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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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es nicht Jahre her. Jahre. »Yaar, was für eine Enttäuschung, ich sag’s dir,<br />

ich hab’ die ganze Sache durchgestanden, nur um dich ›Goodness<br />

Gracious Me‹ wie Peter Seilers oder so singen zu hören, dachte, mal<br />

sehen, ob der Kerl gelernt hat, einen Ton richtig zu treffen, weißt du<br />

noch, wie du mit dem Squashschläger Elvis nachgemacht hast, mein<br />

Schatz, zum Totlachen, total übergeschnappt. Aber was war das hier? Im<br />

ganzen Stück kein Lied. Zum Teufel damit. Hör mal, kannst du dich<br />

nicht von diesen Bleichgesichtern absetzen und mit uns Indern kommen?<br />

Vielleicht hast du ganz vergessen, wie das ist.«<br />

Er hatte sie als zaundürren Teenager mit einem schiefen<br />

Mary-Quant-Haarschnitt und einem<br />

ebenso-aber-in-die-entgegengesetzte-Richtung schiefen Lächeln in<br />

Erinnerung. Ein leichtsinniges, schlechtes Mädchen. Einmal ging sie aus<br />

schierem Spaß an der Freude in eine berüchtigte Adda, eine Spelunke an<br />

der Falkland Road, setzte sich hin, rauchte eine Zigarette und trank Cola,<br />

bis die Zuhälter, denen die Kaschemme gehörte, drohten, ihr das Gesicht<br />

zu zerschneiden, für Freiberufliche Zutritt verboten. Sie starrte sie in<br />

Grund und Boden, rauchte die Zigarette zu Ende und ging. Furchtlos.<br />

Möglicherweise verrückt. Jetzt, Mitte Dreißig, war sie Ärztin am<br />

Breach-Candy-Krankenhaus, kümmerte sich um die Obdachlosen der<br />

Stadt, hatte sich in dem Augenblick nach Bhopal aufgemacht, als<br />

bekannt wurde, dass eine unsichtbare amerikanische Wolke den<br />

Menschen Augen und Lungen zerfraß. Sie war Kunstkritikerin, deren<br />

Buch über den einengenden Mythos der Authentizität, diese<br />

folkloristische Zwangsjacke, die sie zu ersetzen suchte durch die Ethik<br />

eines historisch verbürgten Eklektizismus - basierte denn nicht die<br />

gesamte nationale Kultur auf dem Prinzip, sich die Gewänder<br />

auszuleihen, die am besten passten, indoiranische, mogulische, britische,<br />

die Rosinen aus dem Kuchen? -, für vorhersehbaren Stunk gesorgt hatte,<br />

insbesondere aufgrund des Titels. Sie hatte es Der einzig gute Inder<br />

genannt. »Ist ein toter Inder«, erklärte sie Chamcha, als sie ihm ein<br />

Exemplar überreichte.<br />

»Warum sollte es eine gute, richtige Art und Weise geben, ein Inder zu<br />

sein? Das ist Hindu-Fundamentalismus. Tatsächlich sind wir alle<br />

schlechte Inder. Manche schlechter als andere.«<br />

Sie stand in der Blüte ihrer Schönheit, mit langem, offenem Haar, und

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