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Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

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Fabrikarbeiter empfangen, die um Erlaubnis baten, die Arbeit für ein<br />

paar Stunden unterbrechen zu dürfen, damit sie Zeuge des großen<br />

Ereignisses sein konnten. Da er wusste, dass sie sich die Zeit sowieso<br />

nehmen würden, willigte er ein. Er selbst jedoch blieb noch eine Zeitlang<br />

stur auf seiner Veranda, versuchte, so zu tun, als verspürte er noch nicht<br />

die Schmetterlinge der Erregung in seinem geräumigen Magen. Später<br />

sollte er Mishal Akhtar anvertrauen:<br />

»Es war eine Vorahnung. Was soll ich sagen? Ich wusste, dass ihr nicht<br />

nur wegen einer Erfrischung gekommen wart. Sie war meinethalben<br />

hier.«<br />

Titlipur erreichte Chatnapatna in einem Chaos von quäkenden Babys,<br />

schreienden Kindern, knötternden Alten und öden Witzen von Osman<br />

mit dem Bum -Bum-Ochsen, um den Srinivas sich einen Dreck scherte.<br />

Dann informierten die Gassenjungen den Spielzeugkönig, dass sich unter<br />

den Reisenden auch die Frau und die Schwiegermutter des Zamindar<br />

Mirza Said befanden, und dass sie wie Bauern zu Fuß unterwegs waren,<br />

einfache Kurta-Pajamas und keinerlei Schmuck trugen. An diesem Punkt<br />

tapste Srinivas hinüber zu der Kantine an der Straße, um die sich die<br />

Pilger aus Titlipur scharten, während Kartoffelbhurtas und -parathas die<br />

Runde machten. Dort traf er gleichzeitig mit dem Polizeijeep von<br />

Chatnapatna ein. Der Inspektor stand auf dem Beifahrersitz und brüllte<br />

durch ein Megaphon, er werde gegen diesen »kommunalistischen«<br />

Marsch unnachsichtig Maßnahmen ergreifen, sollte dieser sich nicht<br />

umgehend auflösen. Eine Hindu-Moslem-Geschichte, dachte Srinivas,<br />

schlimm, schlimm.<br />

<strong>Die</strong> Polizei behandelte den Pilgerzug als eine Art sektiererische<br />

Demonstration, doch als Mirza Said Akhtar vortrat und dem Inspektor<br />

die Wahrheit sagte, wurde der Beamte verwirrt. Sri Srinivas, ein<br />

Brahmane, war offensichtlich nicht der Mann, der jemals eine Pilgerfahrt<br />

nach Mekka erwogen hatte, aber nichtsdestoweniger war er beeindruckt.<br />

Er drängte sich durch die Menge, um zu hören, was der Zamindar sagte:<br />

»Und es ist die Absicht dieser guten Leute, zum Arabischen Meer zu<br />

marschieren, in dem Glauben, dass die Wasser sich vor ihnen teilen<br />

werden.« Mirza Saids Stimme klang schwach, und der Inspektor,<br />

Chatnapatnas Oberster Wachtmeister, war nicht überzeugt. »Ist das Ihr<br />

Ernst, ji?« Mirza Said sagte: »Nicht meiner. Ihrer, die meinen es

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