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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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Er erwachte am frühen Abend und ging nach unten, wo die beiden alten<br />

Frauen vor Changez’ Zimmer die Details seiner medizinischen<br />

Behandlung auszuarbeiten versuchten.<br />

Zusätzlich zu der täglichen Melphalantablette hatte man ihm eine ganze<br />

Batterie von Mitteln verschrieben, die die bösartigen Nebenwirkungen<br />

des Krebses: Anämie, die Überbeanspruchung des Herzens und so<br />

weiter, bekämpfen sollten. Isosorbid, viermal täglich zwei Tabletten,<br />

Furosemid, dreimal täglich eine Tablette, Prednisolon, zweimal täglich<br />

sechs Tabletten… »Ich übernehme das«, sagte er zu den erleichterten<br />

Frauen. »Wenigstens etwas, das ich tun kann.«<br />

Agarol gegen Verstopfung, Spironolakton gegen weiß der Himmel was,<br />

und Allopurinol: plötzlich kam ihm verrückterweise eine alte<br />

Theaterkritik in Erinnerung, in der der englische Kritiker Kenneth Tynan<br />

sich die vielsilbigen Figuren in Marlowes Tamerlan der Große »als eine<br />

Horde von Pillen und Wundermitteln, die sich gegenseitig dezimieren«,<br />

vorgestellt hatte:<br />

Schaffst mich hierher, kühner Barbitur?<br />

Bube, die Ahne dein ist tot - die alte Nembutal.<br />

<strong>Die</strong> Stern’ am Himmelszelt, sie weinen noch für Nembutal…<br />

Steht’s nicht für Tapferkeit, König zu sein, Aureomyzin und<br />

Formaldehyd,<br />

Steht’s nicht für Tapferkeit, König zu sein Und im Triumph zu reiten<br />

durch Amphetamin?<br />

Was die Erinnerung nicht alles hochspülte! Aber vielleicht war dieser<br />

pharmazeutische Tamerlan gar keine so schlechte Eloge auf den<br />

gestürzten Monarchen, der da in seinem bücherwurmstichigen<br />

Arbeitszimmer lag, in die drei Welten starrte und auf das Ende wartete.<br />

»Komm, Abba«, marschierte er munter in die Gegenwart. »Zeit, dein<br />

Leben zu retten.«<br />

Noch an ihrem Platz, auf einem Bord in Changez’ Studierzimmer: eine<br />

gewisse Lampe aus Kupfer und Messing, welcher die Macht der<br />

Wunscherfüllung innewohnen sollte, bislang jedoch (da nie gerieben)<br />

unerprobt. Etwas angelaufen schaute sie auf ihren sterbenden Besitzer<br />

herab - und wurde wiederum von dessen einzigem Sohn beobachtet. Der<br />

für einen Augenblick arg versucht war, sie in die Hand zu nehmen,<br />

dreimal daran zu reiben und den beturbanten Dschinn um einen Zauber

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