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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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dass du uns sagst, was wir zu tun haben. Du hast jedes Recht verwirkt.<br />

Dann erlosch das Flackern, und als sie sprach, war ihre Stimme<br />

ausgeglichen, sachlich, leise.<br />

»Vielleicht hast du Recht.« Kasturba aber jammerte: »Nein! Wie soll<br />

man das dem armen Mann sagen? Es würde ihm das Herz brechen.«<br />

Der Krebs hatte Changez’ Blut so weit eingedickt, dass das Herz die<br />

größten Schwierigkeiten hatte, es durch den Körper zu pumpen. Er hatte<br />

den Blutkreislauf auch mit Fremdkörpern und Plättchen verunreinigt, die<br />

jedes Blut angriffen, das ihm übertragen wurde, selbst das Blut seiner<br />

eigenen Art. Also nicht einmal auf diese Weise kann ich ihm helfen,<br />

begriff Saladin.<br />

Changez konnte leicht an diesen Nebenwirkungen sterben, bevor der<br />

Krebs ihn packte. Sollte er am Krebs sterben, dann käme das Ende in<br />

Form von Lungenentzündung oder Nierenversagen; die Ärzte wussten,<br />

dass sie nichts mehr für ihn tun konnten, und hatten ihn nach Hause<br />

entlassen, um den Tod zu erwarten. »Weil ein Myelom systemisch ist,<br />

wird weder eine Chemotherapie noch eine Strahlenbehandlung<br />

durchgeführt«, erklärte Nasreen. »Das einzige Medikament ist<br />

Melphalan, es kann in manchen Fällen das Leben verlängern, sogar um<br />

Jahre. Man hat uns allerdings gesagt, dass er zu einer Kategorie gehört,<br />

die nicht auf Melphalantabletten anspricht.« Aber sie haben es ihm nicht<br />

gesagt, beharrten Saladins innere Stimmen.<br />

Und das ist falsch, falsch, falsch. »Dennoch ist ein Wunder geschehen«,<br />

rief Kasturba. »<strong>Die</strong> Ärzte sagten, dies sei normalerweise eine der<br />

schmerzhaftesten Krebsarten; dein Vater aber hat keine Schmerzen.<br />

Wenn man betet, wird manchmal eine Gnade gewährt.« Aufgrund dieser<br />

ungewöhnlichen Schmerzfreiheit hatte es so lange gedauert, bis der<br />

Krebs diagnostiziert worden war; er hatte sich seit mindestens zwei<br />

Jahren in Changez’ Körper ausgebreitet. »Ich muss ihn jetzt sehen«,<br />

sagte Saladin sanft. Ein <strong>Die</strong>ner hatte seine Reisetasche und seine<br />

Kleidersäcke ins Haus getragen, während sie sich unterhielten; jetzt<br />

endlich folgte er seinen Sachen hinein.<br />

Das Innere des Hauses war unverändert - die Großzügigkeit der zweiten<br />

Nasreen gegenüber dem Andenken an die erste schien grenzenlos,<br />

zumindest während dieser Tage, den letzten ihres gemeinsamen Gatten<br />

auf Erden -, außer dass Nasreen II mit ihrer Sammlung ausgestopfter

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