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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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ihn einfach aus den Akten gestrichen hatte. »<strong>Die</strong> Schweinehunde lassen<br />

uns verrecken«, brüllte Man Singh, und die Geiseln stimmten lustvoll<br />

mit ein.<br />

»Hijras! Chootias! Scheißkerle!«<br />

Sie waren in Hitze und Schweigen gehüllt, und nun begannen ihnen die<br />

Hirngespinste aus den Augenwinkeln zu schimmern.<br />

<strong>Die</strong> am zartesten besaitete der Geiseln, ein junger Mann mit Ziegenbart<br />

und kurzgeschorenem Lockenkopf erwachte in der Morgendämmerung,<br />

laut kreischend vor Angst, weil er ein Skelett gesehen hatte, das auf<br />

einem Kamel über die Dünen ritt. Andere Geiseln sahen bunte Planeten<br />

am Himmel hängen oder hörten riesige Flügel schlagen. <strong>Die</strong> drei<br />

männlichen Entführer fielen in tiefen, fatalistischen Trübsinn. Eines<br />

Tages zitierte Tavleen sie zu einer Unterredung ans andere Ende des<br />

Flugzeugs; den Geiseln drangen wütende Stimmen ans Ohr.<br />

»Sie will sie dazubringen, ein Ultimatum zu stellen«, sagte Gibril<br />

Farishta zu Chamcha. »Einer von uns muss sterben, oder so ähnlich.«<br />

Aber die Männer kamen ohne Tavleen zurück, und in der<br />

Niedergeschlagenheit ihrer Blicke lag eine Spur Scham.<br />

»Sie haben den Mut verloren«, flüsterte Gibril. »Kein Mumm.<br />

Was bleibt nun unserer Tavleen Bibi übrig?<br />

Nichts. <strong>Die</strong> Sache ist geplatzt. Funtoosh.«<br />

Was sie tat:<br />

Um ihren Gefangenen und auch ihren Mitentführern zu beweisen, dass<br />

der Gedanke an Scheitern, an Aufgeben ihre Entschlossenheit niemals<br />

schwächen würde, kam sie aus ihrem derzeitigen Schlupfwinkel in der<br />

Ersten-Klasse-Cocktailbar und baute sich vor ihnen auf wie eine<br />

Stewardess, die Sicherheitsmaßnahmen demonstrierte. Aber anstatt eine<br />

Schwimmweste anzulegen und eine Sauerstoffmaske in die Höhe zu<br />

halten, hob sie schnell die weite schwarze Dschellaba hoch, die alles<br />

war, was sie trug, und stand splitternackt vor ihnen, so dass alle das<br />

Waffenarsenal an ihrem Körper sehen konnten; die Granaten schmiegten<br />

sich wie überzählige Brüste an ihre echten, das Gelatinedynamit hing um<br />

ihre Hüfte, genau wie Chamcha es geträumt hatte. Dann ließ sie das<br />

Gewand wieder fallen und sprach mit ihrer leisen Meeresstimme. »Wenn<br />

eine große Idee geboren wird, eine große Kraft, dann wird man gewisse<br />

entscheidende Fragen an sie richten müssen«, murmelte sie. »<strong>Die</strong>

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