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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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Schauspieler! Beantworte mir eine Frage: Was soll ich meinen Freunden<br />

sagen?«<br />

Und nach der Unterschrift das pathetische, gereizte Postskriptum: »Jetzt,<br />

da du deinen eigenen bösen Dschinn hast, glaube ja nicht, dass du die<br />

Wunderlampe erben wirst.«<br />

Danach schrieb Changez Chamchawala in unregelmäßigen Abständen an<br />

seinen Sohn, und in jedem Brief kam er auf Teufel und Besessenheit zu<br />

sprechen: »Ein Mensch, der sich selbst untreu ist, wird zu einer<br />

zweibeinigen Lüge, und solche Ausgeburten sind Schaitans<br />

Meisterwerke«, schrieb er, und auch - in eher sentimentalem Ton: »Ich<br />

bewahre deine Seele an einem sicheren Ort auf, mein Sohn, hier in<br />

diesem Walnussbaum. Der Teufel besitzt nur deinen Leib. Wenn du dich<br />

von ihm befreit hast, komm zurück und hol deine unsterbliche Seele. Sie<br />

wächst und gedeiht im Garten.«<br />

Im Lauf der Jahre veränderte sich die Handschrift in diesen Briefen, die<br />

blumige Zuversicht, die sie sofort erkennbar gemacht hatte, wurde<br />

kärglicher, schlicht, geläutert. Schließlich hörten die Briefe auf, doch aus<br />

anderen Quellen erfuhr Saladin, dass die Beschäftigung seines Vaters mit<br />

dem Übernatürlichen sich weiter vertiefte, bis er zuletzt zu einem<br />

Einsiedler wurde, vielleicht um einer Welt zu entfliehen, in der Teufel<br />

den Körper seines eigenen Sohnes stehlen konnten, einer für einen Mann<br />

von wahrem religiösen Glauben gefährlichen Welt.<br />

<strong>Die</strong> Wandlung seines Vaters beunruhigte Saladin, sogar auf so große<br />

Entfernung. Seine Eltern waren Moslems gewesen, in der nachlässigen,<br />

unbeschwerten Weise der Menschen von Bombay; Changez<br />

Chamchawala war seinem kleinen Sohn weit göttlicher erschienen als<br />

irgendein Allah. Dass sein Vater, diese weltliche Gottheit (obzwar nun in<br />

Misskredit geraten) im Alter auf die Knie gesunken war und begonnen<br />

hatte, sich gegen Mekka hin zu verneigen, war für seinen gottlosen Sohn<br />

schwer zu akzeptieren.<br />

»<strong>Die</strong>se Hexe ist schuld«, sagte er sich und verfiel zu rhetorischen<br />

Zwecken in dieselbe Sprache der Zaubersprüche und Kobolde, derer sich<br />

sein Vater bediente. »<strong>Die</strong>se Nasreen Zwei. Bin ich das Opfer der<br />

Teufelskunst, bin ich derjenige, der besessen ist? Es ist nicht meine

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