Psychosomatische Erkrankung als biographisches Ereignis am ...
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288 Erhebung, Transkription und Interpretation – das Forschungsdesign der Arbeit Das Interpretationsverfahren der Arbeit eigenen Lebenszusammenhang aus Phänomene beschreibt und sich von dort aus zu Allgemein- erem vortastet.” 1218 Die Idee von Dilthey, Verstehen sei ein Wiederfinden des Ich im Du, kombiniert Bittner mit der Psychoanalyse und nennt sein Bestreben ‚Innerlichkeits-Hermeneutik‘: 1219 „...: sie ist das Ringen des 20. Jahrhunderts, seine Innerlichkeit mitsamt ihren Leiden und Deformationen, das seiner selbst nicht mehr gewisse Ego zur Sprache zu bringen: die Innerlichkeit des Forschers ebenso wie der Beforschten, die alle miteinander den gleichen Deformationen unterliegen.” 1220 Dabei existieren aber ganz bestimmte Unterschiede zwischen der psychoanalytischen Aus- legungswissenschaft der menschlichen Innerlichkeit und den eher klassisch-philologisch- historischen Wissenschaften der Auslegung: 1221 1. Verstehen als Methode wissenschaftlicher Hermeneutik wollte Dilthey beschränken auf das Auslegen dauernd fixierter Lebensäußerungen, um ein gewisses Maß an kontrollierbarer Objektivität zu erhalten. 1222 Damit sind beispielsweise Texte gemeint, die nicht mehr ver- änderbar sind und verschiedenen Forschern in gleicher Weise zugänglich sind. „Dem- gegenüber verstand sich Psychoanalyse, ... schon immer als Auslegung von nicht-fixierter Alltags-Rede, von Wechselrede vor allem unter den Vorgaben des klassischen psychoana- lytischen Settings. Das Nicht-Fixierte dieser Art von Alltagsrede schafft zwar spezifische In- terpretationsbedingungen und -schwierigkeiten, vor allem hinsichtlich des von Dilthey ge- forderten kontrollierbaren Grades von Objektivität, gibt jedoch keinen Grund, diese Art von Alltags- und Wechselrede von der kunstmäßigen Auslegung von vornherein auszuschlie- ßen.” 1223 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich 2. die Interpretation psychoanalytischer Art auf Mitteilungen unterschwelliger Natur sowie Mitteilungsabsichten des Befragten bzw. Erzählenden richtet, indem sie quasi zwischen den Zeilen nach Botschaften sucht. 1224 3. „... Der Schauplatz des Erlebens ist das Ego des Erlebenden wie auch des Forschenden, was für Dilthey noch in keiner Weise zum Problem geworden war. Erleben als abhängige 1218 Bittner 2001, S. 54 1219 vgl. Bittner 2001, S. 56 1220 Bittner 2001, S. 56 1221 vgl. Bittner 2001, S. 56 1222 vgl. Dilthey 1900, zitiert nach Bittner 2001, S. 56 1223 Bittner 2001, S. 56 1224 vgl. Bittner 2001, S. 56
Erhebung, Transkription und Interpretation – das Forschungsdesign der Arbeit Das Interpretationsverfahren der Arbeit Funktion des Ego, des ‚psychischen Apparats‘ aufzuweisen, war das große Thema psycho- analytischer Hermeneutik, wobei sich Freud diesen ‚Apparat‘ sicher bei weitem zu simpel und zu statisch vorgestellt hat.” 1225 Und so stellt sich Bittner die neue Psychologie vor, die auch als Erhebungs- und Interpretationsmethode der vorliegenden Arbeit formuliert werden kann: „...: (die, M. Hager) nicht ‚Daten‘ als Materialbasis für Zusammenhänge nimmt, sondern Erlebnisse, die sich vor- züglich in Ich-Erzählungen, in ‚Geschichten‘ artikulieren – Geschichten, die in einem Sinnzu- sammenhang stehend interpretiert werden; im Hintergrund die Ahnung von Strukturen, von überpersönlichen Gesetzmäßigkeiten unseres Lebens, Gesetzmäßigkeiten, die man aber nicht wissen, die man nur erahnen kann, ..., Gesetze endlich, unter denen mein, des Psychologen Leben ebenso steht wie das meiner beforschten ‚Objekte‘ – das wäre das Programm einer Psychologie ‚aus der Innenperspektive‘, einer Lebensäußerungen auslegenden, interpretierenden, eben einer hermeneutischen Psychologie.” 