Psychosomatische Erkrankung als biographisches Ereignis am ...

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136 Die ‚Herzenurose’ – Annährung an ein vielfach diskutiertes Störungsbild Zur Diskussion um die Ätiologie und Pathogenese der Erkrankung Die nicht erworbene Fähigkeit im Umgang mit Angst durch mangelnde Ich-Fähigkeiten und Trennungsängste werden unter psychodynamischem Gesichtspunkt also auch zur Erklärung der Genese von Angsterkrankungen, zu denen die Herzneurose auch gezählt werden kann, herange- zogen. Unter lerntheoretischem Gesichtspunkt werden eher Modellvorstellungen der Phobieent- stehung betrachtet. Dabei ist zunächst der disponierende Faktor zu nennen, der in genetischer und lebensgeschichtlicher Dimension wirksam werden kann, wobei hier das klassische Konditio- nieren durch das Modelllernen ergänzt zu werden scheint. Daneben gibt es den auslösenden Faktor, der etwa in bestimmten Lebensereignissen bestehen kann. Schließlich existiert ein auf- rechterhaltender Faktor, der z. B. durch mangelnde Konfrontationsbereitschaft mit der angstaus- lösenden Situation diese noch ängstigender macht. Durch eine kognitive Fehlattribution werden die innerhalb der Angst wahrgenommenen Symptome als gefährlich interpretiert. Der Teufels- kreis entsteht dann dadurch, dass die persönlich empfundene Gefahr die Angst verstärkt, was wiederum die körperliche Symptomatik negativ beeinflusst. 554 Dass der lerntheoretische Gesichtspunkt nicht neu ist, kann bei Richter und Beckmann nachgelesen werden: „KOEPCHEN diskutiert speziell in bezug auf die menschliche Herzneurose die Möglichkeit, daß auch der Mensch durch ... Konditionierung eine gesteigerte Bereitschaft zu ... vegetativen Reaktionen erwerben könnte, wobei an die Stelle des ursprünglich auslösenden Reizes Reize dritter, vierter oder noch höherer Ordnung treten könnten, die schließlich gar keinen Zusammenhang mit dem Erstreiz erkennen und diesen aus dem Bewußtsein überhaupt verschwinden lassen würden.“ 555 Schließlich spielen hier aber auch Modellvorstellungen im neurobiologischen und neuro- chemischen Bereich eine Rolle. So spielen unter neurobiologischem Gesichtspunkt ganz bestimmte neuroanatomische Regionen im Rahmen der Angst eine wesentliche Rolle, unter neurochemischem Aspekt ist zu erwähnen, dass nicht funktionierende Transmittersysteme und daraus resultierende neuroendokrine Veränderungen die Modellvorstellungen ergänzen. 556 554 vgl. Deister in Möller und andere 2001 a, S. 108 555 vgl. Koepchen o.J., zitiert nach Richter & Beckmann 1973, S. 16 556 vgl. Deister in Möller und andere 2001 a, S. 108 ff

Die ‚Herzenurose’ – Annährung an ein vielfach diskutiertes Störungsbild Zur Diskussion um die Ätiologie und Pathogenese der Erkrankung Zusammenfassend kann hier festgehalten werden, dass insbesondere der psychoanalytische Erklärungsansatz zur Ätiologie der Herzneurose noch immer aktuell erscheint, weil er selbst in aktueller psychiatrischer Literatur verwendet wird. Lerntheoretische Überlegungen scheinen dann die Thematik zu treffen, wenn es darum geht, die Symptomatik ‚von der Lebensgeschichte isoliert‘ zu erklären, denn das Modell des Konditio- nierens erklärt ja lediglich, wie es dazu kommt, dass die Symptomatik der Herzneurose in augen- scheinlich völlig harmlosen und unverhofften Situationen eintritt. Die Lebensgeschichte wird hier zwar nicht gänzlich ausgeblendet, sie steht aber im Gegensatz zu psychoanalytischer Auffassung nicht im Mittelpunkt sondern wird als disponierender Faktor lediglich erwähnt. Der Schwerpunkt innerhalb der Lerntheorie liegt dabei auf der Tatsache, dass man ein Symptom und das entsprechende Verhalten erlernt hat und sich dieses mittels Verstärkung manifestiert und im schlimmsten Fall durch Generalisierung auch in anderen Situationen auftritt. Aus diesen unterschiedlichen Ansätzen erwachsen schließlich ebenso verschiedenartige Be- handlungsansätze der Herzneurose, die an anderer Stelle dargestellt werden. 137

Die ‚Herzenurose’ – Annährung an ein vielfach diskutiertes Störungsbild<br />

Zur Diskussion um die Ätiologie und Pathogenese der <strong>Erkrankung</strong><br />

Zus<strong>am</strong>menfassend kann hier festgehalten werden, dass insbesondere der psychoanalytische<br />

Erklärungsansatz zur Ätiologie der Herzneurose noch immer aktuell erscheint, weil er selbst in<br />

aktueller psychiatrischer Literatur verwendet wird.<br />

Lerntheoretische Überlegungen scheinen dann die Thematik zu treffen, wenn es darum geht, die<br />

Symptomatik ‚von der Lebensgeschichte isoliert‘ zu erklären, denn das Modell des Konditio-<br />

nierens erklärt ja lediglich, wie es dazu kommt, dass die Symptomatik der Herzneurose in augen-<br />

scheinlich völlig harmlosen und unverhofften Situationen eintritt. Die Lebensgeschichte wird<br />

hier zwar nicht gänzlich ausgeblendet, sie steht aber im Gegensatz zu psychoanalytischer<br />

Auffassung nicht im Mittelpunkt sondern wird <strong>als</strong> disponierender Faktor lediglich erwähnt. Der<br />

Schwerpunkt innerhalb der Lerntheorie liegt dabei auf der Tatsache, dass man ein Symptom und<br />

das entsprechende Verhalten erlernt hat und sich dieses mittels Verstärkung manifestiert und im<br />

schlimmsten Fall durch Generalisierung auch in anderen Situationen auftritt.<br />

Aus diesen unterschiedlichen Ansätzen erwachsen schließlich ebenso verschiedenartige Be-<br />

handlungsansätze der Herzneurose, die an anderer Stelle dargestellt werden.<br />

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