Psychosomatische Erkrankung als biographisches Ereignis am ...
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148 Die ‚Herzenurose’ – Annährung an ein vielfach diskutiertes Störungsbild Statistische Angaben „In der Ambulanz des Institutes für Psychotherapie und Medizinische Psychologie der Universität Würzburg zählt die Herzphobie zu den häufigsten Diagnosen. Mit einem Anteil von etwa 7,5% (...) 613 ist sie fünf- bis zehnmal so häufig wie beispielsweise Asthma oder Colitis ulcerosa.“ 614 Interessant ist auch der Verdacht von Jorswieck und Katwan, dass die Erkrankungsquantität in Kriegen und unter schlechten sozialen Umständen steigt. Sie „... belegen durch eine umfangreiche Statistik, daß sich im Berliner Zentralinstitut für psychogene Störungen die Zahl der Patienten mit Herzsymptomen in den Jahren 1945 bis 1965 verdoppelt hat.“ 615 „Es muß damit gerechnet werden, daß die Herzneurose-Morbidität durch soziale Umstände beeinflußt wird, wie ja durch den hohen Anstieg der Erkrankungszahlen bei Soldaten im Kriege bereits hinlänglich demonstriert worden ist.“ 616 Auf die sozialen Umstände wird auch hinsichtlich dem Leben in der Stadt und auf dem Land ein Unterschied gemacht: „Über die Häufigkeit funktioneller Herz- und Kreislaufbeschwerden finden sich in der Literatur sehr unterschiedliche Angaben. Gross (1948) findet in ländlichen Gebieten wie Roth (1943) und Mitarbeiter ein Vorkommen von 2%. In der Stichprobe einer Population in Boston hatten 4,7% der Befragten funktionelle Herz- und Kreislaufbeschwerden.“ 617 Gliedert man die Symptomatik der Herzneurose in die Reihe der Panikerkrankungen ein, bringen es amerikanische Studien auf die Zahl von 50% Panikpatienten, wobei man sich hier mit Pa- tienten befasst, die unter Brustschmerz leiden, aber eine befundfreie Koronarangiographie auf- weisen. 618 Die Panikstörung selbst erweist eine Lebenszeitprävalenz von 3 bis 4%, isolierte Panikattacken finden sich jedoch öfter. 619 Abschließend bleibt festzuhalten, dass Menschen mit somatoformen Störungen eine Hauptpatientengruppe des Internisten ist. 620 Somatoforme Störungen machen auch zahlenmäßig die umfangreichste Gruppe der Symptombildungen im psychosomatischen Bereich aus. 621 613 vgl. Csef in Nutzinger und andere 1987, zitiert nach Csef 1990, S. 631 614 Csef 1990, S. 631 615 vgl. Jorswieck & Katwan o.J., zitiert nach Richter & Beckmann 1973, S. 28 616 Richter & Beckmann 1973, S. 28 617 vgl. Gross 1948, Roth und Mitarbeiter 1943, zitiert nach Schonecke & Herrmann in v. Uexküll 1981, S. 467 618 vgl. Morschitzky 2000, S. 92 619 vgl. Deister in Möller und andere 2001 a, S. 116 620 vgl. van de Loo 1992, zitiert nach Csef 1995, S. 275 621 vgl. Tress, Manz, Solon-Mossler in v. Uexküll 1990, zitiert nach Csef 1995, S. 275
Die ‚Herzenurose’ – Annährung an ein vielfach diskutiertes Störungsbild Statistische Angaben Neben der Häufigkeit des Störungsbildes insgesamt kann aber noch eine weitere Aufschlüs- selung erfolgen. Mit neueren Erkenntnissen übereinstimmend sagen Richter und Beckmann, dass diese Erkrankung innerhalb einer Familie gehäuft auftritt: „Bei einer Nachuntersuchung von 20 Jahre vorher diagnostizierten Herzneurosen ergab sich, daß in der Zwischenzeit 49% der Kinder dieser Patienten selbst an einer Herzneurose erkrankt waren (...).“ 622 In einer Untersuchung von Csef, die sich auf Langzeitverläufe psychotherapeutisch unbehandel- ter Herzphobien bezog, konnte er bei 8 von insgesamt 92 Patienten die Entwicklung einer Herz- angst oder eines anderen Angst-Syndroms bei den Kindern der Untersuchten nachweisen. 623 Auch Machleidt macht darauf aufmerksam, dass bei 40% der Patienten die Eltern – häufiger die Mutter – an allerdings verschiedenen, also nicht nur herzneurotischen Herzbeschwerden gelitten haben. 624 Bezüglich der Altersverteilung ist anzumerken, dass der Befund von Richter und Beckmann, die Herzneurose bevorzuge das jüngere und mittlere Lebensalter, 625 („In unserer eigenen Stichprobe von 125 Herzneurotikern betrug das mittlere Lebensalter 34,9 Jahre.“ 626 ) richtig zu sein scheint. Nach Schonecke sind nämlich hauptsächlich Patienten unter 40 Jahren vorzufinden, 627 und auch Deter kommt zu dem Ergebnis, dass 20- bis 40jährige besonders von der Herzneurose betroffen sind, 628 wohingegen ab 40 eine deutliche Abnahme des Störungsbildes zu konstatieren sei – das Alter scheint diese Erkrankung förmlich zu verdrängen. 