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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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war eine großzügige Frau, die großzügigste, der er je begegnet war.<br />

Wenn du sie siehst, weißt du es, hatte er sich versprochen, und es erwies<br />

sich als richtig. »Ich liebe dich«, hörte er sich sagen.<br />

»Okay, ich nagle dich nicht darauf fest«, sagte sie schließlich und<br />

machte ein hocherfreutes Gesicht. »Du bist offenbar aus dem seelischen<br />

Gleichgewicht geraten. Hast Glück, dass du nicht in einem unserer<br />

großen staatlichen Krankenhäuser bist; dort stecken sie die Irren gleich<br />

neben die Heroinsüchtigen, und der Drogenhandel auf den Stationen<br />

funktioniert so gut, dass die armen Schizos sich schlechte<br />

Angewohnheiten zulegen. Wenn du das in vierzig Tagen noch mal sagst,<br />

dann Pass auf, ich könnte es ernst nehmen. Aber jetzt ist es wohl eher<br />

eine Krankheit.«<br />

Mit erhobenem Kopf (und, wie es schien, ohne Anhang) vervollständigte<br />

Zeeny mit ihrem Wiedereintritt in sein Leben den Prozess seiner<br />

Erneuerung, seiner Regeneration, der das überraschendste und paradoxe<br />

Produkt der tödlichen Krankheit seines Vaters war. Sein altes englisches<br />

Leben, seine Bizarrheiten, seine Übel schienen weit entfernt, sogar<br />

irrelevant, wie sein verkürzter Künstlername. »Wurde auch Zeit«,<br />

stimmte Zeeny zu, als er ihr von seiner Rückkehr zu Salahuddin<br />

berichtete. »Jetzt kannst du endlich mit der Schauspielerei aufhören.« Ja,<br />

es sah tatsächlich nach dem Beginn eines neuen Abschnitts aus, in dem<br />

die Welt fest und real sein würde und in dem nicht mehr die breite<br />

Gestalt eines Vaters zwischen ihm und der Unvermeidlichkeit des Grabs<br />

stünde. Ein Leben als Waise, wie das Muhammads, wie das aller.<br />

Ein Leben, erleuchtet von einem seltsam strahlenden Tod, der vor<br />

seinem geistigen Auge wie eine Art Wunderlampe weiterglomm.<br />

Von nun an muss ich an mich selber denken, ah lebte ich beständig im<br />

ersten Augenblick der Zukunft, beschloss er wenige Tage später in<br />

Zeenys Wohnung in der Sophia College Lane, während er sich in ihrem<br />

Bett von dem bissigen Überschwang ihrer Liebe erholte. (Sie hatte ihn<br />

schüchtern zu sich nach Hause eingeladen, als lüftete sie einen Schleier,<br />

hinter dem sie sich lange Zeit versteckt hatte.) Doch so leicht lässt sich<br />

eine Geschichte nicht abschütteln; schließlich lebte er ebenso im<br />

gegenwärtigen Augenblick der Vergangenheit, und sein altes Leben<br />

brach um ihn herum wieder auf, um den letzten Akt zu beschließen.

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