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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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duschte, und der Anblick des Penis’ seines Vaters war ein Schock für ihn<br />

gewesen, den er nie vergessen hatte. Jenes dicke, gedrungene Organ, wie<br />

ein Knüppel. O dessen Kraft; und die Unscheinbarkeit des eigenen…<br />

»Seine Augen wollen sich nicht schließen«, beschwerte sich der Mullah.<br />

»Das hätten Sie schon früher tun sollen.« Er war ein stämmiger,<br />

pragmatischer Bursche, dieser Mullah mit dem schnauzerlosen Bart. Er<br />

behandelte den toten Körper wie eine gewöhnliche Sache, die gewaschen<br />

werden musste, wie ein Auto, ein Fenster, ein Teller.<br />

»Sie sind aus London? Dem Großen London? Da war ich lange Jahre.<br />

Ich war Türsteher im Claridge’s Hotel.« Ach, wirklich?<br />

Wie interessant. Der Mann wollte Smalltalk machen!<br />

Salahuddin war entsetzt. Das hier ist mein Vater, verstehen Sie das<br />

nicht? »<strong>Die</strong>se Kleidungsstücke«, fragte der Mullah und zeigte auf<br />

Changez’ letzten Kurta-Pajama, den, den sie im Hospital aufschneiden<br />

mussten, um an seine Brust zu kommen.<br />

»Brauchen Sie den noch« Nein, nein. Nehmen Sie sie. Bitte.<br />

»Sie sind sehr freundlich.« Kleine schwarze Tuchstückchen wurden<br />

Changez in den Mund und unter die Augenlider gestopft. »<strong>Die</strong>ses Tuch<br />

war in Mekka«, sagte der Mullah.<br />

Nehmen Sie es heraus! »Ich verstehe nicht. Das ist heiliges Tuch.« Sie<br />

haben mich gehört: raus damit. »Möge Gott Ihrer Seele gnädig sein.«<br />

Und:<br />

<strong>Die</strong> Bahre, mit Blumen bestreut, wie ein übergroßes Kinderbettchen.<br />

Der Körper, in Weiß gewickelt, mit Sandelholz bestreut, des Duftes<br />

wegen.<br />

Mehr Blumen, darüber ein grünes Seidentuch mit Koranversen als<br />

Goldstickereien darauf.<br />

Der Rettungswagen, in dem die Bahre lag, der darauf wartete, dass die<br />

Witwe dem Aufbruch zustimmte.<br />

Das letzte Lebewohl der Frauen.<br />

Der Friedhof. Trauernde Männer eilen herbei, um die Bahre auf ihre<br />

Schultern zu heben, trampeln Salahuddin dabei auf den Fuß, ein Stück<br />

des Nagels seines großen Zehs reißt ab.<br />

Unter den Trauernden ein entfremdeter alter Freund von Changez, der<br />

trotz beidseitiger Pneumonie hier ist, und ein weiterer alter Herr, der<br />

ausgiebig weint und selbst am darauffolgenden Tag sterben wird, und

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