Psychosomatische Erkrankung als biographisches Ereignis am ...

Psychosomatische Erkrankung als biographisches Ereignis am ... Psychosomatische Erkrankung als biographisches Ereignis am ...

opus.bibliothek.uni.wuerzburg.de
von opus.bibliothek.uni.wuerzburg.de Mehr von diesem Publisher
10.12.2012 Aufrufe

18 Psychosomatische Erkrankungen, Psychosomatik und Psychosomatische Medizin – ein Überblick Begriffliches wissenschaft irgendwie verbindende Wissenschaft? 58 Oder ist psychosomatische Medizin doch „... ein umfassendes Konzept, das den Gesamtbereich der Medizin umfaßt und sich als Alternativkonzept zur herkömmlichen Medizin versteht?“ 59 „Der Begriff ‚psychosomatische Medizin‘ geht zurück auf Heinroth (1818), einen Arzt der Ro- mantischen Medizin, der eine Psychogenese der meisten körperlichen Krankheiten vertrat, ohne damit aber einen breiteren und dauernden Einfluß auszuüben. Neu eingeführt als Begriff, Theorie und Behandlungsmethode wurde psychosomatische Medizin Anfang dieses Jahrhun- derts 60 durch Psychoanalytiker (...), durch Internisten (...) und Physiologen (...).“ 61 Dabei ist der Begriff nicht in einer alleinigen Definition zu fassen; er muss in mehreren Ansätzen reflektiert werden. 62 Heinroth, der unter psychosomatischen Krankheiten somatische ‚Gebresten‘ verstand, die psychisch beeinflusst entstehen, schwamm mit dieser Definition ganz auf der Linie der Philosophie seiner Zeit, die vom Leib-Seele-Dualismus ausging. 63 „Im neueren Schrifttum wurde die Bezeichnung ‚psychosomatische Medizin‘ erstmals 1922 von Felix Deutsch (1922) verwendet und hat sich dann in den dreißiger Jahren durch die Arbeiten von Flanders Dunbar (1954), F. Alexander und Th. M. French (1948, 1951) sowie anderen in Amerika und nach 1945 durch v. Weizsäcker, A. Mitscherlich und die Heidelberger Schule rasch verbreitet. Heute ist dieser Terminus aus der medizinischen Literatur nicht mehr wegzudenken. Man muß aber leider feststellen, daß er inzwischen zu einem Modewort geworden ist, bereits Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden hat und von vielen gerade dann verwendet wird, wenn klares und kritisches Denken aufhört.“ 64 Während Bräutigam und Christian die Meinung vertreten, dass man über psychosomatische Medizin in einer ersten Annäherung sagen könne, dass sie eine Art der Betrachtung sei, die 58 vgl. v. Weizsäcker 1950, S. 154 59 Franke 1981, S. 12, siehe auch die Ausführungen von Alexander zur koordinierten Verwertung somatischer und psychologischer Methoden zur Diagnose und Therapie der Krankheit 60 damit ist der Beginn des 20. Jahrhunderts gemeint 61 Bräutigam & Christian 1981, S. 2 62 vgl. Bräutigam & Christian 1981, S. 2 63 vgl. Franke 1981, S. 14 64 Wesiack in Loch 1998, S. 291

Psychosomatische Erkrankungen, Psychosomatik und Psychosomatische Medizin – ein Überblick Begriffliches sowohl bei Krankheiten als auch bei ihrer Behandlung den Einfluss verfolgt, den die Seele auf das Geschehen nimmt 65 , ist Wesiack der Auffassung, dass die Definition psychosomatischer Medizin durchaus problematisch ist: „Die Frage, was psychosomatische Medizin eigentlich ist, wird häufig sehr unterschiedlich beantwortet. ... . Zusammengesetzt aus den Termini ‚Psyche‘ (Seele) und ‚Soma‘ (Körper), umfaßt er nicht nur alle Mehrdeutigkeiten dieser beiden Wirklichkeitsbereiche, sondern auch die ungeklärte Beziehungsproblematik dieser beiden Bereiche zueinander.“ 66 Wesiack ergänzt, dass innerhalb dieser Problematik der Begriff des Körpers deutlich unproble- matischer ist als der Seelenbegriff 67 , weil die Tatsache erhalten geblieben ist „..., daß der Körper räumlich ausgedehnt, sinnlich wahrnehmbar und daher auch meßbar ist“ 68 , während der Begriff der Seele „... zu allen Zeiten in hohem Maße spekulativ und von den jeweils herrschenden philosophischen und theologischen Positionen her bestimmt“ 69 war. Trotz dieser ‚schlechten‘ Definitionsvoraussetzungen wagt sich Wesiack weiter und sagt: „Die psychosomatische Medizin, wie wir sie verstehen, bemüht sich, die somatischen, die psychischen und die sozialen Aspekte des gesunden wie des kranken Menschen integrativ zu erfassen und in die Therapie einzubinden ...“ 70 , wobei er drei im Grundsatz verschiedene Positionen der psychosomatischen Medizin unterscheidet, nämlich die vorwissenschaftlich-ganzheitliche, die reduktionistisch-psychologische und die integrativ-patientenzentrierte. 71 Zwischen den nun im Grundsatz definierten Begriffen der ‚psychosomatischen Medizin‘, der ‚Psychosomatik‘ und der ‚psychosomatischen Erkrankung‘ soll im weiteren Verlauf der Arbeit nicht mehr in der Art unterschieden werden, wie es im vorangegangenen Abschnitt der Fall war. Ziel soll es jetzt sein, sich von der ‚oberflächlichen‘ Begriffsunterscheidung zu trennen und tiefer in den eigentlichen Gegenstandsbereich einzudringen. Zur Wiederholung sei noch einmal darauf verwiesen, dass „Traditionelles Wissens- und Arbeits- gebiet der Psychosomatik ... die Krankheiten (sind, M. Hager), bei denen das Seelische und die 65 vgl. Bräutigam & Christian 1981, S. 2 66 Wesiack in Loch 1998, S. 292 67 vgl. Wesiack in Loch 1998, S. 292 68 Wesiack in Loch 1998, S. 292 69 Wesiack in Loch 1998, S. 292 70 Wesiack in Loch 1998, S. 292 71 vgl. Wesiack in Loch 1998, S. 292 19

