Psychosomatische Erkrankung als biographisches Ereignis am ...
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28 Psychosomatische Erkrankungen, Psychosomatik und Psychosomatische Medizin – ein Überblick Zur Frage des Krankheitsmodells und der wissenschaftlichen Methode Zwar sagt Rothschuh hierzu, dass der Mensch eine leib-seelische Einheit ist, was zu dieser Auffassung von Krankheit beigetragen hat 115 , fraglich scheint aber doch zu sein, ob die hier auf- geführten Auffassungen tatsächlich revolutionär über das klassische organpathologische Krank- heitsmodell hinausreichen. 116 Nach Meinung von Franke „... haben sie mit diesen 117 folgende drei Dinge gemeinsam: 1. Sie gehen von der objektiven Feststellbarkeit, Diagnostizierbarkeit eines von der Regel ab- weichenden Zustandes aus. 2. Sie suchen nach einem allgemeinen Prinzip von Krankheit, einem allen Krankheiten ge- meinsamen Charakteristikum, einem eindeutigen Diskriminanzkriterium für Krankheit. 3. Sie betrachten Krankheit als etwas, das im Körper ist, einen Prozeß oder Zustand, der – irgendwie von außen hereingekommen – nun selbständig im Körper stattfindet.“ 118 Zu dem Punkt, dass psychosomatische Erkrankungen objektiv feststellbar seien, lässt sich an- merken, dass generell hinterfragt werden muss, ob Krankheiten körperlicher Natur absolut fest- stellbar sind. Damit hängt zusammen, dass die Grenze zwischen dem, was gesund ist und dem, was als krank bezeichnet wird, auch in der Organmedizin immer mehr verschwindet. Daher kann auch an der Voraussetzung eines Organbefundes, der objektiv feststellbar ist und als Kriterium der Diagnose für psychosomatische Erkrankungen dient, nicht festgehalten werden, weil man diesen organmedizinisch nicht ausreichend definieren kann. Auch die Auffassung, psychosomatische Erkrankungen würden ein ihnen gemeinsames Cha- rakteristikum besitzen, ist zu hinterfragen, weil sämtliche Theorien letztlich immer nur Aus- schnitte beschreiben und zusätzlich auch abhängig vom jeweiligen Wissensstand sind. Schließ- lich kann man zu der Aussage, psychosomatische Krankheiten seien im Körper ablaufende Prozesse, die durch äußere Reizeinwirkung entstünden, sagen, dass die Annahme einer Ursache – Wirkungs – Relation nicht haltbar ist. 119 114 Franke 1981, S. 24 115 vgl. Rothschuh 1975, zitiert nach Franke 1981, S. 24 116 vgl. Franke 1981, S. 24 117 den organpathologischen Krankheitsmodellen 118 Franke 1981, S. 24 f 119 vgl. Franke 1981, S. 26 f
Psychosomatische Erkrankungen, Psychosomatik und Psychosomatische Medizin – ein Überblick Zur Frage des Krankheitsmodells und der wissenschaftlichen Methode Das Krankheitsmodell der Medizin trifft also auf den Bereich psychosomatischer Erkrankungen nicht zu. Weil aber die Existenz psychosomatischer Erkrankungen nicht abstreitbar ist, 120 dürfen weitere Überlegungen zu dieser Problematik nicht außer Acht gelassen werden. Zum Verständnis der Gesamtproblematik lassen sich an dieser Stelle Aussagen von Lohmann und Carpentier zitieren: „Die größte – sowohl theoretische als auch praktische – Schwierigkeit, der sich Szasz und ihre Anhänger gegenübersehen, dürfte auf dem Gebiet der psychosomatischen Krankheiten liegen. Sowohl die klinische Erfahrung als auch ständig neue Forschungsergebnisse zeigen, dass viele Krankheitsbilder mit ausschließlich körperlichen Symptomen psychische und soziale Ursachen haben können. In welchem Ausmaß diese zur Entstehung von Krankheiten wie Magengeschwür, Asthma, ... usw. beigetragen, ist immer noch nicht eindeutig festgestellt, aber das gleiche gilt für die somatischen Risikofaktoren, von denen man annimmt, daß sie zu diesen Störungen prädis- ponieren oder sie »verursachen«. Was all diese ... betrifft ... so steht der Arzt hier Patienten gegenüber, bei denen körperliche und psychosoziale Faktoren zusammen den Zustand des Unbehagens verursachen, der den Patienten zum Arzt führt. Bei Patienten dieser Art kann man die »Krankheitsmodelle« der traditionellen Medizin nur unter großen Schwierigkeiten und keineswegs einseitig gelten lassen. Ebenso wenig aber lassen sich Beschwerden ausschließlich durch ein »soziales Lernmodell« erklären: Solche Krankheiten ... oder wie immer man diese Zustände etikettieren will ... sind Resultat des Zusammenwirkens vieler Faktoren (oder können es zumindest sein).