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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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ihr eine weitere Szene zu machen. »Du Ungeheuer!« schrie er.<br />

»Herzloses Ungeheuer!<br />

Warum hast du die alte Frau hierher zum Sterben gebracht?«<br />

Sie ignorierte ihn, doch als er zu seinem Kombi zurückging, trat der<br />

Sarpanch zu ihm und sagte: »Wir waren arme Leute. Wir wussten, wir<br />

konnten nie hoffen, nach Mekka Sharif zu kommen, bis sie uns<br />

überredete. Sie überredete uns, und Sie sehen ja, was dabei<br />

herausgekommen ist.«<br />

Aischa, die Kahin, bat um ein Wort mit dem Sarpanch, doch spendete sie<br />

ihm keinen Trost. »Festige deinen Glauben«, schalt sie ihn. »Wer auf der<br />

großen Pilgerreise stirbt, kann sich eines Platzes im Paradies sicher sein.<br />

Deine Frau sitzt jetzt zwischen den Engeln und den Blumen; was gibt es<br />

da für dich zu bedauern?«<br />

An jenem Abend trat der Sarpanch Muhammad Din zu Mirza Said, als<br />

dieser an einem kleinen Lagerfeuer saß.<br />

»Entschuldigen Sie, Sethji«, sagte er, »aber wäre es möglich, dass ich,<br />

wie Sie es mir einmal angeboten haben, in Ihrem Automobil mitfahre?«<br />

Nicht bereit, das Projekt, für das seine Frau gestorben war, völlig<br />

aufzugeben, unfähig, den absoluten Glauben, den das Unternehmen<br />

erforderte, aufrechtzuhalten, bestieg Muhammad Din den Kombiwagen<br />

des Skeptizismus. »Mein erster Konvertit«, frohlockte Mirza Said.<br />

In der vierten Woche zeitigte der Abfall des Sarpanch Muhammad Din<br />

die ersten Auswirkungen. Er saß auf dem Rücksitz des Mercedes, als<br />

wäre er der Zamindar und Mirza Said der Chauffeur, und allmählich<br />

lehrten ihn die Lederpolsterung und die elektrisch betätigten<br />

Spiegelglasfenster Hochmut; die Nase reckte sich in die Luft, und er<br />

nahm die herablassende Miene eines Mannes an, der sehen kann, ohne<br />

gesehen zu werden. Auf dem Fahrersitz spürte Mirza Said wie sich ihm<br />

Augen und Nase mit dem Staub füllten, der durch das Loch drang, wo<br />

einmal die Windschutzscheibe gewesen war, doch ungeachtet solcher<br />

Unannehmlichkeiten fühlte er sich besser als zuvor. Stets versammelte<br />

sich jetzt am Ende eines Tages eine Pilgertraube um den Mercedes-Benz<br />

mit seinem schimmernden Stern, und Mirza Said versuchte, ihnen<br />

Vernunft beizubringen, während sie dem Sarpanch Muhammad Din

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