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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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aber gab es, die ihrer Macht entglitt: Mrs. Qureishi, ihre Mutter, die Frau<br />

des Direktors der Staatsbank.<br />

<strong>Die</strong> Ankunft Mr. Qureishis, Mishals Vater, war durchaus ein Ereignis.<br />

<strong>Die</strong> Pilger machten gerade im Schatten einer Platanenzeile Rast,<br />

sammelten fleißig Unterholz und scheuerten Kochtöpfe, als die<br />

Fahrzeugkolonne in Sicht kam.<br />

Sogleich sprang Mrs. Qureishi, die zwanzig Pfund leichter als zu Beginn<br />

des Marsches war, quietschend auf und versuchte verzweifelt, den<br />

Schmutz von ihren Kleidern abzubürsten und ihre Frisur zu ordnen.<br />

Mishal sah, wie ihre Mutter kraftlos mit einem zerlaufenen Lippenstift<br />

hantierte, und fragte: »Was plagt dich, Ma? Entspanne dich.«<br />

Ihre Mutter deutete matt auf die herannahenden Autos.<br />

Augenblicke später stand die hochgewachsene, strenge Gestalt des<br />

großen Bankiers über ihnen. »Wenn ich es nicht selbst gesehen hätte,<br />

hätte ich es nicht geglaubt«, sagte er. »Man hat es mir erzählt, aber ich<br />

habe es nicht ernstgenommen. Deshalb hat es so lange gedauert, bis ich<br />

dahintergekommen bin. Aus Peristan ohne ein Wort zu verschwinden:<br />

Was zum Donner soll das?«<br />

Mrs. Qureishi bebte hilflos unter den Augen ihres Mannes, fing an zu<br />

weinen, spürte die Schwielen an ihren Füßen und die Erschöpfung, die<br />

sich in jeder Pore eingenistet hatte. »O Gott, ich weiß es nicht, es tut mir<br />

leid«, sagte sie. »Gott allein weiß, was über mich gekommen ist.«<br />

»Weißt du nicht, dass ich einen heiklen Posten bekleide?« rief Mr.<br />

Qureishi. »Das Vertrauen der Öffentlichkeit ist essentiell.<br />

Was macht das da für einen Eindruck, dass meine Frau mit Bhangis<br />

herumzigeunert?«<br />

Mishal nahm ihre Mutter in die Arme und sagte zu ihrem Vater, er solle<br />

sie nicht schikanieren. Mr. Qureishi sah zum ersten Mal, dass seine<br />

Tochter das Zeichen des Todes auf der Stirn trug, und sackte sogleich<br />

wie ein Luftschlauch zusammen.<br />

Mishal erzählte ihm von ihrem Krebs und dem Versprechen der Seherin<br />

Aischa, dass in Mekka ein Wunder geschehen und sie völlig geheilt<br />

würde.<br />

»Dann fliege ich dich nach Mekka, pronto«, bat ihr Vater.<br />

»Warum zu Fuß gehen, wenn du mit dem Airbus fliegen kannst?«<br />

Aber Mishal blieb hart. »Du solltest wieder gehen«, sagte sie zu ihrem

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