“ 121 „Eine konsequente Fortführung des psychosomatischen Ansatzes führt nicht nur zum Mitein- beziehen des ganzen Körpers (Körper, Geist und soziales Milieu). Auch wenn es im psychischen Bereich keine Kontinuität gibt, auch wenn die Zusammenhänge unterschiedlicher Art sind ... jede Einsicht, die nicht von einer ganzheitlichen Sicht herrührt, ist nur eine Teilwahrheit, nicht die Wahrheit. Die soziale Dimension der Krankheit zu betonen heißt nicht, ein somatisches Konzept durch ein soziologisches zu ersetzen: Es dreht sich nur darum, beide Bereiche nicht zu trennen.“ 122 120 vgl. Zepf 1973, S. 9 121 Lohmann 1978, zitiert nach Franke 1981, S. 28 f 122 Carpentier 1979, zitiert nach Franke 1981, S. 29 29
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Zur Frage des Krankheitsmodells und der wissenschaftlichen Methode<br />
Das Krankheitsmodell der Medizin trifft <strong>als</strong>o auf den Bereich psychosomatischer <strong>Erkrankung</strong>en<br />
nicht zu.<br />
Weil aber die Existenz psychosomatischer <strong>Erkrankung</strong>en nicht abstreitbar ist, 120 dürfen weitere<br />
Überlegungen zu dieser Problematik nicht außer Acht gelassen werden. Zum Verständnis der<br />
Ges<strong>am</strong>tproblematik lassen sich an dieser Stelle Aussagen von Lohmann und Carpentier zitieren:<br />
„Die größte – sowohl theoretische <strong>als</strong> auch praktische – Schwierigkeit, der sich Szasz und ihre<br />
Anhänger gegenübersehen, dürfte auf dem Gebiet der psychosomatischen Krankheiten liegen.<br />
Sowohl die klinische Erfahrung <strong>als</strong> auch ständig neue Forschungsergebnisse zeigen, dass viele<br />
Krankheitsbilder mit ausschließlich körperlichen Symptomen psychische und soziale Ursachen<br />
haben können. In welchem Ausmaß diese zur Entstehung von Krankheiten wie Magengeschwür,<br />
Asthma, ... usw. beigetragen, ist immer noch nicht eindeutig festgestellt, aber das gleiche gilt für<br />
die somatischen Risikofaktoren, von denen man annimmt, daß sie zu diesen Störungen prädis-<br />
ponieren oder sie »verursachen«. Was all diese ... betrifft ... so steht der Arzt hier Patienten<br />
gegenüber, bei denen körperliche und psychosoziale Faktoren zus<strong>am</strong>men den Zustand des<br />
Unbehagens verursachen, der den Patienten zum Arzt führt. Bei Patienten dieser Art kann man<br />
die »Krankheitsmodelle« der traditionellen Medizin nur unter großen Schwierigkeiten und<br />
keineswegs einseitig gelten lassen. Ebenso wenig aber lassen sich Beschwerden ausschließlich<br />
durch ein »soziales Lernmodell« erklären: Solche Krankheiten ... oder wie immer man diese<br />
Zustände etikettieren will ... sind Resultat des Zus<strong>am</strong>menwirkens vieler Faktoren (oder können es<br />
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„Eine konsequente Fortführung des psychosomatischen Ansatzes führt nicht nur zum Mitein-<br />
beziehen des ganzen Körpers (Körper, Geist und soziales Milieu). Auch wenn es im psychischen<br />
Bereich keine Kontinuität gibt, auch wenn die Zus<strong>am</strong>menhänge unterschiedlicher Art sind ...<br />
jede Einsicht, die nicht von einer ganzheitlichen Sicht herrührt, ist nur eine Teilwahrheit, nicht<br />
die Wahrheit. Die soziale Dimension der Krankheit zu betonen heißt nicht, ein somatisches<br />
Konzept durch ein soziologisches zu ersetzen: Es dreht sich nur darum, beide Bereiche nicht zu<br />
trennen.“ 122<br />
120 vgl. Zepf 1973, S. 9<br />
121 Lohmann 1978, zitiert nach Franke 1981, S. 28 f<br />
122 Carpentier 1979, zitiert nach Franke 1981, S. 29<br />
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