629 Auch Machleidt nennt das mittlere Lebensalter als charakteristisch bedeutsam für das Auftreten der Herzneurose; diese Erkrankung komme bei 30- bis 40jährigen am häufigsten vor. 630 Selbst die Panikstörung, unter der die Herz- neurose auch eingeordnet wird, beginnt in der Regel zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. 631 622 vgl. Wheeler, White und andere o.J., zitiert nach Richter & Beckmann 1973, S. 28 623 vgl. Csef in Nutzinger und andere 1987, S. 177 624 vgl. Lamprecht in Machleidt und andere 1999 b, S. 131 625 vgl. Richter & Beckmann 1973, S. 30 626 Richter & Beckmann 1973, S. 30 627 vgl. Schonecke 1998, S. 41 628 vgl. Deter 1997, S. 99 629 vgl. v. Uexküll 1966, Bräutigam 1964, Pflanz 1962, Cremerius 1963, Richter & Beckmann 1969, zitiert nach Schonecke & Herrmann in v. Uexküll 1981, S. 467 630 vgl. Lamprecht in Machleidt und andere 1999 b, S. 131 631 vgl. Deister in Möller und andere 2001 a, S. 116 149
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Die ‚Herzenurose’ – Annährung an ein vielfach diskutiertes Störungsbild<br />
Statistische Angaben<br />
„In der Ambulanz des Institutes für Psychotherapie und Medizinische Psychologie der Universität<br />
Würzburg zählt die Herzphobie zu den häufigsten Diagnosen. Mit einem Anteil von etwa 7,5%<br />
(...) 613 ist sie fünf- bis zehnmal so häufig wie beispielsweise Asthma oder Colitis ulcerosa.“ 614<br />
Interessant ist auch der Verdacht von Jorswieck und Katwan, dass die <strong>Erkrankung</strong>squantität in<br />
Kriegen und unter schlechten sozialen Umständen steigt. Sie „... belegen durch eine<br />
umfangreiche Statistik, daß sich im Berliner Zentralinstitut für psychogene Störungen die Zahl<br />
der Patienten mit Herzsymptomen in den Jahren 1945 bis 1965 verdoppelt hat.“ 615 „Es muß<br />
d<strong>am</strong>it gerechnet werden, daß die Herzneurose-Morbidität durch soziale Umstände beeinflußt<br />
wird, wie ja durch den hohen Anstieg der <strong>Erkrankung</strong>szahlen bei Soldaten im Kriege bereits<br />
hinlänglich demonstriert worden ist.“ 616<br />
Auf die sozialen Umstände wird auch hinsichtlich dem Leben in der Stadt und auf dem Land ein<br />
Unterschied gemacht: „Über die Häufigkeit funktioneller Herz- und Kreislaufbeschwerden finden<br />
sich in der Literatur sehr unterschiedliche Angaben. Gross (1948) findet in ländlichen Gebieten<br />
wie Roth (1943) und Mitarbeiter ein Vorkommen von 2%. In der Stichprobe einer Population in<br />
Boston hatten 4,7% der Befragten funktionelle Herz- und Kreislaufbeschwerden.“ 617<br />
Gliedert man die Symptomatik der Herzneurose in die Reihe der Panikerkrankungen ein, bringen<br />
es <strong>am</strong>erikanische Studien auf die Zahl von 50% Panikpatienten, wobei man sich hier mit Pa-<br />
tienten befasst, die unter Brustschmerz leiden, aber eine befundfreie Koronarangiographie auf-<br />
weisen. 618 Die Panikstörung selbst erweist eine Lebenszeitprävalenz von 3 bis 4%, isolierte<br />
Panikattacken finden sich jedoch öfter. 619 Abschließend bleibt festzuhalten, dass Menschen mit<br />
somatoformen Störungen eine Hauptpatientengruppe des Internisten ist. 620 Somatoforme<br />
Störungen machen auch zahlenmäßig die umfangreichste Gruppe der Symptombildungen im<br />
psychosomatischen Bereich aus. 621<br />
613<br />
vgl. Csef in Nutzinger und andere 1987, zitiert nach Csef 1990, S. 631<br />
614<br />
Csef 1990, S. 631<br />
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vgl. Jorswieck & Katwan o.J., zitiert nach Richter & Beckmann 1973, S. 28<br />
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Richter & Beckmann 1973, S. 28<br />
617<br />
vgl. Gross 1948, Roth und Mitarbeiter 1943, zitiert nach Schonecke & Herrmann in v. Uexküll 1981, S. 467<br />
618<br />
vgl. Morschitzky 2000, S. 92<br />
619<br />
vgl. Deister in Möller und andere 2001 a, S. 116<br />
620<br />
vgl. van de Loo 1992, zitiert nach Csef 1995, S. 275<br />
621<br />
vgl. Tress, Manz, Solon-Mossler in v. Uexküll 1990, zitiert nach Csef 1995, S. 275