Psychosomatische Erkrankung als biographisches Ereignis am ...
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264 Erhebung, Transkription und Interpretation – das Forschungsdesign der Arbeit (Pädagogische) Biographieforschung als spezifische Methode und Gegenstandsbereich… Auf das Thema dieser Arbeit bezogen bleibt hinzuzufügen, „... daß ein großer Bedarf besteht über die symptombezogene Fachkompetenz der Medizin hinaus, in dem Spiegel der anderen einen Austausch und Reflexion über das Leben mit Krankheit zu erhalten. Krankheit verbleibt in den (auto-)biographischen Thematisierungen nicht in der Erörterung des kranken Organs, son- dern sie wird aus dem Kontext der Lebensgeschichte vorgestellt.” 1119 Bereits angesprochenes Problem: In den Wissenschaften stößt dieses Vorhaben oft auf Be- fremden und Ablehnung. 1120 Denn methodologisch ergeben sich aus der biographischen Forschung Schwierigkeiten, wenn man den wissenschaftlichen Maßstab der Allgemeingültigkeit anlegt. 1121 „Wie ein unversöhnlicher Widerspruch scheinen (sich, M. Hager) die Konkretheit des Einzelfalls und die gerade vom Einzelfall abstrahierte Allgemeingültigkeit wissenschaftlicher Aussagen gegenüberzustehen.” 1122 Hinzu kommt das Problem, dass sich gelebtes und erzähltes Leben nicht zwangsläufig decken müssen (und dies auch sicher nicht tun, M. Hager). 1123 Hanses stellt jedoch die für die Biographieforschung typischen Thesen auf, warum es sich hier um ein wissenschaftliches Konzept handelt, das durchaus Sinn macht: 1) „Die Realität muß nicht in einem deduktiven Verfahren an die Theorie angeglichen werden, sondern empirisches Material kann selbst Gegenstand der Theorieentwicklung sein.” 1124 Im klassischen Sinne nämlich sieht Forschung so aus, dass man aus der bestehenden Theorie- menge ein Hypothesenmodell ableitet, mit dessen Hilfe die Realität der Daten zur Über- prüfung gelangt – dies wäre das deduktive Verfahren, dem die Gefahr inhärent ist, die sozi- ale Wirklichkeit ungenügend abzubilden, weil sie ein recht hohes Abstraktionsniveau besitzt. 1125 2) „Die Gesetzlichkeit läßt sich nur im und durch den einzelnen Fall entwickeln, nicht jenseits von ihm.” 1126 Der einzelne Fall ist demnach keine Ausnahme von der Regel, sondern in ihm 1119 Hanses in Janz 1999, S. 105 f 1120 vgl. Hanses in Janz 1999, S. 106 1121 vgl. Hanses in Janz 1999, S. 106 1122 Hanses in Janz 1999, S. 106 1123 vgl. Hanses in Janz 1999, S. 106 1124 Hanses in Janz 1999, S. 107 1125 vgl. Hanses in Janz 1999, S. 108 1126 Hanses in Janz 1999, S. 109
Erhebung, Transkription und Interpretation – das Forschungsdesign der Arbeit (Pädagogische) Biographieforschung als spezifische Methode und Gegenstandsbereich… kommt die soziale Wirklichkeit erst zum Vorschein, die der quantifizierenden Subsumtions- wissenschaft verborgen bleibt. 1127 3) „Die scheinbare Beliebigkeit retrospektiver Erzählung ist weniger als subjektive Verzerrung von Wirklichkeit zu erfassen, sondern erweist sich vielmehr als konstitutive Bedingung von (erzählter) Lebensgeschichte.” 1128 Der temporale Charakter der Biographie ginge nämlich verloren, wenn man sie als Akkumulation einzelner Ereignisse, als Produkt von Life-Events verstehen würde. 1129 „Es gibt ein Vorher und ein Nachher, ein Vergangenes, ein Gegen- wärtiges und ein Zukünftiges, das von dem Erzähler immer wieder neu in Beziehung gesetzt wird. ... . Ein sinnvoller Zugang zur erzählten Lebensgeschichte kann nur unter Anerkennung der zeitlichen Struktur geschehen.” 1130 An dieser Stelle wird also deutlich, dass Biographie- forschung nicht den Blick auf die Vergangenheit eröffnet, die als objektiv und faktisch betrachtet wird, „... sondern vielmehr Konstruktionen der Erzählenden aus der gegenwärtigen Perspektive auf die Gesamtfigur der eigenen Lebensgeschichte eröffnen. ... . Gemeint ist damit, daß das Subjekt mit dem Erzählen immer wieder auf der Grundlage der eigenen Erfahrungsaufschichtungen und der gegenwärtigen lebensgeschichtlichen Gesamtsituation ‚Biographie‘ sinnbringend erzeugt.” 