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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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Leg dich wenigstens hin, lasse mich dir eine Weile die Füße massieren.«<br />

Aber sie weigerte sich, und ihre Mutter scheuchte ihn weg. »Ach, Said,<br />

du hast eine solch negative Stimmung, das schlägt einem auf den Magen.<br />

Geh dein Coke-shoke in deinem KA-Wagen trinken und lasse uns Yatris<br />

in Frieden.« Nach der ersten Woche büßte der Wagen mit Klimaanlage<br />

seinen Fahrer ein. Mirza Saids Chauffeur kündigte und mischte sich<br />

unter die zu Fuß gehenden Pilger; der Zamindar musste sich jetzt selbst<br />

ans Steuer setzen.<br />

Von nun an musste er anhalten, wenn ihn seine Aufregung übermannte,<br />

parken und wie ein Wilder unter den Pilgern hin und her rennen, drohen,<br />

flehen und Bestechungsgelder anbieten. Mindestens einmal am Tag<br />

fluchte er Aischa offen ins Gesicht, weil sie sein Leben ruinierte, doch<br />

die Beschimpfungen währten nie lange, denn immer wenn er sie ansah,<br />

begehrte er sie dermaßen, dass er sich schämte. Der Krebs hatte<br />

begonnen, Mishals Haut grau zu färben, und auch Mrs. Qureishi franste<br />

allmählich aus; ihre »guten« Chappals hatten sich in ihre Bestandteile<br />

aufgelöst, und sie litt an schrecklichen Fußblasen, die wie kleine<br />

Wasserballons aussahen. Als Said ihr die Bequemlichkeit des Wagens<br />

anbot, weigerte sie sich jedoch weiterhin strikt. Der Zauber, den Aischa<br />

über die Pilger gelegt hatte, hielt sie noch fest im Griff.<br />

Und am Ende dieser Ausfälle ins Herz des Pilgerzugs merkte Mirza Said,<br />

verschwitzt und schwindlig vor Hitze und seiner wachsenden<br />

Verzweiflung, dass die Fußgänger seinen Wagen ein ganzes Stück weit<br />

zurückgelassen hatten, so dass er mit düsterer Miene allein zu ihm<br />

zurückwanken musste. Als er eines Tages zu seinem Kombi zurückkam,<br />

stellte er fest, dass eine Kokosnussschale, die aus einem vorbeifahrenden<br />

Bus geworfen worden war, die Windschutzscheibe aus Verbundglas<br />

zerschmettert hatte, so dass sie nun aussah wie ein Spinnennetz voller<br />

Diamantfliegen. Er klopfte die Scheibe heraus, und die Glasdiamanten<br />

schienen ihn zu verspotten, während sie auf die Straße und in den Wagen<br />

fielen, schienen von der Vergänglichkeit und Wertlosigkeit irdischen<br />

Besitzes zu sprechen. Doch ein weltlicher Mann lebt in der Welt der<br />

Dinge, und Mirza Said hatte nicht die Absicht, so leicht wie eine<br />

Windschutzscheibe zu zerbrechen. Des Nachts legte er sich zu seiner<br />

Frau auf eine Matte unter die Sterne an den Rand der großen Fernstraße.<br />

Als er ihr von dem Windschutzscheibenunfall erzählte, spendete sie ihm

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