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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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hindurchschreiten. Wenn wir unser Herz öffnen können, dann können<br />

wir auch das Meer öffnen.«<br />

»An Land hier war die Teilung eine ziemliche Katastrophe«, zog er sie<br />

auf. »Einige sind gestorben, wie du dich vielleicht erinnerst. Glaubst du,<br />

im Wasser wird das anders?«<br />

»Psst«, sagte Aischa plötzlich. »Der Engel ist ganz nah.«<br />

Eigentlich war es überraschend, dass nach all der Aufmerksamkeit, die<br />

der Marsch erhalten hatte, sich nur eine bescheidene Menge am Strand<br />

versammelt hatte; doch hatten die Behörden allerlei<br />

Vorsichtsmaßnahmen getroffen, Straßen gesperrt, den Verkehr<br />

umgeleitet, so dass vielleicht zweihundert Gaffer am Strand waren. Kein<br />

Grund zur Aufregung also.<br />

Merkwürdig war indes, dass die Zuschauer die Schmetterlinge nicht<br />

sahen und auch nicht, was sie als nächstes taten. Mirza Said hingegen<br />

sah deutlich, wie die große leuchtende Wolke hinaus aufs Meer flog;<br />

innehielt; schwebte; und sich zu der Gestalt eines kolossalen Wesens<br />

formte, eines strahlenden Riesen, der gänzlich aus winzigen schlagenden<br />

Flügeln bestand, die von Horizont zu Horizont reichten und den ganzen<br />

Himmel bedeckten.<br />

»Der Engel!« rief Aischa den Pilgern zu. »Jetzt seht ihr es selbst! Er war<br />

die ganze Zeit bei uns. Glaubt ihr mir jetzt?«<br />

Mirza Said sah, wie absoluter Glaube die Pilger wieder erfüllte.<br />

»Ja«, weinten sie und baten um Vergebung. »Gibril! Gibril! Ya Allah.«<br />

Mirza Said unternahm seinen letzten Versuch. »Wolken nehmen viele<br />

Formen an«, schrie er. »Elefanten, Filmstars, alles. Seht doch, sie<br />

verändert sich gerade.« Doch niemand beachtete ihn; alle beobachteten,<br />

voll ehrfürchtigem Staunen, wie die Schmetterlinge ins Meer tauchten.<br />

<strong>Die</strong> Dörfler stießen Freudenschreie aus und tanzten ausgelassen. »<strong>Die</strong><br />

Teilung! <strong>Die</strong> Teilung!« schrien sie.<br />

Umstehende riefen Mirza Said zu: »He, Sie, was macht sie denn so<br />

verrückt? Wir sehen überhaupt nicht, was da vor sich geht.«<br />

Aischa hatte begonnen, aufs Wasser zuzugehen, und Mishal wurde von<br />

ihren beiden Helfern mitgeschleppt. Said rannte ihr nach und wurde mit<br />

den Dörflern handgemein. »Lasst meine Frau los. Sofort! Verflucht! Ich<br />

bin euer Zamindar. Lasst sie los, nehmt eure dreckigen Finger weg!«<br />

Doch Mishal flüsterte: »Das werden sie nicht tun. Geh weg, Said, Du

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