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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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wahrscheinlich im großen Schlafzimmer und essen von den guten<br />

Tellern, kein Wunder, dass sie das Gefühl haben, es sei ihr Haus.« Aber<br />

er dachte, wie auffallend ähnlich seine Ayah Kasturba in dem alten Sari<br />

seiner Mutter sah.<br />

»Warst so lange weg«, hörte er die Stimme seines Vaters hinter sich,<br />

»dass du jetzt nicht imstande bist, eine lebendige Ayah von deiner<br />

verstorbenen Mutter zu unterscheiden.«<br />

Saladin wandte sich um und ließ den melancholischen Anblick seines<br />

Vaters auf sich wirken, der geschrumpft war wie ein alter Apfel, jedoch<br />

trotzdem darauf bestand, die teuren italienischen Anzüge aus seiner<br />

opulent korpulenten Zeit zu tragen. Nun, da er die Popeye-Unterarme<br />

und den Pluto-Bauch verloren hatte, schien er in seiner Kleidung<br />

herumzuwandern wie jemand auf der Suche nach etwas, von dem er<br />

nicht genau wusste, was es war. Er stand auf der Schwelle und blickte<br />

auf seinen Sohn, Nase und Mund waren durch den Dörrzauber der Jahre<br />

zu einem schwachen Abklatsch seines früheren Monstergesichts<br />

geschrumpft. Kaum hatte Chamcha begonnen zu begreifen, dass sein<br />

Vater niemandem mehr Angst einjagen konnte, dass sein Bann<br />

gebrochen war und er nur noch ein alter Kauz mit einem Fuß im Grab<br />

war, und während Zeeny enttäuscht feststellte, dass Changez<br />

Chamchawalas Haar konservativ kurz geschnitten war, und dass auch die<br />

Geschichte mit dem fast dreißig Zentimeter langen Zehennagel<br />

wahrscheinlich nicht stimmte, da er blankpolierte, geschnürte<br />

Halbschuhe trug, als die Ayah Kasturba wiederkam, eine Zigarette<br />

rauchend, und an den dreien vorbeischlenderte, Vater Sohn, Geliebte, zu<br />

einem blauen, mit Velours bezogenem Polstersofa, auf dem sie ihren<br />

Körper sinnlich wie ein Filmstarlet drapierte, obwohl sie eine Frau in<br />

weit fortgeschrittenem Alter war.<br />

Kaum hatte Kasturba ihren schockierenden Einzug beendet, da hopste<br />

Changez an seinem Sohn vorbei und ließ sich neben der einstigen Ayah<br />

nieder. Zeeny Vakil, deren Augen skandalselig funkelten, zischte<br />

Chamcha zu: »Mach den Mund zu, Liebster, du siehst aus wie ein Idiot.«<br />

Und in der Tür stand der <strong>Die</strong>ner Vallabh mit einem Getränkewagen und<br />

beobachtete ungerührt, wie sein langjähriger Arbeitgeber einen Arm um<br />

seine fügsame Frau legte.<br />

Wenn der Erzeuger, der Schöpfer sich als Satan entpuppt, reagiert das

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