriger gemacht, ... habe mich also dann das war ein Aufenthalt von vier Wochen in Thailand, ... damals das war so ein Beginn wo wir also begonnen haben Sommerbekleidung zu produzieren - - ich wollte also die vier Wochen dazu nutzen um Firmen kennen zu lernen und zu schauen ... ist es eine ordentliche Firma mit dem Partner mit dem man in Zukunft zusammenarbeitet ist es eine nicht so ordentliche Firma und habe einfach für die vier Wochen an die fünfzig Termine gehabt ... wenn ich so aus der Rückschau das betrachte war es natürlich ein neuer Einschnitt beruflich gewesen und ... ja vielleicht war da auch ein bisschen Angst was kommt da auf einen zu oder sonstige Sachen, ich kann es nicht genau sagen wodurch es dann da ausgelöst worden ist - - - ähm ja, das war das erste Mal an dem das aufgetreten ist äh da habe ich mich dann also öfter auch dann bin ich ins Hotelzimmer gegangen, ein Freund von mir war noch dabei gewesen ... auf der Tour und der hat dann auch im Prinzip nicht verstanden worum es geht ja? irgendwann nach vielleicht einer Woche nachdem das immer wieder aufgetaucht ist bin ich dann ... zum Arzt gegangen in Thailand - - der der hat also so mehr oder weniger gesagt dass das - - eine psychische Erkrankung sein könnte, ...“. 1370 Herr D beschreibt mit diesen Aussagen also das erste Auftreten seiner Angstsymptomatik und bringt diese mit der beruflichen Veränderung in Verbindung, die er zu diesem Zeitpunkt erlebt. Gleichzeitig erwähnt er den sofortigen Verdacht des Arztes, es könne sich um eine psychische Erkrankung handeln – eine Verdachtsdiagnose, mit der Herr D aber zum damaligen Zeitpunkt nicht viel anfangen kann. Die weitere Auswertung wird zeigen, dass der Patient auch noch zum Zeitpunkt des Interviews – deutlich sichtbar an seinen zahlreichen Klinikaufenthalten und dem aktuellen Krankenhausbesuch – nicht völlig von dieser Diagnose überzeugt ist. Nach dieser ersten Angstsituation verschreibt ihm der Arzt zunächst ein Valiumpräparat und weist Herrn D darauf hin, dass er nach Deutschland fliegen solle, um sich dort wiederum unter- 1370 Interview 4, S. 2 f 327

Interpretationen des gewonnenen Datenmateri<strong>als</strong> – Ergebnisse des Forschungsprojekts…<br />

Interview 4 mit Herrn D<br />

Prinzip waren es definitiv dann Angstgefühle waren Schwindelgefühle und ... Schwäche in den<br />

Beinen und ... daher ich das vorher noch nicht gekannt hatte ... ja habe ich auf alle möglichen<br />

Krankheiten getippt bloß nicht auf irgendetwas Psychisches oder eine sonstige Sache ... ja und<br />

war halt dann irgendwo auch zusätzlich in einer Gegend in der halt nicht einfach ins<br />

Krankenhaus gehen konnte und sagen `ja hoppla, was machen wir jetzt denn da?´ <strong>als</strong>o das hat<br />

die Situation natürlich etwas schwieriger gemacht, ... habe mich <strong>als</strong>o dann das war ein<br />

Aufenthalt von vier Wochen in Thailand, ... d<strong>am</strong><strong>als</strong> das war so ein Beginn wo wir <strong>als</strong>o begonnen<br />

haben Sommerbekleidung zu produzieren - - ich wollte <strong>als</strong>o die vier Wochen dazu nutzen um<br />

Firmen kennen zu lernen und zu schauen ... ist es eine ordentliche Firma mit dem Partner mit<br />

dem man in Zukunft zus<strong>am</strong>menarbeitet ist es eine nicht so ordentliche Firma und habe einfach<br />

für die vier Wochen an die fünfzig Termine gehabt ... wenn ich so aus der Rückschau das<br />

betrachte war es natürlich ein neuer Einschnitt beruflich gewesen und ... ja vielleicht war da<br />

auch ein bisschen Angst was kommt da auf einen zu oder sonstige Sachen, ich kann es nicht<br />

genau sagen wodurch es dann da ausgelöst worden ist - - - ähm ja, das war das erste Mal an<br />

dem das aufgetreten ist äh da habe ich mich dann <strong>als</strong>o öfter auch dann bin ich ins Hotelzimmer<br />

gegangen, ein Freund von mir war noch dabei gewesen ... auf der Tour und der hat dann auch im<br />

Prinzip nicht verstanden worum es geht ja? irgendwann nach vielleicht einer Woche nachdem<br />

das immer wieder aufgetaucht ist bin ich dann ... zum Arzt gegangen in Thailand - - der der hat<br />

<strong>als</strong>o so mehr oder weniger gesagt dass das - - eine psychische <strong>Erkrankung</strong> sein könnte, ...“. 1370<br />

Herr D beschreibt mit diesen Aussagen <strong>als</strong>o das erste Auftreten seiner Angstsymptomatik und<br />

bringt diese mit der beruflichen Veränderung in Verbindung, die er zu diesem Zeitpunkt erlebt.<br />

Gleichzeitig erwähnt er den sofortigen Verdacht des Arztes, es könne sich um eine psychische<br />

<strong>Erkrankung</strong> handeln – eine Verdachtsdiagnose, mit der Herr D aber zum d<strong>am</strong>aligen Zeitpunkt<br />

nicht viel anfangen kann. Die weitere Auswertung wird zeigen, dass der Patient auch noch zum<br />

Zeitpunkt des Interviews – deutlich sichtbar an seinen zahlreichen Klinikaufenthalten und dem<br />

aktuellen Krankenhausbesuch – nicht völlig von dieser Diagnose überzeugt ist.<br />

Nach dieser ersten Angstsituation verschreibt ihm der Arzt zunächst ein Valiumpräparat und<br />

weist Herrn D darauf hin, dass er nach Deutschland fliegen solle, um sich dort wiederum unter-<br />

1370 Interview 4, S. 2 f<br />

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