<strong>Psychosomatische</strong> <strong>Erkrankung</strong>en, Psychosomatik und <strong>Psychosomatische</strong> Medizin – ein Überblick<br />

Begriffliches<br />

sowohl bei Krankheiten <strong>als</strong> auch bei ihrer Behandlung den Einfluss verfolgt, den die Seele auf<br />

das Geschehen nimmt 65 , ist Wesiack der Auffassung, dass die Definition psychosomatischer<br />

Medizin durchaus problematisch ist: „Die Frage, was psychosomatische Medizin eigentlich ist,<br />

wird häufig sehr unterschiedlich beantwortet. ... . Zus<strong>am</strong>mengesetzt aus den Termini ‚Psyche‘<br />

(Seele) und ‚Soma‘ (Körper), umfaßt er nicht nur alle Mehrdeutigkeiten dieser beiden<br />

Wirklichkeitsbereiche, sondern auch die ungeklärte Beziehungsproblematik dieser beiden<br />

Bereiche zueinander.“ 66<br />

Wesiack ergänzt, dass innerhalb dieser Problematik der Begriff des Körpers deutlich unproble-<br />

matischer ist <strong>als</strong> der Seelenbegriff 67 , weil die Tatsache erhalten geblieben ist „..., daß der Körper<br />

räumlich ausgedehnt, sinnlich wahrnehmbar und daher auch meßbar ist“ 68 , während der Begriff<br />

der Seele „... zu allen Zeiten in hohem Maße spekulativ und von den jeweils herrschenden<br />

philosophischen und theologischen Positionen her bestimmt“ 69 war.<br />

Trotz dieser ‚schlechten‘ Definitionsvoraussetzungen wagt sich Wesiack weiter und sagt: „Die<br />

psychosomatische Medizin, wie wir sie verstehen, bemüht sich, die somatischen, die psychischen<br />

und die sozialen Aspekte des gesunden wie des kranken Menschen integrativ zu erfassen und in<br />

die Therapie einzubinden ...“ 70 , wobei er drei im Grundsatz verschiedene Positionen der<br />

psychosomatischen Medizin unterscheidet, nämlich die vorwissenschaftlich-ganzheitliche, die<br />

reduktionistisch-psychologische und die integrativ-patientenzentrierte. 71<br />

Zwischen den nun im Grundsatz definierten Begriffen der ‚psychosomatischen Medizin‘, der<br />

‚Psychosomatik‘ und der ‚psychosomatischen <strong>Erkrankung</strong>‘ soll im weiteren Verlauf der Arbeit<br />

nicht mehr in der Art unterschieden werden, wie es im vorangegangenen Abschnitt der Fall war.<br />

Ziel soll es jetzt sein, sich von der ‚oberflächlichen‘ Begriffsunterscheidung zu trennen und tiefer<br />

in den eigentlichen Gegenstandsbereich einzudringen.<br />

Zur Wiederholung sei noch einmal darauf verwiesen, dass „Traditionelles Wissens- und Arbeits-<br />

gebiet der Psychosomatik ... die Krankheiten (sind, M. Hager), bei denen das Seelische und die<br />

65 vgl. Bräutig<strong>am</strong> & Christian 1981, S. 2<br />

66 Wesiack in Loch 1998, S. 292<br />

67 vgl. Wesiack in Loch 1998, S. 292<br />

68 Wesiack in Loch 1998, S. 292<br />

69 Wesiack in Loch 1998, S. 292<br />

70 Wesiack in Loch 1998, S. 292<br />

71 vgl. Wesiack in Loch 1998, S. 292<br />

19

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!