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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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Dumsday senkte die Stimme. »Ich rede von Affenscheiße, Sir.<br />

Vom Darwinismus. Der evolutionären Ketzerei von Mr.<br />

Charles Darwin.« Sein Tonfall verdeutlichte, dass ihm der Name des<br />

gequälten, gottgeplagten Darwin ebenso widerlich war wie der eines<br />

jeden anderen Teufels mit gespaltenem Schwanz, Beelzebub, Asmodeus<br />

oder Luzifer selbst. »Ich habe Ihre Landsleute gewarnt«, vertraute<br />

Dumsday ihm an, »vor Mr. Darwin und seinen Werken. Mit<br />

Unterstützung meiner privaten Siebenundfünfzig-Dia-Show. Erst<br />

kürzlich, Sir, sprach ich am Tag der Völkerverständigung beim Bankett<br />

des Rotary Clubs, in Cochin, Kerala. Ich sprach über mein eigenes Land,<br />

über unsere Jugend. Meiner Meinung nach ist sie verloren, Sir. <strong>Die</strong><br />

Jugend Amerikas. Ich sehe, sie ist verzweifelt, sie nimmt Zuflucht zu<br />

Drogen, ja selbst - ich sag’s geradeheraus - zu vorehelichem<br />

Geschlechtsverkehr. Und ich habe das dort gesagt, und ich sage es jetzt<br />

zu Ihnen. Wenn ich glaubte, mein Urgroßpapa wäre ein Schimpanse<br />

gewesen, na, dann wäre ich ziemlich deprimiert.«<br />

Gibril Fanshta saß auf der anderen Seite des Ganges und starrte aus dem<br />

Fenster. Der Film begann, und das Licht wurde gedämpft. <strong>Die</strong> Frau mit<br />

dem Baby war immer noch auf den Beinen, ging auf und ab, vielleicht<br />

um das Baby zu beruhigen.<br />

»Wie ist es angekommen?« fragte Chamcha, da er das Gefühl hatte, dass<br />

irgendein Beitrag seinerseits gefordert war.<br />

Sein Nachbar zögerte. »Ich glaube, mit der Verstärkeranlage war etwas<br />

nicht in Ordnung«, sagte Dumsday schließlich. »Das vermute ich<br />

zumindest. <strong>Die</strong>se guten Leute hätten doch nicht angefangen, miteinander<br />

zu reden, wenn sie nicht gedacht hätten, dass ich fertig war.«<br />

Chamcha war ein wenig verlegen. Er hatte geglaubt, dass in einem Land<br />

fanatischer Gläubiger die Vorstellung, dass die Naturwissenschaft der<br />

Feind Gottes sei, mühelos Anklang finden würde; aber die Langeweile<br />

der Rotarier von Cochin hatte ihn entlarvt. Im flackernden Licht des<br />

Films fuhr Dumsday fort, mit der Stimme eines unschuldigen Ochsen<br />

Geschichten zu erzählen, die ihn bloßstellten, ohne die leiseste Ahnung<br />

zu haben, was er da tat. Am Ende einer Rundfahrt durch den herrlichen<br />

natürlichen Hafen von Cochin, wohin Vasco da Gama auf der Suche<br />

nach Gewürzen gekommen war und so die ganze zweischneidige<br />

Ost-West-Geschichte in Gang gebracht hatte, war er von einem Bengel

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