10.12.2012 Aufrufe

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Gestern, mit all den Leuten, wie glücklich er da war! Aber jetzt ist das<br />

Auge matt. Jetzt kämpft er nicht mehr.«<br />

Am Nachmittag war Salahuddin allein mit seinem Vater; die beiden<br />

Frauen machten ein Nickerchen. Er merkte, dass er, der so entschlossen<br />

war, alle Karten auf den Tisch zu legen, nun verlegen und tollpatschig<br />

war; er wusste nicht, worüber er reden sollte. Aber Changez hatte etwas<br />

zu sagen.<br />

»Du sollst wissen«, sagte er zu seinem Sohn, »dass ich mit dieser<br />

Geschichte überhaupt keine Probleme habe. An irgendetwas muss der<br />

Mensch sterben, und ich sterbe ja nicht jung.<br />

Ich habe keine Illusionen; ich weiß, dass danach nichts kommen wird. Es<br />

ist das Ende, und das ist gut so. Ich fürchte mich nur vor den Schmerzen,<br />

denn unter Schmerzen verliert ein Mann seine Würde. Ich möchte nicht,<br />

dass das geschieht.« Salahuddin war ergriffen. Erst lernt man seinen<br />

Vater plötzlich wieder lieben, und dann auch noch, zu ihm aufzublicken.<br />

»<strong>Die</strong> Ärzte sagen, dein Fall kommt einmal in einer Million vor«,<br />

antwortete er wahrheitsgemäß. »Es sieht so aus, als würden dir die<br />

Schmerzen erspart.« Etwas in Changez entspannte sich daraufhin, und<br />

Salahuddin erkannte, wie sehr der alte Mann Angst gehabt hatte, wie<br />

sehr es nötig gewesen war, dass man es ihm sagte… »Bas«, sagte<br />

Changez Chamchawala schroff.<br />

»Dann bin ich bereit. Und übrigens: du bekommst die Lampe.«<br />

Eine Stunde später begann die Diarrhöe: ein dünnes schwarzes Rinnsal.<br />

Nasreens verzweifelter Anruf in der Notaufnahme des<br />

Breach-Candy-Krankenhauses ergab, dass Panikkar unabkömmlich war.<br />

»Er darf ab sofort kein Agarol mehr bekommen«, ordnete der<br />

diensttuende Arzt an und verschrieb stattdessen Imodium. Es half nichts.<br />

Um neunzehn Uhr wuchs die Gefahr einer Dehydration sprunghaft an,<br />

und Changez war zu schwach, um sich zum Essen aufzurichten. Er hatte<br />

praktisch keinen Appetit, aber Kasturba schaffte es, ihm ein wenig<br />

Grießbrei mit geschälten Aprikosen einzuflößen.<br />

»Jam, jam«, sagte er ironisch und lächelte sein schiefes Lächeln.<br />

Er schlief ein, doch bis um ein Uhr war er dreimal auf der Toilette<br />

gewesen. »Um Gottes willen«, schrie Salahuddin ins Telefon, »geben Sie<br />

mir Panikkars Privatnummer.« Aber das entsprach nicht den<br />

Gepflogenheiten des Krankenhauses. »Sie müssen selbst beurteilen«,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!