1226 Auf den Punkt gebracht bedeutet das, nicht ein Theoriekonstrukt an das Datenmaterial anzu- legen, „... das ich in den Äußerungen wiederfinde. Ich achte mit der Freud´schen ‚gleich- schwebenden Aufmerksamkeit‘ (Freud 1912, S. 377) auf das, was mir entgegenkommt, was sich mir zeigt, was ich von meinem Vorverständnis, von meiner eigenen Lebenserfahrung her als sinnvoll auffassen kann.” 1227 Auch Bortz und Döring machen darauf aufmerksam, was als Interpretationsbasis dieser Arbeit dienen soll, wenn sie schreiben, dass man Handlungen sowie verbale Äußerungen von Menschen versteht, wenn man Vorerfahrungen heranzieht oder sich in die Lage des anderen Menschen hineinversetzt. 1228 Noch einmal sei betont, dass der Autor dieser Arbeit über diese Vorerfahrung durch seine eigene Betroffenheit verfügt. Ziel des hermeneutischen Interpretierens ist somit 1) das Patienten-Subjekt in den Mittelpunkt zu stellen und den medizinischen Standpunkt zu ergänzen, 1225 Bittner 2001, S. 57 1226 Bittner 2001, S. 58 1227 Bittner 2001, S. 204 1228 Bortz & Döring 2002, S. 329 289
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Erhebung, Transkription und Interpretation – das Forschungsdesign der Arbeit<br />
Das Interpretationsverfahren der Arbeit<br />
eigenen Lebenszus<strong>am</strong>menhang aus Phänomene beschreibt und sich von dort aus zu Allgemein-<br />
erem vortastet.” 1218<br />
Die Idee von Dilthey, Verstehen sei ein Wiederfinden des Ich im Du, kombiniert Bittner mit der<br />
Psychoanalyse und nennt sein Bestreben ‚Innerlichkeits-Hermeneutik‘: 1219 „...: sie ist das Ringen<br />
des 20. Jahrhunderts, seine Innerlichkeit mits<strong>am</strong>t ihren Leiden und Deformationen, das seiner<br />
selbst nicht mehr gewisse Ego zur Sprache zu bringen: die Innerlichkeit des Forschers ebenso<br />
wie der Beforschten, die alle miteinander den gleichen Deformationen unterliegen.” 1220<br />
Dabei existieren aber ganz bestimmte Unterschiede zwischen der psychoanalytischen Aus-<br />
legungswissenschaft der menschlichen Innerlichkeit und den eher klassisch-philologisch-<br />
historischen Wissenschaften der Auslegung: 1221<br />
1. Verstehen <strong>als</strong> Methode wissenschaftlicher Hermeneutik wollte Dilthey beschränken auf das<br />
Auslegen dauernd fixierter Lebensäußerungen, um ein gewisses Maß an kontrollierbarer<br />
Objektivität zu erhalten. 1222 D<strong>am</strong>it sind beispielsweise Texte gemeint, die nicht mehr ver-<br />
änderbar sind und verschiedenen Forschern in gleicher Weise zugänglich sind. „Dem-<br />
gegenüber verstand sich Psychoanalyse, ... schon immer <strong>als</strong> Auslegung von nicht-fixierter<br />
Alltags-Rede, von Wechselrede vor allem unter den Vorgaben des klassischen psychoana-<br />
lytischen Settings. Das Nicht-Fixierte dieser Art von Alltagsrede schafft zwar spezifische In-<br />
terpretationsbedingungen und -schwierigkeiten, vor allem hinsichtlich des von Dilthey ge-<br />
forderten kontrollierbaren Grades von Objektivität, gibt jedoch keinen Grund, diese Art von<br />
Alltags- und Wechselrede von der kunstmäßigen Auslegung von vornherein auszuschlie-<br />
ßen.” 1223 In diesem Zus<strong>am</strong>menhang ist darauf hinzuweisen, dass sich<br />
2. die Interpretation psychoanalytischer Art auf Mitteilungen unterschwelliger Natur sowie<br />
Mitteilungsabsichten des Befragten bzw. Erzählenden richtet, indem sie quasi zwischen den<br />
Zeilen nach Botschaften sucht. 1224<br />
3. „... Der Schauplatz des Erlebens ist das Ego des Erlebenden wie auch des Forschenden, was<br />
für Dilthey noch in keiner Weise zum Problem geworden war. Erleben <strong>als</strong> abhängige<br />
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Bittner 2001, S. 54<br />
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vgl. Bittner 2001, S. 56<br />
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Bittner 2001, S. 56<br />
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vgl. Bittner 2001, S. 56<br />
1222<br />
vgl. Dilthey 1900, zitiert nach Bittner 2001, S. 56<br />
1223<br />
Bittner 2001, S. 56<br />
1224<br />
vgl. Bittner 2001, S. 56