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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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Warum diese Indirektheit? Warum zitierst du ihn nicht einfach?«<br />

»Er spricht zu mir«, entgegnete Aischa, »in klaren und einprägsamen<br />

Weisen.«<br />

Mirza Said voll der bitteren Energie seines Verlangens nach ihr und voll<br />

des Schmerzes über die Entfremdung von seiner sterbenden Frau und<br />

voll der Erinnerungen an die Mühsal des Marsches, roch in ihrer<br />

Knappheit die Schwäche, nach der er gesucht hatte. »Sei doch bitte<br />

etwas genauer«, beharrte er.<br />

»Oder warum sollte sonst jemand daran glauben? Was sind das für<br />

Weisen?«<br />

»Der Erzengel«, räumte sie in, »singt zu mir in den Melodien bekannter<br />

Schlager.«<br />

Mirza Said klatschte hocherfreut in die Hände und begann, das laute,<br />

widerhallende Lachen der Rache zu lachen, und Osman der<br />

Ochsen-Junge fiel ein, schlug auf sein Dholki und stolzierte zwischen<br />

den dahockenden Dörflern umher, sang die neuesten Filmi Ganas und<br />

machte Nautch-Mädchenaugen. »Ho ji!« tirilierte er. »Das ist Gibrils<br />

Stil, ho ji, ho ji!«<br />

Und einer nach dem anderen erhob sich Pilger auf Pilger, reihte sich in<br />

den Tanz des kreisenden Trommlers ein und tanzte seine<br />

Desillusionierung und seinen Abscheu in den Hof der Moschee hinaus,<br />

bis der Imam angerannt kam und über die Gottlosigkeit ihres Treibens<br />

kreischte.<br />

<strong>Die</strong> Nacht brach herein. <strong>Die</strong> Dörfler aus Titlipur saßen um ihren<br />

Sarpanch Muhammad Din herum, und es wurden ernste Gespräche über<br />

eine Rückkehr nach Hause geführt. Vielleicht war noch ein Rest der<br />

Ernte zu retten. Mishal Akhtar lag, den Kopf im Schoß ihrer Mutter, im<br />

Sterben, von Schmerzen gepeinigt, und eine einzelne Träne rollte aus<br />

ihrem linken Auge.<br />

Und in einer Ecke des Hofs der grünblauen Moschee mit ihrer<br />

Technicolor-Neonbeleuchtung saßen die Visionärin und der Zamindar<br />

und redeten. Ein Mond - neu, horngleich, kalt - schien herab.<br />

»Du bist ein schlauer Mann«, sagte Aischa. »Du wusstest, wie du deine<br />

Chance zu nutzen hattest.«

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