Psychosomatische Erkrankung als biographisches Ereignis am ...

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166 Die ‚Herzenurose’ – Annährung an ein vielfach diskutiertes Störungsbild Therapiemöglichkeiten der Herzneurose stereotyp zu durchbrechen, wonach jede Mißempfindung im Brustbereich einem kranken Herzen zugeordnet und jeder physiologische Erregungszustand mit Angst gekoppelt wird.“ 723 Die systematische Desensibilisierung eignet sich für die Therapie von Phobien. 724 „Die ‚Systematische Desensibilisierung‘ war das erste Verfahren, das angewandt wurde, um pathologische Angst zu beseitigen (...).“ 725 Grundsätzlich geht dieser Ansatz davon aus, dass der Patient in einem körperlich entspannten Zustand die Anwesenheit leichter Angstreize in seiner Vorstellung ertragen kann; dabei kommt es höchstens zu einem minimal unangenehmen Gefühl. Ist diese Reaktion auf den milden Reiz normal für den Patienten geworden, wird die ‚Dosis‘ des Angstreizes gesteigert usw. 726 „Die Konfrontation erfolgt zunächst in der Vorstellung, später auch in der Realität (Habituationstraining).“ 727 Diese ‚Theorie- und Praxisübung‘ wird nämlich deshalb durchgeführt, weil man schnell begriff, „... daß der Erfolg dieser Methode schneller und sicherer ist, wenn die ‚Konfrontation‘ mit den Angstreizen nicht nur in der Therapiesitzung und der Phantasie stattfindet, sondern, nach denselben Regeln, auch im täglichen Leben (...).“ 728 Das wesentliche Ziel besteht darin, dass der Patient lernen soll, nicht vor der angstauslösenden Situation zu fliehen oder diese im Vorfeld bereits zu meiden. 729 Eine weitere Möglichkeit der Therapie besteht im so genannten Flooding. „Der zentrale Ansatz der Reizüberflutungsverfahren liegt darin, das Vermeidungsverhalten der Patienten zu verhindern und eine Habituation an angstauslösende Reize zu ermöglichen (...).“ 730 Weiterhin basiert dieser Ansatz darauf, dass der Patient einen Angstrückgang in entsprechenden Situationen und die Falsifikation befürchteter Ereignisse (Herztod) erlebt. Dies führt zu einer Neubewertung angstbesetzter Situationen. 731 Wird dieses Verfahren in vivo angewandt, ist es sogar noch effektiver als die systematische Desensibilisierung. 732 723 Pfersmann & Zapotoczky in Nutzinger und andere 1987, S. 160 724 vgl. Deister in Möller und andere 2001 a, S. 122 725 vgl. Wolpe 1958, zitiert nach Schonecke 1998, S. 175 726 vgl. Schonecke 1998, S. 175 f 727 Deister in Möller und andere 2001 a, S. 122 728 Schonecke 1998, S. 176 729 vgl. Schonecke 1998, S. 176 730 vgl. etwa Birbaumer 1977, Epstein 1977, zitiert nach Fiegenbaum und andere in Nutzinger und andere 1987, S. 145 731 vgl. Fiegenbaum und andere in Nutzinger und andere 1987, S. 145 732 vgl. Barrett 1969, zitiert nach Schonecke 1998, S. 176

Die ‚Herzenurose’ – Annährung an ein vielfach diskutiertes Störungsbild Therapiemöglichkeiten der Herzneurose Schonecke weist darauf hin, dass nicht die Konfrontation selbst sondern deren Dauer zum Erfolg führt. 733 „So gibt es viele Patienten, die sich ihrem Angstreiz täglich, oft mehrmals, aussetzen, wie beispielsweise beim Fahren mit dem Fahrstuhl, diese Angst aber trotz der wiederholten Konfrontation nicht verlieren. Dies liegt daran, daß die Konfrontation zu kurz ist und abge- brochen wird, solange die Angst noch maximal ist, das Verlassen des Fahrstuhls hat dabei jedes- mal die Wirkung einer Flucht.“ 734 Es bleibt festzuhalten, dass man sich sicherlich erst einmal von der körperlichen Gesundheit eines Patienten, der diese Art der Angstbewältigung anstrebt, überzeugen muss, weil hier ex- treme Situationen zu ertragen sind. Bei den verschiedenen verhaltenstherapeutischen Maßnahmen können Entspannungsverfahren als wesentliche Grundlage verstanden werden. 735 „Es hat sich gezeigt, daß der Zustand der Entspannung weitgehend das Erleben von Angst ausschließt. Infrage kommen insbesondere die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson 736 (...), das autogene Training sowie das Biofeedback (...).“ 737 In den 70er Jahren konnten nämlich erstmals „Durch Rückmeldung der Herzrate oder der zeitlichen Abstände der einzelnen Herzaktionen und operante Verstärkung ... Sinustachykardien, ventrikuläre Extrasystolien und andere Rhythmusstörungen positiv beeinflußt werden.“ 738 Den Biofeedback-Prozess kann man folgendermaßen umschreiben: „Nach Ver- mittlung von Erklärungsmodellen lernten die Patienten in einem Biofeedbacktraining, Ab- hängigkeiten zwischen ihren Befürchtungen, Erwartungen, Einstellungen einerseits und körper- lichen Reaktionen andererseits wahrzunehmen und gleichzeitig die Abhängigkeit dieser körper- lichen Reaktionen von ihren eigenen Aktivitäten (Entspannung, Vorstellungen usw.) zu be- obachten. ... . Die Möglichkeit, mit Hilfe von Biofeedbackmethoden eine direkte Rückmeldung über die Auswirkung ihrer Vorstellungen und Befürchtungen zu erhalten, und die Erfahrung, daß es ihnen möglich war, ihre Körperreaktionen durch eigene Anstrengung zu kontrollieren, hat ... dazu beigetragen, daß nicht nur das Verhalten und die damit verbundenen Befürchtungen, sondern auch die physiologischen Begleitsymptome bei den Patienten zurücktraten.“ 739 733 vgl. Schonecke 1998, S. 176 f 734 Schonecke 1998, S. 177 735 vgl. Deister in Möller und andere 2001 a, S. 122, vgl. Pfersmann & Zapotoczky in Nutzinger und andere 1987, S. 157 736 vgl. hierzu auch Csef 1996, S. 774 737 Deister in Möller und andere 2001 a, S. 122 738 Eisenack und andere in Nutzinger und andere 1987, S. 167 739 Eisenack und andere in Nutzinger und andere 1987, S. 170 f1 167