1131 Nach dieser allgemeinen Einführung in die Biographieforschung stellt sich nun die Frage, was speziell pädagogische beziehungsweise erziehungswissenschaftliche Biographieforschung leistet. Am Beispiel der Bildungsforschung und im Kontrast zur quantitativen Forschung kann dies folgendermaßen erläutert werden: „Die Zahl der jährlichen Abbrecher innerhalb des Gymnasiums läßt sich quantitativ vergleichsweise leicht ermitteln – was es bedeutet, eine erfolglose Gym- nasialkarriere zu erleben und zu verarbeiten, ist damit noch nicht erfaßt.” 1132 Dies ist nämlich Aufgabe der qualitativen Herangehensweise an dieses Thema. Also will qualitative Forschung auch innerhalb der Erziehungswissenschaft „... dem jeweiligen Gegenstandsbereich keine vorab formulierten Theoriemodelle überstülpen, sondern Verallgemeinerungen, Bilder, Modelle, Strukturen aus der möglichst unverstellten Erfahrung des Forschers im Gegenstandsbereich selbst gewinnen: Erfahrung sozialer Wirklichkeit ‚aus erster Hand‘.” 1133 1127 vgl. Hanses in Janz 1999, S. 109 1128 Hanses in Janz 1999, S. 110 1129 vgl. Hanses in Janz 1999, S. 110 1130 Hanses in Janz 1999, S. 110 1131 Hanses in Janz 1999, S. 111 1132 Terhart in Friebertshäuser & Prengel 1997, S. 27 1133 Terhart in Friebertshäuser & Prengel 1997, S. 30 265
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Erhebung, Transkription und Interpretation – das Forschungsdesign der Arbeit<br />
(Pädagogische) Biographieforschung <strong>als</strong> spezifische Methode und Gegenstandsbereich…<br />
Auf das Thema dieser Arbeit bezogen bleibt hinzuzufügen, „... daß ein großer Bedarf besteht<br />
über die symptombezogene Fachkompetenz der Medizin hinaus, in dem Spiegel der anderen<br />
einen Austausch und Reflexion über das Leben mit Krankheit zu erhalten. Krankheit verbleibt in<br />
den (auto-)biographischen Thematisierungen nicht in der Erörterung des kranken Organs, son-<br />
dern sie wird aus dem Kontext der Lebensgeschichte vorgestellt.” 1119<br />
Bereits angesprochenes Problem: In den Wissenschaften stößt dieses Vorhaben oft auf Be-<br />
fremden und Ablehnung. 1120 Denn methodologisch ergeben sich aus der biographischen<br />
Forschung Schwierigkeiten, wenn man den wissenschaftlichen Maßstab der Allgemeingültigkeit<br />
anlegt. 1121 „Wie ein unversöhnlicher Widerspruch scheinen (sich, M. Hager) die Konkretheit des<br />
Einzelfalls und die gerade vom Einzelfall abstrahierte Allgemeingültigkeit wissenschaftlicher<br />
Aussagen gegenüberzustehen.” 1122 Hinzu kommt das Problem, dass sich gelebtes und erzähltes<br />
Leben nicht zwangsläufig decken müssen (und dies auch sicher nicht tun, M. Hager). 1123<br />
Hanses stellt jedoch die für die Biographieforschung typischen Thesen auf, warum es sich hier<br />
um ein wissenschaftliches Konzept handelt, das durchaus Sinn macht:<br />
1) „Die Realität muß nicht in einem deduktiven Verfahren an die Theorie angeglichen werden,<br />
sondern empirisches Material kann selbst Gegenstand der Theorieentwicklung sein.” 1124 Im<br />
klassischen Sinne nämlich sieht Forschung so aus, dass man aus der bestehenden Theorie-<br />
menge ein Hypothesenmodell ableitet, mit dessen Hilfe die Realität der Daten zur Über-<br />
prüfung gelangt – dies wäre das deduktive Verfahren, dem die Gefahr inhärent ist, die sozi-<br />
ale Wirklichkeit ungenügend abzubilden, weil sie ein recht hohes Abstraktionsniveau<br />
besitzt. 1125<br />
2) „Die Gesetzlichkeit läßt sich nur im und durch den einzelnen Fall entwickeln, nicht jenseits<br />
von ihm.” 1126 Der einzelne Fall ist demnach keine Ausnahme von der Regel, sondern in ihm<br />
1119 Hanses in Janz 1999, S. 105 f<br />
1120 vgl. Hanses in Janz 1999, S. 106<br />
1121 vgl. Hanses in Janz 1999, S. 106<br />
1122 Hanses in Janz 1999, S. 106<br />
1123 vgl. Hanses in Janz 1999, S. 106<br />
1124 Hanses in Janz 1999, S. 107<br />
1125 vgl. Hanses in Janz 1999, S. 108<br />
1126 Hanses in Janz 1999, S. 109