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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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Zeenat Vakil wartete nicht im Flughafen.<br />

»Kommen Sie«, winkte Sisodia. »Mein Wagen hoho-holt mich ab, ich<br />

nehme Sie mit.«<br />

Fünfunddreißig Minuten später war Saladin Chamcha in Scandal Point,<br />

stand vor den Toren seiner Kindheit, mit Reisetasche und Kleidersäcken,<br />

und betrachtete die importierte Videoüberwachungsanlage am Eingang.<br />

Antidrogen-Parolen waren an die Wand um das Gelände gemalt:<br />

TRÄUME GEHEN DOWN span>WENN ZUKKER IST BRAUN. Und:<br />

ZUKUNFT IST SCHWARZ span>WENN ZUCKER IST BRAUN. Nur<br />

Mut, Alter, redete er sich zu; und klingelte, wie ein Schild es gebot,<br />

einmal kräftig.<br />

In dem üppigen Garten zog der Stumpf des gefällten Walnussbaums<br />

seinen unruhigen Blick auf sich. Möglich, dass sie ihn jetzt als<br />

Picknicktisch benutzen, sinnierte er verbittert.<br />

Sein Vater hatte immer eine Gabe zu melodramatischen,<br />

selbstmitleidigen Gesten gehabt, und von einer Fläche, die mit so viel<br />

emotionaler Wucht vollgepackt war, das Mittagessen einzunehmen -<br />

ohne Zweifel mit tiefen Seufzern zwischen den großen Happen -, würde<br />

gut zu ihm passen. Ob er auch seinen Tod dramatisieren würde, fragte<br />

sich Saladin. Was für ein abendfüllendes Spiel um Mitgefühl der alte<br />

Sack jetzt veranstalten könnte! In seiner Nähe waren alle der Gnade<br />

eines Sterbenden ausgeliefert. Schläge, die vom Totenlager ausgeteilt<br />

wurden, hinterließen Male, die nie verblassten.<br />

Seine Stiefmutter trat aus dem marmornen Landhaus des Sterbenden, um<br />

Chamcha ohne jede Spur von Groll zu begrüßen. »Salahuddin. Schön,<br />

dass du da bist. Das wird seinen Geist beleben; er muss jetzt mit seinem<br />

Geist kämpfen, denn sein Körper ist mehr oder weniger hin.« Sie war<br />

ungefähr sechs oder sieben Jahre jünger, als seine Mutter gewesen wäre,<br />

aber von demselben vogelartigen Aussehen. Sein kräftiger,<br />

überbordender Vater war wenigstens in dieser Hinsicht bemerkenswert<br />

konsequent gewesen. »Wie lange hat er noch zu leben?« fragte Saladin.<br />

Nasreen war so aufgeklärt, wie ihr Telegramm hatte ahnen lassen. »Er<br />

kann jeden Tag sterben.« Das Myelom hatte sich überall durch Changez’<br />

»lange Knochen« - der Krebs hatte sein eigenes Vokabular mitgebracht;

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