Die ‚Herzenurose’ – Annährung an ein vielfach diskutiertes Störungsbild<br />

Therapiemöglichkeiten der Herzneurose<br />

Schonecke weist darauf hin, dass nicht die Konfrontation selbst sondern deren Dauer zum Erfolg<br />

führt. 733 „So gibt es viele Patienten, die sich ihrem Angstreiz täglich, oft mehrm<strong>als</strong>, aussetzen,<br />

wie beispielsweise beim Fahren mit dem Fahrstuhl, diese Angst aber trotz der wiederholten<br />

Konfrontation nicht verlieren. Dies liegt daran, daß die Konfrontation zu kurz ist und abge-<br />

brochen wird, solange die Angst noch maximal ist, das Verlassen des Fahrstuhls hat dabei jedes-<br />

mal die Wirkung einer Flucht.“ 734<br />

Es bleibt festzuhalten, dass man sich sicherlich erst einmal von der körperlichen Gesundheit<br />

eines Patienten, der diese Art der Angstbewältigung anstrebt, überzeugen muss, weil hier ex-<br />

treme Situationen zu ertragen sind.<br />

Bei den verschiedenen verhaltenstherapeutischen Maßnahmen können Entspannungsverfahren<br />

<strong>als</strong> wesentliche Grundlage verstanden werden. 735 „Es hat sich gezeigt, daß der Zustand der<br />

Entspannung weitgehend das Erleben von Angst ausschließt. Infrage kommen insbesondere die<br />

progressive Muskelrelaxation nach Jacobson 736 (...), das autogene Training sowie das<br />

Biofeedback (...).“ 737 In den 70er Jahren konnten nämlich erstm<strong>als</strong> „Durch Rückmeldung der<br />

Herzrate oder der zeitlichen Abstände der einzelnen Herzaktionen und operante Verstärkung ...<br />

Sinustachykardien, ventrikuläre Extrasystolien und andere Rhythmusstörungen positiv beeinflußt<br />

werden.“ 738 Den Biofeedback-Prozess kann man folgendermaßen umschreiben: „Nach Ver-<br />

mittlung von Erklärungsmodellen lernten die Patienten in einem Biofeedbacktraining, Ab-<br />

hängigkeiten zwischen ihren Befürchtungen, Erwartungen, Einstellungen einerseits und körper-<br />

lichen Reaktionen andererseits wahrzunehmen und gleichzeitig die Abhängigkeit dieser körper-<br />

lichen Reaktionen von ihren eigenen Aktivitäten (Entspannung, Vorstellungen usw.) zu be-<br />

obachten. ... . Die Möglichkeit, mit Hilfe von Biofeedbackmethoden eine direkte Rückmeldung<br />

über die Auswirkung ihrer Vorstellungen und Befürchtungen zu erhalten, und die Erfahrung, daß<br />

es ihnen möglich war, ihre Körperreaktionen durch eigene Anstrengung zu kontrollieren, hat ...<br />

dazu beigetragen, daß nicht nur das Verhalten und die d<strong>am</strong>it verbundenen Befürchtungen,<br />

sondern auch die physiologischen Begleitsymptome bei den Patienten zurücktraten.“ 739<br />

733 vgl. Schonecke 1998, S. 176 f<br />

734 Schonecke 1998, S. 177<br />

735 vgl. Deister in Möller und andere 2001 a, S. 122,<br />

vgl. Pfersmann & Zapotoczky in Nutzinger und andere 1987, S. 157<br />

736 vgl. hierzu auch Csef 1996, S. 774<br />

737 Deister in Möller und andere 2001 a, S. 122<br />

738 Eisenack und andere in Nutzinger und andere 1987, S. 167<br />

739 Eisenack und andere in Nutzinger und andere 1987, S. 170 f1<br />

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