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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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»Vergiss das, bitte«, sagte Said, von ihrem Auftritt verwirrt, aber sie tat<br />

es nicht. »Du musst wissen, dass alles nur aus Liebe geschah. Liebe«,<br />

sagte Mrs. Qureishi, »ist eine facettenreiche glänzende Erscheinung.«<br />

»Sie hält die Welt in Schwung«, stimmte Mirza Said zu und versuchte,<br />

sich dem Geist der Konversation anzupassen.<br />

»<strong>Die</strong> Liebe besiegt alles«, bestätigte Mrs. Qureishi. »Sie hat meine Wut<br />

besiegt, <strong>Die</strong>s muss ich beweisen, indem ich bei dir im Auto mitfahre.«<br />

Mirza Said machte eine Verbeugung. »Es ist dein, Ammaji.«<br />

»Dann wirst du sicher die beiden Dörfler bitten, sich zu dir nach vorn zu<br />

setzen. Damen muss man schützen, nicht wahr?«<br />

»Durchaus«, antwortete er.<br />

<strong>Die</strong> Geschichte des Dorfes, das zu Fuß zum Meer marschierte, hatte sich<br />

im ganzen Land verbreitet, und in der neunten Woche wurden die Pilger<br />

von Journalisten bedrängt, von Lokalpolitikern auf Stimmenfang,<br />

Geschäftsleuten, die den Marsch sponsern wollten, die Yatris müssten<br />

nur bereit sein, Reklametafeln zu tragen, auf denen für verschiedene<br />

Güter und <strong>Die</strong>nstleistungen geworben wurde, von ausländischen<br />

Touristen auf der Suche nach den Mysterien des Ostens, nostalgischen<br />

Gandhianern sowie jener Spezies menschlicher Geier, die zum<br />

Autorennen geht, um die Unfälle zu sehen. Als sie den Schwärm der<br />

Chamäleonschmetterlinge erblickten, der das Mädchen Aischa kleidete<br />

und ihr gleichzeitig die einzige feste Nahrung bot, waren diese Besucher<br />

erstaunt und zogen mit gemischten Erwartungen wieder ab, das heißt,<br />

mit einem Loch in ihrem Bild von der Welt, das sie nicht übertünchen<br />

konnten. In allen Zeitungen erschienen Fotos von Aischa, und die Pilger<br />

zogen sogar an Plakatwänden vorbei, auf der die lepidopterische<br />

Schönheit in dreifacher Überlebensgröße aufgemalt war, dazu Slogans<br />

wie Unsere Tücher sind so zart wie ein Schmetterlingsflügel oder<br />

dergleichen. Dann erreichten sie beunruhigendere Neuigkeiten. Gewisse<br />

religiöse Extremistengruppen hatten Erklärungen abgegeben, in denen<br />

sie die »Aischa Hadsch« als den Versuch brandmarkten, die öffentliche<br />

Aufmerksamkeit zu »kidnappen« und »kommunalistische Regungen<br />

anzuheizen«. Flugblätter wurden verteilt - Mishal sammelte sie von der<br />

Straße auf -, in denen behauptet wurde, dass die »Padyatra, oder<br />

Pilgerreise zu Fuß, eine alte, präislamische Tradition der nationalen<br />

Kultur sei, nicht das importierte Gut von Mogul-Einwanderern«. Auch:

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